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MITT. ZOOL. GES. BRAUNAU Bd. 9, Nr. 3: 199 - 204 Braunau a. I., Dezember 2007 ISSN 0250-3603

Lichtfallenfänge des Hermelinspinners erminea ESPER, 1784, im niederbayerischen Inntal (Zahnspinner, )

von JOSEF H. REICHHOLF

Einleitung

Der Hermelinspinner, auch Gro- Brandenburg häufiger am Licht als ßer Weißer Gabelschwanz genannt, vinula (d. h. als der Große Gabel- kommt nach SAGE (1996) im süd- schwanz; Anmerkung des Verfas- ostbayerischen Inn-Salzach-Gebiet sers); Raupen dort auch an Hybrid- selten bis sehr selten vor. Die Auf- pappeln, selbst in Neubaugebieten.“ listung enthält diese sehr markante Zu letzterer Angabe nehmen die und zweifellos auch als schön zu Autoren Bezug auf GELBRECHT, was bezeichnende Art in vier der neun wohl dessen mit mehreren Mitarbei- Teilgebiete und nur in einem fand tern erstellte ‚Kommentierte Ver- Walter SAGE selbst bis 1995 den zeichnis der Großschmetterlinge Hermelinspinner. Er charakterisiert (Macrolepidoptera) der Länder Ber- das Vorkommen in folgender Wei- lin und Brandenburg im Band von se: „Seltene Art, die nur unregel- GERSTNER & MEY (1993) meint. mäßig am Licht erscheint und oft Die Auen am unteren Inn sollten über Jahre hinweg ausbleibt. Die mit ihren ausgedehnten Vorkommen Raupen fressen in den Gipfelregio- von Weiden sowie den großen nen alter Pappeln und Weiden.“ Schwarz- nigra und Be- Ähnlich äußerten sich WEIDEMANN & ständen von Balsampappeln P. tri- KÖHLER (1996) zu Vorkommen und chocarpa sowie insbesondere den Seltenheit des Großen Weißen Ga- ausgedehnten Pflanzungen kanadi- belschwanzes. Sie führen zu den scher Hybridpappeln P. x canaden- Hauptfutterpflanzen jedoch Genaue- sis somit weit bessere Vorausset- res aus: „Die Raupen besiedeln zungen für Vorkommen und Häufig- Weiden sowie lichte Bestände ho- keit des Hermelinspinners bieten als her, alter Pappeln, besonders Py- das den Angaben von SAGE (1996) ramidenpappeln in Auelandschaf- zufolge der Fall ist. Und da offen- ten; auch Balsampappeln und (im sichtlich der Status des Hermelin- Osten) Kanada-Pappeln.“… „In spinners in Bayern auch in neuerer

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Zeit (BAYERISCHES LANDESAMT tung meiner langjährigen quantitati- FÜR UMWELTSCHUTZ 2003) nicht ven Lichtfallenfänge versucht wer- so recht klar zu sein scheint, so den, eine etwas bessere Vorstel- dass man ihn in die „Vorwarnliste“ lung zur Häufigkeit der Art zu ge- einstufte, soll hier durch Auswer- winnen.

Material und Methode

Grundlage für die Auswertung Rottal-Inn, mit sehr gleichmäßiger bilden meine Lebendfang - Lichtfal- Fangfrequenz an den Wochenen- len, die ich am südöstlichen Dorf- den das ganze Sommerhalbjahr rand von Aigen am Inn, Gemeinde über betrieben hatte. Wo sich die Bad Füssing, Landkreis Passau, Jahre überschneiden, befanden von 1969 bis 1995 mit Ausnahme sich die 15 Watt - UV Lichtfallen in dreier Jahre (1970/74/75) und am den gleichen Nächten in Betrieb. Aurand in der Innwerksiedlung von Die Gesamtsumme der auf diese Egglfing im selben Gemeindegebiet Weise kontrollierten nachtaktiven von 1973 bis 1995 sowie von 1987 Großschmetterlinge (Macro- bis 1995 am Aurand von Ering am ) liegt über 300.000 Ex- dortigen Innkraftwerk, Landkreis emplaren.

Fangergebnisse

Insgesamt sind 14 Hermelinspin- bezeichnen mit einer ganzen Reihe ner in den drei Lichtfallen gefangen von hochwüchsigen, als „Über- worden. Dieser Befund weist die Art hälter“ aus dem Auwald herausra- in der Tat als sehr selten aus. Diese genden Schwarzpappeln wenigen Exemplare verteilen sich (REICHHOLF 2005). An der Fang- aber höchst ungleichmäßig auf die stelle Egglfing war die vorwiegend drei Fangstellen. Mit 6 Individuen von Erlen gebildete Aue erheblich oder 0,7 pro Jahr war die Lichtfalle jünger, aber in der Innwerksiedlung „Ering“ rund doppelt so ergiebig wie stehen zahlreiche hohe Pyramiden- die andere in vergleichbarer Positi- pappeln direkt im Einzugsbereich on am Aurand betriebene von der Lichtfalle. Am Dorfrand Aigen Egglfing (7 Ex. = 0,3/Jahr). Am Dorf- hingegen hatte es keine Schwarz- rand von Aigen enthält die Fangkar- pappeln im Nahbereich und große tei nur einen einzigen Hermelin- Hybridpappeln in einer Entfernung spinner (= 0,04/J). Diese unter- von 400 bis 600 Meter gegeben. schiedlichen Häufigkeiten ergeben Damit weisen die Unterschiede klar bei näherer Betrachtung einen sinn- auf die (alten) Schwarzpappeln hin, vollen Bezug, denn der angrenzen- denn Weiden waren in Form von de Auwald von Ering war als „alt“ zu Silberweiden Salix alba und

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Frequenz des Vorkommens von Hermelinspinnern an drei unterschiedlichen Fangstellen im Inntal

0,8

0,6

0,4

0,2

0 Dorfrand Auw ald Au Schw arzpappeln Pyramidenpappeln

Abb. 1: Häufigkeit des Hermelinspinners an den drei un- terschiedlichen Fangstellen im niederbayerischen Inntal (Anzahl pro Fang- jahr).

Phänologie des Hermelinspinners im niederbayerischen Inntal

7 6 5 4 3 2 1 0 Mai I II III Jun I II III Jul I

Abb. 2: Saisonales Auftreten des Hermelinspinners im Lichtfang.

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weiteren Arten eigentlich an allen ähnlichen Großen Gabelschwanz drei Fangstellen im Nahbereich vor- . Dieser fliegt schon handen. Der „Trend“ zeichnet sich ab Ende April (KOCH 1986). in Abb. 1 deutlich ab. Somit dürfte den alten Schwarzpappeln eine Die Anflüge der stets nur einzeln größere Rolle für die Vorkommen aufgetretenen Hermelinspinner tra- des Hermelinspinners zukommen fen in Zeiten des Massenschwär- als den Hybridpappeln oder den mens von Zuckmücken (Chironomi- Weiden. Die Anlage der sehr gut den) an den Stauseen. Das weist getarnten Kokons an den Ästen auf bestimmte Witterungsverhält- passt zu dieser Wahl der Hauptnah- nisse, nämlich auf schwül-warme rungspflanzen (WEIDEMANN & Frühsommernächte mit Windstille, KÖHLER 1996). hoher Luftfeuchte und Bewölkung Abb. 2 zeigt, dass sich die Flug- hin. Abb. 3 zeigt einen Hermelin- zeit des Hermelinspinners von Mitte spinner in einem solchen Lichtfang Mai bis Ende Juni erstreckt und vom 28. Mai 1982. damit deutlich später liegt als beim

Abb. 3: Hermelinspinner Cerura erminea (Pfeil) in einem Lichtfang mit Massen von Zuck- mücken, 28. Mai 1982, Lichtfalle Egglfing.

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Dieser Hinweis auf die Flugbe- Interessant ist schließlich die dingungen mag erklären, weshalb sehr gleichmäßige Verteilung der dieser Vertreter der Gabelschwanz- Fänge über die Fangjahre (Lichtfal- Gruppe so selten in den Lichtfang len am Aurand). Von 1975-80, gerät. Vielleicht hängen die meisten 1981-85 und 1986-90 gab es jeweils Lichtfallen einfach zu tief für eine 3 und von 1991-95 dann 4 Exemp- Art, die (vornehmlich?) die Kronen- lare, so dass keine Änderung in der bereiche von Pappeln (und Wei- „Häufigkeit“ zu erkennen ist. den?) anfliegt.

Zusammenfassung

Unter den zwischen 1969 und Abb. 3 geht hervor, dass eine Kom- 1995 mehr als 300.000 mit Lebend- bination mit Massenflügen von fang-Lichtfallen am unteren Inn ge- Zuckmücken gegeben war, die bei fangenen Großschmetterlingen be- bestimmter Witterung schwärmen. fanden sich nur 14 Hermelinspinner Die Befunde weisen darauf hin, Cerura erminea, obgleich zwei der dass Hermelinspinner vornehmlich drei Lichtfallen am Auwaldrand und im Kronenbereich hoher Schwarz- die dritte am Dorfrand betrieben pappeln fliegen. Die Art ist daher worden waren, wo es im Nahbereich vielleicht seltener als es aus der Pappeln und Weiden in großer Zahl Einstufung in die Vorwarnliste der gab. Abb. 1 zeigt die Anflugvertei- gefährdeten Schmetterlinge in Bay- lung und Abb. 2 die Anflugzeit im ern hervorgeht. Frühsommer. Aus dem Foto von

Summary

Light Trap Captures of the Ermine Puss Cerura erminea in the Lower Bavarian Valley of the River Inn

Only 14 specimens of Cerura er- Poplar Populus nigra trees proba- minea have been found among the bly. Most captures occurred in more than 300.000 Macrolepidop- nights when chironomid midges tera caught in three non killing light were swarming (cf. fig 3). The spe- traps along the lower reaches of the cies’ abundance, therefore, may River Inn in South-eastern Bavaria. have been overestimated, when it This rare species occurs from the was positioned into the category middle of May to the end of June ‘caution’ of the Bavarian “Red List of and it prefers high grown Black endangered species”.

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Literatur

BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ Hrsg. (2003): Rote Lis- te gefährdeter Tiere Bayerns. - Schriftenreihe LFU 166. Augsburg. GERSTNER, M. & W. MEY (1993): Fauna in Berlin und Brandenburg - Schmetter- linge und Köcherfliegen. - Förderkreis der naturwissenschaftlichen Museen Berlins. Berlin. REICHHOLF, J. H. (2005): Pappelkulturen in Auwäldern. Reaktionen von nacht- aktiven Schmetterlingen. - LWF aktuell 49 (Die Schwarzpappel): 21- 23. REICHHOLF, J. H. (2005): Pappelauen-Zahnspinner Gluphisia crenata (ESPER, 1785), alte Schwarzpappeln Populus nigra L. und neue Hybridpap- peln Populus x canadensis MOENCH in den Auwäldern am unteren Inn. - Atalanta 36: 189 - 197. SAGE, W. (1996): Die Großschmetterlinge (Macrolepidoptera) im Inn - Salzach - Gebiet, Südostbayern. - Mitt. Zool. Ges. Braunau 6: 323 - 434. WEIDEMANN, H. J. & J. KÖHLER (1996): Nachtfalter. Spinner und Schwärmer. - Naturbuch, Augsburg.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Josef H. Reichholf Zoologische Staatssammlung Münchhausenstr. 21 D-81247 München

E-Mail: [email protected]

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