St. Ansgar 2014 Jahrbuch des St. Ansgarius-Werkes Herausgegeben vom Vorstand des St. Ansgarius-Werkes Köln und des St. Ansgar-Werkes München. Redaktion: Domkapitular Prälat Dr. Günter Assenmacher, Erzbistum Köln, Marzellenstr. 32, 50668 Köln.

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Der Umschlag zeigt vorn die Bearbeitung eines Fotos der St. Laurentius-Kirche in Lohja (vgl. S. 141), auf der Rückseite ein Foto des Konventes der Birgittaschwestern in Vadstena (vgl. S. 58-61). St. Ansgar 2014 Inhaltsverzeichnis

St. Ansgar und andere 7 Vorwort / Joachim Kardinal Meisner 9 Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ansgarwerke 10 Das Ansgarwerk Schweiz / Niklaus Baumann 11 Bruno Bernhard Heim 12 CREDO - Christianisierung Europas im Mittelalter Kloster Corvey wird Kulturerbe 16 Sozusagen der zweite Ansgar - Erzbischof em. Dr. Ludwig Averkamp verstorben Für Sie gelesen: Nordische Bischöfe, aber (noch) kein nordischer Kardinal? /R. Haas 17 Ein monumentales Werk der „Birgitten Atlas“ 19 Jubiläum der Seligsprechung Niels Stensens Heringe 20 Conferentia Episcopalis Scandiae Bistum Kopenhagen 23 2013: Ein Jahr mit Niels Stensen Seminar mit deutschen Berührungspunkten 24 Ein unbekannter Film über Niels Stensen Katholische Theologen gründen einen Interessenverband 25 Gott interessiert sich auch für Skandinavien 26 Pro Scandiae Populis 27 Freudiges Ereignis im Dom Ein Schritt weiter auf dem Weg zur Priesterweihe Priester bekommen eigenen Gesundheits- und Sicherheitsbeauftragten 28 Bischof Kozon spricht vor dem Landtag in Schleswig-Holstein 29 Ein Scheck für Niger 31 Ein kleines Stück vom heiligen Polen in Kopenhagen Nordische Bischofkonferenz in Lund 32 Den Gottesdienst verschwitzt? Dann folge ihm im Internet! 33 Neue Gemeindestruktur für Nord-Seeland 35 Sostrup Kloster bekommt neue Besitzer 36 Religion ist eine Brücke zwischen den Menschen 39 Man muss den Mut haben, sich zu äußern 40 Rückblick auf das „Jahr des Glaubens“ 41 Neue Bücher Auf Pilgerreise mit Niels Stensen Niels Stensen für Kinder und Jugendliche 42 Endlich! Nach 14 Jahren das neue Gebetbuch 43 50 Jahre Profeßjubiläum 44 In memoriam Dietrich Timmermann 46 P. Anton Dekkers SJ 48 P. Jac Adams CSsR 49 Anne Storm, Leiterin der nordischen Wallfahrt nach Lourdes Anne Lise Timmermann - eine professionelle Bettlerin für die Armen 50 Oluf Bohn - Ein großer Einsatz für die Ökumenie

Bistum Stockholm 52 In memoriam: Göran Degen 57 Trauer in der Abtei Mariavall 58 Dreifaches Jubiläum in Vadstena 61 Feierliche Profess von Sr. M. Katharina Bistum Oslo 63 Bischof Gerhard Schwenzer 75 Jahre / Sr. M. Hildegard Koch OP 64 Øystein Lund zum Diakon geweiht / Sr. M. Hildegard Koch OP Eystein Freuchen - Nach 30 Jahren Dienst als evangelischer Pfarrer zum katholischen Priester geweiht / Sr. M. Hildegard Koch OP Goldenes Professjubiläum bei den kontemplativen Dominikanerinnen / Sr. M. Hildegard Koch OP 66 Ein norwegischer Kartäuser / Prof. em. Hans Fredrik Dahl 69 Konferenz aller monastischen Klöster in den nordischen Ländern / Sr. M. Hildegard Koch OP 70 Begegnungen, die das Leben ändern / Sr. M. Hildegard Koch OP 75 2014 – „Jahr der Familie“ im Bistum Oslo / Sr. M. Hildegard Koch OP Die Wertedebatte in Norwegen / Sr. M. Hildegard Koch OP 76 Abtreibung, Verweigerungsrecht und Selektion von Embryonen / Dr. med. Helge Erik Solberg 81 Papst Franziskus trifft Olav Fykse Tveit / Sr. M. Hildegard Koch OP 82 Konversion – Menschenrecht für alle, Möglichkeit für einige / Georg Fredrik Rieber Mohn Prälatur Trondheim 87 Nach dem Vorbild von Santa Sabina in Rom 92 Grab des heiligen Olav wahrscheinlich gefunden! / Sr. M. Hildegard Koch OP 93 Erste katholische Priesterweihe im Nidarosdom seit der Reformation / Sr. M. Hildegard Koch OP 95 Olav, der Heilige / Olav Müller SSCC Prälatur Tromsø 127 Bischofskirche muss renoviert werden Bistum Helsinki 130 Ein Neupriester aus Malta für Helsinki / Rudolf Larenz Neuer Diakon geweiht – Anders Hamberg Forum zur Zusammenarbeit in der Kirche 131 Jahr des Glaubens – Weihe des Bistums an die Muttergottes 132 Erneute Stellungnahme des Bischofs zur Ehegesetzgebung Kein Grund für Änderungen im schulischen Religionsunterricht 133 Enhancing Family Life 134 Catholic Voices Suomi Ethische Begründung nötig 135 Fronleichnamsprozession in St. Henrik Catholic Students Club 136 Bibiliothek im Studium Catholicum renoviert Besinnungstage für Jugendliche in Stella Maris Kuopio: Alte Männistökirche wird vom katholischen Bistum übernommen 138 Stadtmission im „Jahr des Glaubens“ 139 Pfarrgemeinderäte und diözesaner Pastoralrat Statistisches Bistumshaushalt 140 Gilbert Keith Chesterron und Antti Nylén 141 Älteste bekannte Kirche in Finnland und Bistumsfest 142 Wallfahrten 144 Theologisches – über den Begriff „Anbetung“ / Marjatta Jaanu-Schröder 149 Ökumene 152 Weitere Nachrichten 154 Personalnachrichten 157 Jubiläen 158 In memoriam 159 Noch einmal: Père Guy Barbier 166 Für Sie gelesen: Katholisch im Norden - Finnland Bistum Reykjavik 168 Sieben von drei Millionen / + Peter Bürcher Ein historisches Ereignis: Das Missale Romanum in isländischer Sprache 169 Pilgerfahrt nach „Mariulind“ Friedenslicht aus Bethehem auch 2013 in Island 170 Ein wunderbares Projekt in Stykkishólmur 172 Für Sie gelesen 173 Bischof Bürcher zu Gast beim Verenatag in Bad Zurzach / Marcus Hüttner

Vorwort

Sehr geehrte, liebe Leserinnen und Leser dieses Jahrbuches, liebe Freunde der nordischen Diaspora,

als ich 1989 dem Ruf des inzwischen heilig- gesprochenen Papstes Johannes Paul II. folgte und die Wahl zum Erzbischof von Köln annahm, wusste ich längst, dass die Metropole am Rhein nie nur von der Gunst ihrer Lage an diesem großen Strom profi- tiert hat, sondern sich immer schon ver- pflichtet fühlte, denen, die in Not sind und Mangel leiden, zu helfen. So heißt es ja in er Heiligen Schrift: Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit (1 Kor 12, 26). Wenn du deinen Nächsten Not leiden siehst und das Auge davor verschließt, wie kann die Liebe Gottes in dir sein? (1 Joh 3, 17).

Schon mein Vorgänger Hadebald, der im 9. Jahrhundert das Erzbistum Köln leitete, verhielt sich so gegenüber dem heiligen Ansgar: Als dieser auf einem Reichstag in Mainz von Ludwig dem Frommen (825) gener Anschauung und in Gesprächen mit die Bestimmung für seine erste Mission in Bischöfen, Priestern und Laien in Kopen- Dänemark erhalten hatte, machte er in hagen, Stockholm, Helsinki, Oslo, Trond- Köln mit seinem Gefährten Autbert Station heim, Tromsø und Reykjavik auch die Lage und wurde in angemessener Weise für seine dort kennenzulernen. Ich verfolge sie nach Aufgabe ausgestattet. Und so ähnlich ging diesen Reisen, die inzwischen schon viele es auch anderen durch die Jahrhunderte bis Jahre zurückliegen, aufmerksam durch die in unsere Zeit. Lektüre dieses Jahrbuches, das wie keine andere Publikation deutscher Sprache dar- Es wunderte mich von daher nicht, dass es über berichtet. im Erzbistum Köln ein eigenes St. Ansgari- us-Werk gibt, und gerne habe ich bereits Nun hat sich die Situation der nordischen bald nach meinem Amtsantritt die Gele- Bistümer seit damals nicht unerheblich ver- genheit wahrgenommen, die Katholiken in ändert: Auf der einen Seite hat der Besuch den skandinavischen Ländern und auf Is- des Papstes im Jahre 1989 das öffentliche land zu besuchen. Da ich selbst aus der Dia- Ansehen der Kirche sehr gestärkt. Katholi- spora stamme und als Weihbischof in Er- ken gelten längst nicht mehr als Angehörige furt und Bischof des geteilten Berlin die eines verdächtigen Konventikels, sondern Freuden und Sorgen der deutschen Diaspo- als eine qualifizierte Minderheit, die einen ra kenne, war ich daran interessiert, aus ei- bedeutsamen Beitrag zum Ganzen der Ge-

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ihnen helfen, ihre Identität zu bewahren und einen Platz in der Gesellschaft zu fin- den. Das – relativ gesehen – explosive Wachstum der Katholikenzahlen im Nor- den hat die mühsam aufgebauten kirchli- chen Strukturen allesamt gesprengt, aber, aus den geschilderten Gründen, bislang die zur Verfügung stehenden finanziellen Mit- tel der Kirche nicht proportional wachsen lassen.

Deshalb – viele wissen das nicht – ist die Kirche im Norden eine finanziell arme Kir- che in reichen Ländern. Sie war in den Jahr- hunderten nach der Reformation stets eine hilfsbedürftige Kirche, sie ist dies auch heu- te und wird es für eine nicht absehbare Zeit auch bleiben. sellschaft leistet. Durch die Änderungen der Ordnung im Verhältnis zwischen Staat und Deshalb unterstütze ich sehr die Arbeit des Kirche in den nordischen Ländern im All- Ansgar-Werkes. Auch Sie bitte ich, über gemeinen hat sich die Stellung der katholi- den großen Katastrophen und der vielen schen Kirche verbessert, ja, in einigen Län- anderen Nöten in unserer Welt die Katho- dern erhält sie sogar öffentliche Zuschüsse liken im Norden nicht zu vergessen, nicht für ihre Arbeit und ist berechtigt, von ihren in ihren Gebeten, aber auch nicht durch Mitgliedern einen Kirchenbeitrag einzuzie- einen finanziellen Beitrag. hen. Diesem Jahrbuch, an dem wiederum viele Allein: Da sind nicht viele Weise im irdischen durch Artikel, Übersetzungen, Fotos etc. Sinn, nicht viele Mächtige, nich viele Vorneh- beteiligt sind, wünsche ich zahlreiche inte- me (1 Kor 1, 26). Die katholische Kirche im ressierte Leserinnen und Leser. Norden ist heute weitgehend eine Einwan- dererkirche, d. h. sie ist gesegnet durch die Bleiben Sie der Diaspora des Nordens ver- Vielfalt und de geistlichen Reichtum, den bunden! tiefen Glauben und die Verbundenheit zur Kirche seitens jener Menschen, die Haus Köln, im Juni 2014 und Hof, Sprache und Kultur, ja manchmal sogar ihre Familie in ihrer Heimat verlassen haben, um anderswo Arbeit, Auskommen und eine neue Heimat zu finden. Anderer- seits hat sie auch Teil an den schwierigen Situationen, in denen nicht wenige der Ein- wanderer in den ersten Jahren leben müs- sen. Die Gläubigen, die neu in die Länder des Nordens kommen, müssen menschlich wie seelsorglich begleitet werden, man muss

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Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ansgarwerke

Zum 33. Mal trafen sich am 16. Juni Wer sich darüber näher informieren 2014 in Köln die Leiter der deutschen möchte, sei auf die Abhandlung von Ansgarwerke zur Koordination der an- Günter Assenmacher, Nach Norden zu – stehenden Projekte und zum Austausch Die deutschen Ansgarwerke und der Bei- über ihre Arbeit. Mit dabei ist seit lan- trag zur Diasporahilfe: Diaspora: Zeugnis gem das Bonifatiuswerk, die älteste von Christen für Christen – 150 Jahre Hilfsorganisation für die Diaspora in Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken, Deutschland. Den verhinderten Msgr. hrsg. von Günter Riße und Clemens A. Ka- Georg Austen vertrat Thomas Twens, der thke, Paderborn 1999, S. 167-181 ver- Leiter der Projektverwaltung dort in Pa- wiesen. derborn. Bekanntlich gibt es in Deutschland vier Das am 4. Oktober 1849 gegründete Ansgarwerke, die zwischen 1924 (St. Bonifatiuswerk konnte die nordischen Ansgarwerk München e.V.) und 1995 Diözesen erst nach einer Satzungsände- (Ansgarwerk der Bistümer Hamburg/ rung im Jahr 1974 in seine Förderung Osnabrück) in unterschiedlichen Rechts- miteinbeziehen. Heute wird durch das formen gegründet wurden und ganz un- Bonifatiuswerk auch die Geschäftsfüh- terschiedliche Geschichten haben. rung des Diasporakommissariates der

Foto (von links nach rechts): Prälat Dr. Assenmacher (Köln), Frau Klefisch (Köln), Frau Haas (München), Msgr. Lüttel (Osnabrück), Prälat Dr. Waldmüller (München), Herr Twens (Paderborn).

9 St. Ansgar und andere deutschen Bischöfe/Diasporahilfe der Pries- zwischen Katholiken in der Schweiz und ter verwaltet, über die seit vielen Jahr- der katholischen Diaspora in den nordi- zehnten dank der Hilfsbereitschaft vieler schen Ländern zu fördern und die dorti- Priester in Deutschland in erheblichem ge katholische Kirche finanziell zu unter- Maße die Gehälter der Geistlichen in stützen. den nordischen Diözesen mitfinanziert werden. Die Geschäfte des Vereins besorgen eh- renamtlich ein Vorstand in der Schweiz Übrigens: Auch in anderen Ländern und ein Koordinator im Norden. Die gab/gibt es Ansgarwerke, nämlich in der Generalversammlung findet alle geraden Schweiz (vgl. in diesem Jahrbuch S. 10f.) Jahre statt. Das Ansgar-Werk Schweiz und in den USA (vgl. Jahrbuch 2011, S. zählt zur Zeit ca. 300 persönliche Mit- 13). glieder; über 400 Pfarreien und Kirchen- gemeinden unterstützen es sporadisch Das Ansgarwerk Schweiz oder regelmässig durch Kollekten. Gele- Seit über 50 Jahren haben die deutschen gentlich kann das Ansgar-Werk Schweiz Ansgar-Werke eine kleine Schwester in auch Erbschaften oder Vermächtnisse der Schweiz, die die gleiche Zielsetzung entgegennehmen. verfolgt wie die beiden älteren (Mün- chen und Köln) und die beiden gleich- Im Verlauf der letzten 30 Jahre sind über altrigen deutschen Werke (Osnabrück/ 3 Millionen Schweizer Franken in den Hamburg und Münster). Norden geflossen. Damit sind größere Das Ansgar-Werk Schweiz wurde 1962 und kleinere Projekte der Pfarreien, durch den damaligen Apostolischen De- Klöster und Bistümer mitfinanziert wor- legaten für Skandinavien, Erzbischof den, wie beispielsweise Maßnahmen der Bruno Heim, einen Schweizer, ins Le- Aus- und Weiterbildung von Priestern ben gerufen (vgl. S. 11). Durch persön- und Laien, Bau und Einrichtung von liche Kontakte entstand ein Gönner- Gottesdiensträumen, Pfarrzentren, Bib- kreis, der es ermöglichte, jedes Jahr be- liotheken, Buchhandlungen, Erstel- scheidene, aber wirksam eingesetzte lung von Druckerzeugnissen und Info- Beiträge in die Bistümer im Norden zu material. leiten. 1980 wurde auf Anregung des langjährigen Leiters des Ansgar-Werkes Die Unterstützung macht besondere Schweiz, Pfarrer Guido Kreienbühl, Ko- Freude, wenn sie über Schweizerinnen penhagen, ein Verein gegründet, der und Schweizer, die in der nordischen dem Werk einen institutionellen Rah- Seelsorge tätig sind, erfolgt. Solche Per- men gibt und Verantwortung trägt für sonen findet man immer wieder in der die Sammelaktionen und die Verteilung ausgedehnten Diaspora der nordischen der Gelder. Länder. Manche haben es dort auch zu Der Verein ist gemäß dem schweizeri- einer Bedeutung gebracht, die weit über schen Zivilgesetzbuch organisiert und die Kirche hinausgeht, wie z.B. der 2012 hat sich zum Ziel gesetzt, den Kontakt verstorbene Jesuitenpater Erwin Bi-

10 St. Ansgar und andere schofberger, der in Schweden als Ethik- des Krieges wegen unterbrechen. In den professor dozierte und Regierung und Jahren von 1942 bis 1954 wirkte er als Parlament in Ethikfragen beriet (vgl. Seelsorger für italienische und polnische Jahrbuch 2013, S. 84f.). Soldaten, die in der Schweiz interniert waren. 1954 setzte er sein Kirchen- Leider muss auch das Ansgar-Werk rechtsstudium fort und wurde 1947 mit Schweiz wie viele andere kirchliche der Dissertation „Wappenbrauch und Hilfswerke erfahren, dass die Anzahl der Wappenrecht in der Kirche“ zum Dok- Mitglieder stetig abnimmt und die ge- tor iur. can. promoviert. ringer gewordene Zahl der Gottesdienst- Heim war dann zunächst von 1947 bis teilnehmer eine schwindende Grundlage 1950 Sekretär an der Nuntiatur in für die Kollekten bildet. Es bleibt zu unter Angelo Roncalli (später Papst Jo- hoffen, dass dieser Trend gewendet wer- hannes XXIII.), von 1950 bis 1954 in den kann. Wir bedauern, dass wir Pro- Wien und von 1954 bis 1961 in Bonn. jekte deshalb nicht mehr so großzügig Am 10.12.1961 wurde er in unterstützen können wie bislang, sind von Bischof Dr. Franziskus von Streng aber dankbar für alle, die über unser zum Bischof geweiht, nachdem ihn der Werk der nordischen Diaspora verbun- Heilige Vater zum Titular-Erzbischof den bleiben, die darauf auch weiter an- von Xanthus bei Myra in Kleinasien er- gewiesen sein wird. nannt hatte. Er war dann als Apostoli- scher Delegat in Skandinavien (1961 bis Niklaus Baumann 1969) und in Ägypten (1969 bis 1973) tätig, bis er seine diplomatische Lauf- Über den Besuch von Bischof Bürcher in bahn als Apostolischer Nuntius in Lon- der Schweiz im Herbst 2013 vergleiche don (1973 bis 1985) abschloss. den Bericht in diesem Heft S. 172f. Seinen Ruhestand verbrachte Erzbischof Heim in , wo er im Mai 2002 ei- nen Schlaganfall erlitt und am 18.3.2003 Bruno Bernhard Heim starb. Seinem Wusch entsprechend wur- Der spätere Apostolische Nuntius wurde de er in seinem Heimatort Neuendorf am 5.3.1911 in Olten geboren. Nach neben der Kirche beerdigt. dem Abitur im Kloster Engelberg stu- dierte er Philosophie und Theologie in Rom, Freiburg und am Priesterseminar in Solothurn, wo er am 29.6.1938 für das Bistum Basel zum Priester geweiht wurde. Nach vier Jahren Tätigkeit als Vi- kar in Arbon und Basel trat er 1942 in die Päpstliche Diplomatenakademie ein und begann mit dem Studium des Kir- chenrechts an der Päpstlichen Universi- tät Gregoriana. Diese Studien musste er

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CREDO - Christianisierung Lichte der Skaldendichtung ist das Thema Europas im Mittelalter von Klaus von See, Sverre Bagge schreibt Eine großartige Ausstellung über Skandinaviens heilige Könige. Tobias in Paderborn Kunz behandelt Skandinaviens Interesse 1700 Jahre nach dem berühmten „Tole- an der Kunst Europas unter der Über- ranzedikt“ des Kaisers Konstantin, mit schrift Romanik im Norden, Steinum welchem dieser das Christentum als Re- Kristjansdottir veröffentlicht eine Ab- ligion im Römischen Reich duldete, handlung über Island wird christlich, fand vom 26. Juni bis 3. November Margaret Cormac publiziert ihre Unter- 2013 in der alten Kaiserstadt Paderborn suchung Heilige, Missionare und christli- eine von vielen Menschen besuchte und che Identität in Island. gelobte Ausstellung statt, die zahlreiche Für den September 2014 ist ein III Ka- hochkarätige Exponate der Christiani- talogband angekündigt, der die Vorträge sierung Europas präsentieren konnte. enthält, die zur Ausstellung in Pader- Veranstaltet wurde sie von der Stadt Pa- born gehalten wurden; er soll 39,95 derborn, dem Erzbistum Paderborn und Euro kosten und erscheint im Imhof dem Landschaftsverband Westfalen-Lip- Verlag. pe. Sie war zu sehen im Diözesanmuse- um, der Kaiserpfalz und in der städti- Kloster Corvey schen Galerie und wurde begleitet von nun Weltkulturerbe einem ca. 1.400 Seiten umfassenden Ende Juni 2014 wurde die frühere Bene- zweibändigen Katalog, einem deutlich diktinerabtei Corvey, die heute im priva- schmaleren Kurzführer und zahlreichen ten Besitz von Viktor V., Herzog von Vorträgen. Interessante Exponate, die Ratibor und Fürst von Corvey, ist, in die auch den Patron unseres Ansgarwerkes Liste des UNESCO-Weltkulturerbes auf- betreffen, waren in jenem Teil der Aus- genommen. Die entsprechenden Bemü- stellung zu sehen, der der Christianisie- hungen begannen im Jahr 1998. rung Skandinaviens gewidmet war. Auf Einzelheiten kann hier leider nicht ein- Mit Corvey ist bekanntlich der Name gegangen werden. Interessierte Leser des heiligen Ansgar untrennbar verbun- können den o.g. Katalog zu Rate ziehen; den, gehörte er doch zu der Gründungs- er umfasst 1.392 S. mit insgesamt 1.187 mannschaft, welche auf Bitten Ludwig Farb- und 48 S/W-Abbildungen. Die des Frommen, des Nachfolgers Karls des Buchhandelsausgabe kostet 69,99 Euro. Großen, 822 aus dem französischen Corbie an die Weser kamen. Erster Abt Im Band I, der die Essays beinhaltet, des Klosters war Adalhard, ein Vetter während in Band II der Katalogteil folgt, Karls des Großen, was zu wissen wichtig behandelt Stefan Brink das Thema Die ist, wenn man danach fragt, wie man auf Christianisierung Skandinaviens; Olof die Idee kam, den Mönch Ansgar in die Sundquist stellt das Thema Vorchristliche nordische Mission zu schicken. Religion im skandinavischen Raum dar. Die wechselhafte Geschichte der Abtei Die Christianisierung des Nordens im kann in diesem Zusammenhang hier we-

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der dargestellt noch skizziert werden; Bedeutung für die nordische Mission vielleicht aber veranlasst die Aufnahme hat, einmal zu besuchen und sich einge- des Klosters in das Weltkulturerbe man- hender mit ihm und seiner Geschichte che Leser dazu, diesen Ort, der seine zu beschäftigen.

Sozusagen der zweite Ansgar Erzbischof em. Dr. theol. Ludwig Averkamp verstorben (16.2.1927-29.7.2013)

Am 29. Juli 2013 starb in Hamburg der nasiums und Studienkonviktes Collegium erste Erzbischof seit der Wiederbegründung Johanneum in Ostbevern war er unter Bi- des Bistums 1994. Ludwig Averkamp wur- schof Joseph Höffner von 1964 bis 1971 de am 16.2.1927 im münsterländischen Direktor des Theologenkonviktes Collegi- Velen auf einem Bauernhof geboren. 1947 um Borromäum in Münster. 1971 wurde trat er in das Priesterseminar in Münster er Regens des dortigen Priesterseminars,1973 ein und studierte bis 1957 Philosophie ernannte ihn Papst Paul VI. zum Weihbi- und Theologie an den Universitäten in schof in Münster. Bis 1983 war er zustän- Münster und Rom, wo er 1954 zum Pries- dig für die niederrheinische Region und ter geweiht wurde. Nach Kaplanstellen in hatte seinen Sitz in Xanten. 1986/87 war Datteln-Ahsen und Rheine und einem er Koadjutor von Bischof Helmut Her- Einsatz als Präses des Bischöflichen Gym- mann Wittler, Osnabrück, zu dessen

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Nachfolger ihn Papst Johannes Paul II. Worte für das Gebet. Manchmal kam es 1987 ernannte. Am 24. Oktober 1994 mir so vor, als hielten ihn nicht so sehr wurde er zum ersten Erzbischof des wieder- das wenige Essen und Trinken am Leben, errichteten Erzbistums Hamburg ernannt sondern das Beten. Daraus schöpfte er und am 7.1.1995 in dieses Amt einge- Kraft und Lebensmut. führt. 2002, zu seinem 75. Geburtstag, Zum fünfundzwanzigsten Jahrestag sei- nahm der Papst sein Rücktrittsgesuch an. ner Bischofsweihe im Jahre 1998 wurde Sein Nachfolger in Hamburg, Erzbischof Erzbischof Ludwig von einer Nachrich- Werner Thissen, sagte in der Begräbnismes- tenagentur ausführlich zur Situation der se am 2.8.2013: Seelsorge befragt. Alle Reizthemen „Wenn ich in den vergangenen Wochen musste er beantworten, von A bis Z, von und Monaten Erzbischof Ludwig be- Abtreibung bis Zölibat. Ein Thema suchte, dann saß er meistens im Rollstuhl stand hinterher in allen Zeitungen in an seinem Schreibtisch. Immer dabei wa- ganz Deutschland. Er war nämlich auch ren das Brevier und der Rosenkranz. Er gefragt worden, was denn das größte freute sich, wenn Besucher mit ihm bete- Problem in der Seelsorge sei. ten. Auch als für ihn das Sprechen immer Seine Antwort: Das größte Problem ist schwieriger wurde, fand er immer noch der Rückgang des täglichen Gebetes in

14 St. Ansgar und andere der Familie und bei Einzelnen. Wer auf- Journalisten Rede und Antwort zu ste- hört zu beten, verliert auch den Kontakt hen zum bischöflichen Wirken von Erz- zur Sonntagsmesse und die lebendige bischof Ludwig. Er ist ja sozusagen der Beziehung zu Jesus Christus. zweite Ansgar, der unser Erzbistum wie- Mit seiner Gebetsschule ist Erzbischof der gegründet hat. Ludwig gegen dieses Problem angegan- gen. Denn er war überzeugt: Beten kann Was waren seine größten Leistungen, man lernen und muss man üben. Manch- wollte ein Journalist wissen. Dabei ging mal sogar üben wie mit einem Musikin- es dann um Kirchbauten und Einrich- strument. Üben auch wie bei einem tungen im Bereich von Jugend, Schule Kommunikationstraining. Üben und und Caritas. Wir sprachen über die Lernen machen Mühe. Aber es lohnt Ökumene und über das Zusammen- sich. Tägliches Beten lässt uns die Le- wachsen von östlichen und westlichen bensqualität des Glaubens erfahren. Bistumsteilen. Auf all diesen Feldern hat Erzbischof Ludwig Großes geleistet. Wer sich Erzbischof Ludwig über seinen Und was davon, fragte der Journalist Tod hinaus verbunden fühlt, kann das hartnäckig, war seine größte Leistung? am besten zum Ausdruck bringen, wenn Nichts davon, habe ich geantwortet. er großen Wert legt auf das tägliche Be- Dann habe ich hinzugefügt: All das, was ten. Das gilt für uns Geistliche im Hin- wir jetzt besprochen haben, ist sehr blick auf Brevier und Meditation. Das wichtig und äußerst dankenswert. Aber gilt aber auch für alle anderen Getauften noch wichtiger und noch dankenswerter und Gefirmten. ist etwas anderes. Nämlich: Erzbischof Ludwig hat unserem Erzbistum, das ja Liebe Schwestern und Brüder, in dank- die jüngste Neugründung in Deutsch- barem Gedenken an Erzbischof Ludwig land ist, ein festes geistliches Fundament rufe ich Sie auf zu einer Solidarität im gegeben. täglichen Beten. Dass wir uns wieder neu Und woraus besteht dieses Fundament, bewusst machen: Ich will aus der tägli- wollte der Journalist etwas irritiert wis- chen Gebetsgemeinschaft des Erzbistums sen. Aus dem Gebet, habe ich geantwor- und der gesamten Kirche nicht aussche- tet und ihm dann mit den Worten von ren. Ich will morgens und abends und Erzbischof Ludwig erklärt, dass das Ge- bei den Mahlzeiten zu dieser weltweiten bet unverzichtbar ist, wenn der Mensch Gebetsgemeinschaft dazugehören. Diese mit Gott in Beziehung sein will. geistliche Solidarität sind wir alle Erzbi- schof Ludwig schuldig. Denn das Gebet Im Gebet loten wir die Ferne und die war ihm ein Herzensanliegen. Ja, diese Nähe Gottes aus. Ich weiß nicht, ob Ih- geistliche Solidarität sind wir Jesus Chris- nen aufgefallen ist, dass in den bibli- tus schuldig, wenn wir den Namen schen Texten heute sowohl in der Lesung Christen zu Recht tragen wollen. – als auch im Evangelium die Rede ist von der Nähe Gottes. Im Evangelium heißt In diesen Tagen hatte ich mehrmals es: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes

15 St. Ansgar und andere ist nahe. Jesus Christus ist das Reich ges mit dem nahen Gott im Gebet. Gottes in Person. Deshalb kann Paulus Jetzt hat Erzbischof Ludwig den Weg in der Lesung heute sagen: Der Herr ist vollendet, den wir noch weitergehen nahe. müssen und wollen. Aber die Gestalt un- seres Gründerbischofs Ludwig leuchtet Der Herr ist nahe, das war das bischöfliche uns auch noch aus dem Dunkel des To- Leitwort von Erzbischof Ludwig. Der des voran. Denn wenn wir seiner Wei- Herr ist nahe, diese Erfahrung hat ihm das sung zum Beten folgen, dann gilt auch Gebet immer wieder vermittelt. Seine Ge- für uns auf unserem irdischen Pilgerweg lassenheit und Heiterkeit waren ihm si- und einmal endgültig: Der Herr ist cher auch als Charaktereigenschaften und nahe. Amen. von zu Hause mitgegeben. Aber sie waren Veröffentlicht mit freundlicher auch Ergebnis eines lebenslangen Umgan- Genehmigung von Bischof Thissen

Für Sie gelesen mende Kardinalbischof Nikolaus Break- spear, später Papst Hadrian IV. (1154- 1159), und der Legat und Kardinalpries- ter Fidentius (†1197), der in Lund be- Nordische Bischöfe, graben liegt. aber (noch) kein nordischer Kardinal? Dass die nordischen Bistümer im 13. Gab es in der Geschichte des Christen- und 14. Jahrhundert eigentlich einen tums nordische Kardinäle? Zu dieser Kardinal verdient hätten, wie die Zuhö- Frage hatte der Verein für katholische Kir- rer meinten, erläuterte der Referent an- chengeschichte in Hamburg und Schles- hand des nun vorliegenden neuen Ban- wig-Holstein unter seinem neuen Vorsit- des der Hierarchia Catholica. Das nach zenden Studienrat Dr. Martin J. Schrö- dem ersten Bearbeiter, Pater Konrad ter am 1. September 2013 auf seiner Eubel OFMConv (†1923), kurz „Eubel“ Jahresversammlung im Benediktiner- genannte lateinische Nachschlagewerk kloster Nütschau Herrn Professor Dr. über die Päpste, Kardinäle und Bischöfe Dr. h. c. Lic. theol. Reimund Haas begann mit der Überlieferung der päpst- (Köln/Münster) eingeladen. lichen Register ab dem Jahre 1098. Im Abgesehen von dem „nordischen Kardi- neunten Band war es von Pater Zenon nal“, einer Vogelart, deren Pracht man Pieta OFMConv im Jahre 2002 bis zum im Internet mühelos ansehen kann, Jahre 1922 (Papst Benedikt XV.) fortge- konnte der Referent aus der „mediävisti- führt worden. Nun hat im Jahre 2012 schen Legatenforschung“ ein Dutzend Prof. Giorgio Fedalto (Universität Pa- „Kardinallegaten“ vorstellen, die im dua) einen zehnten Band mit Listen der Mittelalter in den nordischen Ländern Bischöfe bis zum XIII.-XIV. Jahrhundert tätig waren, u. a. der aus England stam- herausgegeben. Im Vergleich zu dem al-

16 St. Ansgar und andere ten Standardwerk von Pius Bonifacius Biogramme der aktuell lebenden 200 Gams (Series episcoporum, Regensburg Kardinäle bzw. der letzten 82 unter Papst 1873) und den bisherigen Bänden II Benedikt XVI. (2005-2013) neu kreier- (1914) und III (1923) der Hierarchia Ca- ten Kardinäle. tholica sind dies nun die bislang ausführ- lichsten Bischofslisten für Skandinavien. Vor dem Hintergrund dieser „weltkirch- lichen Kardinalogie“ bleibt für die wach- In Norwegen (Nr. 65) umfasste die Kir- senden Bistümer der nordischen Bi- chenprovinz Nidaros insgesamt elf Bis- schofskonferenz und bei den modernen tümer, darunter Gardar auf Grönland Kommunikationsmöglichkeiten die aka- sowie Holar, Orkney und Skalholt auf demisch-theoretische Frage nach einem Island. Die im Jahre 1164 aus dem däni- „nordischen Kardinal“ für die Zukunft schen Erzbistum Lund erwachsene der Kirchengeschichte im 21. Jahrhun- schwedische Kirchenprovinz Uppsala dert. hatte sechs weitere Bischofssitze. Zu der ältesten nordischen Kirchenprovinz Literaturhinweise: Lund gehörten sieben Suffraganbistü- Giorgio Fedalto, Hierarchia Catholica mer, darunter kurzfristig anfangs des 13. usque ad saecula XIII-XIV sive series Jahrhunderts auch das baltische Bistum episcoporum ecclesiae catholicae, Padua Reval. 2012. Giorgio Fedalto hat in diesem neuesten Hans-Joachim Kracht (Mitarbeit Pamela Band der Hierarchia Catholica auch für Santoni), Lexikon der Kardinäle 1058- das Erzbistum Bremen (Nr. 69) mit sei- 2010. nen Suffraganbistümern Lübeck, Ratze- Bd. 1 Kardinäle unter Benedikt XVI., burg, Schleswig und Schwerin die neue- Kardinäle 1058-2010: Buchstabe A, re Forschungsliteratur gut ausgewertet, Köln 2012. so dass wir damit nun einen sehr guten, Bd. 2 Am 18.2. und am 21.11.2012 gedruckten Überblick über die hochmit- Kreierte Kardinäle, Kardinäle 1058- telalterlichen Bischofssitze der nordi- 2010: Buchstabe B, Köln 2013. (Libelli schen Kirchen haben. Rhenani 45) ISBN 978-3-939160-37-3.

Auch die ersten beiden des auf mindes- Reimund Haas tens acht Bände angelegten neuen Lexi- kons der Kardinäle von Dr. Hans-Joa- Ein monumentales Werk: chim Kracht und Dr. Pamela Santoni, Der „Birgitten Atlas“ die am 10. Oktober 2013 in der Kölner Birgitta Atlas – Saint Birgitta’s Monas- Diözesanbibliothek dem scheidenden teries – Die Klöster der Heiligen Birgit- Kölner Erzbischof Joachim Kardinal ta, hrsg. von Ulla Sander-Olsen, Tore Meisner überreicht wurden, bieten nicht Nyberg, Per Sloth-Carlson. Verlag der nur die historischen Kardinäle seit dem Societas Birgitta-Europa, 336 Seiten, Jahre 1058 mit den Namensbuchstaben geb., 49,50 Euro zzgl. Porto und Verpa- A und B, sondern auch die ausführlichen ckung. ISBN 978-90-9027693-9.

17 St. Ansgar und andere

Staunend nimmt man den im vergange- der Vorstellung der Klöster des mittelal- nen Jahr auf Veranlassung der Societas terlichen Stammes; die Autoren präsen- Birgitta-Europa von einer Vielzahl von tieren nicht nur eine straffe Darstellung Mitarbeitern erstellten und herausgege- der oft wechselhaften Geschichte, son- benen „Altas“ in die Hand, ein monu- dern in der Regel auch gutes Bildmateri- mentales, in Deutsch und Englisch ver- al und eine weiterführende Bibliogra- fasstes Werk, das nichts Geringeres un- phie. ternommen hat, als die Bestandsaufnah- Für Leser, die im Rheinland wohnen, ist me von 48 historischen und zum Teil bis dieser Atlas geradezu eine Einladung, die heute noch bestehenden Birgittenklös- sieben Orte zu besuchen, an denen es ter: sechs davon im Norden, beginnend Birgittenklöster gab: Stella Mariae, Ma- mit Vadstena, drei in Italien, zehn in rienstern auf dem Essig, gegründet 1446 Osteuropa, zwei in England, zwölf in (heutiges Swisttal); Maria ad forestem, Deutschland, acht in den Niederlanden, Marienforst in Bad Godesberg, gegrün- drei in Belgien und vier in Frankreich. det 1450; Arbor Mariae, Marienbaum in Eine Europakarte aus der Zeit Kaiser Xanten, gegründet 1460; Flos Mariae, Karl‘ V. 1519 erleichtert die Orientie- Marienbloem in Kalkar, gegründet rung, ähnlich der Stammbaum der „mit- 1605; Speculum Mariae, Maria Sion in telalterlichen Gruppe des Birgittenor- Köln, gegründet 1613; Frauweiler in dens“; mit einem Blick ergibt sich, dass Bedburg, gegründet 1618 und Fructus von diesem ursprünglichen Stamm des Mariae, Marienfrucht in Kaldenkirchen Ordens lediglich drei Klöster bis heute (heute Nettetal), gegründet 1625. existieren, nämlich Maria Refugie in Uden (NL), gegründet 1713, Pax Ma- Man muss die Herausgeber bewundern, riae in Vadstena, gegründet 1963 und dass es ihnen gelungen ist, kompetente Altomünster, gegründet 1488. Das 1843 Autoren zu finden, die auch bereit wa- von Uden aus gegründete Kloster Cor ren, ihre Kenntnisse in jener knappen Mariae in Weert (NL) ging im Jahr 2005 Form zusammenzufassen, die ein solcher in den römischen, von Elisabeth Hessel- Atlas bei aller Opulenz erfordert; man blad begründeten Zweig des Ordens kann den Mut der Societas Birgitta-Eu- über, für den 55 Niederlassungen welt- ropa bewundern, die dieses Werk auf die weit seit dem Jahr 1919 verzeichnet sind. Beine gestellt und auch finanziell mög- Der Anlage des Buches entsprechend lich gemacht hat. Ein hochinteressantes werden diese allerdings lediglich in ei- Buch zu einem günstigen Preis, über den nem Anhang behandelt, in dem auch man ebenfalls staunen muss – alles in andere Zweige dargestellt sind, die sich allem Argumente, die dem Werk viele mit Berufung auf die hl. Birgitta im Lauf aufmerksame Leser wünschen lassen. der Jahrhunderte entwickelten und zum Autoren, Herausgebern und Verlegern Teil wieder erloschen sind. Ist die Prä- nochmals ein herzlicher Glückwunsch. sentation des „birgittinischen Erbes“ not- gedrungen nicht so detailliert, so staunt G.A. man umso mehr über die Gründlichkeit

18 St. Ansgar und andere

Jubiläum der Seligsprechung reisen mit Heringen erfahren sowie in Niels Stensens Archiven und Bibliotheken, Häfen und 2013 jährte sich zum 25. Mal der Tag Hafenkneipen, Fischfabriken und He- (23.10.1988), an dem Niels Stensen (dä- ringsmuseen in Erfahrung gebracht hat, nisch: Steensen) in Rom vom Papst Jo- präsentiert er in acht überschaubaren Ka- hannes Paul II. selig gesprochen wurde piteln mit zahlreichen Abbildungen. (vgl. Jahrbuch 1989 mit einer umfang- Das Buch, das man gerne zur Hand reichen Dokumentation). nimmt, weil Einband, Papier, Typogra- Die Beiträge zu diesem Thema finden fie, Abbildungen und Inhalt stimmen, Sie in diesem Jahrbuch auf Seite 23f. könnte nicht nur unter naturkundli- chem, kulturgeschichtlichem oder kuli- Heringe. Ein Portrait von Holger Te- narischem Aspekt interessant sein: schke = Naturkunden 9. Verlag Matthes und Seitz, Berlin 2014, 120 Seiten, Zwischen dem Fischfang und der Ent- geb., 18 Euro. wicklung der katholischen Diaspora an Der in Berlin ansässige Verlag Matthes der Küste der nordischen Ländern be- und Seitz veröffentlicht, herausgegeben steht nämlich ein Zusammenhang: Als von Judith Schalansky, eine neue biblio- man sich nicht mehr mit der Küstenfi- phile Reihe Naturkunden. Auf der einen scherei begnügte und das weite Meer all- Seite hat sie den Anspruch, dass in den gemein zugänglich blieb, setzte eine In- entsprechenden Büchern kundig und ternationalisierung ein, in deren Zug anschaulich von Menschen, Tieren und auch katholische Christen, die dem ris- Pflanzen, Landschaften, Steinen und kanten Fischerberuf nachgingen, in die Himmelskörpern, von belebter und un- lutherisch geprägten Länder des Nordens belebter, fremder und vertrauter Natur gelangten. Nicht von ungefähr liest man erzählt wird. Andererseits darf diese Na- in der Geschichte der katholischen Kran- turkunde so aufwendig, vielgestaltig und kenhäuser und Schwesterngemeinschaf- schön betrieben werden, wie die Natur ten, dass sie sich um dieses Klientel, das ihrer Gegenstände es fordert: Bebildert, oft genug fern der Heimat verletzt oder in historischen Formaten gebunden, fa- krank an Land gebracht werden musste, dengeheftet, mit Frontispiz und farbi- in besonderer Weise kümmerten. Dieses gem Kopfschnitt versehen, so dass wirk- Kapitel wäre freilich noch zu schreiben. lich schöne Zeugnisse einer lebendigen G.A. Buchkultur vorgelegt werden.

Der Verfasser des hier zu besprechenden Bändchens ist der 1958 auf Rügen gebo- rene Holger Teschke, der vor seiner Zeit als Dramaturg, Regisseur und Schrift- steller von 1978 an einige Jahre auf Fi- scherkuttern zur See fuhr. Was er in sei- ner Heimat Sassnitz und auf den Fang-

19 Nordische Bischofskonferenz

Die Nordische Bischofskonferenz unter- eines jeden Jahres stattfinden, weshalb hält eine eigene Internet-Seite http:// mangels anderer Informationen hier www.nordicbishopsconference.org/, auf auch nicht näher darauf eingegangen der in verschiedenen Sprachen, auch in werden kann. Deutsch, interessante Informationen und Fotos veröffentlicht werden, auf die Unser Foto zeigt die Teilnehmer der wir alle Leserinnen und Leser verweisen, Herbstvollversammlung, die vom 13. bis die einen Internetzugang haben. 18.9.2013 in Tromsoe durchgeführt Leider wird nicht ausführlich darüber wurde. berichtet, mit welchen Themen sich die Die Frühjahrsvollversammlung fand beiden Vollversammlungen beschäfti- vom 21. bis 26.3.2014 in Lund statt, gen, die jeweils im Frühjahr und Herbst vgl. S. 31f.

Von links nach rechts: Bischof Sippo, Helsinki, Bischof em. Schwenzer, Oslo, Bischof Grgic, Tromsoe, Bischof Arborelius, Stockholm, Erzbischof Nowacki, Apostolischer Nuntius, Bischof Kozon, Kopenhagen, Bischof Eidsvig, Oslo und Trondheim, Bischof Bürcher, Reykjavik, und Sr. Mirijam Kaschner, die Generalsekretärin der NBK.

20 Nordische Bischofskonferenz

Die Situation der katholischen Kirche im Norden im Überblick Die Zahlen stammen aus „Annuario Pontificio 2013"

Tromsoe Einwohner 473.158 l Katholiken 4.876 Tromsoe Priester 11 Diakone - Ordensfrauen 22 Seminaristen -

l Reykjavik Trondheim Reykjavik Einwohner 687.968 Katholiken 9.843 Einwohner 319.575 Priester 6 Katholiken 10.455 Diakone - Priester 14 Ordensfrauen 18 Diakone - Seminaristen - Ordensfrauen 34 Helsinki Seminaristen 2 Trondheiml Einwohner 5.393.139 Katholiken 11.874 Europäisches Priester 20 Nordmeer Diakone 1 Ordensfrauen 32 Seminaristen 14

Helsinki l Oslo Oslo Einwohner 3.827.145 l Katholiken 100.924 l Stockholm Priester 61 Stockholm Einwohner 9.481.000 Diakone 2 Katholiken 150.000 Ordensfrauen 80 Priester 158 Seminaristen 5 Nordsee Diakone 27 Ordensfrauen 182 Seminaristen 6

Kopenhagen l Ostsee Kopenhagen Einwohner 5.683.957 Katholiken 40.405 Priester 69 Diakone 6 Ordensfrauen 165 Seminaristen 20

21 Bistum Kopenhagen Bistum Kopenhagen

reien. Im Bistum Kopenhagen wurden 165 Ordensfrauen gezählt. 20 Semina- risten bereiten sich auf die Priesterweihe vor. Bischof von Kopenhagen ist seit 1995 Czeslaw Kozon, der 1951 in Dänemark geboren und 1979 zum Priester geweiht wurde.

Die Anschriften des Bistums lauten: Katolsk Bispekontor Gammel Kongevej 15 Das Bistum Kopenhagen wurde am DK-1610 København V. 29.4.1953 errichtet. Bis dahin gab es Tel.: 0045/33 55 60 86 (seit 1892) das Apostolische Vikariat Fax: 0045/33 55 60 18 Dänemark, dessen Vorläufer die entspre- E-Mail: [email protected] chende Präfektur war, die 1869 aus dem Internet: www.katolsk.dk am 7.8.1868 errichteten Apostolischen Vikariat der Nordischen Missionen her- Die Gottesdienstzeiten der einzelnen vorging. Pfarreien können Interessenten im In- ternet abrufen. Wer über dieses Medium Mit den Färöer-Inseln und Grönland nicht verfügt, kann bei der Geschäfts- umfasst Dänemark eine Fläche von stelle in Köln ein gedrucktes Verzeichnis 2.160.570 km². Von den 5,68 Mio. Ein- anfordern. Dies gilt auch für die anderen wohnern sind 40.405 Katholiken Bistümer des Nordens. Wir bitten um (=0,7%). Im Bistum leben nach den An- Verständnis, dass der Abdruck eines ak- gaben im Annuario Pontificio (2013) 36 tualisierten Gesamtverzeichnisses aus Weltpriester und 33 Ordenspriester so- Arbeits- und Platzgründen in diesem wie 6 Ständige Diakone in den 47 Pfar- Jahrbuch nicht mehr erfolgt.

22 Bistum Kopenhagen

Aus dem Leben des Bistums und den Pfarreien

2013: Steensen veröffentlicht hat: Radius in Ein Jahr mit Niels Steensen manu Dei: Ethos und Bioethik in Werk Anlässlich des 25jährigen Jubiläums der und Rezeption des Anatomen Niels Stensen Seligsprechung von Niels Steensen wall- (1638-1686) = WEStFALIA SACRA fahrteten 82 Katholiken aus dem Bistum 17, Münster 2013. Im Jahr 2004 wurde im Oktober nach Rom und Florenz. seine Dissertation Herz, Gott, Kreuz. Die Diese Pilgerfahrt, organisiert von der Sa- Spiritualität des Anatomen, Geologen und kristanin der Domgemeinde Ulla Elm- Bischofs Dr. med. Niels Stensen = WESt- quist und Msgr. Niels Engelbrecht, fand FALIA SACRA 13 publiziert (vgl. dazu zeitgleich mit der deutschen Wallfahrt Jahrbuch 2005, S. 48-51). In einem Po- statt. diumsgespräch diskutierten Bischof Ko- Höhepunkte waren die mit den deut- zon, Msgr. Engelbrecht und der Histori- schen Pilgern gefeierte Messe im Peters- ker Sebastian Olden-Jørgensen über die dom und die Eucharistiefeier in San Lo- Aktualität Niels Steensens und seine renzo in Florenz mit Bischof Kozon als Bedeutung heute. Hauptzelebrant. Die Sankt Andreas-Bibliothek beher- In der Peterskirche predigte der Ham- bergt die umfangreichste Sammlung burger Erzbischof Thissen über die Sym- vom Materialien von und über Niels bole des Heiligen, das Herz und das Steensen und startete am Jubiläumstag Kreuz. „Der Mensch ist das Herz“, sagte die Internetpräsenz www.nielssteensen.dk, Erzbischof Thissen, „und Christus ist das eine englischsprachige Homepage, die Kreuz. Gemeinsam sind sie Kirche. sich vor allem an Niels Steensen-For- Dort, wo Sakramente gefeiert werden, scher wendet. schlägt das Herz der Kirche.”

Seminar mit deutschen Berührungspunkten Die Domgemeinde, die Sankt Andreas-Bibliothek und das Academicum Ca- tholicum luden am 23. No- vember gemeinsam zu einer Festmesse im Dom, einem Empfang und einem Semi- nar ein. Gastredner des Ta- ges war der deutsche Theolo- ge Dr. theol. Frank Sobiech, der gerade ein Buch über die medizinische Ethik von Niels

23 Bistum Kopenhagen

Ein unbekannter Film Katholische Theologen über Niels Steensen gründen einen Interessen- Bei den Vorbereitungen des Jubiläums verband tauchte aus den Tiefen des bischöflichen Wir brauchen eine stärkere katholische Archivs ein bisher unbekannter deutsch- Stimme in Norden. Das meint eine sprachiger Film mit dem Titel Der Fall Gruppe von Theologen aus Norwegen, Niels Steensen auf. Der originale Film, Schweden und Dänemark, die nun ei- der nun digitalisiert ist, wurde Anfang nen Interessenverband mit dem Namen der sechziger Jahre von der Produktions- Nordisk Akademi for Katolsk teologi ins gesellschaft Provobis für das ZDF pro- Leben gerufen hat. duziert. Der Fall Niels Steensen ist eine halbstündige Collage mit Filmausschnit- „Zum ersten Mal seit der Reformation ten. Er zeigt Stimmungsbilder der Orte, bekommen katholische Theologen eine wo Steensen lebte und wirkte, z.B. Flo- Stimme im Norden. Das ist ein wichti- renz, und gibt einen Überblick über sein ger Schritt, den Ihr an diesem Tag geht, Leben, seine wissenschaftliche Laufbahn und ich will Eure Arbeit in jeder Hin- sowie seine Aufnahme in die Gemein- sicht unterstützen, soweit es mir möglich schaft der katholischen Kirche. Im Film ist.“ So klar war die Botschaft des Osloer tritt Monsignore Capretti auf, der 1953 Bischofs Bernt Eidsvig, als er die Messe das Grab des Heiligen in der Kirche San im Angelicum, der römischen Universi- Lorenzo lokalisierte und die sterblichen tät der Dominikaner, feierte. Dort hat- Überreste des Heiligen in einen Sarko- ten sich katholische Theologen und an- phag aus dem 4. Jahrhundert überführ- dere katholische skandinavische Akade- te, den der italienische Staat gestiftet miker drei Tage im Mai getroffen, um hatte. den Interessenverband zu gründen.

Aus dänischer Sicht ist dieser Film au- Die Initiatoren sind der dänische Pfarrer ßergewöhnlich interessant, u.a. weil er Jesper Fich und der norwegische Theolo- einen Ausschnitt mit dem damaligen ge und Katholik Øystein Lund. Ziel des Bischof Theodor Suhr enthält. Dieser Verbands ist es, die katholischen Akade- bezeichnet Steensen als einen herausra- miker, die im lutherisch geprägten Uni- genden Europäer, Wissenschaftler und versitätssystem der nordischen Länder Heiligen. Der Film zeigt auch den öster- ausgebildet wurden, zu sammeln, damit reichischen Redemptoristen und Niels sie sich gegenseitig stützen und inspirie- Steensen-Experten Gustav Scherz, der ren können. Aus Dänemark nahm der 49 Jahre an der Sankt Annæ-Kirche auf Theologe Jakob Egeris Thorsen (Foto S. Amager tätig war. Eine Fotoserie zeigt 25), der an der Universität in Århus die Prozession mit dem Sarg Niels Steen- lehrt, teil. „Dies ist ja nur der erste sens durch die Straßen von Florenz im Schritt, von dem die Öffentlichkeit ver- Jahre 1953, bei der Gustav Scherz einer mutlich kaum etwas bemerken wird. der Träger war. Aber ich bin sicher, dass langsam eine neue Sprache für die katholische Theolo-

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Gott interessiert sich auch für Skandinavien Obwohl Skandinavien eines der säkula- risiertesten Gebiete unserer Erde ist, hält sich die katholische Kirche den Umstän- den entsprechen gut. Das gilt auch für die Berufungen zum Ordensleben und Priesteramt. Die britische Zeitschrift The tablet verwies im Januar darauf, wie die Kirche im Norden weiter wächst und wie sie trotz der kleinen Anzahl von Gläubigen im Vergleich mit anderen eu- ropäischen Ländern immer noch viele Menschen in ihren Bann ziehen und zum Dienst im Ordensstand oder als Priester motivieren kann. Bei diesen jährlichen Treffen der Pries- gie und den katholischen Glauben her- teramtskandidaten und des skandinavi- anwachsen wird, so dass wir vor allem schen Ordensnachwuches, abgekürzt deutlich machen können, dass katholi- PSP – Pro Scandiae Populis (Für die Völ- sche Theologie nicht in erste Linie von ker Skandinaviens), versucht man die Kondomen und Abtreibung handelt“, Beziehungen zwischen den jungen Men- erklärte er. schen zu stärken, die sich auf ihren

Die nordischen Priester- und Ordenskandidaten mit Bischof Kozon im Dom zu Oslo.

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Dienst im Norden vorbereiten. Diese Obwohl man meinen könnte, dass Skan- Treffen werden auch durch die deut- dinavien ein von Gott verlassener Fle- schen Ansgarwerke seit ihren Anfängen cken sei, sind die vielen Berufungen zum finanziell unterstützt. Die ca. 30 Teil- Priester- und Ordensleben sowie die zahl- nehmer zeigen, dass kein Grund zur Sor- reichen engagierten Laien ein Indiz dafür, ge bezüglich der Zukunft der Kirche im dass Gott uns hier oben im Norden nicht Norden besteht. Immer noch sind junge vergessen hat. Er interessiert sich sehr Männer und Frauen bereit, ihr Leben für wohl für alles, was in der Gesellschaft vor den Dienst in der Kirche zur Verfügung sich geht, und dass wir als Kirche unseren zu stellen, damit auch andere Gott in Zeitgenossen hier zeigen sollen, dass Gott ihrem Leben entdecken können. sich immer noch für sie stark macht.

Pro Scandiae Populis

Die skandinavischen Priesteramtskan- Teilnahme eines Bischofs an den jähr- didaten und der Ordensnachwuchs lichen Treffen anzustreben. Der Ent- haben bereits seit vielen Jahren die schluss wurde sogleich in die Tat um- Möglichkeit, sich zu treffen. Diese gesetzt, indem Bischof Brandenburg Treffen beruhen auf der Initiative des als Kontaktperson der Bischofkonfe- deutschen Priesters und Skandinavien- renz für PSP ernannt wurde. Derzeit fans Msgr. Helmut Holzapfel, Würz- ist Bischof Kozon die Kontaktperson burg (1914-84). Seine Einladungen des PSP für die nordischen Bischöfe. führten mit der Zeit zur Gründung eines entsprechenden skandinavischen Diese engere Zusammenarbeit führte Forums unter dem Namen Pro Scan- zur Ausarbeitung einer gemeinsamen diae Populis (PSP). Studien- und Ausbildungsordnung für die nordischen Priesteramtskandida- Beim Ad limina-Besuch der nordi- ten. Nachdem Bischof Brandenburg schen Bischöfe im Jahre 1982 war PSP mehrere Treffen mit den Mitgliedern auch in Rom anwesend und traf sich von PSP und den Priesterseminaren in mit den Bischöfen. Am 8. Oktober Skandinavien hatte, wurden die ei- erhielten die Teilnehmer mit Holzap- gentlichen Richtlinien von der Nordi- fel die Gelegenheit, bei der Audienz schen Bischofskonferenz im Oktober der Bischöfe mit Papst Johannes Paul 1984 approbiert. II. anwesend zu sein. Der Vorsitzende des PSP ist momen- tan Bjørn Tao Nguyen, Priesteramts- Die Nordische Bischofskonferenz be- kandidat des Bistums Oslo, während schloss auf ihrem Treffen im März Jan Hansen, Kandidat des Bistums 1983, sowohl eine engere Zusammen- Kopenhagens, der zweite Vorsitzende arbeit mit PSP einzugehen als auch die ist.

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Freudiges Ereignis im Dom diesem Sommer, am 28. Juni 2014, wer- Mariano Cardiello und Stefano tarquini, den sie im Dom St. Ansgar in Kopenha- beide Kandidaten des Priesterseminars gen zu Priestern geweiht. Redemptoris Mater in Vedbæk, wurden am 25. Januar 2014 von Bischof Czeslaw Ein Schritt weiter auf dem Weg Kozon im Dom Sankt Ansgar zu Diako- zur Priesterweihe nen geweiht. Die zwei dänischen Priesteramtskandi- daten am englischen Kolleg in Rom, Jan Mariano Cardiello wurde am 30. Juli Hansen und Kasper Baadsgaard, wurden 1983 in Salerno, Italien, geboren und am 20. Dezember als Kandidaten für die hat sich neun Jahre auf diesen Tag vorbe- Diakonen– und Priesterweihe angenom- reitet. Letztes Jahr absolvierte er sein pas- men. Bei der Zeremonie trugen die Kan- torales Praktikum zunächst in der Dom- didaten erstmals die Priesterkleidung. gemeinde und danach in der Gemeinde St. Knud Lavard in Lyngby. Stefano Tarquini wurde am 21. April 1984 in Rom geboren und ebenfalls neun Jahre auf diesen Tag vorbereitet. Letztes Jahr hat er sein pastorales Prakti- kum zunächst in der St. Laurentius-Ge- meinde in Roskilde und danach in der St. Theresa-Gemeinde in Hellerup ge- leistet. Priesteramtskandidaten dürfen diese Beide haben ihre Studien mit dem Titel Kleidung tragen, um zu zeigen, dass sie Bachelor in Theologie der Päpstlichen der Kirche als Diakon oder Priester die- Universität Gregoriana abgeschlossen. In nen wollen. Gleichzeitig signalisiert die Kirche, dass sie diesen Ruf gehört und die Kandidaten angenommen hat. Die Feier am englischen Kolleg in Rom wur- de von Pastor Jesper Fich begleitet. Na- türlich waren auch die Angehörigen der Kandidaten anwesend. Priester bekommen eige- nen Gesundheits- und Sicherheitsbeauftragten Die Geistlichen der Lutherischen Volks- kirche haben sie schon viele Jahre. Nun kommen auch die Priester, Diakone und Pastoralassistenten der katholischen Kir- che in den Genuss. Das Bistum hat jetzt

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zwei Gesundheits- und Sicherheitsbe- werten müssen. Die Arbeitsschutzorga- auftragte, nämlich Pastor Christian No- nisation hat vier jährliche Treffen mit val (Foto) und Diakon Kaare Nielsen. dem Bischof und den Vertretern der Arbeitsaufsicht und tritt immer auf den Nach einem Besuch der Arbeitsaufsicht Plan, wenn ihr Einsatz für die Angestell- Anfang des Jahres in verschiedenen Ge- ten gefordert ist. meinden hat das Bistum als Arbeitgeber eine Arbeitsschutzorganisation etabliert, so wie die Mitarbeiter in der lutheri- Bischof Kozon spricht vor schen Volkskirche es gewohnt sind. Die dem Landtag in Schleswig- Arbeitsschutzorganisation berät die Bis- Holstein tumsleitung hinsichtlich gesundheitli- 200 Vertreter aus Politik, Religion und cher und sicherheitsrelevanter Fragen Kultur nahmen am 27. Januar 2014 an sowie gesetzlicher Auflagen, darunter der Gedenkstunde für die Opfer des Na- u.a. die physische und psychische Situa- tionalsozialismus im Landtag von tion des Angestellten am Arbeitsplatz; sie Schleswig Holstein teil, wozu Bischof sollen sichern, dass optimale Arbeitsbe- Kozon als Gastredner eingeladen war. dingungen für die Angestellten geschaf- fen werden. Um dies beurteilen zu kön- In seiner Ansprache berührte Bischof nen, haben alle Priester und Diakone Kozon die Rettung der dänischen Juden ihren Arbeitsplatz anhand von Fragebo- im Herbst 1943. Der deutsche Diplomat gen und persönlichen Gesprächen be- Georg Ferdinand Duckwitz, der dem na-

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Foto: Marco Heinen, Neue Kirchenzeitung. tionalsozialistischen Regime den Rücken Zeuge” für den „ideologischen Wider- gekehrt hatte, verriet das geplante Da- stand” gegen die Besetzungsmacht. tum für die Deportation der dänischen Munk, der erst mit den Ideen des Nati- Juden und war auf diese Weise an ihrer onalsozialismus sympathisiert hatte, dis- Rettung beteiligt. So wurden ca. 7.000 tanzierte sich später von der Ideologie dänische Juden vor der Deportation und und wurde, nachdem er sich mehrmals der Ermordung im Konzentrationslager kritisch gegenüber dem Regime geäu- gerettet. Duckwitz, der auch nach ßert hatte, am 4. Januar 1944 von Nati- Kriegsende weiter im diplomatischen onalsozialisten erschossen. Dienst arbeitete, wurde 1971 vom Staat Israel in das Verzeichnis der Gerechten Ein Scheck für Niger der Völker aufgenommen. The Righteous Jedes zweite Jahr veranstaltet die Schule Among The Nations befindet sich an der Institut Sankt Joseph in Kopenhagen eini- jüdischen Gedenkstätte Yad Vashem. ge Thementage, an denen der normale Unterricht durch verschiedene Aktivitä- Bischof Kozon zog in seiner Rede eine ten ersetzt wird. Unter dem Motto Ver- Parallele zwischen den unlängst seligge- antwortung für Mitmenschen und Um- sprochenen Lübecker Märtyrern, unter welt setzen sich Schüler und Lehrer be- ihnen der protestantische Pfarrer Karl- sonders für Menschen in Not ein; sie Friedrich Stellbrink, und dem dänischen werden gut unterstützt von Eltern, Eh- Pfarrer und Dichter Kaj Munk (1898- renamtlichen und Sponsoren. Das Mot- 1944). Dieser war ein „herausragender to des letzten Jahres war Be the Change.

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Ziel war es, Nomadenkindern aus Niger eine Schulausbildung zu ermöglichen; ein Projekt, das von Caritas Danmark Institut Sankt Joseph ist eine unterstützt wird. katholische Schule für 560 Geschäfte und Unternehmen auf Øster- Kinder aus 59 Nationen mit bro waren als Sponsoren an der Aktion 33 verschiedenen Mutter- beteiligt, indem sie die Tage entweder sprachen. Die Schule sieht finanziell oder praktisch unterstützten, sich selbst als eine breit gefä- z. B. durch Geschenkgutscheine, die ver- cherte Bildungsinstitution lost oder verkauft wurden. mit einem anspruchsvollen und engagierten Schulmili- Nach der Projektwoche konnte Rektor eu, wo Werte im Fokus sind Peter Franklin dem Generalsekretär von wie Professionalität, Ge- Caritas Danmark, Jann Sjursen, einen meinschaft und Mitmensch- Scheck über 103.818 Kronen überrei- lichkeit. chen. Auf unserem Foto außerdem And- Ab August 2014 wird die reas Rude, Vorstandsmitglied von Caritas Schule eine internationale Danmark und Elternrepräsentant der zweisprachige Abteilung er- Schule. öffnen.

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Ein kleines Stück vom hei- September 2013 an der Pontifikalmesse ligen Polen in Kopenhagen in der Sankt Annæ-Kirche auf Amager Zwei bedeutende religiöse Persönlichkei- teilgenommen. Anlass war, dass P. Leszek ten, Papst Johannes Paul II. und Sr. Kapusta, der Koordinator der polni- Faustyna Kowalska, gaben den Polen schen Seelsorge in Dänemark, zwei Reli- während des Krieges und des Kommu- quien aus seiner Heimat mitgebracht nismus immer wieder Mut und Hoff- hatte: Ein Blutreliquie des hl. Papstes nung. Nun sind sie auch physisch viel Johannes Paul’ II. und ein Stück eines näher gekommen. Der polnische Bot- Knochens vom Leichnam der hl. Sr. schafter und das polnische Konsulat ha- Faustyna Kowalska. ben zusammen mit 500 Personen am 22.

Nordische Bischofkonferenz zusammen mit Kardinal Kurt Koch, Prä- in Lund sident des Rates zur Förderung der Ein- Während seines Besuchs in Skandinavi- heit der Christen, und dem Apostoli- en im Sommer 1989 weihte Papst Jo- schen Nuntius, Erzbischof Henryk Józef hannes Paul II. die nordischen Länder Nowacki, an einer Festmesse in der Tho- dem reinstem Herzen Mariens während mas von Aquin-Kirche in Lund teil. einer wenig beachteten Zeremonie im Dom von Reykjavík. Um des 25. Jahres- Nach der hl. Messe ging man in Prozes- tages dieser Begebenheit zu gedenken sion zum Dom in Lund, um hier unter und die Weihe zu erneuern, nahmen die dem Vorsitz von Kardinal Koch und nordischen Bischöfe am 22. März 2014 Antje Jackelén, der Erzbischöfin der

31 Bistum Kopenhagen schwedischen lutherischen Volkskirche, tungsvoll sei, weil der Papstbesuch da- eine ökumenische Vesper zu feiern. mals „als gesellschaftlicher Durchbruch für die Katholiken in ihren Ländern ge- Der Vorsitzende der Nordischen Bi- sehen wurde”. Darum wolle man mit der schofskonferenz, Bischof Anders Arbore- Weihe an Maria auch ihren Platz im Le- lius, betonte, dass das Jubiläum für die ben der Christen betonen. Gleichzeitig skandinavischen Katholiken bedeu- sei der Wunsch nach Ökumene groß.

Die skandinavischen Bischöfe, angeführt von Kardinal Koch und dem Apostolischen Nuntius, Erzbischof No- wacki, erneuern die Weihe der skandinavischen Länder an das Herz Mariens während der Festmesse in der Thomas von Aquin-Gemeinde in Lund. Foto: Sr. Anna-Mirijam Kaschner.

Den Gottesdienst ver- werden kann. Dieses Angebot des Bis- schwitzt? Dann folge ihm tums wendet sich an alle Katholiken, die im Internet! aus verschiedensten Gründen nicht phy- Aufmerksame Kirchgänger in der Dom- sisch an den Gottesdiensten teilnehmen gemeinde bemerkten Anfang 2013, dass können. zwei „Überwachungskameras” im Kir- Die Kameras sind eines von verschiede- chenraum angebracht worden waren. Sie nen Evangelisierungsprojekten, die die ermöglichen, dass im Internet der Got- katholische Kirche öffentlich deutlicher tesdienst zeitgleich verfolgt oder zu ei- auch auf diesem Weg sichtbar machen nem späteren Zeitpunkt dort abgerufen wollen; so versucht man, Wissen über

32 Bistum Kopenhagen das Leben und den Glauben der katho- Messe feierte P. Jón Svensson in einer lischen Kirche anzubieten und die elek- privaten Wohnung am 22. Juni 1899. tronischen Medien in der Glaubenswei- tergabe einzubinden. Das Projekt wurde 1918 wurde der Wunsch, eine eigene ka- durch die finanzielle Unterstützung des tholische Kirche zu haben, erfüllt: Die Bonifatiuswerks möglich gemacht. Gemeinde erwarb zusammen mit dem Bistum nahe der Kleiderfabrik eine Ka- Neue Gemeindestruktur pelle, die St. Hans-Kapelle, die am 18. für Nord-Seeland Juli 1920 geweiht wurde. Am 1. Januar Formell begann der Prozess schon 2012, 1948 wurde die Gemeinde zur selbstän- als Bischof Kozon die Pfarrer aus Nord- digen Gemeinde erhoben mit dem Ein- Seeland zu einem Gespräch im Laufe des zugsgebiet von Hørsholm und Umge- Herbstes einlud. Die Gemeinden wur- bung, darunter auch Birkerød (welches den am 5. Dezember 2013 von den Plä- 1961 eine selbständige Gemeinde wurde). nen unterrichtet. Pastor van der Stok, Gemeindepfarrer in Auslöser war, dass Nordvanggaard in Hillerød, war der erste Pfarrer in Birkerød verkauft werden sollte und die Hørsholm (1948-52). Danach kamen P. katholische Gemeinde in Birkerød da- Gommans (1953-1976) und P. Muiser mit sowohl ihre Kirche als auch die Ge- (1976-1993). meinderäume verlieren würde. Die Kos- ten für die Erneuerung des Daches der 1978 wurde beschlossen, dass die Kapel- Sankt Hans-Kirche in Hørsholm belie- le abgerissen werden sollte, um eine Zie- fen sich auf ca. 2 Mill. Kronen, Ausga- gelkirche am Mariavej 6 zu bauen. Die ben, die weder durch die Eigenmittel der Grundsteinlegung fand am Palmsonntag Gemeinde noch vom Bistum bewältigt 1979 statt, und schon am 24. Juni weih- werden konnten. Darum wurde be- te Bischof Hans Martensen die Kirche. schlossen, die Gemeinde mit den übri- Das Projekt wurde mit großzügiger Un- gen drei Gemeinden in Nordseeland terstützung des Bonifatiuswerks in Pa- zusammenzulegen. derborn ermöglicht. Mit einem bischöflichen Dekret wurden die Gemeinden in Birkerød und Der letzte Gemeindepfarrer, P. Papuga, Hørsholm als eigenständige Gemeinden kam 1991 als Kaplan nach Hørsholm am 7. Oktober aufgelöst und damit eine und Birkerød. 1999, unmittelbar nach 114 Jahre alte Geschichte beendet. dem hundertjährigen Jubiläum der Ge- Die Gemeinde der St. Hans-Kirche war meinde, wurde er zum Pfarrer für die mit ihren 114 Jahren die älteste der Ge- Gemeinde in Hørsholm berufen. Seit- meinden Nord-Seelands. Sie wurde von dem hat er gemeinsam mit seinem Mit- einer Gruppe ausländischer Katholiken bruder P. Pawlowski die Verantwortung gegründet, die in der dortigen Kleiderfa- für die priesterliche Betreuung der Ge- brik arbeiteten. Diese wurden von den meinden in Hørsholm, Birkerød und Jesuiten aus Ordrup betreut. Die erste Helsingør getragen.

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Die St. Hans-Gemeinde war in den letz- selbständig. Das Hauptgebäude des Ho- ten Jahren zahlenmäßig geschrumpft. fes wurde als Altersheim eingerichtet, Jüngere Kräfte konnten nicht mobilisiert das Sr. Elfrieda leitete. Schon im Okto- werden; Hände, die bereit waren, Aufga- ber 1959 waren die ersten Bewohner ben zu übernehmen oder zu lösen, als eingezogen. die Älteren die Zügel losließen, konnten nicht gefunden werden. Das galt auch Am 31. Dezember 1959 übernahmen für die Finanzen der Gemeinde. die Schwestern auch die Nachbarvilla Die älteren Beitragszahler wurden weni- Fredsholm, in der Sr. Mamertis zusam- ger, jüngere blieben aus, als sie sich ent- men mit Mitarbeitern einen traditions- sprechend der Kirchenbeitragsordnung reichen Kindergarten ins Leben rief. anmelden sollten. Am 17. Dezember 1993 wurde ein Fest- gottesdienst gefeiert, um den Schwestern und der Kirchengemeinde für 33 gute Jahre zu danken. Danach wurde der Kin- dergarten von der Zivilgemeinde über- nommen.

Der Umbau des Hofs zu einem moder- nen Gemeindezentrum war abgeschlos- sen, als der ehemalige Stall zu einer Kir- che geworden war, d.h. am 24. März 1962. Eigentlich wollten die Schwestern die Kirche dem heiligem Petrus weihen, aber eine Wohltäterin amerikanisch-dä- nischer Herkunft stellte die Bedingung, dass die Kapelle der Heiligen Familie geweiht wurde.

37 Schwestern haben seit 1959 auf Nord- 1916 kamen die Schwestern vom kostba- vanggaard gearbeitet. Die Geschichte des ren Blut nach Bornholm, um dort eine Ortes ist eng mit der Geschichte der Schule zu gründen und Kranke zu pfle- Vinzentiner, die 1904 nach Dänemark gen. 43 Jahre später, am 5. August 1959, kamen, und seitdem in Birkerød wie kamen die ersten drei Schwestern nach auch Helsingør tätig sind, verknüpft. Nordvanggaard, vier Tage später wurde Die Priester feierten die erste Messe auf die erste heilige Messe in der Bibliothek Nordvanggaard und haben seitdem den des Klosters gefeiert. Damit bekam die Ort betreut. Darüber hinaus war P. Hans dortige katholische Gemeinde eine feste Esmark als einziger Weltpriester in der Adresse, nachdem sie vorher in privaten Gemeinde tätig. Häusern Gottesdienst gefeiert hatte. Aber der heilige Vinzenz von Paul hat Am 20. März 1961 wurde die Gemeinde Nordvanggaard auch auf andere Weise

34 Bistum Kopenhagen inspiriert. In dem Jahr, als die Schwes- meinden in Dänemark repräsentiert tern einzogen, stiftete eine Gruppe aus sind. Sie unterstützen die humanitäre der Gemeinde die Sankt Vinzenz-Grup- Arbeit der Vinzentiner in der Dritten pen, die nun in vielen katholischen Ge- Welt.

Sostrup Kloster bekommt wollte, beschloss die zuständige St. Bern- neue Besitzer hard-Stiftung, die Gebäude zu verkau- Klärung nach einer langen fen. Die neuen Besitzer, an die sie am 1. und turbulenten Zeit. Juni 2014 übergeben werden, wollen das Eines der wenigen dänischen Schwes- Schloss restaurieren und die Gebäude ternklöster – die Maria Hjerte-Abtei auf für Erholung und Rekreation nutzen. Schloss Sostrup in Djursland – wurde aufgegeben. Der Entschluss fiel Anfang Sostrup Schloss, dessen Geschichte bis Juli 2012. Damit wurden die Schwestern ins 13. Jahrhundert zurückreicht, wurde aus ihrer Zugehörigkeit zur Abtei und 1960 vom Zisterzienserorden gekauft. zum Zisterzienserorden gelöst, damit sie Seitdem wurde es umfassend restauriert, einen neuen Orden in einem anderen Ferienwohnungen wurden in den alten Land gründen können. Stallungen eingerichtet; neben dem Schloss wurde ein neues Kloster mit ei- Nach einer langen Sondierungsphase, in gener Kirche errichtet, damit die der sich zeigte, dass es nicht möglich Schwestern in ihrem eigenen Bereich war, eine andere Ordensgemeinschaft zu wohnen konnten und die anderen Ge- finden, die das Kloster übernehmen bäude für Exerzitien und Rekreation zur

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Verfügung stünden. Das 1992 einge- Wir treffen Père Elie in der Herz Jesu- weihte Kloster war das erste Kloster nach Kirche in Kopenhagen, wo er drei – bis der Reformation in Dänemark, das 1998 viermal jährlich die hl. Messe für maro- zur Abtei erhoben wurde. nitische Christen in Dänemark feiert. Anm. der Redaktion: Père Elie ist im Libanon geboren und Ein uns in Aussicht gestellter Beitrag, der sich aufgewachsen. Heute tut er seinen damit auseinandersetzen wollte, wie es zur Dienst als Priester an der Kirche Notre Auflösung kam, wurde leider nicht geliefert. Dame du Liban. Sie ist ein Ort der Vielleicht ist eine solche Analyse derzeit auch Sammlung für libanesische Christen des noch nicht möglich, sondern bedarf einer maronitischen Ritus in Paris. größeren Distanz. Wie viele Libanesen spricht er fließend Religion ist eine Brücke Französisch und Arabisch. „Arabisch ist zwischen den Menschen die Sprache, die wir mit den Muslimen Père Elie Hachache und die gemeinsam haben. Es ist notwendig für libanesischen Christen mich, den Islam gut zu kennen”, sagt In Dänemark wohnen ca. 10.000/15.000 Père Elie, der auch Islamologie studiert arabische Christen. Wer sind sie? Woher hat und den Koran sehr gut kennt. „Die kommen sie? Was bedeutet ihr Hinter- Christen aus dem Orient leben ihren grund für sie, und was können sie zur ka- Glauben umgeben von ihren muslimi- tholischen Kirche in Dänemark beitragen? schen Geschwistern. Das ist ein Zeugnis

36 Bistum Kopenhagen von gegenseitigem Verständnis und Res- ihn auf, um geistliche Hilfe zu finden pekt. Wir zeigen der westlichen Welt, und zu beichten. Zu den maronitischen dass nicht alle Araber Muslime sind. Die Messen in der Stenosgade kommen maronitische Kirche ist eine Kirche, die Christen aus dem Nahen Osten, insbe- sich auf allen fünf Kontinenten befindet. sondere aus dem Libanon, dem Irak und Wir sind orientalische Christen, und un- Ägypten. sere Anwesenheit im Westen zeigt die Eine maronitische Messe ist ungefähr Universalität der Kirche”, sagt er. Seit wie eine Messe nach dem lateinischen siebzehn Jahren lebt und arbeitet Père Ritus aufgebaut. Die Sprache im Gottes- Elie in Frankreich, seit drei Jahren als dienst ist arabisch; die Kirche hat aber Priester für die Maroniten. Er hat viele ihre syrischen Wurzeln nicht vergessen, Freunde in vielen verschiedenen Kirchen. weshalb einige Gebete und die Einset- zungsworte der Eucharistie immer in der „In Dänemark fühle ich mich als Priester syrischen Sprache gesprochen werden. für alle Christen des orientalischen Ri- In Dänemark befinden sich zur Zeit tus. Alle Gläubigen sind Kinder Gottes, 25.000 Libanesen, von denen die Hälfte die verschiedenen Formen des christli- Emigranten sind, während die anderen chen Glaubens sind ein Reichtum, den später nachgekommen oder bereits hier Gott uns schenkt. Einige meiner besten geboren sind. Freunde sind ein protestantisches Paar, das oft kommt, um mit mir zu beten”, „Die Dänen wissen allerlei vom Islam. sagt Père Elie. Über seine eigene Rolle Sehr oft wissen sie aber nicht, dass es Mi- sagt er: „Ich komme hierhin, um neue noritäten von Christen in den muslimi- Freundschaften zu knüpfen und die so- schen Ländern gibt, zum Beispiel im zialen Bande zwischen den Menschen zu Irak. Früher waren die Muslime und die stärken. Ich soll meinen Landsleuten Christen gute Nachbarn, viele Muslime helfen, sich an die westliche Kultur an- sind aber nach dem Fall Saddam Hus- zupassen, ohne dass sie den Kontakt zu seins immer extremistischer geworden. ihren eigenen Wurzeln verlieren.” Früher gab es viele Christen in Bagdad

Sein erster Besuch in Dänemark war am 6. Oktober 2012. Es ist geplant, dass er künf- tig die libanesischen Christen bei den gro- ßen Hoch zeiten besu- chen soll. Jedes Mal, wenn er in Dänemark ist, kommt er norma- lerweise für ein paar Tage. Viele suchen

37 Bistum Kopenhagen und auch im südlichen Irak, jetzt sind sie noch viele Städte, wo die Einwohner fast aber fast alle verschwunden. Sie sind aus ausschließlich Christen sind. Im öffent- dem Lande geflüchtet oder in den nörd- lichen Leben sprechen die Christen ara- lichen Irak gezogen. Es wird sehr schwie- bisch, sie haben aber auch ihre eigene rig sein, die Entwicklung in eine positive Sprache, miteinander sprechen sie assy- Richtung zu verändern. Uns fehlt die risch. Unterstützung vom Westen. Es scheint, Heute sehen wir im Irak eine sehr into- als ob Dänemark es aufgegeben hat, den lerante Richtung des Islam. Der Extre- Christen im Irak zu helfen. Alle Unter- mismus prägt das Land, sie dulden keine stützung geht in die Länder, wo der Is- anderen Religionen. Die Muslime be- lam blüht”, sagt Rafid. kämpfen auch einander. Sie sind von Rafid ist einer der vielen Iraker, die seit Saudi-Arabien geprägt.” dem Fall Saddams nach Dänemark ge- flüchtet sind. Sein Vater kam im Jahre Im Jahre 2007 hat Bischof Kozon für die 2000 nach Dänemark, er zwei Jahre spä- Chaldäer eine sogenannte „Personalge- ter. Heute befindet sich der größte Teil meinde” eingerichtet. Sie ist eine selbst- seiner Familie in Deutschland, in den ständige Gemeinde und mit der Johan- USA und in der Türkei. Er ist selber ak- neskirche in Søborg verbunden. Die tives Mitglied der Gemeinde in Esbjerg, Chaldäer haben zwei Zentren – eines in wo es etwa 20 chaldäische Familien gibt. Aarhus, eines in Kopenhagen, wo jeweils „Wenn wir ein wenig in die Zeit zurück- mehr als 100 Familien wohnen; auch in gehen, dann werden wir sehen, dass wir Aalborg wohnen etwa 60 Familien, in Christen eine lange Geschichte im Irak Horsens und Esbjerg etwa 25 Familien. haben. Im nördlichen Irak gibt es immer Darüber hinaus gibt es eine kleine chal-

Eine Gruppe chaldäischer Christen in Esbjerg.

38 Bistum Kopenhagen däische Gemeinde aus neun Familien in Im Verlauf des Kurses ist auch ein ganzer Holstebro. Zum ersten Mal in der Ge- Tag vorgesehen, an dem sich die Paare schichte des Bistums wurde eine Perso- zur Gruppenarbeit und zum Meinungs- nalgemeinde errichtet, alle anderen Ge- austausch treffen. Das Material liegt meinden im Bistum sind territorial be- auch in englischer Sprache vor. stimmt. Jonas konvertierte während des Kurses „Man muss den Mut haben, zur katholischen Kirche; er hat 30 Stun- sich zu äussern” den Unterricht von Pastor Nguyen be- Die neue Form kommen. „So fühlte ich mich ziemlich der Ehevorbereitung gut bewandert im katholischen Glau- „Uns gefällt die Aufteilung, nach der der ben. Tatsächlich habe ich an dem ge- Priester die geistlichen Aspekte und das meinsamen Kurstag erlebt, dass ich von kirchliche Verständnis von Ehe behan- der Lehre der Kirche mehr wusste als delt, während die Laien über die mehr viele der Teilnehmer, die ‚Wiegenkatho- praktisch orientierten, alltäglichen Pro- liken‘ sind”. blem stellungen sprechen”, sagen Jonas Wie etliche der Teilnehmer lebten Jonas Albjerg und Cecilia Nguyen (Foto) in und Cecilie schon seit geraumer Zeit zu- einem Kommentar zum neuen Ehevor- sammen, ehe sie sich zur Heirat ent- bereitungskurs, den das Bistum im Jahr schieden. Darum waren einige Elemente 2013 eingeführt hat. Er besteht aus ins- des Kurses nicht so relevant für sie. „Aber gesamt acht Teilen, die jeweils wichtige natürlich ist es immer spannend, in die- Themen behandeln und von den Braut- sem Gebiet die Meinungen und den Er- leuten durchgearbeitet werden müssen. fahrungen anderer zu hören. Es ist wich-

39 Bistum Kopenhagen tig, dass man den Mut hat, seine eigene bens” habe sie der Kirche näher gebracht Meinung zum Ausdruck zu bringen”, habe und ihr Glaubensleben erneuert. sagt Jonas. Als am Sonntag, 24. November 2013, Beide loben die Unterrichtsmaterialien, das „Jahr des Glaubens” offiziell zu Ende insbesondere die Übungen, weil sie Dis- ging, wurde eine Kopie des Åbykreuz, kussion und Dialog anregen und so eine des ältesten Kruzifixes Dänemarks, zum eigene Stellungnahme zu oft komplexen Dom zurückgebracht. Ein Jahr zuvor, Problemstellungen fordern. am 11. Oktober 2012, war es vom Dom ausgesandt worden, um im Bistum von Rückblick auf das Gemeinde zu Gemeinde zu wandern. „Jahr des Glaubens“ Das Kruzifix sollte den Katholiken den Meinungsumfrage unter den Sinn dieses Jahres deutlich machen, Katholiken des Bistums nämlich den Glauben im Alltag und im Eine Umfrage unter 152 Katholiken in persönlichen Leben bewusster zu reali- Dänemark zeigte, dass das zurückliegen- sieren. de „Jahr des Glaubens” gute Auswirkun- gen auf ihr Glaubensleben hatte. In seiner Predigt unterstrich Bischof Ko- 90 % nahmen die Projekte der Kirche zon, dass das „Jahr des Glaubens” jetzt bewusster wahr. Eine große Mehrheit ende, aber nicht sein Anliegen. Deshalb empfand die Angebote als ausreichend wurde das Kreuz erneut gesegnet und und bedeutsam. Die vom Bistum zur einer philippinischen Gruppe aus der Verfügung gestellten Hilfen bewerteten Sankt Annæ-Gemeinde auf Amager an- 54 % als nützlich. vertraut (Foto). Es soll seine Wander- Gefragt nach der persönlichen Bedeutung schaft bei interessierten Gruppen und antworteten viele, das „Jahr des Glau- Familien fortsetzen. Foto: Lisbeth Rütz Foto:

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Neue Bücher schof Werner Thissen aus Hamburg an Bischof Kozon, in dem er diesem mit- teilt, dass tausend Exemplare an das Bis- tum Kopenhagen weitergegeben wer- den. Auf Pilgerreise mit Niels Steensen Im Jahre 1988 hatten einige Katholiken Das Buch ist ein Beispiel für die gründ- aus Mecklenburg die Idee, nach Rom zu liche historische und gesellschaftliche pilgern, um an der Seligsprechung von Dokumentation, die vom Heinrich Theis- Niels Steensen am 23. Oktober teilzu- sing-Institut in Schwerin geleistet wird. nehmen. Die damalige Regierung der Es kann dort zum Preis von 8 Euro unter DDR war sehr zurückhaltend, Reiseer- www.hti-schwerin.de bestellt werden laubnisse ins Ausland zu geben, weshalb (ISBN 978-3-9810202-8-1). die Zahl der Teilnehmer auf 150 festge- legt wurde. Die Reise ging mit dem Zug Niels Steensen von Berlin nach Wien, von dort weiter für Kinder und Jugendliche mit Bussen. Während zwölf Tagen be- Sollte das Niels Steensen-Jubiläum nur suchte man Padua, Assisi, die wichtigs- als ein Ereignis für Erwachsene mit ten Kirchen in Rom und eine Katakom- Wallfahrten sowie klugen Vorträgen und be. Auf dem Rückweg besuchte man Si- Seminaren für Gelehrte gefeiert werden? ena, Florenz und Wien. In Rom schlos- Nein, meinten einige tatkräftige Men- sen sich die Katholiken aus der DDR schen in Deutschland. Sie sorgten dafür, den westdeutschen Pilger an. dass es nun auch ein Angebot speziell für Kinder und Jugendliche gibt. Der Ka- Im Herbst 1988 konnte niemand wis- tolsk Forlag gab das Buch Niels Steensen sen, dass die Mauer ein Jahr später fallen zwischen zwei Welten, ein Leben im 17. würde. Es besteht aber kein Zweifel, dass Jahrhundert von Niels Engelman als ers- die Pilgerreise die ostdeutschen Katholi- tes Kinderbuch seines Programms her- ken gestärkt hat und für sie ein großes aus. Die Übersetzung ins Dänische be- Erlebnis war. sorgte die Schriftstellerin Kirsten Kjærulff. Der energische und ideenreiche Leiter des katholischen Theissing-Instituts in Wie im Nachwort zu lesen, ist das Buch Schwerin, Dr. Georg Diederich, hat nun viel mehr als eine Beschreibung des Le- ein 200 Seiten umfassendes Buch redi- bens von Steensen. Es ist auch ein Buch giert, das den Titel trägt „Auf Pilgerrei- über einen Menschen voller Gegensätze, sen mit Niels Stensen”. Es wurde anläss- eine faszinierende Biographie eines gro- lich eines doppelten Jubiläums herausge- ßen Naturwissenschaftlers. Im Buch fol- geben: 2013 waren 375 Jahre seit der gen wir Niels Steensen von seiner frühen Geburt Niels Steensens vergangen, 25 Kindheit an durch die Studienjahre in Jahre seit seiner Seligsprechung. Das Holland mit seinen ersten anatomischen Buch endet mit einem Brief von Erzbi- Entdeckungen, der Begegnung mit dem

41 Bistum Kopenhagen holländischen Philosophen Spinoza, der Dänemark und anderen Interessenten glücklichen Zeit am Hof der Familie Zugang zu einem möglichst großen und Medici, der Konversion zur katholischen gleichzeitig repräsentativen Ausschnitt Kirche, der kurzen Anstellung am Hof aus dem mehr als 2000-jährigen Gebets- von König Christian V., der Priesterwei- leben und der Spiritualität der Kirche he und den letzten Jahren als Bischof in ermöglichen. Andererseits ist es auch Schwerin. gedacht als ein Buch für das Alltagsle- ben, in dem der einzelne Christ, die Fa- Das Buch, das sich an Leser ab 10 Jahre milien, unterschiedliche Gruppen und wendet, ist mit schönen Aquarellen von die ganze Gemeinde jene Texte finden Martin Illman ausgestattet. Mittel der können, die sie für das Leben des Einzel- Franz Sales-Stiftung, des Erzbistums nen und der Gemeinde brauchen. Hamburg und anderer katholischer Sponsoren haben es möglich gemacht, Mehr als 60 Jahre sind seit der Heraus- das Buch in 1.000 Exemplaren zu dru- gabe eines ähnlichen Gebetbuches ver- cken. 600 Exemplare wurden an katho- gangen. Das neue Gebetbuch wurde von lische Schulen vergeben, 200 an die Ge- der Liturgiekommission unter der Lei- meinden verschickt; 200 Exemplare tung von Bischof Kozon herausgegeben, konnten bei Katolsk Forlag für 95 DKr der 1999 eine Arbeitsgruppe zusammen- gekauft werden. rief, die aus Helge Clausen (Vorsitzen- der), Ivar Hoel, Schwester Anna Maria Endlich! Nach 14 Jahren Kjellegaard Jensen OSB, Schwester Hil- das neue Gebetbuch degard Madsen OSB und Sebastian Ol- Schon der Umfang von über 600 Seiten den–Jørgensen bestand. zeigt, dass dieses Buch etwas ganz Beson- Das neue Gebetbuch wurde offiziell am deres ist. Es handelt sich nämlich um ein 24. November 2013 eingeführt, d.h. am Gebetbuch, das viel mehr als das not- letzten Sonntag des Kirchenjahres und wendige Minimum anbietet oder nur zum Abschluss des „Jahres des Glau- gezielt auf die Bedürfnisse einzelner bens”. Die Herausgabe wurde unter an- Gruppen ausgerichtet wäre. derem durch einen Zuschuss eines der Das Buch soll einmal den Katholiken in deutschen Ansgarwerke ermöglicht.

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50 Jahre Professjubiläum ken: Msgr. Niels Engelbrecht, der viele Als Schwester Ansvera Rohbra und Schwes- Jahre mit den Schwestern auf Bornholm ter Carina Pöppinghaus (Foto) im Sep- eng zusammenarbeitete, hatte die zwei tember 2013 Bornholm verließen, dach- Trappistenbrüder Clemens und Bo so- ten sie wohl nicht daran, dass sie schon wie John Krüger, ihren Nachfolger, mit- im Februar 2014 ein „Bornholmertref- genommen. Während der Messe erneu- fen” in Neuenbeken in Westfalen erleben erten Schwester Ansvera und Schwester würden. Anlass war das 50-jährige Pro- Antonia Jörg feierlich ihre Gelübde, die fessjubiläum von Schwester Ansvera. Am sie vor 50 bzw. 60 Jahren abgelegt hat- 2. Februar 1963 legte sie als junge ten. Schwester in Neuenbeken, dem deut- Beide haben ihre Ausbildung in Neuen- schen Mutterhaus für die Missions- beken erhalten und sind dann in die wei- schwestern vom kostbaren Blut, ihre te Welt gezogen, Schwester Ansvera war ersten feierlichen Gelübde ab. fast 50 Jahre in Dänemark, Schwester Antonia arbeitete fast 50 Jahre im Mo- Zum Jubiläum kam ein vollgepacktes sambik. Beide verbringen in Neuenbe- Auto aus Kopenhagen nach Neuenbe- ken den wohlverdienten Ruhestand.

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In memoriam

Dietrich Timmermann Priester in Horsens wirkte, später zwei 22.4.1937 – 6.12.2013 Jahre in Norrebro (Kopenhagen), bis er schließlich Gemeindepfarrer in Køge wurde. Nach einer kürzeren Zeit in Ny- købing/Falster, wo er dennoch eine blei- bende Spur hinterließ, kam er nach Hvi- dovre, wo er Zeit bekam für eine Lehrer- ausbildung. Hier engagierte er sich sehr bei der Einrichtung einer katholischen Schule in Taastrup. Gleichzeitig war er sehr aktiv in den Lagern der Pfarrjugend auf Klitborg, wo er sich als beliebter Zeltlagerpriester erwies, der dank seiner hervorragenden pädagogischen Fähig- keiten die Kinder mit seinen Predigten zu verzaubern und sie durch seine nächt- lichen „Überfälle“ zu erschrecken ver- mochte. Zugleich benutzte er Klitborg als Ausgangspunkt, um in den 80er und 90er Jahren die Tourismusseelsorge in Odsherred (im Nordwesten Seelands) zu organisieren, wo das Gotteshaus der Fol- Dietrich Timmermann wurde am 22. kekirke in Nykøbing/Seeland in den April 1937 in Wünsdorf bei Berlin gebo- Sommermonaten an den Sonntagen mit ren, in einer Familie mit deutschen und dänischen und deutschen Touristen ge- dänischen Wurzeln. Er wuchs südlich füllt waren. der dänischen Grenze in Friedrichstadt auf. wo er auch die dänische Schule be- 24 Jahre Dompfarrer suchte. Nach der Schulzeit begann er 1980 wurde er Pfarrer an der Domkir- zunächst eine Lehre als Bildschnitzer, che in Kopenhagen und musste seine machte dann das Abitur, so dass er Theo- Lehrertätigkeit aufgeben. 24 Jahre hin- logie studieren konnte. Während seines durch erfüllte er dort seine Aufgabe als Studiums pflegte er den Kontakt zu Dä- Priester. Eine Zeit, in welcher ein Papst nemark und nahm auch an den Bauar- diese Kirche besuchte, sicher zum ersten beiten für die Kirche in Øm teil. und letzten Mal in der Geschichte. Die St. Ansgar-Kirche bekam einen erfahre- Von Horsens bis Taastrup nen Handwerker mit einem sicheren Nach der Priesterweihe 1965 in Hildes- Sinn für Geschmack, der u. a. zum Aus- heim kam Pastor Timmermann nach druck kam in der schicken Totalrenovie- Dänemark, wo er zunächst ein Jahr als rung der Kirche zum 250jährigen Jubi-

44 Bistum Kopenhagen läum 1992. in den vielen Jahren seiner tes des Bistums Kopenhagen (Ansgarstif- Tätigkeit an der Domkirche war er auch telsen). ein engagierter und beliebter Schulseel- sorger am Institut St. Joseph, wo er ei- Niels Steensen ner Unzahl von Schülerinnen und Über alle diese Aufgaben hinaus nahm er Schülern mit Freude in Erinnerung sich auch die Zeit, sich um Niels Steensen bleibt, die er getraut und deren Kinder zu kümmern. Er war einer der Ansprech- er getauft hat. partner für die jährlichen Steensen-Feiern in der Domkirche, gleichzeitig förderte er In Räten und Gremien die Verbindung zu Steensens letzter Sein Wirkungsfeld und seine Interessen Gemeinde, Schwerin, vor allem durch reichten aber weit über Gemeinde und jährliche Wallfahrten dorthin. Auch hielt Schule hinaus. Er war außergewöhnlich er Kontakt mit verschiedenen an Niels aktiv in der ökumenischen Arbeit — so- Steensen interessierten Gruppen und wohl vor Ort in der Alban- und Sergej- Institutionen in ganz Deutschland. Gesellschaft, die die jährliche Kirchen- Das Interesse an Niels Steensen gründete wanderung in der Innenstadt veranstal- in seinem starken Interesse an der tete, bei der jedes Jahr Hunderte von Kirchengeschichte Dänemarks und ganz Menschen sich versammelten, als auch allgemein in seinem großen Wissen um in der nationalen ökumenischen Arbeit, die Historie. Der dänische katholische bei der er die katholische Kirche in den Kirchengeschichtsverein „Aelnoth“ trifft wichtigsten ökumenischen Gremien Dä- sich regelmäßig im Gemeindehaus von nemarks vertrat. St. Ansgar.

1968 wurden durch die Synode demokra- Gleichzeitig mit allen anderen Aktivitä- tische Seelsorgsorgane in Dänemark ein- ten war er eine längere Zeit für die Seel- geführt. Pastor Timmermann war ein sorge an den Katholiken auf Bornholm Menschenalter lang Mitglied des Pasto- verantwortlich. Dort musste er einige ralrates und zum großen Teil Mitglied des notwendige Einschränkungen des Ge- geschäftsführenden Ausschusses. Ein an- meindelebens durchsetzen, so z.B. den derer wichtiger Punkt war für ihn die Verkauf der Kirche in Rönne, was nicht kirchliche Erwachsenenbildung im bi- nur die ökonomische Situation der Ge- schöflichen Bildungshaus „Magleås“. meinde verbesserte, sondern auch eine Hier war er als Mitglied der Verwaltung stärkere Konzentration und Verlebendi- einige Jahrzehnte aktiv, in denen das gung der Gemeinde um Aakirkeby mit Haus mit seinem notdürftigen Hoch- sich brachte. schulmilieu zu einem zeitgemäßen Bil- dungshaus umgebaut wurde. Darüber Stets für die Menschen bereit hinaus war er viele Jahre hindurch Mit- Sein größtes Ansehen als Priester besaß glied des Bischöflichen Rates. Aufgrund er aber nicht allein durch all diese Akti- seiner Stellung als Pfarrer von St. Ansgar vitäten auf dem einen oder anderen Ge- war er auch Mitglied des Verwaltungsra- biet, sondern vor allem durch seine gro-

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ße pastorale Sorge für Menschen aller lige Land teilnehmen konnte. Mit Freu- Art in allen Situationen. Er konnte in de und Begeisterung lauschten ihm die einem seltenen Grad präsent sein, so jungen Priester, wenn er sein Talent als dass die Menschen sich wahrgenommen Erzähler entfalten konnte. und verstanden fühlten, und er war je- derzeit bereit zu helfen. Es gibt sehr vie- Dass er in dem Haus in Haraldsted woh- le Menschen, die bezeugen, dass er ent- nen konnte, war ein besonderes Glück scheidenden Einfluss auf ihr Leben hatte für ihn — gleich neben der Ruine jener in Situationen, wo sie Hilfe und Fürsor- Kapelle, die an der Stelle der Ermordung ge dringend brauchten. Knud Lavards errichtet worden war. Er teilte das Haus mit Ruth Simonsen und Sein großer Einsatz als Priester wurde Maria Sailegtim, die seine Schutzengel auch von höchster Stelle gewürdigt. Der in den letzten Jahren waren, wo sie ihn Papst ernannte ihn im Jahre 1999 zum Tag und Nacht pflegten und versorgten Päpstlichen Ehrenprälat. in allen oft auch schwierigen Situatio- Kurz nach seinem 50. Geburtstag erlitt nen. Vor kurzer Zeit musste er dann im er einen schweren Unfall, der eine länge- Pflegeheim (Knud-Lavard-Zentrum) in re und schmerzhafte Regenerationsmaß- Ringsted aufgenommen werden. nahme erforderte und lebenslange Schä- digungen und Schmerzen zur Folge hat- Zuletzt versagten seine Lungen. Nach te. Pastor Timmermann war ein kräftiger knapp einer Woche im Krankenhaus zu Mann, aber er schonte seine Gesundheit Køge schlief er am Abend des 6.12. 2013, nicht und litt zunehmend unter einem einem Freitag, sanft ein, nachdem er die geschwächten Kreislauf. Das führte Sterbesakramente empfangen hatte. schließlich dazu, dass er aus gesundheit- lichen Gründen, gegen seinen Willen, Dompfarrer Msgr. Niels Engelbrecht als Pfarrer der Domgemeinde im Jahre (Übersetzung aus dem Dänischen: P. 2004 zurücktrat — ein Jahr vor seinem Schmidt-Eppendorf) 25jährigen Jubiläum in diesem Amt. Zu- nächst setzte er seine Tätigkeit auf Born- holm fort, aber 2006 musste er, nach P. Anton Dekkers SJ längerer Krankheit, auch diesen Posten (7.2.1922-26.1.2014) niederlegen. Es war schmerzlich für ihn, Nach langer Krankheit starb P. Anton dass er nicht mehr so viel tun konnte wie Dekkers SJ im Pflegeheim der Jesuiten früher, aber er blieb aktiv auf den Gebie- Berchmanianum in Nijmegen/Nieder- ten, die ihm noch möglich waren. lande am 26.1.2014 im Alter von 91 Jahren. Dekkers war am 7.2.1922 in den Das brüderliche Beisammensein mit an- Niederlanden geboren und aufgewach- deren Priestern bedeutete ihm sehr viel, sen, verbrachte aber sein ganzes Arbeits- und er empfand es als großes Glück, dass leben als Priester in Dänemark; 2003 er in seinem letzten Jahr noch an einer kehrte er in seine Heimat zurück. Schon Priesterwallfahrt nach Rom und ins Hei- als 18-jähriger trat er in den Jesuitenor-

46 Bistum Kopenhagen den ein, zwei Jahre nach der Priesterwei- Køge kamen seine Kräfte zu einem neu- he kam er 1954 nach Dänemark. Hier en Anfang. Er wurde Mitgründer von war er zuerst vier Jahre Priester an der Pax Christi, einer internationalen katho- Herz Jesu-Kirche in Kopenhagen, von lischen Friedensbewegung. 1958 bis 1967 war er Subprior in Aarhus an der Kirche Unsere lieben Frau und Für Dekkers, der die Devise vertrat „Es Schulleiter an der St. Knuds-Schule. muss ordentlich und von ganzem Her- zen gemacht werden”, war es evident, 1967 wurde er nach Kopenhagen geholt, dass es ohne Gerechtigkeit keinen Frie- wo er bis 1973 Schulleiter der dortigen den und Versöhnung gibt. Darum war St. Knuds-Schule war. Nach ein paar er 1994 Mitgründer von Oikos, einem Jahren im Kloster Sostrup wurde er als Geldinstitut mit ethischen Grundsät- „Generalsekretär” einer der vertrautesten zen, das wie eine normale Bank funkti- Mitarbeiter von Bischof Hans Marten- oniert, aber auch für Mikrokredite an sen. Sein Talent für Verwaltung, sein sys- die Ärmsten der Welt sorgt. In zahlrei- tematischer Sinn und seine ausgeprägt chen Kommentaren in den dänischen analytische Begabung nutzten ihm, als er Zeitungen schrieb er unter anderem mit der damaligen Bürochefin Inger Sa- über die Sanktionen der UNO gegen xild die bischöfliche Verwaltung reorga- den Irak, die Schuldenprobleme der nisierte. P. Dekkers hat ein neues Archiv Entwicklungsländer, die Flüchtlingpoli- aufgebaut und die Arbeitsgänge rationa- tik und die EU. lisiert. Gleichzeitig engagierte er sich für die Entwicklung der katholischen Schu- len in Dänemark.

Selbstverständlich war P. Dekkers auch an der Entwicklung der Kirche nach dem Konzil beteiligt. Er nahm an der Synode in Nyborg 1969 teil, ebenso an vielen Sitzungen des neu gegründeten Pastoralrates teil.

Als Anfang der 80-ger Jahre viele Flücht- linge nach Dänemark kamen, interes- sierte sich Dekkers sehr für ihre Schick- sale. Wenn die anderen Mitarbeiter der bischöflichen Verwaltung nach Hause gingen, blieb er im Büro und arbeitete bis in die Nacht an diesem Problem. Als 66-jähriger gab er diese Arbeit auf. Er war müde und ausgebrannt, aber mit seiner neuen Situation als Pfarrer in

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P. Jac Adams CSsR (14.9.1928-2013) Jac Adams wurde am 14. September 1928 in der Stadt Meerle in Belgien (Flandern) geboren. 1948 trat er in den Orden der Redemptoristen ein und wur- de 1955 zum Priester geweiht. Sein gro- ßer Wunsch war es, Missionar in Afrika zu werden, was sich aber aus gesundheit- lichen Gründen als unmöglich erwies. Stattdessen kam er nach Dänemark an die Sankt Annæ-Kirche, wo er von 1957 bis 1972 mal als Pfarrer, mal als Kaplan gearbeitet hat. Viele in der Gemeinde er- innern sich noch an die gute Zusammen- arbeit zwischen Pater Jac und Pater Hu- bert. Nach einigen Jahren sozialer Arbeit auf Kofods-Schule wurde er von Bischof Martensen aufgefordert, wieder in die Gemeindearbeit zurückzukehren. An der Sakramentskirche auf Nørrebro wurde er 1986 Pfarrer, er arbeitete hier bis 1997.

Hier gab es ganz neue Aufgaben, z. B. schiedenen Orten gesammelt, der Emp- eine Suppenküche in Zusammenarbeit fänger in Afrika war sein Freund und mit der Blågårdskirche. Das Essen wurde Kollege Pater Roger Ampe. Ältere Mit- aus Fleisch und Butter aus dem Über- glieder der St. Annæ-Gemeinde erinnern schusslager der EU zubereitet, die Le- sich sicher an die verschiedenen Aktio- bensmittel waren kostenlos, mussten nen z.B. die Ambulanz für den Kongo, aber tiefgefroren in einem Lager abge- an Strickarbeiten, die in kalten Nächten holt werden. Unmengen von Butter und die afrikanischen Kinder wärmen soll- halbe Rinder hat P. Adams in seinem ten, an Unmengen von Kleidung, die bescheidenen Auto transportiert. mit dem Schiff in den Kongo versandt Es gelang ihm auch, ein Wiederverwer- wurden. Um an anderen Projekten in tungsgeschäft mit Mitarbeitern aus bei- vielen Teilen der Welt mitzuarbeiten, den Gemeinden zu gründen. Für ihn war Pater Jac 1959 Mitbegründer der war es niemals ein Problem, freiwillige Sankt Vincenz-Gruppen und viele Jahre Helfer zu finden. Mitglied des Vorstandes. Von 1992 bis zu seinem Tod war P. Pater Adams interessierte sich sehr für Adams priesterlicher Begleiter der Ge- die Missionsarbeit, sie blieb seine große meinschaft Glaube und Licht in Däne- Passion. Dafür hat er Beiträge in ver- mark.

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Anne Storm, Leiterin der Anne Lise Timmermann - nordischen Wallfahrt nach eine professionelle Bettlerin Lourdes für die Armen Am Ostersonntag, dem 31. März 2013, Die langjährige Vorsitzende und Gene- starb Anne Storm, die langjährige Leite- ralsekretärin der Caritas von 1982 bis rin der nordischen Wallfahrt nach 1998, Anne Lise Timmermann, ist im Lourdes. Anne war 1968 als Studentin Alter von 83 Jahren gestorben. Eine star- der Medizin erstmals dorthin gekom- ke Frau, die in der dänischen Nothilfe men, sie kehrte immer wieder als Pilge- und in der katholischen Kirche bleiben- rin und Helferin zurück. Niemals war de Spuren hinterlässt, hat nach langer Anne eine Aufgabe zu schwierig. 1998 Krankheit Frieden gefunden. übernahm sie die volle Verantwortung für die Wallfahrt, die oft bis spät in die Ihre eigene Lebensaufgabe sah Anne Lise Nacht geplant wurde, nachdem sie in Timmermann darin, eine „professionelle ihrer Arztpraxis viele Stunden gearbeitet Bettlerin für die Armen” zu sein. Ur- hatte. Gemeinsam mit P. Herbert Kraw- sprünglich wurde sie als Krankenschwes- czyk S.J. als Wallfahrtspriester und dem ter ausgebildet. Deshalb wurde sie 1956 Wallfahrtsteam hat Anne die nordische in Verbindung mit dem Aufstand in Un- Wallfahrt nach Lourdes entwickelt. garn vom Roten Kreuz nach Österreich geschickt. Hier wurden Lager für die Unter ihrer kompetenten Leitung sind ungarischen Flüchtlinge aufgebaut. viele freiwillige Helfer mit den kranken nordischen Pilgern nach Lourdes gereist. Neben ihrer Arbeit als Krankenschwes- Die Erfahrung der Glaubensgemein- ter bekam der Einsatz für die Caritas, die schaft hat sehr viele mit Freude erfüllt. humanitäre Organisation der katholi- Jahr für Jahr kehrte sie selbst zurück, um schen Kirche, eine zunehmend große Gebet, Meditation und Stille an der Bedeutung für sie. 1947 hatte Pastor Grotte zu erleben und sich an der einzig- Ballin Caritas Danmark gegründet, artigen Atmosphäre in dieser Stadt zu Anne Lise Timmermann wurde Ballins erfreuen, in der die Gesunden den Kran- rechte Hand. Deshalb war es nahelie- ken so zuvorkommend begegnen. Anne gend, dass sie die Verantwortung für die hat immer versucht, ihren Mitmenschen Caritas übernahm, als Pastor Ballin 1982 zu helfen, sie war immer eine gute Zu- starb. hörerin, wenn die Pilger zu ihr mit ih- Anne Lise Timmermann hat Initiative rem Kummer kamen und von ihren zu vielen Projekten ergriffen, sie nahm Heimsuchungen erzählten. viele strapaziöse Reisen auf sich, um die Entwicklung der Projekte zu verfolgen. Caritas war unter Anne Lise Timmer- mann eine energische Nothilfeorganisa- tion. Sie hat ihre Arbeit bis zu ihrer Ver- setzung in den Ruhestand 1998 fortge- setzt.

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Oluf Bohn - Ein großer Einsatz für die Ökumenie 1927-2013 Oluf Bohn wurde 1927 geboren, er starb am 3. Juni 2013, ein langes Leben mit einem großen Einsatz als Gymnasialleh- rer, Redner, Übersetzer und engagiertes Mitglied der katholischen Kirche ging zu Ende. Von 1953 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand war er Gymnasialleh- Anne Lise Timmermann hatte ein gro- rer an den Gymnasien in Esbjerg, Hor- ßes Netzwerk, in aber auch außerhalb sens und Aarhus. Zeitweise unterrichtete der katholischen Kirche. Zehn Jahre war er auch an der pädagogischen Hoch- sie Mitglied des Päpstlichen Rates Cor schule in Esbjerg, an der dortigen Volks- Unum, 17 Jahre lang hatte sie einen gro- hochschule und an der Universität in ßen Arbeitseinsatz in ICMC, der inter- Aarhus. Zahllos sind die Vorträge, die er nationalen katholischen Migrations- während seines Lebens über katholische kommission, geleistet. In Dänemark hat Themen gehalten hat. sie sich insbesondere für die Arbeit der dänischen Flüchtlinshilfe eingesetzt. Das Zweite Vatikanische Konzil bedeu- tete viel für Oluf Bohn, er interessierte Anne Lise Timmermann wurde für ihren sich insbesondere für den nun heiligge- Einsatz mehrmals ausgezeichnet, unter sprochenen Papst Johannes XXIII. und anderem mit dem Gregorius-Orden und dessen Betonung der Bedeutung der Lai- dem Ritterkreuz des Danebrogor- en in der Kirche. Das waren neue Töne dens. in der katholischen Kirche damals, er hörte darauf sehr aufmerksam.

Gemeinsam mit Bischof Martensen hat er um die Jahrtausendwende die Kon- zilstexte neu ins Dänische übersetzt. Diese Übersetzung war eine der wesent- lichsten Publikationen innerhalb der letzten 50 Jahre. R.I.P.

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Bistum Stockholm

Das Bistum Stockholm wurde am 29.6.1953 als Nachfolgeinstitution des Apostolischen Vikariates Schweden er- richtet, welches seit 1783 bestand. Es umfasst eine Fläche von 450.000 km², auf der 9,34 Mio. Menschen woh- nen. Nach Angaben im Annuario Ponti- ficio 2013 waren 150.000 als katholisch gemeldet. Die 76 Diözesan- und 82 Ordenspriester und 27 Ständigen Diakone arbeiten in 44 Pfarreien; 2012 wurden im Bistum Stockholm 182 Ordensfrauen gezählt. [1.580 Taufen stand die hohe Zahl von 762 Kirchenaustritten und 439 Todes- fällen gegenüber.] Bischof in Stockholm ist seit 1998 der gebürtige Schwede Anders Arborelius OCD.

Die Anschriften des Bistums lauten: Katolsk Biskopsämbetet, Götgatan 68, 118 26 Stockholm Box 4114, S-102 62 Stockholm Tel.: 00 46/84 62 66 00 Fax: 00 46/84 62 94 25 E-Mail: [email protected] Internet: www.katolskakyrkan.se

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Der Jahresbericht über das Diasporabis- und Perspektiven zu berichten, wie dies bei tum mit den meisten Katholiken im Nor- Msgr. Degen der Fall war. Nicht viele ha- den bleibt in diesem Jahrbuch ein Frag- ben heute noch so intensive Beziehungen ment. Die Redaktion bedauert dies sehr, zum deutschen Sprachraum, als dass sie aber es war nicht möglich, in den vergan- sich die Aufgabe einer solchen Vermittlung genen Monaten jemanden zu finden, der zwischen zwei sehr unterschiedlichen die bislang von Msgr. Degen wahrgenom- kirchlichen Situationen zutrauen. mene Aufgabe übernommen hätte. Es geht ja nicht darum, einige Artikel aus der schwedischen Kirchenzeitung ins Deut- Nicht viele Katholiken in Schweden, die sche zu übersetzen, sondern deutschen Le- selber wache Beobachter der kirchlichen sern verständlich zu machen, warum die Wirklichkeit sind und ein abgewogenes katholische Kirche in Schweden so ist, wie Urteil haben, sind bereit, dieses auch im sie ist. Göran Degen konnte das. Er war Rahmen eines solchen Jahrbuchs einer grö- ein wacher Beobachter und Mitgestalter ßeren Leserschaft mitzuteilen. Nicht viele dieser kirchlichen Wirklichkeit, er hatte verfügen über so zahlreiche Kontakte zu ein ausgewogenes Urteil, viele gute Kon- verschiedensten Menschen, die bereit sind, takte, die er auch für uns genutzt hat. Sein ihrerseits über Erfahrungen, Arbeitsfelder tod erfüllt auch uns mit großer trauer.

In memoriam

Göran Degen Ein Färbergeselle Degen aus der Umge- 7.11.1944 – 27.4.2014 bung von Basel kam im 19. Jahrhundert Ein Tag der Freude, ein Tag der Trauer. nach Schweden. Er war der Stammvater Am 27. April 2014, dem Sonntag der der katholischen Degen-Dynastie, der göttlichen Barmherzigkeit, wurden die Ur-Urgroßvater von Göran. Allerdings beiden Päpste Johannes XXIII. und Jo- merkte man bei Göran nicht viel von hannes Paul II. in Rom heiliggespro- einem Schweizer, er war vielmehr ein chen. Am selben Tag starb in Luleå un- richtiger Stockholmer, aus dem Vorort erwartet Monsignore Göran Degen – Bromma. der selbst lieber fader Göran oder nur Göran genannt werden wollte, oder gar Nach dem Abitur folgte er der Berufung Monsignöran. zum Priestertum und studierte an der Philosophisch-Theologischen Hoch- Am 16. Mai haben wir ihn beerdigt. Der schule der Jesuiten in Frankfurt. Dort Stockholmer Dom war überfüllt, etwa bildeten wir zu viert - er, Miroslaw Du- 80 Priester konzelebrierten mit Bischof dek, Erwin Bischofberger, der schon Anders Arborelius – mehr als ich jemals 1961 in Stockholm zum Priester geweiht bei einer Beerdigung hier erlebt habe. So worden war und in Sankt Georgen pro- beliebt war Göran. movierte, und ich – die schwedische

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Gruppe. Wir feierten Messen, diskutier- spontanen Art und mit seinen tausend ten und verbrachten Abende miteinan- Ideen. Anschließend wurde er Pfarrer in der. Gemeinsam mit der dänischen Sundsvall (1985-93). Von der weitausge- Gruppe organisierten wir auch zwei dehnten Norrlandsgemeinde mit weni- theologische Seminare. Im Jahr 1971 gen Katholiken wechselte er in die Groß- wurden die drei bislang nicht Geweihten stadt Göteborg (1993-2007). Seine frü- zu Priestern geweiht: Göran in Stock- heren Kaplanserfahrungen und sein dip- holm, Mirek in Göteborg und ich in lomatisches Geschick halfen ihm, die Frankfurt. Seit dieser Zeit bestand unse- schwierige Christkönig-Pfarrei zusam- re Freundschaft; alle Priesterjubiläen fei- menzuhalten und weiterzuentwickeln. erten wir gemeinsam, obwohl wir so unterschiedliche Aufgaben hatten. Dann kam die neue Aufgabe als Regens des Priesterseminars in Uppsala (2007- Görans erster pastoraler Dienst war als 14), nämlich junge Männer auf dem Kaplan in Göteborg (1971-78). Danach Weg zum Priestertum zu begleiten. Gör- kam seine große Zeit als Diözesanju- an hatte als Weltpriester, mit seiner Aus- gendseelsorger (1978-84); er begeisterte bildung bei den Jesuiten und als Mit- viele Jugendliche mit seiner fröhlichen, glied des 3. Ordens der Karmeliten, eine

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Weite und einen geistlichen Tiefgang, boren. Er ist in Bromma und Stockholm der den Seminaristen sicher geholfen aufgewachsen. Als Ruheständler kehrte hat. er dorthin zurück, in eine Wohnung mit zwei Zimmern in einem Hochhaus ne- Zuletzt, 69 Jahre alt, nein, ständig jung, ben dem katholischen Josephina-Senio- hatte er sich dem Bischof angeboten, renheim. Auf seinem Balkon im 10. Pfarrer in Luleå, der nördlichsten Ge- Stock hatte er eine herrliche Aussicht, die meinde Schwedens, zu werden und neue viele Erinnerungen weckte. „In einem pastorale Schulungen und Einsätze im der weißen Häuser am Hügel drüben se- ganzen Norrland zu organisieren. Das hen Sie das Fenster unseres Kinderzim- blieben jedoch nur Pläne. mers.“ Als Jugendlicher ging er auf den Straßen und am Strand des Mälarsees „Sympathisch, mutig, lustig, inspirie- entlang und dachte über seine Berufung rend, herzlich und gut, ein wenig chao- nach. Und jetzt, wieder in Bromma zu tisch, selten pünktlich, ständig mit hun- Hause nach 43 Jahren als Priester, sagte dert Projekten, cool“, so beschrieben ihn er: „Ich kann Gott nicht genug danken seine zahllosen Freunde, seine priesterli- für den Ruf, Priester zu werden, obwohl chen Mitbrüder und seine große Ver- es nicht immer einfach war. Als ehemali- wandtenschar. ger Regens hoffe und bete ich, dass im- Wir sind viele, die Göran vermissen, sei- mer mehr junge Männer sich auf das ne sprudelnden Ideen, seine frommen gleiche Abenteuer einlassen.“ Kommentare und sein ansteckendes La- chen. Seine philosophischen und theologi- Aber ich kann mir vorstellen, dass er schen Studien absolvierte Göran Degen spontan ausruft: „Wow, cool!“, wenn hauptsächlich an der Jesuiten-Hoch- sich die Himmelstür öffnet und er die schule Sankt Georgen in Frankfurt am Herrlichkeit Gottes sieht. Main. Nach einem Pastoraljahr in der Diözese Trier wurde er am 11.9.1971 P. Klaus P. Dietz S.J. von Bischof Taylor in der St. Eriks-Ka- thedrale in Stockholm zum Priester ge- Das letzte Interview weiht. mit fader Göran Fader Göran war flink wie ein Junge, als Damals schrieb P. Peter Hornung SJ im er uns in seiner neuen Wohnung in St. Ansgar-Jahrbuch 1972 (S. 15) die Bromma empfing. Mitten im Chaos des folgenden Zeilen: 11. und 19.9.1971 – Umzuges hatte er eine kleine Insel für Priesterweihe und Primiz von Göran De- ein ruhiges Gespräch geschaffen. Da hat- gen, geboren und aufgewachsen in der Eu- te er mit schönem rotem Porzellan zum geniapfarrei. Der erste Priesterberuf aus Kaffeetrinken gedeckt, und so erzählte er der 135jährigen Pfarrei. Ein Priesterleben von seinen Zukunftsplänen … beginnt mit der Handauflegung des Bi- schofs. Aber eigentlich hat es schon viel frü- Göran Degen wurde am 7.11.1944 ge- her begonnen. Zu Beginn gibt es da einen

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Ruf Gottes. Dieser Ruf ist zumeist keines- engen Freunden P. Klaus Dietz SJ und wegs eine mystische Stimme Gottes, son- Msgr. Miroslaw Dudek ein Interview. dern eher eine Entdeckung. Ein junger Diese drei aus dem Kreis der am meisten Mann entdeckt eines schönen tages, dass geschätzten und respektierten Priester Gott Menschen braucht. Entdeckt, dass des Bistums hatten viel zu erzählen, als Gott durch Menschen wirksam ist, auch in sie auf ihr Leben zurückblickten. Aber unserer Zeit und auch in der Zukunft. sie sahen auch nach vorne. Entdeckt eines schönen tages, dass er es sein kann, den Gott braucht. Dieser Entde- Als wir sie fragten, wofür sie als Ruhe- ckung folgt ein großes Staunen, folgt eine ständler Zeit haben möchten, antworte- wachsende Einsicht, dass alles andere, was te Göran Degen: „Um meine Fotos und man sonst noch so gekonnt und gewollt die kleinen Dinge, die ich im Laufe der hätte, nicht mehr so im vollen Glanze da- Jahre geschrieben habe, zu sortieren – steht. Der Gedanke an all das andere lässt und damit eine Perspektive auf meine einen irgendwie leer, gibt keine Befriedi- Geschichte zu gewinnen, sozusagen, um gung – während der Gedanke, Werkzeug meine Memoiren zu schreiben. Und ab in der Hand Gottes zu sein, Frieden und und zu möchte ich mein altes Auto (ei- innere Freude schenkt. Und so sagt man nen Opel Olympia Rekord 1964) her- sein Jawort zu dieser Entdeckung. Erst ausholen, um meine Freunde zu besu- wohl zögernd und zweifelnd, aber dann chen.“ mit wachsender innerer Sicherheit. Man Die Zeit als Ruheständler schien jedoch sagt sein Jawort viele Male und schließlich für fader Göran noch längst nicht da. Als in einer Domkirche, wenn der Bischof Priester im Ruhestand sollte er bei der fragt: „Ja, ich bin bereit.“ Weiterbildung der Priester und der Aus- bildung der neu im Bistum ankommen- Sein erster priesterlicher Einsatz war als den Priestern und Schwestern mithelfen. Kaplan der ChristKönig-Pfarrei in Göte- borg. In den Jahren 1978 bis 1984 war Aber andere Aufgaben kamen dazwi- er Jugendseelsorger des Bistums. 1985 schen: Als die Bistumsleitung auf der wurde er zum Pfarrer in Sundsvall und Suche nach einem Priester für Luleå war, 1993 zum Pfarrer in Göteborg ernannt. sagte er: „Wenn Sie niemand anderen 2007 wurde er Regens des Priestersemi- finden können, bin ich bereit! Ich bin nars. Ende März dieses Jahres wurde dankbar, dass man mir noch das Vertrau- Göran Degen aus dem Dienst am Pries- en schenkt, eine neue Aufgabe anzupa- terseminar in den Ruhestand verabschie- cken.“ det. Als sein Nachfolger wurde P. Chri- Bald war der Zeitplan perfekt: Drei Wo- stoph Hermann SJ bestimmt. chen im Monat sollte er in Luleå ver- bringen, weil die Pfarrseelsorge dort viel Als Göran Degen im Herbst 2011 sein Zeit brauchen würde: Die Pfarrei St. Jo- 40-jähriges Priesterjubiläum feierte, seph, der Arbeiter, hat eine Fläche, die so machte Katolsk Magasin mit ihm und groß ist wie Portugal. Sie hat zehn Au- seinen Kollegen, Studienkameraden und ßenstationen, in denen regelmäßig Got-

55 Bistum Stockholm tesdienst gefeiert wird: Arjeplog, Arvids- Fader Göran ist voller Begeisterung für jaur, Boden, Gällivare, Jokkmokk, Kiru- das Projekt Norrland. Zugleich aber ist na, Pajala, Piteå, Överkalix und Övertor- er dankbar, dass er gelegentlich nach neå. Bromma fahren kann, wo er vom Balkon Mehrere Jahre hindurch hat fader Euge- seiner Wohnung über die Landschaft sei- ne Dyer (*1938) die schwere Last der ner Kindheit schaut. Verantwortung als Pfarrer der gesamten Region getragen. Jetzt ist er als Subsidiar Aber es sollte ganz anders kommen: Am nach Arvidsjaur umgezogen. Seine bei- 27. April, kurz vor der 11.00 Uhr-Messe den Kollegen sind fader Conny Årlind in der Kirche St. Joseph, der Arbeiter, (*1959) in Storuman mit Pajala als Zen- hat man ihn tot gefunden. trum seiner Seelsorge und fader Bartha- Danke, fader Göran, für die Jahre der zar Sibana (*1978), der allerdings nur Freundschaft, deine Großherzigkeit, Er- für einige Tage jeden Monat nach Luleå mutigung und Freude. Das Bistum wird kommt, weil er in Stockholm wohnt dich vermissen, sehr vermissen. und dort die Verantwortung für die afri- kanische Mission von Bergslagen trägt. Margareta Murray-Nyman Auch wenn fader Göran als Pfarrer hin- zukommt, wird es an Arbeitskräften Einige Stimmen mangeln. zum Tod von fader Göran Göran Degen war ein beliebter Priester. Nord-Norrland ist vernachlässigt. Aus Viele haben uns nach seinem tod mitgeteilt, den dünn besiedelten Gebieten kommt welche Gedanken und Erinnerungen ihnen nicht viel Geld für die Kirchensteuer. Es durch den Kopf gehen. Hier eine Auswahl: ist wichtig, die Seelsorge und die Gläu- „Er war einer der am meisten inspirieren- bigen der Region zu unterstützen. den, mutigen, wundervollen Menschen, Und hier setzt die spezifische Mission die ich jemals gekannt habe. Priester der ein, die Bischof Anders im Auge hatte: katholischen Kirche, Hirt, umsichtiger, Fader Göran sollte einen Pool von Pries- feinfühliger Seelsorger, unerhört erfinde- tern bilden, die kurzfristig und für eine risch, Schöpfer von „Mariesluss“ – die begrenzte Zeit für die Seelsorge im Nor- Schleuse Mariens“ eine Wohngemein- den eingesetzt werden können. Er möch- schaft von geistig und/oder körperlich te die Begeisterung für den Reichtum Behinderten. Er konnte sogar auf dem der Gegend, für ihre Ruhe und ihre un- Wasser laufen …“ berührte Natur wecken. „Am liebsten sollten sie Ski und Schnee-Scooter fah- „Pray for us, good Göran!“ ren können!“ Aber fader Göran weiß schon, dass nicht jeder für das Leben in “Mit großer Wärme erinnere ich mich an diesen nördlichen Gebieten geeignet ist; unsere ökumenische Wanderung unter jedenfalls möchte er viele dazu einzula- dem Motto: “Wir servieren keinen Mo- den, das zu probieren. ralkuchen, sondern Limonade und Bröt- chen.“

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„Ich weiß, dass Johannes Paul II. viel für vor 30 Jahren kam. Du hast mich für die ihn bedeutete. Eine seiner letzten Amts- Jugendarbeit geworben. Du hast viele handlungen war die Ernennung von meiner Interessen geteilt. Du warst eine Göran Degen zum Päpstlichen Ehrenka- große Inspiration für mich. Heute hat plan (Monsignore).“ der Herr sich nicht nur mit zwei Heili- gen begnügt – heute wollte er auch „So unglaublich traurig. Einer der sym- Dich.“ pathischsten Priester ist gestorben. Mein – und vieler anderer – Jugendseel- „Ein seltsamer Zufall: Göran starb am sorger …“ selben Tag, als die beiden Konzilspäpste heiliggesprochen wurden, am letzten Tag „Fader Göran war für mich der glorrei- der Osteroktav.“ che, ewig junge Priester, der mit seinem Fahrrad zur Pfarrgemeinde auf Gotland R.I.P.

Trauer in der Abtei Mariavall Am 21.5.2014 starb Sr. Paula OSB; sie In der Abtei Mariavall, wo am 2.1.2013 war am 16.5.1929 geboren und hatte Mutter Tyra Antonia als Äbtissin wieder- ihre monastische Profeß am 25.1.1991 gewählt wurde, starben im Berichtszeit- abgelegt. raum drei Schwestern: Am Fest des hl. Benedikt, 11. Juli 2013, wurde Sr. Han- Bereits wenige Tage später, am 13.6.2014 na OSB heimgerufen; sie war am wurde Sr. Maria Cäcilia OSB heimgeru- 14.1.1918 in Stockholm geboren, ihre fen. Sie war am 10.4.1927 geboren und Klausuroblation legte sie am 24.2.1990, hatte ihre monastische Profess am ihre monastische Profess am 9.8.1999 ab. 25.3.1996 abgelegt.

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Alle Schwestern wurden auf dem Klosterfriedhof bestattet. R.I.P. 50 + 40 + 90 Dreifaches Jubiläum sprünglichen Zweiges des Birgittenor- in Vadstena dens wieder dort, wo 1370 alles einmal Die drei Zahlen, die sich beinahe wie auf Initiative der heiligen Birgitta von Idealmaße anhören, weisen auf drei Ju- Schweden angefangen hatte und zu- biläen hin, die im August 2013 Anlass nächst 1596 während der Reformation zum Feiern in Vadstena gaben: endete: am Ostufer des Vätternsees in Seit 50 Jahren sind Schwestern des ur- Vadstena.

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Das heutige Kloster liegt in unmittelba- war die gute Gemeinschaft zwischen den rer Nachbarschaft des mittelalterlichen benachbarten Frauenklöstern, die bereits Klosters mit seiner immer noch erhalte- auf eine 50-jährige Geschichte zurück- nen und äußerst sehenswerten Pilgerkir- blicken kann. Man spricht zu Recht von che. Diese ist allerdings im Zuge der der ”Vadstenakommunität”, wenn es um Reformation in protestantischen Besitz die beiden Klöster geht. übergegangen, während die ehemaligen Klostergebäude als Heim für Opfer der vielen Kriege dienten, die Schweden in den Jahrhunderten nach der Reformati- on führte. In den Jahren nach 1950 wur- den Palast, Klostergebäude und Kirche wiederhergestellt. 1935 kaufte die selige Mutter Maria Eli- sabeth Hesselblad ein Privathaus unmit- telbar am See und errichtete dort einen Konvent ihres 1911 gegründeten Or- dens. 1962 übernahmen die Schwestern Eine, die fast von Anfang an in Vadstena die alte Observanz und schlossen sich dabei war, ist Sr. M. Willibrorda O.Ss.S, der Abtei Maria Refugie in Uden/Nie- gebürtige Holländerin; ihr Ehrentag bil- derlande an, vgl. S. 17f. Eine neue ka- dete einen weiteren Höhepunkt der Au- tholische Klosterkirche wurde gebaut gustfeierlichkeiten, denn sie wurde 90 und 1973 eingeweiht. Jahre alt. Bei guter Gesundheit konnte sie den Festgottesdienst mit anschließen- dem Kirchenkaffee im Kreis der Ge-

2013 galt es also, deren 40-jähriges Jubi- läum zu feiern; dies geschah in Gegen- wart von Bischof Anders Arborelius, der Benediktinerinnen des Heliga Hjärtas - Kloster und der Witwe des Klosterarchi- tekten Karl-Göran Eklund, Kerstin Ek- lund. Ein besonderer Grund zum Feiern Sr. M. Willibrorda O.Ss.S

59 Bistum Stockholm meinde genießen. Nicht wenige Ge- die das kontemplative Kloster wieder er- burtstagsgeschenke waren dem Erhalt richteten, ist ein Konvent geworden, der der Kirche gewidmet, deren undichtes zeitweise bis zu 13 Schwestern umfasste. Dach umfassend renoviert werden muss, Heute leben 10 Birgittaschwestern aus was nach Schätzung der Experten min- fünf Ländern dort, darunter Sr. M. Re- destens 115.000 €, viel Zeit, Organisati- gina, die als Novizin aus Holland mit on und Nerven kosten wird. den ersten Schwestern kam und nur ein Jahr bleiben sollte. Daraus sind inzwi- Aus den ursprünglich vier Schwestern, schen 50 geworden...

Sr. Maria Regina O.Ss.S. mit Mutter Birgitta OSB

Seit 1991 steht die Abtei Pax Mariae un- Gebräuche nicht kannten, darin unter- ter der Leitung von Mutter M. Karin wiesen werden mussten. So wollte Bir- Adolfsson O.Ss.S. (Foto S. 61). Neben gitta für ihr Kloster, dass unkundigen (in der Pflege des einzigartigen Chorgebets heutiger Lesart: säkularisierten) Men- widmen sich die Schwestern der lebendi- schen der vertraute Umgang mit Gott gen Bewahrung und Vermittlung der nahegebracht wird. Ihr Auftrag gilt auch birgittinischen Spiritualität mit einem heute: Suchende sollen über alle Gren- Schwerpunkt in der Neuevangelisation. zen hinweg mit Gott vertraut gemacht, Hier sehen sie einen klaren Auftrag ihrer ihnen soll die Frohe Botschaft vermittelt Ordensgründerin, die einst erkannte, werden. Grundlage ist die Freude, die dass Menschen, die zum königlichen Christen erfüllt, wenn sie die Erlösung Hof kamen und die dortigen Sitten und der Menschen durch den Kreuzestod

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Christi entdecken. Diese Vermittlung kann in ausdrücklicher Weise etwa wäh- rend der Besinnungswochenenden ge- schehen, die im Frühjahr und Herbst angeboten werden, oder indirekt durch die Atmosphäre im Gästehaus, die von vielen Feriengästen immer wieder ge- sucht und geschätzt wird. Als Hilfe die- nen den Schwestern eine starke Ausrich- tung auf Maria und das Motto, das Bir- gitta zugeschrieben wird und über der neuen Klosterkirche in Vadstena steht: Herr, zeige mir den Weg und mache mich willig, ihn zu gehen. Sr. M. Katharina Mutter M. Karin

Feierliche Profess von Sr. Maria Katharina Am 31. Mai 2014 konnte Sr. Maria Ka- tharina Klann ihre feierliche Profess in der Klosterkirche der Birgitta-Schwes- tern ablegen. Wir gratulieren Sr. Maria Katharina, Mutter Karin, dem Konvent und der Familie, die in Deutschland zu Hause ist, herzlich.

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Bistum Oslo

Das Bistum Oslo wurde am 29. Juni 1953 errichtet. Seit 1931 war das 154.560 km² umfassende Gebiet ein ei- genes Apostolisches Vikariat, vorher Teil des Apostolischen Vikariates Norwegen, von 1843 bis 1869 Teil des Apostoli- schen Vikariates Schweden-Norwegen. Von den zur Zeit ca. 3,8 Mio. Ein- wohnern werden im Annuario Pontifi cio 2013 als katholisch 100.924 geführt. In den 24 Pfarreien leben 31 Diözesan- und 32 Ordenspriester, 2 Ständige Dia- kone und 80 Ordensfrauen. 5 Semina- risten bereiten sich für die Diözese auf das Priestertum vor. Bischof von Oslo ist seit 2006 der 1953 in Norwegen geborene Bernt Eidsvig.

Die Anschriften des Bistums lauten: Oslo Katolsk Bispedommet Akersveien 5 N-0177 Oslo Tel.: 00 47/23 21 95 00 Fax: 00 47/23 21 95 01 E-Mail: [email protected] Internet: www.katolsk.no

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Bischof Gerhard Schwenzer Hier einige Stimmen zu seinem Ge- 75 Jahre burtstag: Bernt Eidsvig, Bischof von Oslo: „Niemals waren es persönliche Vorlieben, die Bi- schof Schwenzers Entscheidungen und Ziele bestimmten. Er hatte immer das ganze Bistum vor Augen. Konsequent förderte er die Katechese und die Ju- gendarbeit. Außerhalb der katholischen Kirche schätzt man sein ökumenisches Engagement. Er liebt es nicht, wenn um seine Person viel Aufhebens gemacht wird. Bescheidenheit prägt seinen Le- bensstil. Es gibt auch andere Dinge, die er nicht liebt: er will nicht das große Wort führen, mit übertriebenem Prunk Am 1. Oktober 2013 feierte Bischof Dr. auftreten oder als Amtsperson betrachtet theol. Gerhard Schwenzer seinen 75. werden.“ Geburtstag in Oslo. In Lorch am Rhein geboren, begann Gerhard Schwenzer Anders Arborelius, Bischof von Stockholm: nach den Studien in Simpelveld, Rom „…er wollte niemals im Zentrum stehen und Heidelberg und seiner Priesterweihe und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, seine Tätigkeit als Dozent an der Or- aber gleichzeitig sagte er klar und deut- dens hochschule der Gemeinschaft der lich in aller Bescheidenheit, was er sagen Arnsteiner Patres (SSCC) im nieder län- wollte... Als Skandinavier bewundere ich dischen Simpelveld (nicht weit entfernt die Menschen, die aus einem anderen von Aachen). Im April 1974 wurde er als Land kommen und alles tun, um in un- Nachfolger von Bischof Rüth zum Apo- sere nordische Mentalität und Kultur stolischen Administrator von Mittelnor- hineinzuwachsen. Wenn ich spontan an wegen (Prälatur Trondheim) ernannt Bischof Schwenzer denke, denke ich und am 7. Dezember 1975 zum Bischof mehr an einen Norweger als an einen geweiht. 1983 wurde er zum Bischof von Deutschen… Bei unseren Konferenzen Oslo berufen, die Prälatur Trondheim kann man immer sicher sein, dass er mit verwaltete er noch etliche Jahre als Ad- großer Treffsicherheit die katholische ministrator. Einer der großen Höhe- Tradition und den katholischen Glaube punkte seiner Bischofszeit war der Be- darlegt und zeigt, was dies für die The- such des Papstes in Norwegen 1989. Als men bedeutet, die wir gerade bespre- Schwenzer 2005 als Bischof zurücktrat, chen.“ wurde er besonders für seinen Einsatz im ökumenischen Dialog mit der Auszeich- Wir gratulieren von ganzem Herzen und nung „Kommandeur des königlichen St. wünschen Bischof Schwenzer noch viele Olav-Ordens“ geehrt. gute Jahre.

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Øystein Lund zum Diakon geweiht Am 28. August 2013 wurde der Norwe- ger Øystein Lund in der St. Olav-Dom- kirche in Oslo zum Diakon geweiht. Lund (geb.1967) ist verheiratet und hat zwei Söhne. Bevor er am 2009 zur ka- tholischen Kirche konvertierte, war er lutherischer Pfarrer und Dekan an der Theologischen Fakultät in Oslo. logie an der Theologischen Menighetsfa- kultät in Oslo und am Angelicum in Seit August 2009 ist er Studiendekan am Rom. Nachdem er vom Vatikan die offi- St. Eystein-Priesterseminar in Oslo, seit zielle Zulassung für die Priesterweihe Februar 2010 Mitglied der Kommission erhalten hatte, wurde er am 29. Juni für den Ständigen Diakonat. Seit 2012 2013 in St. Olav in Oslo von Bischof ist Lund auch Priesteramtskandidat für Eidsvig zum Diakon und in diesem Jahr das Bistum Oslo, zur Zeit tut er seinen am 1. Februar zum Priester geweiht. Dienst als Diakon in seiner Gemeinde Ein besonders anrührender Augenblick an der St. Olav-Domkirche. war es, als seine Ehefrau das Messge- Voraussichtlich am 1. Mai 2014 wird er wand zum Altar trug und es ihrem Ehe- von Bischof Eidsvig zum Priester geweiht. mann überreichte.

Wir wünschen Herrn Lund und seiner Der Neupriester feierte am 2. Februar Familie Gottes reichen Segen und reiche 2014 in der Marienkirche in seiner Hei- Gnade für seine neue Berufung. matgemeinde in Stabekk die Primizmes- se; dort wohnt er auch künftig und wird Nach 30 Jahren Dienst als dort als Kaplan wirken. evangelischer Pfarrer zum Wir wünschen Eystein Freuchen und katholischen Priester geweiht seiner Familie Gottes reichen Segen für Am 1. Februar 2014 konnte Bischof seinen priesterlichen Dienst. Bernt Eidsvig in der Domkirche St. Olav einen weiteren ehemaligen Pastor der Goldenes Professjubiläum Norwegischen Kirche zum Priester wei- bei den kontemplativen hen, nämlich Eystein Freuchen. Dominikanerinnen Der 69 Jährige ist verheiratet und Vater Am 1. März 2014 konnte Schwester An- von zwei inzwischen erwachsenen Kin- ne-Lise Strøm, die Priorin des Lunden- dern. Von 1973 bis 2007 diente er als Klosters in Oslo ihr 50-jähriges Profess- Pastor in der Norwegischen Kirche. jubiläum feiern. Da die Klosterkapelle zu klein war, um alle Gäste aufzuneh- 2008 konvertierte er zur katholischen men, wurde das feierliche Hochamt in Kirche und begann das Studium der der nahegelegenen neuen Gemeinde St. Philosophie und der katholischen Theo- Johannes gefeiert.

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Dort zelebrierte Bischof Bernt Eidsvig ne-Lise und ihre Mitschwestern in allen die hl. Messe gemeinsam mit 16 Pries- Jahren für die Einheit der Christen gebe- tern, zwei Diakonen und zahlreichen tet und gewirkt haben, und das Lunden- Gläubigen. Die Schwestern sangen den Kloster so mehr und mehr zu einem Ort gregorianischen Choral, an der Orgel der Begegnung für suchende Menschen spielte Wolfgang Plagge, einer der be- von heute wurde. rühmtesten Organisten Norwegens, der Der erkrankte leitende Bischof der Nor- auch die Melodien für die Antiphonen wegischen Kirche, Ole Christian Kvar- des Stundengebetes in norwegischer me, ließ durch Bischof Bernt eine Gruß- Sprache komponiert hat. Drei lutheri- botschaft verlesen, die viel über die Wert- sche Bischöfe waren unter den Gästen, schätzung seitens unserer lutherischen außerdem Vertreter anderer christlicher Brüder und Schwestern sagt. U.a. Kirchen und Gemeinschaften sowie Re- schrieb er: „50 Jahre Treue im Leben und präsentanten des öffentlichen und kultu- im Dienst, 50 gefüllte Jahre, 50 gesegne- rellen Lebens in Norwegen. te Jahre, die sich wie Ringe im Wasser Der starke ökumenische Akzent der Fei- ausbreiten. Im Namen der Norwegi- er machte deutlich, dass Schwester An- schen Kirche will ich Ihnen von Herzen für die Pionierarbeit danken, die Sie für die Einheit der Christen geleistet haben. Lunden-Kloster ist ein geistliches Kraft- zentrum, hier in Goruddalen, in unserer Hauptstadt, ja für das ganze Land. So wie vor einigen Jahren die Grundmau- ern des Klosters wie auch die Funda- mente unserer Domkirche erneuert und verstärkt wurden, so haben Sie und ihre Mitschwestern dazu beigetragen, den Grundstein des Gebetes für die Einheit der Christen in unserer Stadt zu legen. Heute danken wir Ihnen und Ihren Mit- schwestern. Wir danken Gott, der unser aller Vater ist.“

Bischof Eidsvig, selbst Chorherr nach der Regel des hl. Augustinus, ging in sei- ner Predigt auf diese Regel und auf die Wüstenväter ein, die sich aus den Städ- ten zurückzogen, aber von glaubenden und suchenden Menschen in ihrer Ein- samkeit aufgesucht wurden, um Rat und Hilfe in Zweifel und Krisen zu erhalten; so wissen sich auch die Menschen von

65 Bistum Oslo heute von der kontemplativen Lebens- Ein norwegischer Kartäuser form angezogen; in ihrer Suche nach Dom Philipp, mein älterer Bruder, ist Stille und Sinn machen sie sich auf den heute mit 79 Jahren ein alter Mönch. Weg zu jenen Stätten, wo Menschen des Die meiste Zeit seines langen Lebens Gebetes in der Einsamkeit wohnen. verbrachte er im Kartäuserorden, in den Ein ergreifender Augenblick war es, als er als 23-jähriger eintrat. Er war dort der Schwester Anne-Lise vor der Gabenbe- erste Norweger nach der Reformation. reitung vor den Altar trat, um ihre Ganz- Von seinem Kloster „Charterhouse of hingabe an Gott zu bestätigen. the Transfiguration“ in Vermont, USA, kann er heute auf 56 Jahre Klosterleben Nach der Eucharistiefeier waren alle zurückblicken. Die ersten Jahre lebte er Gottesdienstbesucher in den Gemeinde- im Kartäuserkloster in Sélignac/Frank- saal zum Kirchenkaffee eingeladen; dort reich, 1970 wurde er in das neue Kloster hatten sie die Möglichkeit, Sr. Anne-Lise Vermont geschickt, wo er die meiste Zeit persönlich zu gratulieren. Viele Reden seines Lebens verbrachte. wurden gehalten viele Anekdoten er- zählt. Am Ende stand eine zu Herzen gehende Danksagung von Schwester Anne-Lise, die zunächst Gott, dann ih- ren verstorbenen Eltern dankte, ferner ihren Angehörigen, Freunden, Lehrern und den Brüdern und Schwestern im Dominikanerorden.

Ein besonderer Dank galt ihrer „Com- munio“, d.h. ihren Mitschwestern im Lunden-Kloster. Sie sagte: „Ich habe kei- ne Worte, die ausdrücken können, wie tief dankbar ich bin und wie sehr ich eine jede von Euch liebe. Ihr seid mein Über das Leben eines Kartäusers Zuhause! Oft denke ich an eine Predigt Äußerlich gesehen gibt es da nicht viel von Pater Ellert OP, der unsere Gemein- zu erzählen. Dom Philipp hat seiner Ge- schaft mit einem Kammerorchester ver- meinschaft in verschiedenen Aufgaben glich. Wir sind so verschieden, doch wir gedient, z.B. als Sakristan, Prokurator, leben die Einheit in Harmonie, deren Novizenmeister und Verantwortlicher Quelle die Liebe ist!“ für die geistliche Entwicklung der Brü- der. Im Kartäuserorden ist die Trennung Sr. Hildegard Koch OP zwischen den zu Priestern geweihten Mönchen und den Brüdern, die meist die praktischen Arbeiten verrichten, noch am deutlichsten. Aber für alle gilt „Ora et labora“ – Gebet und Arbeit, Tag

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und Nacht. Mit Ausnahme der gemein- Lesen – Meditieren - Schweigen schaftlichen Gottesdienste in der Kirche Das Meditieren über einen Text bedeutet werden sogar die Gebetszeiten in der oft, auch über einen Text zu schreiben. Einsamkeit der Zelle verrichtet. Es gibt Der Mönch schreibt für sich selbst; für die Kartäuser aber nicht nur das Le- durch das Niederschreiben „destilliert“ ben des Gebetes, sondern auch das Be- er sein Wissen durch seine eigene Spra- trachten, Reflektieren und Lernen wie che, seine eigenen Formulierungen. für jeden anderen Menschen auch. Wenn diese Passagen eigener Meditation „Durch Gebet werden wir gereinigt, schriftlich vorliegen, kann man sie auch durch das Lesen der Schrift lernen wir. anderen weitergeben, als Schriftstück Wenn wir beides tun, ist es gut. Können oder Grundlage für mündliche Vorträge. wir beides nicht, ist es besser zu beten als Die Meditation oder Reflexion trägt zu lesen“, sagt der Kirchenvater Isidor. man auf diese Weise hinaus aus der Klos- Das Lesen der Heiligen Schrift ist von terzelle und teilt sie mit anderen. zentraler Bedeutung für die meisten Dom Philipp teilt seine Gedanken, in- Mönche. „Aller Fortschritt kommt durch dem er einer verhältnismäßig umfang- das Lesen und Meditieren“, sagt Isidor. reichen schriftlichen Tätigkeit an sei- „Was wir vorher nicht wussten, lernen nem PC in der Zelle nachkommt. Seine wir durch das Lesen, und was wir gelernt Vorträge und Vorlesungen für die Brü- haben, behalten wir besser in Erinnerung der im Kloster sind in der Regel in ei- durch das Meditieren über einen Text.“ nem Manuskript festgehalten; ebenso

67 Bistum Oslo die Vorlesungen in Theologie und Kir- Buchprojekt, welches der Verlag gerne chengeschichte, welche zu seinen Pflich- herausgeben wollte. ten gehören. Alle seine Manuskripte Zu dieser Geschichte gehört auch, dass stehen heute fein säuberlich eingebun- Thorlaif Dahl, der es durch seine Stif- den wie Bücher in der Klosterbiblio- tung dem Verlag möglich macht, solche thek, wo man viele Bände solcher Vor- besonderen Bücher herauszugeben, einer tragsserien finden kann, z.B.: „We listen unserer Großonkel war. In seiner Zeit to the Prophets“, „Church Fathers hatte er Erfolg in der Werbebranche und trough the Ages“ oder „Some recent er war kulturinteressiert wie wenige. Er Theologicans“. wäre sicher sehr froh darüber, dass sein Großneffe unter den Autoren zu finden „Mach damit, was du willst!“ ist, die in jener Buchserie erscheinen, die Aber nicht alles ist nur für den internen seinen Namen trägt. Gebrauch oder die Gemeinschaft be- Ja, man konnte sich „Dialogorum libri stimmt. Vor zwei Jahren zeigte mir Dom quattuor“ auf Norwegisch denken. Viele Philipp (die Familie bekommt einmal Jahrhunderte hindurch haben diese Bü- im Jahr die Möglichkeit zu einem zwei- cher aus der Spätantike ihre Leser er- tägigen Besuch im Kloster) eine Überset- freut, so dass man die „Dialoge“ als eines zung, welche nicht für die Gemeinschaft der meist gelesenen und populärsten in Vermont bestimmt sein konnte, weil Werke des Christentums bezeichnen sie nämlich auf Norwegisch war. Er hat- kann. Es handelt sich wie der vollständi- te einen lateinischen Text in seine Mut- ge Titel sagt, um die Lebensberichte und tersprache übersetzt, um in den vielen Wundertaten italienischer Heiliger, er- Jahren mit englisch, französisch und zählt in Form eines Dialoges zwischen deutsch sprechenden Mitbrüdern seine Papst Gregor und seinem Gefährten Pe- eigene Sprache nicht zu vergessen. Den trus Diaconus. Das zweite dieser Bücher Text, den er für diese Übung gewählt ist dem Leben des hl. Benedikt von Nur- hatte, war: „Dialogorum de vita et mira- sia gewidmet und so eine unersetzliche, culis patrum Italicarum libri quattuor“ einzigartige Quelle. von Gregor dem Großen (*um 540 in Rom; † 12.3.604 in Rom). „Von einem Kartäuser“ Diese Übersetzung von ca. 200 ansehn- Aber kann ein Kartäusermönch auf diese lichen Seiten überreichte er mir damals Weise auf dem literarischen Markt auf- mit den Worten: „Bitte sehr, mach da- treten? Im Laufe der Jahre bin ich dazu mit, was du willst!“ Ich nahm ihn mit gekommen, mit großem Respekt die nach Norwegen in der Absicht, ihn mit strengen kontemplativen Prinzipien des anderen zu teilen. Und tatsächlich, Kartäuserordens zu sehen. Diese haben Aschehougs-Verlag - Abteilung Thorleif natürlich eine lange Tradition. Wenn ein Dahls-Kulturbibliothek war interessiert; Ordensmitglied hinter einem Buchtitel Gregors Dialoge, übersetzt ins Norwegi- steht, heißt es gewöhnlich „Von einem sche und mit Anmerkungen von Dom Kartäuser“. Die Rolle des Verfassers oder Phillip Dahl O.Cart., erwies sich als ein Übersetzers ist also anonymisiert, so wie

68 Bistum Oslo die vielleicht berühmteste aller Kartäu- In der Festschrift, die anlässlich meines serschriften „Amour et Silence“ - von 70. Geburtstages im Jahre 2009 von ei- einen Kartäuser verfasst im Jahre 1930. nigen meiner Freunde im Pax-Verlag Diesmal wünschte man allerdings, das herausgegeben wurde, hat auch Dom Buch mit vollem Namen herauszugeben. Philipp einen Artikel beigetragen. Mit Darum schrieb ich an den Ordensgene- der Übersetzung von „Dialogorum libri ral, den Prior des Gründungsklosters „La quattuor“ ist er also nicht das erste Mal Grande Chartreuse“ in Frankreich und in Erscheinung getreten. bat ihn um seine Gutheißung. Der Weg Ich kann nur sagen, dass ich persönlich zum Ordensgeneral war geebnet durch über die Publikation von „Dialogorum meine Freundschaft zu den kontempla- libri quattuor“ in Norwegen sehr glück- tiven Dominikanerinnen des Lunden- lich bin. Mit dieser Arbeit hat unser nor- Klosters in Oslo und deren Priorin wegischer Kartäusermönch dazu beige- Schwester Anne-Lise Ström, die sich für tragen, dass eines der großen, klassischen die Herausgabe dieses Buches stark ein- Werke unserer Kirche, 1400 Jahre nach- setzte. Die Antwort, die ich erhielt, war dem es geschrieben wurde, in einer neu- freundlich und positiv. Dom Marcellin, en und zeitgemäßen Sprache auch in der Ordensgeneral, fand es eine gute norwegischen Buchregalen zu finden ist, Idee, dass so ein bedeutendes Werk in übersetzt von einem Kartäusermönch, norwegischer Sprache erscheinen sollte, der sein Leben streng nach den Regeln auch mit dem Namen des Übersetzers. seines Ordens lebt, aber mit diesem Nun sind die „Dialoge“ nicht die einzige Buch eine Gelegenheit bekam, seine öffentliche Spur, die Dom Philipp in Zeitgenossen in der norwegischen Hei- dieser Welt hinterlässt. Und es ist meine mat und deren Glauben und Kultur zu Schuld, dass er im Laufe der Jahre hier bereichern. und da ein wenig „sichtbar“ wurde. Eine Auswahl seiner Vorträge für seine Brüder Prof. em. Hans Fredrik Dahl wurde anlässlich seines 60. Geburtstages in einer kleinen Auflage herausgegeben Konferenz aller monasti- unter dem Titel „Chartusian Notes“. schen Klöster in den Das Buch „Zur Stille berufen – Mein nordischen Ländern Bruder Dom Filip“ kam im Jahre 2005 Anfang Oktober 2013 trafen sich alle im Solum Verlag unter meinem Namen Äbtissinnen und Priorinnen der kon- heraus. Es fand in Norwegen großes In- templativen Klöster aus den nordischen teresse und wurde häufig in den Medien Ländern im Kloster der kontemplativen erwähnt. In diesem Buch über das Leben Dominikanerinnen in Lunden bei Oslo. meines Bruders druckte ich mehrere Bei- Von den insgesamt zwölf kontemplati- träge von ihm ab, angefangen mit einem ven Klöstern waren zehn vertreten. Aufsatz aus seiner Schulzeit „Ein Stiefel Das Thema des Treffens war: „Menschli- erzählt seine Geschichte“ bis hin zu einer ches und geistliches Wachstum im Ge- kurzen Abhandlung über das Johannes- meinschaftsleben.“ Darüber referierte P. Evangelium. Brian McNeil CVR aus München. Ver-

69 Bistum Oslo anstaltet wurde das Treffen von der Fö- Herr, du bist wach in der Nacht der Welt. deration CNMS – Conference of Nordic Herr, du bewohnst das Dunkel. Monastic Superiors; es ist die Frucht von Herr, du bringst Freiheit an Christi tag. 28 Jahren guter Zusammenarbeit zwi- trifft uns auch schwer des Lebens Schlag: schen den Klöstern des Nordens im Dein sind wir, weil du es sagst. Dienste der Kirche. Meine Kenntnisse der norwegischen Begegnungen, die das Sprache waren damals noch sehr be- Leben ändern grenzt, doch berührte mich dieser Lied- Im Februar 1991 erlebte ich zum ersten text zutiefst im Herzen. Sprach aus ihm Mal den traditionellen ökumenischen nicht meine eigene Erfahrung der letzten Gottesdienst im Lunden-Kloster. Viele Jahre? Meine tiefste Überzeugung vom Menschen aus der lutherischen Nach- Sinn meiner eigenen Berufung? An die- bargemeinde waren gekommen, um mit sem Abend hörte ich den Namen Svein uns Schwestern für die Einheit der Ellingsen zum ersten Mal. Christen zu beten, auch Männer und Frauen aus anderen christlichen Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Bei der anschließenden Begegnung beim Kirchenkaffe wurden auch Reden gehal- ten, eine davon habe ich nicht vergessen. Ein alter Major der Heilsarmee erhob sich und dankte den Schwestern für die Treue zu ihrer Berufung indem er ein geistliches Lied zitierte, welches seiner Meinung nach etwas vom kontemplati- ven Leben widerspiegelt. Der Text war Im Herbst desselben Jahres waren wir es, folgender: die zum ökumenischen Gottesdienst in unserer Nachbargemeinde Tonsen einge- Einer muss wachen in langer Nacht, laden waren. In diesem Gottesdienst einer im Dunkeln glauben, wurden vier Kinder getauft. Nach der einer den Schwachen ein Bruder sein – Taufe sang die Gemeinde folgendes Gott, es geschehe der Wille dein: Danklied mit soviel Freude und Inner- Hilf uns zu tun, was du sagst. lichkeit, dass ich sofort verstand, warum dieses Lied „Gemeingut des Volkes“ war Einer muss tragen an fremder Not, und den Menschen nicht nur aus dem einer muss freundlich bleiben, Mund, sondern auch aus dem Herzen einer muss reden, der Stummen Mund – strömte: Gott, mach dein Reich in Zeichen kund: Hilf uns zu tun, was du sagst. Voller Freude über dieses Wunder, unser Neugebornes auf den Armen, kommen wir zu dir: du gabst uns Leben.

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Bange vor der unbekannten Zukunft ihrer Verfasser führte mich mein Weg im Legen wir dies Kind in deine Arme. Jahre 1998 zum ersten Mal nach Alsta- Du willst taufen, das gibt uns Gewissheit. haug, wo ich das Peter Dass-Museum be- suchte. Staunend hören wir: Du bist ganz nahe. Der das Weltall trägt mit seinen tiefen Wartet auf die Kleinen und empfängt uns.

Deine Liebe wirkt die neue Schöpfung, öffnet, die sonst fest verschlossen wären, eint im Glauben uns mit deinem Christus.

Unsre Zeit kommt bald an ihre Grenze, aber deine taufversprechen bleiben. Wir verlöschen, deine Kerze leuchtet.

Du bist reicher, als wir sagen können. Hilf uns, dass wir aus der taufe leben: Staunend, unerschrocken, voller Freude.

Ein kurzer Blick in das Norwegische Ge- sangbuch (Norske Salmebok), welches Auch die geistlichen Lieder von Peter wir damals im Kloster noch benutzten, Dass faszinierten mich, ganz besonders bestätigte den von mir vermuteten Ver- sein „Herre Gud“, welches wohl in ein- fasser: Svein Ellingsen. maliger, lebensbejahender Form das gan- ze Umfeld von Peter Dass, z.B. alle Nun interessierte ich mich wirklich für Fischarten an der Helgelandküste in diesen Mann. Lebte er noch? Hatte er Nord-Norwegen, namentlich nennt und mehrere Kirchenlieder geschrieben? War in den Lobpreis Gottes mit einbezieht. es Zufall, dass ich so stark auf seine Tex- Bei dem Liedgut von Ellingsen vernahm te reagierte? ich jedoch eine andere Dimension: Seine Ich begann, nach seinen Kirchenliedern Dichtung schöpft aus der Stille, ja aus zu suchen und fand heraus, dass er 58 der Tiefe. Hier spricht ein Mensch aus Kirchenlieder geschrieben hat, die in der Erfahrung von Dunkelheit und Ver- den Gesangbüchern aller nordischen wundbarkeit, hier tröstet der Seelsorger, Länder zu finden sind, einige auch in der die Hoffnung nie aufgibt, weil er den Gesangbüchern der Evangelischen selbst aus der lebendigen Quelle schöpft. Kirche in Deutschland, Österreich, der Seine eigene Armut wird dadurch zu sei- Schweiz und der USA. nem und auch unserem Reichtum, wie wir es beeindruckend in seinem Lied Bei der Beschäftigung mit den Schätzen „Wir strecken unsre Hände aus wie leere des norwegischen geistlichen Liedes und Schalen“ beschrieben finden:

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Wir strecken unsre Hände aus tober 2012 einen Vortrag an der Theolo- wie leere Schalen. gischen Fakultät in Oslo. Leider hatte Gib Leben aus der Quelle, Gott, ich an diesem Tag jedoch eine andere die nicht mit unsrer Kraft verrinnt. Verpflichtung.

Was wir für andre brauchen, sind Als ich eines Tages, nichts ahnend, einer nur deine Gaben. Bekannten von meiner stillen Vereh- Der nackte Zweig setzt Knospen an, rung für den großen Liederdichter Svein und dass er schwankt, nimmst du in Kauf. Ellingsen erzählte, überraschte diese mich mit der Neuigkeit, dass sie selbst Wir heben unsre Hände auf, seine weitläufige Verwandte sei und in dich anzurufen letzter Zeit wieder mehr Kontakt mit für alle, deren Glück der Frost ihm und seiner Gattin Ingegjerd hätte. aus kalten Herzen niederstreckt. Und so ging alles Schlag auf Schlag. Am 16. Juli 2013 saß ich bei strahlendem Den Baum der Hände, ausgereckt, Sonnenschein im Auto und fuhr Rich- lass Blätter treiben tung Saltrød, einem kleinen Ort außer- und Früchte, deiner Heilkraft voll halb von Arendal in Süd-Norwegen, wo für offne Wunden um uns her. ich zusammen mit meiner Bekannten Nach Frühjahrsschmerzen warten wir bei Svein Ellingsen und seiner Gattin auf Gnadensommer, Ingegjerd zum Mittagessen eingeladen da alles, was uns widerfährt, war. Es sollte ein unvergesslicher Tag heranreift zu verborgner Frucht. werden, der Beginn einer tiefen Freund- schaft! Das Wunder neuer Schöpfung sucht die leeren Hände. An der Haustüre wurden wir von In- Du, Gott, gibst Gutes, du allein: gegjerd Ellingsen so herzlich empfan- Komm, wohne unsrer Armut ein. gen, dass man glauben konnte, wir sei- en alte Freunde. Svein, mehr abwartend Einige Jahre später war ich überglück- und etwas zurückhaltend, näherte sich lich, als wir in Norwegen unser erstes vorsichtig, um uns höflich zu begrüßen. katholisches Gesangbuch „Lov Herren“ Das Ehepaar brachte zum Ausdruck, in den Händen hielten, welches glückli- dass es eine Ehre für sie sei, eine katho- cher Weise auch viele bekannte und be- lische Ordensfrau zu Besuch zu haben. liebte Kirchenlieder aus der lutherischen Die weiße Nonnentracht wurde be- Tradition übernommen hat. wundert, es dauerte nicht lange, so füh- Ich begann alle Texte von Svein Elling- le ich mich bei den Ellingsens zu Hau- sen zu lesen, mich in sie zu vertiefen, se. Ich merkte sehr schnell, dass ich hier und als innerster Wunsch wuchs in mir, bei Menschen zu Gast war, die die Hö- ihm einmal persönlich zu begegnen. hen und Tiefen des Lebens kennen und Diese Begegnung rückte in erreichbare aus christlichem Urgestein gemeißelt Nähe, als ich hörte, er hielte am 13. Ok- sind.

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Nach einem reichen Mahl an einem mit der Nähe von Arendal eine Stellung als Liebe gedeckten und geschmückten Kunstlehrer angeboten bekam. Tisch wurde Svein plötzlich rege und bat Man wurde schon zeitig auf den jungen, mich, ihm in sein Atelier zu folgen. Auf vielseitig begabten Mann aufmerksam; dem Weg dorthin sah ich an der Wand die hohe Wertschätzung, die Svein schon mehrere Kunstwerke und Auszeichnun- damals genoss, zeigte sich darin, dass er gen, die mich stutzig machten. War El- 1976 ein Staatsstipendium auf Lebens- lingsen auch Maler? Als ich ihn darauf zeit erhielt, das ihm endlich die Mög- direkt ansprach, leuchteten seine Augen lichkeit gab, bei zahlreichen Studienrei- auf und er begann mit verhaltener Stim- sen im Ausland seinen vielseitigen künst- me zu erzählen: Von seiner Geburt lerischen Interessen nachzugehen. (13.07.1929) und Kindheit in Kongs- Doch sein Hauptinteresse lag von An- berg, von seiner Mutter, die Piano spielte fang an im dichterischen Schaffen. Er und Gedichte schrieb, von schweren Zei- schrieb nebenbei immer wieder Gedich- ten, als der Vater seine Arbeit verlor, und te und Kirchenlieder, die er jedoch erst von der Erwartung, dass der kleine, stille 1978 herausgab („Det skjulte nærvær ” und zurückhaltende Svein sicher einmal – „Die verborgene Gegenwart”) Theologie studieren würde. Aber war er nicht Theologe? An der Im selben Jahr kam ein Band mit 53 Wand seines Ateliers entdeckte ich zwei Liedtexten von Ellingsen heraus, diesmal große, gerahmte Ernennungsurkunden versehen mit Melodien und Tonsätzen zum theologischen Ehrendoktor, einmal von 15 verschiedenen hervorragenden seitens der Åbo-Akademie in Finnland skandinavischen Komponisten („Noen (2002), dann der theologischen Ge- må våke” - „Einer muss wachen”). meindefakultät in Oslo (2008). Ja, nun war er Theologe, aber Theologie studiert Inzwischen malt Ellingsen auch wieder hatte er nicht, erzählte Svein zu meiner und nimmt an vielen Ausstellungen teil. großen Überraschung. Doch am bekanntesten wird er im Laufe Nach dem Abitur entschied er sich für der Jahre für die Verfasserschaft seiner die Kunst. Er studiert an der staatlichen geistlichen Gesänge. Heute gilt er als der Kunstakademie Oslo und machte eine bedeutendste norwegische Dichter mo- Ausbildung als Lehrer für Werk- und derner Kirchenlieder. Auch international Kunstunterricht. Nebenbei war er frei- hat er sich als Dichter und Hymnologe schaffender Journalist und hatte eine einen Namen gemacht. feste Spalte im Feuilleton zweier bedeu- tender Tagezeitungen. Es wundert mich nicht, wenn Svein mir 1957 übernahm eine Stelle als Redakti- erzählt, dass man ihn schon 1978 als onssekretär in der Wochenzeitschrift Mitglied in die Liturgiekommission be- „Unsere Kirche“ und betreute das Ressort rief, deren Vorsitzender er später wurde. „Kunst“ in der christlichen Tageszeitung Viele Werke hat er seitdem geschaffen, „Unser Land“. viele Bücher geschrieben, gemalt, Vorträ- Ab 1968 zog er nach Saltrød, weil er in ge gehalten, unterrichtet und vieles mehr.

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Svein Ellingsen arbeitet solide und ge- Begegnungen wie diese, die das Leben duldig. Und man dankt ihm sein Le- ändern. benswerk mit zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen. In seiner Geburtsstadt Es wäre noch vieles über Svein Ellingsen Kongsberg wird 2012 sogar eine Strasse und sein Werk zu berichten, doch das nach ihm benannt. würde den Rahmen eines solchen Arti- kels überschreiten. Darum muss ich Stolz zeigt Svein mir den Peter Dass- mich beschränken und an dieser Stelle Preis, den er 2009 für die Dichtung sei- mit den Lesern des St. Ansgar-Jahrbu- ner Kirchenlieder bekam, den Brücken- ches Abschied nehmen, doch nicht ohne bauer-Preis von 1984, aber besonders Ihnen allen eine kostbare Rose zu über- stolz ist er über seine Ernennung zum reichen. Ritter des St. Olav-Ordens im Jahre 1995 durch König Harald V. Beim Abschied von Svein Ellingsen be- kam ich nämlich von ihm einen seiner Es ist Ingegjerds Stimme, die uns zu Kaf- wundervollen Kunstdrucke geschenkt; fee und Kuchen einlädt und uns aus un- darauf fand sich auch sein Gedicht „Die serer Reise in die Vergangenheit wieder kostbare Rose“ aus dem Jahr 2009, das in das Hier und Heute zurückruft. Ich ich hiermit in der deutschen Überset- habe den Eindruck, die letzten 60 Jahre zung weitergeben möchte: von Svein Ellingsens Leben miterlebt zu haben, so faszinierend und beeindru- Die kostbare Rose ckend erzählte er von sich. Es gibt eine kostbare Rose, Svein Ellingsen bestätigte meinen Ein- die niemals verwelken kann. druck, den ich beim Kennenlernen sei- Sie trotzt allem Frost auf Erden, ner Lieder schon vor 23 Jahren hatte: fängt stets neu zu blühen an. Hier spricht ein Mann aus seiner eige- nen Erfahrung. Hier geht es nicht um Sie blühte für Moses und brannte „Theorie“ sondern um „Theopraxis“. im Dornbusch am Sinai. Ich bin zwei Menschen begegnet, die Ihr Feuer war Gottes Versprechen, nicht nur aus der Liebe Gottes leben und als Israel „Hilf doch!“ schrie. wirken. Sie selbst sind zu lebendigen Zeugen der Menschenfreundlichkeit Sie blühte in Bethlehems Winter, Gottes geworden. in Nazareths Frühlingspracht, Ingegjerd, die den ganzen Tag im Hin- sie blühte als Flamme in Dornen, tergrund stand und für uns mit soviel in Golgathas blutender Nacht. Liebe gekocht und gebacken hat, strahl- te und wirkte zufrieden. Steht nicht hin- Sie blüht in der Welt immer weiter, ter jedem „kreativen Mann“ auch eine sie duftet nach Sommer und Glück, kluge Frau? Ich freue mich schon jetzt zum trost aller Niedergebeugten auf unser baldiges Wiedersehen. Es sind durch Herbstlos und Erdengeschick.

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O brennende Rose, die mitten in Kälte und Schmerz erglüht! O heiliges Zeichen auf Erden! Sie heißt Gottes Liebe – und blüht.

Sr. Hildegard Koch OP - Oslo

2014 – „Jahr der Familie“ im Bistum Oslo Liebe in besonderer Weise zugegen ist. Nachdem das „Jahr des Glaubens“ zu Es gibt nur wenige Orte in der Welt, wo Ende gegangen ist, hat Bischof Eidsvig die bedingungslose Liebe so stark lebt das Jahr 2014 als „Jahr der Familie“ aus- wie in der Familie. Gleichzeitig müssen gerufen. wir mit großem Bedauern sagen, dass es In diesem Jahr soll der Hauptakzent der in den Familien, wo diese gegenseitige pastoralen Fürsorge dieser elementarsten Liebe fehlt, auch schwer ist, an die gött- Form menschlicher Gemeinschaft ge- liche Liebe zu glauben.“ widmet sein. Abschließend sagt der Bischof: „Ich lade U. a. schrieb der Bischof in seinem Brief alle Gläubigen ein, zu einer erneuten Re- an die Gläubigen: „Der Glaube des flexion über die Familie als grundlegen- Menschen lebt und entwickelt sich zu- dem Baustein in Kirche und Gesellschaft nächst in der Familie. Die tägliche Er- zu kommen!“ fahrung von Liebe, Vertrauen und Für- sorge schafft die Grundlage dafür, dass Die Wertedebatte der Mensch Gottes Liebe erfahren und in Norwegen an sie glauben kann. Wenn wir erfahren, Am 8. März 2014, dem internationalen dass wir von einem Menschen bedin- Weltfrauentag, derweil ich diesen Artikel gungslos geliebt sind, und wenn wir schreibe, ziehen große Demonstrations- auch andere bedingungslos lieben, öffnet züge durch die Straßen der meisten Städ- sich da die Tür für die Erfahrung der te in Norwegen. Die Parolen zeigen, dass Liebe Gottes zu uns. Da können wir es den Teilnehmern vor allem um das Gottes Liebe annehmen und selbst in Recht der Frau auf selbstbestimmte Ab- der Liebe zu ihm wachsen. Darum ist die treibung geht. Aber an diesem Samstag Familie in besonderer Weise Sakrament protestieren auch viele dagegen, dass ei- der Liebe Gottes in der Welt. nige Ärzte im Lande aus Gewissensgrün- den Frauen nicht auf die Möglichkeit Der Einzelne in der Familie und die Fa- der Abtreibung hinweisen wollen. Sol- milie als Ganzes ist Träger der göttlichen che Fragen sind inzwischen nicht nur im Liebe zueinander und zur Welt. Dies ist „Parlament der Straße” aktuell. Seit vie- der Hintergrund dafür, dass die Familie len Jahren schon gibt es in Norwegen „Hauskirche“ genannt wird, der Ort, wo eine intensive Wertedebatte auf zwei Christus in der zwischenmenschlichen Ebenen: Zum einen wurde eine Reihe

75 Bistum Oslo konkreter Werte diskutiert, zum anderen genüber der Einwanderung ist. Da die gab es auch eine mehr prinzipielle Erör- Regierung in der Minorität ist, hat sie terung über das Verhältnis zwischen mo- einige sehr umstrittene Absprachen über ralischen Werten, den Menschenrechten eine Zusammenarbeit mit zwei Zen- und den Gesetzen und Vorschriften in trumparteien, der „christlichen Volks- unserer Gesellschaft. partei“ (Christdemokraten) und „Venst- Die wichtigste Plattform für die Debatte re“, den liberalen Linken, getroffen. ist die Nationalversammlung („Stortin- get“), sie vollzieht sich selbstverständlich Abtreibung, Verweigerungs- aber auch in der Presse, in Fernsehen recht und Selektion von und Radio, politischen Blogs, den sozia- Embryonen len Medien, einigen Büchern und, wie In Norwegen haben Frauen seit 1964 heute, wenn das Volk auf der Straße gesetzlich die Möglichkeit zur Abtrei- geht. bung, allerdings nur nach Feststellung einer medizinischen Indikation. Zwei Dies ist natürlich kein Phänomen nur in Ärzte mussten gemeinsam entscheiden, Norwegen. Viele Länder hatten und ha- ob die Schwangerschaft eine Gefahr für ben entsprechende Debatten in vielen das Leben der Frau darstellt oder ob sie Foren, zum Teil auch massive Demonst- zu schwerwiegenden Folgen für ihre rationen auf den Straßen. Die norwegi- physische oder psychische Gesundheit sche Debatte hat jedoch ihre charakteris- führen könnte. tischen Eigenheiten, die von zwei Fakto- Die neue Frauenbewegung am Ende der ren beeinflusst wurden: Im Mai 2012 1960-er Jahre kämpfte dafür, dass die wurde aus der Norwegischen Staatskirche Stimmen der betroffenen Frauen gehört eine mehr selbstständige Volkskirche, im würden; es kam zu einem landesweiten Oktober 2013 wurde die rot-grüne Re- Zusammenschluss von Organisationen gierung ersetzt durch eine neu gewählte für und gegen die selbstbestimmte Ab- konservative Regierung. Beide Regie- treibung. rungen waren auf Koalitionen angewie- Im Jahre 1975 wurde ein neues Abtrei- sen. bungs-Gesetz verabschiedet. Dieses er- Die Veränderungen im Verhältnis von öffnete die Möglichkeit zur Abtreibung Kirche und Staat wurden im letzten auch bei einer sozialen Indikation; es „Jahrbuch des St. Ansgarius-Werkes“ gab gleichzeitig den Mitarbeitern im von Helge Erik Solberg: „Von der Staats- Gesundheitswesen die Möglichkeit, kirche zur Volkskirche“ beschrieben (S. eine Mitwirkung bei einer Abtreibung 95-99). abzulehnen („Reservation“ - Verweige- Die neue Regierung, geleitet von Erna rung). Solberg, besteht aus einer Koalition zwi- schen „Høyre“, d.h. einer konservativ- Drei Jahre später kam ein modifiziertes bürgerlichen Partei, und der „Frems- Abtreibungsgesetz; das Gesetz über die krittspartiet“, einer liberalen, populisti- selbstbestimmte Abtreibung. Danach schen Partei, die besonders kritisch ge- haben die Frauen selbst das entscheiden-

76 Bistum Oslo de Wort zu einem Abbruch innerhalb kann, haben folgende Argumente: (1) der ersten 12 Wochen der Schwanger- Die Ärzte-Ordnung mit einem festen schaft. Die Indikationen wurden auch Arzt für jeden Patienten führt dazu, dass auf den Embryo ausgeweitert: geneti- eine Frau gewöhnlich nur einen Arzt sche Krankheiten oder Gefahr eines aufsucht. (2) Wenn dieser Arzt sich wei- Schadens während der Schwangerschaft. gert, eine Überweisung zur Abtreibung Zu einem späteren Zeitpunkt der auszustellen, steht die Frau vor einem Schwangerschaft – aber nicht, wenn die Hindernis in ihrem Recht zur selbstbe- Leibesfrucht schon als „lebenstüchtig“ stimmten Abtreibung. (3) Eine solche angesehen wird – kann eine Abtreibung Begrenzung ist nicht zulässig für einen aus schwerwiegenden Gründen zugelas- Arzt, der von der Öffentlichkeit bezahlt sen werden. wird. Die Gegner behaupten, dass die Forderung nach einem gesetzlich veran- Das Recht auf Verweigerung kerten Verweigerungsrecht eigentlich Wie schon erwähnt, konnten Mitarbei- ein versteckter Angriff auf das Recht der ter im Gesundheitswesen die Mitwir- selbstbestimmten Abtreibung ist, eine kung bei einer Abtreibung ablehnen. Behauptung, die die Anhänger des Ver- Inzwischen meldeten sich aber auch ei- weigerungsrechts mit Bestimmtheit zu- nige Ärzte zu Wort, die aus Gewissens- rückweisen. Sie machen auch darauf gründen nicht zu einer Abtreibung über- aufmerksam, dass die Frauen, die eine weisen wollen, ohne dass ihnen das Ge- Abtreibung wünschen, sich direkt an setz und die Vorschriften klar und deut- eine Klinik wenden können, weshalb die lich eine solche Verweigerung eröffnen. Weigerung eines Arztes gegen eine Überweisung zur Abtreibung kein Argu- Bei den Verhandlungen der Regierungs- ment gegen das entsprechende Gesetz parteien mit ihren Sympatisanthen im sei. In einigen Gemeinden, u. a. in der Herbst 2013 forderte die christdemokra- Hauptstadt Oslo, gehen neun von zehn tische Partei, dass das Reservationsrecht Frauen direkt zu einer Abtreibungskli- für die Überweisung zur Abtreibung ge- nik. setzlich geregelt würde. Diese Forderung löste eine umfassende öffentliche Debat- Die, welche eine gesetzliche Veranke- te aus, auch die großen Demonstratio- rung des Verweigerungsrechts für Ärzte nen am Weltfrauentag am 8. März 2014. wünschen, weisen auch das zweite Argu- ment zurück. Der Vorschlag enthält Diese Debatte konzentrierte sich haupt- nämlich die Forderung, dass der sich sächlich auf das Reservationsrecht der weigernde Arzt verpflichtet ist, einen Hausärzte. In Norwegen können die Pa- Kollegen zu benennen, der eine entspre- tienten nämlich selbst einen „festen chende Überweisung übernimmt. Die Arzt“ wählen (Fastlege). Dieser Arzt be- Erfahrung der informellen Weigerungs- kommt einen Teil seines Gehaltes direkt praxis hat übrigens auch gezeigt, dass von der Gemeinde. Die, welche dagegen eine solche Ordnung zufriedenstellend kämpfen, dass ein Arzt sich weigern funktioniert hat.

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Das Hauptargument der Anhänger des Die Debatte über Verweigerungsrechts betrifft nicht das das Abtreibungsgesetz Abtreibungsgesetz; es gibt eine mehr Auch wenn die Debatte über das Verwei- prinzipielle, ethische Frage, die der Kern gerungsrecht der Ärzte sich eigentlich der Sache ist: Kann der Gesetzgeber von nicht um das Abtreibungsgesetz dreht, einem Arzt fordern, dass er etwas gegen hat sie die laufende Diskussion über die- sein Gewissen tut? Diese Frage kann ses Gesetz erheblich verstärkt. Das auch in anderen Zusammenhängen rele- Hauptproblem ist, dass das Gesetz über vant sein, weil jeder Arzt möglicherweise das Recht der Frau zur selbstbestimmten Problemen begegnet, die sein Gewissen Abtreibung die Rechte des ungeborenen herausfordern. Den Beruf wechseln zu Kindes nicht definiert. müssen, um nicht in Gewissenskonflikt Dieser Mangel kann dazu führen, dass zu kommen, ist eine Art Berufsverbot, man Menschenleben nach Kategorien welches einer liberalen Gesellschaft un- wie „erwünscht“ und „nicht erwünscht“ würdig ist. sortieren kann, was viele als ein großes ethisches Problem ansehen. Bernt Eidsvig, Bischof von Oslo, hat Schon heute sieht man, dass viel weniger neulich einen bemerkenswerten Artikel Kinder mit Down-Syndrom oder ande- in der christlichen Tageszeitung „Vårt ren genetischen Abweichungen zur Welt Land“ veröffentlicht. Er fordert dort mit kommen. Einige haben auch dafür argu- starken Argumenten die Gewissensfrei- mentiert, dass Frauen das Recht auf eine heit als ein wesentliches Menschenrecht. Abtreibung haben müssen, wenn das Dieser Beitrag fand große Aufmerksam- Kind im Mutterleibe minimale Abwei- keit. Wenn es um die Abtreibungspro- chungen hat, die man nach der Geburt blematik geht, sagt der Bischof, beginnt korrigieren könnte, z. B. die offene Gau- das Leben mit der Empfängnis. Er bestä- menspalte. tigt damit etwas, was die katholische Noch größere Probleme entstehen, wenn Kirche immer behauptet hat. Außerdem das zu erwartende Kind nicht das ge- fordert er, dass Kirche und Gesellschaft wünschte Geschlecht hat oder wenn es immer auf der Seite der Schwächsten sich zeigt, dass die werdende Mutter stehen sollen, und in diesem Zusam- Zwillinge oder Drillinge erwartet, sich menhang ist der Schwächste das unge- aber nur ein Kind wünscht. borene Kind. Ärzte können von daher Moderne Techniken, u. a. zeitige Ultra- mit Berufung auf Artikel 9 der Europäi- schalluntersuchungen können zu einer schen Menschenrechtskonvention in Fra- solchen Selektionspraxis beitragen, wenn gen über Leben und Tod Gewissensfrei- das heutige Gesetz den Frauen das letzte heit fordern. Dies ist die Grundlage für Wort in der Frage von Abtreibung gibt. das Verweigerungsrecht in allem, was Dieses ist vielleicht das stärkste Argu- mit Abtreibung zu tun hat: Vom Hin- ment der Gegner des heutigen Abtrei- weis bis zur Teilnahme am Eingriff. bungsgesetzes. Das heißt aber nicht, dass alle Gegner gegen jegliches Abtreibungs- gesetz sind. Viele von ihnen haben näm-

78 Bistum Oslo lich eine pragmatische Haltung: Obwohl Viele behaupteten, dass Personen in sie ethisch gesehen gegen Abtreibung gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sind, wissen sie, dass ein „vernünftiges“ diskriminiert würden, weil ihr Zusam- Abtreibungsgesetz eine heimliche und menleben nicht gleichwertig mit einer fachlich unverantwortliche Abtreibungs- Ehe anerkannt werde. praxis, die das Leben und die Gesund- Nach einer harten öffentlichen Debatte heit der Frauen aufs Spiel setzt, verhin- förderte die rot-grüne Koalitionsregie- dern kann. rung, geleitet von der sozialdemokrati- schen Arbeiterpartei, den Vorschlag ei- Eine solche Problemstellung führt na- nes neuen, gemeinsamen Ehegesetzes. türlich zur prinzipiellen Frage nach dem Dieses Gesetz wurde beschlossen und schwierigen Verhältnis zwischen den Ge- trat ab Januar 2009 in Kraft. Es brachte setzen der Gesellschaft und den ethi- für heterosexuelle und gleichgeschlecht- schen Haltungen eines jeden Individu- liche Paare eine absolute Gleichstellung. ums. Dieses neue Gesetz hat allerdings viele Einige wünschen, dass die Gesetzgebung Probleme geschaffen und führte zu einer moralische Kriterien widerspiegeln soll, teilweise sehr polemischen Diskussion andere wollen dieses in einer liberalen im öffentlichen Raum. An dieser Stelle Gesellschaft absolut nicht, weil es fak- möchte ich mich auf zwei Aspekte dieser tisch das demokratische Fundament er- Debatte beschränken. schüttern würde. Die Debatte über das Abtreibungsgesetz Die Haltung der Kirche und das ärztliche Verweigerungsrecht zum neuen Ehegesetz haben diese Problemstellung in Norwe- Bürgerliche Trauungen von heterosexu- gen aktualisiert. ellen oder gleichgeschlechtlichen Ehen sind unkompliziert, weil diese im neuen Gleichgeschlechtliche Ehe Gesetz geregelt sind. Allerdings entstan- und das Recht auf Nachkommen den große Probleme für die Kirchen und In Norwegen war es früher so, dass nur Glaubensgemeinschaften. ein Mann und eine Frau eine Ehe einge- Die katholische Kirche und andere hen konnten. Die Trauung konnte so- Glaubensgemeinschaften lehnen gleich- wohl zivil als auch kirchlich in der Nor- geschlechtliche Ehen grundsätzlich ab wegischen Staatskirche oder einer ande- und segnen nur eine Ehe zwischen einer ren Glaubensgemeinschaft erfolgen, die Frau und einem Mann. Bisher hatte staatlich unterstützt wird. Dazu gehört dies keine negativen Folgen für diese auch die katholische Kirche. Homosexu- Glaubensgemeinschaften, obwohl die elle Personen konnten keine Ehe einge- Situation nicht ganz problemfrei ist. In hen. Seit dem Jahr 1993 ist ein Zusam- der öffentlichen und politischen Debat- menleben gleichgeschlechtlicher Partner te haben einige die Frage gestellt, ob reguliert durch das so genannte Partner- Glaubensgemeinschaften, die sich nicht schaftsgesetz. nach dem neuen Ehegesetz richten, wei- terhin staatliche finanzielle Hilfe erhal-

79 Bistum Oslo ten sollen. Bisher gab es keine Verände- einer sehr erhitzten Diskussion in den rung. Medien und in der Politik geführt ha- ben. Bis jetzt ist das letzte Wort auch in Die Norwegische Kirche, also die vor- dieser Sache noch nicht gesprochen. malige lutherische Staatskirche, hat die meisten Probleme mit dem neuen Ehe- Einige übergeordnete gesetz. Sie ist nämlich hinsichtlich der Gesichtspunkte Auffassung über die Ehe in zwei Lager Die neue Sicht der Ehe bringt noch an- geteilt: Der traditionellen, biblisch be- dere schwierige, allerdings auch interes- gründeten Ehe zwischen Mann und Frau sante Fragen hervor, die Theologen, Phi- steht eine neue Sicht der Ehe gegenüber, losophen und andere nachdenkliche welche das gleichgeschlechtliche Zusam- Menschen in der letzten Zeit lebhaft menleben als gleichberechtigt mit dem diskutiert haben. klassischen Eheverständnis anerkennt. Aus theologischer Sicht haben viele ge- Einige versuchen die Norwegische Kir- gen die gleichberechtigte Anerkennung che dazu zu bringen, eine Liturgie für von gleichgeschlechtlichen Beziehungen die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare als „Ehe“ protestiert und für ihre Sicht auszuarbeiten oder wenigstens einen biblische Argumente gebraucht – u. a. Fürbittgottesdienst. Andere in der Kir- den Schöpfungsbericht und die Worte che sind stark dagegen. Jesu in der Bergpredigt. Andere Theolo- „Kirkemøte“, das oberste demokratisch gen behaupten dagegen, dass dies eine zu gewählte Organ der Norwegischen Kir- rigide Auslegung der biblischen Bot- che, hat neulich beide Vorschläge zu- schaft sei. Sie meinen, das Gebot der rückgewiesen, allerdings nur vorläufig. Nächstenliebe sei ein übergeordnetes Viele in der Kirche haben Angst, dass die Prinzip, welches von uns fordere, dass neue Sicht der Ehe in Norwegen auf Zu- wir den Ausgangspunkt in der Situation kunft zu einer Spaltung in der Kirche unserer Zeit nehmen und unsere Sicht führen könne. von Ehe verändern.

Das Recht auf Nachkommenschaft Sowohl Theologen als auch Philosophen Die meisten Frauen und Männer, die haben mit der Frage argumentiert, was verheiratet sind, bekommen Kinder auf denn „natürlich“ sei. Hier schlagen sich natürliche Weise. die Debattanten gegenseitig mit den un- Was ist aber mit gleichgeschlechtlichen terschiedlichsten Argumenten die Köpfe Partnern? Sollen diese das Recht einer ein. Einige, u. a. katholische Theologen, künstlichen Befruchtung bekommen? behaupten, dass das Wesen der Ehe an Soll in diesem Fall gefordert werden, die Fähigkeit zur „natürlichen“ Fort- dass einer der Partner der biologische pflanzung gebunden ist. Andere dagegen Vater oder die biologische Mutter ist? weisen darauf hin, dass sowohl Men- Und was ist mit Leihmüttern? schen und Tiere sich stark emotional Hier gibt es eine Reihe Fragen, die zu aneinander binden können, so dass auch

80 Bistum Oslo gleichgeschlechtliche Beziehungen „na- türlich“ seien.

Viele haben inzwischen jedoch darauf hingewiesen, dass beide Argumente pro- blematisch sind. Philosophisch betrach- tet ist es nicht ohne Weiteres leicht, gül- tige Schlüsse aus dem zu ziehen, was man in der Natur beobachtet, um Werte zu definieren, von der Empirie zur Ethik zu kommen. Die Theologen haben allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass es mög- lich ist, von der Natur aus zur Moral zu argumentieren, wenn man berücksich- tigt, dass Gott die Natur mit einem ge- wissen Ziel/Zweck, telos, geschaffen hat. Da kann das Wissen über den Willen des rig ist, auf überzeugende Weise theolo- Schöpfers die Grundlage einer teleologi- gisch zu begründen, was die Absicht des sche Begründung für die traditionelle Schöpfers ist. Sicht der Ehe geben. Dr. med. Helge Erik Solberg Ich, der ich diesen Artikel schreibe, glau- Der Autor, Dr. med. Helge Erik Solberg (*1937) be, dass teleologische Argumente gut sein ist Spezialist für klinische Biochemie; viele Jahre können, sehe aber ein, dass es oft schwie- war er Oberarzt am Rikshospitalet in Oslo.

Papst Franziskus trifft Olav Papst betonte, wie wichtig dieser Dialog Fykse Tveit, den norwegi- sei. schen Generalsekretär des „Wenn Christen den Ruf des Herrn, der Weltkirchenrates eine Einheit wünscht, ignorieren, dann „Die Trennung der Christen darf nicht riskieren sie auch, dass sie die Heilsbot- einfach akzeptiert werden, als ob es sich schaft ignorieren. Denn der Herr hat um eine historische Tatsache handele, sich uns selber durch seinen Leib, der die hingenommen werden muss.“ Das die Kirche ist, geschenkt.“ sagte Papst Franziskus am 7. März 2014 Papst Franziskus erinnerte auch an die einer Delegation des Weltkirchenrates Bedeutung des Zweiten Vatikanischen (ÖRK) im Vatikan. Unter der Leitung Konzils: In den vergangenen 50 Jahren des norwegischen Generalsekretärs des wurden große Fortschritte verzeichnet, ÖRK, Olav Fykse Tveit, sprach die De- doch sei noch viel zu tun, damit die Ein- legation aus Genf über die Entwicklung heit der Christen eines Tages auch ver- der ökumenischen Gespräche. Der wirklicht werde.

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„Die Beziehung zwischen der katholi- Zeit – beispielsweise bei der letzten schen Kirche und dem Ökumenischen Herbstversammlung in Südkorea – the- Rat der Kirchen hat seit dem Zweiten matisiert, dass die Christen in besonde- Vatikanum viele Hindernisse beseitigt, rer Weise „von der Randgesellschaft“ und indem die gegenseitigen Missver- angesprochen sind. ständnisse geklärt wurden, konnten wir „Die Verbindung ist ganz klar: Gott eine ehrliche ökumenische Zusammen- selbst zeigt sich uns durch alle jene, die arbeit aufbauen und uns gegenseitig be- arm und unterprivilegiert sind. Auch schenken.“ dort können wir Gott finden. Aber wir müssen diesen Mitmenschen eine gute Ein besonderes Geschenk überreichte Botschaft mitgeben und gleichzeitig zu Fykse Tveit dem Papst anlässlich seines dieser unserer Botschaft auf ihre Bot- Besuches: „Ich habe Papst Franziskus et- schaft hören. Ich persönlich empfinde was aus Bethlehem geschenkt, um ihn immer wieder, dass der Glaube dort am an die Mauer zu erinnern, die es dort stärksten ist, wo Menschen in großen gibt und die Menschen dort trennt, die Schwierigkeiten und in einer marginali- eigentlich gemeinsam dort leben sollten sierten Welt leben. Diese Menschen sind – zumindest in zwei Staaten. Jetzt ist der nicht von Gott marginalisiert.“ Zeitpunkt gekommen, jede Friedensini- tiative zu unterstützen.“ „Ich finde, dass Papst Franziskus auf ver- schiedene Weise versucht, eine persönli- „Wir haben weiter in besonderer Weise che Botschaft mitzuteilen. Ich empfand über die Möglichkeiten gesprochen – unser heutiges Gespräch als eine sehr sagte Fykse Tveit -, die wir jetzt für die persönliche Begegnung. Das hat uns in- Einheit der Christen haben, und über- spiriert. Welche Formen der Kommuni- legt, wie wir sie in neuen Formen aus- kation der Papst sonst noch benutzt, so drücken könnten. Es geht um die Frage, denke ich, dass dies eine Gabe von ihm wie wir gemeinsam ein Zeugnis unseres ist. Er findet die richtigen Worte und die Glaubens geben können. Es geht aber richtigen Formen zum richtigen Zeit- auch um die Vermittlung der „Freude punkt.“ des Evangeliums“. Als Weltkirchenrat empfinden wir diese Zeit geprägt durch einen starken Impuls von Papst Franzis- Konversion – Menschenrecht kus. Ich habe ihm gesagt, dass er auch in für alle, Möglichkeit für unseren Kirchen einen starken Partner einige für seine Vision sehen kann.“ 200 Jahre norwegisches Grundgesetz 1814-2014 Ein weiteres Stichwort in den Gesprä- chen war der Umgang mit den „Rändern Zum Hintergrund der Gesellschaft“. Papst Franziskus spre- Die Überschrift gibt an, dass die Kon- che immer davon, an diese Peripherien version, also der Wechsel von einer zu gehen. Auch der ÖRK hat in jüngster Glaubensgemeinschaft in eine andere,

82 Bistum Oslo ein Menschenrecht ist. Das klingt un- auflistete, zeigten sich als sehr zählebig. mittelbar einleuchtend, weil hier von Das Verbot, das den Juden den Zugang einer Spiegelung des fundamentalen ins Reich verwehrte, erregte erst in den Rechtes auf freie Religionsausübung die Jahrzehnten nach 1814 wirklich Anstoß. Rede ist, welches die meisten der westli- Der berühmte Dichter Henrik Werge- chen Demokratien seit langem in ihre land führte den Kampf gegen dieses Ver- Verfassungen aufgenommen haben. Die bot an. Vor seinem Tod 1845 legte er amerikanische und die französische Ver- zweimal einen Vorschlag zur Aufhebung fassung gingen dabei voran. Sie wurden des Judenverbotes vor, den Sieg hat er in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun- nicht erlebt. Das Verbot wurde erst 1851 derts verabschiedet und waren Früchte aufgehoben. von Freiheitssehnsucht und Freiheits- Das Verbot der Mönchsorden dauerte denken der Aufklärung. Auch Christian viel länger. Allerdings befand sich die ka- Magnus Falsen und die anderen norwe- tholische Kirche seit 1842 wieder auf gischen Verfassungsväter nahmen diese norwegischem Grund, nachdem sie Verfassungen zu ihren wichtigsten Vor- mehr als 300 Jahre verboten gewesen bildern, als sie 1814 unsere Konstitution war. Der liberale und tolerante Henrik – unsere eigene Verfassung – schufen. Wergeland hatte mit dem ersten katho- Dann war wohl auch die Religionsfrei- lischen Priester seit der Reformation heit ein Stück unserer Verfassung, als sie Freundschaft geschlossen. Aber vom am 17. Mai 1814 verabschiedet wurde? Mönchswesen wollte man damals nichts Viele Menschen glauben dies, es ist al- wissen. Dieses Verbot wurde erst 1897 lerdings nicht so. Zwar wurde eine For- aufgehoben. mulierung, die freie Religionsausübung Das Verbot der Jesuiten, die wichtigsten betrifft, in einer Phase der Verhandlun- Fürsprecher des katholischen Glaubens, gen diskutiert, aber letztlich nicht ange- der „papistischen Irrlehre“ im reforma- nommen. Freiheit für etwas Anderes als torischen Sprachgebrauch, wurde erst Varianten des christlichen Glaubens war 1956 aufgehoben! Im Parlament votier- damals undenkbar, auch weil sie den Vä- ten damals noch mehrere Repräsentan- tern der Verfassung fern und wenig ak- ten gegen die Aufhebung; sie gehörten tuell schienen. Der verabschiedete § 2 der Christlichen Volkspartei an, sogar unserer Verfassung lautete dann: „Die ein prominenter Repräsentant der Kon- evangelisch-lutherische Religion bleibt die servativen Partei, Carl Joachim Hambro, öffentliche Religion des Staates. Die Ein- votierte dagegen. wohner, die sich zu ihr bekennen, sind verpflichtet, ihre Kinder darin zu erzie- So wurden die diskriminierenden Verbo- hen. Jesuiten und Mönchsorden dürfen te der Verfassung von 1814 beiseitigt. § nicht geduldet werden. Juden sind vom 2 enthielt nur noch die Formulierung Zugang ins Reich ausgeschlossen. Hier gab vom Primat der evangelisch-lutherischen es also kein Recht auf Religionsfreiheit, Religion. Also „Religion“, nicht „Kon- ganz im Gegenteil. fession“! Lag in dieser Wortwahl mögli- Die Verbote, die der Paragraph sorgfältig cherweise eine Vorstellung davon, dass es

83 Bistum Oslo nur eine gültige Variante der christlichen hat. Eine der ersten und, historisch gese- Religion gäbe? Undenkbar ist dies wohl hen, wichtigsten Bekehrungen, geschah nicht, aber ich werde den Gedanken durch die Offenbarung Jesu auf dem nicht verfolgen. Diese Bezeichnung der Weg, den Saulus nach Damaskus nahm. evangelisch-lutherischen „Religion“ als Aus dem großen Christenverfolger wur- „öffentliche Religion des Staates“ wurde de der große Verkünder Paulus. erst bei der Revision im Jahr 2012 gestri- chen. Wenn der Ausdruck „Konversionen“ in norwegischem Zusammenhang verwen- Aber was war denn mit der Religionsfrei- det wird, meint man meistens den Über- heit an sich? Wann wurde sie ein Teil des tritt von der lutherischen Staatskirche norwegischen Verfassungswerks? Das zum Katholizismus. Es erregte beachtli- geschah - fast unglaublich – erst im ches Aufsehen, als eine der berühmtesten Nachtrag zu § 2 vom 4. Mai 1964. Seit Schriftstellerinnen, die spätere Nobel- damals heißt der erste Satz: „Alle Bürger preisträgerin Sigrid Undset in den des Reiches haben das Recht auf freie Reli- 1920er Jahren in die katholische Kirche gionsausübung.“ 2012 wurde diese Vor- eintrat. Später, besonders in der Nach- schrift beseitigt, die Garantie der Religi- kriegszeit, wuchs die Zahl der Konversi- onsfreiheit findet sich heute in § 110c: onen, zumal unter Akademikern und „Die staatlichen Behörden sind dazu ver- Persönlichkeiten aus der Kultur. Der pflichtet, die Menschenrechte zu respektie- letzte, der mir bekannt ist, ist der welt- ren und abzusichern.“ bekannte Dichter Jon Fosse. Ich selbst falle auch, in aller Bescheidenheit, unter „Konversionen“ oder diese Kategorie. Ich konvertierte 1966 „Konvertierungen“ als 21-jähriger, nach mehreren Jahren Das Wort „konvertieren“ stammt aus von Studien und Überlegungen. Für dem Lateinischen und bedeutet in unse- mich, der ich allerdings Mitglied der rem Zusammenhang „umwenden“. Es Staatskirche und als solches auch konfir- bezeichnet also eine Bekehrung. Ich be- miert war, bedeutete dieser Schritt bei- nutze hier das Wort im weiten Sinne: nahe einen Aufbruch vom Nichtglau- Religion, Konfession oder sogar die ben, jedenfalls vom Agnostizismus, zum Weltanschauung ändern. In Norwegen Gottesglauben und Christenglauben im versteht man traditionsgemäß unter Rahmen katholischer Theologie und „Bekehrung“, dass jemand „gläubiger Philosophie. Christ“ wird, sich vom von Atheismus oder Agnostizismus abwendet. Das Im modernen oder postmodernen Nor- nennt man eine „Konversion zum Chris- wegen muss aber, wie früher angedeutet, tentum“. Eine solche Konversion kann der Begriff „Konversion“ viel mehr be- individuell oder kollektiv sein. Im zwei- deuten als das, was im traditionellen Ge- ten Fall sprechen wir oft von „Erwe- brauch dieses Wortes liegt. Das neue ckung“, ein Phänomen, das man beson- Norwegen zeigt eine religiöse Vielfalt: ders im südlichen Norwegen oft erlebt Hier sind, außer einer langen Reihe von

84 Bistum Oslo christlichen Konfessionen und Sekten, Wenn wir uns das heutige Norwegen an- Juden, Muslime, Buddhisten und Hin- sehen, kann man feststellen, dass keine dus wahrscheinlich die Zahlreichsten. gesetzlichen Hindernisse einer Konversi- Konversionen finden auch gelegentlich on im Wege stehen, andere Hindernisse zwischen diesen Gruppen statt. Ich kann sind dagegen zahlreich. Nach dem, was mich im Moment nicht an ein gutes Bei- ich gelesen habe, werden ganz besonders spiel für einen Übertritt von Judentum muslimische Einwanderer beträchtliche zum Christentum hier in Norwegen er- Schwierigkeiten in ihren Familien be- innern, aber vom Ausland kenne ich z. kommen, wenn sie zum Christentum B. den Schriftsteller Franz Werfel (1890- konvertieren wollen oder Atheist und 1945). Er schrieb das Buch „Das Lied Gottesleugner werden. Dann können sie von Bernadette“ über das arme französi- aus der Familie vollständig ausgestoßen sche Dorfmädchen, das 1858 in Lourdes werden. In einigen muslimischen Län- eine Reihe von Offenbarungen der Jung- dern ist das auch nicht eine Sache nur frau Maria hatte. Hier kann auch der für die Familie: für eine Abkehr wird bekannte Kardinal und hervorragende man zur Todesstrafe verurteilt. In dieser Theologe Jean-Marie Lustiger (1926- Perspektive werden die sozialen und ge- 2007) erwähnt werden, der ursprünglich fühlsmäßigen Schwierigkeiten, die eini- jüdischen Glaubens war. Beispiele für ge empfinden, wenn sie den Glauben den umgekehrten Weg finden wir in oder die Konfession des Elternhauses Norwegen auch: Die Norwegerin Anne verlassen, ein Bagatellfall. Viele tun sich Sender (*1956) konvertierte vom Chris- jedoch schwer, solche Änderungen des tentum zum mosaischen Glauben, sie Glaubens oder der Überzeugung mitzu- wurde sogar als Vorsteherin der jüdi- teilen. Man hat Angst davor, die Nächs- schen Gemeinde in Oslo (2005-2011) ten zu enttäuschen, vielfach fürchtet bekannt. Wir haben mehrere Beispiele man sich auch vor negativen Reaktionen von Norwegern, die Buddhisten oder im Freundeskreis. Meine eigenen Erfah- Hindus geworden sind – ziemlich häufig rungen knüpften sich an einen Übertritt in der Zeit als die Hippiebewegung weit von der evangelischen Staatskirche zum verbreitet war. Wir kennen sogar Bei- Katholizismus. Meine eigene Konversi- spiele von Norwegern mit christlichem on war völlig unproblematisch – andere Hintergrund, die sich dem Islam und Familienmitglieder waren schon vor mir dem Koran zugewandt haben. Die be- denselben Weg gegangen. In anderen deutendsten sind wahrscheinlich der Fällen, die ich kenne, haben Menschen Arzt und Palästina-Freund Trond Ali auf die Konversion verzichtet, weil ihr Linstad (*1942) und Lena Larsen Gatte oder seine Gattin sehr ablehnend (*1960). Die meisten kennen sie aus den sind oder weil die Reaktionen im Eltern- Medien, in den Hijab gekleidet. Noch haus zu stark werden könnten. Immer- mehr Muslime haben sich dem Chris- hin – das sind wohl Ausnahmen. tentum zugewandt, vielleicht besonders nach ihrer Ankunft in Norwegen. Ich kann nicht davon absehen, dass der Widerstand, den viele potenzielle Kon-

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vertiten erleben, zu welcher Konfession Der Autor, Georg Fredrik Rieber Mohn, geboren oder Religion sie auch gehören wollen, 1945 in Lillehammer, konvertierte 1966 zur ka- tholischen Kirche. Er ist verheiratet mit seiner auf Vorurteilen und fehlendem Wissen Frau Kari, die immer schon katholisch war. Das gründet. Aus meiner Erfahrung weiß Ehepaar hat drei erwachsene Kinder und acht ich, dass die Unkenntnis über den Ka- Enkelkinder. tholizismus in Norwegen sehr groß ist. Rieber Mohn arbeitete nach seinem juristischen Ich weiß bestimmt, dass viele in unserem Staatsexamen 1969 zunächst im Justizministeri- Land für eine Konversion vom Christen- um an der Reform des Strafgesetzes, später war er Gefängnisdirektor, Richter und Staatsanwalt. Er tum zum Islam kein Verständnis haben, war Generalstaatsanwalt von 1986 bis 1997 und weil sie davon ausgehen, Muslim zu sein Richter am obersten Gerichtshof Norwegens von sei identisch damit, den extremen und 1997 bis 2007. gewalttätigen Islamismus zu stützen. Erst wenn alle, die konvertieren wollen, ihre Konversion in einer von Offenheit und Toleranz geprägter Atmosphäre er- leben dürfen, kann eine Konversion so- wohl Menschenrecht als auch Möglich- keit für alle werden.

Georg Fredrik Rieber Mohn

86 Prälatur Trondheim

Prälatur Trondheim

Die Anschriften lauten: Den katolske Kirke i Midt-Norge Sverres gate 1, N-7012 Trondheim Tel.: 00 47/73 52 77 05 E-Mail: [email protected] Internet: www.katolsk.no

Die Prälatur Trondheim wurde am Nach dem Vorbild von 28.3.1979 errichtet. Zuvor bestand das Santa Sabina in Rom – Apostolische Vikariat von Mittelnorwe- die neue St. Olavs-Kirche gen, das 1953 errichtet worden war und in Trondheim die 1935 errichtete Apostolische Präfek- Eines der ganz großen und ganz wichti- tur abgelöst hatte. gen Projekte, die derzeit in der nordi- Die Prälatur Trondheim umfasst eine schen Diaspora in Angriff genommen Fläche von 56.458 km², auf welcher ca. werden, ist der Neubau der Bischofskir- 688.000 Menschen leben; von ihnen che für die Prälatur Trondheim in Mit- waren nach Angaben im Annuario Pon- telnorwegen. tificio 2013 katholisch gemeldet 9.843. Wir wiederholen hier sinngemäß das, In der Prälatur sind 2 Diözesan- und 5 was Bernt Eidsvig, Bischof von Oslo und Ordenspriester sowie 18 Ordensfrauen Apostolischer Administrator der Prälatur tätig. Trondheim, sowie Architekt Jon Morten Die Prälatur wird vorübergehend von Breidabrik in einer Präsentationsbro- Bischof Eidsvig aus Oslo geleitet. schüre schreiben, aus der auch die Bilder und die Zeichnung entnommen sind: „Liebe Freunde und Wohltäter in Deutschland! Ich bedauere sehr, dass die Vorbereitun- gen zum Bau eines neuen katholischen Domes in Trondheim aus einer Vielzahl

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von Gründen länger dauerten, als wir Wenn alles planmäßig verläuft, wird die anfangs erhofft hatten. Die Ursache für Kirche in der 2. Hälfte 2016 gebaut sein. die letzte Verspätung sind archäologische Ausgrabungen, die vorgenommen wer- Gestatten Sie, dass ich ein Wort zu unse- den mussten, da es bereits vor mehr als rer personellen und finanziellen Lage 2000 Jahren in diesem Gelände mensch- sage: Die Zahl der Katholiken hat sich liche Ansiedlungen gab. Diese Verzöge- bei uns seit 2004 verdreifacht. Wenn wir rungen hatten nicht nur negative Fol- die nicht registrierten Einwanderer dazu gen. Wir konnten Bedarf und Wünsche zählen, ist der Zuwachs noch einmal durchdenken und so dem sachverständi- größer. Nur 15% unserer Katholiken gen Rat von Erzdiözesanbaumeister Mar- sind in Norwegen geboren. tin Struck aus Köln folgen, der sich Die sehr unterschiedlichen Erwartun- mehrfach in Trondheim mit den Verant- gen der hier geborenen und nach hier wortlichen getroffen hat. eingewanderten katholischen Christen nach seelsorglicher Betreuung versu- Jetzt rechnen wir damit, dass es nur noch chen wir zu erfüllen. Für die Feier der wenige Wochen dauert, bis die Stadtver- hl. Messen mieten wir Kirchen und Ge- waltung uns die Abriss- und die Bauge- meindehäuser an; der Zuwachs erfor- nehmigung erteilt. Wie manche von Ih- dert allerdings, dass wir neue Kirchen nen vielleicht wissen, liegt der Bauplatz und Pfarrhäuser bauen, außerdem kann unsrer Kirche sehr zentral und schön, der Anfall der Arbeit nur durch mehr ganz in der Nähe des traditionsreichen Geistliche und andere Angestellte be- Nidaros-Domes, der einstigen Grablege wältigt werden. des hl. Olav, wo das Gedächtnis an den Nationalheiligen Norwegens in beson- Im Vergleich mit unserer finanziellen Si- derer Weise lebendig ist. Das Wohlwol- tuation sind das enorme Herausforde- len der Stadtverwaltung vorausgesetzt, rungen. Zwar steigen die Einkommen, hoffen wir, in der ersten Hälfte 2014 mit aber nicht im selben Tempo wie die Aus- dem Abriss und den Ausschreibungen gaben. Für jeden registrierten Katholi- für den Neubau beginnen zu können. ken bezahlen Staat und Gemeinde unge-

88 Bistum Kopenhagen fähr 100 Euro pro Person im Jahr. Den den zukünftigen Bedarf nicht festlegen. Rest müssen wir eigentlich selbst stem- Vor der Wahl, entweder große Summen men. Aber unsere Einwanderer und für die Renovierung und Sicherung eines Flüchtlinge sind ökonomisch schwach. Gebäudes zu investieren, das sich in sehr Trotz der Großzügigkeit von vielen sind schlechter Verfassung befand, außerdem unsere Einnahmen viel zu gering, um schon lange unzweckmäßig und zu klein das auf die Beine zu stellen, was nötig ist. ist, oder neu zu bauen, fiel uns die Ent- scheidung nicht schwer. Auf dem schön Dass wir jetzt in Trondheim bauen, ist gelegenen Grundstück, quasi gegenüber aus vielen Gründen zwingend notwen- des mittelalterlichen Nidaros-Domes dig: Als die heutige Kirche 1973 fertig und dem zugehörigen Erzbischöflichen war, hatte die Prälatur insgesamt knapp Palais, kaufte die Kirche 1897 ein güns- 600 Gläubige; von diesen wohnte etwa tig gelegenes Grundstück. Dort war frü- die Hälfte in Trondheim. Heute zählt die her der Bahnhof der Stadt. Ein alter Lo- Prälatur etwas mehr als 12.000 Katholi- komotivschuppen konnte zu einer Kir- ken, also 20 mal so viel so damals, davon che umgebaut werden, die 1902 den gehören mehr als 6.000 zu St. Olav-Ge- Kern der St. Olav-Pfarrei ausmachte. meinde hier. Der Besuch der Sonntags- 1929 wurde diese Pfarrei mit der älteren messen liegt bei 20 bis 25%. Die St. Herz Jesu-Gemeinde fusioniert, die seit Olav-Kirche mit ihren 180 bis 200 Sitz- 1874 bestand. plätzen ist also viel zu klein. Ich hoffe, dass die Bilder und Zeichnun- Am 9. September 1973 wurde die St. gen, die wir zeigen können brauchbar Olav-Kirche geweiht. Sie war nach dem sind und einen ersten Eindruck des ge- damaligen architektonischen Ideal ge- planten Bauwerkes vermitteln. Die Ein- baut worden. Viele waren überrascht, richtung ist nur angedeutet; sie stellt dass ausgerechnet die katholische Kirche keine konkreten Ideen dar, über die es wagte, eine solch radikale Architektur künftige Gestaltung ist noch nichts ent- zu verwirklichen. Was nicht gesagt wur- schieden. de – weder gegenüber den vielen Wohl- tätern des Kirchbaues damals noch in Für die Verwirklichung dieses dringend der Öffentlichkeit – war, dass der Bau notwendigen Bauplanes haben wir be- nur als Provisorium gedacht war. Archi- reits Zusagen verschiedener deutscher tekt und Bischof waren der Meinung, Bistümer, des Bonifatiuswerkes der dass die Kirche 25 Jahre stehen könnte, deutschen Katholiken, des Diaspora- um dann Platz zu machen für ein dauer- kommissariates und anderer Wohltäter. hafteres Gebäude. Wir hoffen auch auf einen Beitrag der Warum Bischof Johannes Rüth damals Freunde und Förderer der deutschen eine solche Lösung wählte, wissen wir Ansgarwerke.“ nicht. Jedenfalls erwartete er einen star- ken Zuwachs der Katholiken. Damit hat- Der geplante Bau, der heute vorgestellt te er Recht, aber er konnte zu seiner Zeit wird, ist Resultat eines mehrjährigen Di-

89 Bistum Kopenhagen alogs, angefangen mit dem Architekten- gewicht in Dimension und Ausdruck. wettbewerb über zahllose Gespräche Das Kirchenschiff ist wie eine dreischif- zwischen Bischof, Gemeinde, dem örtli- fige Basilika gestaltet; es will zeigen, dass chen Stadplanungsbüro und den Bau- es sich um einen Dom, nicht um eine ämtern, der Denkmalbehörde, deut- Pfarrkirche handelt. Abschluss des Mit- schen Beitragsgebern u. a. telschiffes mit einer halbrunden, erhöh- ten Apsis ist auch von außen deutlich Das Konzept ist, die Kirche, den Turm erkennbar, die Backsteinwände des Ge- und die Gemeinderäume als einheitliche bäudes unterstreichen, dass es auf Dauer Anlage erscheinen zu lassen. Die Ge- gebaut sein soll. meinderäume, die Büros für die Priester, die Sakristei, die Seitenschiffe wurden als Die Deckenkonstruktion ist eine Sche- niedrige, ruhige Baukörper gestaltet, die renkonstruktion aus Holz, die sich offen ein hochstrebendes Mittelschiff umkrän- über dem Kirchenraum erstreckt. Die zen, das von Süden als Kirche eindeutig oberen Balken tragen das Dach, wäh- erkennbar ist. Kirchenschiff und Ge- rend die unteren Balken in einem Win- meindeteil halten einander das Gleich- kel von 45° Wand und Ecke in einem

90 Bistum Kopenhagen festen Raum schließen. Der Raum be- nen Bezug zu älteren norwegischen Stab- kommt dadurch eine größere Vertikali- kirchen-Architektur. tät, die zum Zentrum strebt. So steht die neue St. Olav-Kirche mit einem Fuß in der Urkirche, mit dem an- Das dreigeteilte Mittelschiff weist auf deren in unserer Zeit. Wir sind über- gotische und romanische Kathedralen zeugt, dass sie an dieser Stelle sehr gut hin, in denen hohe Fensteröffnungen passt, von den Katholiken in unserer das Kreuzgewölbe erhellen und die kon- Prälatur angenommen wird und ihre struktive Deckenform verdeutlichen. Aufgabe als Gotteshaus für viele Jahre Die Konstruktion der Holzdecke hat ei- erfüllt.

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Grab des heiligen Olav erlitt, zunächst begraben wurde, ist wahrscheinlich gefunden! ebenso bis heute ein Mysterium wie die Am 23. Februar 2014 stand es schwarz Antwort auf die Frage, was mit seinem auf weiß in allen Zeitungen Norwegens: Grab nach der Reformation geschah. „Wahrscheinlich wurde das Grab des Was man weiß, ist, dass er bis zum 15. heiligen Olav gefunden“. Jahrhundert im Nidarosdom in Trond- Wo der heilige Olav, der im Jahre 1030 heim beigesetzt war. bei der Schlacht zu Stiklestad den Tod Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, wo sich das Grab in der übrigen Zeit befand, haben Archäologen jetzt mit Hilfe von Georadar die große Kathedrale in Trondheim, die auch das Nationalhei- ligtum Norwegens ist, untersucht. Øystein Ekroll, Forscher und Restaurator am Nidarosdom, hatte schon lange eine klare Theorie über den Verbleib des Gra- bes. Immer schon war er der Überzeu- gung, dass es sich in der östlichen Okto- gonkapelle befindet. So war es verständ- lich, dass die Archäologen dort die Suche mit einer neuen Methode, dem Geora- dar, begannen. Der Radar schlug aus und zeigte eine vorab nicht näher bestim- mbare „Konzentration“ in der östlichen Oktogonkapelle. Das könnte auf ein Grab hinweisen.

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Die Fachwelt ist fasziniert, und im Hin- viereckig, sondern rund war. Er stammt blick auf das 1000-jährige Jubiläum der aus der Zeit von Olav Kyrre (Ende des Schlacht von Stiklestad (2030) wäre es 10. Jahrhunderts). eine Sensation, wenn man vor diesem großen Ereignis mit den Ausgrabungen Ekroll kommentierte dies wie folgt: beginnen könnte. „Wenn sich die neuen Befunde bestätigen sollten, müssen wir nicht nur die Ge- Es gab aber auch noch eine andere Sen- schichtsbücher neu schreiben, sondern es sation! Der Georadar zeigte, dass der äl- könnten sich ganz neue Perspektiven in teste Teil des Chores - im Mittelraum des der Erforschung des ältesten Teils der Ge- Oktogons, wo der Altar stand -, nicht schichte des Nidarosdomes eröffnen.“

Erste katholische Priester- natürlichen Entwicklung. einer nahen weihe im Nidarosdom und guten Zusammenarbeit mit der ka- seit der Reformation tholischen Kirche seit vielen Jahren, fak- Am Sonntag, 26. Januar 2014, dem Fest tisch seit dem Besuch von Papst Johan- des hl. Eystein, wurde der Norweger Egil nes Paul' II. 1989 in Norwegen.” Mogstad von Bischof Bernt Eidsvig zum Priester geweiht. Egil Mogstad (65 Jahre alt) wurde im Dieses Ereignis ist insofern historisch, Jahre 1974 im selben Gotteshaus zum weil seit der Reformation 1537 kein ka- lutherischen Pastor ordiniert, aber schon tholischer Priester mehr in der Kathe- drale von Trondheim, auch Nidarosdom genannt, geweiht wurde. Der Hausherr des Domes, Bischof Tor Singsaas, spricht von einem Zeichen der Einheit: ”Für uns ist dies keine Sensati- on! Es ist eigentlich das Resultat einer

93 Prälatur Trondheim zwei Jahre später konvertierte zur katho- haben. Für mich selbst ist es eine große lischen Kirche. Seit 1980 war er Lektor Gnade!“ an der Kathedralschule in Trondheim; er ist sehr aktiv in der Gemeindearbeit der Am Tag nach der Priesterweihe feierte katholischen St. Olav-Pfarrei. der Neupriester seine Primizmesse bei den Zisterzienserinnen im nahe gelege- Die Idee, dass Mogstad im Dom zu nem Kloster Tautra, seine erste Gemein- Trondheim zum katholischen Priester demesse feierte er am 2. Februar in der geweiht wird, kam nicht von ihm selbst. St. Olav Kirche in Trondheim, wo er Er erzählt: „Ich persönlich bin nur ein jetzt auch als Kaplan seinen Dienst ver- kleines Steinchen in dem großen Mosaik richtet. der Ökumene. Es waren meine lutheri- Wir wünschen Egil Mogstad Gottes rei- schen Freunde, die das vorgeschlagen chen Segen.

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Olav, der Heilige ker Wille und die Fähigkeit, andere zu Vor 1000 Jahren wurde Olav in leiten, um sich zu scharen und zu organi- Rouen/Frankreich getauft sieren; zugleich gab es auch dunkle Cha- rakterzüge wie Wildheit, Grausamkeit, Olav II. Haraldsson (*995; † 29. Rachgier, Habsucht und ein leichtfertiges Juli 1030 bei Stiklestad), Rex Perpetuus Verhalten Frauen gegenüber. Alle diese Norvegiae, war norwegischer König von Eigenschaften erbte Olav Haraldsson. 1015 bis 1028. Er wurde nach seinem tod Seine Mutter Åsta heiratete später Sigurd heiliggesprochen und ist bis heute als Olav, Syr. Olavs Stiefvater war ein friedlieben- der Heilige, bekannt. Sein evangelischer der Mensch, der seinem Beruf als Bauer und römisch-katholischer Gedenktag in sehr verbunden war. Tagtäglich war er Norwegen ist der 29. Juli (in Deutschland draußen auf Äckern und Weiden, um in der römisch-katholischen Kirche am 10. nach den Rechten zu sehen. Er war ein Juli gemeinsam mit den beiden anderen ruhiger und besonnener Mann, klug und heiligen nordischen Königen Knud von gesetzeskundig. Auf dem großen Bauern- Dänemark und Erik von Schweden). hof Sigurd Syrs wuchs Olav heran. Snor- Aus gegebenem Anlass publizieren wir zum re schildert den Knaben so: „Er wurde Jubiläum einen etwas umfangreicheren bald ein prächtiger Kerl. Es war eine Beitrag über „Norwegens ewigen König“ Freude, ihn anzuschauen – mittelgroß, von Pater Olav Müller SSCC (*1924), den stämmig gebaut, kräftig, mit hellbrau- er dem St. Ansgarius-Werk Köln freundli- nem Haar, breitem Gesicht, heller Haut cherweise zur Verfügung gestellt hat. und roten Wangen. Er hatte ungewöhn- lich gute Augen; sie waren schön und so Olavs Kindheit durchdringend, dass man nicht wagte, Am Ende des 9. Jahrhunderts wurde auf ihm in die Augen zu schauen, wenn er Ringerike ein Junge geboren; man gab zornig war. Er war ein guter Sportler und ihm den Namen Olav. Seine Mutter hieß konnte vieles. Mit Pfeil und Bogen ging Åsta, sein Vater war Harald Grenske. er geschickt um und traf sicher das Ziel. Dieser sollte seinen Sohn nie zu sehen Im Speerwurf übertraf er die meisten. Er bekommen. Harald war Kleinkönig in war geschickt und hatte einen Blick für Vestfold, unternahm aber am liebsten jederlei Handwerk, er hatte an allem gro- Wikingerfahrten gen Osten. Dabei wur- ßes Interesse. Man nannte ihn ‚Olav Dig- de er seiner Frau untreu. Bei einem Auf- re‘. [Dieses Wort aus dem Altnorwegi- enthalt in Schweden warb er um Sigrid schen kann „dick” oder „stämmig” be- Storråde. Sie sagte „Nein”. Als Harald deuten – ich nehme an, dass Letzteres aber weiter drängte, sorgte sie dafür, dass hier zutrifft; er selbst liebte diesen Beina- er bei einem Brand ums Leben kam. men]. Olav redete kühn und freimütig, Während dies geschah, war Åsta schwan- war, was Stärke und Verstand betrifft, ger mit Olav. frühzeitig erwachsen. Alle Verwandten Harald Grenske war ein Urenkel von Ha- und Bekannten schätzten ihn. Im Spiel rald Hårfagre. In diesem Geschlecht leb- war er ehrgeizig, er wollte immer der Ers- ten wertvolle Eigenschaften wie ein star- te sein.”

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Sein Verhältnis zum Stiefvater war nicht man, das Erforderliche durch Plünde- das Allerbeste. Olav sah vielleicht ein rungen im fremden Land zu beschaffen. bisschen von oben herab auf diesen Auf diese Weise gingen sie im Sommer Mann, der nur sein Land im Kopf hatte. auf Wikingerfahrt, im Herbst, Winter Sigurd seinerseits fand wohl, dass Olav und Frühjahr lebte man dann auf den dummdreist im Reden war und oft ein eigenen Höfen in Saus und Braus. Au- loses Mundwerk hatte; er ertrug es aber ßerdem ergab sich so für den nicht erb- mit besonnener Gelassenheit. Zu seiner berechtigten Häuptlingssohn, der also Mutter Åsta hatte Olav ein besseres Ver- nicht einen eigenen Hof bewirtschaften hältnis. Zusammen schmiedeten sie Zu- konnte, eine berufliche Alternative. Die kunftspläne. Olav wollte ein Wikinger Raubzüge in fremde Länder schafften werden. ihm gratis die notwendigen Mittel. Viele Wikinger wurden am geraubten Gut Olav der Wikinger steinreich. Im Kampf mit anderen Wi- Mit zwölf Jahren ging Olav zum ersten kingern oder mit den stehenden Heeren Mal an Bord eines Kriegsschiffes. Die Be- der heimgesuchten Länder konnte man satzung ernannte ihn zu ihrem „Seekö- zuhause in Norwegen Ruhm und Ehre nig”; die Fahrt selbst leitete aber viele gewinnen. Letzteres war ebenso wichtig Jahre Rane, ein erfahrener Wikinger. wie Geld und Gut. Andere traten die Die Wikingerzeit erstreckt sich über die Fahrt übers offene Meer an, um vor allem Jahre von ca. 700 bis 1050. Warum gin- Land zu gewinnen. gen die Wikinger auf Fahrt? Aus Mangel In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts an fruchtbarem Boden! Diese Theorie organisierten Wikinger aus den nordi- wird heute am häufigsten vertreten. Die schen Ländern das so genannte „große meisten der tollkühnen Fahrten hatten Heer”. Dieses wütete in Frankreich, Ir- ihren Ausgangspunkt in Westnorwegen. land und England. Wenn die große Schar Die Geographen sagen, dass der Mangel norwegischer, dänischer und schwedi- an kultivierbarem Boden hier am größ- scher Wikinger an Land ging, blieb es ten war. nicht bei den Plünderungen; sie erober- Es begann damit, dass wagemutige Nor- ten neues Land und gründeten Städte. In weger in fremde Länder segelten, um ihrem Kielwasser folgten norwegische dort Handel zu treiben; später wurden Kaufleute und landhungrige Bauern. So auch Raubzüge daraus. Anführer auf die- unterwarfen sich norwegische Wikinger sen Fahrten waren vor allem Großbauern Island, die Inseln im Nordatlantik sowie und Häuptlinge. Sie wollten zuhause in Teile von England und Irland. Norwegen gern auf großem Fuße leben, Wenn isländische Familienchroniken liebten üppige Opferfeiern und Gast- und Snorre in seiner „Heimskringla“ mähler. Dazu luden sie viele Gäste ein, über die Überfälle berichten, unterschla- die sie reichlich bewirten wollten. Dafür gen sie taktvoll die heidnische Rohheit, waren aber nun in den übervölkerten die sich zeigte, wenn sie mit Feuer und Siedlungen an der heimischen Küste die Schwert über friedliche Gegenden herfie- eigenen Vorräte zu knapp. So versuchte len. Es werden immer wieder nur Hel-

96 Prälatur Trondheim denmut und Stärke im Kampf gegen grausamen Plünderungen, trampelten andere Wikinger in schwülstiger Sprache mit ihren unreinen Füßen auf den heili- besungen. Will man mehr über die Bru- gen Orten herum, öffneten die Altäre talität der Wikinger erfahren, muss man und raubten alle Schätze in der heiligen ausländische Literaturquellen durchfors- Kirche. Einige der Brüder töteten sie, an- ten. Das christliche Europa stieß sich dere nahmen sie gefesselt mit, viele ver- besonders an den Überfällen auf Kirchen jagten sie mit Spott und Hohn und eini- und Klöster. Als die Klöster von Lindis- ge ertränkten sie im Meer”. farne, Jarrow und Wearmouth an der Ein irischer Chronist fällt ein vernichten- englischen Ostküste von norwegischen des Urteil über das Verhalten der norwe- Wikingern geplündert wurden, ging ein gischen Wikinger: „Man hat eher den Schrei des Entsetzens durch ganz Euro- Sand des Meeres oder die Halme der pa. Der englische Gelehrte Alkuin Äcker oder die Sterne des Himmels ge- schrieb z.B. in einem Brief an den engli- zählt als das erzählt, … was die Iren ih- schen König Ethelred über den Überfall: retwegen leiden mussten. Seien es nun „Jetzt haben wir und unsere Vorfahren Männer oder Frauen, Knaben oder Mäd- fast 300 Jahre in diesem heiligen Land chen, Laien oder Geistliche, Freie oder gelebt. Niemals zuvor hat Britannien ein Leibeigene.” Nicht ohne Grund ergänzt solches Grauen erlebt wie das, das jetzt das christliche Europa die Allerheiligen- von einem heidnischen Volk über uns litanei um eine neue Fürbitte: „A furore gekommen ist. Niemals hätte einer ge- Normannorum libera nos domine” (Be- dacht, dass ein solcher Überfall vom frei uns, Herr, vom Wüten der Norman- Meer her kommen könnte. Stell Dir vor: nen). St. Cuthberths Kirche ist überströmt mit Norwegische Historiker haben später dem Blut von Gottes Priestern und allen versucht, das schlechte Bild der Wikinger Schmuckes beraubt. Ein Ort, heiliger als ein wenig aufzuputzen. Sie weisen darauf alle anderen Orte in Britannien, ist eine hin, dass es diese Form der Kriegsfüh- Beute von Heiden geworden”. Um das rung in dieser Zeit auch in den anderen Jahr 1000 – da lebte Olav Haraldsson europäischen Ländern gab. Als persönli- bereits – gibt ein Schriftsteller folgenden che Meinung möchte ich hinzufügen, erschütternden Bericht über den bluti- dass man die enorme physische und psy- gen Überfall heidnischer, nordischer Wi- chische Stärke der Wikinger einfach be- kinger: „Im gleichen Jahr kamen Heiden wundern muss. Ebenso ihren unbeugsa- aus den nordischen Ländern mit Waffen- men Wagemut, ihren Siegeswillen, ihre gewalt über das Meer, wie stechende technische Begabung und ihr Organisa- Wespen. Sie verbreiteten sich überall wie tionstalent, das sich dort zeigte, wo sie wilde Wölfe, raubten und machten nie- sich niederließen. Die Medaille hat aber der: nicht nur Zugtiere, Schafe und Och- eine Kehrseite. Dort, wo sie marschier- sen, sondern auch Priester und Diakone ten, floss das Blut in Strömen. Wenn sie und Scharen von Mönchen und Non- von den Schiffen mit den teuflischen nen. Sie kamen auch zur Kirche von Lin- Drachenköpfen am Bug an Land spran- disfarne und verwüsteten alles durch ihre gen, ergriff sie ein Blutrausch. Wir haben

97 Prälatur Trondheim viele Berichte über ihr blutiges Vorgehen und glaubte, näher bedenken, verstehen und ihre souveräne Menschenverachtung wir auch leichter die Rückfälle in heidni- – sobald es sich um Personen außerhalb sches Verhalten, die auch nach der Be- ihrer eigenen Sippe handelte. – kehrung einfach kommen mussten. Sein Wikingergeist konnte sich nicht im Lau- Wir haben uns deshalb so lange bei der fe einiger weniger Jahre unter den Willen Wikingerzeit aufgehalten, um das Milieu Christi beugen. – zu verstehen, in dem der Heide Olav Ha- raldsson heranwuchs. Ich habe bereits Damit greifen wir aber dem Gang der vorher die negativen Eigenschaften ange- Ereignisse voraus. Der Teenager Olav be- schnitten, die Olav vom Geschlecht Hår- gab sich auf Wikingerfahrt nach Osten. fagre (Schönhaar) mitbekommen hatte: Er wütete erst einige Jahre in den Ostsee- Wildheit, Grausamkeit, Habgier und ländern. In Dänemark traf er einen ande- sexuelle Zügellosigkeit. Die moderne ren jungen Wikinger mit Namen Torkjell Psychologie lehrt uns, dass schlechte Ei- Höye. Die beiden verbündeten sich und genschaften durch eine gute Erziehung zogen nach Westen. Drei Jahre lang und eine positive Umgebung in Schach machten sie Südostengland unsicher. gehalten werden können. Dies war genau Vergeblich versuchte das Wikingerheer, das, was mit Olav nicht geschah. Alle sei- London einzunehmen. Später suchten ne wilden Triebe konnten sich in seiner sie die Ufer der Themse bis hinauf nach Zeit als Wikinger frei entfalten. Gewis- Oxford heim und besiegten die englische sensbisse über sein blutrünstiges Verhal- Landwehr bei Norfolk. Im Jahre 1011 ten hat er in den Jugendjahren zwischen eroberten die Wikinger Canterbury. Hier 12 und 19 niemals gehabt. Wenn er arme wurde Erzbischof Elphege als Geisel ge- Leute ausraubte, die tötete, die sich ihm nommen, um König Ethelred zur Zah- widersetzten, Menschen gefangennahm lung des „Dänentributs” zu zwingen. Als und als Sklaven verkaufte, wenn er Frau- die Zahlung sich in die Länge zog, schlu- en schändete und Dörfer niederbrannte, gen einige betrunkene Wikinger den kam ihm niemals der Gedanke, verwerf- Erzbischof tot. Trotzdem bekamen sie lich zu handeln. Hier hatte er das ganze später 48.000 Goldpfunde. Überreich an bäuerliche Norwegen auf seiner Seite, auf Kriegsbeute zog Olav nach Süden. Beim jeden Fall die Oberklasse. Seine eigene Herzog der Normandie meldete er sich Mutter ermunterte ihn. Die Schiffmann- zum Kriegsdienst. Später unternahmen schaft lobte den Draufgänger. So sollte es sie eine Räuberfahrt entlang der spani- sein. Damals waren die Moralbegriffe schen Küste nach Süden und wollten ins anders als heute. Ich erwähne all dies, Mittelmeer einfahren. Hier hatte er ei- damit wir im späteren Bericht über Olav nen merkwürdigen Traum. „Ein Mann Haraldsson leichter verstehen, wie kam zu ihm, ein Mann, der auffiel, stark schwierig es für neu bekehrte junge Män- und zugleich Furcht einflößend. Der ner war, sich nach christlichen Moralge- Mann sprach zu ihm und bat ihn, sein boten zu richten. Ja, wenn wir das, was er Vorhaben aufzugeben. ‘Kehre zurück zu als junger heidnischer Wikinger erlebte deinem Erbland, denn du sollst für ewige

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Zeiten König in Norwegen werden’. Er und ein eifriger Christ. An den dunklen deutete den Traum so, dass er König über Winterabenden bot sich die Gelegenheit das Land werden sollte, und nach ihm für lange Gespräche zwischen dem jun- sein Geschlecht für viele Jahre”. Viel- gen Olav und dem Herzog. Auch sonst leicht waren dies Gedanken, die lange in hat er die Zeit gut genutzt. Aus Neugier seinem Unterbewusstsein herumgespukt hat er wohl zunächst die prachtvolle Ka- hatten, und sich nun in einem Traum thedrale in Rouen besucht. Am Anfang niederschlugen. Oder war es Olav Trygg- verstand er sicher wenig von der Liturgie. vason, der zu ihm sprach? Aber der gregorianische Choral, der mit Sein Vorfahr Harald Hårfagre hatte gro- seinen weichen, melodischen Tönen den ße Teile Norwegens zu einem Reich ver- Kirchenraum erfüllte, muss auf das harte eint. Jetzt war das Land wieder in kleine Wikingergemüt eine besänftigende Wir- Reiche zerfallen, wo Jarle, Häuptlinge kung ausgeübt haben. Vielleicht hatte er und ausländische Mächte herrschten. Als auch die Gelegenheit, mit dem reform- Verwandter von Harald Schönhaar be- freudigen Erzbischof Robert von Rouen trachtete er es als seine Berufung, nach zu sprechen. Vielleicht besuchte er die Norwegen zurückzukehren, um sein zahlreichen Klöster und Klosterschulen Erbe in Besitz zu nehmen. Für uns heute in Rouen und Umgebung. Vielleicht un- ist es nicht so einfach, diesen Gedanken- terhielt er sich mit den Mönchen, die er gang zu verstehen. Für Olav und seine traf, über den christlichen Glauben. Eine Zeitgenossen war dies eine ganz klare plötzliche Bekehrung – so wie sie heute Sache. Für uns ist es wichtig zu wissen, modern ist – hat er sicher nicht erlebt. dass die Einigung Norwegens unter sei- Eine geistliche Entwicklung – die mögli- nem Königtum von da an eine Gewis- cherweise schon einsetzte, als er plün- sensfrage für den jungen Wikinger war. dernd das christliche England heimsuch- te – bekam neue Impulse. Wir müssen Als Gast in der Normandie uns an dieser Stelle im Klaren darüber Er segelt nach Norden und kommt nach sein, dass Olav seine ganze Jugendzeit im Rouen. Hier überwintert er als Gast bei Ausland verbrachte. Das bedeutet, dass Herzog Richard II. von der Normandie, er in all diesen Jahren niemals eine Chan- einer Landschaft im nordwestlichen ce bekam, seinen heidnischen Glauben Frankreich. Norwegische und dänische zu praktizieren. Das nordische Heiden- Wikinger (= Normannen) hatten diese tum war ja abhängig von festen Kultplät- Landschaft 881 erobert. Zunächst lagen zen im Heimatland. Die Verehrung der sie im Streit mit dem König der Franken. Götter war an die heidnischen Kultstät- Später durften sie die Normandie unter ten geknüpft, der Ahnenkult fand auf der Bedingung behalten, das Land gegen dem heimischen Hof statt. Auf Wikin- feindliche Mächte zu verteidigen. Diese gerfahrt waren die Götter fern, abgese- Wikinger ließen sich bekehren, nicht nur hen von dem raffinierten und weitgereis- dem Namen, sondern auch der Gesin- ten Odin. Wir wissen, dass Harald nung nach. Dies galt auch für Herzog Schönhaar ein gutes Verhältnis zu ihm Richard. Er war ein tüchtiger Staatsmann hatte. Hat Olav in der Ferne auch diesen

99 Prälatur Trondheim einäugigen Kriegsgott verehrt, oder such- erzählen, dass Christus nicht geschaffen te er sein Heil bei der schwarzen Magie. war. Er war von Ewigkeit an. Auch sollte Unsere katholische Schriftstellerin Sigrid er nicht in der Götterdämmerung unter- Undset argwöhnt so etwas. gehen. Der Himmelskönig sollte ewig in In Rouen hatte Olav Zeit, die nordischen seiner himmlischen Herrlichkeit leben. Götter mit Christus und seiner Heer- Er hörte auch, dass Christus sich eine schar von Engeln zu vergleichen. Für den Gefolgschaft von Engeln geschaffen hat- ungeschlachten Wikinger war die ent- te, und dass alle Menschen durch sein scheidende Frage die, wer von den bei- Wort das Leben erhielten. den wohl stärker war – die alten Götter In diesem Zusammenhang hat Olav oder Jesus Christus. Als Kind hatte er wohl auch über den Tod und das Leben gelernt, dass die Götter in Walhall im nach dem Tod gegrübelt. Es wäre naiv zu Laufe der Zeit entstanden sind, und dass glauben, dass die Wikinger eine andere sie alle im „Ragnarok” (=Götterdämme- Menschennatur hätten als wir. Zu allen rung) untergehen würden. Ewig lebten Zeiten haben Menschen sich nach der sie also nicht. Und selbst wenn sie einem vollkommenen Wahrheit, Gutheit und Bauern zu einer guten Ernte und einem Schönheit gesehnt. Diese Sehnsucht ist Krieger zum Sieg auf dem Schlachtfeld in unsere Natur hineingelegt wie ein In- verhelfen konnten, allmächtig waren sie stinkt oder ein unwiderstehlicher Trieb. doch nicht. Denn nicht nur die Men- Auch der Heide Olav ist von dieser Sehn- schen, sondern auch die Götter und Göt- sucht nach dem Unendlichen und Abso- tinnen waren einer anderen, übergeord- luten ergriffen gewesen. Als Kind hatte er neten Macht – den „lagnaden” (= Schick- gelernt, dass die Krieger, die auf dem salsmächten) unterworfen. Ihnen konnte Schlachtfeld fallen, in Odins Halle gelan- keiner entkommen. Götter und Men- gen. Aber das Leben in Walhalla ist recht schen waren Steinchen im launenvollen eintönig. Dort leben sie wie in einem Spiel dieser Schicksalsmächte. Die Gunst Trainingslager. Täglich trifft man sich auf der Götter konnte der nordische Mensch Odins Hofgut, um sich im Kampf zu mit Blut- und anderen Opfern gewin- üben. Diejenigen, die fallen, werden wie- nen. Die Schicksalsmächte konnte keiner der quicklebendig. Am Abend sitzen die gnädig stimmen. Sie waren eine böse, kühnen Recken einträchtig vereint in unpersönliche Macht, die nicht nach Odins Hallen, essen das Fleisch des Ebers dem Ansehen eines Mannes fragte. Die Særimne und trinken den Met von der Schicksalsmächte konnten einem Ge- Ziege Heidrun. Sie bereiten sich auf den waltmenschen Sieg und gute Jahre schen- großen Kampf zwischen guten und bö- ken, einen menschenfreundlichen Glücks- sen Mächten im Weltgericht (Ragnarok). pilz in Konflikte stürzen, die mit dem Am nächsten Tag beginnt das Waffen- Tode endeten. spiel von neuem. Solche deftigen Vorstel- Hier in Rouen muss Olav viel über die lungen vom Leben nach dem Tod konn- Ohnmacht der alten Götter und die All- ten die angeborene Sehnsucht nach dem macht Jesu Christi gegrübelt haben. Ja, wahren Paradies und dem unendlichen seine christlichen Freunde konnten ihm Glück unmöglich zufrieden stellen.

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Außer dem würde Walhalla Olav von der Wort und Sakrament sollten sie neue Frau trennen, die er liebte, denn Odins Krieger für Christi Heer werben. Diesem Burg war für Frauen gesperrt. Sie ver- Heer wollte Olav nun auch angehören. schwanden nach dem Tod in Helheims Er übernahm den christlichen Glauben traurigem Schattendasein. und ließ sich in Rouen taufen. Die Christen in Rouen konnten Olav von einem himmlischen Paradies erzäh- Olav Haraldsson len, das in krassem Gegensatz zu den und Karl der Große heidnischen Vorstellungen stand. Sie er- Während der langen Winternächte in der zählten über einen Himmel, der für alle Normandie saß Olav zu Tisch mit Her- Menschen offen war – auch für Frauen, zog Richard und den anderen normanni- Sklaven und die armen Leute. Bedin- schen Häuptlingen. Gutes Essen und gung war, dass sie das Richtige taten, so- Trinken lösten dabei das Band der Zun- lange sie auf Erden lebten. Und das Le- ge. Man erzählte sich von den großen ben beim allmächtigen Vater in der Him- Ereignissen der Vergangenheit. Tüchtige melsfeste war mehr als Helheims dunkle Krieger und sagenumwobene Ereignisse Räume und das eintönige Kriegerleben wurden aus dem Halbdunkel der Ge- in der Burg Odins. Im Himmel gäbe es schichte hervorgeholt. Von einer Person liebliche Landschaften, bunte Wiesen wurde besonders viel gesprochen. Das und Hügel mit duftenden Blumen. Im war Karl der Große (Carolus Magnus) – Himmel würden die Seligen zusammen das große Vorbild aller christlichen Köni- mit den Engeln Gott so schauen, wie er ge und Fürsten. Die großen und verwun- wirklich ist, sie würden von Liebe zu ihm derlichen Dinge, die von diesem Fran- und zu allem Liebenswerten erfüllt sein. kenkönig erzählt wurden, müssen Olav Solche Gedanken setzten in Olavs Sinn Haraldssons Geschmack gefunden ha- die Kräfte frei, die nach unendlicher ben. Er liebte diesen Helden sehr und Wahrheit, Schönheit und Liebe streben. wählte ihn zum Vorbild, als er später die Olav hörte nicht nur, nein, er erlebte Königsmacht hatte. Einige Jahre später auch, dass das Christentum nicht nur erhielt Olavs Sohn die Nottaufe, wäh- wie eine Theorie in der Luft schwebt. Er rend der König schlief. Sigvat Skalde gab bekam auch zu hören, dass Jesus Christus dem Knaben den Namen Magnus – nach sein unsichtbares Leben in einer deutlich Carolus Magnus – und dies erfüllte den sichtbaren Gemeinschaft lebte, die die König mit großer Freude. Das große katholische Kirche genannt wurde. Er Kriegsschiff, das er bei Seeschlachten ge- verstand auch, dass diejenigen, die die- brauchte, als er nach Norwegen zurück- sem Glauben angehörten, danach brann- kehrte, nannte er Karlshovde (Karls- ten, den christlichen Glauben zu den haupt). heidnischen Ländern zu tragen. Er hörte Wenn wir Olav Haraldsson als christli- auch, dass der Papst in Rom der oberste chen Herrscher verstehen wollen, müs- Häuptling in Christi Heer war. Seine Ge- sen wir ein wenig über Karl den Großen sandten in den verschiedenen Ländern wissen. Die gewaltige Völkerwanderung, waren die Bischöfe und Priester. Durch die in Europa von etwa 300 bis 600

101 Prälatur Trondheim stattfand, verursachte ein schreckliches de nicht nur gesalbt, sondern auch von politisches und nicht zuletzt auch religi- Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt. Dies öses Chaos. Die germanischen Volks- geschah in der Weihnachtsnacht des Jah- stämme wälzten sich plündernd über die res 800. Es war des Papstes und der gan- Grenzen des weiträumigen römischen zen Christenheit innigster Wunsch nach Reiches und ließen Ruinen zurück. Eu- Frieden, der ihn dazu veranlasste, Karl ropa wurde zu einem Flickenteppich zum Kaiser zu krönen. Der Frankenkö- kleiner Staaten, die in ständigem Krieg nig sollte die Katholiken gegen alle miteinander lagen. Einige dieser Stäm- Übergriffe verteidigen. Er sollte in sei- me waren Heiden, andere wandten sich nem riesigen Reich, das nun den größten dem Arianismus zu, einer Irrlehre, die Teil von Europa umfasste, für Ruhe und die Gottheit Christi verneinte. Sowohl Ordnung sorgen. Mit flammendem Ei- Heiden als auch Arianer verfolgten die fer übernahm Karl der Große seine Auf- Katholiken. gabe als Verteidiger der Kirche. Er be- Es gab auch andere Gefahren, die das trachtete es als seine Pflicht, die zahlrei- christliche Europa bedrohten: mongoli- chen kleinen Volksstämme zu einem sche Reiterscharen drangen von Osten Reiche zusammenzuschweißen und sie her in Europa ein, im Süden griffen die zusammenzuhalten unter seiner eigenen muslimischen Sarazenen an. Für das zentralen Leitung. Nur so konnten Ge- christliche Europa ging es um Sein oder setz, Ordnung und Frieden in Europa Nicht-Sein. Die Sehnsucht nach Frieden wieder aufgerichtet werden. Etwas ande- ging wie ein großes Seufzen durch die res war genauso wichtig. Nur durch eine ganze Kirche. Der Papst in Rom hielt solche Einheit, mit dem Kaiser als sam- Ausschau nach einer Führergestalt, die melnden Mittelpunkt, konnte das die Christenheit gegen innere und äuße- Christentum die Möglichkeit erhalten, re Feinde verteidigen konnte. Sein Blick Wurzeln zu schlagen und zu wachsen. richtete sich nach Westen zum Reich der Mit anderen Worten: Für Karl den Gro- Franken. Hier herrschte König Chlod- ßen war es ein und dieselbe Sache, Euro- wig. Er war der erste germanische Fürst, pa mit dem Schwert zu einen, um so das der Christ wurde (496). Die Franken Kreuz aufzupflanzen. Unsere Generation folgten dem Beispiel des Königs. Einer kritisiert mit der Besserwisserei der spä- seiner Nachfolger, Pipin, wurde von dem ter Geborenen eine solche Religionspo- heiligen Bischof Bonifatius zum König litik. Die Christen jener Zeit – sowohl gesalbt. Eine solche Salbung ist ein Sak- die geistlichen als auch die weltlichen rament, eine Art kirchlicher Weihe, die Autoritäten – sahen keine andere Lö- dem König sowohl das Recht als auch sung, um das politische und religiöse die Pflicht gibt, die Kirche gegen innere Chaos zu beenden, das Europa so viel und äußere Feinde zu verteidigen. Von Blut kostete. dieser Zeit an gebrauchte man die Be- Karl baute überall in seinem Reich ein zeichnung „König von Gottes Gnaden” dichtes Netz von Kirchen, Klöstern und oder „rex iustus” (= gerechter König). Schulen, und er unterstützte die kirchli- Der Frankenkönig Karl der Große wur- che Kulturarbeit als ein Mittel gegen die

102 Prälatur Trondheim heidnische Barbarei. Vom heutigen Ge- Olav kehrt heim in ein zerrissenes sichtspunkt aus können wir seine Norwegen Zwangsmissionierung und seine Einmi- Wir begleiten Olav auf seinem Heim- schung in kirchliche Angelegenheiten weg. Er fuhr über England. Hier ließ er kritisieren. Der Papst wies ihn mehrmals die Kriegsschiffe zurück und übernahm ordentlich in seine Bahnen. Aber mit zwei Handelsschiffe. Sie bekamen eine Blick auf den Frieden und die Stabilität, Besatzung von 220 Mann, ausgewählte die er in Europa schaffte, und auch hin- Männer mit Panzerhemden und guten sichtlich dessen, was er für die Ausbrei- Waffen. Im Herbst des Jahres 1015 stach tung der Kirche tat, wurde er in seiner er in See und segelte nach Norden. Auf Zeit als ein Fürst von Gottes Gnaden der Insel Selje vor Stad ging er an Land. betrachtet. Der Legende nach war hier die heilige Olav Haraldsson hat ihn sicher so ver- Sunniva einige Jahrzehnte vorher an standen, als er als neugetaufter Christ die Land gegangen. Kann darin ein göttli- Heimreise nach Norwegen antrat. Nun cher Plan verborgen sein? ist es auch ein Teil der Geschichte, dass Wie sah das Norwegen aus, in das Olav all das, was Karl der Große an politi- heimkehrte? Unser lang gezogenes Land schem Frieden und christlicher Einheit hatte einige gemeinsame Züge mit dem aufgebaut hatte, von seinen Nachfolgern zersplitterten Europa, dem Karl der Gro- in Schutt und Asche gelegt wurde, als sie ße 200 Jahre vorher am Beginn seiner das Reich unter sich teilten. Das 9. Jahr- Königszeit gegenübergestanden hatte hundert ist wohl eines der dunkelsten und das er doch zu einem christlichen Kapitel in der Geschichte der Kirche. Es Reiche sammeln konnte. Auch Norwe- folgte eine strahlende Erneuerung im gen war politisch und religiös gespalten, 10. und 11. Jahrhundert. Diese ging von als Olav nach vielen Jahren der Abwesen- dem französischen Kloster Cluny aus heit seinen Fuß auf norwegischen Boden und verbreitete sich wie ein Lauffeuer setzte. Nachdem Olav Tryggvason bei über das christliche Europa. Das Fürsten- Svolder gefallen war, wurde das Land un- ideal Karls des Großen kam noch einmal ter die Sieger aufgeteilt: den dänischen zu Ehren. Richard II, der Gastgeber König, den schwedischen König und den Olavs in der Normandie, brannte zu- Jarl von Lade. Die Dänen und Schweden sammen mit den Geistlichen seines Für- ließen sich in Båhuslen und dem Land stentums für die Reformgedanken. Dies um den Oslofjord nieder. Die Ladejarle taten auch die Geistlichen, die Olav von blieben Herr in Tröndelag und im Nord- England mit nach Norwegen nahm. westland. An anderen Orten konnten die Ich habe mich deshalb so lange bei Karl lokalen Herren machen, was sie wollten. dem Großen und der Zeit vor und nach Erling Skjalgsson war Herr im Südwest- ihm aufgehalten, damit wir Olav Ha- land und in Agder. Die östlichen Klein- raldssons Aufbauarbeit in Norwegen könige behielten ihre Macht in Oppland. besser verstehen. Das Vorbild Karls des Hålogaland wurde von den mächtigen Großen war ausschlaggebend für alle sei- Häuptlingen von Tjötta und Bjarköy be- ne späteren Taten als König. herrscht.

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Die Zerrissenheit Norwegens, als dessen menhalt zwischen den Sippen. Jede legitimer Erbe Olav sich verstand, reichte Großfamilie war sich selbst genug. Sippe noch weit tiefer. Norwegen war noch in stand gegen Sippe. Die Blutrache wurde vielerlei Hinsicht eine Gesellschaft, in ausgeübt, wenn ein Sippenmitglied von der die Sippe bestimmte. Aus Platzgrün- einem Gewalttäter aus einer anderen Sip- den kann ich dieses Phänomen nur in pe getötet wurde. Es war nicht die mora- sehr großen Zügen erklären. In vorhisto- lische Seite eines Mordes, die die Familie rischer Zeit war die Großfamilie oder die berührte, sondern die, dass die ganze Sippe die wichtigste soziale Einheit in Sippe durch den Verlust des Einen ge- Norwegen. Leiter war das älteste männ- schwächt wurde. Die Blutrache brauchte liche Mitglied. Wenn die Großfamilie so deshalb in erster Linie nicht am Mörder zahlreich wurde, dass der Erbhof nicht selbst vollzogen zu werden. Jedes beliebi- mehr Platz für alle hatte, zogen die Jün- ge Mitglied aus der Familie des Täters geren weg und errichteten eigene Höfe. konnte niedergemacht werden. So war Aber in der Regel zog man nur dorthin, auch die Sippe des Mörders geschwächt wo es möglich war, die Verbindung mit und das Stärkeverhältnis wieder herge- der Familie und dem Heimathof auf- stellt. Die Blutrache war Familienpflicht. rechtzuerhalten. In einer solchen Groß- Unterließ man sie, verlor man alles Anse- familie ging die Individualität des Einzel- hen und war ein ehrloser Mensch. Es ist nen in der Gemeinschaft unter. Alles, klar, dass diese Selbsthilfe zu vielen blu- was man machte, hatte nur ein Ziel: es tigen Fehden zwischen den Sippen füh- war zum Besten der Familie. Was die Sip- ren musste. Ein Mord löste mit unerbitt- pe zusammenband, waren Blutsbande licher Gesetzmäßigkeit eine Reihe neuer und der Ahnenkult. Die Verbindung zu Morde aus. Die Rache wurde vom Vater den Ahnen, die im Hügelgrab auf dem an die Söhne weitervererbt. Mit un- Sippenhof ruhten, wurde aufrechterhal- menschlicher Logik erstreckte sich das ten durch Opfer, magische Riten und Blutvergießen über Generationen. Sippenfeste, wo die Toten unsichtbar zu- Es liegt in der Natur der Sache, dass ein gegen waren. Hier auf dem Erbhof wur- zentrales Reichskönigtum, das die Men- den auch Rechtsstreitigkeiten vorge- schen um sich sammeln will, geringe bracht und gelöst. Die Sippe war auch Überlebenschancen in einer Gesellschaft der einzige effektive Schutz gegen Über- hat, wo Großfamilie gegen Großfamilie griffe und Beleidigungen von außen. steht. Nicht einmal das Christentum mit Ohne Sippe hatte man keinen Rechts- seiner Friedensbotschaft hat gute Wachs- schutz und konnte in Notzeiten keine tumsmöglichkeiten in einer ausgepräg- Hilfe erwarten. Der Tod war dann das ten Sippengesellschaft. Blutrache und sichere Los. Zwei Familien konnten sich Familienfehden lassen sich nun einmal durch Heirat in Freundschaft vereinen. schlecht in Übereinstimmung mit der Die Frau wurde auf diese Weise ein wich- kirchlichen Lehre vom Frieden auf Erden tiges Element im gemeinsamen Interesse für alle Menschen guten Willens brin- der Familien, mehr Macht zu gewinnen. gen. Das Christentum betont in allen Davon abgesehen gab es keinen Zusam- ethischen Fragen die persönliche Verant-

104 Prälatur Trondheim wortung des Einzelmenschen vor Gott; Landes vergangen hatte, dann lag die dies lässt sich schwer mit einer Sippen- Blutrache sehr nahe. Wir werden später moral vereinbaren, wo das Wohl der Fa- sehen, dass die Blutrache eine der Kräfte milie der einzige Maßstab für Gut und war, die Olav in Stiklestad fällte. Es gibt Böse ist. Und die kirchliche Verkündi- Historiker, die annehmen, dass der gung der Nächstenliebe, die sich auch Übergang von der Sippen- zur Staatsge- gegenüber den Ärmsten der Armen zei- sellschaft bis zum Jahre 1200 dauerte. gen soll, reimt sich nicht mit der souve- Bereits jetzt ahnen wir die Schwierigkei- ränen Verachtung für all das, was sich ten, die Olav in seiner Regierungszeit als außerhalb der eigenen Familie befindet. König bekommen sollte. Nun gehört aber auch Folgendes zur Ge- schichte: Als Olav Haraldsson nach Nor- Olav Haraldsson, wegen zurückkehrte, war die Sippenge- König in Norwegen sellschaft in Auflösung begriffen. Bau- Olav setzte seinen Fuß erst auf norwegi- ernsiedlungen und kleine Reiche, die schen Boden, als er erfahren hatte, dass unter einem Häuptling oder Kleinkönig Jarl Eiriks Sohn, der junge Håkon, nur standen, waren herangewachsen. Rechts- mit einem Schiff unterwegs war. Mit ei- streitigkeiten wurden auf dem Gemein- ner Kriegslist brachte Olav dessen Schiff de- oder Provinzthing entschieden. Aber zum Kentern und nahm den Sohn des die Herausbildung solcher Institutionen Jarls gefangen. Er ließ ihm gegenüber wurde stark durch die alte Sippenord- Schonung walten unter der Bedingung, nung behindert, die tiefe Wurzeln im das Land zu verlassen und zu seinem Va- Volk hatte. Auch Jarle und Häuptlinge ter Eirik, Jarl in England, zu gehen. wie Erling Skjalgsson, Kalv Arnesson, Dann segelte Olav in südöstlicher Rich- Hårek auf Tjötta und Tore Hund dach- tung an der Küste entlang bis Viken. ten in erster Linie an den Vorteil ihrer Von dort zog er zu Fuß in die heimatli- Sippe. Realpolitisch betrachtet waren sie chen Gefilde (Opplandene), wo er die sich schon darüber im Klaren, dass Nor- meiste Unterstürung erwarten konnte. wegen einen Oberkönig brauchte, der Der heimgekehrte Seekönig wird von die Verteidigung des Landes gegen frem- Mutter Åsta und Stiefvater Sigurd Syr de Wikinger organisieren und Ruhe im begeistert empfangen. Beide verspre- Inneren schaffen konnte. Wenn aber die- chen, ihm nach Kräften zu helfen. Olav ses Reichskönigtum dazu führte, dass die bringt seine Sache vor Großbauern und Macht der Sippe beeinträchtigt wurde, Kleinkönige in Opplandene. Die Häupt- dann wünschten sie sich lieber einen aus- linge bereden die Sache gründlich unter ländischen König, der weit weg war und sich. Am Ende wählen sie ihn zum Ober- die lokalen Häuptlinge in ihrem Macht- könig. bereich schalten und walten ließ. Und Hinter diesem Beschluss stand keine sollte das Schlimmste von allem gesche- nationale Begeisterung; es hätte ihnen hen, dass nämlich der Reichskönig einen wohl eher gedämmert, dass auf die Mann aus mächtiger Familie töten ließ, Dauer die Reichsmonarchie nicht mehr weil dieser sich gegen die Gesetze des zu umgehen war. Sie hofften nur, dass

105 Prälatur Trondheim der neue Oberkönig sich nicht so sehr Schweden ins Reine zu bringen. Der in ihre lokalen Angelegenheiten einmi- Schwedenkönig hatte wenig für Olav schen würde. übrig; aber nach langen Verhandlungen Alle waren Heiden. Olav ließ das Werk und vielen Streitereien endete es damit, der Christianisierung vorerst auf sich dass Olav Ranrike (Båhuslen) zurück- beruhen. Er rüstete Schiff und Mann- bekam. Der Vergleich sollte durch eine schaft aus und nahm Kurs westwärts, Hochzeit besiegelt werden. Olav sollte immer an der Küste entlang. Bei Nesjar Ingegerd, die Tochter des Schwedenkö- im Langesundfjord gewann er eine gro- nigs, zur Frau erhalten. Die Hochzeit ße Seeschlacht gegen Jarl Svein; dieser sollte auf der norwegischen Seite der flüchtete nach der Niederlage nach Grenze zu Schweden stattfinden. Als Schweden, wo er bald starb. Nach die- der Hochzeitstag kam, war keine Braut ser Seeschlacht wurde Olav als König da. Der Vater hatte sie inzwischen weit über ganz Viken und Agder anerkannt. weg mit Fürst Jaroslav, dem Oberherrn Darauf segelte er direkt nach Tröndelag, von Novgorod, verheiratet. Olav trug wo nach der Flucht der Jarle kein schwer an dieser Sache. Wenn wir der Häuptling mehr war. Auf dem Öre- Saga Glauben schenken wollen, war thing wurde ihm gehuldigt. Er ließ sich zwischen der Königstochter und dem nun auf Nidarnesset nieder, baute sich heimgekehrten Seekönig so etwas wie ein Haus und errichtete die Klemens- eine „Liebe auf Entfernung” entstan- kirche. den. Dieser Betrug durch den Schwe- Bald darauf wurde er auch in Inntrön- denkönig wurde dann wieder gutge- delag als König anerkannt. Darauf se- macht. Astrid, die Tochter des Schwe- gelte er wieder nach Süden. Ein Thing denkönigs, lief mit einer Dienerin von nach dem anderen akzeptierte ihn als zu Hause weg und bot sich Olav als König. Ersatz für ihre Schwester an. Olav nahm Auf Sola lebte der letzte bedeutende das Angebot an und heiratete sie. Mann, der sich ihm noch nicht unter- Nachdem Olav die Dinge im Süden so worfen hatte, der mächtige „König von einigermaßen nach seinem Wunsch ge- Rogaland”, Erling Skjalgsson. Er war regelt hatte, nahm er den Weg nord- einer der mächtigen Leute, die bei Nes- wärts nach Hålogaland, wo er von den jar gegen ihn gekämpft hatten. Zwi- örtlichen Thingversammlungen zum schen Erling und Olav wurde auf Kvit- König gewählt wurde. Nun war er – je- söy in Ryfylkeleia ein Vergleich ge- denfalls dem Namen nach – König von schlossen. Aber König Olav ging nicht ganz Norwegen. auf die Forderungen ein, die Erling für sich und seine Sippe gestellt hatte. So Olav und das Werk kam es nie zu einer wirklichen Freund- der Christianisierung schaft zwischen den beiden. Zu dieser Zeit setzte Olav all seine Kraft Nachdem Olav nun zum König über daran, Norwegen christlich zu machen. ganz Mittel- und Südnorwegen bestellt Doch wäre es falsch zu glauben, dass er war, ging er daran, sein Verhältnis zu einem durch und durch heidnischem

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Volk gegenüberstand. Große Teile der Meinung bestätigt, Olav sei das Gegen- Bevölkerung waren bereits christianisiert teil eines Heiligen, nämlich ein grausa- – wenn auch mehr dem Namen als dem mer Mensch, gewesen. Sein nach. Das Christentum hatte schon Wenn Historiker oder Romanschreiber festen Fuß gefasst, in den Küstenbezir- Personen aus vergangenen Zeiten schil- ken von Viken im Süden bis zu den Au- dern wollen, stehen sie immer vor der ßenprovinzen im Norden. Die Groß- sehr schwierigen Aufgabe, sich in deren Häuptlinge, die später Olav bei Stiklestad Gedanken- und Vorstellungswelt einzu- töten sollten, waren in einem gewissen fühlen. Der Verfasser dieses Beitrags ist Sinne christianisiert. In den Inlandsbe- alt genug, um sich an die Lage von Haus- zirken Ostnorwegens und in Tröndelag mädchen vor dem letzten Weltkrieg zu war das Heidentum aber tief verwurzelt. erinnern: Schwere Arbeit von morgens Man hat oft sehr kritisch vermerkt, Olav bis abends für 25 Kronen im Monat; mit hätte Norwegen zwangschristianisiert. einem Lächeln die Frechheiten unver- Das stimmt aber nur zum Teil. Wie schämter junger Leute ertragen; einen schon berichtet, waren große Teile der halben Tag pro Woche frei; wenn die Bevölkerung bereits christianisiert. Wenn Herrschaften bis in die späte Nacht hin- er in den Inlandsbezirken missionierte, ein Partys feierten, keine Bezahlung von genügten in der Regel einige Machtde- Überstunden; eine winzige Kammer, monstrationen, um das Volk zur Taufe zu wenn sie todmüde zu Bett gehen konn- bringen. Wir erinnern etwa an die Erzäh- ten. – So schufteten diese Mädchen vom lung von Hundorp. Hier ließ der König Lande in den Stadtfamilien noch vor 70 die Thorsfigur der Gegend zerschlagen; Jahren. Würde heutzutage eine ähnliche heraus sprangen Mäuse und krochen soziale Ungerechtigkeit aufgedeckt, im Würmer. Sonst geschah nichts! Kein ganzen Land würde sich ein Protestge- Hammer des Gottes flog pfeifend durch schrei erheben. Damals aber – vor dem die Luft, um den Gotteslästerer zu töten. letzten Krieg – hätte sich keine einzige Mehr brauchte es nicht, um die Ohn- Stimme zum Protest erhoben. Die Haus- macht der Götter und die Allmacht des frau behandelte nun einmal ihre Hausge- Christengottes zur Schau zu stellen. Die hilfin so – und zwar mit gutem Gewis- Leute ließen sich taufen und machten sen. Das musste so sein. Es geschah in mit den Götteropfern Schluss. Die Göt- gutem Glauben. Die gute Frau ging da- ter selber verschwinden oder werden in bei brav zur Kirche, sprach ihr Abendge- die Welt der Dämonen verdrängt. bet und lebte in Frieden mit sich selbst, Aber nicht immer ging es so leicht mit mit Gott und mit jedermann. Das kön- der Einführung des Christentums. Snor- nen wir ein halbes Jahrhundert danach re erzählt mehrere Male, dass denjenigen, mit unserem sozialen Gewissen kaum die sich nicht taufen lassen wollten, mit fassen. So ist es fast unmöglich, die Mo- Verstümmelung oder Verlust von Leben tive zu prüfen und ein moralisches Urteil und Besitz gedroht wurde. Wegen dieser über eine Person zu fällen, die vor mehr „Schwertmission” zweifeln viele an der als 900 Jahren gelebt hat. Heftige Kritik Heiligkeit Olavs und fühlen sich in der auf der Grundlage der heutigen Toleranz

107 Prälatur Trondheim und Glaubensfreiheit ist nicht sachge- Das kann er schenken, wem er will. Das recht. Ein Besuch im heutigen Saudi hatte nahezu etwas Magisches an sich. Arabien könnte uns eine Verbindungsli- Olav war in die Gefolgschaft Christi ein- nie zur Zeit Olav Haraldssons aufzeigen. getreten. In Taufe und Firmung hatte er Zu allen Zeiten der Geschichte hat es der vor dem Himmelskönig seinen Treueid Fürst als sein sonnenklares Recht angese- abgelegt; auf seiner Seite stand er nun im hen, über die Religionsausübung seiner Kampf gegen Satan und seine gefallenen Untertanen zu bestimmen. So auch im Engel. Alle mussten sich Gottes Willen Norden. In der heidnischen Sippenge- beugen. Ging das nicht mit Worten, sellschaft war der älteste Mann auf dem musste es mit dem Schwert in der Hand Sippenhof für Opfermahl und Ahnen- geschehen. Der Himmelskönig duldete kult verantwortlich. Die nordischen Kö- keinen Widerspruch. Olav führte nur nige stammten im Bewusstsein des Vol- seine Befehle aus. Wer sich weigerte, kes von den Göttern ab. Als Götter- Gottes Willen zu beachten, musste das sprösslinge standen sie den „Mächten” mit Verstümmelung oder Verlust von Le- näher als der gemeine Mann. Sie waren ben und Besitz zahlen. Die Zwangsmis- Opferpriester und hatten die Verbindung sionierung muss für Olav eine Gewis- zu den Fruchtbarkeitsgöttern zu sichern, senssache gewesen sein. Er handelte sub- von denen gute Ernten und Frieden ka- jektiv in gutem Glauben. Sein großes men. Als Könige sollten sie dem Volk das Vorbild, Karl der Große, hatte genauso Glück vermitteln. gehandelt, als er die Sachsen zur Taufe Solche Vorstellungen hat noch der junge zwang. – Olav ins Christentum mitgenommen. Können wir etwas anderes erwarten? Der Wir können uns nur wundern, dass die Übergang von der heidnischen zur Bischöfe in seinem Gefolge, die Olav von christlichen Gedankenwelt ist ein Prozess England mitbrachte, ihm nicht beibrin- über Jahre hin. Snorre gibt zu verstehen, gen konnten, von der Schwertmission dass Olav Norwegen als sein Sippenerbe abzulassen. Die angelsächsischen Geistli- betrachtete. Er war der erste im Sippen- chen waren doch ganz auf der Linie der land. Deshalb trug er die Hauptverant- katholischen Kirchenlehre, dass kein Hei- wortung für einen direkten Kontakt mit de mit Zwang bekehrt werden darf. Die den höheren Mächten. Aber hier, in der Bekehrung darf nur freiwillig geschehen. Götterwelt, hatte eben ein Generations- Wir denken dabei an König Håkon den wechsel stattgefunden: Thor, Odin, Guten und seine Missionsmethode. Er Njord und Fröy waren durch Christus war am englischen Hof erzogen worden. und sein Heer von Engeln und Heiligen Wir geben zu, dass es für die englischen ersetzt. Olavs, des Sippenhäuptlings, Bischöfe in seinem Gefolge nicht leicht Aufgabe war aber die gleiche geblieben: gewesen sein mag, den neubekehrten Wi- Vermittler zu sein für die Gnade des kingerkönig auf mildere Bahnen zu len- Himmelsgottes. So muss er es verstanden ken. Wenn wir der Verfasserin Sigrid Un- haben. Es ist sehr auffallend, wie oft die dset Glauben schenken, dann muss Olav Saga von König Olavs Glück spricht. gemeint haben, dass sich hinter der heid-

108 Prälatur Trondheim nischen Götterverehrung dämonische Gehöfte niederbrannte, widerstrebende Kräfte verbargen – und wer geht schon Heiden verstümmelte oder tötete, ging zaghaft gegen höllische Kräfte an? Das die dünne, nur wenige Jahre alte Mauer war das überzeugende Argument, gegen zwischen dem heidnischen Seeräuber das die englischen Prälaten kaum etwas und dem christlichen Reichskönig zu vorzubringen hatten. Sie fühlten sich da Bruch. Heidnische Vergangenheit und auf unsicherem Boden. Kannten sie doch christliche Gegenwart flossen ineinander die angelsächsischen Gesetzesbestimmun- über in all ihrer brutalen Realität. Was gen, nach denen Zauberer und Hexer ver- können wir anders erwarten? – Es gibt trieben oder getötet werden mussten, Geistliche, die der Ansicht sind, dass es wenn sie keine Buße taten. In Odd fünf bis zehn Jahre dauert, bis ein Protes- Munks Saga über Olav Tryggvason hören tant, der sich heute zum Katholizismus wir aber, dass Bischof Jon-Sigurd mehrere bekehrt, gelernt hat, „katholisch zu den- Male den König wegen seiner brutalen ken”. Und dabei ist der Unterschied trotz Missionsmethode tadelte; abbringen allem nicht so übermäßig groß. Wie viel konnte er ihn aber nicht davon. länger muss also dieser Prozess für einen Diejenigen aber, welche keinerlei religi- heidnischen Wikinger gedauert haben! onsgeschichtliches Verständnis für Olavs Wir wollen aber nicht länger auf Olavs Schwertmission aufbringen, möchten wir Schwertmission starren. Es ist an der etwas herausfordern mit dem Hinweis da- Zeit, auf all das Positive zu schauen, das rauf, dass in unserem Lande bis in unsere er für die christliche Sache in Norwegen Zeit auch keine Glaubensfreiheit existier- erreicht hat. Wie bereits erwähnt, hatte te. In der Zeit von 1537 bis 1843 war Olav bei seinem Überwintern in Rouen jegliche katholische Wirksamkeit hier zu begriffen, dass das Christentum nicht Lande – per Gesetz – verboten. Und sogar wie eine vage Theorie in der Luft hing. Er 1955 wurde einem norwegischen Studen- erfuhr, dass es in die Länder ausgebreitet ten der Aufenthalt in seinem Heimatland wurde, von einer zusammengeschweiß- Norwegen verboten, weil er in den Jesui- ten Kirche mit einer Organisation, die tenorden eingetreten war. Aber auch die viel effektiver war als diejenige, die er in katholische Kirche hat bis in unsere Tage den weltlichen Fürstentümern kennen Fehler bezüglich religiöser Duldung ge- gelernt hatte. Er lernte auch, dass der macht. – Großhäuptling in Rom saß und dass sei- ne Beauftragten seine Schafe in abge- Aber zurück zu Olav Haraldssons grenzten Bistümern hüteten; ihnen un- Schwertmission. Ein Sonntagsschulkind terstellt taten das Gleiche die Priester in war er nicht. Er muss geglaubt haben, ihren Pfarreien. Diese Kirchenorganisati- den Willen Gottes zu erfüllen, wenn er on mit ihren festen Gesetzen und Regeln das Volk unter Zwang christianisierte. sollte nun auch in Norwegen Fuß fassen. Aber die Gesinnung, das heißt die Ge- Bis dahin war das Christentum eine fühle, die ihm durchgingen, wenn er mit ziemlich unverbindliche Sache gewesen. Gewalt vorging, war keineswegs christ- Was zählte, war die Taufe und dass man lich. Wenn er Gottestätte verwüstete, mit Opfermahl und Ahnenkult Schluss

109 Prälatur Trondheim machte. So verstanden, bedeutete das Es ist freilich schwierig festzustellen, wel- Christentum keinen ernsthaften Eingriff che christlichen Gesetze ganz auf Moster in die Sippenkultur der Mächtigen und zurückgehen und welche später, im Lau- Reichen. Das sollte nun anders werden, fe der Jahrhunderte, hinzugefügt wur- wenn die Kirchenorganisation festere den. Formen annahm. Bemerkenswert aber ist, dass das ganze Von England hatte Olav fünf Bischöfe Gesetzeswerk von der Zeit an – sowohl mitgebracht. Derjenige, der die größte der kirchliche als auch der weltliche Teil Bedeutung für die Organisation der ka- – unter dem Namen „St. Olavs Gesetz” tholischen Kirche in Norwegen erlangte, weiter existierte bis zur Reformation und war Bischof Grimkjell. Er war des Königs noch in die folgenden Jahrhunderte hin- bester Freund und Partner in der Zusam- ein. Diese Tatsache sagt zwar wenig über menarbeit in kirchlichen Belangen. In den Zusammenhang von früheren und den zwanziger Jahren, vielleicht im Jahre späteren Gesetzen aus, umso mehr aber 1023, fand einmal eine Epoche machen- über die Rolle, die König Olav im Be- de Versammlung in Moster (Sunnhord- wusstsein des Volkes als Mann und Ga- land) statt. Wenn wir den historischen rant des Gesetzes spielte. Forschungen von Fridtjov Birkeli Glau- Worauf bezog sich nun, in kurzen Zü- ben schenken, ging es dabei nicht um gen, das Kirchenrecht? Es drehte sich um eine gewöhnliche Thingversammlung, äußere Vorschriften und Verbote, die das sondern um eine Kirchenversammlung Christenvolk einzuhalten hatte. Das Ge- nach angelsächsischem Muster, zu der setz des Things von Gulen beginnt so: die Bischöfe und die Leute des Königs „Es ist der Anfang unseres Gesetzes, dass zusammenkamen. Diese Kirchenver- wir uns gen Osten neigen und beten sol- sammlung sollte nicht beschließen, dass len zu dem heiligen Christ um Frieden die Norweger sich im Allgemeinen zum und ein gutes Jahr, dass wir unser Land Christentum bekehren sollten. Das war bewirtschaften und unseren König völli- schon auf den Provinzthingen angenom- ge Treue halten sollen, weil er uns Freund men worden. Ganz neu in der norwegi- ist und wir ihm, und weil Gott unser al- schen Geschichte war, dass nun das ler Freund ist”. Christenrecht Gesetz werden sollte, d.h. Dann folgen gesetzliche Bestimmungen: die Kirchengesetze sollten angenommen Neugeborene Kinder bleiben am Leben werden. Auf diesem Gebiet hatte König und werden nicht im Wald ausgesetzt. Olav wenig Erfahrung. Höchst wahr- Knechte sollen jedes Jahr freigekauft wer- scheinlich war es Bischof Grimkjell, der den. Vielweiberei ist verboten. Ein Mann die Initiative zu dieser Kirchenversamm- soll nur eine Frau haben. Strenge Strafen lung ergriff und die Hauptverantwor- gelten für Vergewaltigung und Frauen- tung für die Formulierung des Christen- raub. Fleischessen ist am Freitag verbo- rechtes auf norwegischem Boden trug. ten. Die sieben Wochen vor Ostern soll Später wurde das Christenrecht auf den gefastet werden. Heiraten mit Verwand- Provinzversammlungen von Süd nach ten bis zum 7. Grad sind verboten. Neu- Nord angenommen. geborene Kinder sollen zur Taufe in die

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Kirche gebracht werden. Es ist verboten, recht. In diesem Eifer für die Sache Tote in Erd- oder Steinhügeln zu beerdi- Christi war er ständig unterwegs – an der gen. Der Leichnam soll zur Kirche ge- ausgedehnten Küste entlang und kreuz bracht und in geweihter Erde bestattet und quer im Landesinnern. Wo er hin- werden. Ein Begräbnis in geweihter Erde kam, ließ er auf der Thingversammlung wird Verbrechern, Landesverrätern, Mör- den Bauern das Christenrecht vorlesen. dern, Räubern oder Selbstmördern ver- Und als Erstes wollte er dann untersucht weigert. In jeder Provinz sollen Kirchen haben, ob sich die Leute auch wirklich gebaut werden. Der Bischof überwacht daran hielten. Snorre erzählt, dass „in sie und setzt Priester ein. Die Leute in- den Küstengebieten die Leute fast überall nerhalb der Provinzgrenzen sind für den getauft waren, das Christengesetz kann- baulichen Zustand der Kirche und für ten die meisten aber nicht”. Viele Bauern den Unterhalt der Priester verantwort- und sehr Wohlhabende bekamen sicher lich. Schwierigkeiten damit: Sollte man wirk- Wie wir sehen, geht es beim Christen- lich seinen Arbeitern an Sonn- und Fei- recht um konkrete Gesetzesbestimmun- ertagen arbeitsfrei geben? Wie sollte es gen, um einen äußeren Rahmen für das dann mit dem Landwirtschaftsbetrieb Christenleben des Volkes. Begriffe späte- weitergehen? Sollte ein Hausvater auf rer Zeit wie „persönliche Bekehrung” sein Recht verzichten, schwächliche oder und „inneres Glaubensleben” sind vor- missgebildete Kinder auszusetzen? Sollte erst unbekannt. Das Christentum muss ein Distriktshäuptling oder Grossbauer „gehalten werden”. Die Förderung des sich freiwillig einverstanden erklären, inneren Glaubenslebens ist Sache der dass ein ausländischer Bischof über die Priester, die sich in Sakramentenverwal- Provinzkirchen, ja sogar über ihre eige- tung, Verkündigung und Seelsorge dar- nen Privatkirchen auf den Höfen be- um bemühen. Alles deutet darauf hin, stimmte? Sollten sie akzeptieren, dass dass der Übergang von der Beobachtung dieser fremde Kerl das entscheidende äußerer Regeln zu einem inneren Leben Wort bei der Besetzung der Priesterstel- des Christentums in den Einzelpersonen len in den Kirchen hatte? Sollte ein Generationen brauchte. Eine solche stu- mächtiger Mann auf die Vielweiberei fenweise Einführung des Christentums verzichten und Frau Nr. 2 und Nr. 3 war notwendig. Bischof Grimkjell war wegschicken? Hier war alles für Konflikte ein kluger Religionspsychologe. Will vorpräpariert. Hier stand das christliche man ein Haus bauen, beginnt man nicht Reichskönigsrecht im Streit mit dem per- mit dem Dachgeschoß; zuerst muss das sönlichen Verfügungsrecht der Sippen- Fundament gelegt werden. Das Chris- häuptlinge – in Sachen, die seit Urväter- tenrecht wurde in Moster gesetzt und tagen jeder für sich in Anspruch genom- ging dann auf den Thingen der einzelnen men hatte. Landesteile in die norwegischen Landes- Wie reagierte Olav auf diesen Wider- gesetze ein – anderen Gesetzesbestim- stand? Es gibt einen Satz, der mit weni- mungen ebenbürtig. gen Änderungen in der Saga immer wie- Olav eiferte glühend für das Christen- derkehrt: „Denen, die sich nicht dem

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Christengesetz beugen wollten, drohte er Für ihn ging es darum, sie mit der katho- mit Verstümmelung und Verlust von Le- lischen Universalkirche zu verknüpfen, ben und allem Besitz – und das galt für die mittlerweile ihr Dach über den größ- alle.” Mit anderen Worten: Gleichheit ten Teil Europas gewölbt hatte. Deshalb vor dem Gesetz. Dass er die armen Leute auch sandte er aus seinem Gefolge Bi- herumkommandierte, wurde akzeptiert; schof Grimkjell zum Erzbischof von dass er aber in das religiöse Verfügungs- Hamburg – Bremen. Von jetzt an gehör- recht der Sippengesellschaft einbrach te die norwegische Kirchenprovinz für und die mächtigen und reichen Leute lange Zeit unter dessen Leitung. Das war zwang, sich unter Rechtsbestimmungen auch der ausdrückliche Wunsch des zu beugen, die von außen kamen, fremd Papstes gewesen. Die Reise nach Bremen wirkten und sie schädigten, – das konnte hatte wohl auch zum Ziel, den Erzbi- manch einer von ihnen schwerlich schlu- schof dazu zu bewegen, die Form gutzu- cken. heißen, die das Christenrecht auf norwe- gischem Boden erhalten hatte. Ich erlaube mir, den Gang der Geschich- Hinter allem, was König Olav tat, sehen te vorwegzunehmen, indem ich schon an wir sowohl den Gesetzgeber als auch den dieser Stelle behaupte, dass dieser Kon- Hüter des Gesetzes. Sein Interesse galt flikt – neben einigen anderen – die Fein- aber nicht nur dem Christenrecht, son- de schuf, die König Olav bei Stiklestad dern auch – und zwar im gleichen Maße tötete. Moderne Historiker wiederholen – dem weltlichen Teil der Provinzgesetze, ständig, die Schlacht bei Stiklestad habe wie sie von alten Zeiten her auf den nichts mit dem Christentum zu tun ge- Thingversammlungen geformt worden habt. Diese Behauptung ist zweifelhaft. waren. Eine gesetzgebende Macht besaß Die meisten Kämpfer im Bauernheer wa- der König zwar nicht, doch hatte er ei- ren zwar getauft, aber mancher getaufte nen gewissen Einfluss auf die gesetzli- Häuptling fand das Christentum unge- chen Regelungen, wie aus der Saga her- nießbar. Deshalb, ja auch aus diesem vorgeht. Grunde, wollten sie den König umbrin- Snorre schreibt: „Er lud die kundigsten gen, der ihnen das christliche Gesetz auf- Leute ein, mächtige und reiche Männer zwang. Auf der anderen Seite des Kon- und arme Leute; dann ließ er sich oft die fliktes stand der christliche Reichskönig, Gesetze vortragen, die Håkon Adel- der die heilige Überzeugung hatte, den steinsfostre in Tröndelag erlassen hatte. Willen Gottes zu erfüllen, wenn er mit Er änderte die Gesetze nach dem Rat der Behutsamkeit oder mit Gewalt das kundigsten Leute; er nahm heraus und Christenleben der Leute mit einem Ge- fügte hinzu, was er für notwendig hielt.” setzeswerk verflocht, das übrigens im ka- Eine richterliche Gewalt hatte auch der tholischen Europa gemeinchristliches König nicht. Aber die Saga berichtet, Erbe war. dass ihm viele ihre Angelegenheiten un- Aus der Saga geht hervor, dass König terbreiteten. Snorre schreibt, dass der Olav die norwegische Kirche nicht nur König, als er mit den Bauern in Valdres als ein nationales Anliegen betrachtete. eine Thingversammlung abhielt, sie frag-

112 Prälatur Trondheim te, „ob da auf dem Thing welche wären, sammlungen richteten sie über Bauern die Sachen gegeneinander hätten, die sie und arme Leute nach den Landesgeset- gern von ihm entschieden sehen woll- zen. Selbst aber nahmen sie sich Freihei- ten.” Aus dem weiteren Bericht geht her- ten heraus, die den Frieden auf dem Lan- vor, dass viele, die mit anderen in Streit de bedrohten. Manch einer der mächti- lagen, ihre Beschwerden vor den König gen und reichen Leute schreckte nicht brachten. „Den ganzen Tag lang wurde davor zurück, in seinen eigenen Lokalge- darüber verhandelt; am Abend wurde das meinden oder in entfernteren Gebieten Thing geschlossen.” längs der norwegischen Küste zu plün- Als Hüter des Gesetzes hatte er seine dern. Das Gulathinggesetz hat ein eige- wichtigste Aufgabe, nämlich den zu be- nes Kapitel über „Wikingerfahrt im eige- strafen, der sich gegen das herkömmliche nen Land”. Snorre führt das mit Abscheu Gesetz und Recht vergangen hatte. Auch an: „Es war in Norwegen gang und gäbe, hier waren starke Konflikte vorprogram- dass Söhne von Gefolgschaftsleuten oder miert: In der alten Sippengesellschaft lag reiche Bauern mit Kriegsschiffen aus- die gesetzgebende und richterliche Ge- fuhren, um im In- und Ausland auf walt bei den Thingversammlungen. Um Plünderung zu gehen; auf diese Art ver- die Vollstreckung des Urteils kümmerte schafften sie sich Reichtümer.” Hier se- sich die geschädigte Konfliktpartei selbst. hen wir wieder ein Symptom und die Wurde der Gewaltverbrecher geächtet, Fortführung einer engstirnigen, auf sich war es Sache der Mitglieder der betroffe- selbst gerichteten Sippenmoral. Das Ziel nen Sippe, ihn zur Strecke zu bringen. heiligt die Mittel. Das Ziel war: Vermeh- Das war wohl die naheliegendste Lösung rung des Sippenvermögens. Deshalb in einem Land, das zu dieser Zeit weder plünderte, tötete, beraubte man die Gefängniswesen noch Polizei kannte. In schwächeren Sippen und die armen Leu- einer Zeit einigermaßen gleichwertiger te längs der norwegischen Küste. Sippen und in einer ziemlich homoge- Snorre berichtet weiter: „Nachdem aber nen Gesellschaft ließ sich das machen, König Olav die Königsherrschaft über- obwohl die Vollstreckung des Urteils sich nommen hatte, verschaffte er dem Land in die Länge ziehen konnte. (Auf Island Frieden. Er machte Schluss mit den Räu- hielt sich der Recke Grettir 20 Jahre ver- bern im Lande, auch wenn es sich um steckt, bis die Gegner ihn erwischten Söhne mächtiger und reicher Leute han- und beseitigten.) delte. Brachen sie den Frieden oder be- Zu König Olavs Zeiten war das aber gingen sie andere Verbrechen gegen das schon anders. Die Sippengesellschaft war Gesetz, so begnügte sich Olav nicht mit teilweise in Auflösung begriffen. Der Sip- einer geringeren Strafe als Verstümme- penvater war nun Distriktleiter oder lung oder Hinrichtung, – sofern es zu Häuptling großer Gebiete geworden – einer Strafverfolgung kam. Da halfen we- dachte aber weiterhin rein lokal, selten der Bitten noch Geldbußen.” im Sinne der Reichspolitik. Diese Sip- Snorre stützt sich dabei auf ein Gedicht, penhäuptlinge handelten eigenmächtig, das der Skalde Sigvat, Olavs bester so viel sie konnten. Auf den Thingver- Freund, verfasst hatte:

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„Mächtige Leute, die Unfrieden stifteten, Leute nach einem angemessenen Urteils- versuchten oft, sich mit rotem Gold frei- spruch des Königs ihre Verwandten ver- zukaufen; der König winkte aber ab. Mit loren. Das war der Grund dafür, dass sich dem Schwert, sagte er, muss der Haar- das Volk im Lande gegen Olav erhob. Sie schopf solcher Kerle gestutzt werden. So ertrugen einfach seinen Gerechtigkeits- müssen das Reich geschützt und solche sinn nicht; er aber wollte lieber die Kö- Leute für ihr räuberisches Unwesen ge- nigskrone verlieren als ungerecht zu rich- züchtigt werden. ten.” Der teure Fürst sorgte sich um uns wie Zur Zeit der Herrschaft König Olavs la- ein großartiger Wolf. Diebe und Räuber gen in Norwegen die Sonderinteressen machte er nieder. Das Raubwesen wurde der Sippen im Streit mit dem Kampf des geringer. Der gute König machte, dass Königs um Gerechtigkeit und Frieden alle gerissenen Diebe Füße oder Arme für alle. Von diesem seinem Regierungs- verloren. In des Fürsten Land wurde der programm konnte der König keinen Zoll Friede besser. Er verteidigte das Land mit breit abweichen, – und das sollte zu sei- scharfen Waffen, zu Hunderten verloren nem Tode führen. Norwegische Histori- Wikinger ihren Haarschopf. Der gute ker sind schnell dabei, König Olav als Vater von Magnus gewann manchen gu- einen rachesüchtigen Phantasten zu be- ten Sieg und Olav Digres Ansehen wuchs zeichnen, wenn er in die Sippengesell- nach den meisten Siegen.” schaft eingriff. Die Saga stellt das aber Was wir uns in diesem Zusammenhang anders dar: Wenn der König die Mächti- besonders einprägen sollten – bei Snorre gen und Reichen wegen Gesetzesverge- wie auch bei Skalde Sigvat – ist das Ge- hen bestrafte, wird das nicht als ein im- wicht, das beide auf das Rechtsempfin- pulsiver Racheakt dargestellt. Die Saga den des Königs legen. Für ihn sind alle berichtet, dass der König über Gesetzes- vor dem Gesetz gleich. – Hätte er sich und Rechtsbruch sehr ungehalten war – damit begnügt, kleine Gauner und Ge- das leidenschaftliche Blut der Hårfagre- sindel der Landstraße zu bestrafen, keine sippe und die Besessenheit des Wikinger- einzige Stimme hätte sich erhoben. Aber lebens wogten und wallten immer noch dass er es wagte, in das einzubrechen, was in ihm, aber er bewahrte stets innere dem Sippenhäuptling dem Herkommen Ruhe. Ein besonnenes Gerichtsverfahren nach zustand, nämlich – innerhalb und ging in jedem Falle einer Strafvollstre- außerhalb seines Machtbereiches – Krieg ckung voraus, die sich gern ein oder zwei zu führen, wann er wollte, das konnten Tage hinausschieben konnte. sie nicht ertragen. Hatte König Olav eigentlich eine Wahl Snorre schreibt gegen Ende seiner Olavs- in seinem Verhältnis zu den mächtigen saga: „Er sorgte dafür, dass Reiche und und reichen Leuten? Er hätte ganz gut Arme die gleiche Strafe erhielten, aber ungestört als König in Norwegen sitzen das Volk fand, dass er deswegen einen können, wenn er die Häuptlinge nach großen Dünkel hatte; und so kam eine ihrem Gutdünken hätte schalten und Feindschaft gegen ihn hoch, wenn in ei- walten lassen. Aber wie hätte es dann um nem berechtigten Gerichtsverfahren die die Sache Gottes ausgesehen? In einem

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Land, wo Sippenfehden, Widerstand ge- den andauernden Sippenfehden der ger- gen das Christenrecht und Plünderun- manischen Stammeshäuptlinge flossen. gen auf eigenem Boden sich hätten un- Grimkjell mag ihm berichtet haben, wie beachtet austoben können, hätte das der Kaiser im Kampf für Gesetz und Christentum nur wenig Chance gehabt Ordnung gesiegt hatte. Er hat wohl auch mehr zu sein als eine goldene Verzierung keinen Hehl aus des Kaisers schwachen auf einer brutalen Gesellschaft – das Seiten gemacht, dass er sich zu sehr in die Recht des Stärksten wäre oberstes Gesetz inneren Angelegenheiten der Kirche ein- gewesen. mischte, dass er unnötig hart verfahren Kaiser Karl war sein großes Ideal. Es wäre war – besonders gegen die Sachsen. verwegen zu behaupten, dass er Person Grimkjell mag König Olav von dem gro- und Herrschaftsmodell des Kaisers klar ßen Verfall Europas nach dem Tode Karls präsent hatte, als er Rouen verließ und des Großen erzählt haben, – mag auch heimwärts segelte. Aber im Laufe seiner geschildert haben, wie Karls Königsge- Königszeit gewann das Idealbild immer danke 100 Jahre später in verbesserter schärfere Konturen. Hierbei haben ge- Auflage im Kielwasser der Reformen von wiss viele lange Gespräche mit den eng- Cluny wiedergeboren wurde: Der ge- lischen Bischöfen seines Gefolges eine rechte König als Kämpfer für Frieden, große Bedeutung gehabt. Im Königs- Gesetz und Recht in seinem Reich, so haus, das er sich in Nidaros bauen ließ, dass das Christentum blühen und sich hatte Bischof Grimkjell seinen Sitz gleich frei entfalten konnte. neben dem Ehrenplatz. Dieser Prälat be- Wollte König Olav es schaffen, bis zu gleitete ihn auf all seinen Reisen. Grim- diesem Königsideal vorzudringen, muss- kjell muss ein frommer und gelehrter te er gegen die reaktionären Sonderinte- Mann gewesen sein. Er kam aus der an- ressen der Mächtigen und Reichen ange- gelsächsischen Kirche, wo die Geistli- hen, die dem Fortschritt der Sippe den chen vor Eifer für die Reformen von Vorrang vor dem Gemeinwohl des Vol- Cluny brannten. Grimkjell mag das Ide- kes gaben. Eine andere Wahl hatte er albild eines Königs im Kopf König Olavs nicht, wenn er für die Sache Christi in hervorgezaubert haben – er muss Olav Norwegen kämpfen wollte. So mag es geschildert haben, was es heißt, ein „ge- auch Olav selbst gesehen haben: Der rechter König” (rex iustus), ein „König Kampf für Gesetz und Recht, der Kampf von Gottes Gnaden”, ein „Stellvertreter gegen die Übergriffe der Sippenhäuptlin- Gottes” bei der Aufrechterhaltung von ge war ebenso ein Teil des Missionswer- Gesetz und Ordnung zu sein. Er mag kes wie der Bau von Kirchen und die ihm viel von der Hoffnung erzählt ha- Verkündigung der Botschaft Gottes auf ben, die der Papst auf den Frankenkönig den Thingversammlungen. Genau diese setzte, als er ihn zum Kaiser krönte, und Friedensarbeit hat ihm mächtige Feinde wie Karl der Große sein Leben eingesetzt geschaffen; und diese haben ihn am Ende hatte, um in Europa nach der Völker- umgebracht. So muss auch in diesem wanderung wieder Frieden zu schaffen, Zusammenhang betont werden, dass es die Ströme von Blut zu stoppen, die in in der Schlacht von Stiklestad absolut

115 Prälatur Trondheim um christliche Werte ging. Norwegen mit Säcken voller Kostbarkei- König Olav versuchte zunächst, den Weg ten. Die Sendboten nahmen Kontakt zu der Diplomatie zu gehen. Er strengte den Mächtigen und Reichen auf und sich an, die Mächtigen und Reichen auf machten ihnen reiche Geschenke unter seine Seite zu ziehen, indem er sie zu der Bedingung, auf Knuts Seite überzu- Lehnsmännern machte, die über ein gro- gehen und gegen König Olav zu kämp- ßes Grundeigentum verfügten. Als Ent- fen. Außerdem wurde ihnen eine große gelt sollten sie vor ihm den Treueid able- Machtfülle im Land versprochen für den gen, sollten so seine Leute werden und Fall, dass Knut selbst König von Norwe- ihn in den reichspolitischen Dingen un- gen werden würde. Der Abfall war gewal- terstützen. Als er merkte, dass ihre tig. König Knuts „rotem Gold” konnten Freundschaft nur halbherzig war und nur wenige widerstehen. Sein Verspre- dass sie wie bisher weiter machten, setzte chen, ihre Macht auszudehnen, lockte er Vögte ein, die auf den königlichen mindestens genauso viel. Den Ausschlag Höfen ringsum im Lande das Regiment gab aber der Gedanke, dass sie ihr eige- führten. Sie stammten aus Sippen, die ner Herr sein würden – ohne Einmi- nicht so mächtig wie die der Lehnsmän- schung von Seiten eines Königs, der im ner waren, und ihre ganze Stellung und Ausland saß. Die Häuptlinge brachen ihr Ansehen dem König verdankten. Im ihren Treueid, den sie König Olav ge- Namen des Königs sollten sie bei Strei- schworen hatten, und gingen zum Feind tigkeiten und in Rechtsstreiten die Bau- über. Es gibt Historiker, die kritisieren, ern und die armen Leute unterstützen. dass König Olav hart gegen die Landes- Auch sollten sie ein wachsames Auge auf verräter vorging. Dann ist es verführe- die Lehnsmänner und deren Gesetzes- risch, einen Vergleich mit Vorgängen zu brüche haben und dem König darüber ziehen, die hierzulande in neuerer Zeit Bericht erstatten. Das fiel natürlich nicht geschehen sind. Nach dem Krieg stellten auf guten Boden. Die Lehnsmänner wir eine Reihe Landesverräter an die empfanden das als Einmischung in ihre Wand. Leider Gottes! Einige Jahrzehnte angestammten Rechte und beschimpften später bekam ein Kerl, der Norwegen für die Vögte als „Kreaturen des Königs“. Rubel verkaufte, 20 Jahre Gefängnis. In Auftakt zum Aufstand gegen König Olav historischer Perspektive hinken die Ver- war genau ein solcher Rechtsstreit zwi- gleiche und zeigen doch Parallelen auf. schen dem Sohn eines Mächtigen und Wir brauchen den Kampf zwischen der Reichen und einem Vogt. Aristokratie der Mächtigen und Reichen und dem Reichskönig nicht schwarz– Knut der Große weiß zu malen. Zwar sang der Skalde erobert Norwegen Sigvat in einem Lied: „Wer seinen guten Der Anstoß zum offenen Aufruhr kam, Herrn um Gold verkauft, wandert ein- als Knut der Große, König von Däne- mal in die schwarze Hölle.” Und Bauer mark und England, Anspruch auf Nor- Torgeir auf Sul in Verdal schreibt einmal wegen erhob. König Knut war ein stein- über Olav Haraldssons Feinde und nennt reicher Mann. Er schickte Männer nach sie „Königsverräter, die dem Teufel Freu-

116 Prälatur Trondheim de bereiten.” Snorre selber schildert die- Freunden rings um Olav Haraldsson. sen Kampf mit größerer Gelassenheit. Er Frühere Kampfgefährten verließen ihn. steht auf Olavs Seite. Doch ist seine Knut wurde auf allen Thingversammlun- Sympathie nie einseitig. Er kennt den gen zum König gewählt und gewann so Katalog ethischer Forderungen der Sip- das Land ohne einen Schwertstreich. Kö- pengesellschaft von Island her. Er mag nig Olav musste aus dem Land flüchten. verstanden haben, dass nicht nur König In einem Fjord bei Sunnmöre brachte er Knuts rotes Gold und das Versprechen seine Kriegsschiffe unter. Dann zog er von Macht für die Mächtigen und Rei- über das Gebirge zum Gudbrandstal und chen verlockend waren, sondern auch in Opplandene; er machte erst halt, als er der Gedanke an Rache. Die Mächtigen in Schweden angekommen war. Vorher und Reichen, die wir von der Saga her hatte er von seinen Leuten alle, die es kennen, hatten mehrere ihrer Verwand- wollten, nach Hause entlassen. Bischof ten durch „des Königs gerechtes Urteil” Grimkjell blieb in Opplandene und ließ verloren. – Es war so, dass der König sich bei seiner Nichte in Stange nieder. glaubte, das Recht zur Hinrichtung ihrer Für Olav war wichtig, dass der Bischof in Verwandten zu haben; aber die Sippenra- Norwegen blieb. So konnte Grimkjell che hatte auch ihre klare Sprache: „Seine sich in der Abwesenheit des Königs um ganze Ehre verliert, wer seine getöteten die neu organisierte Kirche kümmern, so Verwandten ungerächt in der Erde liegen gut es ging. In Schweden ließ Olav Köni- lässt.” Sigrid, Mutter des getöteten Asb- gin Astrid zurück. Mit seinem Sohn Ma- jörn Selsbane, drückt den todbringenden gnus und einer Handvoll Getreuer zog er Speer Tore Hund, Asbjörns Onkel, in die weiter nach Gardarike (Russland). In Hand und sagt: „Wenn du eine Manne- Novgorod ließ er sich nieder, wo er von stat vollbringen willst, dann schleudere Großfürst Jaroslav und der Fürstin Inge- diesen Speer mit deinen Händen mitten gerd von Schweden, die er seinerzeit hät- in Olav Digres Brust! Und das sage ich te heiraten sollen, gut aufgenommen dir: Wenn du Asbjörn nicht rächst, dann wurde. bist du für jedermann ein ehrloser Schuft.” Tore Hund gehorcht der uner- Der Mensch Olav bittlichen Forderung der Sippenrache. Bevor wir das weitere Leben König Olavs Bei Stiklestad wurde der Speer gegen den verfolgen, wollen wir kurz innehalten. König geschleudert. „Der ging ihm unter Wir fragen: Welchen Eindruck hat uns das Panzerhemd und hinauf in den Ma- bis jetzt die Saga vom Menschen Olav gen.” Snorre bewahrt seine Objektivität vermittelt? und meidet die Schwarz – Weiß – Male- Es ist nicht der Stil der Sagaverfasser, ihre rei; er verstand ja beide Konfliktparteien: Helden mit psychologischen Begriffen zu Die alte und die neue Zeit standen ge- beschreiben – das geschieht in späteren geneinander. Zeiten. Sie geben uns einen Einblick in Knut der Große kam mit zahlreichen den Charakter der Menschen, indem sie Schiffen und großer Mannschaft nach ihr Handeln beschreiben. Die Saga be- Norwegen gesegelt. Es wurde dünn mit richtet über eine Entwicklung im Leben

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Olav Haraldssons. Zuerst sehen wir den gingen, sehr schweigsam. Als Asbjörn jungen Seekönig, der aus einer Reihe von Selsbane in der Stube der Gefolgsleute Schlachten siegreich hervorgeht. Er er- auf Avaldsnes Tore schlug und „der Kopf weist sich als ein vorzüglicher Stratege, auf den Tisch vor den König und der der viele Kniffe der Kriegeskunst be- Körper über seine Beine fiel, wurde der herrscht. In dieser Zeit kann man keine König sehr wütend, beherrschte sich aber Distanz zwischen Olav und seinen Leu- und redete weiter wie immer”. Als Erling ten bemerken. Die Skalden preisen sei- Skjalgsson mit seinen Leuten die Kirche nen Mut, seine Klugheit und seine Kraft. in Avaldsnes umzingelte, wo der König Religiöse Grübeleien und moralische der Messe beiwohnte, gab es viel Krach Skrupel sind ihm unbekannt. und Waffenlärm. Alle, die in der Kirche Später begegnen wir in der Saga dem Kö- waren, sahen hinaus, nur der König nig und christlichen Staatsmann. Nun nicht; er blieb stehen und sah sich nicht wird die Persönlichkeit Olavs mehr in einmal um. Als die Messe zu Ende war, den Vordergrund gerückt. Ein König von ging der König aus der Kirche. Ruhig Gottes Gnaden verliert nie seine Selbst- und besonnen schritt er zwischen den beherrschung und handelt niemals über- beiden Reihen der bewaffneten Männer eilt. Wort und Tat sollen gut durchdacht einher. Ein Wort von Erling und er wäre sein. Es sieht so aus, als ob Snorre für getötet worden. – Snorre bewunderte ge- diese Seite von Olavs Charakter eine be- rade diese stille Würde und unfassbare sondere Bewunderung hat: Als Gesandte Selbstbeherrschung. des Schwedenkönigs nach Norwegen ka- Hinter diesen Berichten spüren wir etwas men, um Steuern einzufordern und völ- vom Christkönig, Gottes Gesalbten, der lige Unterwerfung zu verlangen, redete sich Kraft aus einer höheren Welt holt. Olav mit ihnen „still und ruhig”. Als der Trotz seines in sich gekehrten Wesens Schwedenkönig sein Versprechen brach, wird er als ein heiterer Mann geschildert, ihm Tochter Ingegerd zur Frau zu geben, der in Rede und Lied scherzen konnte. „war er schrecklich verärgert und außer „Er hat ein starkes Gefühl für die Würde sich – und es dauerte mehrere Tage, bis des Königtums, aber sich selbst, als Men- man wieder ein Wort aus ihm herausbe- schen, nahm er nicht so unchristlich kam”. Dann hellte sich die düstere Stim- ernst” (Sigrid Undset). mung wieder auf, und er kam wieder zu Snorre berichtet am Anfang seiner Saga, seinen Gefolgsleuten. Als die Nachricht dass „König Olav ein guter Christ war, kam, dass sein guter Freund und Ge- besonnen, schweigsam, aber aufs Geld folgsmann Öyvind Urarhorn auf den versessen”. Am Schluss der Saga schreibt Orkneyinseln getötet worden war, „re- er: „Aber es stimmt nicht, wenn die Leu- agierte der König nicht sonderlich dar- te von ihm behaupteten, er sei seinen auf; man konnte aber ahnen, dass ihm so Leuten gegenüber geizig; er war seinen zumute war, als habe er einen guten Freunden gegenüber sehr freigebig“. Mann verloren, – und das man das aus Er hat sich nie um Publizität bemüht. Er Trotz gegen ihn getan hatte”. Fast immer war kein glänzender Volksheld wie der war er bei Vorfällen, die ihm zuwider kontaktfreudige, freigebige, gesellige

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Sportsmann Olav Tryggvason. dass sein zügelloses Leben als Wikinger, Am Beginn der Saga heißt es von Olav im Verein mit dem heidnischen, altnor- Haraldsson: „Alle seine Verwandten und wegischen Recht des Mannes, Geliebte Bekannten hatten eine gute Meinung zu haben, auch das christliche Gebot der von ihm.” – In diesen Worten liegt eine Treue und Enthaltsamkeit noch über- gewisse Einschränkung. Diejenigen, die schattet hat. Olav kannte das Gebot sehr ihm am nächsten standen, mochten wohl, vermochte es aber nicht in seinen ihn, aber nicht alle anderen. Der Litera- Gewissensbereich einzubauen. turhistoriker Fredrik Paasche meint, dass Können wir Snorre als Historiker ver- Olav nie über diese Grenzen hinausge- trauen, vermittelt er uns ein richtiges kommen ist. Seine Leute bewunderten Bild von Olav Haraldsson? – Als Verfas- ihn, verstanden haben sie ihn niemals. ser hatte er oft seine Freude am puren Da war etwas Fremdes an ihm, das sie Erzählen. Wo die Quellen nichts herga- niemals durchdringen konnten. Die ben, hat er wohl die Leerräume mit eige- Reichsidee, für die er glühte, stieß auf nen Erfindungen ausgefüllt; ebenso las- Gleichgültigkeit, Unverstand und Feind- sen manche Einzelaussagen Fehler ver- schaft. Sein brennender Eifer für Chris- muten. Er würde es aber nie gewagt, tentum und Kirche wurde von wenigen auch nicht gewünscht haben, von der verstanden. Auch hier war er ein einsa- Persönlichkeit Olavs ein falsches Bild zu mer Mann. Wer ihn am besten verstand, zeichnen. Snorres Olavssaga bezeugt auf war Sigvat der Skalde. Die zwei lagen auf jeder Seite einen Verfasser, der leiden- gleicher geistiger Wellenlänge – Sigvat schaftlich darum kämpfte, die Persön- war ein ebenso weitgereister Europäer lichkeit des Königs bis auf den Grund wie der König selbst. kennen zu lernen. Gewiss, er hat erst 200 Dass Olav Frauen liebte, deutet Snorre Jahre nach dem Tod Olavs sein Werk ver- an, wenn er erzählt, dass der König in fasst, doch laufen von seiner Saga viele seinem Gefolge ein Dienstmädchen hat- Fäden bis zur mündlichen Tradition Is- te. Sie hieß Alvhild und war „sehr lands und Norwegens zurück. Und wenn hübsch”. So geschah es in diesem Früh- die Menschen in der alten Zeit etwas in- ling, „dass Alvhild schwanger war”. Das teressierte, dann waren es Charakter und war sein illegitimer Sohn Magnus. Snor- Wesensart der großen Häuptlingsgestal- re erwähnt nur diesen Fall von Untreue ten, die sie in Krieg und Frieden kennen gegenüber Königin Astrid. Andere Saga- gelernt hatten. Wir können uns auf den traditionen wissen zu berichten, dass er Historiker Erik Gunnes verlassen, der von dem Verlangen nach mehreren Frau- sagt, „dass wir uns auf die Hauptzüge der en besessen war. Die Verse, die er über Olavsbiographie einigermaßen stützen die schwedische Königstocher Ingegerd können.” – in Gardarike gedichtet haben soll, gehö- ren nach Sigrid Undsets Meinung „zu Da meldet sich eine andere Frage: Wie den schönsten erotischen Gedichten, die sehr ist Snorres Olavsbild von der kirch- wir in altnorwegischer Sprache besitzen”. lichen Legende beeinflusst, wie sie nach Olavs Seitensprünge zeugen wohl davon, dem Märtyrertod des Königs gebildet

119 Prälatur Trondheim wurde? Wie wir ihn bisher kennen ge- dass Dag das Richtige gesehen habe. lernt haben, kann dieser Einfluss nur ge- Nein, soweit wir bis jetzt Snorres Olav ring gewesen sein. Die kirchliche Legen- studiert haben, ist es schwer, eine Spur de finden wir u.a. in dem Buch des Erz- der kirchlichen Legende zu entdecken. bischofs Eystein Erlendsson aus den Anders ist die Sachlage, wenn Snorre achtziger Jahren des 12. Jahrhunderts. Er über die Frömmigkeit, über das Chris- trägt den Titel „Des heiligen Olavs Lei- tenleben des Königs berichtet. Hier kann den und Wunder”. Auf der ersten Seite ein derartiger Einfluss vorliegen. Wenn dieses Buches wird Olavs Leben so ver- Snorre Olav vor einer wichtigen Bege- goldet dargestellt, dass der Kenner der benheit ganze Nächte hindurch wachen Olavsgestalt bei Snorre zweifeln kann, ob und beten lässt, können wir sicher einige es sich um ein und dieselbe Person han- Stunden abziehen. Etwas überdreht wirkt delt. Die kirchlichen Heiligenlegenden auch, wenn er Olav ohne Ausnahme je- hatten ja auch nie zum Ziel, eine exakte den Tag zum Frühgottesdienst und zur historische Darstellung des Lebens heili- Messe gehen lässt. Wir haben aber keinen ger Männer und Frauen zu geben. Sie Grund, daran zu zweifeln, dass Olav ein wollten der Erbauung dienen, sie wollten Mann des Gebetes war und auch gern an von Menschen erzählen, die ihr Leben der heiligen Messe teilnahm. nach dem christlichen Ideal der Bibel Wenn wir die Wahrheit sagen wollen, ausrichteten. Sünde und Unvollkom- dann ist besonders auf einem Gebiet die menheiten waren in dem Leben der Be- Einwirkung der kirchlichen Legende auf treffenden ausgeklammert. Und so sehen Snorres Olavsbiographie zu spüren, – wir in diesen Darstellungen das Licht des dort, wo er den König als Wundermann Heiligenscheins schimmern. Sie lügen beschreibt. Snorre selbst war ein gläubi- nicht, haben sie doch nicht die Zielset- ger Katholik und zweifelte nicht daran, zung, ein ganzheitliches Bild – zum Gu- dass Wunder geschehen. Er hat aber auch ten oder zum Schlechten – eines Men- begriffen, dass das eine Sache der Kirche schenlebens zu zeichnen. Snorre ist His- ist. Aus Solidarität mit den Geistlichen toriker und kann, soweit wir bis jetzt ist er wohl schnell dabei gewesen, auch seine Olavsgestalt kennen gelernt haben, Wunderberichte in sein Geschichtswerk nicht von der kirchlichen Legende beein- einzuflechten. Das hat seine Glaubwür- flusst worden sein. Snorre übertreibt ja digkeit etwas gemindert – obwohl er die auch nicht die guten Seiten des Königs Wunder von der Ebene der Außerge- – es regnet nicht nur Superlative …. Er wöhnlichen herunterholt, indem er die unterlässt es auch nicht, von dem wilden meisten erbaulichen Einzelheiten weg- Jugendleben des Königs zu erzählen, von lässt; zudem vermeidet er eine Anhäu- seinem widerspenstigen Eigensinn und fung von Wundern, indem er sie gleich- von den heißen Leidenschaften, die sich mäßig über die folgenden Königssagas in nicht zügeln lassen. Bei ihm gibt sogar seiner „Heimskringla” verteilt. Wenn Olav selbst seine Schwächen zu: Er fragt Snorre hierbei auch übertreibt, so gibt den hellseherischen Dag Raudsson, wel- uns das keinen Anlass, an Wundern zu che Fehler er habe; hinterher gibt er zu, zweifeln, die auf das Gebet des Königs

120 Prälatur Trondheim hin – besonders nach seinem Tod – ge- Beispiele dafür gesehen haben, dass schehen. Christenfürsten Niederlagen einstecken können. Er mag auch gehört haben, wie König Olav in Gardarike Geistliche darüber predigen, dass man In Gardarike lässt Snorre Olav eine tief- hier im Leben leiden und sterben müssen gehende geistige Entwicklung durchma- wie Christus. Diese Teile der Verkündi- chen. Darüber schreibt er nur wenig: al- gung haben ihn aber wohl kalt gelassen. les andere überlässt er der religiösen In- Das heidnische Erbe der Ahnen muss zu tuition des Lesers. Geistige Irrwege der stark gewesen sein. Zwei Jahre vergehen Seele zu schildern, ist nun einmal dem in der Fremde. Das Schweigsame, Intro- Stil der altnorwegischen Saga fremd. vertierte im König gewinnt die Ober- Olav kommt nach Gardarike und lernt hand. Er grübelt über Glück und Un- das Geheimnis des Leidens kennen. In glück nach. Damals als Heide muss er seinem Königsamt ist er gescheitert, das geglaubt haben, dass das Schicksal der Sippenerbe hat er verloren. Das Erbland ausschlaggebende Faktor sei; es bestimm- ist von einem ausländischen König er- te, wer ein Glückskind oder ein Un- obert. Die Zukunft des Christentums ist glücksmann sein sollte. Als Christ muss- bedroht, wenn die Mächtigen des Landes te er in beidem den Willen Gottes sehen. weitermachen wie früher. Der selbstbe- Aber dann musste Glück Gottes Lohn wusste Olav lebt nun von der Gnade des und Unglück Gottes Strafe sein. Großfürsten Jaroslav. Vor Ingegerd, der Wir lassen Snorre das Wort: „Am meis- ihm einst zugedachten Braut, macht er ten dachte er darüber nach, ob es eine eine jämmerliche Figur. Den Glorien- Möglichkeit gab, sein Reich in Norwe- schein der Macht hat er verloren – ein gen wiederzuerlangen. Dabei erinnerte er König ohne Land. sich daran, dass in den 10 ersten Jahren Er ist wie gelähmt. Soll er das Angebot seiner Königherrschaft alles leicht und Fürst Jaroslavs annehmen, die Herrschaft unkompliziert gewesen war; später wur- über die heidnischen Bulgaren zu er- de dann alles, was er sich ausdachte, obern? Die Schar seiner Leute, die ihm schwer und schwierig; wenn er sein von Norwegen gefolgt ist, rät ihm ab. Sie Glück versuchte, ging alles schief. Und sehnen sich nach ihren Höfen zuhause. so bezweifelte er schließlich, dass er gut Er beschäftigt sich auch mit dem Gedan- beraten war, so sehr auf das Glück zu ver- ken, alle weltliche Macht dranzugeben, trauen, und er lief am Ende mit kleiner als Pilger nach Jerusalem zu ziehen und Streitmacht seinen Feinden direkt in die dort oder anderswo in einen Mönchsor- Hände. Hin und her dachte er darüber den einzutreten. Am meisten aber grü- nach, wusste aber nicht, was er tun sollte, belt er darüber nach, ob sich eine Chance da er ja der Meinung war, dass das, was bieten könnte, Norwegen wiederzuge- er gerade dachte, das sichere Unglück winnen. sein würde.” Hier brach der heidnische Gedanke vom Solche religiöse Grübeleien zehrten mit Glück aufs Neue bei ihm durch. Auf sei- der Zeit an seinen inneren Kräften. Da nen Fahrten im Ausland mag der König galt es nur eines zu tun – alles in Gottes

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Hände zu legen. Das tat Olav. Snorre be- richtet: „Mit solchen Gedanken ging er oft um; er übergab seine Sache Gott und bat ihn: Lass etwas geschehen. – Dann würde er sehen, was das Beste sein wür- de.” Das Beten bringt Olav aus dem Un- heilszirkel seiner Grübeleien heraus. Snorre schreibt: „Es ist sicher, dass Olav ein frommer Mann war, der zeit seines Lebens allezeit zu Gott betete. Als dann seine Macht schrumpfte und seine Geg- toriker. Es geht um die Stimmung, die ner an Stärke gewannen, verlegte er sich uns in ihnen in Bann schlägt, wenn wir ganz darauf, Gott zu dienen. Da hatte er diese Kapitel lesen. an nichts anderes mehr zu denken, und Die Zeit in Gardarike ist in düsteren Far- keiner konnte ihn da herausreißen.” ben gemalt. Man ist hierbei versucht, an Gott erhört sein Gebet und weist ihm die dunkle Nacht der Mystiker zu den- den Weg. Auch diesmal geschieht es im ken. Mit dem Aufbruch kehrt die freudi- Traum. Snorre lässt ihm im Traum Olav ge Stimmung in das Kriegsheer zurück Tryggvason erscheinen. Dieser reißt ihm – Freude über das Zusammenstehen der alle Träume mitten entzwei. Was in Zu- Freunde – Freude, dem quälenden Zwei- kunft allein gilt, ist, dem Willen Gottes fel entronnen zu sein, Freude darüber, zu folgen und das Rechte zu tun. Über dass man endlich etwas tun kann, Freude Sieg oder Niederlage bestimmt Gott. über die Ankunft in Schweden und das Olav Tryggvason verspricht ihm weder Wiedersehen mit Frau, Tochter und das eine noch das andere. „Geh zurück in Freunden, die von Norwegen her dem dein Reich, das dir zu Eigen ist, das du König zu Hilfe eilen. Dann die langen geerbt und lange mit der Hilfe Gottes Märsche durch Wälder, über öde Land- regiert hast.” striche und Gebirge. – Von allen Seiten Als der König aufwacht, sind alle Zweifel kommen Gerüchte: Die Mächtigen und von ihm abgefallen. Sein Leben hat wie- Reichen in Norwegen haben ein außer- der eine Ausrichtung. Sein Wille ist ge- gewöhnlich großes Heer zusammenge- stählt. Es werden Pläne gemacht. Die bracht, um ihnen entgegenzutreten, so- Krieger danken ihm begeistert. Von Nor- bald sie ihren Fuß auf norwegischen wegen kommt die Nachricht, dass Jarl Boden setzen. Kluge Leute in Schweden Håkon ertrunken ist. Das Land ist ohne und von Norwegen her warnen vor dem Führung. Es ist Zeit zu handeln. verwegenen Unternehmen. Im Kriegs- haufen breitet sich die Vorahnung einer Märtyrertod Niederlage aus. Das tut aber ihrer Freude Wir folgen Olav auf seinem letzten Un- keinen Abbruch. Gott will es! Da hilft ternehmen – bis Stiklestad. Viele Episo- keine Warnung. Der Wille des Königs ist den in den Sagaerzählungen legen wir stahlhart und zielbewusst. Das Erstaunli- nicht auf die Goldwaage moderner His- che geschieht: Der schweigsame Mann

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öffnet sich seinen Leuten. Auf dem Weg das macht ihn aber nicht unruhig. zum Martyrium ist Olav froh und ge- Kurz vor der Schlacht legt er sein Haupt sprächig geworden. Seine Freude springt in den Schoß von Finn Arnesson zum auf alle über, die ihm nahe kommen. Schlafen. Im Traum klettert er eine Leiter Er hat kein krankhaftes Verlangen zu empor, die bis hinauf in den Himmel sterben. Er reitet nicht bergab über Ver- reicht. Als Olav erwacht und diesen dal in Nordtröndelag ohne Waffen und Traum seinem treuen Freund Finn er- mit gebeugtem Haupt. Der Krieger lebt zählt, meint dieser: „Ich glaube, dass dies in ihm wie nie zuvor. Das Recht ist auf deinen Tod ankündigt, falls dich nicht seiner Seite. Man wird kämpfen, um zu nur die Schlafmüdigkeit übermannt gewinnen. Man wird zum Kampf anfeu- hat.” Zu seinen Leuten sagt der König: ern, um zu siegen. Der König und seine „Wenn ihr im Kampf alles verliert, wird Leute wissen aber, dass ihre Chance klein Gott euch einen Lohn geben, der größer ist. Die Übermacht ist zu groß. Der ist als alle Freude über irdischen Besitz.” Kampfeswille ist ungebrochen; zugleich Und weiter: „Ich will, dass ihr es wisst: ist man auf Niederlage und Tod gefasst. Ich weiche diesem Kampf nicht aus. Ich Als sie sich Stiklestad nähern, wollen die siege über die Bauern oder falle in der Kriegsleute Bauernhöfe anstecken. Der Schlacht. Ich bete zu Gott, dass er mir König verwehrt ihnen das: „Wenn wir im zuteil werden lässt, was er für mein Bes- Kampf fallen, ist es besser, kein Diebes- tes hält.” gut bei uns zu haben.” Der König spen- Der Tod wird des Königs Los. Die det Geld, um für die Gefallenen des Bau- Schlacht rast. Olav kämpft tapfer. Die ernheeres Messen lesen zu lassen; die Bauern töten ihn. Die Blutrache ist voll- Leute, die von dem Heer des Königs zogen. Die Schilderung von Olavs Tod fallen, brauchen keine Seelenmessen. hat von seiner späteren Heiligenglorie „Die und wir werden zusammen erlöst.” her Glanz bekommen. Der König erhält Tormod Kolbrunarskalde weckt das Heer einen Hieb ins linke Bein. „Als der König in aller Frühe mit einem Gedicht. Der verwundet war, stützte er sich auf einen König gibt ihm dafür einen Goldring als Stein, warf sein Schwert weg und bat Belohnung. Tormod bedankt sich und Gott um Hilfe.” Dazu muss gesagt wer- sagt: „Wir haben einen guten König – es den, dass kein Krieger in alter Zeit, der ist jetzt aber nicht leicht zu sagen, ob er etwas Sinn für seinen Nachruhm hatte, noch lange leben wird. König, ich habe bei einer leichteren Verwundung sein eine Bitte: Lass uns zusammen bleiben, Schwert freiwillig weggeworfen hätte. im Leben und im Tod.” – Und so ge- Und was ein sterbender König vor sich schah es auch. hinmurmelt, wenn ein Stich oder Hieb Zum Bauern auf Stiklestad sagt der Kö- ihm in Blitzeseile das Leben raubt – das nig: „Falls ich in der Schlacht falle, dann geht im Lärm der Waffen unter. Die erweise meinem Leichnam den letzten fromme Tradition stattet gern ihre Hel- notwendigen Dienst, das wird dann auch den mit „Märtyrerfakten” aus. Der heili- dir zuteil werden.” Im König wird die ge Olav darf sich so ausdrücken, er ist ja Vorahnung seines Todes immer größer; ein Märtyrer.

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Olav wird ein Heiliger vem entstanden – da müssen neue Wert- Nach dem Tod des Königs schlug die vorstellungen her. Angst und Grauen Stimmung praktisch über Nacht um – drücken eher nieder als dass sie den Geist zuerst bei den Häuptlingen, dann bei aufrichten. Die Angst der Trönder kann den Bauern. Tore Hund kümmerte sich aber nicht die Glut der Olavbegeisterung um den Leichnam des Königs. Von den erklären, die sich von Stiklestad aus über Mächtigen und Reichen ist er der erste, ganz Nordeuropa ausbreitet. Zudem wa- der behauptet, dass der König ein Heili- ren es Leute von außen, die sich am ger sei. Einar Tambarskjelve, der nicht stärksten dafür einsetzten, dass Olav zum bei der Schlacht dabei war, sagt dasselbe. Heiligen erkoren wurde: Einar Tam- Kalv Arnesson – er war wohl derjenige barskjelve, der von England heimkam von den Mächtigen und den Reichen, und nicht an der Schlacht teilgenommen der dem König den Todesstreich gab – hatte; der Dänenkönig Svein war damit änderte ebenfalls seine Meinung. So ver- einverstanden; Torarin Lovtunge, Skalde hielt sich ein Mächtiger und Reicher in seinem Gefolge, pries den gefallenen nach dem andern. Feind heilig und ermunterte Svein, Olavs Das gewöhnliche Volk in Tröndelag, Fürbitte zu erflehen; der Skalde Sigvat, einst „rasend vor Feindschaft gegen den der auf seiner Pilgerreise nach Rom vom König”, wechselte seine Haltung prak- Tode seines Freundes erfuhr. Keine dieser tisch über Nacht. „In dem Winter gab es Personen war für eine Angstpsychose an- viele in Tröndelag, die erzählten, dass fällig. König Olav ein wirklich heiliger Mann sei; Gleiches müssen wir von Bischof Grim- es geschahen viele sichtbare Zeichen seiner kjell sagen, der Olav für heilig erklärte. Heiligkeit. Viele beteten zu König Olav in (In damaliger Zeit war der Ortsbischof Dingen, die ihnen wichtig waren.” dafür zuständig, nicht der Papst.) Wie Dieser Stimmungswechsel ist ein Ge- früher gesagt, hielt sich Bischof Grim- heimnis, das sich schwer erklären lässt – kjell in Opplandene auf, als König Olav es sei denn, dass der König wirklich ein im Exil weilte. Als das Jahr nach des hei- Heiliger war. Es gibt andere Theorien, ligen Olavs Tod vergangen war, schickten die alle einen Funken Wahrscheinlichkeit die Trönder nach Grimkjell. Der Bischof haben. zögerte keinen Augenblick zu kommen, Es folgen Hungerszeiten, als Knuts Sohn denn er glaubte an die Echtheit der Svein zusammen mit seiner Mutter Al- Wunder, die man von Olav berichtet hat- fiva im Land an die Regierung kommt. te und an seine Heiligkeit. Noch strengere Gesetze, als sie Olav je Olavs Leiche, die seine Freunde im Dun- erlassen hatte! Unheilvolle Stimmung, kel der Nacht im sandigen Flussufer weil man den König getötet hat! Heidni- gleich oberhalb der Stadt begraben hat- sche Gedanken über den König als Mitt- ten, wurde nun hervorgeholt. Eingehend ler zwischen Menschen und Götterwelt! berichtet Snorre über die Wunderzei- Den König hat man getötet! Angst und chen, die an des Königs heiliger Leiche Grauen greifen um sich. So weit, so gut! sichtbar waren: Ein herrlicher Duft – Aber nie ist etwas Positives aus Negati- strömte aus dem Leichnam hervor; seine

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Wangen waren gerötet, so als habe er Neue den Kampf aufgenommen hatte. eben geschlafen; Haare und Nägel waren Bischof Grimkjell war nicht von dem gewachsen. Missverständnis geplagt, das anschei- (Ich muss hier einfügen, dass vier unab- nend viele norwegische Historiker geerbt hängige Quellen gleich vor und nach der haben, dass nämlich ein Heiligenleben Reformation im Jahre 1537 bestätigen, sündenfrei sein müsse. Das ist ein direkt dass der Leichnam des heiligen Olav un- ketzerischer Gedanke aus neuerer Zeit. verwest im Sarge lag, auch damals.) Wir lesen klar und deutlich im Ersten Snorre schreibt über die Heiligspre- Johannesbrief (1,10): „Wenn wir sagen, chung: „So wurde entschieden, nach des wir hätten nicht gesündigt, dann betrü- Bischofs Erklärung, mit der Zustim- gen wir uns selbst, und seine Wahrheit ist mung des Königs und nach dem Urteil nicht in uns”. Die katholische Kirche ist des ganzen Volkes, dass Olav wirklich ein Stück weit selbst schuld, dass sich ein heilig war. Der Leichnam des Königs solcher Irrtum bei uns und bei anderen wurde nun in die Klemenskirche ge- eingeschlichen hat. Es war im 17. Jahr- bracht und über dem Hochaltar beige- hundert, als man begann, die Heiligen setzt.” als einen Tugendspiegel herauszustellen. Für den Bischof waren die Wunderzei- Die Verfasser von Heiligenbiographien chen sicher nicht der einzige Grund für wischten jedes Körnchen Sündenstaub die Heiligsprechung. Wahrscheinlich ist von ihrem blankpolierten Heiligenschein er der geistliche Begleiter des Königs ge- ab. Erst nach dem letzten Weltkrieg wesen, während der ganzen Zeit seiner räumte man gründlich mit den „Zucker- Herrschaft in Norwegen. Von England heiligen” auf. Die echten Heiligenbiogra- her war es ihm eingehend bekannt, was phien – nicht deren feingeputzte Inter- die Wikinger an Verwüstung angerichtet pretationen – zeigen klar auf, dass die haben. Er verstand deren Mentalität. Heiligen oft auf krummen und gefährli- Wie wenige hat er Olav als Menschen chen Wegen gewandert sind, bevor sie und als Christen verstanden; er war sich die Vollkommenheit erlangten. Der Vor- darüber im Klaren, was in Gemüt und rang der Heiligen besteht nicht darin, Leib in den Jahren nach der Taufe bei dass sie von Fehlern frei sind, sondern ihm vorging. Bischof Grimkjell wusste, dass sie die Gnade in ihrem Leben haben was Gott von dem neubekehrten Seekö- die Oberhand gewinnen lassen. Der Fran- nig verlangte. Er hatte beobachtet, wie ziskanertheologe Bonaventura schreibt Gottes Kraft in ihm arbeitete. Da muss einmal im 13. Jahrhundert: „Weißt du er aber auch oft, vielleicht viele Male, da- nicht, dass viele Heilige sündige Men- von Zeuge gewesen sein, dass Olavs Mit- schen waren. Da sie große Sünden begin- wirken mit Gott voller Fehler gewesen ist gen, lernten sie, mit uns Sündern Mitleid – vor allem, wenn sich das Hårfagreerbe zu haben.” und die Wikingerzeit zu stark in ihm be- Skalde Torarin Lovtunge muss so ähnlich merkbar machten. Aber ebenso oft mag über den heiligen Olav gedacht haben, der Bischof gesehen haben, dass er sich wenn er in seinem Gedicht schreibt: „So nach Fallen wieder erhoben und aufs hat Olav sündenfrei die Seele vor seinem

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Tod erlöst.” Gott hat ihm alle Sünden tung äußerer Gesetzesvorschriften zu ei- vergeben; so konnte er gereinigt in die ner inneren Volksfrömmigkeit heran. Himmelsburg eintreten. So mag auch Niemand hier im Lande hat für Norwe- Bischof Grimkjell seine Heiligkeit ver- gen eine größere Bedeutung erlangt als standen haben. Er hat den jungen Olav der heilige Olav. Den älteren Bürgern stehen gesehen – mit einem Bein fest im fällt es schwer, ihn zu begreifen. Ein jun- Heidentum, mit dem anderen im Chris- ger Mensch aber, der erlebt, wie wir all- tentum. Und so ist er Zeuge gewesen, mählich dabei sind, ins Heidentum zu- wie er mit Gottes Gnadenhilfe über Jah- rückzugleiten, das der heilige Olav ein- re gekämpft hat, um das „Wikingerbein” mal verlassen und dann bekämpft hat, ins Christenlager hinüberzubringen; am wird sich gewiss leichter von seiner Per- Ende hat er den Sieg errungen. son faszinieren lassen, wird sich ihn zum Den Sieg hat Snorre im Martyrium bei Vorbild nehmen und um seine Fürspra- Stiklestad gesehen. In der angelsächsi- che beten. schen Kirche, aus der Grimkjell kam, hatte man zu der Zeit einen weiten Mär- tyrerbegriff. Christliche Könige, die im Olav Müller SSCC - übersetzt von John Kampf gegen die heidnischen Gegner Landrø und Heinz-Josef Catrein fielen, hatten den Status eines Märtyrers. Natürlich war sich Olav darüber im Kla- ren, dass er bei Stiklestad nicht gegen Heiden kämpfte; wir können aber sagen, dass er dort sein Leben für Christus ein- gesetzt hat. Deshalb mag er auch verstan- den haben, dass das Christentum kein bisschen Chance hatte, mehr zu sein als ein dünnes Häutchen über der zersplit- terten und gesetzlosen Sippengesell- schaft, wenn er nicht selbst die Herr- schaft im Lande übernahm. Besser als wir heute hatte er begriffen, dass der Kampf um das Reichskönigtum und der Kampf für das Christentum ein und dieselbe Sa- che war. Was Olav zu seinen Lebzeiten nicht zu Stande gebracht hatte, erreichte er durch seinen Tod. Nach Stiklestad ist das Reichskönigtum ein unbestrittenes Fak- tum. Damit ist auch der Grund für das Wachsen des Christentums gelegt. Nach Olavs Tod am 29. Juli 1030 wächst das Christentum langsam von der Beobach-

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Prälatur Tromsø

Das Gebiet der Prälatur umfasst 175.971 km², auf denen ca. 473.000 Menschen wohnen. Davon sind nach Angaben im Annuario Pontificio (2013) 4.876 ka- tholisch. 3 Welt- und 7 Ordenspriester betreuen die 7 Pfarreien; 22 Ordensfrau- en leben dort. Die Prälatur wird von Msgr. Berislav Grgic geleitet, der aus Banja Luka in Bosnien-Herzegovina stammt und am 28.3.2009 in Tromsoe die Bischofsweihe Die Prälatur Tromsoe wurde am empfing. 28.3.1979 errichtet als Nachfolgerin des Apostolischen Vikariates Nord-Norwe- Die Anschriften lauten: gen, das seit 1955 bestand und seiner- Tromsoe stift Nord-Norge seits der entsprechenden Apostolischen Katolske bispedoemme Präfektur nachfolgte. Seit 1892 gehörte Storgata 94, 9008 Tromsoe das Gebiet zum Apostolischen Vikariat Postboks 132, N-9252 Tromsoe Norwegen, welches wiederum auf die Tel.: 00 47/77 68 42 77 gleichnamige Apostolische Präfektur Fax: 00 47/77 68 44 14 folgte, die 1869 errichtet wurde. Von E-Mail: [email protected] 1855 bis 1869 gehörte das Gebiet zur Internet: www.katolsk.no Apostolischen Präfektur für den Nord- pol mit Sitz in Alta, zuvor seit 1853 zum Nicht nur in der Prälatur Trondheim, Apostolischen Vikariat Schweden-Nor- sondern auch in der Prälatur Tromsoe wegen. gibt es ein großes und unaufschiebbares Bauprojekt: Die Bischofskirche muss re- noviert werden.

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Der erste Bauabschnitt, das Dach, ist seiner Prälatur dieses große Projekt beim mit 800.000 Euro veranschlagt. Bischof besten Willen nicht alleine finanzieren Grgic hat sich mit der Bitte um Hilfe an können. die deutschen Diasporahilfswerke und Unser Bild aus dem Winter 2009 zeigt direkt an die deutschen Bischöfe ge- die 1860 erbaute Kirche Unserer Lieben wandt, da die wenigen Katholiken in Frau, die Bischofskirche von Tromsoe.

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Bistum Helsinki

Das Bistum Helsinki wurde am 22.2.1955 errichtet als Nachfolgerin des Apostolischen Vikariates Finnland, die- ses bestand seit 1920. Auf einer Fläche von 338.145 km² wohnen ca. 5,451 Millionen Menschen. Nach dem Stand vom 31.12.2013 sind davon 12.853 ka- tholisch. Außer dem Bischof leben und arbeiten dort 22 Priester (11 Ordens- priester, 11 Weltpriester). 14 Seminaris- ten sind im Diözesanen Priesterseminar Redemptoris Mater. 30 Ordensfrauen leben in den sieben Pfarreien des Bis- tums. Zum Bischof von Helsinki wurde am 16.6.2009 der aus Lahti/Finnland stam- mende P. Teemu Sippo SCJ ernannt. Seine Bischofsweihe empfing er in Turku am 5.9.2009.

Die Anschriften lauten: Katolinen kirkko Suomessa Rehbinderintie 21, FI-00150 Helsinki Tel.: 00 358/9-6877 460 Fax: 00 358/9-639 820 E-Mail: [email protected] Internet: www.katolinen.fi

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Aus dem Leben des Bistums

Ein Neupriester kann ebenso gut Finnisch und spricht aus Malta für Helsinki oder versteht auch Deutsch, Englisch Am 11. Mai 2014 wurde Matthew Azzo- und Italienisch. pardi in St. Henrik von Bischof Sippo zum Priester geweiht. Ein gutes halbes Forum zur Zusammenarbeit Jahr früher, am 13. Oktober 2012, hatte in der Kirche er an gleicher Stelle die Diakonenweihe Auf Anregung des Bischofs wurde vom empfangen (vgl. Jahrbuch 2013, S. 122). Studium Catholicum Mitte Dezember Jetzt, nach der Priesterweihe, bleibt er als 2012 zum zweiten Mal ein Forum ver- Kaplan an St. Henrik. Zur Priesterweihe anstaltet, auf dem sich Priester und Lai- waren nicht nur seine engere Familie aus en über die Zusammenarbeit in der Kir- seiner Heimat Malta gekommen, son- che artikulieren konnten. Insgesamt ka- dern auch viele Mitglieder der Neokate- men etwa 70 Personen, Priester und chumenalen Gemeinschaft aus verschie- Laien. Als Gast aus dem Bistum Stock- denen Orten im In- und Ausland. Das holm war Generalvikar P. Pascal-René konnte man in der übervollen St. Hen- Lung OP anwesend. Ort der Veranstal- rikskirche sehen und auch danach beim tung war die Sporthalle der 300 Meter Mittagessen, für das der Gemeindesaal von der Marienkirche entfernten Engli- von St. Henrik bei weitem zu klein war. schen Schule. Im Bistum Stockholm gab Daher wurde es wie bereits bei der Dia- es 1995 eine Diözesansynode, die im konenweihe im Gemeindesaal der evan- Grunde eine Art der Selbstfindung in gelischen Agricolakirche organisiert, die den konkreten Umständen war. Das Be- nur zehn Minuten Fußweg von St. Hen- wusstsein von der von allen getragenen rik entfernt liegt. Sendung der Kirche, welche letzten En- des die Differenzierung in das sakramen- Neuer Diakon geweiht tale Priestertum und das aus der Taufe Am Samstag, 28. September 2013 weih- erwachsene allgemeine Priestertum her- te Bischof Sippo in der St. Henrikskirche vorbringt, wurde weniger vom theologi- Anders Hamberg zum Diakon. Seine ers- schen Kern her als vielmehr aus prakti- te Predigt nach der Weihe hielt der neue scher Sicht zur Sprache gebracht. Dazu Diakon am nächsten Tag im Hochamt. gehörten Themen wie die Offenheit ge- Danach tut er bis zur Priesterweihe (ver- genüber denen, die neu in die Kirche mutlich 2014) seinen Dienst in der Pfar- aufgenommen wurden, Entgegenkom- rei St. Birgitta in Turku. Anders Ham- men gegenüber den katholischen Ein- berg wurde 1977 in Espoo bei Helsinki wanderern, Messfeiern und Beichtgele- geboren und hat sowohl in London als genheiten in anderen Sprachen, Infor- auch in Rom Theologie studiert. Seine mationswege, Kirchenkaffee und andere Muttersprache ist Schwedisch, aber er praktische Aufgaben.

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Praktisch wurde dann ein Welcoming Fluss derjenigen Informationen sorgen team aus Freiwilligen gebildet, um Neu- soll, die wegen ihres allzu ortsbezogenen zugezogene anzusprechen und ihnen auf Charakters nicht zur Interentseite des Wunsch behilflich zu sein, in der Pfarrei Bistums oder der Pfarreien passen. Man und im Bistum Heimat zu finden. Das braucht nur www.katolinen.net anzukli- Team trifft sich einmal im Monat im cken, um zu sehen, wie es funktioniert Studium Catholicum und organisiert – auf Finnisch, Schwedisch und Eng- jeden zweiten Sonntag ein Treffen für lisch. Neuankömmlinge und alle sonstigen In- teressierten. Zusätzlich zu der schlichten Jahr des Glaubens – Möglichkeit, sich auszusprechen, soll Weihe des Bistums jedes Mal ein Land eigene Züge der ka- an die Muttergottes tholischen Kirche vorstellen. Für Sep- Kurz nach Beginn des „Jahres des Glau- tember bis Dezember sind vorgesehen: bens” (11.10.2012-24.11.2013), näm- die katholische Kirche in den Vereinig- lich am 8. Dezember 2012, Fest der ten Arabischen Emiraten, in Nigeria, ohne Erbsünde empfangenen Gottes- Polen und Finnland. mutter Maria, wurde die Weihe des Bis- tums an die Gottesmutter erneuert, die Eine weitere Initiative ist die neue Ver- der damalige Bischof Józef Wróbel SCJ wendung der alten Internetadresse kato- sieben Jahre vorher aus Anlass des linen.net des Bistums. Nachdem das Bis- 50-jährigen Bestehen des Bistums vorge- tum den Bereich katolinen.fi in Betrieb nommen hatte (vgl. St. Ansgarius-Jahr- genommen hat, wurde der Bereich kato- buch 2006, S. 114). Diese Weihe gehört linen.net einem Team übergeben, das in einen geistlichen Zusammenhang mit sich Ithaka-team nennt und für den der Weihe, die Papst Pius XII. am 31.

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Oktober 1942 für die ganze Kirche vor- dann das Thema der Kirchenversamm- nahm, Johannes Paul II. in Fatima am lung zur Beschlussfassung überwiesen. 13. Mai 1982, ein Jahr nach dem Atten- Diese hat dann im Herbst beschlossen, tat auf ihn, erneuerte und noch einmal dass ein lutherischer Geistlicher mit in Rom am 25. März 1984 sowie in Fa- den Partnern in der Kirche beten kann, tima am 13. Mai 1991. aber nicht muss. Das entsprechende Gebetsformular wurde in Auftrag gege- Erneute Stellungnahme ben. Diese Lösung enthält also bereits des Bischofs zur eine Grundsatzentscheidung, deren Ehegesetzgebung Verwirklichung nach Maßgabe der Zum dritten Mal innerhalb von vier Jah- staatlichen Gesetzgebung voranschrei- ren nahm Bischof Sippo in FIDES Stel- ten kann. Das Projekt einer geschlechts- lung zu den sich verstärkenden Be- neutralen Ehegesetzgebung steht zwar strebungen, die Ehegesetzgebung ge- nicht auf dem Regierungsprogramm schlechtsneutral zu formulieren, so dass für die laufende Legislaturperiode gleichgeschlechtliche Partnerschaften (Juni 2011 – Mai 2015), aber es gibt der natürlichen Ehe gleichgestellt wären. leider starke Kräfte, die dieses Ziel an- Das erste Mal nahm der Bischof – noch peilen. als Diözesanadministrator - am 19. März 2009 Stellung, nachdem drei Tage vor- Kein Grund für Änderungen her ein Memorandum der lutherischen im schulischen Religionsun- Kirche erschienen war, in dem der Bi- terricht schofsversammlung der finnischen evan- Das finnische Kultusministerium (wört- gelisch-lutherischen Lan deskirche nahe- lich: „Unterrichtsministerium”) hat eine gelegt wurde, Maß nahmen zu treffen, Kommission zur Untersuchung der Fra- um pastorale Richt linien zu erstellen für ge eingesetzt, ob und gegebenenfalls wie den Fall, dass ein Geistlicher der evange- der nach Bekenntnissen differenzierte lisch-lutherischen um die Segnung eines schulische Religionsunterricht durch „registrierten Paares” gebeten wird (vgl. eine allgemeine Religionskunde und ei- Jahrbuch 2010, S. 145). nen Ethikunterricht ersetzt werden soll. Zu dieser Kommission wurden keine Das zweite Mal veröffentlichte Bischof Vertreter der verschiedenen Religionen Sippo am 30.4.2010 eine Stellungnah- und Konfessionen eingeladen, obwohl me im Bistumsblatt FIDES und auf die Frage gerade für sie lebenswichtig ist. der Internetseite des Bistums, in der er Als Antwort auf diesen Affront ging Bi- auf die drohende Gefahr für die öku- schof Teemu Sippo als Vorsitzender des menischen Beziehungen hinwies, falls Finnischen Ökumenischen Rates auf der das Thema der kirchlichen Begleitung Frühjahrssitzung des Rates am 18.4.2013 homosexueller Partnerschaften im Sin- ausführlich auf diesen Vorgang ein und ne der vorjährigen Studie weiterbehan- verteidigte die jetzige Regelung des dif- delt würde (vgl. Jahrbuch 2011, S. ferenzierten Religionsunterrichts. In sei- 106). Die Bischofsversammlung hat ner Rede heißt es unter anderem: „Der

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Mensch ist von Natur aus religiös, was Enhancing Family Life auch starke Bezüge zu Werten mit ein- Das Leben der Familie stützen – so etwa schließt. Der größte Teil der finnischen könnte man die Überschrift sinngemäß Bevölkerung gehört zu einer Religions- übersetzen. Seit drei Jahren haben sich in gemeinschaft. Es ist daher eine eindeuti- Helsinki junge Ehepaare mit Kindern ge Vorverurteilung, wenn nicht einmal zwischen null und sechs Jahren zu einer in den Dokumenten und Plänen für die Initiative zusammengefunden, das Le- Schulbildung von Kindern das Wort ben der Familie dort zu stärken, wo sich ‚Religion’ erwähnt und die Wichtigkeit nur allzu leicht Mängel einstellen: in der des Phänomens ‚Religion’ gewürdigt Beziehung zwischen Eltern und Kin- wird. Damit wird einfach versucht, ei- dern. Anders als noch vor 50 Jahren ist nen weltweit zentralen Bestandteil der die Familie auf zwei Generationen zu- schulischen Bildung unter den Teppich sammengeschrumpft, und Eltern mit zu kehren.„ christlichen Grundansichten haben Aus demselben Anlass veranstaltete der Mühe, Gleichgesinnte zu finden. Aus Finnische Ökumenische Rat am 25. Ok- dieser Einsicht heraus ist vor Jahrzehn- tober 2013 ein öffentliches Seminar, in ten anderenorts eine Nicht-Regierungs- dem über die Zukunft des konfessionel- Organisation (NGO) mit Namen Inter- len Religionsunterrichts nachgedacht national Federation for Family Develop- wurde. ment (IFFD) mit heutigem Sitz in Brüs- Am 29. November 2013 entschied die sel entstanden, die inzwischen auch ei- finnische Regierung über Änderungen in nen Beraterstatus bei UN-Zweigorgani- den Rahmenbedingungen für den kon- sationen hat (www.iffd.org). Eine hiesige fessionellen Religionsunterricht. Die Familie hat davon gehört, sich mit der einschneidendste Änderung besteht dar- Zentralstelle in Verbindung gesetzt und in, dass es in einem Verwaltungsbezirk erreicht, dass für eine erschwingliche fi- statt drei Schüler gleicher Konfession in nanzielle Beteiligung alle zwei bis drei Zukunft zehn geben muss, für die ihre Wochen ein Moderator (in diesem Fall Eltern eigenen Religionsunterricht bean- aus Belgien oder Frankreich) kommt. tragen. Betroffene sind vor allem katho- Praktisch geht das so vor sich, dass in lische, islamische und jüdische Schüler. Reihen von je acht Fallstudien über nor- Für den evangelisch-lutherischen und male Erziehungsprobleme diskutiert orthodoxen Religionsunterricht gibt es wird und dadurch die folgenden Ziele in keine Änderungen; dieser Unterricht ist greifbarere Nähe rücken: automatisch gewährleistet. Als offizielle Begründung für diese Einschränkungen l฀฀Die Beziehung der Eheleute zu stärken wird ‚der Zwang zu Einsparungen’ ange- durch aktive Beteiligung beider an der geben. Es sei dem Leser überlassen, ob er Erziehung der Kinder, wodurch in aller diese Begründung akzeptiert, (vgl. auch Regel viele angrenzende Themen zur Jahrbuch 2011, S. 111 und 2013, S. Sprache kommen; 143-144). l฀฀Vermittlung von Orientierungen über menschliche Grundhaltungen (Ehr-

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lichkeit, Gewissenhaftigkeit, Dienstbe- stammt aus England, wo sich 2010 24 reitschaft, …) und damit Charakterbil- Laien und ein Priester zusammengefun- dung; den hatten, um den Besuch Papst Bene- l฀฀Austausch mit anderen Eltern, die vor dikts XVI. publizistisch vorzubereiten, ähnlichen Herausforderungen stehen. angefangen bei der Aufgabe, Schieflagen der öffentlichen Meinung möglichst zu Wie man sieht, nichts Außergewöhnli- korrigieren. Damals waren Mitglieder ches. Aber deswegen ist es noch nicht dieses Teams bei über 100 Fernsehsen- Wirklichkeit – das Gute verwirklicht sich dungen dabei. In Finnland wiederholte nicht von selbst. Und diese Ziele sind sich das in kleinerem Maßstab anlässlich auch nicht religionsspezifisch, sondern der Wahl von Papst Franziskus. „rein menschlich”. In der Tat sind derzeit in Helsinki acht Elternpaare beteiligt, die So etwas kann man natürlich nicht im- Hälfte finnisch, die andere aus verschie- provisieren. In England war der erste denen Ländern; die konfessionelle Auf- Schritt ein halbjähriges Training, sowohl teilung ist etwa 50% Katholiken, 50% in den Lehrinhalten als auch in der Art, andere christliche Konfessionen. Treff- diese Inhalte interessant und zeitgemäß punkt für die Sitzungen war zunächst ein darzustellen. In diesem Sinne wurden Raum in einer öffentlichen Bibliothek, auch Kontakte nach Catholic Voices in danach das Studentenheim Tavasttähti England aufgenommen, um ihre Erfah- (vgl. Jahrbuch 2013, S. 142), wo auch in rungen nach Finnland und auch in die gewissem Umfang offene Jugendarbeit baltischen Länder zu importieren. Ein stattfindet – ein weiterer interessanter Besuch aus England hat bereits stattge- Punkt für Eltern, wenn die Kinder ein funden. paar Jahre älter sind. Ein Gedanke schließt sich unmittelbar an: es sagt viel, Ethische Begründung nötig dass sich für ein derart wichtiges Ziel in In regelmäßigen Abständen werden in einer Stadt wie Helsinki trotz „Werbung” der landesweit beherrschenden Zeitung ganze acht Ehepaare interessieren. Helsingin Sanomat, meist auf der Ebene von Leserbriefdiskussionen, vitale The- Catholic Voices Suomi men wie Abtreibung, Euthanasie, Por- Unter diesem Titel wurde im Frühling nographie und Sexualerziehung aufge- 2013 ein Blog eröffnet (http://cvsuomi. griffen. Die Redaktion der Zeitung be- wordpress). Auf der Leitseite heißt es: hält sich, wie überall üblich, die Auswahl „Aufgabe dieses Blogs ist es, katholisches der Leserbriefe und eventuelle Kürzun- Leben und Gedankengut in unserer Ge- gen vor. Um der so möglichen Einseitig- sellschaft präsent zu machen, ... im Sin- keit zu steuern, hat Emil Anton, ein Di- ne der Einheit aller Christen zu wirken plomtheologe, der bereits wiederholt und als Verbindungskanal zu katholi- mit Initiativen an die Öffentlichkeit ge- schen Mitbürgern zu dienen.” Derzeit treten ist (vgl. Jahrbuch 2012, S. 112) hat der Blog zehn Mitarbeiter und – einen Blog mit dem Titel „als Mann und Schreiber. Die Idee zu dieser Initiative Frau” eröffnet, wobei der Titel natürlich

134 Bistum Helsinki aus der Schöpfungsgeschichte (Gen Catholic Students’ Club – 1,27) entlehnt ist (finnisch: „Mieheksi ja http://cschelsinki.word- naiseksi”, www.mieheksijanaiseksi.com). press.com/ Die argumentative Linie des Blogs leitet Vor 18 Jahren bildete sich aus früheren sich von der Feststellung ab, dass gesell- Mitgliedern und Freunden der „Juventus schaftliche Probleme wie Untreue, Ehe- Catholica” der „Catholic Students’ Club scheidung, Pornographie und sexueller – CSC”. Sein Grundgedanke war ein- Missbrauch zuallererst Hinweise auf feh- fach und von Anfang an immer derselbe. lende moralische Orientierung sind. Die Treffen konzentrieren sich auf das Wesentliche: jeden zweiten Dienstag Fronleichnamsprozession Abendmesse in der Sakramentskapelle in St. Henrik von St. Henrik, vorher Rosenkranz und Auch 2013 fand am Fronleichnamstag Beichtgelegenheit, nachher gemütliches (Sonntag, 2. Juni) die Sakramentsprozes- Beisammensein im Pfarrsaal oder gele- sion statt. Die Prozession war vor der gentlich auch anderswo. Etwa die Hälfte Reformation fest in der Frömmigkeit der sind finnische katholische Studenten, Bevölkerung verankert und wurde nach die anderen sind Austauschstudenten der Reformation (in Schweden-Finnland aus verschiedenen Ländern. Manchmal, 1523) noch viele Jahre beibehalten. Im wie gerade letztes Jahr, kommen beson- Jahr 2004 schließlich wurde diese starke dere Talente: gute Sängerinnen und Sän- Form des Glaubensbekenntnisses an die ger auf fast professionellem Niveau, und Gegenwart Christi mit der Prozession auch - Köche. Die stützende Kraft eines um das Straßenviertel von St. Henrik solchen Anlaufpunktes ist nicht zu un- wieder aufgenommen (vgl. Jahrbuch terschätzen. Sie kann nicht daran gemes- 2005, S. 135). sen werden, dass CSC vielleicht nur von

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10% der jungen Katholiken im universi- Besinnungstage für tären Betrieb genutzt wird. Es ist eine Jugendliche in Stella Maris allgemeine Erfahrung, dass eine säkula- Am Wochenende vom 25. bis risierte Gesellschaft viele in ihren Sog 27.10.2013 fanden in Stella Maris Be- zieht. Aber umgekehrt ist es auch vorge- sinnungstage für Jugendliche statt. Leit- kommen, dass jemand, der drei oder motiv war das „Jahr des Glaubens”. Als sechs Monate in Finnland verbracht hat, Altersgrenzen waren ursprünglich 18 gerade durch die Verweltlichung inner- und 30 Jahre vorgesehen, aber die sieben lich aufgewacht ist und gemerkt hat, was Teilnehmer aus der Region Helsinki wa- er von Zuhause mitbekommen hat. So ren alle um die 20. Leider konnten eini- wurde diese Zwischenstation zu einem ge potentielle Teilnehmer aus Turku und inneren Wendepunkt. Jyväskylä am Ende nicht kommen. Still- schweigen, Meditationen von isä Raimo Bibliothek im Studium Goyarrola, sakramentaler Segen waren Catholicum renoviert die äußeren Eckpunkte. Diese Besin- Nach einer gründlichen Revision und nungstage richteten sich gerade an Ju- Digitalisierung des Katalogs sowie der gendliche und verdienen es daher, in die Renovierung der Räume und Moderni- Chronik einzugehen, denn sie zeigen, sierung von Regalen, Tischen und über- dass Jugendliche bereit sind, auf die fun- haupt des ganzen outlooks ist die Biblio- damentalen Lebensfragen einzugehen, thek im Studium Catholicum wieder wenn sie nur angesprochen werden. ausgesprochen konkurrenzfähig. Es ist die einzige Bibliothek in Finnland, die Etwa einen Monat vorher hatte die Pfar- mit einem häufig auch für universitäre rei St. Olav aus gleichem Motiv zu ei- Bedürfnisse ausreichenden Umfang nem Wochenende der Besinnung im Zeugnisse der katholischen Welt präsent orthodoxen Kloster Neu-Valamo einge- hält: nicht nur kirchliche Dokumente, laden. Isä Frans Voss SCJ war in Jyväsky- Kirchenväter, Kirchengeschichte, theo- lä aus seiner Zeit (1998 bis 2001) noch logische Literatur, sondern auch Belle- wohl bekannt und wurde gebeten, die tristik katholischer Autoren, besonders Besinnungstage zu halten. Aus der Stadt aus der Zeit zwischen den Weltkriegen Jyväskylä und deren Umkreis folgten elf und der ersten Zeit danach. Von letzte- Katholiken der Einladung. ren sind einigermaßen viele Titel ins Fin- nische übersetzt worden, aber in anderen Kuopio: Alte Männistökirche Bibliotheken heutzutage unerhältlich. wird vom katholischen Alles in allem über 40.000 Bände. Bistum übernommen Dank der dringenden Wunsches des evangelisch-lutherischen Pfarrverbands Kuopio, die letztes Jahr 100 Jahre alt ge- wordene „alte Männistökirche” in Kuo- pio zu verkaufen, und andererseits dank einer außerordentlich großzügigen Ent-

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scheidung eines Spenders, der unge- Kirche gefeiert. Bei dieser Gelegenheit nannt bleiben möchte, konnte das Bis- sagte Bischof Sippo, dass „wir hier herz- tum am 27. November 2013 diese Kir- lich willkommen geheißen worden sind. che kaufen. „Männistö” heißt das Stadt- Ich möchte nicht versäumen zu betonen, viertel, in dem die Kirche liegt. Es han- dass die Tür der Kirche auch in Zukunft delt sich weniger um ein „günstiges jedermann offensteht, der innerlich still Schnäppchen”, als um einen gewichtigen werden möchte.” Hier klingt vernehm- Schritt in der Wiederausbreitung der ka- bar durch, dass die Bevölkerung der um- tholischen Kirche in Finnland nach Os- liegenden Viertel diese Kirche gern ten. Gibt man beispielsweise in Google mochte. „Männistön vanha kirkko” ein, hat man einerseits ein Straßenbild von der Kir- Nun fragt es sich, wie es weitergeht. Wie che, andererseits ein Bild auf die Lage bisher kommt bis auf weiteres vom etwa von Kuopio in der östlichen Hälfte 150 km entfernten Jyväskylä regelmäßig Finnlands als zweite größere Stadt neben ein Priester, um in der Kirche die Messe Joensuu. Die Zahl der Katholiken in der zu feiern. Aber von da bis zu einer voll- ganzen Region beläuft sich auf einige ständig ausgerüsteten Kirche, die den in Hundert, steigt aber ständig. Kuopio und Umgegend lebenden Ka- tholiken (mindestens 200) zum selbst- Am 8. Dezember 2013 wurde zum ers- verständlichen Zentrum wird, ist es ten Mal eine katholische Messe in dieser noch ein weiter Weg. Und noch einmal

137 Bistum Helsinki bis zur förmlichen Gründung einer Pfar- Stadtmission im rei mit eigenen Priestern. Die Kirche „Jahr des Glaubens” braucht einen Altar, Tabernakel, Kreuz- Im „Jahr des Glaubens” engagierte sich weg, Paramente, und einiges mehr; der die neokatechumenale Gemeinschaft in Gemeindesaal und die Räume für die der Dompfarrei St. Henrik in einer öf- Priester unter der Kirche brauchen klei- fentlichen Stadtmission auf einem gro- nere Änderungen. Die Kirche selbst ist ßen Platz vor einem Einkaufszentrum vor zehn Jahren grundüberholt worden im Stadtkern. An fünf Nachmittagen und in sehr gutem Zustand, einschließ- sprachen Mitglieder der Gemeinschaft, lich der Orgel. darunter Dompfarrer Trevisini, sowohl Eines ist jedoch schon klar: die Kirche vom Rednerpult aus wie persönlich und wird nach dem heiligen Josef benannt ohne Mikrofon, über Gott, den Sinn des werden. Das Bistum hat schon eine Ma- Lebens, Erlösung, Evangelium und Kir- rienkirche (in Helsinki), von daher liegt che. Die Bilder vermitteln einen Ein- der neue Name für die neue Kirche druck. nahe. Außerdem war das Männistövier- tel traditionell ein Arbeiterviertel, und auch deswegen ist der Name der Kirche gut gewählt.

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Pfarrgemeinderäte und schließungen, von denen bei 11 (6) bei- diözesaner Pastoralrat de Partner katholisch waren. Ein drin- Ende Januar wurden in sechs der sieben gendes Problem ist nach wie vor der Pfarreien die turnusmäßigen Wahlen zu Religionsunterricht. Es kommt durch den Pfarrgemeinderäten abgehalten. In folgende Angaben klar zum Ausdruck: der siebten Pfarrei gab es nicht genügend Im Jahr 2013 waren landesweit 1964 Kandidaten, so dass der neue Pfarrge- (1871) Kinder und Jugendliche im meinderat aus den Mitgliedern des vor- schulpflichtigen Alter. Von diesen ha- hergehenden besteht, zuzüglich einiger, ben nur 55 % (57,3 %), nämlich etwa die sich auf Anfrage des Pfarrers zur Ver- 1080 (1072) tatsächlich Religionsunter- fügung stellten. Allerdings ist auch die richt in Schulen oder in der Pfarrei er- Wahlbeteiligung mit durchschnittlich halten (!). 25% der Wahlberechtigten leider nicht gerade sehr hoch. Bistumshaushalt Wie im Jahrbuch 2013 (S. 124) erklärt, Am 23. März 2014 trat zum ersten Mal ist das Bistum von Gesetzes wegen zur der neu gewählte Pastoralrat des Bistums Wirtschaftsprüfung durch einen staat- in St. Marien, Helsinki zusammen. Ihm lich anerkannten Wirtschaftsprüfer ver- gehören zwölf Mitglieder an: Bischof pflichtet; die staatliche Anerkennung als und Generalvikar von Amts wegen, und Religionsgemeinschaft ist daran gebun- zehn gewählte Vertreter: je einer aus je- den. Die Wirtschaftsprüfung für 2013 der Pfarrei, ein Vertreter des Priesterrats war bei Abfassung dieses Berichts noch und zwei Vertreterinnen der Schwestern- unterwegs. Auch wenn keine genauen orden. Zahlen genannt werden können, liegt alles in der Größenordnung vom Vor- Statistisches jahr, nicht nur hinsichtlich der reinen Hier die Aktualisierung der Statistik des Zahlen, sondern hinsichtlich der struk- Bistums für das Jahr 2013 (für 2012 vgl. turellen Schwächen des Bistumshaus- Jahrbuch 2013, S. 123): Anfang 2013 halts, der vor allem durch die geringen lebten in Finnland 12.434 Katholiken, Einnahmen durch Kollekten und die und Ende 2013 waren es 12.853. Dieser geringen Rücklagen einerseits und durch effektive Zuwachs von 419 (2012: 560) die starke Abhängigkeit durch Unter- Personen bedeutet einen Zuwachs um stützung von außen andererseits charak- 3,6% (2012: 4,7%). Er speist sich aus terisiert ist, wovon der Löwenanteil aus folgenden Quellen (in Klammern: Deutschland kommt. Das Besondere in 2012): 201 (237) Taufen, 30 (65) Kon- diesem Jahr 2013 ist die Spende von versionen, 382 (379) Zuzüge aus dem 800.000 Euro, mit der der Kauf der al- Ausland. Dem stehen Umzüge ins Aus- ten Männistökirche in Kuopio finanziert land von 107 (85) Katholiken, 38 (48) wurde. Todesfälle und 49 (56) Austritte gegen- über. 180 (167) Erstkommunionen, 140 (173) Firmungen, 42 (41) Ehe-

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Gilberth Keith Chesterton klassische Werk Orthodoxy – Rechtgläu- und Antti Nylén bigkeit – des englischen Literaten, Kul- Katholiken gibt es in allen Gesellschafts- turphilosophen und Konvertiten (1874- schichten. Das 19. Jahrhundert und die 1936) G. K. Chesterton zum ersten Mal Folgezeit erlebten einen starken Auszug auf Finnisch erschien. Das Original er- der Arbeiterschaft aus der Kirche. Etwa schien 1908, es stammt somit aus der gleichzeitig ereignete sich dasselbe unter anglikanischen Zeit Chestertons, und ist Naturwissenschaftlern, Jahrhunderte da- seither in viele Sprachen übersetzt wor- vor waren die „Philosophen an der Rei- den. Es handelt sich um eine geistliche he”. Das scheint zu besagen, dass diese Autobiographie, die ohne große Beto- Bereiche irgendwie nur oberflächlich nung konfessioneller Unterschiede und vom Licht des Christentums berührt über das Persönliche hinausgehend dar- worden sind. Das ist eine Herausforde- legt, wie sehr das Christentum die Anla- rung für diejenigen Christen – nicht nur gen der menschlichen Natur aufnimmt Katholiken -, die sich beruflich in diesen und vollendet. Sphären bewegen. Diese Sätze seien der eigentlichen Nachricht vorausgeschickt, Der Übersetzer ist Antti Nylén, wie um nicht nur ihren Tatsachengehalt mit- nicht selten mit finnischer Mutterspra- zuteilen, sondern auch die Hintergründe che und schwedischen Nachnamen. etwas zu beleuchten. Eine Qualitätsarbeit. Ein Jahr später ver- öffentlichte Nylén sein eigenes Bekennt- Die bloße Tatsache ist, dass 2012 das nisbuch – so der übersetzte Titel „Tun-

140 Bistum Helsinki nustuskirja”. Nylén ist von Beruf Literat, aber nicht erfahren hat. Das macht sich auch gewissermaßen Kulturphilosoph bemerkbar im Wahrheitsbegriff, in den wie Chesterton, und sieht sich vielleicht vitalen moralischen wie auch spezifisch in einer ähnlichen Lage wie dieser. Aber christlicheren Themen wie den Sakra- die hundert Jahre Zeitdifferenz und der menten, wo Nylén oft etwas ratlos dazu- Unterschied zwischen England und stehen scheint. So ist sein Buch nicht Finnland machen sich bemerkbar. Nylén nur ein persönliches Zeugnis, sondern sieht sich einer Säkularisierung gegen- auch Indiz eines schon geraume Zeit über, die Chesterton bestenfalls geahnt, währenden Kulturkampfes.

Älteste bekannte Kirche Henriks 1156. Das Kirchlein war 10 m in Finnland und Bistumsfest lang und 6 m breit. Nicht ganz so alt ist die St. Laurentius- In Ravattula bei Kaarina, etwa 15 km Kirche in Lohja, in der zum dritten Mal östlich von Turku, sind die Reste der bis- die Messe am Tag des Bistumsfestes ge- her ältesten in Finnland bekannten Kir- feiert wurde. Diese Kirche wurde etwa che gefunden worden. Frühmittelalterli- 1490 fertig gebaut und ist seit der Refor- che romanische Stilelemente ermögli- mation evangelisch. Dankenswerterwei- chen eine Datierung auf die Jahre um se können die Katholiken diese Kirche 1100, also 50 Jahre vor dem Martyrium für ihr Fest benutzen.

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Wallfahrten

Die Wallfahrten, die man schon zur Tra- Dazu kommen, teilweise aus Anlass des dition des Bistums rechnen kann, sind „Jahres des Glaubens”, etliche andere zwei: die am letzten Wochenende vor Fahrten mit religiösem Ziel, aber unter- dem 24. Juni (Johannes der Täufer) nach schiedlicher Gestaltung. Der Weg nach Köyliö (dieses Jahr vom 21. bis 23. Juni), Santiago de Compostela gewinnt lang- wo der Tradition zufolge Bischof Henrik sam Freunde, und von Turku unter- den Märtyrertod erlitten hat. Die andere nimmt die Pfarrei seit vier Jahren eine ist die Kreuzwallfahrt nach Hattula am Fahrt zum alten, nicht weit entfernten 14. September, etwa 100 km nördlich Bischofssitz Koroinen, wo dieses Jahr am von Helsinki, wo im Mittelalter eine 8. Juni zum ersten Mal der Bischof die Kreuzreliquie aufbewahrt wurde, die Messe gefeiert hat. Und schließlich ist heute allerdings verschollen ist. Diese Ende Juni eine Gruppe von 29 Jugendli- beiden Wallfahrten haben auch 2013 chen von Helsinki unter Leitung von stattgefunden, wie im Vorjahr (vgl. Jahr- Kaplan Marco Pasinato nach Rom auf- buch 2013, S. 147). gebrochen.

Wallfahrt der Priesterschaft des Bistums in zwei Gruppen ins Heilige Land Im Februar und im August brach je eine Gruppe der im Bistum arbeiten- den Priester zu einer fünftägigen Wall- fahrt ins Heilige Land auf. Aus Anlass des „Jahres des Glaubens” hatte Bischof Sippo allen Priestern eine Beteiligung des Bistums an den Reisekosten ange- boten, damit sie an den Stätten des Le- bens Jesu geistlich auftanken könnten. Der Bischof selbst nahm in der zweiten Gruppe an der Wallfahrt teil. Das Ta- gungshaus Domus Galileae der Neoka- techumenalen Bewegung, gelegen an der Nordseite des Sees Genesaret, nahm beide Gruppen für drei Tage auf. Da- nach folgten zwei Tage in Bethlehem. Die geistliche Betreuung und auch die praktische Fürsorge lag beim stellver- tretenden Rektor des Domus Galileae, isä Felipe Torreblanca, in Zusammenar-

142 Bistum Helsinki beit mit isä Marco Pasinato aus Helsin- Wallfahrten der Grabesritter ki. Alle Priester waren froh und dank- nach Fatima und nach Rom bar für die aufmerksame Begleitung, Fast alle in Finnland wohnenden Ritter und es ist nur gerecht, dafür auch an von Heiligem Grab nahmen an einer dieser Stelle herzlichen Dank auszu- einwöchigen Wallfahrt nach Fatima in sprechen. Portugal teil. Die Leitung lag bei Matias Sarimo, und Bischof Teemu Sippo, Wallfahrt der Freunde Großprior der finnischen Grabesritter, des Karmelitenordens war ebenfalls dabei. Geistliche Mitte war ins Heilige Land der Besuch des Wallfahrtsortes Fatima Achtzehn Freunde des Karmelitenordens im Gedenken an die Erscheinungen der aus Finnland begannen ihre Wallfahrt Muttergottes vor den drei Hirtenkin- am Berg Karmel, wohin der Prophet Eli- dern Jacinta, Francisco und Lucia. Die as vor den Nachstellungen des Königs beiden Erstgenannten starben noch als Ahaz geflüchtet war, wo er aber auch sei- Kinder und wurden von Johannes Paul ne Theophanie (Gotteserscheinung) hat- II. am 13. Mai 2000 seliggesprochen. te. Anfang des 13. Jahrhunderts hatte Lucia hat beide bei weitem überlebt. sie der Karmelitenorden dort seinen histori- starb erst 2005 im Karmelitenkloster schen Anfang. Coimbra. Sie war Empfängerin von drei Die Wallfahrt ging dann über Tabor, die Botschaften, deren erste die Vorhersage Stadt Seforis in der Nähe von Nazareth, des Zweiten Weltkrieges betraf, die zwei- sodann Qumram, Bethlehem und Jeru- te die Bekehrung Russlands unter der salem. Kaplan Marco Pasinato von St. Bedingung, dass der Papst Russland dem Henrik war der geistliche Begleiter, der unbefleckten Herz Mariens weihte (was auch einen Besuch im internationalen erst 1942 in gewisser Weise und 1984 in Tagungshaus Domus Galileae des Neoka- deutlicher Weise geschah). Die dritte techumenalen Weges (in der Nähe von Botschaft betraf ein Attentat auf den Kapharnaum) vermittelte. Papst selbst; sie ging mit dem Attentat

143 Bistum Helsinki auf Johannes Paul II. am 13.Mai 1981 in Vom 13. bis 15. September 2013 nah- Erfüllung. Die Gruppe traf auch mit men auch 18 Grabesritter und Freunde Grabesrittern aus Portugal zusammen. des Ordens aus Finnland an der interna- Die Wallfahrt stand zugleich im Zeichen tionalen Wallfahrt der Grabesritter nach des Gebets für die Christen im Heiligen Rom teil, wo insgesamt etwa 3000 Men- Land und den Frieden in dieser Region. schen zusammenkamen.

Theologisches

Über den Begriff ‘Anbetung’

Der folgende Beitrag stammt von Marjatta Jaanu-Schröder, von 1989 bis 2003 Leiterin des katechetischen Zentrums. Sie behandelt für die finnische Sprache die sprachliche Fas- sung dessen, was im Deutschen ‘Anbetung’ heißt. Das äquivalente finnische Wort dafür ist ‘palvonta’. Für eine Religion, zu deren zentralen Inhalten der Schöpfungsglaube gehört, ist dieser Begriff absolut unentbehrlich. Umso erstaunlicher, dass die aktuelle finnische Versi- on der Bibel, die 1992 von der lutherischen Staatskirche akzeptiert wurde, diesen Begriff durch schwächere und damit unzureichende Worte ersetzt. Die Originalversion des Bei- trags erschien in der Nummer 1/2013 der Bistumszeitung FIDES und wird hier bis auf geringfügige Kürzungen wiedergegeben.

Zufällig stieß ich auf eine interessante Frage - wenn es so etwas wie Zufall gibt. Ich war auf der Suche nach Bibelstellen, wo von Anbetung die Rede ist, fand aber in der aktuellen finnischsprachigen Ausgabe nichts. Daraufhin habe ich verschiedene Über- setzungen zweier Stellen miteinander verglichen: Jo 4,21-24, wo Jesus mit der sama- ritanischen Frau spricht, und Mt 4,10, wo Jesus dem Teufel auf dessen (dritte) Versu- chung antwortet. In beiden Stellen ist in der griechischen wie in der lateinischen Version von ‘Anbetung’ die Rede, so wie es im Deutschen spontan und fraglos ver- standen wird (griechisch: proskynesis; lateinisch: adoratio). Dann suchte ich aus mei- nem Hausbestand Bibeln in verschiedenen Sprachen, wobei herauskam, dass die bei- den Stellen in allen Ausgaben außer der finnischen von ‘Anbetung’ sprechen:‘anbeten’ auf Deutsch, ‘worship’ auf Englisch, ‘tillbedja’ auf Schwedisch, ‘adoración’ auf Spanisch und ‘menyembah’ auf Indonesisch.

In den finnischen Versionen der Bibel ist an den besagten Stellen die Rede von ‘kunnioittaa’/‘verehren’, ‘palvella’/‘dienen’, ‘rukoilla’/‘beten’ und ‘kumartaa’/‘sich ver- beugen (mit einem leichten Anflug von ‘anbeten)’. Es fragt sich also, wohin das ei- gentliche Wort ‘anbeten’ geraten ist.

Als nächstes ging ich die im Internet zugänglichen finnischen Bibelübersetzungen

144 Bistum Helsinki durch. Die Übersetzung von 1938 hat ein Stichwortverzeichnis; mit dessen Hilfe fand ich sowohl im Alten wie im Neuen Testament zwar Warnungen und Verbote hinsicht- lich der Anbetung von Götzen, aber nichts sonst. Beispielsweise berichtet die Gehei- me Offenbarung im Zusammenhang der endzeitlichen Plagen von Menschen, welche die erste Plage überlebt haben, aber trotzdem nicht von der Anbetung ihrer eigenen Hände Werk abgelassen haben. Sie verneigten sich weiterhin vor bösen Geistern und vor den Götzenbildern, die sie selbst aus Gold, Silber, Bronze und Holz angefertigt hatten …” (Offb. 9,20).

Bei mir zu Hause hatte ich auch ein kleines deutschsprachiges, von den Gideons he- rausgegebenes Neues Testament, dessen Übersetzung eigenen Angaben zufolge auf der Übersetzung Luthers basiert. Dort stand das Wort ‘anbeten’ an denselben Stellen, die ich vorher nachgeprüft hatte. Mit anderen Worten, die Wegnahme des Wortes ‘An- beten’ im Zusammenhang mit Gott geht nicht auf Luther zurück. Warum also wird dann in den finnischen Übersetzungen das Wort ‘Anbetung’ nicht verwendet?

In der Übersetzung von Mikael Agricola (Lutherschüler aus Finnland, später lutheri- scher Bischof von Turku und führende Gestalt der Reformation in Finnland) wird das Wort ‘kumartaa’/‘verneigen’ sowohl im jüdisch-christlichen Sinn von ‘anbeten’ als auch im Sinn von Götzenanbetung verwendet. Damit war ich mit der Suche an einem Punkt angelangt, an dem ich Hilfe von außen brauchte und auch bekam.

Im Finnischen Zentrum für einheimische Sprachen wird derzeit gerade an einem Wörterbuch der alten finnischen Schriftsprache gearbeitet. Die Leiterin des Heraus- geberteams, Pirkko Kuutti, sagte mir, dass in der frühen finnischen Schriftsprache (Texte zwischen 1543 und 1810) die Worte ‘palvoa’/‘anbeten’ und ‘palvonta’/‘Anbetung’ nicht vorkommen. Deswegen können sie auch nicht in den ältesten Bibelübersetzun- gen stehen.

In Mikael Agricolas Übersetzung des Neuen Testaments vom Jahr 1548 wird ‘Anbe- tung’ mit dem Wort ‘verneigen’ wiedergegeben, ebenso in der Übersetzung von 1642 und in allen späteren Versionen bis zur sogenannten Kirchenbibel von 1776. Zum Kontrast möge die Information dienen, dass in der estnischen Bibelübersetzung das Wort ‘verneigen’ nach wie vor im Sinn von ‘anbeten’ gebraucht wird, ebenso wie im Wörterbuch. (Das ist relevant, denn Estnisch und Finnisch sind nahe miteinander verwandt; d.Ü.) Vielleicht kann man daraus den Schluss ziehen, dass das von Agrico- la gebrauchte ‘verneigen’ für die damalige Zeit das passendste Wort war.

Dann stellt sich aber die Frage, wie das Wort ‘palvoa’/‘anbeten’ in unserem heutigen Sinne in der katholischen Kirche in Finnland heimisch geworden ist. Eine gute Freun- din förderte aus ihren Schätzen das von A.F. Puukko herausgegebene Buch Unsere Finnische Bibel aus dem Jahr 1946 zutage. Dieses Buch eröffnet in der Tat in der

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Frage des Wortes ‘Anbetung’ interessante Perspektiven: Auf Initiative der Bibelgesell- schaft Turku erschien 1852 eine Ausgabe der Bibelübersetzung von 1776 mit Berich- tigungen. Damit begann eine ganze Reihe weiterer Schritte. Zunächst wurde der Theologe Anders Wilhelm Ingman, Kaplan von Yliveti, beauftragt, endgültige Kor- rekturen anzubringen und die Drucklegung zu betreuen. 1859 erschien dann Ing- mans „Probeausgabe”, die mit einer Einladung zur Untersuchung und zur Einsen- dung von Kritiken und Kommentaren versehen war und weite Verbreitung fand.

Andererseits wurde 1861 offiziell ein Übersetzungsteam ernannt, welches eine Neu- übersetzung aus den ursprünglichen Sprachen Hebräisch und Griechisch anfertigte und diese mit Ingmans Text und Übersetzungen ins Schwedische, nicht aber mit Lu- thers Übersetzung verglich. Diese Arbeit zog sich über Jahrzehnte hin; während dieser Periode starben einige Mitglieder des Teams, neue rückten an ihre Stelle. In der 1902 vorgelegten Übersetzung des Matthäusevangeliums wurden einige neue Worte vorge- schlagen. Dazu gehörte auch Matt. 4,10, wo die Worte ‘palvoa’/‘anbeten’ und dessen substantivierte Form ‘palvominen’/‘das Anbeten’ vorgeschlagen wurden. Diese Alter- native wurde jedoch als etwas skurril eingestuft, und schlussendlich wurden dafür die Worte ‘kumartaa’/‘verneigen’ und ‘kumartaen rukoilla’/‘sich verneigend beten’ ge- wählt. Ein Dr. I. Gummerus, Mitglied des Teams, hätte das Wort ‘palvoa’/‘anbeten’ akzeptiert, denn „die finnische Sprache bedarf dringend eines Wortes dieser Bedeu- tung. Zudem erwähnt Lönnrot dieses Wort (‘palvoa’ als volläquivalent für ‘anbeten’) in seinem Wörterbuch genau mit dieser Bedeutung.” Puukko vermutet (in seinem Buch von 1946), dass das Wort ‘palvoa’/’anbeten’ fast Eingang in die Bibel gefunden hätte. Das ist aber definitiv nicht geschehen, offenbar weil seinerzeit der Sprachsach- verständige, ein Literat namens Dr. Juhani Aho, das Wort nicht akzeptiert hat. Er befürchtete eine Verwechslung des Wortes ‘palvoa’ mit ‘palvata’, was ‘einpökeln und räuchern’ bedeutet (!).

Für das Neue Testament war bis dahin der katholische textus receptus benutzt worden (Mit textus receptus wird derjenige griechische Text bezeichnet, den Erasmus von Rot- terdam Anfang des 16. Jahrhunderts aus verschiedenen Quellen zusammengestellt hatte. Er diente allgemein für die nächsten 250 Jahre als Grundlage für Übersetzungen in andere Sprachen; d.Ü.). Der spätere lutherische Bischof Dr. Erkki Kaila trat dann für einen anderen Text als Ausgangspunkt ein: „Nun, da der Wert des textus receptus wissenschaftlich fraglich geworden ist, sollte man sich an die [oben erwähnte] Kir- chenbibel [von 1776] halten und im jetzt zu erstellenden Text protestantische Prinzi- pien verwirklichen.” Um das Wort ‘palvoa’/’anbeten’ wurde weiterhin diskutiert. Ein gewisser Assessor Tarkkanen gab zu Protokoll, dass dieses Wort in der Bedeutung von ‘anbeten’ auf jeden Fall in der finnischen Literatur weiterbestehen würde, auch wenn es nicht Eingang in die Bibel fände. Dann könnte die Bibel schließlich das einzige Buch sein, in dem das Wort nicht verwendet wird. Lauri Ingman war auch dafür, das Wort ‘palvoa’ in die Bibel zu übernehmen, aber er wurde überstimmt.

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Wie kam nun das Wort ‘palvoa’/’anbeten’ in die katholische Kirche in Finnland? Grundtatsache ist, dass das Finnische in der katholischen Kirche in Finnland erst seit etwa 1900 wieder heimisch geworden ist. In verwandten Sprachen, vor allem in Ka- relien (Ostfinnland), gibt es das Wort ‘palvoa’ in verschiedenen Abwandlungen, aber stets mit der Bedeutung ‘inständig bitten’, ‘beten’ und ‘anbeten’. Im Ingerland (Küs- tengebiet von Wiborg über Sankt Petersburg bis nach Ostestland, mit einer dem Finnischen nahe verwandte Sprache) heißt der orthodoxe Gottesdienst ‘palve’. Heut- zutage wird in der finnischen orthodoxen Kirche das Wort ‘palvoa’/’anbeten’ nicht verwendet. Auf Nachfragen erfuhr ich, dass sie das Wort ‘palvoa’ negativ definieren: „orthodoxe Christen richten die Tätigkeit ‘palvoa’ (also höchstwahrscheinlich ‘anbe- ten’) nicht an Maria oder andere Heilige.” Das Wort kommt ebenso wenig in liturgi- schen Texten der finnischen orthodoxen Kirche vor.

Der erste Finnisch schreibende Katholik war Msgr. Adolf Carling (1882– 1966). Er hat beispielsweise für das von der hl. Maria Theresa Ledochowska herausgegebene und 1910 veröffentlichte Buch „Meerstern, ich Dich grüße” (Terve, meren tähti) einen Beitrag verfasst. Dort heißt es bei der Erklärung der Messe: „In tiefster Demut beten wir Dich an und verneigen uns vor Dir, menschgewordener Gott, Kind gewordener Vater, Sklave gewordener Herr.” Carling verwendete also das Wort, das Lönnrot 1880 in sein Finnisch-Schwedisches Wörterbuch aufgenommen hatte, und wo ‘tillbedja’ mit ‘palvoa’ im Sinne von ‘Gott anbeten’ übersetzt wurde. Die Worte ‘palvoa’ und ‘palvominen’ waren nach der Jahrhundertwende weiterhin Gegenstand von gelegent- lich heftigen Auseinandersetzungen. In der Bibelübersetzung von 1938 wird für die Anbetung Gottes das Wort ‘palvoa’ nicht verwendet, sondern es wird nur vor Götzen- dienst (Idolatrie) gewarnt. In der katholischen Kirche war das Wort jedoch schon im Gebrauch, und zwar in seiner ursprünglichen Bedeutung.

Eine weitere Frage: Wie wurde es allgemein-finnischer Brauch, der katholischen Kir- che die Heiligen- und besonders Marienanbetung anzuhängen. Auf jeden Fall kommt so etwas nicht von katholischen Texten her. Nun ist 1935 beim (traditionsreichen) Verlag Otava ein Großes Buch des Wissens erschienen, in dem ein Geschichtsprofessor namens Gabriel Rein (+1947) über die Jungfrau Maria schreibt. Zuerst sagt er, dass im Mittelalter die Kirche Maria als „höchstgestellte aller Heiligen” verehrt hat. Dann sagt er, dass die Marienanbetung um das Jahr 300 begonnen hat, und fährt fort: „Mit der Jungfräulichkeitslehre war die Vorstellung verbunden, dass die Mutter Jesu frei von Sünden war. Maria war für die ehemaligen Heiden ein Ersatz für diverse Göttin- nen, und man kann insbesondere sagen, dass die Verehrung der Kybele die Entwick- lung der Marienanbetung gefördert hat.” Im selben „Großen Buch des Wissens„ äu- ßert sich der Dozent für Kirchengeschichte und spätere Bischof Ilmari Salomies (+1875) über Heilige und Heiligenanbetung mit ganz ähnlichen Argumenten.

Immerhin ist an seinem Beitrag bemerkenswert, dass er beim finnischen Nationalhei-

147 Bistum Helsinki ligen Henrik das Wort ‘anbeten’ nicht verwendet, sondern stattdessen ‘verehren’. „In der Kirche Finnlands wurden anfangs diejenigen Heiligen verehrt, die überall bekannt waren, vor allem die Jungfrau Maria. Aber bald kam der Märtyrerbischof Henrik als einheimischer Heiliger auch zu hohen Ehren.” Beide Autoren stellen einige Dinge korrekt dar, aber gerade die ‘Anbetung’ falsch. Übrigens ist das lateinische Wort ‘ad- oratio’ für ‘Anbetung’/palvonta’ in demselben Großen Buch des Wissens als ‘Anbe- tung’ oder ‘anbetende Verehrung’ erklärt. Autor dieses Beitrags ist ein Philologe na- mens Sulo Kilpi.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass 50 Jahre nach Erscheinen des Lönnrot- schen Wörterbuches das neue finnische Wort ‘palvoa’ mindestens bei Historikern und Theologen einen negativen Beigeschmack hat, der bei Lönnrot selbst nicht vorhanden war. Wie das passiert ist, kann ich mit den mir zur Verfügung stehenden Quellen nicht aufklären.

Im Katechismus der katholischen Kirche gehört das Verb ‘anbeten’ ausschließlich zur Anbetung Gottes, „erster Akt der Gottesverehrung”, und zur Anbetung der Eucharis- tie. „Anbetung ist die erste Haltung des Menschen, der sich vor seinem Schöpfer als Geschöpf erkennt. Sie verherrlicht die Größe des Herrn, der uns geschaffen hat, und die Allmacht des Retters, der uns vom Bösen befreit. In der Anbetung wirft sich der Geist vor dem „König der Herrlichkeit” (Ps. 24,9-10) nieder und schweigt ehrfürch- tig vor dem „je größeren Gott” (Augustinus, Psal. 62,16). Die Anbetung des dreimal heiligen und über alles zu liebenden Gottes erfüllt uns mit Demut und gibt unserem Bitten Zuversicht.” (KKK 2628)

„Wir bringen in der Messliturgie unseren Glauben, dass Christus unter den Gestalten von Brot und Wein wirklich zugegen ist, und anderem dadurch zum Ausdruck, dass wir zum Zeichen der Anbetung des Herrn die Knie beugen oder uns tief verneigen.” (KKK 1378). Und dann ein Zitat aus einem Text von Papst Johannes Paul II. zur Eucharistie: „Die Kirche und die Welt haben die Verehrung der Eucharistie sehr nötig. In diesem Sakrament der Liebe wartet Jesus selbst auf uns. Keine Zeit sei uns dafür zu schade, um ihm dort zu begegnen: in der Anbetung, in einer Kontemplation voller Glauben, bereit, die große Schuld und alles Unrecht der Welt zu sühnen. Unsere Anbetung sollte nie aufhören.” (KKK 1380).

Marjatta Jaanu-Schröder

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Ökumene

Ökumene in Rom Vom 15. bis 20. Januar 2014 fand die der Leiter der Abteilung für Auslandsbe- 29. ökumenische Wallfahrt nach Rom ziehungen Kimmo Kääriäinen. Wie in aus Anlass des Festes des heiligen Märty- fast allen Vorjahren gab es eine Begeg- rerbischofs Henrik, Nationalheiliger von nung mit dem Leiter und den Mitarbei- Finnland, statt. Dieses Mal beteiligten tern des Päpstlichen Rates für die Ein- sich außer dem katholischen Bischof heit der Christen, wo unter anderem Teemu Sippo SCJ und dem evangelisch- 2017 als 500. Jahr nach der Reformation lutherischen Erzbischof Kari Mäkinen zur Sprache kam. Vor allem aber stand auch der orthodoxe Erzbischof Leo. In die Privataudienz bei Papst Franziskus, ihrer Begleitung waren isä Toan Nguyen beide am Freitag, 17. Januar. Auch er- Tri, derzeit zum Studium in Rom, von folgten Einladungen des Botschafters orthodoxer Seite Sirpa Koriala und Jari und des Finnischen Kulturinstituts Villa Rantala sowie von evangelisch-lutheri- Lante auf dem Gianicolo. Nachfolgend scher Seite Frau Eija Mäkinen, der theo- geben wir die Übersetzung der Anspra- logische Berater Mika K.T. Pajunen und che des Papstes wieder.

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Liebe Brüder und Freunde aus Finnland,

„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus” (Röm 1,7). Sie sind als ökumenische Delegation im Rahmen des Fes- tes des heiligen Henrik, des Schutzpatrons von Finnland, nach Rom gekommen. Wie es schon über 25 Jahre meine Vorgänger, der selige Johannes Paul II. und Benedikt XVI., getan haben, heiße ich Sie herzlich willkommen. Der Apostel fragt die Korinther, die unter sich gespalten sind: „Ist denn Christus zerteilt?” (1 Kor 1,13). Diese Frage wurde zum Thema der morgen beginnenden Gebetswoche für die Einheit der Christen gewählt. Heute stellt sich uns hier dieselbe Frage. Selbst wenn manche die vollständige und sichtbare Einheit der Kirche nicht mehr als ein erreichbares Ziel betrachten – wir bleiben aufgefordert, nicht auf ökumenische Bemühungen zu verzichten und dem treu zu bleiben, was unser Herr Jesus Christus vom Vater erbat: "Alle sollen eins sein” (Joh 17,21). Derzeit gehen hinsichtlich der Beziehungen der Christen untereinander und auf dem ökumenischen Weg bedeutende Veränderungen vor sich, und zwar vor al- lem weil wir unseren Glauben in einem gesellschaftlichen und kulturellen Um- feld bekennen, wo die Hinweise auf Gott und die transzendente Dimension des Lebens immer spärlicher werden. Das trifft vor allem, aber nicht nur für Europa zu. Gerade deswegen ist es notwendig, dass unser Glaubenszeugnis sich auf sei- nen Kern konzentriert, nämlich die Botschaft von Gottes Liebe, die in seinem Sohn Jesus Christus offenbar geworden ist. Es ist an dieser Stelle, wo wir an Gemeinsamkeit und Einheit wachsen müssen. Es geht um eine geistliche Öku- mene, die unmittelbar aus dem Liebesgebot entspringt, das Jesus seinen Jüngern anvertraut hat. Auf diese Dimension hat auch das Zweite Vatikanische Konzil hingewiesen: „Die[se] Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens ist in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen als die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen; sie kann mit Recht geist- licher Ökumenismus genannt werden” (Dekret Unitatis redintegratio, 8). Die Ökumene ist ein geistlicher Prozess, der Wirklichkeit wird im gläubigen Gehorsam dem Vater gegenüber, im Erfüllen des Willens Christi in Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist. Erbitten wir daher unermüdlich die Hilfe des gnädigen Gottes und das Licht des Heiligen Geistes, der uns der ganzen Wahr- heit entgegenführt und Versöhnung und Gemeinschaft schafft. Mit Freuden bekräftige ich meinen Willkommensgruß und erbitte von Herzen Gottes Segen für Sie, für alle Christen in Finnland und überhaupt für alle Menschen in Ihrem Land.

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Patriarch Bartholomäus von Konstantinopel in Finnland Aus Anlass des 90. Jahrestages der Bin- dung der orthodoxen Kirche Finnlands an das ökumenische Patriarchat Kons- tantinopel kam Patriarch Bartholomäus von 11. bis 13.9.2013 nach Finnland. Zum Besuch gehörte auch ein ökumeni- sches Treffen in der lutherischen Dom- kirche von Espoo, an dem Bischof Tee- mu Sippo SCJ als Vorsitzender des Fin- nischen Ökumenischen Rates, der luthe- rische Erzbischof Kari Mäkinen und weitere Vertreter des Finnischen Öku- menischen Rates teilnahmen. Vorgese- hen waren auch Begegnungen mit Ver- tretern der jüdischen Gemeinde sowie der islamischen Gemeinschaft. der zweite Band auf Finnisch unter dem Titel „Die letzten Tage Jesu”. Der Verlag hat ge- wechselt: statt des für juristi- sche Literatur und Ähnliches bekannte Verlags EDITA ist es nun der lutherische Verlag PE- RUSSANOMA („Grundbot- schaft”). Dieser Verlag wird auch den dritten Band heraus- bringen (geplant für Weih- nachten 2014). Zur Vorstel- lung des Buches veranstaltete die größte Buchhandlung des Landes in Helsinki am 25. März ein gemeinsames Inter- view mit dem katholischen Bischof von Helsinki, Teemu „Jesus von Nazareth II” Sippo SCJ, und dem emeritierten luthe- auf Finnisch erschienen rischen Bischof von Helsinki, Eero Huo- Nach dem ersten Band des epochalen vinen. Am Abend desselben Tages hiel- Werkes von Joseph Ratzinger/Benedikt ten beide in der Universität je einen XVI. „Jesus von Nazareth” (vgl. Jahr- Vortrag im Rahmen einer Vorlesungsrei- buch 2009, S. 148) erschien nun auch he über „Papsttum und Luther”.

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Weitere Nachrichten neuer Grabesritter nach Helsinki ge- kommen war, die Marienstatue, die vor- her natürlich durch die Hände eines Franziskanischer Einkehrtag Restaurators gegangen war. 2013 war das dritte Jahr, dass P. Franz Richard OFM aus Osnabrück einen Neue Bücher und neue Einkehrtag (am 10.6.) auf Deutsch hielt, Internetadresse für die wie in den Vorjahren in der Kirche und Homepage des Bistums dem Pfarrsaal St. Henrik. Das Informationszentrum hat 2013 drei 2013 konnte die Gemeinschaft der Lai- wichtige Titel herausgebracht: Das „Kom- enfranziskaner in Finnland auf ihr pendium des Katechismus der katholi- 65jähriges Bestehen zurückblicken. Der schen Kirche”, die überarbeitete Ausgabe Anfang 1948 war wegen der Nachkriegs- des zweiten Bandes der Konzilsdokumen- wirren nicht einfach. Die ersten Frauen, te und die erste Enzyklika von Papst Fran- die sich der Gemeinschaft anschlossen, ziskus, „Das Licht des Glaubens”. taten dies im Anschluss an die süddeut- Auch hat sich die Internetadresse des sche Franziskanerprovinz. Bistums geändert. Zuerst catholic.fi, dann katolinen.net, und jetzt endgültig Marienstatue auf dem katolinen.fi. Damit hat hoffentlich die Grundstück von St. Henrik Odyssee ein Ende. Die Änderung schlägt Jahrzehnte wartete eine lebensgroße Ma- sich auch in den Emailadressen der Pfar- rienstatue im Pfarrhaus auf einen würdi- reien, des katechetischen Zentrums und gen öffentlichen Platz. Dank der Initia- des Informationszentrums nieder. tive des Pfarrers Marino Trevisini und einiger Pfarrangehörige wurde zu Taten Ökumenische Wallfahrt geschritten. Als von Gesetz wegen eine Vom 20. bis 27. Mai 2013 fand eine Art Rampe für Gehbehinderte und Roll- ökumenische Wallfahrt nach Italien un- stuhlfahrer geschaffen werden musste, ter Leitung von Bischof Teemu Sippo, wurde sie nicht geschmacklos neben die dem ehemaligen lutherischen Bischof steile Eingangstreppe zum Hauptportal von Helsinki Eero Huovinen und seiner der Kirche gebaut, sondern als netter Frau sowie des lutherischen Geistlichen Weg durch den Garten zum Eingang ne- Antti Kruus statt. Zielorte waren Assisi ben der Sakramentskapelle angelegt. (zwei Tage), Siena (zwei Tage) und Rom Dann ergab sich die Idee für den Platz (drei Tage). Dazu gehörten auch ge- der Marienstatue mit einem Schutzdach meinsame Gebete und Gottesdienste aus Kupfer und einer Verglasung der unter Verantwortung je eines der drei Vorderseite wie von selbst. Von der Sta- Leiter. Insgesamt nahmen 52 Personen tue aus blickt man direkt auf die schräg teil, darunter mehrere lutherische Pfarrer gegenüberliegende Botschaft der Russi- sowie Mitglieder von einigen der fünf schen Föderation. Am 28. April segnete lutherischen Erweckungsbewegungen. Kardinal Edwin O’Brien, der als Groß- meister der Grabesritter zur Investitur

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Jahrestreffen der Leiter der religiösen Gemein- schaften in Valamo Das Jahrestreffen 2013 der nationalen Leiter der religiösen Gemeinschaften fand am 31. Mai statt. Der orthodoxe Erzbischof Leo hatte ins orthodoxe Klos- ter Neu-Valamo, etwa 80 km südöstlich von Kuopio in Mittelfinnland, eingela- den. Anwesend waren außer Erzbischof Leo selbst Bischof Teemu Sippo, der lu- therische Erzbischof Kari Mäkinen, Fragen und Antworten Anas Hajjar als Sprecher des Islamischen zur Euthanasie Rates, Atik Ali als Sprecher der islami- Das Informationszentrum hat eine kleine schen Gemeinde und der orthodoxe Handreichung mit moraltheologischen Priester Heikki Huttunen als Sekretär Orientierungen zur Euthanasie veröffent- der Finnischen Ökumenischen Rates. licht. Autor ist der derzeitige Generalvikar Der Sprecher des Zentralrates der jüdi- isä Raimo Goyarrola, der vor seiner Pries- schen Gemeinden, Gideon Bolotowsky, terweihe Arzt war. Abgesehen von dem nahm an dem Treffen nicht teil. Haupt- allgemeinen Druck, aus wirtschaftlichen gesprächsthema war der schulische Reli- Motiven oder aus dem Anspruch morali- gionsunterricht. scher Autonomie heraus die Euthanasie zu legalisieren, gibt es einen konkreten Hin- tergrund. Er besteht darin, dass sich viele Ärzte für inkompetent erklären, auf Grund ihres fachlichen Wissens den Au- genblick zu bestimmen, wann die Krank- heit stärker als die Medizin geworden ist und man nur noch lindern, aber nicht mehr heilen kann. Stattdessen tendieren viele dazu, unbedingt alles in ihrer Macht stehende zu tun, was dann häufig zu the- rapeutischer Grausamkeit führt. Da die Behandlungskosten entsprechend steigen, meldet sich das staatliche Gesundheitssys- tem und fordert Begrenzungen. Damit ist die Tür zur Euthanasie bereits einen Spalt geöffnet, und es gibt genügend Anzeichen dafür, dass in Finnland bereits eine große Grauzone existiert, wo es alle Kräfte kos- tet, dem Druck zum Mord an schwerkran- ker oder alter Menschen zu widerstehen.

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Personalnachrichten

Dompfarrer Msgr. Marino Region wohnenden Katholiken Sorge zu Trevisini zurück in sein tragen. Deren Anzahl war anfangs gering, Heimatbistum Triest vervielfachte sich aber, vor allem durch Auf Initiative des Bischofs von Triest und Flüchtlinge aus Vietnam und dem Irak. – man kann das wohl nicht anders sagen Eine Kirche war dringend nötig. Die erste – nach einem gewissen Tauziehen zwi- Bauphase der heutigen oktogonalen und schen Helsinki und Triest kehrt isä Mari- mit modernen Ikonen ausgestatteten no Trevisini nach mehr als 20 Jahren Kirche wurde 1991 fertig, die zweite mit priesterlicher Arbeit in Finnland, vor al- dem angebauten Pfarrhaus 2000. Zudem lem in Oulu und Helsinki, nach Triest erleichterte die persönliche Freundschaft zurück, und zwar als Dompfarrer. Er fei- isä Marinos mit dem damaligen lutheri- erte seine letzte Sonntagsmesse in der schen Bischof Olavi Rimpiläinen und überfüllten St. Henrikskirche am 8. Sep- den orthodoxen Priestern die ökumeni- tember. Der Name Marino Trevisini ist schen Beziehungen außerordentlich. untrennbar mit den Anfängen des Neo- Als Priester der Diözese Triest wusste isä katechumenalen Weges in Finnland ver- Marino, dass seine Rückkehr nach dort knüpft. Eine der mit missionarischer im Raume stand, spätestens 2002. Kurz Sendung betrauten Familien kam mit isä davor ernannte der damalige Bischof Jó- Marino 1986 nach Oulu in Nordmittel- zef Wróbel ihn zum Pfarrer an St. Henrik finnland. Der damalige Bischof Paul Ver- in Helsinki und obendrein zum General- schuren beauftragte ihn, für die in dieser vikar. Tatsache ist, dass isä Marino in Helsinki blieb, und zwar auf Grund der Zustimmung seines Bischofs! Es bleibt wohl ein Geheimnis der Beteiligten, wie sie das geschafft haben. Elf Jahre später führte ein ähnliches Verfahren leider nicht zum gewünschten Erfolg. Isä Mari- no hinterlässt viel getane Arbeit und ebenso viel Pensum für die Zukunft. Er war Mitglied des Bischofsrates und ande- rer Gremien, nach dem Tod von Père Guy Barbier Exorzist und last not least Rektor des Seminars Redemptoris Mater in Espoo. Und in St. Henrik haben auch viele Seminaristen ihre praktische Zeit absolviert. Wir wünschen isä Marino Gottes Segen für seine Arbeit in Triest und hoffen, dass die Verbindung nicht ganz abreißt! (vgl. Jahrbuch 2004, S. 140; 2005, S. 137).

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Marco Pasinato

Als Nachfolger von Msgr. Marino Trevi- sini wurde isä Marco Pasinato mit Wir- kung vom 21.9.2013 als Pfarrverweser ernannt. Isä Marco (33) war seit seiner Priesterweihe am 2. Oktober 2010 Kap- lan an St. Henrik (vgl. Jahrbuch 2011, S. 94).

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Zdzislaw Huber SCJ Francisco Garcia, Krystian Kalinowski und Donbosco Thomas

Nach Jahren in Rom (vgl. Jahrbuch 2009, S. 150) war isä Zdzislaw Huber SCJ 2012 nach Finnland zurückgekehrt, zunächst nach Tampere. Mit Wirkung vom 1.9.2013 kam er als Kaplan an die St. Marienpfarrei in Helsinki. Stanislaw Zawilowicz SCJ

Isä Francisco Garcia wurde am 21.11. 2009 in St. Henrik von Bischof Sippo zum Priester geweiht und war danach Kaplan in St. Henrik. Mit Wirkung vom 15.9.2013 ging er als Pfarrverweser nach St. Olav, Jyväskylä und wurde damit Nachfolger von isä Krystian Kalinowski vom selben Weihejahrgang, der zum Zeitgleich mit isä Zdzislaw Huber SCJ gleichen Zeitpunkt Kaplan an der Pfar- wechselt isä Stanislaw von St. Marien zur rei der Hl. Familie in Oulu wird (vgl. Pfarrei Hl. Kreuz in Tampere (vgl. Jahr- Jahrbuch 2009, S. 149 und 2010, S. buch 2013, S. 149). 150). Damit sind wie in allen anderen Pfarreien nunmehr auch in Oulu zwei Priester. Pfarrverweser in Oulu wurde isä

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Donbosco Thomas aus Indien. Er wurde diözesanen Missonsseminars Redempto- mit Wirkung vom 25.10.2013 zum ris Mater ernannt. Er war seit 2005 Vize- Pfarrer ernannt. rektor, nahm schon seit 1997 alle prak- tischen Aufgaben des Rektors im Semi- Cristiano Magagna nar wahr und trat nun die Nachfolge von Msgr. Marino Trevisini an (vgl. Jahr- buch 2005, S. 139).

Antoine Lévy OP P. Antoine Lévy OP, seit 2004 Leiter des Studium Catholicum in Helsinki, ist für fünf Jahre zum Professor mit Teilzeitanstel- lung an der orthodox-theologischen Fakul- tät der Universität Ostfinnland in Joensuu ernannt worden. Zu seinen Forschungsge- bieten gehören „Werte und Religion im heutigen Russland” sowie die „spezifisch national-russischen Werte”. P. Lévy ist seit Isä Cristiano Magagna wurde mit Wir- 2007 auch Dozent an der Theologischen kung vom 29.9. 2013 zum Rektor des Fakultät der Universität Helsinki.

Jubiläen

Sr. Mary Vénard CPPS (Schwestern vom Kostbarsten Blut) wurde im vorletzten April 90 Jahre alt. Sie kam 1949 nach Finnland und widmete die folgenden 46 Jahre dem Unterricht in der von Schwes- tern ihres Ordens wenige Jahre zuvor eröffneten Englischen Schule (vgl. Jahr- buch 2010, S. 151). In dieser Zeit hatte sie insgesamt 3000 Schüler. Als sie 1995 nach Tallinn übersiedelte, führte sie die- selbe Arbeit weiter, wovon bis jetzt noch einmal rund 1000 Schüler profitiert ha- ben (vgl. Jahrbuch 2007, S. 129). Ein selten arbeitsreiches und erfülltes Leben. Wir wünschen Schwester Mary Vénard Gottes reichen Segen für die Zeit, die er ihr noch schenkt.

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Kleine Schwestern Jesu ihre Gelübde ab, und schließlich er- 60 Jahre in Finnland schien passend zu diesem Zeitpunkt die Am Sonntag, 8.9.2013, feierten die klei- Veröffentlichung der finnischen Über- nen Schwestern Jesu, die ihren Konvent setzung eines Buches von Angelika Dai- in einer Wohnung in Tampere haben, ker über Leben und Spiritualität der zusammen mit der Pfarrei Heilig Kreuz Ordensgründerin Magdeleine. Das Buch ein dreifaches Jubiläum: einmal die An- erschien im kleinen Amanda-Verlag, ei- kunft der kleinen Schwestern vor 60 Jah- ner Initiative der ehemaligen Leiterin ren, 1953, in Finnland, zum anderen des Katechetischen Zentrums, Marjatta legte Schwester Margarete vor 50 Jahren Jaanu-Schröder.

In memoriam

Marie-Céline Laine SCJ in St. Louis, Missouri, war sie jüngste Am 1. Februar 2013 starb Schwester von drei Kindern. Sie unterrichtete alle Marie-Céline Laine SCJ im Alter von 75 möglichen Fächer, aber am liebsten Jahren in Rosmalen, Holland. Sie Kunst, worin sie auch einen akademi- stammte aus Askola (Südfinnland) und schen Titel erwarb. 1963 kam sie nach trat 1957 zum katholischen Glauben Finnland, nachdem sich ursprüngliche über. 1964 trat sie in den Orden der Pläne nach China als undurchführbar Herz-Jesu-Schwestern ein (der zu dem erwiesen hatten. Von 1966 war sie Di- von Leo Dehon gegründeten Orden der rektorin der Schule bis zu ihrer Rück- Herz-Jesu-Priester parallele Frauenor- kehr in die USA 1971. Es folgten lange den), und legte 1967 ihre ersten Gelüb- Jahre an verschiedenen Schulen, bis eine de im holländischen Mutterhaus Veld- schleichende Augenkrankheit ihre Arbeit hoven ab. Schwester Marie-Céline wirk- außerhalb des Klosters unmöglich mach- te 1967-1973 in St. Henrik als Religi- te. Die letzten Jahre in völliger Blindheit onslehrerin und war auch sonst eine lebte sie ganz für ihre Schwestern, hörte starke Stütze in der Pfarre. Von 1973 bis und betete für sie und ihre Anliegen. 1993 wirkte sie in demselben Sinne in der Pfarrei St. Birgitta, Turku. Ihre Ge- Paula of Christ OCD sundheit war schwach und verschlech- Am 30. Mai 2013 starb Sr. Paula of terte sich zusehends; deshalb siedelte sie Christ OCD, mit bürgerlichem Namen 1993 ins damalige Mutterhaus in Ros- Nancy Jeanne Strebig, fast 86 Jahre alt. malen, Holland um. Sie wurde am 10. August 1927 im ame- rikanischen Milwaukee, Wisconsin, als Loretta Marie Greifzu CPPS ältestes von drei Kindern deutschstäm- Am 17. Februar 2013 starb Schwester miger Eltern geboren. Von Kind auf war Loretta Marie Greifzu CPPS im Mutter- sie unternehmungslustig, später erwarb haus ihres Ordens. Geboren am 3.2.1917 sie sogar eine Pilotenlizenz für Privat-

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und mit der Zeit eine der Säulen der da- mals noch winzigen, vielleicht tausend Gläubige umfassenden katholischen Kir- che in Finnland. Er war 1945 einer der treibenden Kräfte bei der Gründung des Vereins „Juventus Catholica”, der an- fangs seinen Hauptsitz im Keller des Bi- schofshauses hatte und nicht zuletzt dem Ziel diente, dass sich katholische Jungen und Mädchen beizeiten kennenlernen – katholische Eheanbahnung also. Für uns heute ist das nicht so vertraut, aber für die damaligen Verhältnisse in Finnland war das von vitaler Bedeutung. Später widmete Alhard seine Kräfte dem Verein flugzeuge. Ihren Weg zum Karmeliteror- „Academicum Catholicum”, der nach den fand sie durch die Schriften der hei- dem Krieg von dem finnischen Priester ligen Therese von Lisieux und trat 1948 Wilfried von Christierson (gest. 1945) in den Karmel ihrer Heimatstadt ein. gegründet worden war. Noch später, Später siedelte sie in ein Kloster in Kali- 1995, schloss er sich den Grabesrittern fornien um und legte dort 1966 ihre an. Auf seine stille Weise war er für viele Ewigen Gelübde ab. Als 1986/87 einige ein guter Freund. Mitschwestern nach Finnland aufbra- chen, spürte sie eine Neigung, ihnen zu Noch einmal: folgen, was auch 1995 geschah. Sie dien- Père Guy Barbier te der Kirche mit ihrem Gebet und ihrer Père Guy Barbier de Courteix starb nach neuen kleinen Gemeinschaft (fünf bis mehr als vierzig Jahren priesterlicher Ar- sechs Schwestern anstatt der üblichen beit in Finnland am 21.6.2011 (Vgl. acht) mit ihren vielseitigen praktischen Jahrbuch 2012, S. 133ff.). Vorher war er Fähigkeiten. Ihre Gesundheit war nicht lange Jahre Exorzist des Bistums (vgl. die beste; 2010 musste sie sich wegen Jahrbuch 2011, S. 97). Nach Finnland einer Krebserkrankung operieren lassen. kam er 1964, lebte zunächst im sog. Die drei Jahre bis zu ihrem Tod waren Ökumenischen Zentrum (vgl. Jahrbuch ein Geschenk, das sie dazu motivierte, 1964, S. 73-75), wirkte danach in der ihr Bestes zu geben. Organisation Emmaus, ab 1986 in der Pfarrei St. Henrik mit mehr oder weni- Alhard Hermann Eckstein ger ausgedehnter Arbeit auch in Estland Am 7. September 2013 starb Alhard und Russland. 2011 wäre der 60. Jahres- Hermann Eckstein, einen Tag nach sei- tag seiner Priesterweihe und auch seines nem 89. Geburtstag. Er wurde am 6. 90. Geburtstags gewesen. Aus diesem September 1924 als Sohn deutschstäm- Anlass war geplant, in der Sommeraus- miger Eltern geboren, katholisch getauft gabe von FIDES ein Interview zu veröf-

159 Bistum Helsinki fentlichen. Sein Tod kam dazwischen, Eltern merkten, dass ich nach der Schu- und so wird dieses Interview erst zwei le mich nicht um die Arbeit im Haushalt Jahre später veröffentlicht. Es dient dem kümmerte, sondern bei den Großeltern dankbaren und betenden Gedenken an war. Danach wurde ein Vetter von mir einen ganz und gar priesterlichen Men- auf eine Schule im Süden, in der Nähe schen. Der nachfolgende Text ist eine von Marseille, geschickt. Meine Eltern Nachschrift der Aufnahme, wobei nichts wollten auch mich sofort dorthin schi- an der für Père Guy typischen Sprech- cken, 500 km entfernt. Ich war 12, es weise korrigiert wurde. war hart, und ich habe viel geweint, weil ich zu Hause sein wollte. Aber so war es Wenn man Ihnen so zuhört, hat man nun mal. den Eindruck, dass Sie immer daran denken, wie Sie anderen Menschen mit Aber eine komische Sache. Dort war ein Ihrer Erfahrung helfen könnten. Meinen Priester, der lange Zeit in Neukaledoni- Sie, dass es Grundaufgabe jedes Christen en war. Und zufällig war er vor langer ist, anderen zu helfen? Zeit mit meiner Großmutter befreundet. Und als ich ankam, fand ich offene Auf- Ja, natürlich. Aber ich muss sagen, was nahme. Er war mir gegenüber sehr Abbé Pierre sagte, als er gefragt wurde, freundlich. Und dadurch wuchs in mir was er getan habe. Er sagte: „Ich habe der Gedanke, Priester zu werden und nichts getan. Alles ist an mir geschehen.” Menschen zu helfen, die weit weg von Hier geht es ähnlich. Das Helfen kommt, ihrem Zuhause waren. Stellen Sie sich weil wir andere gesehen haben, die ge- vor, als 12-jähriger kam mir der Gedan- holfen haben. Zum Beispiel die Eltern, ke, Priester zu werden. So war das. Priester und andere bekannte Menschen. Wir haben gesehen, wie schön es ist zu Aber davor kam der Krieg. helfen. Und nach und nach haben wir uns mit diesem Gedanken angefreundet. Genau. Danach war ich also ungefähr Aber der erste, der geholfen hat, ist fünf Jahre dort. Unser Land war besetzt Christus. Deshalb müssen wir zuerst ver- und die Deutschen waren überall. Ich stehen, wie Christus uns geholfen hat. wurde zur Arbeit in einer Fabrik nach Das ganze Evangelium spricht davon. Deutschland geschickt. In dieser Fabrik war ich anderthalb Jahre. Wir wollten Wie haben Sie Ihre Berufung zum Pries- ganz und gar nicht dort sein, wir bilde- tertum gefunden? ten eine Art Résistance (Widerstandsbe- wegung). Deswegen nahm die Gestapo Auf eine ziemlich ungewöhnliche Weise. uns fest und schickte uns ins Konzentra- Ich lebte in St. Étienne bei Lyon und tionslager. Genau durch diese Gescheh- ging zur Schule. Plötzlich geschah etwas nisse bin ich in meine Berufung hinein- Schwieriges, dass nämlich die Eltern gewachsen, die Gott mir gegeben hat. meiner Mutter nicht mehr allein leben Ich habe gesehen, wie Menschen im konnten und daher zu uns zogen. Meine Konzentrationslager gelitten haben. Ich

160 Bistum Helsinki habe auch gesehen, wie Menschen daran Priester, ein Pole [Maximilian Kolbe]. Er gelitten haben, sozusagen geistlich arm starb dort, denn er ging [freiwillig an- waren, weil ihnen Christus fehlte. Und statt eines anderen Gefangenen] in den als ich schließlich nach Hause zurück- Bunker, wo alle gestorben sind. kehrte, wollte ich umso mehr Priester werden. Danach haben Sie studiert …

Sie sagten, dass die Erfahrung des Lei- Zunächst ging ich nach Paris ins Semi- dens im Konzentrationslager Ihnen in nar und war dort fünf Jahre und wurde Ihrer priesterlichen Arbeit geholfen hat. Priester. Dann war ich in meiner Hei- matstadt vier Jahre in einer kleinen Pfar- Ja, natürlich. Deswegen, wenn es nichts rei. Danach suchte ich etwas, was mir von dem gibt, worüber ein Mensch nor- helfen könnte, und fand das Prado [Sä- malerweise verfügt, wenn er zuhause ist, kular-]Institut. Es umfasste etwa tausend wenn er arbeitet. Und nun ist ein Personen, Priester, Schwestern, Brüder, Mensch gefangen und die ganze Zeit am Laien. Drei Jahre lang war ich Arbeiter- Rande des Todes. Es war schrecklich, priester. Das heißt, ein Priester, der wie fortgesetzt starben Menschen, an Krank- ein gewöhnlicher Arbeiter mit anderen heiten, an Überanstrengung, oder aus Männern zusammen in der Fabrik arbei- anderen Gründen ... Ja, in den Konzen- tet. Dadurch können diese Männer er- trationslagern starben Millionen. Des- fahren, wer Christus ist, und sich bekeh- wegen habe ich gelernt, dass ein Mensch ren. Aber in Rom war ein Kardinal Ot- nichts machen kann, wenn er allein ist. taviani, der befürchtete, dass diese Le- Und sofort kam der nächste Gedanken, bensart für Priester gefährlich war, und dass nur Gott den Menschen helfen ordnete an, damit Schluss zu machen. kann. Ich erinnere mich daran, wie je- [Gefährlich deshalb, weil die Priester mand mir sagte: Du hast es gut, weil du auch an Streiks teilnehmen mussten, einen Glauben hast, der dich rettet. Er und so in politische Auseinandersetzun- ist gestorben, und ich blieb am Leben. gen verwickelt wurden.] Es gab viel Mar- xismus-Kommunismus und das alles. Muss ein Mensch irgendein Ziel vor sich Damals gab es etwa 800 Arbeiterpriester. haben, damit er Schwierigkeiten und Sie wurden aufgefordert, diese Initiative Leiden übersteht? einzustellen. Ein Teil von ihnen hat das auch getan. Ich selbst wusste nicht, was Selbstverständlich. Das Leben ist schreck- ich tun sollte. lich für einen Menschen, der kein Ziel vor sich hat. Es gab einmal einen jungen Während meiner ganzen Zeit im Kon- Mann, der ohne Hoffnung war. Es war zentrationslager war ich mit ganz Europa schrecklich, das mit anzusehen. Er war zusammen. Die Deutschen hatten sie ins völlig hilflos. Auf der anderen Seite, ha- Konzentrationslager geschickt wegen ih- ben wir gesehen, was passieren kann, rer Religion, oder wegen verschiedener wenn es Hoffnung gibt. Da war dieser Geschichten. Dort, wo ich war, gab es

161 Bistum Helsinki nur einen einzigen Franzosen: mich bin ich nach hier gekommen. Ich dach- selbst. Aber ich war dauernd mit Russen, te, es wäre für einige Monate, aber jetzt Polen, Ungarn zusammen – mit ganz bin ich schon 45 Jahre hier. Europa. Zweimal bin ich am Leben ge- blieben, weil Russen mich gerettet ha- Hat sich in Finnland während dieser ben. Das eine Mal, als wir in einem Zug, Zeit viel verändert? in einem Viehwaggon, fuhren, gerieten wir in eine schlimme Lage. Als wir den Ganz gewaltig. Vieles hat sich geändert. Zug verlassen mussten, konnte ich kei- Ja, Ja. Zu der Zeit, als ich kam, war nen Schritt gehen. Ganz übel. Aber dann Finnland am Rande der Welt. Die Gren- haben zwei junge Russen mir unter die ze war 1.700 km lang. Unmöglich, ins Arme gegriffen und mich praktisch ins Land zu kommen. Und die Menschen Lager getragen. Sonst hätten mich die hier hatten keine Ahnung von dem, was Soldaten erschossen. Das zweite Mal war außerhalb vor sich geht. Dann, als die am Ende des Krieges, als die russische ersten Billigflugreisen aufkamen, merk- Armee uns befreite. Damals war ich in ten die Leute, was in Europa, Italien, der Tschechoslowakei. Spanien und sonstwo passiert. Und sie kamen zurück und erzählten den ande- Deshalb blieb mir der Gedanke an die ren, dass das Leben woanders nicht so Russen im Gedächtnis. Und ich dachte: ist, wie wir dachten. Und mit der Zeit Wenn Gott will, gehe ich vielleicht spä- wuchs diese Zahl von Menschen ständig. ter dorthin. Deswegen bat ich um die Genehmigung, nach Rom ans Russicum Eine kleine Anekdote: Ich kam nach gehen zu können, wo man den Ostritus Finnland im Winter, als es minus 20° studieren kann und natürlich die Litur- war, oder kälter. Und ich war starr vor gie und die Sprache. Dann war ich ein Staunen, als ich eine lange Schlange vor Jahr dort. Danach kehrte ich nach Lyon einer Bar sah, und zwar draußen. Ich zurück und arbeitete an einer russischen dachte mir: Was ist da los? Warum? Es Kapelle gemeinsam mit einem anderen waren Studenten, die zusammensein Priester. Und danach ging es so weiter. und diskutieren wollten, und auch etwas Aber damals hatte ich nicht die Sprache, trinken. Aber es war nicht genügend also Altrussisch, gelernt. Und ich suchte Platz für alle. Und heutzutage ist es so, nach einer Möglichkeit dafür. Als wir dass die ganze Bar draußen ist, nur im eine Versammlung in Lyon hatten, wor- Sommer natürlich. Das ist völlig neu, an auch Priester des Ostritus teilnah- importiert aus Italien oder Spanien. men, kam auch isä Robert de Caluwé, Also, es hat sich ziemlich viel verändert. der in Finnland lebte. Ich fragte ihn, wohin ich gehen könnte, um meine Rus- Wie haben Sie Finnisch gelernt? An der sischkenntnisse aufzumöbeln. Er sagte: Universität? „Kommen Sie zu uns! Wir haben eine Universität und sonst alles Erforderliche, Ja, sicher. Aber meine Sprachkenntnisse Sie können bei uns leben.” Deswegen sind immer ziemlich schwach gewesen,

162 Bistum Helsinki denn ich hatte nie richtig Zeit. Ich stu- einer kleinen Gruppe. Wir waren etwa dierte zuerst Russisch, und dann musste zehn, jedenfalls nicht viel mehr, und alle ich wissen, ob ich bleiben könnte oder waren Alkoholiker. gehen müsste. Deshalb fragte ich Bischof Cobben, ich fragte ihn direkt, ob er Haben sie alle am selben Platz gewohnt? mich brauchen könne. Er sagte: „Nein, wir haben genügend Priester. Ich habe Wir wohnten alle zusammen, schliefen keine Arbeit für Sie.” Dann dachte ich: im selben Zimmer, aßen gemeinsam und also gehe ich. Aber gerade zu der Zeit arbeiteten auch gemeinsam. Meine Auf- hatte ich eine Organisation kennenge- gabe bestand darin, mit dem Auto Ge- lernt, die sich kurz vorher auch in Hel- genstände abzuholen, und sie reparier- sinki niedergelassen hatte. Der Name ten alles, bevor wir es wieder verkauften. dieser Organisation war Emmaus. Ein Ich war immer mit Menschen zusam- gewisser Abbé Pierre hatte sie in Frank- men, und mit einigen von ihnen ver- reich gegründet, und sie hatte sich dann band mich eine tiefe Freundschaft. Wir- mehr oder weniger weltweit ausgebrei- klich gute Freunde. tet. Aus Peru und Amerika waren Men- schen gekommen, die eine kleine Grup- Sie sagten, dass Sie häufig nicht schlafen pe im Sinne von Emmaus gebildet hat- konnten, weil Ihre Raumgenossen Krach ten. Aber ein halbes Jahr später verließen machten. sie Finnland wieder, und ich hörte, dass sie jemand suchten, der die Arbeit fort- Ja schon, aber sehen Sie, ich bin halb setzen könnte. Ich dachte mir, das sei taub! Das hat mich gerettet! Ein Ohr ungefähr so wie mein Leben als Arbeiter- funktioniert, aber das andere nicht. Also priester damals in Frankreich. Deshalb wenn ich das gute Ohr ins Kissen drück- schlug ich dies dem Bischof und auch te, habe ich nichts gehört. meinem Vorgesetzten (des Prado-Insti- tuts) vor, und alle stimmten zu. Also fing Wann haben Sie Ihr Gehör eingebüßt? ich mit der Arbeit in Emmaus an. Daraus wurden dann ungefähr 20 Jahre. Die Ar- Einmal, als ich im Gefängnis war, bekam beit bestand darin, gebrauchte Möbel ich einen unglaublich harten Schlag auf und sonstige Gegenstände zu sammeln, das Ohr, und dann war es aus. sie zu verkaufen und den Erlös wohltäti- gen Zwecken zuzuführen. Aber ich be- Wann ging Ihre Arbeit bei Emmaus zu geisterte mich an derselben Sache wie im Ende? Machten Ihre Knie nicht mehr Gefängnis: mit Menschen zusammen zu mit …? sein. Deswegen sagte ich, ich wollte mit Menschen zusammen sein, die in 20 Jahre lang habe ich Sofas, Möbel und Schwie rig keiten wären. Und tatsächlich alles Mögliche getragen, aber eines Tages waren die ersten, mit denen ich in Be- wollten die Knie nicht mehr weiter, und rührung kam, gewohnheitsmäßige Alko- deshalb habe ich aufgehört. Deshalb holiker. Dann lebte ich etwa 20 Jahre in fragte ich Bischof Verschuren: Wollen

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Sie, dass ich als Priester in einer Pfarrei Und welchen Platz haben die Karmeli- arbeite? Er sagte: Ja, kommen Sie, Sie tenschwestern in Ihrem Leben? können in der Seelsorge für die Auslän- der arbeiten. Daher kam ich nach St. Die Karmelitenschwestern haben schon Henrik und bin nun über 20 Jahre hier. immer einen Platz in meinem Leben ge- habt. Als ich fünf war, feierte ich meine Sie sind viel gereist, vor allem nach Russ- Erstkommunion bei den Karmeliten- land und nach Estland. schwestern, denn die waren in meiner Heimatstadt. Die Verbindung zu den Als ich 70 wurde, dachte ich, nun hätte Karmelitenschwestern ist immer geblie- ich ein bisschen Zeit, denn in diesem ben, denn ich habe eine Verwandte, die Alter hat ein Priester vielleicht etwas ins Karmelitenkloster eintrat, und später Zeit. Deswegen fragte ich Bischof Ver- war da in der Pfarrei eine Frau, die auch schuren, ob ich während der Sommer- bei den Karmeliten eintrat. Also ist die und Urlaubszeit Menschen helfen könn- Verbindung nie abgebrochen. Deswegen, te, die in Schwierigkeiten sind. Zuerst als ich nach Finnland kam, und später ging ich nach Weißrussland. Für drei die Karmelitenschwestern aus den USA, Jahre half ich je einen Monat im Som- erbot ich mich den Bischof gegenüber, mer in den Pfarreien dort aus. Einmal ihnen zu helfen. Deswegen kamen sie war ich in Minsk, also etwas weiter weg, zunächst an einem Platz unter, wo früher und fuhr durch Estland. Und ich sah, Emmaus fünf Jahre gearbeitet hatte. Und dass der [einzige] Priester dort allein war das ist später so weiter ge gan gen. Anfangs und immer von einem Ort zum anderen habe ich mit ihnen jeden Tag die Messe fuhr, um sieben Pfarreien zu betreuen. gefeiert, aber jetzt nur noch Samstag Deswegen bat ich den Bischof um Er- abends und Sonntag mor gens. laubnis, nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr hindurch, zwei bis drei Und zusätzlich wurden Sie Exorzist des Tage in der Woche, diesem Priester zu Bistums. helfen. Damals fingen meine Reisen nach Estland an. Das kam so: Nach zehn Jahren (Arbeit bei Emmaus) kam P. Martti Voutilainen Und Sie waren auch in Moskau und OP und fragte, ob ich bereit sei, bei einer tomsk? Frau den Exorzismus vorzunehmen. Ich sagte ihm: Was bedeutet das? Denn der Zu Sommerzeiten fuhr ich viele Jahre Exorzismus war völlig aus dem Leben nach Moskau und einigen anderen sibi- der Kirche verschwunden, fast 20, nein rischen Städten, um den Schwestern der 200 Jahre. Dann sagte ich: Wenn es sein Mutter Teresa zu helfen. Die beiden letz- muss. Muss ich das allein tun? Er sagte, ten Jahre bin ich jedoch jeden Monat dass der Heilige Geist mir helfen würde. dafür jeweils eine Woche nach Moskau Ich muss sagen, dass P. Martti der einzige gefahren. war, der mir anfangs dabei geholfen hat, denn niemand wusste richtig Bescheid.

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Es war wirklich merkwürdig, denn es Messe gibt es einen außerordentlich kamen tatsächlich Menschen, die um wichtigen Moment, nämlich die Gaben- den Exorzismus baten. Ich habe keine bereitung. Das ist der Augenblick, in Ahnung, wie sie herausgefunden haben, dem der Priester Brot nimmt, was in dass es einen Priester gibt, der die Voll- dem Augenblick ausschließlich Brot ist, macht vom Bischof hat. Es war wirklich und Wein, was in diesem Augenblick der Heilige Geist, der sie hierherschick- ausschließlich Wein ist. Und er bietet es te. Jetzt kommen in Helsinki und Tal- Gott an. Und damit bittet die Kirche, linn so viele Menschen zu mir – fast je- dass wir mit dem Leiden Jesu unsere ei- den Tag -, dass ich bald nicht mehr wei- genen Leiden darbringen. Durch das terkann. Jeder Mensch braucht mindes- Wirken des Heiligen Geistes wandelt tens eine Stunde, und es ist kein Vergnü- Gott alles so, dass aus dem, was vom gen, wirklich nicht. Übel war, Rettung wird. Der Gottes- dienst ist das Zeichen, das wir den Men- Es ist ja klar, dass Jesus gesagt hat: Ohne schen jeden Tag anbieten: Bringt eure mich könnt ihr nichts tun. Aber es gilt Leiden her, damit Gott sie zum Guten auch andersherum: ohne die Zustim- wenden kann. mung des Menschen kann Gott nichts tun. Ich erinnere mich an jemanden, um Was ist der Sinn dieses Lebens? dessentwillen wir viel gebetet haben. Und als wir erfuhren, dass er jemand an- Das hängt von jedem einzelnen Men- derem durchaus nicht verzeihen wollte, schen ab. Es hängt davon ab, was jeder haben wir noch demütiger gebetet, da- Mensch in seinem Leben findet. Aber mit dieser Mensch einem anderen ver- die Situation ändert sich ganz und gar, zeihen möge. Eines Tages kam er und wenn ein Mensch Christus gefunden sagte: Ich bin bereit zu verzeihen. Und hat. Die Bibel zeigt, wie Jesus mit den bald danach war er von der Macht des Aposteln umgegangen ist und wie er mit Teufels befreit. Für uns war es ein Wun- uns umgehen möchte. Dann stellt sich der. Das Verzeihen ist wie ein Schlüssel. die Frage nach dem Sinn des Lebens auf Wie es im Vater Unser heißt: Uns wird ganz andere Weise: Nicht an sich den- genau in dem Masse Schuld vergeben, ken, sondern daran, das zu tun, was Je- wie wir unseren Schuldigern vergeben. sus uns anbietet und von uns erwartet.

Glauben Sie, dass zum Schluss sich alles zum Guten wendet, alle Erfahrungen?

Das Leiden hat sich mit dem Kommen Christi in seinem Wesen vollkommen gewandelt. Vor Christus war alles Leiden vom Übel. Aber Christus hat uns ge- zeigt, dass er durch sein Leiden die Welt, die Menschen hat erlösen können. In der

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Für Sie gelesen Kopenhagen steht aus) in gewohnter Ausstattung und im bisherigen Format das Heft über Finnland erschienen. Inte- ressierte können es direkt beim Bonifati- Katholisch im Norden – Finnland. Klei- uswerk in Paderborn, Kamp 22, 33098 ne Kirche, weites Land. Texte und Fotos: Paderborn (www.bonifatiuswerk.de) be- Alfred Herrmann, hrsg. von Bonifatius- stellen. werk der deutschen Katholiken, 66 Sei- ten, o. J., 5 Euro. Die Ansgarwerke in Deutschland sind dem Bonifatiuswerk dankbar dafür, dass Wie bereits in unserem Jahrbuch mehr- diese große Organisation, die seit 1974 fach angezeigt (zuletzt Jahrbuch 2013, S. mehr und mehr in die Unterstützung 160), gibt das Bonifatiuswerk der deut- der Katholiken im Norden eingestiegen schen Katholiken ansprechend aufge- ist, auch die Arbeit der Ansgarwerke machte Hefte mit schönen, großforma- schätzt und in ihren Publikationen er- tigen Fotos und kurzen Texten heraus, in wähnt, so dass die historisch bedingte denen die kirchlichen Verhältnisse der Vielfalt der deutschen Diasporahilfe im verschiedenen Diasporabistümer des Bewusstsein bleibt. Die Arbeit der ein- Nordens in einer Art „Momentaufnah- zelnen Organisationen kommt sich me“ festgehalten werden. nicht in die Quere, sondern ergänzt sich und wird auch weiter notwendig sein. Nun ist als vorletztes Heft der Reihe (nur noch Dänemark bzw. das Bistum R.

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Bistum Reykjavik

Die Diözese Reykjavík wurde am Diözesan- und 10 Ordenspriester sowie 18.10.1968 errichtet als Nachfolgerin 34 Ordensfrauen. Bischof ist seit dem der in der Reformation untergegangenen 15. Dezember 2007 Msgr. Peter Bür- Bistümer Skálholt und Hólar. Seit 1854 cher, der 1945 in der Schweiz geboren gehörte die Insel zur Apostolischen Prä- wurde, 1971 die Priesterweihe empfing fektur der Arktis, seit 1869 zur Aposto- und von 1994 bis 2007 Weihbischof von lischen Präfektur Dänemark, die 1892 Lausanne, Genf und Fribourg war. Apostolisches Vikariat wurde. Island wurde 1923 eine eigenständige Aposto- Die Anschriften lauten: lische Präfektur und 1929 ein eigenstän- The in Island diges Apostolisches Vikariat. Hávallagata 14, 101 Reykjavík, Island Auf einer Fläche von 103.000 km² woh- Pósthólf 490 nen derzeit (Angaben des Annuario Pon- IS-121 Reykjavík tificio 2013) 319.575 Menschen, von Tel.: 00 354/552 53 88 denen 10.455 Katholiken sind, zu 80% Fax.: 00 354/562 38 78 Migranten; diese kommen hauptsäch- E-Mail: [email protected] lich aus Polen, Litauen und von den Phi- Internet: www.catholica.is lippinen. Momentan stellen die Katholi- ken 3,3% der Gesamtbevölkerung, das ist die höchste Quote in den skandinavi- schen Ländern. Für das Bistum verzeich- net das Annuario Pontificio 2013 fünf

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Sieben von drei Millionen Weltjugendtag ist vorbei. Wir haben von Im Juli 2013 machten sich sieben junge Copacabana Abschied genommen und Leute aus Island auf den Weg nach Bra- sind nach einer langen Reise wieder zu- silien, um sich dort beim Weltjugendtag rück in Island. Ich kann nur sagen, dass mit dem Papst und drei Millionen ande- dies alles ein Zeichen für die Zukunft ist. rer Jugendliche zu treffen. Sieben unter Denn jetzt fängt die Wirklichkeit an, die drei Millionen! „Dies war eine lebendige ganze Freude, die Freundschaften, all die und unvergessliche Erfahrung“, sagt Pa- Treffen, die Gebete und unsere gemein- ter Gabriel María Prado, der die Jugend- same Erfahrung, all dies trägt jetzt seine lichen begleitete. Frucht. In der Kirche haben wir teil an einer Erfahrung, die unseren Glauben reicher gemacht hat. Jetzt müssen wir diesen Schatz täglich mit Bescheidenheit im Herzen tragen. Wir haben den Atlan- tik überquert, um die Freude an der in- neren Bekanntschaft mit Christus zu verbreiten, weit weg von dem Betrieb der brasilianischen Großstadt. Die große Freude der Zugehörigkeit zur Kirche muss ein Teil unseres Alltags sein.“ Die ereignisreichen 19 Tage begannen Ich möchte diesen Bericht mit den Wor- mit einer Woche im Bistum Nova Fri- ten von Papst Franziskus beenden: „Lie- burgo, wo sich die Jugendlichen mit den be junge Freunde: Jesus Christus rechnet Einwohnern zu Gottesdiensten und an- mit euch! Die Kirche rechnet mit euch! deren Veranstaltungen trafen. Auf diese Der Papst rechnet mit euch!“ Weise sollten sie sich ein wenig an die Gegebenheiten des Gastlandes gewöh- Ein historisches Ereignis: nen können, aber auch in einem über- Das Missale Romanum in schaubareren Rahmen als in Rio über ihr isländischer Sprache! Herkunftsland erzählen. Ein vordringliches Ziel des Bistums Rey- Am 21. Juli reisten die Teilnehmer dann kjavík, das Bischof Bürcher sehr am Her- nach Rio, wo die Festlichkeiten gerade zen lag, wurde 2013, im „Jahr des Glau- ihren Anfang genommen hatten. Sie bens“, erreicht: Nach 40 Jahren einer konnten an allen Veranstaltungen des gigantischen Übersetzungsarbeit liegt Papstes teilnehmen. Am Tag, als sie in das Missale Romanum endlich in islän- Copacabana ankamen, mussten sie fünf discher Sprache vor. Stunden warten. Als endlich der Papst Dank der Unterstützung verschiedener an ihnen vorbei fuhr, winkten sie mit Werke konnte das 1.300 Seiten umfas- ihrer Fahne und riefen ihm zu, dass sie sende Werk in 53 Exemplaren gedruckt aus Island seien; darauf hin erteilte er werden. Nach traditioneller Art ist es in ihnen einen besonderen Segen. wunderschönem, braunem Leder ge- Einer der Teilnehmer schreibt: „Der 28. bunden.

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Ein in weißes Leder gebundenes Exem- plar überreichte der Bischof Papst Fran- ziskus. Ein weiteres besonderes Exemp- lar überreichte er dem isländischen Prä- sidenten, Ólafur Ragnar Grímsson, der ihm in der Bibliothek seines Amtssitzes in Bessastaðir (nahe bei Reykjavík) einen Ehrenplatz einräumte.

Das vorgesehene Budget wurde dank un- zähliger Arbeitsstunden durch freiwillige Helfer vor Ort, die sich seit Jahren un- auf der Hin- und Rückreise gemeinsam ermüdlich eingesetzt haben, eingehalten. religiöse Lieder gesungen und Texte zur Besinnung vorgetragen. Pilgerfahrt nach „Maríulind“ Einer mündlichen Legende nach kam Bereits zum dritten Mal fand die Pilger- Bischof Gudmundur „der Gute“ im Jahr fahrt der Diözese Reykjavík nach Maríu- 1230 zu dieser Quelle, wo ihm und sei- lind auf der Halbinsel Snæfellsnes im nen Gefolgsleuten Maria mit drei En- Westen des Landes statt. Und wie bisher geln erschienen sei. Sie gebot ihm, die war Bischof Peter Bürcher einer der Pil- Quelle zu segnen, was er auch tat. Die ger, der die anderen Geistlichen und Pil- Quelle ist bislang nie versiegt; ihr Wasser ger anführte. Insgesamt waren es im Jahr soll heilend für die Augen sein, wie es 2013 etwa 80 Menschen, die sich trotz auch heute mehrere Personen bezeugen des regnerischen Wetters eingefunden können. hatten. Wegen des Regens wurde die hl. Messe Friedenslicht aus Betlehem im Hotel Hellnar, das in der unmittelba- auch 2013 in Island ren Nähe der Marien-Quelle liegt, gefei- Am 17. Dezember 2013 wurde das soge- ert. Nach dem Mittagsessen gingen die nannte „Friedenslicht aus Betlehem“ meisten Teilnehmer zur Marien-Quelle, erstmals mit einem Flugzeug nach Island wo seit einigen Jahren eine Statue der gebracht. Bereits früher hatte es einmal Muttergottes aufgestellt worden ist. Wie mit dem Schiff den Weg auf die Atlanti- auch in anderen Ländern üblich, wurden kinsel gefunden.

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Ein wunderbares Projekt in Stykkishólmur Den ungelösten Fragen der Finan- zierbarkeit und etlichen Herausfor- derungen zum Trotz hat die katholi- sche Kirche auf Island eine neue Vision entwickelt: sie möchte ein eigenes „katholisches Zentrum“ bauen, ein Haus für Exerzitien und Bildungsveranstaltungen. Betreut von den „Blauen Schwes- Das Friedenslicht begann im Jahr 1986 tern“ und zwei Priestern soll es in einem auf Initiative des österreichischen Rund- Teil des ehemaligen katholischen Kran- funks seinen Weg. Es sollte damals und kenhauses in Stykkishólmur, nordwest- soll heute die Botschaft des Friedens, die lich von Reykjavík, entstehen. Es soll ein in besonderer Weise mit dem Geburts- Ort für die ganze Kirche auf Island wer- fest Jesu Christi verbunden ist, verbrei- den: ein Haus, in dem die Gemeinschaft ten. Im Jahr 2013 stand das Friedens- unter katholischen Christen gestärkt licht unter dem Motto „Recht auf Frie- werden kann; ein Haus, wo der Glaube den“, womit auf die allgemeine Erklä- an Kinder und Jugendliche weitergeben rung der Menschenrechte verwiesen wird; ein Haus, in dem auch Nicht-Ka- wurde, die die Mitgliedsstaaten der Ver- tholiken katholische Spiritualität erleben einten Nationen vor 65 Jahren unter- können. zeichnet haben. In Europa unterstützt die Bewegung der Pfadfinder in besonderer Weise das Frie- denslicht, Delegationen aus Argentinien und den USA trugen 2013 die Verant- wortung für die Verbreitung außerhalb Europas; die katholische Kirche in Is- land organsierte die Verbreitung des Friedenslichtes auf der Atlantikinsel. Ein Kind aus Österreich hatte das Licht in der Geburtsgrotte in Betlehem ent- zündet; von dort war es mit dem Flug- zeug nach Wien gebracht und von Wien aus in die ganze Welt verbreitet worden. Mit der isländischen Fluggesellschaft WOW air kam es von Kopenhagen nach Keflavik.

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Schon heute wohnen die „Blauen Klostergründung Schwestern“ in einem Trakt des frühe- Im Dienste von mehr als 11.000 Katho- ren Krankenhauses. Künftig sollen hier liken stehen heutzutage in Island neben mehr als zwanzig Gästezimmer, zwei unseren sieben Diözesanpriestern vierzig Tagungsräume, welche auch für den Re- Ordensleute. Die meisten von ihnen ligionsunterricht benutzt werden kön- sind jung; sie sind auch sehr aktiv in der nen sowie eine Küche zur Versorgung Katechese und Jugendpastoral und tra- der Tagungsgäste, Priesterwohnungen gen dazu bei, der katholischen Kirche in und vieles mehr entstehen. Gemeinsam Island einen neuen Schwung zu geben. mit den Ordensfrauen sollen künftig Exerzitiengäste, Jugendgruppen, Firm- bewerber und Erstkommunionkinder, Pilger und Gäste in der neu gestalteten Kirche im Haus Gottesdienst feiern können.

Allerdings liegt noch ein weiter Weg vor der katholischen Kirche in Island, ehe Um diesen Schwung zu fördern, beab- diese Vision Wirklichkeit werden kann. sichtige ich die Gründung eines Klosters Schritt für Schritt muss er gegangen wer- für Männer, wenn möglich mit Benedik- den. Der Finanzplan für das Projekt tinern oder Augustinern, welche im Mit- übersteigt die Summe von 3,5 Millionen telalter auf Island in mehreren Klöster Euro. Erste Sanierungsarbeiten am Klos- lebten. Ein hinlänglich großes Grund- tertrakt, der Kapelle und der Priester- stück mit entsprechenden Gebäuden wohnung wurden bereits durchgeführt. und einer heizbaren Kirche wurde schon Das Projekt insgesamt soll möglichst in Ulfjotsvatn gefunden. Jetzt muss noch 2015 abgeschlossen sein. die Klostergemeinschaft gefunden wer- den! Ich hoffe auf eine baldige Erfüllung Mit dem Projekt in Stykkishólmur ent- meines Traumes, den viele Menschen in steht, mehr als tausend Jahre nach der Island und im Ausland teilen. Christianisierung Islands, neben der Domkirche in Landakot (Reykjavík) Wir wollen in diesem Jahr 2014 in den ein zweiter wichtiger katholischer Kris- Anliegen der Vita consecrata, des ganz tallisationspunkt für die schnell wach- Gott geweihten Lebens, besonders dafür sende Diasporakirche auf Island. beten, und zwar auf die Fürsprache von Wenn das Projekt realisiert ist, kann Papst Johannes Paul II., der in diesem die Kirche Katholiken aus aller Welt, April heilig gesprochen wurde. die in Island eine neue Heimat gefun- Das Kreuz, welches an seinen Pastoralbe- den haben, eine Basis für aktives kirch- such 1989 in Island und in den nordi- liches Leben anbieten, das die isländi- schen Ländern erinnert, steht ja schon sche Gesellschaft selbstbewusst mitprä- auf dem besagten Grundstück. gen wird. + Peter Bürcher

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Für Sie gelesen

Gunnar F. Guđmundsson, Pater Jón Sveinsson – Nonni. Bókaútgáfan Opna, Reykjavik, 2012, 526 Seiten, ca. 6.000 ISK (=38,60 €). ISBN 987-9935-10- 053-5.

Einer Rezension von Prof. Dr. Gert Kreutzer, des Verantwortlichen für Re- daktion und Herausgabe von „Island – Zeitschrift der Deutsch-Isländischen Gesellschaft e.V. Köln und der Gesell- schaft der Freunde Islands e.V. Ham- burg“ (Heft 1/2013, S. 62f.) entnehmen selvollen Stationen seines Lebens insge- wir, dass bereits im Jahr 2012 in Island samt in einem zu hellen Licht erscheinen eine umfassende Biographie von „Non- lassen. Hier begegnet uns dagegen ein ni“ veröffentlicht wurde, auf die „die Nonni, dessen Leben schon in Island Nonnifreunde lange [haben] warten unter den düsteren Vorzeichen von Ar- müssen“, die dafür aber auch „alle Er- mut, Krankheit und Tod stand, der sich wartungen erfüllt“. von der Mutter (gegenüber dem „Lieb- ling“ Manni) zurückgesetzt fühlte, der Verfasser dieses Buches, das den Preis als als Lehrer in Dänemark seine Probleme bestes isländisches Sachbuch 2012 er- hatte und sich in seiner Freiheitsliebe hielt, ist der beim Bistum Reykjavik lan- nur schwer mit dem rigiden Regiment ge Zeit tätige Historiker, Archivar und seines Ordens abfinden konnte, der sich Bibliothekar Gunnar F. Guđmundsson. theologischen Diskussionen mit seinen Er hat keine Mühen gescheut, in den Ar- Ordensbrüdern nicht gewachsen fühlte chiven seines Heimatlandes, aber auch und viele Jahre unter Gicht und Rheuma im Zentralarchiv der Jesuiten in Mün- litt. chen und anderswo Schriftstücke aufzu- Die bisherigen Biografen – so der Rezen- spüren, welche differenzierte Einblicke sent – hätten sich zu sehr den autobio- in das Leben des Pater Jón Sveinsson grafischen Vorgaben Nonnis verpflichtet gestatten. gefühlt. Erst Guđmundsson präsentiere Der Rezensent schreibt: „Was diese Bio- ein modifiziertes, differenziertes Bild graphie den meisten Vorgängern voraus „jenseits aller Idealisierungen oder gar hat, ist ihre Objektivität und Nüchtern- Schwärmereien.“ heit. Hier wird ein Bild gezeichnet, das nicht mehr abhängig ist von den eigenen Guđmundsson sei es gelungen, „hinter Schilderungen Nonnis, welche die wech- der allzu glatten Fassade der Selbststili-

172 Bistum Reykjavik sierung die Brüche und Kanten einer sent – „lässt, was weiterführende biblio- wirklich einzigartigen und keineswegs graphische Hinweise angeht, ebenfalls einfachen Biographie sichtbar zu ma- keine Wünsche offen.“ chen.“ Umso mehr sei zu bewundern, „wie Nonni aus allem das Beste zu ma- Gerne schließen auch wir uns dem chen versuchte, dass er seinen Optimis- Wunsch an, dass die Bemühungen um mus nicht verlor und den Glauben an einen deutschen Verleger bald Erfolg zei- Gott und die Liebe zu den Menschen, tigen. Wir werden unsere Leserschaft, besonders zu den Kindern.“ sobald wir davon Kenntnis erhalten, ger- Das mit zahlreichen Fotografien ausge- ne darauf hinweisen. stattete Buch – so wiederum der Rezen- R

Bischof Bürcher zu Gast beim Verenatag in Bad Zurzach Der Verenatag am 1. September jeden Jahres ist in Bad Zurzach, einem kleinen Ort im Norden des schweizerischen Kantons Aargau eine feste „Institution“. Alle Geschäfte sind geschlossen, und Menschen von nah und fern kommen zusammen zum Festgottesdienst und Ve- renabankett, um einer beeindruckenden Heiligen aus dem 3./4. Jahrhundert zu sind Kamm und Krug, Symbole der Ar- gedenken. men- und Krankenpflege.

Inspiriert werden die Feiernden dieses Besondere Prägung gibt dem jeweiligen Festtages gewiss durch die Lebensge- Festtag der Ehrengast und Festprediger. schichte von Verena: die Legende er- Im September 2013 folgte Bischof Peter zählt, dass sie im Gefolge der Thebäi- Bürcher dieser Einladung. Der „Ober- schen Legion aus Oberägypten über walliser“ aus Island, verstand es, den Bo- lange Wege als Fremde nach Zurzach gen von Verena ins Heute zu schlagen: kam: bei den Christen vor Ort fand sie Er berichtete von den Katholiken in sei- Aufnahme, unabhängig von ihrer Spra- nem Bistum und verwies auf die kürzlich che und ihrer Herkunft. Verena lebte erfolgte Neugründung der Pfarrei St. ihren Glauben überzeugend und ehrlich Thorlak, die eine für unsere Verhältnisse und erntete dadurch viel Dankbarkeit, enorme flächenmässige Ausdehnung Liebe und Wertschätzung – gewiss in hat. In diesem Kontext erzählte der Bi- erster Linie von den Armen, Kranken schof von der Notwendigkeit neuer Got- und Ausgegrenzten, denen sie bedin- teshäuser, um der zahlenmässig wach- gungslos zur Seite stand. Ihre Attribute senden Pfarrei Versammlungs- und Ge-

173 Bistum Reykjavik betsorte zu bieten, die nicht erst hunder- nach folgte das gemütliche Beisammen- te von Kilometern Anfahrtsweg bedeu- sein beim Verenabankett im Gemeinde- ten und somit im Winter oder bei Sturm saal. nicht erreichbar sind. Die Festandacht um 14 Uhr, bei der die Eine Kirche möchte Bischof Bürcher Gottesdienstbesucher einzeln gesegnet neu bauen lassen, eine andere eventuell wurden, rundete den Verenatag ab. von der isländisch-lutherischen Staats- kirche abkaufen, da diese einen Mitglie- Eine weitere Besonderheit 2013 war der derschwund verzeichnet und nicht mehr Informationsstand des Ansgar-Werks alle ihre Kirchenbauten benötigt. Schweiz auf dem Kirchplatz. Was lag nä- Seine „Bitte um Mithilfe“ stieß am Ve- her, als an diesem Tag auf das Wirken renatag in Zurzach auf offene Ohren des Hilfswerks für die Katholiken im und Herzen: so wie damals die Heilige, Norden aufmerksam zu machen?! deren Festtag begangen wurde, ließen So freuten sich Teresa Costa-Bischofber- sich auch die Mitfeiernden von Nah und ger und Paul Hoch vom Vorstand des Fern berühren und zeigten sich äußerst Ansgar-Werks (auf dem Foto mit Bischof großherzig: Bischof Bürcher durfte aus Bürcher und dem Autor), am Stand über dem Festgottesdienst eine Kollekte von die aktuellen Projekte zu informieren mehreren Tausend Franken mit zurück und Fragen zu beantworten. Besonders nach Island nehmen. reges Interesse fand dabei die Frühjahrs- Er hält es für „sehr gut möglich“, dass es ausgabe des Ansgar-Info mit dem aus- in Island in Kürze eine Verenakirche führlichen Interview von Bischof Bür- oder -kapelle geben wird, da er neben cher zur Lage der Katholiken in Island. der Kollekte auch eine Verenareliquie als Auch konnte das Buch „Weiter Himmel Geschenk der Pfarrei mit zurück in sein – Stille Wege. Pilgerwege zu den heiligen Bistum nehmen konnte. Stätten des Nordens“ von Sibylle Har- degger, (sie stammt aus dem Bistum Ba- Nach dem Festgottesdienst gingen die sel) erworben werden, vgl. Jahrbuch Mitfeiernden über zum weltlichen Teil. 2013, S. 75-82. Vor dem Verenamünster traf man sich zum Apéro bei Wein, Saft und Brot, da- Marcus Hüttner

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Tod des Königs Olav. Initiale im Flateyjarbuch, dem größten und prächtigsten mittelalterlichen Manuskript aus Island (14. Jahrhundert).

175 Bitte helfen auch Sie der nordischen Diaspora!

Zehn gute Gründe, für das St. Ansgarius-Werk zu spenden l Das St. Ansgarius-Werk kümmert l Das St. Ansgarius-Werk ist in seiner sich um einen Teil der Weltkirche, Arbeit transparent durch Informatio- der von vielen gar nicht wahrgenom- nen über einzelne Projekte und jähr- men wird, der keine große Lobby hat liche Rechenschaftsberichte. und die Aufgaben, die sich ihm stel- l Das St. Ansgarius-Werk ist in seiner len, mit eigenen Kräften beim besten Werbung nicht aufdringlich und ope- Willen nicht allein bewältigen kann. riert nicht mit Effekthascherei. l Das St. Ansgarius-Werk ist eine der l Das St. Ansgarius-Werk arbeitet ältesten deutschen Hilfsorganisatio- mit einem minimalen Verwaltungs- nen für die nordische Diaspora. aufwand. l Das St. Ansgarius-Werk verfügt über l Das St. Ansgarius-Werk ermöglicht lange Erfahrungen und beste Kontak- Engagement entsprechend den unter- te. schiedlichen Wünschen von Spende- l Alle Projekte werden sorgfältig ge- rinnen und Spendern: Projektpart- prüft und korrekt abgerechnet. nerschaften, zweckgebundene Spen- l Alle Projekte werden im Einverneh- den, Vermächtnisse, Treugut, Stiftun- men mit den zuständigen Bischöfen gen. gefördert und setzen eine angemesse- l Das St. Ansgarius-Werk informiert ne Eigenleistung der Begünstigten durch sein Jahrbuch ausführlich und voraus. gründlich über die Situation der Kir- che in den nordischen Ländern.