Neue Cds: Vorgestellt Von Eleonore Büning Rasant Und
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1 Freitag, 27.01.2017 SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs: Vorgestellt von Eleonore Büning Rasant und emphatisch C. P. E. Bach 4 Symphonies Wq 183 6 Sonatas Wq 184 Ensemble Resonanz Riccardo Minasi Es-Dur 2070 Spezialist für historische Tasteninstrumente FRIEDRICH WILHELM RUST Der Clavierpoet THE PIANO POET KEYBOARD WORKS Jermaine Sprosse dhm 889853 692729 Rettung aus dem Orkus des Vergessens Mieczysłav Weinberg Kremerata Baltica Gidon Kremer Chamber Symphonies Piano Quintet ECM 2538/39-4814604 Betörend schön Sacred Duets NURIA RIAL VALER SABADUS KAMMERORCHESTER BASEL SONY CLASSICAL 889853 23612 Hinreißend Rostropovich ENCORES Alban Gerhardt Markus Becker hyperíon CDA 68136 Signet „SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs“ … heute mit Eleonore Büning, ich grüße Sie! Anfang Januar, da ging das Jahr diesmal richtig gut los. Jubelstürme und Shitstorms erschütterten die Welt der Musik. Mehr als 11.000 Artikel wurden geschrieben über die Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie, zehn Millionen Euro hat die Stadt Hamburg ausgegeben fürs Event-Marketing, aber das ist nur ein Klacks, bedenkt man, was der Bau dieses Musiktraumhauses gekostet hat. Allein schon diese gewaltige Summe lenke das öffentliche Augenmerk auf die Musik, behauptet die Werbeagentur. Sogar Leute, die das Wort Beethoven nicht buchstabieren können, seien jetzt ergriffen und gerührt – weshalb auch gleich die „Einstürzenden Neubauten“ in der Elbphilharmonie auftraten, was sicher auch nicht billig war. 2 Zugaben gibt es aber (auch an der Elbe) immer umsonst. Damit fangen wir jetzt an. Alban Gerhardt (Violoncello) und Markus Becker (Klavier) spielen eine Lieblingszugabe von Mstislaw Rostropowitsch: Presto! David Popper: „Elfentanz“ op. 39 2:30 Eine Teufels-Etüde! Schneller geht es nicht! Oder doch? Der große Cellist Mstislaw Rostropowitsch, der dieses Stück namens „Elfentanz“ von David Popper oft als Zugabe gespielt hat, sagte einmal: „Ich fand heraus, dass das Publikum sehr laut applaudierte, wenn ich den „Elfentanz“ sehr schnell spielte. Also spielte ich ihn das nächste Mal noch schneller, und sie klatschten noch lauter und so weiter, bis ich in einem lächerlichen Tempo spielte, das mit der Musik nichts mehr zu tun hatte!“ Dafür sind Zugaben da: Als kleines Dankeschön, als Rausschmeißer. Alban Gerhardt spielte soeben den „Elfentanz“ – zum Auftakt unserer Sendung und zugleich als Teil eines großen Dankeschöns an sein großes Vorbild Rostropowitsch, dem er einmal vorgespielt, der in ermuntert hat; und von dem er 18 der schönsten Cello-Zugaben zusammen suchte, für sein neues Album. Es heißt „ENCORES – as performed by Mstislav Rostropovich“. Demonstriert wird hier, wie selig ein Cello singen, wie irre es rasen kann, ein staunenswertes Potpourri unterschiedlichster Farben und Formen, Höhen und Tiefen. Und es zeigt auch und vor allem, was für ein fantastisch ausdrucksstarker Cellist dieser Alban Gerhardt ist. Er wird begleitet bei diesem Abenteuer von Markus Becker. Mehr davon gibt es am Ende unserer Sendung zu hören, wenn die Zugaben-Zeit gekommen ist. Außerdem habe ich folgende neue CDs mitgebracht: Sonaten für Tasteninstrumente von Friedrich Wilhelm Rust; Konzertantes von Mieczysław Weinberg mit der Kremerata Baltica; Duette aus italienischen Oratorien des Seicento mit Valer Sabadus und Nuria Rial; sowie Sinfonien von Carl Philipp Emanuel Bach, der 20 Jahre lang in Hamburg als Musikdirektor wirkte und jährlich mehr als 200 Hamburger Konzerte veranstaltet hat. Von der Plaza, der Aussichtsterrasse der Hamburger Elbphilharmonie, kann man den Ort sehen, wo Carl Philipp Emanuel Bach begraben liegt, nämlich in der Stadtkirche, dem Hamburger Michel. Doch bei den Eröffnungsfeierlichkeiten von „Elphi“ kam dieser Hamburger Bach überhaupt nicht vor. Er wurde nicht mal erwähnt, geschweige denn gespielt! Das müssen wir hier in „Treffpunkt Klassik – Neue CDs“ sofort gleich ändern! Es spielt das Hamburger Ensemble Resonanz, eine Kostprobe aus dem neuen fetzigen Carl Philipp Emanuel Bach-Album. Carl Philipp Emanuel Bach: Sinfonia G-Dur Wq. 183 Nr. 4, 10:30 1. und 2. Satz Viel Licht und Schatten, Sturm und Drang, so endet diese Sinfonie G-Dur aus dem Jahr 1776, komponiert von Carl Philipp Emanuel Bach, dem sogenannten „Hamburger Bach“, zweitältester Sohn des großen Johann Sebastian. Es spielte das Ensemble Resonanz unter Leitung von Alte Musik-Spezialist Riccardo Minasi. Dieses Ensemble Resonanz, ansässig in Hamburg, Sankt Pauli, ist kein Originalklangensemble – obgleich man das glauben könnte, wenn man diese scharf angerissenen Akzente hört, diesen kantigen Klang, diese rappelnden Pralltriller. Resonanz ist ein Ensemble neuen Typs: ohne Leiter, ohne Lager, ohne special interest, flexibel und genreübergreifend. Die Musiker spielen auf allen „Hochzeiten“: Alte Musik, Neue Musik, klassische Musik, Musik des Sturm und Drang – an sich ein reines Streicherensemble, das sich dann projektweise jeweils weitere Instrumente und spezialisierte Dirigenten dazu lädt. Zurzeit ist der Neue Musik-Spezialist Emilio Pomàrico „Artist in Residence“ beim Ensemble 3 Resonanz. Deshalb eröffneten sie neulich mit Pomárico am Pult den Kleinen Saal der Elbphilharmonie mit einer Uraufführung mit Neuer Musik von Georg Friedrich Haas. Hier, auf ihrem neuen Album, spielen sie rasant und emphatisch Musik des Sturm und Drang – und zwar stilecht, weil sie sich dazu den Barockgeiger Riccardo Minasi vom Ensemble Pomo d’Oro ausgeliehen haben und außerdem ein paar Bläsersolisten: Flöten, Hörner, Fagotte. Und die wiederum dürfen auf diesem Konzeptalbum zwischen die vier Orchestersinfonien von Carl Philipp Emanuel Bach ein paar Kontrastmittel einstreuen – quasi als Pausenclowns tröten sie dazwischen, und zwar spielen sie kurze Bläsersonaten vom Hamburger Bach. Hier die in G-Dur: Carl Philipp Emanuel Bach: Sonata G-Dur Wq. 184 Nr. 3 2:00 Von Carl Philipp Emanuel Bach stammt diese kesse kleine Bläsersonate G-Dur, entstanden 1775, als Vorstudie zu seinen Orchestersinfonien. Sie wirkt wie eine kollektive Fingerübung – stilecht gespielt von unbekannten Hamburger Flötistensolisten und Hornisten – wer das genau war, das kann ich leider nicht sagen. Die Namen der Gäste dieser Edition hat das Hamburger Ensemble Resonanz nicht verraten. Wo dieses ambitionierte und interessante Konzeptalbum aber erschienen ist, das steht auf der CD drauf: Es ist das Hamburger Label Es Dur, im Vertrieb der Firma edel classics. Wir bleiben im „Sturm und Drang“ auch mit der nächsten CD-Neuheit. In diesem bewegten Zeitalter, kurz vor der Französischen Revolution, hatte es in der Musiksprache schon ordentlich gewetterleuchtet; und es sind offenbar immer noch etliche Entdeckungen zu machen. Hier ist es ein Komponist, Geiger und Pianist. Er heißt Friedrich Wilhelm Rust, stammt aus Wörlitz bei Dessau, aus einer Musikerfamilie, und ging mit 23 Jahren in Festanstellung, als Kapellmeister am Dessauer Hof, wo er 30 Jahre lang treu diente. Sein Handwerk hatte Friedrich Wilhelm Rust zuvor bei den Bach-Söhnen gelernt: Erst bei Wilhelm Friedemann Bach in Halle, dann bei Carl Philipp Emanuel Bach. Und das hört man. Diese schnellen Affektwechsel, die rhetorischen Ausrufezeichen, die Generalpausen, der Wechsel von Licht und Schatten, von Dur und Moll: Das ist lupenrein der galante Stil der Empfindsamkeit: Aus jedem Ton spricht die Leidenschaft des jungen Werther: Friedrich Wilhelm Rust: Sonate g-Moll, 1. Satz 6:05 Pausen! Ausrufezeichen! Affektwechsel! Und noch etwas ist in diesem Allegro Brillante von Friedrich Wilhelm Rust sofort zu hören: Wie den jungen Goethe, der ein echter Fan von Rust gewesen war, so hatte es auch den jungen Komponisten auf Bildungsreise nach Italien geführt, in das Land, wo die Zitronen und die Oper blühen und Tartini, Martini und Scarlatti wirkten. Jermaine Sprosse spielte diesen ersten Satz aus der Klaviersonate g-Moll von Friedrich Wilhelm Rust – stilecht auf einem zweichörigen, bundfreien Clavichord, genauer: auf der Kopie eines historischen Clavichords von Christian Gottlob Hubert, Baujahr ungefähr 1772. Dieses Clavichord ist beschrieben und abgebildet im Beiheft dieser CD, es spielt ja auch eine Hauptrolle auf diesem Album: Mit seinem feinen Klang, den modulationsfähigen Farben und der Möglichkeit, jeden einzelnen Ton beben zu lassen, war es das probate Instrument des Sturm und Drang. Insgesamt hat Jermaine Sprosse drei Sonaten dieses weithin unbekannten Friedrich Wilhelm Rust neu aufgenommen, eine davon als Erstaufnahme – dazu einen Variationenzyklus, wofür er ein anderes Mode-Instrument jener Zeit benutzt: den ungleich kräftigeren, Hammerflügel. Der ist ebenfalls im Beiheft abgebildet: ein Originalinstrument, Baujahr 1792, aus der Werkstatt des berühmten Augsburger Klavierbauers Johann Andreas Stein, dessen Instrumente auch Mozart hoch geschätzt hat. „Blühe, liebes Veilchen“ heißt das Lied im 4 Volkston, das hier von Rust nach allen Kunstregeln durchdekliniert wird. Eine Variation versetzt er nach Moll, eine andere in den Tanzrythmus, dazu kommen etliche verzierte Bravourvariationen und eine zweistimmige Charaktervariation im breitesten, empfindsamen Largo. Friedrich Wilhelm Rust: „Blühe, liebes Veilchen“, vier Variationen 3:40 Sie hörten vier Klaviervariationen über das Thema „Blühe, liebes Veilchen“, ein Lied im Volkston von Johann Abraham Peter Schulz, der übrigens auch jenes andere Lied im Volkston komponiert hat, das heute noch in aller Munde ist: „Der Mond ist aufgegangen“. Der Komponist dieser Klaviervariationen indes (auf einem Hammerflügel gespielt von Jermaine Sprosse) – der ist vergessen wie ein Grab: Von Friedrich Wilhelm Rust kennt