Zur Geologie Und Paläontologie Des Zürcher Oberlandes Thomas Bolliger, ETH Zürich; Hans Gatti, Neuhausen; Rene Hantke, ETH Zürich
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Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (1988) 133/l: l-24 Zur Geologie und Paläontologie des Zürcher Oberlandes Thomas Bolliger, ETH Zürich; Hans Gatti, Neuhausen; Rene Hantke, ETH Zürich Erdwissenschaftliche Neubearbeitungen im Zürcher Oberland lassen die Kenntnisse des molasse- und eiszeitalterlichen Geschehens ergänzen. DeI Wetterkalk von Hombrechtikon und analoge Bildungen werden als unter trockenem Klima entstandene Verdunstungskalke (Caliche) gedeutet. Grobgeröllige, über weite Bereiche verfolgbare Schüttungen ohne Geröll-Einregelung werden kühlzeitlich, kleingeröllige, oft rinnenförmige Konglomerate mit eingeregelten Komponenten weiterhin fluvial interpretiert. Pflanzenreste und Säugetier-Fossilien aus eingelagerten Feinsedi- menten bekunden warmzeitliches Klima. Die Mollusken der Oberen Süsswassermolasse belegen, dass im Zürcher Oberland nur gelegentlich stehende Gewässer existie rten. Die nur rund 100 m mächtigen Ablagerungen der Oberen Meeresmolasse, die während eines Meeresvorstosses gebil- det wurden, zeugen von rasch ändernden Sedimentationsbedingungen. Warmzeiten sind relieferhaltende Abschnitte. Eine dichte Waldvegetation schützt vor Verwit- terung und Abtrag. Die Talbildung muss daher vorwiegend kühl- und kaltzeitlich erfolgt sein. Die Abtragungskräfte griffen längs tektonischer und lithologischer Schwächezonen an. Streng kluftparallel verlaufende Täler und Runsen bekunden, dass Klüfte, Brüche und Blatt- verschiebungen massgebend zur Talbildung beigetragen haben. Der Zürcher Obersee ist durch die aufgebrochene Antiklinal-Störung zwischen aufgerichteter und subalpiner Molasse vorgege- ben. Frost und mehrfach vorgestossenes Linth/Rhein-Eis wirkten verbreiternd. Eine Landschaftsgeschichte versucht die Ereignisse von den Molasse-Schüttungen bis in die jüngste Eiszeit nachzuzeichnen. Geology and paleontology of the Zürich Oberland New scientific research within the ZuIich Oberland may add some new aspects to the knowledge of Molasse and Ice Age. Several nodular limestones are explained as calcicrusts, built up under semi-arid conditions. Coarse, chaotic conglomerate sequences may be interpreted as sediments of cooler climates. The finer grained homogeneous conglomerates are still thought to be of fluvial genesis. The fossil remains of plants and mammals found in marls indicate warmer climates than today. The mollusks of the Upper Freshwater Molasse prove that there were only few places within the region with stagnant waters, such as lakes and ponds. The Upper Marine Molasse is a 100 m thick sequence of sediments, built up during a short period of a marine influx. It shows sedimentary structures due to rapid changed depositary conditions. Dense forests protected the landscape from erosion during warmer periods; valleys must have been deepened in colder times. Töss and tributaries eroded along thrusts, faults and regions of weak and soft lithologies. The Upper Lake Zurich basin is the remainder of a broken up anticlinal system. The main events from the Molasse times to late Ice Age shaped the landscape of the Zurich Oberland. ' in memoriam Walter Kyburz 2 Thomas Bolliger, Hans Gatti, Ref-16 Hantke 1 Die Molassegesteine und ihre Entstehung (T. B.) Von Jona-Rapperswil (Kanton St. Gallen) zum Bachtel finden wir ein Schichtprofil und eine zeitliche Gliederung, wie in den Bildern 1 und 2 dar- gestellt. Entsprechend den vorherrschenden Umweltbedingungen wurde Sediment in verschiedener Ausbildung (Lithofazies) abgelagert, so auch vor 17-16 M a (Millionen Jahren), als das Meer der Oberen Meeresmolasse (OMM) unsere Region überflutete. Dieses war hier mehrheitlich seicht und stark von den Ge- zeiten beeinflusst. Schüttungsmaterial der Alpenflüsse wurde zusammen mit Resten toter Meeresorganismen (Muschelschalen, Fischzähne) vor allem in Küstennähe mehrfach aufgearbeitet und umgelagert. Solche Sedimente wer- den als Seelaffe (= kalkig-mergeliger Muschelsandstein) bezeichnet. Sie sind oft sehr hart und bestehen – ihrer Entstehung entsprechend – hauptsächlich aus zerbrochenen und ganzen Molluskenschalen. In ruhigeren Sedimenta- tionsbereichen, z. B. in Lagunen und auf Wattflächen, kam es zum Absatz von feineren Materialien wie Silt und Ton. In diesen oft deutlich geschichteten, monotonen, grauen Mergelgesteinen sind nur vereinzelt Reste von Meeres- organismen anzutreffen. Hochgelegene Wattgebiete lagen bei Ebbe oft trok- ken, sie zeigen fossile Wellen- und Strömungsrippelung und sind intensiv von Würmern, Krebsen und Mollusken durchwühlt worden. Manchmal hinterliess ein Nahrung suchender Wattvogel im SChlick Fussabdrücke, die unter glück- lichen Umständen erhalten geblieben sind. Bild l: Stratigraphie der Molasse im Raum Stäfa–Bachtel–Neuhaus. ► Chronostratigraphie: Die Paratethys- Stufen wurden in marinen Sequenzen des Wiener Beckens definiert. Absolute Datierungen werden teilweise noch diskutiert. Biostratigraphie: Die Säugerzonen (Neogene Mammal Units: NM) sind an verschiedenen euro- päischen Referenzlokalitäten anhand fortschreitender zahnmorphologischer Veränderungen defi- niert worden. Legende siehe Bild 2. Fig. l: Stratigraphy of the Molasse near Rapperswil. Chronostratigraphy: The Paratethys Units are given at marine localities near Vienna. Absolute dates are still not sure. Biostratigraphy: The Neogene Mammal Units (NM) are defined at european localities with the evolution stade of mammal teeth. Legend see fig. 2. Bild 2: Lithologisches Quer- und Sammelprofil durch die Molasse im Gebiet Rapperswil–Wald. ► Die Profilmeter des Sammelprofils beziehen sich auf die Lage zum Hüllistein- Leithorizont. Die Faltenachse der Synklinale wurde als horizontal in Richtung 65° N verlaufend angenommen. Die Querprofile l-5 (siehe Übersichtskärtchen) liegen senkrecht dazu und sind nicht überhöht ge- zeichnet. Fig. 2: Cross-section through the Molasse near Rapperswil–Wald. The meter-scale upper left shows the distance from the Hüllistein-layer. The folding-axis passes more or less horizontally to- wards 65° N. All parts of the cross-section (Situation shown on the little map) are perpendicular to it. The profiles are not exaggerated. Zur Geologie und Paläontologie des Zürcher Oberlandes 3 CHRONO- BIO- LITHOSTRATIGRAPHIE (Paratethys) NM WESTTEIL OSTTEIL ö 0 o Bachtel Kulm ??? stark ° Sarmatien o° , °° o o 500 6?? .°W H Ornberg 7 o_o o Ober-Loren 00 00 000 Felsterbach oöö6H00000° Batzbergg 6? ty, Hadllkon W -ööERI Blattenbac z N-=-..f±-4°°° Breitenmatt Chisrain 1) St.afa-Frohberg .,,,......o..0---=------q Goldbach 5/6?e J 41 Hombr chtikon W L- ? ööö ö Grundtal Tobel w 0 __ö_ 0 000 CI o^o oow Gontisberg Badenien ,000 o ooa0o Chlaustobel W 000-0000 2 jr H01listeln OAnnnmZZnn o °°ä000 Laugen 0 ö0ö0 '' 00 2 000 a Grünan-west H W -- --Op.'.o C •- -.1 -_-_---=-11- __ Krauerenbeg z .. Karpatien Z o oöooö C O H L ^- - =7._.±.=-7...- Lattenbach = 0000000 4/5'2 Tagernaustr. W K =- _ •— — — -'- • -tJ onal -- •—•—• — • 1 - •— • —• - 2 stark o oc Zilwald äö0o 0 50ooC°öööc Eggwa Ld Gl .0000 -500 Bollwies o ol6- ö- Bodenholz flummelberg W .. 4? °000 Ottnangien H- ° oGQ ö ` -. 2 0 - • K 00- ° ° Echeltschwil rn C 2 a ;a L W 0000 U O.+5. N Eggenburgien 0000 -1000 x w ° Vao° 2b/3? H L ö - ..q.--22-1 ` _OO ga b SI.0 C ^ Egerien • = p Neuhaus C 1. • mL 00L L .4. SAMMELPROFIL BACHTEL 700 1115 MUM. Ö O Bechtel 1100 MUM. 6000 00 _o.Q-Q^ öa o SYNKLINALE :: O . c• öcEtzyoo 00 ö_ö v. oo 500 ORNBERG „OO O GÖpp ÖO^o äb.0e00 ^ Orn berg S u R.°CSöö 400 000 0 o0 I Ober—Loren 0 o 0 300 °q.- `Feister bath •000000oo Blat ten bach Q z-z• Mennen ra1n 200 Brei ten matt;ch 100 öö: L H GUntis berg HOmbrachtiker S. u uetterkalk_ Le 0000 ithorizont : Knollig-massiger, oft 0 sandiger Kalk HUll istein• -Leithorizont -100 Kalk/Dolomit-Nagelfluh, 300 MuM. Kalksa]ksandstein,andstein . Mellener-Kalk . -200 ....,.,. S. 0 -300 Krauerenberg • -400 °SM B C -500 oDS J Hummel berg _ — Bo/ lwi es DANDLER -600 O 00000e -700 GRUNDTAL KAMMOOS SS 0,5 1.0 KM 1100 MUM. C D BATZBERG 777,8 MUM. Lithologie Signaturen ö ö ö Bunte Nagelfluh, Wetz i kon A^,s i Watteil CD C K: Kohlenreste ^„ o-, 10% Kristallin 5 ^ N \1 e KaIknageIfluh Fossile Blätter UBERSICHTSKARTCHEN Ca. Mt 4 Wald Wirbeltier- ^^^4Y^ Sandstein W: G Reste 4Z — Heliciden Mergel/Siltstein H: (Landschnecken) Limnische 0 1 2 3 4 5 KM Wetterkalke L: Mollusken HülIistein- Marine BACHTEL 2 ORNBERG 3 DANDLER-GUNTISBERG 4 GRUNDTAL-BATZBERG 5 KAMM005-HUMME UBERG Leitniveau IN FossiIien 6 Thomas Bolliger, Hans Gatti, Rene Hantke Die groben GeröllsChüttungen der Alpenflüsse wurden in späteren Zeitab- schnitten der Meeressedimentation zunehmend bedeutungsvoller, ihre Delta- fronten bauten sich allmählich weiter nach Norden ins durch Auffüllung fla- Cher und schmaler werdende Meeresbecken vor. So finden sich im Dach der OMM mächtige Nagelfluhbänke. Anfänglich sind Turmschnecken und vor al- lem Austern noch verbreitet, werden aber bald seltener, bis das Meer und seine Bewohner ganz aus diesem Gebiet verdrängt wurden (Bild 3). Vor 16-42 M a beherrschten SChwemmlandebenen grosser Flüsse aus den Alpen das Landschaftsbild (Bild 4). Auffallend sind davon heute die Nagel- fluhen, welche verfestigte, meist fluvial geschüttete Schottermassen darstellen. Die östlichen Bereiche weisen dabei mehr und gröbere Konglomeratmassen auf, da man sich hier näher am damaligen Austrittsort der reichlich sChuttbe- frachteten Alpenflüsse befand. Reste toter Lebewesen, die mit diesen Flüssen transportiert wurden, gelangten meist erst nach erheblicher mechanischer Zer- störung zur Ablagerung. So finden wir in Nagelfluhen nur ausnahmsweise Fossilien