Kormoran-

LFV BAYERN und Fischbestand

Kritische Analyse und Forderungen des Landesfischereiverbandes Bayern e.V. Kormoran- und Fischbestand

Kritische Analyse und Forderungen des Landesfischereiverbandes Bayern e.V.

Wolfgang Schröder Franz Kohl Sebastian Hanfland Inhalt

3 Vorwort

4 Kurzfassung

10 Phänomen Kormoranausbreitung

22 Fähigkeiten des Kormorans

26 Kormoran in Bayern

30 Lebensraum der Fische

38 Berufs- und Angelfischerei

42 Einfluss des Kormorans auf Fischbestände

54 Bewertung von Schäden

60 Begrenzung der Schäden

64 Forderungen des Landesfischereiverbandes

66 Literatur

68 Glossar

2 Vorwort

Die vorliegende Broschüre setzt sich mit dem und den dazu ergangenen Vollzugshinweisen Phänomen Kormoran auseinander, stellt die im Vergleich zu den Rechtsvorschriften anderer Konflikte mit den berechtigten Interessen der Bundesländer längst seine „Vorbildfunktion“ ein- Fischerei dar und soll insbesondere die in der gebüßt und es ist an der Zeit, im Rahmen der neu politischen Verantwortung Stehenden, aber auch zu schaffenden „Landesartenschutzverordnung“ Behördenvertreter und unsere Mitglieder über ein adäquates Instrumentarium zu schaffen, das das Spannungsfeld „Fischerei versus Kormoran“ es erlaubt, die Balance zwischen Prädatoren und informieren, Fakten aufzeigen und Verständnis Fischfauna an unseren heimischen Gewässern dafür bewirken, dass das Verhältnis zwischen herzustellen. bedrohter Fischfauna und Prädatoren, insbeson- Unsere – wahrlich nicht überzogenen – dere dem Kormoran, zwingend ausbalanciert Forderungen haben wir in einer Resolution des werden muss. Landesfischereitages 2006, der Erlanger Erklä- Die Europäische Union hatte 2006 zum Thema rung, dargestellt und auch den politisch Verant- Kormoran festgestellt, dass es bei jedem Mit- wortlichen zur Kenntnis gegeben und ich hoffe gliedsstaat liegen würde, diejenigen Maßnahmen doch, dass die Daten und Fakten der Broschüre zu ergreifen, die er für die Bewirtschaftung dieser mithelfen, die Forderungen des Verbandes zügig Art und für die Lösung von auftretenden Kon- umzusetzen. flikten mit den Fischereiinteressen für erforderlich Ein herzliches Dankeschön gilt den Autoren, hält. Einen „europäischen Handlungsbedarf“ denen es gelungen ist, kompakt und prägnant sieht die Europäische Kommission demnach die Problematik aufzuzeigen und Anregungen nicht, der Bundesumweltminister verschließt sich zur Lösung zu geben. einem nationalen Maßnahmenplan und hat ver- schiedene Bundesratsinitiativen der Bayerischen Staatsregierung nicht weiterverfolgt. Vor diesem München, im September 2007 Hintergrund und den stetig wachsenden fische- reilichen Schäden ist es unumgänglich, durch eine regionale (bayerische) Lösung die Situation zum Wohle unserer Fischfauna zu verbessern. Eberhard Roese Bayern hat mit der aktuellen Kormoranverordnung Präsident

3 Kurzfassung

Kormorane sind in Bayern und Europa so Seen sowie Abschnitte an den großen Flüssen zahlreich und weit verbreitet wie nie zuvor. Zur sind in der geltenden Kormoranverordnung von Vergrämung an Fischgewässern werden in Bayern der Gestattung, Kormorane zu töten, aus- seit 1996 jährlich mehrere Tausend Kormorane genommen. Die Abgrenzung der Schutzbereiche geschossen. Das hat örtlich zu einer leichten entspricht nicht der dramatischen Schadenslage Verbesserung der Schadenslage geführt, doch in Bayern. die Probleme des Kormoranfraßes für Fischarten- · Verlängerung der Zeiträume für den Abschuss schutz und Fischerei sind bei weitem noch nicht von Kormoranen. gelöst. Eine wirksame Vergrämung erfordert rasche Eine restriktive Handhabung ist angesichts und unbürokratische Entscheidungen in den der drängenden Probleme und des Status der Behörden sowie die Beseitigung von unnötigen Kormoranpopulation nicht angebracht. Zur Restriktionen. Der Landesfischereiverband fordert Orientierung der zu bewilligenden Zeiträume daher, auch in Anlehnung an die Schadens- für den Kormoranabschuss dienen Verordnungen regelung anderer Länder, schnellstmöglich die in anderen Ländern. · Vereinfachung der Erteilung von Ausnahme- · Unterbindung der Gründung weiterer genehmigungen. Brutkolonien. Um Anträge zur Kormoranvergrämung rasch zu Der Kormoran ist als Brutvogel in Bayern aus- bescheiden, ist die Zuständigkeit auf die Kreis- reichend vertreten. Weitere Brutkolonien verwaltungsbehörde zu übertragen. Hier, an würden eine Schadensbegrenzung unnötig der Unteren Naturschutzbehörde, können den erschweren. örtlichen Verhältnissen angepasste Entschei- · Gestattung des ganzjährigen Abschusses an dungen getroffen werden. Teichwirtschaften. · Neuanpassung der Schutzbereiche für den Eine wirksame Schadensprävention in Kormoran. Teichwirtschaften erfordert eine ganzjährige Die großen Voralpenseen und viele weitere Vergrämung.

Kormoranpopulation Europa

Anzahl 1.200.000

1.100.000

1.000.000

900.000

800.000

700.000

600.000

500.000

400.000

300.000

200.000

100.000

0 1970 ’72 ’74 ’76 ’78 ’80 ’82 ’84 ’86 ’88 ’90 ’92 ’94 ’96 ’98 2000 ’02 ’04 ’06

Brutvögel nichtbrütende Adulte Juvenile (1-2 jährig) Jungvögel (halbjährig)

4 Auf und Ab des Kormorans Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war der Bayern ist vor allem Durchzugsland mit Zwi- Kormoran mit weniger als 5.000 Brutpaaren schenaufenthalt für Vögel aus den Winter- an seinem Tiefpunkt in Europa angelangt. Die quartieren. Manche Zuzügler überwintern auch Gründe waren Nachstellungen und die Wirkung in Bayern. Hinzu kommen die Brutvögel des von Pestiziden auf die Eischalendicke und somit Landes mit ihren Jungen. Zählungen zeigen die Reproduktion des Fischjägers. Maximalwerte über 9.000 Kormorane in den Monaten November bis Februar. Der Aufschwung des Kormorans kam nach dem Verbot der gefährlichsten Umweltgifte und im Zuge der vermehrten Schutzbestimmungen, insbesondere der EU-Vogelschutzrichtlinie; das Ausmaß war unerwartet groß. Zu den ursprünglichen Überwinterungsgebieten erschlossen sich die Kormorane mehr und mehr Winterräume, auch im europäischen Binnenland. Als Brutvögel eroberten die Fischjäger viele Länder Mitteleuropas, des Baltikums und jüngst sogar die Alpenländer Schweiz und Österreich. Im Jahre 1987 begannen Kormorane auch in Bayern zu brüten, zunächst am Ismaninger Spei- chersee und am Altmühlsee – beides fischreiche Kunstseen und Schutzgebiete. Der Bestand hat nun eine Größenordnung von 155.000 Brut- paaren bzw. 1,1 Millionen Vögel in Europa. Zunahme und Ausbreitung scheinen noch nicht abgeschlossen. Längst gilt der Kormoran nicht mehr als gefährdeter Vogel. Einfluss auf Fischbestände Der synchrone Rückgang der Leitfischart Äsche Schlafplätze Winter 2005/06 in den südbayerischen Gewässern seit Mitte der achtziger Jahre hat große Besorgnis erregt. In einer breit angelegten Ursachenforschung konnte der Rückgang weitgehend dem Kormo- ran zugeordnet werden. Heute sind die Mecha- nismen von Bestandseinbrüchen von Fischen in dieser Räuber-Beute-Beziehung durch Fallstudien gut bekannt: meist führt ein massiver Einfall von Kormoranen in ergiebigen Gewässerabschnitten rasch zur Reduktion des Fischbestandes. Kor- morane wenden sich danach den nächstbesten Fischgründen zu. Für einmal reduzierte Bestände genügen wenige Kormorane, um eine Fischbe- standserholung zu verhindern. Betroffen sind vor allem Salmonidenregionen, insbesondere dann, wenn Stillgewässer zufrieren und Kormorane sich an offenen Fließgewässern konzentrieren. Anzahl Kormorane 1-49 In den großen Voralpenseen sanken die Fisch- 50-99 erträge auch durch die Verbesserung der Wasser- 100-199 200-399 qualität. Heute mindert zusätzlich der Kormoran 400-799 die Erträge und beschädigt Netze.

5 Nutzung nachhaltig Überfischung

1. Jahr 1. Jahr2. Jahr 2. Jahr3. Jahr 3. Jahr 1. Jahr 1. Jahr2. Jahr 2. Jahr3. Jahr 3. Jahr

Fisch-GrundbestandFisch-Grundbestand potentieller Ertragpotentieller Ertrag Entnahme AnglerEntnahme Angler

nachhaltiges Fischen: etwa der halbe potentielle Ertrag wird Überfischung geht an die Substanz: starker Kormoranfraß mit der Angel entnommen – Grundbestand bleibt erhalten reduziert den Grundbestand an Fischen

Die Schäden im Überblick Artenschutz: · Bestandseinbrüche an Fließgewässern mehr genügend Laichäschen aus den lokalen Bestandseinbrüche gibt es hier bei der stark Gewässern zum Abstreifen entnommen werden. gefährdeten Äsche und der Forelle sowie bei Mittelstreckenwanderern wie der stark gefähr- deten Nase, der gefährdeten Barbe, dem Hasel, Ökonomische Verluste: und dem Aitel. Dadurch ist die ökologische · Minderung des Verkehrswertes von Gewässern Funktionsfähigkeit des Systems gestört. Durch die verringerte Produktivität und die · Gefährdung von Populationen erschwerte fischereiliche Bewirtschaftung ist Mancherorts werden Populationen von ein- der Pachtwert der Gewässer gesunken; dies heimischen Fischen so sehr beeinträchtigt, dass ist eine empfindliche Beeinträchtigung des ihre Bestandserhaltung auf längere Sicht bedroht Eigentums. Diese Wertminderung betrifft ist: Jungfische erreichen nicht das laichfähige unterschiedliche Gewässer: Fischteiche zur Alter, größere laichfähige Fische sterben aus. Erzeugung von Speisefischen, Baggerseen und · Beeinträchtigung der genetischen Qualität Fließgewässer für die Angelfischerei. Zum Verlust genetischer Vielfalt bei bedrohten Schäden in Teichwirtschaften Populationen kommt noch ein weiterer Effekt: Karpfen- und Forellenteichwirte aus ganz Es war üblich, Laichäschen aus dem Gebiet zu Bayern sind betroffen. Der Schaden entsteht entnehmen, um die gewässertypische Brut für durch den Fraß von Fischen sowie durch den Besatz zu ziehen. Heute können oft nicht Verletzungen – verletzte Fische können nicht

6 mehr vermarktet werden. Verängstigte Fische Wirksame Vergrämung drücken sich in von Kormoranen beflogenen Die Schadensbegrenzung erfolgt primär durch Teichen an die Ufer, fressen nicht ausreichend, Vergrämung: Kormorane lernen bestimmte Orte bleiben im Wachstum zurück und sind krank- durch den Abschuss eines Artgenossen zu heitsanfällig. meiden. Die Wirksamkeit einer Vergrämung · Schäden der Berufsfischerei an den hängt nicht davon ab, wieviele Kormorane Voralpenseen geschossen werden. Wichtig ist, dass die poten- Fang und Verletzung von wirtschaftlich rele- tiellen Besucher eines Gewässers ausreichend vanten Fischen durch den Kormoran schlagen oft schlechte Erfahrungen erleben und dass sie hier zu Buche, wie auch der Fraß von gefan- die schlechten Erfahrungen auch an den kon- genen Fischen aus den Netzen im Wasser kreten Gewässern erleben, an denen sie vergrämt sowie die Beschädigung der Netze. werden sollen. Wirksame Vergrämung erfordert einen hohen Zusätzlich hat übermäßiger Kormoranfraß Personalaufwand, der sehr schwer zu erbringen ist. gesellschaftliche Konsequenzen: · Reduziertes Freizeitangebot Die gesunkene Produktivität der Gewässer Ein Konzept für Bayern resultiert in geringeren Angelmöglichkeiten. Als Vorreiter hat Bayern in Deutschland als Auf diese Weise hat der Kormoran einen erstes Land eine Kormoranverordnung erlassen. Einfluss auf einen wichtigen gesellschaftlichen Abschüsse im Rahmen einer Verordnung lösen Aspekt: die Freizeitmöglichkeiten der noch nicht alle Probleme, vor allem nicht die Bevölkerung. Konflikte zwischen Interessengruppen – diese · Geringe Attraktivität des Vereinswesens sind beim Kormoran besonders ausgeprägt. Der Rückgang von Angelmöglichkeiten In der Summe geben lokale Abschüsse bzw. schlägt sich auch in einer Zurückhaltung nieder, Vergrämungen auch noch kein schlüssiges, landes- den Fischereivereinen beizutreten. Das Preis- weites Konzept. Die Autoren dieser Broschüre Leistungsverhältnis stimmt nicht mehr. regen daher zusätzlich zur vordringlichen Um- · Kulturelle Verarmung setzung der Forderungen des Landesfischerei- Traditionen der Berufs- und Teichwirtschaft sind verbandes Bayern e.V. an, ein räumlich explizites rückläufig oder verschwinden. Der Berufsstand Konzept für Bayern zu erarbeiten, mit einem ist gefährdet. Maßnahmenpaket, das, neben der Vorbeugung und Begrenzung von Kormoranschäden an den Gewässern, den Schutz von Wasservögeln mit einbezieht, Wissenslücken aufzeigt sowie eine Erfolgskontrolle einschließlich eines Monitorings und dessen Organisation entwirft.

7 Phänomen Kormoranausbreitung

Die rasante Zunahme und die Ausbreitung des den Fischadler; er ist ein anderes Extrem: seine Aufstieg und Aus- Kormorans auf dem europäischen Festland in Rückkehr ist mehr als zögerlich, obwohl ihm heu- breitung nach dem den letzten Jahrzehnten sind auch für Fachleute te allseits Sympathien entgegengebracht werden. Bestandseinbruch ein Rätsel. Der Kormoran verfügt über Eigen- Die Familie der Kormorane ist weltweit verbrei- waren beim Kormoran schaften, die ihn – biologisch gesehen – als tet, mit mehreren Dutzend Arten. Biologen reden in diesem Ausmaß Erfolgsmodell ausweisen. Seine enorme Anpas- bei einer solchen Struktur einer Tierart auch ger- nicht vorherzusehen. sungsfähigkeit ist eine dieser Eigenschaften. ne von einer „Superspezies“; sie bringen dadurch Andere Wildtiere wie Graureiher oder Fischotter die große Flexibilität und Anpassungsleistung an haben sich nach dem Einführen von Schutz- verschiedene Lebensräume zum Ausdruck. Allein bestimmungen wieder erholt – keine der Arten bei einer einzelnen Art, nämlich jener auf die es jedoch mit derselben Geschwindigkeit und in in Bayern ankommt – Phalacrocorax carbo – wird einem Ausmaß, in dem die heutige Population die Flexibilität deutlich. die ursprüngliche überflügelt hat. Nehmen wir

Verbreitungsgebiet Kormoran

Ph. carbo sinensis Ph. carbo carbo weitere Unterarten

Verbreitung von Phalacrocorax carbo: Insgesamt 7 Unterarten – zwei davon in Europa (Ph. carbo carbo und Ph. carbo sinensis)

8 Da ist zunächst ihr ungewöhnlich großes Ver- in erster Linie die sogenannte „Kontinental- In Bayern dominiert die breitungsareal, es umfasst ganz Eurasien sowie rasse“ oder „Binnenrasse“ (Phalacrocorax carbo Kontinentalrasse. Mit Afrika nördlich und südlich der Sahara und es sinensis), weniger wichtig ist die „atlantische dem Vogelzug kommen erstreckt sich bis in das östliche Nordamerika. Rasse“ oder „Küstenrasse“ (Phalacrocorax carbo gelegentlich auch Kor- In diesem ausgedehnten Areal lebt die Art carbo). Beide Kormoranrassen unterscheiden sich morane der atlantischen Phalacrocorax carbo in einer Reihe von Unter- ein wenig im Aussehen – die Kontinentalrasse ist Rasse. Die Unterarten arten – landläufig spricht man auch von Rassen. etwas kleiner, heller gefärbt, auch der Schnabel- sind im Feld schwer zu Verwirrend ist, dass für diese Untereinheiten winkel ist anders. Fachleute haben Schwierigkei- unterscheiden. verschiedene Bezeichnungen verwendet werden. ten, die Unterarten im Feld auseinanderzuhalten. Für uns in Deutschland und Bayern relevant ist

Um welchen Kormoran geht es eigentlich? In Bayern dreht sich die Diskussion um den Kormoran Phalacrocorax carbo und zwar um eine Unterart desselben, davon primär um deren westliche Population. Die lateinische Doppelbezeichnung der Art entspricht der Klassifizierung des schwedischen Natur- forschers Karl von Linné aus dem Jahr 1758. Sein System bezeichnet jede natürliche Art mit einem Gattungsnamen (in unserem Fall Phalacrocorax) und dem eigentlichen einmaligen Artnamen (hier carbo). Spätere Systematiker haben für den Kormoran mehrere Unterarten (Rassen) beschrieben. Dadurch wird jener Kormoran, den Linné beschrieben hat, zur sogenannten Nominatform, bei der der Artname verdoppelt wird: Phalacrocorax carbo carbo. Karl von Linnè hat höchstwahrscheinlich ein felsbrütendes Exemplar aus Skandinavien für sein Klassifizierungssystem beschrieben – das ist jetzt die Nominatform. Alle anderen Unterarten bekommen nun einen neuen Namen: die auf dem europäischen Kontinent weit verbreitete Unterart heißt Phalacrocorax carbo sinensis. Der Kürze halber werden die Unterarten im Schrifttum oft als Ph.c.carbo und Ph.c. sinensis bezeichnet, im Sprachgebrauch werden sie oft nur carbo oder sinensis genannt. Der Aufstieg von geringen Resten und die Schadensdiskussion in der Fischerei heute betreffen in erster Linie den westlichen Teil der Kontinentalrasse sinensis. Sinensis heißt eigentlich „heimisch in China“. Das hat gelegentlich zu Verwirrung geführt: der sinensis kommt zwar auch in China vor, er wurde aber nicht von dort nach Europa eingeschleppt.

9 Unterschiede gibt es auch im Bruthabitat: die Im „Vogelbuch“ von 1557 des Schweizer Natur- Kontinentalrasse brütet auf Bäumen, während forschers und Arztes Konrad Gessner findet sich die atlantische Rasse ihre Nester an felsigen die Abbildung eines Kormorans. Küsten baut. Durch das Zusammenwachsen Dort heißt es: „In unseren Landen ist ein schwar- der Unterarten in den letzten Jahren gibt es zer Wasservogel welcher die Fisch in den Wassern heute Überlappungen im Sommer, es gibt auch und Seehen jagt und ihnen viel Schaden thut…. gemeinsame Überwinterungsgebiete. In England So man diesen am Rhein bey uns siehet, sol es begann in letzter Zeit die atlantische Rasse im ein Zeichen einer grossen Kälte seyn….Er kommt Inland zu brüten. Auch paaren sich die beiden fast zu Winterszeit in unsern See (Züricher See) Rassen erfolgreich. und streckt allzeit auch in der größten Kälte seine Nun könnte man meinen, Systematik ist nur Flügel auff“. etwas für Spezialisten. Das ist nicht ganz so, Die Quellen aus der Schweiz und Österreich denn die Bestandsentwicklung verlief in den Teil- beweisen, dass der Kormoran schon damals – arealen sehr unterschiedlich; sie zu kennen ist für zumindest auf dem Zug – auch da und dort das Verständnis des Kormorans heute wichtig. im Voralpenraum zu beobachten war. Schon die Dynamik der „Kontinentalrasse“ verlief In Europa war der Kormoran in alter Zeit sicher nicht einheitlich: Nur im westlichen Kontinetal- weit verbreitet, einmal durch Vögel, die von ihren europa fiel der Bestand in den 60er Jahren des nördlichen Brutgebieten an den Küsten in die vorigen Jahrhunderts auf einen historischen Wintergebiete am Mittelmeer zogen, und dann Tiefstand von knapp 5.000 Brutpaaren – die durch jene, die von Brutkolonien an den fisch- Vögel hielten sich in Holland, Polen und in reichsten Binnengewässern stammten und von Mecklenburg-Vorpommern. Nur hier konnte dort aus umherstrichen. man von einem gefährdeten Vogel sprechen. Es ist diese Teilpopulation der westlichen Konti- Eine gelegentliche Nachstellung in alter Zeit nentalrasse, die von ihrem Tief auf heute rund dürfte am Grundmuster nicht allzu viel geändert 155.000 Brutpaare angestiegen ist – ein Ende haben. Sicher waren Kormorane nicht annähernd der Zunahme ist noch nicht abzusehen. so häufig wie heute. Die östliche Teilpopulation der Kontinentalrasse war nie soweit auf diesem Tiefstand. Größere Brutkolonien haben sich stets gehalten am Zusammenfluss von Drau und Donau im früheren Yugoslawien, im Donaudelta in Rumänien und in der Ukraine. Auch hier sind die Kormoranzahlen in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich gestie- gen, wenngleich nicht so dramatisch. Die „atlantische Rasse“, mit Schwerpunkten in Norwegen und auf den britischen Inseln war nie gefährdet, ihr Brutbestand hielt sich jahrzehnte- lang um 20.000 - 30.000 Paare, inzwischen ist auch diese Rasse auf etwa 40.000 Paare ange- stiegen.

Kormorane in alter Zeit In der sehr frühen Fischereiordnung Kaiser Maximilians I von 1499 werden für die Traun in Oberösterreich die Fischmeister angewiesen, „Schärm und andere Schadvögel“ in Hochnetzen zu fangen (in „Schärm“ steckt das Wort „Schar- be“, eine alte Bezeichnung für den Kormoran). Dadurch gibt uns der Kaiser indirekt einen Hin- weis, dass schon damals Kormorane Forellen- Kormoran im Vogelbuch des Conrad Gesner, Schweiz, von und Äschengewässer in den Alpen aufsuchten. 1557: „Schwarzer Wasservogel welcher die Fisch in den Die nächsten Brutgebiete der „Schärm“ lagen Wassern und Seehen jagt“. damals wahrscheinlich an der Donau.

10 Im Sinkflug Drei Faktoren können wir heute für den Sinkflug sicherte den Beginn der Rheinregulierung. 1879, des Fischfressers bis zu seinem Tiefstand in den nach sechzig Jahren, war die Rheinbegradigung sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ding- abgeschlossen. fest machen: die Nachstellung an Brutkolonien, der Schwund des Lebensraumes durch die Rheinabschnitt Verbauung der großen Flüsse und die Belastung durch Pestizide und andere Umweltgifte. Dem Kormoran auf wirksame Weise nachzu- stellen war nie schwer, weil er in gut bekannten Kolonien brütete. Man brauchte nur die Nist- bäume zu fällen. Das war sicher in der Nähe von Fischteichen der Fall. Mit der Zeit wurde den fischfressenden Konkur- renten ein Lebensrecht abgesprochen. In den Schriften des Zoologen Alfred Brehm, mit zwanzig Jahren schon Mitglied der Akademie der Natur- forscher Leopoldina, kommt der Sinneswandel zum Ausdruck: „... die einzelne Scharbe nimmt viel mehr Nahrung zu sich als ein Mensch…. In Ländern, wo der Mensch zur Herrschaft gekom- men ist, können sie nicht geduldet werden“. Alfred Brehm war mit Kormoranen sicher gut vertraut, begleitete er doch als ornithologischer Berater den Kronprinzen Rudolf von Österreich auf einer Schifffahrt die Donau hinunter. Es war diese Geisteshaltung, die dazu führte, dass die Potsdamer Gardejäger auf kaiserli- chen Befehl ihre Waffen auf Brutkolonien und

Rastplätze richteten und Tausende Kormorane Rheinläufe bei Karlsruhe vor und nach der Korrektur: schossen. Dies war jedoch die Ausnahme. Wich- Einst wälzte sich der Strom im breiten Bett tiger war schon, dass jetzt dem einzelnen Jäger Der Main, längster Nebenfluss des Rheins, wurde Nachstellungen und die Verfolgung leichter kam: die Schrotpatrone von 1901 bis 1949 zur Großschifffahrtsstraße Pestizide waren die wurde erschwinglich, ein Kormorannest auszu- ausgebaut. Die Donau war bis 1870 praktisch wichtigsten Gründe für schießen war nun bezahlbar. unreguliert. Heute ist sie eine der großen euro- den Niedergang des In dieser Ära änderte sich auch die Welt der Fische päischen Schifffahrtsstraßen. Kormorans. und ihrer Feinde von Grund auf. Ihr Lebens- Um 1900 war der Kormoran in Deutschland und raum schrumpfte durch die großen Stromregulie- Dänemark als Brutvogel ausgestorben. Langsam rungen auf einen Rest. Bis Anfang des 19. Jh. begann sich die Haltung zum nun bedrohten schlängelte der Rhein auf einer Breite von 6 bis Vogel zu ändern. Mit der Gründung des „Bun- 10 km im Oberrheingraben hin und her. Nach des für Vogelschutz“ in Stuttgart im Jahre 1899 den Planungen des Ingenieurs Johann Gottfried schuf die Industriellengattin Linda Hähnle den Tulla sollten die Flussschlingen in Durchstichen Grundstein zum Artenschutz in Deutschland. abgetrennt und das Flussbett auf 200 bis 250 m eingeengt werden. Dänemark war 1931 das erste Land mit einer gesetzlichen Schonzeit des einst verfemten Durch das Abschneiden der Mäander verkürzte Vogels. In Holland kauften Vogelfreunde Grund sich der Rhein allein zwischen Basel und Bingen und Boden einer Brutkolonie und in Deutschland um 81 km. Die Anwohner des großen Flusses beendeten das Reichsjagdgesetz 1934 und das wussten, welche Welt hier unterzugehen drohte. Reichsnaturschutzgesetz 1935 die uneinge- Deshalb stiegen die Bürger von Knielingen am schränkte Nachstellung. Der Schutz verbesserte ersten Rheindurchstich auf die Barrikaden, sie sich Schritt für Schritt; dennoch stürzte der fürchteten so sehr um ihre Fischgründe. Erst sinensis – Bestand weiter ab bis zum tiefsten militärische Gewalt brach ihren Widerstand und Punkt in den sechziger Jahren.

11 Die Erklärung liegt in den Pestiziden und Schwer- zu 1.000 facher Anreicherung gegenüber der Der Fischjäger Kormoran metallen. Das Insektizid DDT, zunächst als Segen Nahrung kommen. Die Schadstoffe stören den war von heute verbo- betrachtet, fand ab Ende der vierziger Jahre Kalkstoffwechsel, die Eischalen werden dünn, tenen Umweltgiften in weite Verbreitung. die Eier zerbrechen, geschlüpfte Junge sind nicht seiner Reproduktion Ihm folgten weitere chlorierte Kohlenwasser- vital, überhaupt ist das Reproduktionsgeschehen besonders betroffen. stoffe wie Aldrin und Dieldrin, polychlorierte gestört. Biphenyle wie PCB, die zusammen mit weiteren Alles deutet darauf hin, dass auch in Europa im als das „dreckige Dutzend“ bekannt und erst in „dreckigen Dutzend“ der Umweltgifte die Erklä- den siebziger Jahren verboten und vom Markt rung für das weitere Absacken des Bestandes genommen wurden. lag, zu einer Zeit, in der die Verfolgung nachließ. Die Auswirkungen auf Greifvögel rückten zuerst Getroffen hat der Niedergang besonders den ins Rampenlicht. Bei ihnen wurde der Zusammen- westlichen Teil der kontinentalen Kormoran- hang zwischen Giftbelastung, Eischalendicke und population, nämlich jenen im Gebiet besonders Bruterfolg zuerst aufgedeckt. Die besten Daten intensiver Landwirtschaft und dichter Industrie. über die Misere des Kormorans stammen aus Weniger betroffen waren die östliche Kontinental- dem Gebiet der Großen Seen in Nordamerika population im dünner besiedelten Europa und über den dort lebenden Kormoran, die Ohren- auch jene carbo – Kormorane an den Küsten, die scharbe, Phalacrocorax auritius. Jener nahe weniger belastete Meeresfische fingen. Verwandte durchlief einen Niedergang und Wiederaufstieg parallel zum westeuropäischen Eischalendicke sinensis. Die Gründe für seinen Niedergang sind durch kanadische und US-amerikanische Abnahme Forscher besser belegt. 5% Normal Zunächst fiel auf, dass die Zahl der Jungen von 0% üblicherweise 2 pro Nest auf 0 bis 0,2 gefallen - 5% war. Eine Pestizidhypothese lag nahe und die - 10%

Untersuchung belegte es: die Eischalendicke - 15% war reduziert. - 20%

Frisst ein Kormoran belastete Fische, werden die - 25% gefährlichen Abbauprodukte der Umweltgifte Reduktion der Eischalendicke - 30% des Kormorans am Ontario- im Fettgewebe gespeichert. Bei der fast aus- 0% und Huronsee, Kanada: Folge schließlichen Fischnahrung des Vogels kann es 1940 1950 1960 1970 1980 1990 des „Dreckigen Dutzends“

12 Chronik der westlichen Kontinentalrasse

Altertum: um 1960: ab 1980: ab 1990: ab 2000: Brutgebiete überwie- Tiefster Populations- Bestand beginnt expo- Noch exponentielle Westliche Kontinental- gend an den Küsten stand, weniger als nentiell zu wachsen. Zunahme anfangs rasse über 160 000 und an großen, fisch- 5.000 Brutpaare der EU-Vogelschutzricht- der Dekade, dann Brutpaare mit über reichen Strömen im westlichen Kontinental- linie (1979) verbes- Rückgang der Wachs- 1 Million Vögeln. Viele Binnenland. Zu Zug- rasse. Geringer Brut- sert den Schutz in tumsrate in den alten neue Brutkolonien, zeiten und außerhalb erfolg durch Pestizide allen Mitgliedsländern. holländischen und auch in Schweden und der Brutzeit weit ver- und Schwermetalle. Geringere Belastung dänischen Großko- den baltischen Staaten. breitet in Westeuropa. Nachstellungen halten durch Pestizide und lonien, aber schnelle Population steigt 15. Jh. – 18. Jh.: an. Schutzbestim- Schwermetalle. Güns- Ausbreitung in benach- weiter an bei sinkender Nachstellung in Brut- mungen nehmen zu. tige Bedingungen für barte Länder. Grosse Wachstumsrate. Ende kolonien. Langsamer ab 1970: hohe Wachstumsrate: Überwinterungs- der Zunahme nicht Niedergang. Bestand erholt sich Fischfarmen an den gebiete im Binnenland absehbar. Konflikte mit langsam. Schutz- Küsten, gut bestückte (Frankreich) zusätzlich Fischerei im Binnenland 19 Jh. u. Anfang 20 Jh.: Teichwirtschaften und zum Mittelmeerraum. weitgehend ungelöst. Beschleunigter bestimmungen für Brutkolonien in einigen Stauseen im Binnen- In Bayern weitere fünf Niedergang. Große land. Brutkolonien. Erste Flussregulierungen Ländern zeigen Wir- kung. Wichtige Pesti- Abschüsse in Bayern verschlechtern Lebens- 1996. raum. Eskalation der zide werden verbannt. Zerstörung von Brut- Neue Brutkolonien kolonien. im durch Eindeichung entstandenen Ijssel- meer (Niederlande). Erste Brutkolonie in Bayern am Ismaninger Speichersee 1977.

Der Aufschwung Auch für Fachleute kam die Entwicklung der nun wieder vermehrungsfreudigen Vögel in den Die EU-Vogelrichtlinie westlichen Kontinentalrasse vom bedrohten letzten Kolonien trafen dann auf neue Rahmen- verbesserte den Vogel auf heute 160.000 Brutpaare mit über bedingungen: Zum einen waren sie vor Nach- Kormoranschutz, war einer Million Vögeln unerwartet. Sicher hat der stellung jetzt ausreichend sicher, sie konnten das aber nicht Auslöser Bestand heute jenen von vor Beginn des Nieder- Vermehrungspotential realisieren. Zum anderen des Wiederanstieges. ganges bereits überflügelt. Auch das war nicht trafen sie auf einen mit geeigneten Fischen abzusehen. ungewöhnlich „reich gedeckten Tisch“ in un- mittelbarer Nähe ihrer Reliktbrutgebiete in den Der Prozess ist auch noch nicht abgeschlossen: Niederlanden, und das gleich zweimal: Dort war Kormorane breiten sich in den meisten Ländern inzwischen das Ijsselmeer mit 183.000 Hektar Europas noch aus. Das Rätsel der Kormoran- voller Fische. Eischalendicke vermehrung ist nicht vollends gelöst. Hier sind einige Einsichten zu einem Mosaik zusammen- Dieser flache Süßwassersee war entstanden, gefügt, in dem sicher noch Steine fehlen. nachdem eine riesige Bucht im Wattenmeer mit Die oft erwähnte EU-Vogelschutzrichtlinie von einem 32 km langen Damm abgetrennt worden 1979 war ein Meilenstein in der Verbesserung war. Nachdem das Brackwasser darin nach und des Kormoranschutzes, sie war jedoch nicht die nach ausgesalzen war, stieg die Fischproduktion. Initialzündung für den Aufschwung. Die Kormorane reagierten darauf mit der Grün- dung von neuen Brutkolonien. Ausgelöst wurde die Zunahme durch die Ächtung des „dreckigen Dutzends“, durch den Rückgang Außerdem war nebenan eine der größten der Pestizidbelastung in den Gewässern der Karpfenfischfarmen Europas, nahe Lelystad. siebziger Jahre. Eischalen wurden wieder dicker, In deren Nähe siedelte sich eine der Kormoran- die Reproduktionsleistung der Vögel näherte sich kolonien an, unterstützt noch durch staatliche wieder der arttypischen Größenordnung an. Die Nisthilfen – und trieb die Fischfarmen in den Ruin.

13 Ende der 80er Jahre fuhren die kommerziellen hervorgerufen haben, dann erklärt das nicht die Eindeichungen, Kunst- Fischer ihren Fang im Ijsselmeer freiwillig zurück, Zunahme von Brutvögeln auf dem Kontinent, seen und Teichwirt- die Fischproduktion war nicht mehr dieselbe. weitab der Küsten. schaften vergrößerten regional das Nahrungs- Eine Studie des staatlichen Zentrums für Natur- Auch die gesteigerte Produktivität der Seen und angebot. management ergab: die herkömmliche Fischerei Flüsse auf dem Festland als Reaktion auf die und der Fischfraß des Kormorans reduzierten Nährstoffbelastung erklärt den Anstieg nicht. den Fischbestand. Zwar gründeten Kormorane die ersten Kolonien In den drei Großkolonien am Ijsselmeer brüteten im Binnenland als die Eutrophierung hoch war, Anfang der 90er Jahre 15.000 Paare, allein 8.000 doch Kläranlagen und Ringkanalisationen redu- im Naturschutzgebiet Oostvaardersplassen – jener zierten in den 70er und 80er Jahren den Nähr- Kolonie, die sich in der Nähe der Karpfen- stoffeintrag durch Abwässer. Zurück ging auch fischfarm angesiedelt hatte. Schon bevor diese die Fischproduktion der meisten Seen, Kolonien wegen des Rückgangs ihrer Nahrung aber die Kormorane nahmen zu und erschlossen wieder etwas schrumpften, waren sie Ausgang sich weiter Neuland. für die Wiederbesiedlung des westeuropäischen Es ist auch richtig, dass es überall Fische an den Kontinents mit dem sinensis. menschengemachten Wasserkörpern, den Stau- Bis hierher bewegen sich die Erklärungen über stufen, Talsperren und Teichlandschaften gibt. den Aufstieg des Kormorans auf festem Grund. In vielen Gewässern ist der Fischbestand heute Für alle Versuche, die Zunahme darüber hinaus auch durch Besatzmaßnahmen relativ hoch, schlüssig zu erklären, gibt es jeweils plausible selbst dort, wo natürliche Laichmöglichkeiten Gegenargumente. kaum gegeben sind. Da ist zunächst das Argument der Zunahme In manchen dieser verbauten und künstlichen von Kleinfischen – der Nahrung des Kormorans – Gewässer sind die Fische für den Tauchjäger an den Meeresküsten als Reaktion auf die Über- Kormoran leicht zu fangen. Als alleinige Erklä- fischung der großen Fische. Sollte eine Über- rung für die Zunahme reicht dieser Grund nicht. fischung an Ost- und Nordsee diese Reaktion

14 Was bleibt also zur Erklärung des Aufstieges nutzt geschickt die Gunst der Zeit. Variabel in der sinensis Unterart im westlichen Europa? der Wahl seiner Fischnahrung und hochmobil Schlüsselfaktor ist wohl die Verschonung des erschließt er sich weitere Nahrungsgewässer, Vogels vor großer Verfolgung in den meisten Brutgebiete und Überwinterungsmöglichkeiten. Ländern Europas bei gleichzeitig reichlicher Ohne diese enorme Flexibilität wäre der Vogel Nahrung. nicht in der Lage, in diesem Ausmaß auf die Das ist eine für den Kormoran neue Situation. neue Toleranz zu reagieren. Nie in den vergangenen Jahrhunderten war Der Kormoran zeigt auf seine Weise, wie er gerade an den besonders nahrungsreichen hoch die Lebensraumkapazität für ihn ist – er Gewässern so gut geschützt. Viele Brutkolonien schadet den Interessen der Menschen, auf liegen heute in Naturschutzgebieten, an produk- Kosten der Fische. tiven Flachseen. Der anpassungsfähige Kormoran

Aufenthalt Kormoran

Brutgebiet (Sommer) Ganzjahresgebiet (Brut- + Überwinterungsgebiet) Überwinterungsgebiet

Saisonale Kormoranverbreitung: Brütet und überwintert heute auch im Binnenland

15 Kormoranpopulation Europa

Anzahl 1.200.000

1.100.000

1.000.000

900.000

800.000

700.000

600.000

500.000

400.000

300.000

200.000

100.000

0

1970 ’72 ’74 ’76 ’78 ’80 ’82 ’84 ’86 ’88 ’90 ’92 ’94 ’96 ’98 2000 ’02 ’04 ’06

Brutvögel nichtbrütende Adulte Juvenile (1-2 jährig) Jungvögel (halbjährig)

Auf über eine Million Vögel zugenommen: Wachstum wird langsamer, Anteil Nichtbrüter steigt (Berechnung Kohl 2007)

Grenzen des Wachstums Etablierung Brutkolonien

Die Entwicklung der kontinentalen Kormoran- Niederlande population in Westeuropa lässt sich näherungs- Polen weise darstellen, ausgehend vom einigermaßen Dänemark gut bekannten Brutbestand und der Vermehrungs- Schweden leistung der Brutpaare. Deutschland Ost Die Grafik zeigt die Zunahme von geringen Frankreich 1982 Resten über eine steile Aufschwungsphase auf heute über eine Million Vögel. Einiges an dieser Deutschland West 1981 Entwicklung ist geradezu lehrbuchhaft. Nach Großbritannien 1981 einer kurzen Zeit der Konsolidierung am Beginn Tschechien 1982 ist eine Phase des exponentiellen Wachstums zu Estland 1984 erkennen; sie erstreckt sich bis in die ersten 90er Litauen 1985 Jahre. Italien 1985

Bei exponentiellem Wachstum nimmt die Wachs- Weißrussland 1988 tumsrate der Population einen konstanten Wert Lettland 1989 an und bleibt über eine Reihe von Jahren gleich. Spanien 1991 Die Größe der Wachstumsrate hängt ab von den Belgien 1992 biologischen Möglichkeiten der Art – Kormorane Finnland 1996 legen nicht mehr als fünf Eier. In der beobach- teten Exponentialphase liegt die Wachstumsrate Schweiz 2001 bei rund 20 Prozent pro Jahr. Das deutet auf Österreich 2003 einen günstigen Lebensraum hin; es führt zu 1960 1970 1980 1990 2000 einer kurzen Verdoppelungszeit: die Population Brutbeginn in den Ländern Europas: verdoppelt sich alle vier Jahre Ausbreitung als Brutvogel bis in die Alpenländer

16 Exponentiell wächst eine Population nur eine Wenn man das Bild der Populationsentwicklung Für die Kormoranpo- gewisse Zeit, nämlich nur solange das Fassungs- geographisch feiner auflöst, zeigt sich, dass in pulation sind nationale vermögen des Lebensraumes praktisch unbe- den schon länger besiedelten Gebieten die Ent- Grenzen nicht relevant. grenzt ist. Nähert sich die Population der Kapa- wicklung flacher wird (Dänemark) bzw. stagniert zität des Lebensraumes, werden Dichteeffekte (Holland), während an der Peripherie in den erst wirksam – die Wachstumsrate sinkt, die Popula- jünger von Kormoranen erschlossenen Gebieten tionskurve beginnt sich abzuflachen. Das Ende (Schweden, Baltikum, Finnland) weiterhin expo- des exponentiellen Wachstums in der als Ganzes nentielle Entwicklungen zu sehen sind. betrachteten Sinensispopulation für Westeuropa ist durch die Stagnation der ersten großen Brut- kolonien in Holland und Dänemark zu erklären.

17 Was die Kormoranpopulation auf dem Festland Ob diese Begrenzung in Brutgebieten früher Die natürlichen Grenzen letztendlich begrenzen wird und wie dann das greifen wird als in Überwinterungsgebieten, ist des Wachstums sind in Muster des Populationsverlaufs aussehen wird, heute schwer abzuschätzen. Zunehmen wird Europa heute noch nicht ist heute nicht vorherzusagen. Anzunehmen ist, auch der Einfluss des Menschen durch direkte erreicht. Sinkende Scha- dass die Nahrung ein wichtiger begrenzender und indirekte Eingriffe in die Population. denstoleranz nimmt als Faktor sein wird, örtlich auch beeinflusst durch Begrenzungsfaktor zu. den Kormoran selbst.

Kormoranverbreitung und Brutgebiete 1965

Brutgebiet (Sommer) Ganzjahresgebiet (Brut- + Überwinterungsgebiet) Überwinterungsgebiet

Anzahl der Brutpaare carbo sinensis

bis 5.000 bis 1.000 bis 250

Am Tiefpunkt: Stärkste Kolonie an der holländischen Küste. Unterarten Ph. c. carbo und Ph. c. sinensis annähernd gleich stark

18 Kormoranverbreitung und Brutgebiete 2005

Brutgebiet (Sommer) Ganzjahresgebiet (Brut- + Überwinterungsgebiet) Überwinterungsgebiet

Anzahl der Brutpaare carbo sinensis

bis 10.000 bis 5.000 bis 1.000 bis 250

In ungekannten Höhen: Auch im Binnenland weit verbreitet – Ph. c. sinensis hat Ph. c. carbo überflügelt.

19 Fähigkeiten des Kormorans

Gründe für den ungewöhnlichen Erfolg des bleiben im Binnenland, mischen sich hier mit den Hohe Flexibilität in Kormorans sind seine enorme Mobilität und Residenten des Sommers von denen es nur einen Anpassung und Verhal- Flexibilität. Auch andere Vogelarten pendeln Teil nach Süden zieht. In den Abendstunden sieht ten des Kormorans sind zwischen Sommer und Winter von einer Erd- man dann die Kormorane auf den entlaubten eine Meisterleistung in halbkugel auf die andere, die meisten aber nur Herbstbäumen an ihren Schlafplätzen am liebsten der Vogelwelt. zwischen eng umrissenen Brut- und Überwin- in der Nähe von Seen. Oft sind nur wenige terungsgebieten. Vögel in den Schlafgesellschaften, gelegentlich Beim Kormoran ist das weitaus komplexer: Wenn aber auch über Tausend. In der Regel kommen die Vögel im Frühjahr zurück in die Brutkolonie Kormorane jedes Jahr an dieselben Schlafplätze. kommen und die meisten Erwachsenen mit dem Bei steigender Gesamtpopulation erschließen sie Brutgeschäft beginnen, fliegen sie höchstens sich neue Gebiete oder reagieren auf Winter- wenige Dutzend Kilometer. Ist die Aufzucht strenge und Störungen. gegen Anfang August vorbei, verlassen Alt und Seit den 90er Jahren gab es auch eine Verhaltens- Jung die Brutstätte und ziehen weit umher, um änderung: Bis dahin zogen nahezu alle Kormorane sich an geeigneten Gewässern länger aufzu- im Herbst zur Überwinterung an die Mittelmeer- halten – man spricht von Zerstreuungswande- küsten. Schlafbäume im Binnenland dienten nur rungen. Kormorane haben ausgefeilte Techniken, einer Zwischenrast. Heute überwintern mehr um ergiebige Gewässer zu finden. Das ist nicht Vögel in der Nähe der Brutkolonien, mehr und so einfach, denn die Attraktivität ändert sich mehr Kormorane überwintern im Binnen- oft je nach Jahreszeit, Wasserführung, Laichzeit land. Diese Mobilität und Flexibilität im Jahres- und Fischproduktion, sie ändert sich manchmal lauf ist eine Meisterleistung; sie dient der von Jahr zu Jahr. Über ein Kommunikations- Erschließung von räumlich begrenzter, oft system verständigen sich Kormorane darüber, unberechenbarer aber ergiebiger Nahrung. denn sie fischen gerne in Gesellschaft. Wenn Schlafversammlungen bewähren sich auch in der Mitte Oktober der Herbstzug einsetzt, wan- Feindvermeidung. Diese kontinentale Mobilität dern zunächst Vögel aus dem Norden mit nur resultiert in einer vernetzten Metapopulation. kurzen Zwischenstopps auf dem Festland an die Der Kormoran kann ihm regional zugefügte Mittelmeerküsten; manche ziehen weiter nach Verluste gut ausgleichen. Afrika. Jedoch nicht alle ziehen so weit. Viele

Steckbrief Kormoran Phalacrocorax carbo

Beschreibung: amerikas, zunehmend Nahrung: Konflikte: Rechtlicher Status: Großer, gesellig leben- auch im Binnenland. Geschickter Tauchjäger, Hauptsächlich Teich- Vormals bedrohte der schwarzer Vogel, In Europa zwei Unter- erbeutet Fische auch wirtschaft, Berufs- Vogelart,EU- Gewicht 2,5 kg, arten. in Gemeinschaftsjagd. und Angelfischerei. Vogelschutzricht- Länge 75-95 cm, Bruterfolg: Bevorzugte Fischgröße Gefährdung: linie Anhang I; heute Flügelspannweite Tiefster Populations- 10-20 cm, gelegent- Früher Pestizidbelas- geschützte Art, EU- 120-150 cm. Heller stand: weniger als lich auch Fische bis 55 tung und Nachstellung Vogelschutzrichtlinie. Kehlfleck, Schnabel 5.000 Brutpaare der cm Länge und 750 g durch den Menschen. Ausnahmen zur mit Haken. westlichen Kontinental- Gewicht. Durchschnitt- Abwehr von Schäden Ökologische Nische rasse. Geringer Brut- licher Tagesbedarf möglich. und Verbreitung: erfolg durch Pestizide 400-500 g, bevorzugt Fischfresser, brütet an und Schwermetalle. keine bestimmten Küsten aller Kontinente Nachstellungen halten Fischarten, fischt nach mit Ausnahme von an. Schutzbestimmun- Angebot. Südamerika und der gen nehmen zu. Westküste Nord-

20 Jahresverlauf

Überwinterung

er Janua

b

r Dezem

Februar ember

Frühjahrszug und v No

Rückkehr in die Kolonie Herbstzug in die r

März Überwinterungsgebiete Oktobe

Ap

r il tember

p

Se

t Ma us i g Au

Brutzeit Juni Juli

Sommeraufenthalt und Zerstreuungswanderung Aufzucht der Jungen

Hohe Mobilität erlaubt optimale Nutzung von Gewässern, regional und kontinental – nur Brutvögel sind räumlich gebunden Die hohe Mobilität (Abb. nach Rutschke, 1998, verändert). resultiert in weiter Verbreitung in Europa und guter Ausnutzung regionaler Fischgründe.

21 Tauchen und Fischen Der Kormoran beherrscht Techniken des radius der fischenden Vögel reicht bis zu 50 km Fischfanges perfekt: er steckt den Kopf ins um Brutkolonien oder Schlafplätze, gelegent- Wasser und schaut nach Beute aus, mühelos lich fliegen sie auch weiter an einen ergiebigen kippt er nach vorne ab und taucht. Das geht Fischgrund. sehr rasch, weil er schon tief im Wasser liegt. Gut bekannt ist heute das Spektrum an Fischen Taucht er ohne Fisch auf, weiß der Beobachter in der Beute, viele Studien sind dieser wichtigen nicht, ob der Tauchjäger leer ausging oder einen Frage nachgegangen. Der Kormoran ist ein Op- Den Schnabel zu voll genom- kleineren Fisch schon unter Wasser geschluckt portunist, er frisst jene Fische, die er am leichtes- men: der Waller entkam mit hat. Ist der Fisch groß, wechselt der Kormoran einigen Kratzern ten fangen und bewältigen kann. gerne an einen festen Sitzplatz, um sich dem Schlucken der Beute zu widmen. Ein Kormoran Etwa 500 g pro Tag ist die Ration eines er- kann sich auch von einem Pfahl aus gezielt nach wachsenen Vogels. Die Länge der Fische liegt einem Fisch ins Wasser stürzen. zwischen 10 und 55 cm. Hochrückige Fische wie Karpfen und Brachsen sind meist kürzer, Fische Verhaltenskundlich erstaunlich ist die gemein- wie Aal und Hecht können schon länger sein. schaftliche Treibjagd auf einen Fischschwarm, Es wurde nachgewiesen, daß Kormorane Fische an der sich Hunderte von Kormoranen beteiligen bis 900 g geschluckt haben. Größere Fische ent- können. So eine Jagd erfordert eine ausgeklü- kommen dem Kormoran oft, nachdem er sie mit gelte Strategie und gute Koordination, um durch seinem Hakenschnabel schon gegriffen hatte. Sie angepasstes Schwimmtempo, durch Tauchen tragen dann unverkennbare Verletzungen, sterben und Flügelschlagen in gestaffelter Formation häufig an Verpilzungen. Die vom Kormoran Kormorane halten Fische in eine Bucht oder ins flache Wasser zu gefressenen Fischarten spiegeln das Angebot im sich an die häufigsten treiben. Solche Kooperationen sieht man eher bei Gewässer wieder. Es gibt jedoch Arten, welche Fische, doch manche den lernfähigeren Säugetieren. In der Vogelwelt es durch ihr Verhalten dem Kormoran leicht Arten sind für sie ist dieses Verhalten eine Ausnahme. Der Aktions- machen, sie zu fangen, dazu gehört die Äsche. leichter zu fangen.

Sequenz der Fischfanges

Meister der Unterwasserjagd, allein und im Team

22 Die häufigsten Beutefischarten des Kormorans im Süßwasser nach V. Keller, 1997, verändert

Die Beutefische Ort Monate Häufigste Beutefischarten spiegeln das regionale Flüsse (frei fließend) Angebot gut wieder. Schottland Forelle, Junglachse (smolt), Flunder Süd-Ost-Schottland Nov-März Äsche, Rotauge, Salmoniden, Flunder Nordirland Mai Bachforelle, Junglachse (smolt) Schweiz Okt-März Äsche, Bachforelle Österreich Winter Äsche, Nase Süd-West-Schottland März-April Flunder, Forelle, Rotauge, Barsch Süd-Ost-Schottland Feb-April Äsche, Forelle Nord-Schottland April-Mai Lachs, Forelle Niederlande Sept-März Brachse, Güster Bayern Jan-Dez Äsche, Forelle, Weißfische, Aal, Barsch, Hecht, Zander Flüsse (gestaut) Schweiz Okt-März Rotauge, Aitel Österreich Winter Cypriniden, Kaulbarsch, Barsch Bayern Jan-Dez Weißfische, Salmoniden, Aal, Barsch, Hecht, Zander Seen Nord-West-England Nov-März Seesaibling, Barsch, Bachforelle Niederlande März-Juli Rotauge, Aal, Kaulbarsch, Zander, Brachse Schottland Bachforelle, Barsch, Lachs Niederlande April-Juli Brachse, Aal, Zander Irland Sept-April Rotauge, Barsch Niederlande April-Juli Kaulbarsch, Stint Norddeutschland Juli-Nov Barsch, Cypriniden, Stint, Kaulbarsch Niederlande Okt-März Kaulbarsch, Barsch, Zander, Cypriniden Schweiz Okt-März Rotauge, Barsch Niederlande März-Juli Rotauge, Brachse, Aal Nord-Ost-Polen April Rotauge, Aal, Schleie, Brachse, Hecht Nord-Ost-Polen April-Dez Rotauge, Aal, Barsch, Brachse Bayern Jan-Dez Weißfische, Renken, Aal, Barsch, Hecht, Zander Niederlande Jan-Dez Rotauge, Brachse, Güster, Zander Teichanlagen Süd-Frankreich Karpfen Niederlande Karpfen, Graskarpfen Nord-Ost-Polen Karpfen Bayern Forellen, Karpfen

23 Der Kormoran in Bayern

Das Bild des fischfressenden Vogels in Bayern Muster: nach einer Zeit der Zunahme von Brut- passt gut in das Gesamtbild seines kontinen- paaren stagniert die Kolonie, gefolgt von einem taleuropäischen Aufschwungs. Als Zug- oder Rückgang. Strichvögel besuchten Kormorane auch in alter Zeit bayerische Gewässer, Bruthinweise gibt es Brutkolonien Bayern jedoch nicht. Mit der gesamteuropäischen Zu- nahme Mitte der Siebziger Jahre kamen häufiger kleine Trupps an bayerische Gewässer.

Brutkolonien 6 Die erste Brut war nur eine Frage der Zeit; ein Paar brütete 1977 am Ismaninger Speichersee, ab 1980 etablierte sich dort eine Kolonie. Die 5 7 8 Wahl der Vögel auf diesen Standort fiel nicht 2 von ungefähr: der Ismaninger Speichersee ist eine „Natur aus zweiter Hand“, ein Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung (Ramsar-Gebiet). Diese technische Großanlage hat eine doppelte 1 Funktion: sie dient der Stromerzeugung über eine Ausleitung der Isar in einen 7 km langen 3 4 Speichersee mit Kraftwerk und gleichzeitig der Abwasserklärung der Millionenstadt München in einer Kette von Abwasserfischteichen. Beide Systeme stehen in engem Wasseraus- Brutkolonien, Gründungsjahre und Anzahl der Brutpaare 2005 tausch. Durch den hohen Nährstoffeintrag 1 Ismaniger Speichersee, seit 1977/80, 110 BP profitieren Fische und Vögel. Für viele Freizeit- 2 Altmühlsee (bei Gunzenhausen), seit 1988, 38 BP nutzungen ist dieses künstliche Gewässer nicht 3 Ammersee-Süd, seit 1990, 116 BP attraktiv – das Betreten ist auch streng geregelt, 4 Chiemsee (Krautinsel), seit 1991, 95 BP 5 Nürnberger Tiergarten, seit 1996, 40 BP günstige Voraussetzungen für einen Rastplatz 6 Garstadter Seen, seit 1998, 72 BP zahlreicher und vielfältiger Wasservögel auf ihren 7 Charlottenhofer Weiher, seit 1999, 66 BP Zugrouten in Europa. 8 Rötelsee (Weihergebiet bei Cham), seit 2003, 7 BP Eine bessere Reinigung der Abwässer in den Weiteres Augenmerk ziehen die Winterschlaf- In Bayern begannen Klärwerken vor Einleitung in das Seengebiet in plätze auf sich, die sich zusätzlich zu den Kormorane an be- jüngerer Zeit hat die Kapazität für Tafelente und Brutkolonien seit Anfang der achtziger Jahre sonders fischreichen, andere pflanzenfressende Wasservögel reduziert. entwickelten – am unteren Inn, an der Donau, künstlichen Gewässern Für Kormorane gibt es nach wie vor reichlich dem Röthelseeweiher bei Cham, an den Gerolz- in Schutzgebieten zu Nahrung. Mit einer mittleren Tiefe von nur 1,9 hofener Fischteichen oder an großen Baggerseen brüten. Metern ist dieser der Landschaft aufgesetzte in Unterfranken. Kunstsee in jeder Hinsicht ein ideales Brutge- biet für sie. Dem ersten Brutgebiet folgten fünf weitere: am Altmühlsee, an den Garstadter Seen Zuzug und Durchzug und an den Charlottenhofer Weihern, am Ammer- Im Winterhalbjahr halten sich in Bayern mehr see und am Chiemsee. Zusätzlich brüten auch im Kormorane auf als im Sommer. Es ist deshalb Nürnberger Tiergarten frei fliegende Kormorane. wichtig, in dieser Jahreszeit die Szene einzu- Die Mehrzahl der Brutkolonien in Bayern liegt an schätzen, aber es ist nicht einfach. Die Vögel vom Menschen gemachten Gewässern, Ausnah- konzentrieren sich zwar abends auf den unbe- men sind Ammersee und Chiemsee. Die Zahl von laubten Schlafbäumen, wo sie gut zu zählen Brutpaaren in den Kolonien zeigt ein bestimmtes sind, doch darin liegt die Schwierigkeit nicht:

24 Im Winterhalbjahr ist ein ständiges Kommen Zuzug Kormoran und Gehen; es gibt keinen mehr oder weniger konstanten Bestand, der sich mit den üblichen In den Brutgebieten Zählmethoden erfassen ließe. Wer die Zahl der markierte Vögel geben Kormorane im Winter ermittelt, der muss vor am Zug Hinweise auf allem sein Augenmerk auf die Schwankungen ihre Herkunft. der Zahl der jeweils anwesenden Vögel richten. Da sind zunächst die bayerischen Kormorane aus dem Sommer mit ihren Jungen sowie jene, die in den Zerstreuungswanderungen nach der Brut aus den Nachbargebieten dazugekommen sind. Mit der Zugunruhe im Herbst zieht ein Teil der Vögel aus Bayern in den Süden. Um diese Zeit kommen nun schubweise Kormorane aus den nördlichen Brutgebieten. Viele fliegen über Bayern hinweg, vielleicht mit einer kurzen Rast. Andere halten sich länger in Bayern auf, ziehen von einem Winterrast- platz zum nächsten, verlassen Bayern, wenn der Winter zu streng wird und viele Gewässer zufrieren. Andere Gäste aus dem Norden bleiben den ganzen Winter über in Bayern. Gegen Ende des Winters ziehen die Vögel in umgekehrter Richtung in ihre Brut- und Sommergebiete. Woher die Kormorane kommen, zeigen Ring- funde von in den Brutgebieten markierten Vögeln. Sie kommen aus den verschiedensten Brutgebieten im Norden, meist aus der Unterart Herkunft beringter Kormorane in Bayern: Nord- und Ostsee- sinensis, gelegentlich auch Phalacrocorax carbo küsten, Baltikum, Südschweden, Finnland. Beide Unterarten carbo, zum Beispiel von der Küste Norwegens. überwintern in Bayern

Ausschnitt Brutkolonie Chiemsee

25 Der Streit um den Kormoran führt in Bayern bis April gewährt besseren Einblick. Die Summe Die Übernachtung zu einer jährlichen Zählung der Vögel auf der an ihren Schlafplätzen jeweils gezählten Vö- auf bestimmten Schlaf- ihren Schlafbäumen im Winterhalbjahr, an gel steigt anfangs bis November steil an, sie fällt bäumen im Winter- acht Terminen zwischen September und April. im März und April wieder steil ab. Am meisten halbjahr erlaubt ein Durchgeführt wird diese aufwändige Aktion Vögel werden in den vier Monaten von Novem- gutes Monitoring der vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. ber bis Februar gezählt. Die Streuung der Werte Bestände – gute Orga- mit ehrenamtlichen Vogelinteressierten, darun- ist relativ groß; sie ist in den ersten drei Monaten nisation vorausgesetzt. ter auch Fischern. Den Auftrag dazu erteilt das des neuen Jahres am größten. Das ständige Zählungen zeigen bayerische Landesamt für Umwelt. Gezählt wird Kommen und Gehen erklärt einen guten Teil der ein Anschwellen und seit dem Jahr 1988 mit einer zweijährigen Variation. Auch die Winterstrenge: Wenn viele Abklingen im Winter- Unterbrechung 1990 und 1991. Gewässer zufrieren, bleiben weniger Kormorane halbjahr bei großen Um die Entwicklung über die Jahre darzustellen, in Bayern. Unterschieden von Jahr werden meist „winterliche Durchschnittsbestän- Ein Fazit des Monitorings von Kormoranen auf zu Jahr. de“ gezeigt. Durchschnittsbestände charakteri- ihren Schlafbäumen in Bayern ist: Zwischen sieren das winterliche Geschehen nicht gut, da Oktober und März werden an den einzelnen sie den typischen Jahresgang der Zählungen Zählterminen jeweils mehr als 4.000 Kormorane nicht erkennen lassen. Ein Blick auf die Einzel- gezählt; in den vier Kernmonaten des Winters ergebnisse in den Zählmonaten von September von November bis Februar mehr als 9.000 Vögel.

Bayern Winterhalbjahr

Anzahl 10.000

9.000

8.000

7.000

6.000

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000 Kormorane gezählt an acht Fixterminen im Winterhalb- jahr 1992-2006: Kommen 0 und Gehen bei großer Streuung von Jahr zu Jahr. Sep Okt Nov Dez Jan Feb März April (Quelle: Lanz 2006)

26 Schlafplätze Winter 1888/89 Schlafplätze Das Verteilungsmuster der winterlichen Schlaf- plätze zeigt über den fünfzehnjährigen Zeitraum der Zählung folgende Veränderungen: zuerst nahmen die Schlafplätze zu; sie verlagerten ihre Gewichte in Bayern und auch die Größe der Schlafplätze selbst veränderte sich. Ende der achtziger Jahre lagen die Rastplätze vor allem im Süden Bayerns, an Ammer- und Chiemsee, dem Ismaninger Speichersee sowie entlang der größeren Flüsse Donau, Isar, und Inn. Anzahl Kormorane Mit einer Zunahme der Vögel im Winter gab es auch deutlich mehr Schlafplätze und eine 1-49 Ausweitung des Überwinterungsgebietes: am 50-99 100-199 Main entlang gab es nun zahlreiche Schlafplätze. 200-399 Bei eher gleich bleibenden Kormoranzahlen in den letzten Jahren ging der Trend zu kleineren Schlafplätze Winter 1995/96 und dadurch zu einer größeren Anzahl von Schlafplätzen. Man hat im Abschuss von Kormoranen den Grund für die Verteilung auf viele kleine und weiter verbreitete Schlafplätze vermutet. Das ist jedoch unwahrscheinlich, denn der gleiche Trend zeigt sich auch in störungsfreien Gebieten, z.B. im Nationalpark Donauauen östlich von Wien. Heute finden sich Schlafplätze an fast allen größeren Fließgewässern und Seen weit im Land verteilt. Dieses Muster entspricht der optimalen Anzahl Kormorane Nutzung von Fischen in einem weiträumigen Gewässersystem durch viele Kormorane. Es zeigt 1-49 wieder die Plastizität in der Anpassung dieses 50-99 Vogels an einen reich strukturierten Lebensraum. 100-199 200-399 400-799 Schlafplätze Winter 2005/06

Anzahl Kormorane

1-49 50-99 Anzahl und Größe der 100-199 200-399 Schlafplätze ändern sich 400-799 über die Jahre. Auch

Mittlere Anzahl von Kormoranen an Schlafplätzen in 3 dies zeigt die große verschiedenen Jahren: Ausbreitung über das ganze Land Flexibilität der Art.

27 Lebensraum der Fische

Die wasserreichsten Flüsse in Bayern

Donau 1490 m³/s (Passau, nach der Innmündung)

Inn 740 m³/s (Passau)

Salzach 250 m³/s (Burghausen)

Lech 190 m³/s ()

Isar 175 m³/s (Plattling)

Main 164 m³/s (Kleinheubach)

Vils 77 m³/s (Vils)

Iller 75 m³/s (Senden)

Alz 52 m³/s (Seebrück, vor Alzkanalausleitung)

Regnitz 51 m³/s (Bamberg)

Naab 50 m³/s (Heitzenhofen)

Amper 45 m³/s (Inkhofen)

Regen 40 m³/s (Regensburg)

Saalach 39 m³/s (Siezenheim)

Loisach 37 m³/s (Wolfratshausen)

Tiroler Achen 35 m³/s (Staudach)

Wertach 32 m³/s (Augsburg)

Altmühl 25 m³/s (Kehlheim)

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 Das meiste Wasser kommt aus den Alpen, es fließt in die Donau

Vom Wasser angezogen: Spiele in der kalten Ammer

Das Kormorangeschehen in Bayern wird nur und Elbesystem. Im Schwarzwald entspringt Aus den Alpen und verständlich, wenn man die Gewässer und die die Donau und fließt quer durch Bayern. Die Mittelgebirgen fließen Lebensraumansprüche der Fische darin kennt. wasserreichsten Flüsse münden fast alle in die kühle Gewässer. Bayern ist reich an Gewässern. Das Wasser der Donau, die nach der Einmündung des Inns in bayerischen Flüsse endet entweder mit der Donau Passau auf das Doppelte anschwillt. Der Main im Schwarzen Meer oder mit dem Rhein in der steht nach der Abflussmenge an vierter Stelle. Nordsee. Ein wenig fließt über die Elbe direkt Die aus den Alpen kommenden großen Flüsse in die Nordsee. Quer durch Bayern verläuft die prägen die Fließgewässerlandschaft im Süden Wasserscheide. Auch die Fische spiegeln die Bayerns. Größere Flüsse kommen noch aus den Trennung wider: der Huchen ist ein Fisch des Mittelgebirgen im Osten Bayerns. Donaugebietes, Lachs und Aal leben im Rhein-

28 Flüsse und Fischregionen Die Fische im Fluss spiegeln die Lebensbedingun- vorkommenden Fischarten werden Flussregionen gen jedes entsprechenden Gewässerabschnittes identifiziert, die nach bestimmten Leitarten unter wider, zumindest dort, wo nicht andere von den Fischen benannt sind. Leitarten finden im Menschenhand besetzt werden. Dass es im jeweiligen Gewässerabschnitt optimale Lebens- Oberlauf andere Fische gibt als im Unterlauf, ist bedingungen. eine alte Erfahrung. Entsprechend den jeweils

Fischregionen

Forellen-Region Äschen-Region Barben-Region Brachsen-Region

Flusslauf

Gefälle

Sediment

Geröll und Kies Kies Kies und Sand Sand und Schluff

Wasser- ~ 10° ~ 15° ~ 20° ~ 24° temperatur

Leitfischart

Bachforelle Äsche Barbe Brachse

Weitere Fischarten Elritze Laube Koppe Nase Rotauge Moderlieschen Huchen Schmerle Aitel Schneider Kaulbarsch Hecht Streber Schlamm- peitzger Frauennerfling Lachs Barsch Giebel

Gründling Hasel Karausche Schied

Nerfling Güster Bitterling Rotfeder

Karpfen Schleie

Zander

Aal

Waller

Vom Oberlauf bis in das Tiefland: Leitfischarten zeigen die Lebensmöglichkeiten im Gewässerabschnitt. Vielfalt nimmt flussabwärts zu

29 FischregionenStand: Dezember 1986 Bayerns Zeichenerklärung Stand 1986 Landeshauptstadt Regierungsbezirkssitz Kreisfreie Stadt bzw. Sitz der Kreisverwaltungsbehörde

Fischregionen der Fließgewässer Forellenregion Äschenregion Barbenregion Brachsenregion Fischereilicher Verödungsabschnitt

Stand: Dezember 1986 Zeichenerklärung Landeshauptstadt Regierungsbezirkssitz Kreisfreie Stadt bzw. Sitz der Kreisverwaltungsbehörde

Fischregionen der Fließgewässer Forellenregion Äschenregion Barbenregion Brachsenregion Fischereilicher Verödungsabschnitt

Fischregionen der Fließgewässer Bayerns, Stand 1986: Äschen- und Barbenregion dominiert, Brachsenregion nur an Main und Donau. Heute sind die natürlichen Fischregionen durch Stauhaltungen stark verändert (Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Fischerei, Starnberg)

In der Forellenregion, in den obersten Kilometern Strömung schwimmen, bevorzugt aber ruhigeres Der Main spiegelt die nach dem Ursprung, ist das Wasser kalt, klar und Wasser als die Äsche. Ihr nach unten weisendes höhere Wassertempe- sauerstoffreich, es fließt schnell und unruhig über Maul und die vier dicken Bartfäden weisen sie ratur im niederschlags- viele Steine. Hier fühlt sich die Bachforelle wohl als typischen Grundfisch aus, angepasst an die armen Franken wider. und sicher, sie ist auf viele Verstecke angewiesen. Nahrungssuche im trüben Wasser. Der Süden ist reich an Salmonidengewässern. In der Äschenregion ist der Fluss breiter, das In der Brachsenregion mäandriert der Fluss meist Freiwasser oft tiefer, das Wasser ist nicht mehr in großen Schleifen, die er durchsticht, wobei so kalt. Hier findet die Äsche optimalen Lebens- Altarme in der Flussniederung zurückbleiben. raum; sie sucht keine Verstecke, sondern steht Das Wasser ist trüb, im Sommer über 20 Grad gerne in Schwärmen in der Flussmitte in ruhigen warm. Mit ihrem hohen Körperbau ist die Zügen und mitteltiefen Rieseln. Im Winter sam- Brachse an ruhig fließendes Wasser angepasst. meln sich die Äschen gerne in offenen Kolken. Sie frisst Zuckmückenlarven oder Rohrwürmer im Die Äschenregion kann sich bis zu 100 Kilometer Schlamm. In der Laichzeit kleben die Weibchen den Fluss hinunter erstrecken. Eier an Wasserpflanzen, Wurzeln oder Totholz. Die Barbenregion folgt dort, wo der Fluss ruhiger, Mit den Leitarten sind in jeder Flussregion andere der Untergrund sandiger und das Wasser wärmer Fischarten assoziiert, die ähnliche Ansprüche wird. Hier bildet der Fluss oft Schleifen, am Ufer haben. Die Artenzahl ist in der Forellenregion wächst Schilf, in Ufernähe Wasserpflanzen. Die noch gering: Mühlkoppe und Elritze sind oft Leitart Barbe kann zwar noch in stärkerer die einzigen anderen Arten. Die Artenzahl steigt

30 Karolinenwehr in Landsberg am Lech: erste Erwähnung im 14. Jahrhundert. Heute mit einem 200 m Tümpel- pass als Fischaufstiegshilfe ausgestattet

Lech-Staustufe 13 bei Dorns- tetten: „vom Wildfluss zur Kette von Stauseen“ in der Brachsenregion der Donau auf 60 Arten Bäche sind verbaut. Unveränderte Gewässer Ob ästhetisch anspre- und in jener am Main auf 48 Arten. Die Tren- von nennenswerter Länge gibt es so gut wie chend oder brachial: nung der assoziierten Arten ist keinesfalls streng, nicht mehr. Die Gewässer sind heute einförmig Querverbauungen es gibt große Überlappungen bei einzelnen Ar- und in ihrem Abflussregime massiv beeinflusst. unterbrechen die Durch- ten. Von Natur aus sind in den größeren bayeri- Durch die Einförmigkeit hat der Kormoran der- lässigkeit für Fische. schen Flüssen die Äschen- und die Barbenregion zeit vergleichsweise ein leichtes Spiel: die Fisch- am längsten. Eine große Brachsenregion gibt es bestände in den Gewässern sind auch durch die in der wärmsten und niederschlagärmsten Region heutige Gewässerstruktur einem großen Fraß- Bayerns, am Main. druck ausgesetzt.

Eingezwängt und querverbaut Beispiel Lech Mit der Naturnähe der Fließgewässer ist es Durch das große Gefälle sind die Flüsse Bayerns in Bayern heute nicht weit her. Sie sind ein- zur Gewinnung von Wasserkraft besonders at- gezwängt durch Längsbauwerke und in ihrer traktiv. Der gesamte bayerische Lech ist zu einer Durchgängigkeit durch Querbauten unter- Kette von mehr als 20 Stauseen geworden, die brochen. Auch das Wasser selbst entkam den nur gelegentlich durch Fließstrecken verbunden Allmachtsansprüchen des Menschen nicht. Für sind. Der Charakter dieses einstigen Wildflusses die Schifffahrt musste an den größeren Flüssen ist von Grund auf verändert. Zwischen Landsberg eine verlässliche Fahrrinne gesichert werden. Die und Augsburg entsprach das Gewässer einer Nutzung der Fließenergie des Wassers ging bald klassischen Äschenregion. Durch die Stillwasser- über kleine Ausleitungen an Mühlrädern und zonen sind heute völlig neue Lebensräume ent- Sägewerken hinaus. Mit der Umwandlung der standen, die sich nicht in das übliche Schema der im Wasser gespeicherten Energie in Elektrizität Fischregionen einordnen lassen. Salmoniden und kamen die Stauhaltungen. Keiner der Flüsse ist andere Kieslaicher sind von diesen Veränderungen einer Zähmung entgangen, auch die meisten am stärksten betroffen.

31 Abfluss Iller 2006

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Naturnahes Abflussregime bei Kempten: bei Hochwasser steiler Anstieg mit langsamerem Rückgang

Abfluss Lech 2006 Abfluss [m³/s]

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Abfluss bei Lechbruck: „durch Schwellbetrieb ein Wechselbad“; Quelle: Hochwassernachrichtsdienst des Landesamtes für Umwelt Störung ist nicht gleich Durch Schwellbetrieb wird die Stromerzeugung Wassers. Im Schwellbetrieb kommen die Abfluss- Störung. An Hochwasser nach Bedarf und Strompreis optimiert. Schwell- änderungen in rascher Folge aufeinander. Das ist die Lebensgemein- betrieb erzeugt ein ziemlich naturfernes Abfluss- ständige Wechselbad trifft die Lebensgemein- schaft im Fluss gut an- regime. Bei natürlichem Hochwasser kommt es schaft im Fluss hart, besonders die Äsche, die gepasst. Schwellbetrieb zu einem raschen Aufbau von Spitzenwerten und dann dem Kormoran ausgesetzt ist, wenn sie hingegen ist schwer zu einem langsameren Rückgang des abfließenden sich bei häufigem Niedrigwasser in die schmale verkraftender Stress.

32 Flussrinne zurückziehen muss. Es schmälert auch dass sie nicht verwertet werden konnten. Grö- Fischleitern und Tüm- die Laichgründe und reduziert das Überleben der ßere Barben kamen scharenweise bis Augsburg, pelpässe verbessern die Brut. Das Ausmaß der Folgen von Flussverbau- sie stauten in kleineren Bächen beim Laichen Durchgängigkeit fluss- ungen für die Fischfauna können wir aus alten das Wasser. Auch die Äsche war ein wichtiger aufwärts; stromabwärts Aufzeichnungen erahnen. Im Raum Augsburg Wirtschaftsfisch. Über den Huchen hieß es: „Er sind sie für Fische nicht wurden vor der Verbauung von Lech und Donau kommt gemeiniglich aus der Donau in den Lech wirksam. enorme Fischmengen gefangen. Das lag vor allem und wird 20 bis 40 Pfund schwer…..Sein Fleisch an den Laichzügen der Donaufische, die den ist sehr beliebt.“ Gefischt wurde mit Netzen, der Lech hochstiegen und in den Seitengewässern Angel und mit dem Dreizack – letzterer war für ablaichten. Nasen brachten oft so reiche Erträge, laichende Huchen beliebt.

Ökologische Funktionsfähigkeit von Fließgewässern

Im Ökosystem Fluss laufen ganz bestimmte eines intakten Gewässers verglichen: Wasserchemie Prozesse ab, charakteristisch für jeden Gewässer- sowie Abflussdynamik und Gewässerausgestaltung typ. Diese Prozesse gewährleisten das nachhaltige (Hydromorphologie) sind dabei wichtige Rahmen- Funktionieren des Systems in seinen in Jahrtau- bedingungen, in denen sich das Leben in Fluss und senden eingespielten Bahnen. Zu den Prozessen Bach abspielt. Der Zustand des Lebens im Fluss gehört auch die Abflussdynamik, die stets neue selbst wird durch folgende vier Komponenten Prallhänge oder frische Kieslaichplätze entstehen bewertet: lässt. Stimmen die Prozesse, dann ist das Gewässer · Wirbellose Kleintiere im Gewässergrund intakt im Sinne der Koevulution der Landschaft und (Makrozoobenthos) ihrer Bewohner, man spricht auch von der Gesund- heit des Ökosystems. · Festsitzende Pflanzen und Algen (Makrophythen und Phythobenthos) Verschiedene Einwirkungen können jedoch die ökologische Funktionsfähigkeit beeinträchtigen, · Freischwebende Algen (Phythoplankton) wie die Einleitung giftiger Substanzen oder allzu · Fische: Arten, Häufigkeit und Altersverteilung nährstoffreicher Abwässer. Ein Beispiel: in den klaren Mittelgebirgsbächen bildete die Süßwasser- Diese Tier- und Pflanzengruppen sind hervorragende muschel einst große Muschelbänke mit Tausenden Indikatoren für die Gesundheit des Ökosystems: von Tieren. Heute funktioniert ihre Reproduktion Wie ist die Einwirkung des Kormorans zu sehen? nicht, weil durch Erosion aus dem Agrarumland die Kann er die ökologische Funktion beeinträchtigen Kiesbänke verschlammen, in denen die Muschel- – ist er nicht selbst Teil des Systems? Bei diesem larven sich verstecken. Jungmuscheln müssen von Vogel ist es wie beim dämmebauenden Menschen klarem, sauerstoffreichem Wasser umspült werden, auch: In der Abgrenzung des Systems betrachten wenn sie sich längere Zeit im Kies aufhalten. Die Ökologen zum besseren Verständnis beide als Funktionsfähigkeit des Gewässers ist in dieser „von außen einwirkend“ und nicht als Bestandteil Hinsicht gestört. des Systems selbst. Zu den schwerwiegendsten Beeinträchtigungen Kormorane sind eben nicht durch Rückkoppelungen der ökologischen Funktion gehört die Gewässer- in das Gewässersystem gut eingebunden, ihre verbauung: Längsverbauungen, die eine Fluss- Häufigkeit wird fernab durch andere Umstände dynamik in die Breite ausschalten und Querver- bestimmt. Kormorane unterscheiden sich somit bauungen, die den Transport von Geschiebe und vom räuberischen Hecht im Gewässer. die Wanderung von Fischen behindern. Verbau- Systemtheoretisch gesehen kann deshalb der ungen führen zum Verlust von Laichplätzen und Einfluss des Kormorans als Störung der Funktions- Jungfischhabitaten. Fischer versuchen diese fähigkeit des Gewässers gesehen werden – wenn Störung der ökologischen Funktionsfähigkeit durch ihn in kurzer Zeit ein hoher Prozentsatz durch Fischbesatz zu kompensieren. der Fischbiomasse gefressen wird und in den Um die Gesundheit eines Gewässers zu bewerten Jahren danach der Fischbestand auf geringem wird heute nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie Niveau bleibt. ein Satz von Indikatoren erhoben und mit jenen

33 Querverbau , Kirnach, An der Ammer mit ihren Nebengewässern Geltnach, Lobach existieren 723 Querbauwerke. Eine Kartierung in Schwaben hat an 56 Fließgewässern 1.211

Lech Querbauwerke festgestellt – nur 5% sind mit Augsburg 5 10 15 20 km Fischaufstiegshilfen ausgestattet.

Maßtab: 1:250.000

Singold Wertach Renaturierung – zurück zur Natur? Durchgängigkeit durchgängig Jahrzehntelang waren die natürliche Funktion eingeschränkt durchgängig der Fließgewässer und der Schutz ihrer Lebens- mangelhaft durchgängig Großaitingen nicht durchgängig gemeinschaften kein Thema. Im Vordergrund Schwabmünchen stand stets die wirtschaftliche Nutzung. Heute bemüht man sich um Reparatur des angerich- teten Schadens. Für Fischtreppen und Tümpelpässe zur Verbesse- Wertach Singold rung der Durchlässigkeit, für die Renaturierung Buchloe von Gewässerabschnitten oder eine umwelt-

Gennach freundlichere Renovierung von Anlagen gibt es erfreuliche Beispiele. Einen großen Impuls zur Verbesserung der Gewässer bringt die EU mit der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Jetzt gibt Neugablonz Gennach es einen Ordnungsrahmen zur Verbesserung der Gewässerökosysteme. Die WRRL orientiert sich Kaufbeuren am natürlichen Gewässerzustand, so wie er sich Biessenhofen einstellen würde nach Aufgabe aller Nutzungen Kirnach und nach Beseitigung aller Verbauungen – irreführend wird dieser Gewässerzustand als

Markt- Leitbild bezeichnet. oberdorf Geltnach Dieses Leitbild ist nämlich kein konkretes Sanie-

Lobach rungsziel. Als realistisches Sanierungsziel wird Wertach vielmehr vor dem Hintergrund des Leitbildes ein „Entwicklungsziel“ festgelegt. Grüntensee Es orientiert sich an unserem Leben am Gewäs- ser, deren Nutzung und am Kosten/Nutzen- Verhältnis von Maßnahmen. In Bayern laufen mehrere Pilotprojekte wie an Main oder Iller/ Wertach mit Nebengewässern querverbaut: eine Barriere Lech. Nach der WRRL sollen alle Gewässer bis folgt der anderen 2015 in „gutem Zustand“ sein. Es gibt eine Einschränkung: für bereits stark veränderte Gewässer (Heavily modified Die Längsvernetzung der Gewässer hat mit den Waterbodies) gilt das so nicht. In Bayern müssen Querverbauungen vorerst ein Ende gefunden. voraussichtlich 40% der Fließgewässerstrecken In Bayern erzeugen heute 5.400 Kraftwerke in dieser Kategorie eingestuft werden. Bei allem Strom an den Gewässern. Die größten Betreiber guten Willen in der Verbesserung der Gewässer sind EON mit 133 Anlagen und die Bayerischen sind einer Renaturierung heute enge Grenzen Elektrizitätswerke mit 34 Kraftwerken. Pläne gesetzt. zum weiteren Ausbau der Wasserkraft bestehen nicht nur bei den großen Betreibern an Donau, Main, Iller oder Isar, es liegen auch viele Anträge Bayerns Seen der kleineren Betreiber den Landratsämtern vor. Gletscher schürften vor 10.000 Jahren die Das Ausmaß der Querverbauungen ist exem- Becken von Chiemsee, Starnberger See und plarisch an der Wertach und ihren Nebenflüssen Ammersee – über 200 natürliche Seen gibt es in Geltnach und Lobach zu sehen. Hier sind die Bayern. Im nicht so niederschlagsreichen Norden Bauwerke kartiert und nach ihrer Durchgängig- Bayerns, in Franken, wird Wasser aus dem keit untersucht: die meisten sind nicht oder nur Donaugebiet über die Wasserscheide in das mangelhaft durchgängig. Einzugsgebiet des Rheins geleitet. Wasser der

34 An der Ammer mit ihren Nebengewässern existieren 723 Querbauwerke. Eine Kartierung in Schwaben hat an 56 Fließgewässern 1.211 Querbauwerke festgestellt – nur 5% sind mit Fischaufstiegshilfen ausgestattet.

Renaturierung – zurück zur Natur? Jahrzehntelang waren die natürliche Funktion der Fließgewässer und der Schutz ihrer Lebens- gemeinschaften kein Thema. Im Vordergrund stand stets die wirtschaftliche Nutzung. Heute bemüht man sich um Reparatur des angerich- teten Schadens. Renaturierung der Isar bei Icking: Der Fluss sucht sich Für Fischtreppen und Tümpelpässe zur Verbesse- wieder selbst den Lauf, das rung der Durchlässigkeit, für die Renaturierung Wehr ist wieder durchgängig. von Gewässerabschnitten oder eine umwelt- Der rote Kreis zeigt einem Strommast vorher und heute freundlichere Renovierung von Anlagen gibt es erfreuliche Beispiele. Einen großen Impuls zur Verbesserung der Gewässer bringt die EU mit der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Jetzt gibt es einen Ordnungsrahmen zur Verbesserung der Gewässerökosysteme. Die WRRL orientiert sich am natürlichen Gewässerzustand, so wie er sich einstellen würde nach Aufgabe aller Nutzungen und nach Beseitigung aller Verbauungen – irreführend wird dieser Gewässerzustand als Leitbild bezeichnet. Dieses Leitbild ist nämlich kein konkretes Sanie- rungsziel. Als realistisches Sanierungsziel wird vielmehr vor dem Hintergrund des Leitbildes ein „Entwicklungsziel“ festgelegt. Es orientiert sich an unserem Leben am Gewäs- Heimat einer Kormoranko- ser, deren Nutzung und am Kosten/Nutzen- lonie: der Altmühlsee im Verhältnis von Maßnahmen. In Bayern laufen fränkischen Seenland mehrere Pilotprojekte wie an Main oder Iller/ Lech. Nach der WRRL sollen alle Gewässer bis Donau wird den Rhein-Main-Donau-Kanal Chiemsee wurde schon vor hundert Jahren um Günstige Grundbesitz- 2015 in „gutem Zustand“ sein. hochgepumpt und im Rothsee zwischengelagert. einen Meter abgesenkt, um Land zu gewinnen. verhältnisse wie Staats- Zum anderen wird Hochwasser der Altmühl im Erholungssuchende und Wassersportler tummeln eigentum erleichtern Es gibt eine Einschränkung: für bereits stark Altmühlsee aufgefangen und per Tunnel unter sich an den attraktiven Stillgewässern. Den- Renaturierungen. veränderte Gewässer (Heavily modified der Wasserscheide in den Brombachspeichersee noch ist die ökologische Funktionsfähigkeit der Waterbodies) gilt das so nicht. In Bayern müssen geleitet. Seen nicht so beeinträchtigt wie jene der Flüsse. voraussichtlich 40% der Fließgewässerstrecken Verbessert hat sich an allen Gewässern in den in dieser Kategorie eingestuft werden. Bei allem Von hier kann es bei Bedarf in den Main abge- letzten Jahren die Wassergüte, dank Kläranlagen guten Willen in der Verbesserung der Gewässer geben werden. Den wasserreichen Süden anzu- und Ringkanalisationen. sind einer Renaturierung heute enge Grenzen zapfen hat sich gelohnt: heute ist die Schifffahrt gesetzt. im Main gesichert, die Wirtschaft in der Region Nach Ansicht von Fachleuten ergibt sich eine erhielt einen deutlichen Impuls und die Menschen für viele überraschende Bilanz: heute sind die freuen sich über Naherholungsgebiete. Im offenen Wasserflächen in Bayern größer als in Bayerns Seen Rahmen dieses größten deutschen Wasserbau- der Naturlandschaft von einst – durch Talsperren Gletscher schürften vor 10.000 Jahren die projektes entstand das fränkische Seenland, ein und Speicherseen, die Staustufen an den Flüssen, Becken von Chiemsee, Starnberger See und Satz von Kunstseen. Das große Naturschutz- durch Kiesweiher und Fischteiche. Kormorane Ammersee – über 200 natürliche Seen gibt es in gebiet am Altmühlsee, den Lebensraum aus fanden das gut, sie begannen in Bayern zu Bayern. Im nicht so niederschlagsreichen Norden zweiter Hand, wissen nicht nur Kormorane zu brüten. Der Nachteil ist, dass die Fische bei der Bayerns, in Franken, wird Wasser aus dem schätzen. heutigen Struktur und Dynamik der Gewässer Donaugebiet über die Wasserscheide in das Im Vergleich zu den Flüssen sind die Seen besser dem Fraßdruck dieses Fischfressers weit mehr Einzugsgebiet des Rheins geleitet. Wasser der dran. Zwar sind auch Seeufer verbaut, der als früher ausgesetzt sind.

35 Berufs- und Angelfischerei

Die EU-Vogelschutzrichtlinie zieht in der Schadens- angebracht. Die Preise für Fischereirechte und Die Angelfischerei abwehr bei Kormoranen die Fischereiwirtschaft Pachten haben längst Liebhaberniveau erreicht. hat sich von der Fischnutzung zu einer heran. Deshalb ist hier die Fischerei in Bayern Heute zeigt die Angelfischerei eine den Gewässern komplexeren Aufgabe skizziert. Heute haben in Bayern rund eine Viertel und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gewandelt. Heute spielt Million Menschen einen Fischereischein, Tendenz entsprechende Vielfalt. „Die Isarfischer e.V.“ Gewässerschutz eine steigend. Bayern steht damit an zweiter Stelle in bieten ihren 1.100 Mitgliedern Fischgelegenheit große Rolle. Deutschland, nach dem bevölkerungsreichsten im Ballungsraum München – sie betreiben auch Bundesland Nordrhein-Westfalen. Wie in anderen eine eigene Fischzucht. Einige Fischereivereine Ländern Europas findet der nicht erwerbsmäßige blicken auf eine lange Geschichte zurück, wie Fischfang wachsenden Zuspruch. Die freizeit- der im Jahre 1825 gegründete „Fischereiverein orientierte Angelfischerei hat den erwerbsmäßigen Kempten e.V.“. Seine Chronik zeigt, wie sich die Fischfang bei weitem überflügelt. Gewichte über die Zeiten verschoben haben. Waren noch bis in die 50er Jahre des vorigen Angelfischerei Jahrhunderts der Erwerb und die Bewirtschaf- tung der Gewässer zum Wohle des Vereins im Nach dem Fischereigesetz für Bayern ist das Vordergrund, rückte später der Kampf gegen Fischereirecht ein Eigentumsrecht, das sowohl die Gewässerverschmutzung ins Zentrum der das Recht zum Fischfang beinhaltet als auch die Bemühungen. Pflicht zur Hege: die Erhaltung und Förderung eines dem Gewässer angepassten, artenreichen und gesunden Fischbestandes und die Sicherung Fischbesatz standortgerechter Lebensgemeinschaften. Der Fischbesatz von Gewässern ist im Zusam- Die Angelfischerei hat sich vom Ziel hoher Erträge menhang mit der Hegepflicht im Fischereigesetz längst gelöst; weit mehr als der Gesamtertrag verankert: Der Fischereiberechtigte ist verpflich- zählen heute Natur- und Fangerlebnis sowie tet, soweit erforderlich einen Besatz mit Fischen Fangchancen. Außergewöhnliche Einzelfänge aus gesunden Beständen vorzunehmen. Grund- sind attraktiver als der Fang vieler kleiner Fische. lage und Begrenzung des Fischbesatzes ist das Das ideale Gewässer des Anglers ist idyllisch gesetzliche Hegeziel. gelegen, hat einen guten Fischbestand mit einem hohen Anteil großer Exemplare auch von Raub- fischen. Mit zunehmendem Fischbestand im Gewässer wird auch das Angeln attraktiver. Angelfischerei ist daher weit mehr bestands- als ertragsorientiert. Die potentielle Ertragsfähigkeit eines intakten Gewässers wird daher durch die Angelfischerei nur zu einem Teil genutzt. Kormorane reduzieren in vielen Gewässern den Fischbestand auf einen Bruchteil, nicht selten über lange Zeiträume. Den wirtschaftlichen Gesamtnutzen des Angelns für die Gesellschaft beziffert eine Studie für Deutschland mit ¤ 6,4 Milliarden; 52.000 Menschen erhalten dadurch auf direkte oder indirekte Weise Arbeit. Die Angelfischerei ist demnach eine beachtliche ökonomische Größe, wenngleich der Angler selbst in seinem Tun nicht primär ökonomisch motiviert ist. Die Befischung In besten Händen: Jugend- der Gewässer mit der Angel ist höchst selten wart Christian Geiger unterweist Nachwuchsfischer „wirtschaftlich“. Ginge es nur um den Fisch in David Klingberg an der der Pfanne, wäre ein Gang in den Fischladen Ammer

36 Ursprünge des Angelns Im Mittelalter war Angeln vor allem ein Vergnügen des Landadels, der Landesherr gestattete es ihm zusammen mit der Niederen Jagd. Anders als die Berufsfischerei mit Zugnetzen war es keine schwere Arbeit, denn diese war unter Adeligen verpönt. Vielmehr erforderte es Geschicklichkeit, einen Fisch mit der Angel zu überlisten. Später angelten auch wohlhabende Bürger. Engländer brachten im Laufe des 19. Jahrhunderts kunst- vollere Angeltechniken auf das europäische Festland; zusammen mit dem ganz eigenen Kodex des Anglers. Man angelte nicht nach Rekorden und schon gar nicht nach der Masse der Beute, vielmehr galt nach Vollendung strebendes Tun als „sportlich“. Bei Engländern begehrt waren die Salmonidengewässer, denn hier entfaltete sich das Fischen mit der selbstgefertigten „Trockenfliege“ zur Königsdisziplin: mit gekonntem Wurf wurde die Fliege auf das Wasser gesetzt. Der „Kochtopfangler“ war verpönt.

Früher galt der Leitspruch: „Wer ernten will, duktion macht Fischbesatz Sinn und entspricht muss säen“. Fischbesatz gab es auch in intakten, dem Gesetz. Bei übermäßigem Kormoranfraß ökologisch funktionsfähigen Gewässern mit treten die Probleme von knappen Laichgebieten ausreichend natürlicher Reproduktion. Dass es und gestörter Reproduktion insofern in den dafür keinen Grund gibt und Besatz dort kontra- Hintergrund, als schon der größte Anteil von produktiv ist, hat man inzwischen erkannt. Fischen in kleinem Zustand gefressen wird. Doch mit der ökologischen Funktionsfähigkeit Fische erreichen oft nicht das laichreife Stadium. der Gewässer ist es heute nicht weit her. Fische Da hilft oft kein Besatz mit Jungfischen. In solchen benötigen in den verschiedenen Lebensstadien Zwangslagen sind Fischereiberechtigte dazu und Situationen besondere Lebensraumaus- übergegangen, das Gewässer auch mit laich- schnitte: Laichplätze, Jungfischhabitate, reifen Fischen zu besetzen, die dem Spektrum Nahrungsräume, Wintereinstände und in Fließ- des Kormorans schon eher entwachsen sind. gewässern auch Hochwassereinstände. Durch die Besatzmaßnahmen erfordern in allen Fällen eine Verbauung der Gewässer mangelt es vor allem fachgerechte Bewertung der Gewässer. Sie sind an in Verbindung stehenden Laichplätzen und in erster Linie als Stützmaßnahmen zu sehen Jungfischhabitaten – die Gewässer zeigen eine und dürfen nicht von Fangerwartungen geleitet gestörte Reproduktion. In der Summe führen werden. Dort, wo überholten Gepflogenheiten die Störungen der Funktionsfähigkeit dazu, dass gefolgt wird oder Wunschdenken das Handeln in Bayern heute 90 % der Fischarten in Fließ- leitet, mündet es in ziellosen Besatz. Hier ist noch gewässern und alle Kieslaicher auf der Roten Raum für Verbesserungen. Der Landesfischerei- Liste stehen. In Gewässern mit gestörter Repro- verband erarbeitet Leitlinien zum Fischbesatz.

Sabine Klostermeier und Fischwirt Ralf Seliger auf Laichfischfang am Premer Mühlbach

37 in Thenn. Dann keine neuen Gewässer Fischerinnen und konnte der Saubach im Einflugbereich. Der Fischer im Verein, angepachtet werden, Gudbrodweiher, das zwei Jugendwarte und ein hervorragendes schönste Fischwasser, 23 Jugendliche. Der Bachforellengewässer wurde zur Hälfte ver- Zulauf hält an erklärt mitten durch Eitting. füllt, er ist nicht mehr der Vorsitzende. Die Gemeinde überließ salmonidentauglich. Zu allem Nutzungs- dem Verein einen Mit zwei Gewässer- druck auf die Gewässer Badeweiher. warten und einem kam noch der Kormo- Dann kam der Gut- Gewässerschutzbeauf- ran: am 20. Dezember Fischerfreunde Eitting e.V. tragten engagiert sich Georg Maier, 1. Vorsitzender brodweiher hinzu, der 1991 bannten die Nasenbach sowie der der Verein in einem Fischerfreunde einen Semptflutkanal von Gebiet rasanter Verän- der großen Kormoran- 300 schwarze Vögel in derungen. der Luft den Bayernwerken. einflüge auf Video. Heute verfügen die Der Einsatz der Fischer Georg Maier: „Da Eitting liegt im Umfeld Fischerfreunde über und ihr aktives Vereins- waren an die 300 des Münchner Flug- 10 ha Baggerseen leben wird geschätzt: schwarze Vögel in hafens.Vor 25 Jahren neben den Fließ- eine Gönnerin über- der Luft“. entstand der Verein aus gewässern. ließ ihnen eine Hütte einem Fischerstamm- als Vereinslokal. „Wir tisch. Anfangs gab es Mit dem Flughafen haben heute 184 einen Fischweiher kamen hohe Auflagen:

Berufsfischer einst und heute Im Mittelalter und bis in das 19. Jahrhundert hi- haben bis in die heutige Zeit überdauert. nein lebten Berufsfischer mit Netzen und Reusen Wesentlich später entstand die Forellenteich- an allen größeren Flüssen und Strömen und oft wirtschaft. Auch sie war marktgetrieben, denn auch an den kleineren. In den größeren Städten für diesen Edelfisch waren die Preise besonders an Main und Donau deckten gleich mehrere hoch – und sie stiegen ins Unbezahlbare mit Fischer den Bedarf mit Frischfisch. Ortsnamen zunehmender Entfernung zum Forellengewässer. wie Fischerdorf (in Deggendorf) und Fischerdörfl Doch für diesen Kieslaicher musste zunächst das (bei Kelheim) weisen darauf hin. Problem der künstlichen Aufzucht gelöst werden. In den unverbauten Gewässern wurden Fische Karpfen erledigen die Reproduktion in den reichlich angelandet, im Wesentlichen nachhaltig, Teichlandschaften selbst ohne große Schwierig- denn die Fischfauna war robust – die Laichgründe keiten. Was heute bei Salmoniden Routine ist, intakt. Nur für manche Wanderfische wie Lachs war anfangs ein Durchbruch: das Abstreifen von und Stör gab es schon früh Zeichen der Über- Laichfischen und die Befruchtung der Eier. fischung und damit Grund für erste Schutzbe- Die meisten am Markt angebotenen Fische stimmungen: bestimmte Maschenweiten oder stammen heute nicht mehr aus natürlichen das Verbot, untermaßige Fische feilzubieten. Gewässern, sie kommen aus der Aquakultur. Mit der Verbauung der Flüsse ist die berufliche Darunter versteht man die Aufzucht von Karpfen Fischerei bis auf Reste an Main und Donau ver- und Forellen, heute auch vielen anderen Arten schwunden. Besser gehalten hat sich die Berufs- wie Zander oder Wels in speziell konstruierten fischerei an Bayerns großen Seen. Anlagen. In den Karpfenteichen fressen die Fische auch In den Regionen der natürliche Nahrung, Insektenlarven, Schnecken, großen Voralpenseen Vom Karpfenteich zur Aquakultur Wasserpflanzen und Algen. Karpfenteiche sind bieten Berufsfischer Die große Nachfrage nach Frischfisch und der noch vergleichsweise naturnah. In Forellenteichen frischen Fisch. gute Preis führten im ausgehenden Mittelalter ist das schon anders. Das ständig zufließende zur Anlage von vielen Teichen, anfänglich nur Wasser dient der Hälterung und dem Abtrans- Karpfenteichen. Ganze Teichlandschaften errich- port von Ausscheidungen – Futter kommt voll- teten die weltlichen und geistlichen Herren in ständig aus Menschenhand. Man spricht deshalb jenen Gebieten, in denen es schwierig war, Fluss- von „Durchlaufanlagen“. Technisch am weites- oder Seefische zu erhalten: in der Oberpfalz, in ten entwickelt sind heute Kreislaufanlagen mit Mittel- und Oberfranken. Viele Teichgebiete geschlossenem Wasserkreislauf. Durch geeignetes

38 Wasser in den Salmonidenregionen Südbayerns tung erlangen: dem aus Asien eingeschleppten ist dort Forellenproduktion weit verbreitet. Koi-Herpes-Virus fallen heimische Karpfenbe- Überhaupt hat die Aquakultur einen hohen stände zum Opfer. Dachverband aller Vereine ist Stellenwert. Mit 200 hauptamtlichen und der Landesfischereiverband Bayern e.V., er ver- 10.450 Nebenerwerbsbetrieben liegt Bayern mit tritt die Interessen der Fischer gegenüber Politik großem Abstand vor dem nächsten Bundesland und Gesellschaft. Baden-Württemberg. Mit seinen hauptamtlichen Mitarbeitern und den ehrenamtlichen Mitgliedern in den Ausschüssen Organisation der Fischerei widmet er sich dem Arten- und Gewässerschutz.

Fachlich und organisatorisch ist die Fischerei in Gesamtaufkommen Fische Bayern Bayern heute gut aufgestellt: Auf Bezirksebene unterstützen sieben hauptamtliche Fachberater die Fischereiberechtigten, 810 Fischereivereine 2 t 349 t betreuen praktisch das gesamte Gewässersystem durch Gewässerwarte und sie fördern die Aus- bildung der Jugend in den Vereinen. 4000 t Zwei leistungsfähige Fachinstitute stehen im Dienste der Fischerei: das Institut für Fischerei in Starnberg mit den Hauptaufgaben Fluss- und Seenfischerei, Teichwirtschaften, intensive Aqua- kultur sowie Aus- und Fortbildung. Fischwirt ist ein anerkannter Ausbildungsberuf. An der Versuchsanlage Wielenbach bei Weil- heim ist die gewässerökologische Forschung ein Schwerpunkt, mit Projekten wie dem Arten- Kreislaufanlagen hilfsprogramm Äsche, der Durchgängigkeit Seen- und Flussfischerei Angelfischerei 9450 t 7950 t der Gewässer oder der Wiederansiedlung von Karpfenteichwirtschaft Flusskrebsen. An der Universität München wer- Durchlaufanlagen den Fischkrankheiten erforscht, die durch den Herkunft Speisefische: Teichwirtschaften vor der globalen Handel von Fischen eine neue Bedeu- Angelfischerei

Fischwirtschaftslehrling Graf Christoph von Preysing in der Freizeit

39 Einfluss des Kormorans auf Fischbestände

Grundsätzlich gibt es drei methodische Ansätze, Hauptmotiv der Bestandserhebung. Mitten in Ökologisch gesehen den Einfluss des Kormorans auf den Fischbestand die Routineerhebungen kamen die in Bayern fuß- sind Kormorane und in einem Gewässer zu ermitteln: fassenden und durchziehenden Kormorane. Ihr Fische ein Räuber- · durch Erhebung der Fischfauna vor und nach hier belegter Einfluss ist ein Lehrbeispiel. Beute-System. Fall- studien fördern das dem Kormoraneinflug: solche Daten sind eher Die Dorfen, ein quellnahes Gewässer, entspringt Systemverständnis. Die glücklichen Umständen zu verdanken, denn so nahe dem Ismaninger Speichersee. Sie fließt klar Untersuchungen an der gut wie nirgends wurde wegen eines drohenden und im Sommer kalt durch die Dörfer Notzing Dorfen sind besonders Kormoraneinfluges der Fischbestand erfasst. und Schwaig, am Großflughafen vorbei in die aufschlussreich. Auch ist die Erhebung auf leicht befischbare Isar bzw. den Isarkanal. Im Winter ist die Dorfen Gewässer begrenzt. relativ warm und offen – das wird ihren Fischen · durch Analysen von Fangserien: das erfordert zum Verhängnis. statistisch verwertbare Aufzeichnungen über Der hier untersuchte 6,5 km lange Abschnitt Erträge der Fischerei sowie eine Abschätzung der Dorfen fließt bald nach der Quelle ruhig der anderen Einflussfaktoren über den zu dahin, 8 bis 20 m breit bei einem Abfluss von untersuchenden Zeitraum, denn nicht nur 2 cbm/s. Es gibt reichlich Unterwasserpflanzen im der Kormoran kann für Veränderungen verant- Sommer und eine sehr gute Nährtierproduktion. wortlich sein. Prüft man die vorhandenen Seit langem galt der Bach als hervorragendes Daten auf ihre Qualität, ist diese meist nicht Salmonidengewässer mit selbst reproduzierenden ausreichend. Äschen, Bach- und Regenbogenforellen, vielen · durch Einflussberechnungen über Bilanzen: Mühlkoppen und gelegentlichen Bachschmerlen. dieser Ansatz rechnet die Fischentnahme hoch Nichtsalmoniden wie Hechte, Aitel, Rotaugen über die Zahl der Kormorane, ihren Nahrungs- und Karpfen sind von Natur aus selten. bedarf, die Nahrungszusammensetzung und die Nur wenige Personen befischen das Wasser mit Verweildauer der Vögel am Gewässer. Dann der Angel, entnommen werden dabei aus- kann auf einen Ertragsausfall geschlossen werden. schließlich Forellen. Äschen, auch die elektrisch Im Folgenden ist das Augenmerk zunächst wert- gefangenen Laichäschen, werden zurückgesetzt. frei auf den Einfluss des Kormorans auf Fisch- Für die Fischbestandserhebung bietet es sich an, bestände gerichtet – ohne Überlegungen zum das 6,5 km lange Fischwasser in 6 Teilstrecken Schaden. Denn eine Entnahme von Fischen oder zu gliedern, deren letzte fließt durch das Dorf eine Abnahme des Fischbestandes ist nicht von Notzing. vornherein gleichzusetzen mit einem Schaden. Die für die einzelnen Teilstrecken ermittelten Zum Schaden wird der Vorgang erst durch eine Fische werden auf eine Fläche von 1 ha hoch- Wertung. gerechnet, eine übliche Methode, die Vergleiche ermöglicht. Obwohl die Dorfen am Oberlauf Lehrbeispiel Fischbestandsänderungen nicht groß ist, hatte sie 1988 und 1989 einen an der Dorfen beachtlichen Fischbestand. Zu den Glücksfällen von Bestandserhebungen Dann, im Jahr 1990, kam der Kormoran in vor und nach einem Ersteinfall von Kormoranen großen Flügen. Zuerst reduzierten die Vögel gehört die gut belegte Veränderung der Fisch- den Fischbestand an der ergiebigsten und für sie fauna an der Dorfen, einem kleinen Fließ- leicht zu befischenden Teilstrecke 5 – sie fließt gewässer in der Münchner Schotterebene. Hier offen über landwirtschaftliches Gebiet. Schon erfolgte eine jährliche Bestandserhebung durch innerhalb des ersten Jahres war die elektrisch Elektrofischen, zunächst ohne einen Gedanken erfassbare Fischdichte auf unter 50 Prozent an Kormorane, denn die Motive waren andere. des Vorjahres gesunken. Einer der Fischereiberechtigten, Michael von Sie sackte in den darauf folgenden Jahren weiter Siemens, Fischbiologe und Betreiber der Fisch- ab und stieg erst wieder ein wenig an, nachdem zucht Thalhamer Mühle, war an der Gewinnung mit einer Vergrämung von Kormoranen durch von Laichäschen interessiert – darin lag das Abschuss begonnen wurde.

40 Dorfen – Entwicklung der Fischbestände in 6 Teilstrecken kg/ha 300

Strecke 1 Strecke 2 Strecke 3 Strecke 4 Strecke 5 Strecke 6

250

200

150

100

50

0

88 89 90 91 92 88 89 90 91 92 88 89 90 91 92 88 89 90 91 92 88 89 90 91 92 96 88 89 90 91 92

Kormorane selten Kormorane regelmäßig massiver Ersteinfall

Dokumentation einer Überfischung: Los ging es an der für Fische und Kormorane gleichermaßen attraktiven Teilstrecke 5 im Jahr 1990, dann reduzierten die Vögel die Äschen in den benachbarten Teilstrecken – nur der Dorfbereich in Notzing (Teilstrecke 6) blieb weitgehend verschont

Nach dem ersten massiven Einfall in der Teil- Kormorane an der Dorfen strecke 5 befischten die Kormorane in den Folge- Einzelne Kormorane konnten schon zu Anfang jahren auch die anderen Teilstrecken intensiv und der Untersuchungen im Umkreis beobachtet reduzierten dort den Fischbestand – mit einer werden, meist an den Baggerseen. Seit dem Ausnahme: im Dorfbereich Notzing blieb der Winter 89/90 waren die Flüge in der Gegend Fischbestand über die Jahre nahezu unverändert. größer, gelegentlich bis über 100 Vögel. Es Dort gab es allerdings viele größere Fische mit waren höchstwahrscheinlich die am Speichersee Verletzungen durch den Hakenschnabel des brütenden, rastenden und überwinternden Tiere. Fischjägers. In Notzing sind die Häuser teilweise Im Januar 1990 berichtet ein Bauer erstmals von bis an das Ufer gebaut. Kormoranen in der Dorfen und zwar in der guten Teilstrecke 5 vor Notzing. Nach seinen Angaben Auch im Abschnitt 4 ist der Einbruch nicht ganz sah er dort einmal an die 150 Kormorane auf- so stark – hier fließt die Dorfen nahe an bebautem fliegen. Dramatisch und für den Fischereiberech- Gebiet in Moosinning vorbei. tigten nicht vorauszusehen war der darauf In allen Jahren wurde die Gewässerstrecke mit folgende Winter 1991, an dem die umliegenden Jungäschen besetzt. Der Einbruch des Fisch- Baggerseen zugefroren waren. Nun wurden Massive Einflüge resul- bestandes konnte dadurch nicht aufgehalten erstmals auch die anderen, siedlungsferneren Ab- tieren meist in raschen werden. schnitte regelmäßig von den Vögeln aufgesucht. Bestandseinbrüchen.

41 Teilstrecke 5 an der Dorfen: Ort des Ersteinfalls

Teilstrecke 6 im dörflichen Notzing: Fischrefugium vor Kormoranfraß

Seit 1995 war der Abschuss von Kormoranen Baggerseen und kleinen Fließgewässer, die an der Dorfen möglich. Das Gewässer wurde Dorfen eingeschlossen. Durch die große Zahl in die Untersuchung „Effizienzkontrolle von der Durchzügler und Wintergäste ist der Ver- Vergrämungsabschüssen bei Kormoranen an grämungseffekt begrenzt – es kommen immer ausgewählten Fließgewässern“ aufgenommen. neue Vögel. Der Abschuss von Kormoranen zeigte sich aus Als Rückgangsursache in der Untersuchungs- zeitlichen, personellen Gründen und wegen der strecke kann nur der Kormoran ausgemacht Dorfnähe als schwierig. werden. Am 8. August 1988 kam es durch eine Von der im Herbst festgestellten Fischbiomasse Schadstoffeinleitung in den Teilstrecken 5 und ging über den Winter trotz Vergrämung meist 6 zu einem Äschensterben, darauf reagierte zu- 60-80% verloren – in der Zeit der größten nächst die Bachforelle positiv, die Äsche erholte Gefährdung. Heute scheint der Fischbestand sich später wieder. auf niedrigem Niveau stabilisiert zu sein. Seit Weiter flussabwärts liegt ein vom Landesfischerei- 1977 ist der Frühjahrs- Salmonidenbestand in verband gepachtetes Fischwasser, es fließt durch der attraktiven Teilstrecke 5 nicht mehr unter den Ort Schwaig. Die behutsame Befischung 37 kg/ha gefallen. Bei Bachforellen zeigt sich und die Gewinnung von Laichäschen sind dort ansatzweise wieder ein Mittelbau in der Alters- vergleichbar. Die für Kormoran und Fischbestand verteilung. Der Zustand der Leitfischart Äsche gewonnenen Erfahrungen der untersuchten ist nach wie vor äußerst prekär. Strecke flussaufwärts sind voll und ganz über- Nach wie vor ziehen viele Kormorane entlang tragbar – bis hin zur Refugienwirkung in der des Isarkanals, von dort erblicken sie die vielen Ortschaft Schwaig.

42 Erkenntnisse aus der Dorfenstudie · Der Einfall von Kormoranen kann plötzlich einer kleineren Zahl von Vögeln über Jahre auf geschehen und zwar in großer Zahl, sodass eine geringem Niveau gehalten werden. rasche Fischbestandsreduktion erfolgt. · Längerfristig können Kormorane die Repro- · Anfangs fischen Kormorane in den fischreichen duktion von Fischen verhindern, weil die nicht und für sie gut zu befischenden Gewässer- gefressenen Großfische aus Altersgründen abschnitten. sterben und kleinere Fische nicht die Laichreife · Bei reduziertem Fischbestand in vormals guten erreichen, wenn sie vorher gefressen werden. Abschnitten werden die nächstbesten Gewässer- · Eine wirksame Vergrämung scheitert leicht an abschnitte befischt. dem erforderlichen Personalaufwand. · Wenn Baggerseen, Teiche und andere Gewässer zufrieren, dann konzentrieren sich die Vögel auf die offenen Fließgewässer. Äschenrückgang in Südbayerischen Gewässern · Der Einflug und der Einfluss des Kormorans sind dort geringer, wo Vögel häufig gestört Alarmiert durch den Rückgang der Äsche hat werden – innerhalb eines Dorfbereiches kann Bayern auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, der Einfluss minimal sein. dass der Kormoran eine wesentlichen Ursache für den Rückgang der bayerischen Äschen- · Die Äsche wird leichter erbeutet als die Bach- bestände ist, ein „Artenhilfsprogramm Äsche“ forelle. eingerichtet, an dem der Landesfischereiverband · Eine versteckreiche Gewässerstruktur, insbe- Bayern, der Bund Naturschutz, der Landesbund sondere Ufergehölze, mindern den Fraßdruck – für Vogelschutz und die einschlägigen staat- die Bachforelle profitiert davon am meisten. lichen Institutionen zusammenwirkten. Es sollten · Durch Kormorane werden Fische bis zu einer neben dem Faktor Kormoran weitere potenzielle Größe von 750 g erbeutet, kleinere Fische Ursachen für den Rückgang der Äschenbestände fehlen dann oft weitgehend im Bestand. untersucht werden. · Die Reproduktion wird durch das Fehlen Ein Ansatz um Licht in den Rückgang der Äschen laichreifer Fische eingeschränkt. zu bringen war der Vergleich von Fangdaten aus 26 Gewässerabschnitten in den wichtigsten · Von den verbleibenden größeren Fischen Flüssen mit einer Gesamtlänge von 216 km und können bis über 50% Verletzungen durch 51.191 gefangenen Äschen. Kormoranschnäbel aufweisen. Die Fangstatistiken zeigen erwartungsgemäß · Kormorane können den Fischbestand auf einen eine große Streuung. Das liegt an der unter- Bruchteil des Ausgangsbestandes reduzieren schiedlichen Größe und Produktivität der Ge- und in den Jahren danach auf geringem Niveau wässer – die Ramsach ist ein kleiner Seitenbach halten. der Loisach, die Mangfall hingegen fließt sehr · Ist ein Fischbestand durch massiven Kormoran- produktiv aus dem Tegernsee. einflug einmal stark reduziert, kann er von

43 Äschenfänge in 26 Gewässerabschnitten Südbayerns

Prozent Abweichung 500

Wertach Kaufbeuren

Lech Landsberg

Mangfall Gmund

Ramsach Mühlbach

400 Alte Ramsach

Ramsach Mühlhagen

Lindach Grafenaschau

Ramsach Grafenaschau

Jachen Lenggries

300 Isar Freising Isar München-Nord

Isar München

Isarkanal Grünwald

Isar Grünwald

Isar Wolfratshausen 200 Isar Ascholding

Loisachkanal Gelting

Loisach Wolfratshausen

LoisachBeuerberg Median Loisach Eurasburg 100 langjähriger Durchschnitt Loisach Benediktbeuern

Loisach Murnau

Ammer uh.Peiting

Ammer oh.Peiting

Ammer Rottenbuch

0 Iller 1976 '78 '80 '82 '84 '86 '88 '90 '92 '94 '96 '98 2000 Äschenfänge in 26 Gewässerabschnitten an Flüssen in Südbayern: synchroner Rückgang seit Mitte der 80er Jahre

Auch die Bewirtschaftung der Gewässer ist kleinen Nebenfluss der Isar, der Ramsach, kam Der synchrone Rück- unterschiedlich, je nach Zielsetzung der Fischerei- der Einbruch erst spät, zwischen 1992 und 1994. gang der Äsche hat in vereine. Schließlich schwanken die Fangergeb- Die Punktwolke deutet zunächst auf einen vielen Gewässern in nisse von Jahr zu Jahr in den einzelnen Strecken. leichten Anstieg des Äschenfangs bis Mitte der Bayern zu großange- Trotz der großen Variabilität zeigt die Analyse 80er Jahre. Der Grund liegt in der Erholung nach legter Ursachensuche einen Rückgang von einem hohen Fangniveau der eingeschleppten Hautkrankheit Ulzerative geführt. Hauptursache Mitte der 80er Jahre zu einem geringen Äschen- Dermalnekrose (UDN). war der Kormoran. fang Anfang der 90er Jahre. Die Abnahme verlief weitgehend zeitgleich in den verschiedenen Gewässern. In fünf Strecken erfolgte der Rückgang schlagartig von einem Jahr auf das nächste. Die meisten Gewässer wurden zwischen 1986 und 1988 vom Rückgang erfasst. In der Isar bei Freising setzte der Rück- gang schon früher, bereits 1983, ein. In einem Dem Kormoran entkommen: den Verletzungen erlegen

44 Für rückläufige Fangergebnisse kann es neben Beeinträchtigung durch chemische Substanzen. dem Kormoran auch andere Ursachen geben. Auch ein hoher Korpulenzfaktor der Äschen Daher haben im Artenhilfsprogramm Äsche deutet nicht auf eine Belastung der Gewässer. Fachleute in 25 Einzelgutachten, mit großem Strukturelle Veränderungen der Gewässer Hypothesen abgelehnt finanziellen Aufwand (über 1 Mio. DM), einen führten zum Rückgang Komplex von möglichen weiteren Ursachen Im Rückgangszeitraum gab es keinen erheblichen abgeklärt. Folgende Hypothesen wurden dabei Verlust an Laichhabitaten. Die Durchwanderbar- überprüft: keit der Flüsse hat sich im Zeitraum ebenso nicht Die Reproduktion der Äschen ist gestört geändert, neue Querbauwerke wurden nicht In den ausgewählten Äschenpopulationen war gebaut. Der Rückgang fand in Kanälen zeitgleich die Befruchtungsrate der Äscheneier unter mit dem in naturnahen Strecken statt. Die struk- kontrollierten Bedingungen hoch. turelle Ausstattung der Gewässer war für den Darüber hinaus war an allen untersuchten Ge- Rückgang der Äschen seit Mitte der 80er Jahre wässern die Laichplatzqualität ausreichend, es unwahrscheinlich. gab genügend Äschenbrut (Isar, Sempt, Eittinger Alle diese untersuchten Hypothesen müssen auf- Bach, Dorfen, Iller, Loisach, Ramsach, Schwarzer grund der Ergebnisse des AHP Äsche verworfen Regen, Fränkische Saale, Wiesent, Ammer, werden, so dass der schon vorher nachgewie- Uffinger Ach). sene Einfluss des Kormorans als entscheidender Die fischereiliche Bewirtschaftungspraxis führte Einflussfaktor übrig bleibt. In einem experimen- zum Rückgang tellen Ansatz wurde die Rolle des Gänsesägers Der Rückgang der Äsche fand unabhängig von in der Erholung von eingebrochenen Beständen der Entnahme durch die Fischerei statt. Bestände überprüft: potentieller Nahrungskonkurrenten gingen zeitgleich zurück. Das schließt eine Konkurenz Gänsesäger behindern eine Bestandserholung Hypothese bestätigt mit besetzten Forellen aus. Es wurde auch kein geringer Fischbestände nennenswerter Fraßdruck durch Raubfische In einer Gewässerstrecke, an der im Winter- festgestellt: In 800 Forellenmägen waren keine halbjahr Gänsesäger täglich vergrämt wurden, Äschen nachzuweisen, andere Raubfische hat- hat sich der Äschenbestand innerhalb von zwei ten nur geringe Dichten. Genetische Analysen Jahren deutlich erholt. In den Referenzstrecken erbrachten, dass Inzuchterscheinungen höchst ohne Vergrämung fand keine Erholung statt. Der unwahrscheinlich sind. Arbeitskreis im Äschenhilfsprogramm schloss Die Äschenbestände leiden an chemischen daraus, dass der Fraßdruck des Gänsesägers die Einträgen Erholung von Äschenbeständen verhindern kann. Die landwirtschaftliche Nutzung und die Sied- Nur die letzte Hypothese konnte bestätigt wer- lungsentwicklung, Hauptquellen der Einträge, den. Die Erfahrungen zeigen, dass die Bestände haben sich im Zeitraum des Äschenrückganges in Nordbayern in einigen Flüssen relativ gut und nicht stark geändert. Hohe Befruchtungsraten stabil sind – wie im Schwarzen Regen. Hier gab sowie der gute Gesundheitszustand der unter- es bis heute keine massiven Kormoraneinflüge. suchten Äschen sprechen gegen eine besondere

„ Kormoran in dem Einfall der Kor- Schondra, sie sind als Unterfranken morane belegen. Ein Zwischenwirte für den Die Schondra, ein klei- bei der Regierung von gefährdeten Fluss- ner Nebenfluss der Unterfranken vorsorg- perlmuschel-Bestand Fränkischen Saale, lich gestellter Antrag unerlässlich. war bis zum Winter auf Vergrämung wurde Als Pächter eines 1996/97 reich an abgelehnt. Fischereirechts seit Äschen. Ein Trupp von Erst nach einem mehr als 30 Jahren etwa 80 Kormoranen gewonnenen Prozess sehe ich die Ausbrei- hat diesen Bestand gegen die Regierung tung der Kormorane

Kurt Dietl bis auf eine kaum können wir unsere und jetzt auch Gänse- 2. Vorsitzender überlebensfähige gefährdeten autoch- säger mit großer Sorge, Hegefischereigenossenschaft Restpopulation thonen Fische schüt- ich wünsche mir eine Untere Frankische Saale vernichtet, wie die Un- zen. Schmerzlich ist umfassende Schadens- tersuchungen der TU auch die Dezimierung regelung. München vor und nach der Bachforellen in der

45 Enns durchbricht die nördlichen Kalkalpen: naturnaher Flussabschnitt im Nationalpark Gesäuse

Fischbestandseinbruch an der Enns, Österreich Becken in das Gesäuse strömt. Nach einem rau- Praktisch identisch Bei der großen Enns-Studie „Fischbestand schenden Eingang über einen Katarakt schließen sind die Erfahrungen in und Gewässermorphologie“ war der sich weitere 8 km besonders naturnaher Wild- Österreich und anderen Kormoran zunächst kein Thema. Der Anlass fluss an, der zwischen den hohen Bergen sanft Nachbarländern über für diese Untersuchung war die Aussicht auf dahinfließt, mit Schotterbänken, Prallhängen und den Rückgang der Renaturierung des auf langer Strecke stark Inseln. Ein Kraftwerk beendet die Natürlichkeit Fischbestände nach begradigten Gewässers. dann plötzlich. massiven Kormoran- einflügen. Die Enns ist ein südlicher Nebenfluss der Donau, Die Enns ist klassische Äschenregion. Verglichen sie entspringt im Salzburger Land, fließt von wurde der etwa 16 km lange, verbaute Fluss- West nach Ost in einem von Gletschern geformten abschnitt im Admonter Becken mit der naturnahen Tal an der geologischen Linie zwischen nördlichen Flussstrecke im Gesäuse. Im Jahr 1994 war die Kalkalpen und den Niederen Tauern des Alpen- Fischbestandsdichte in beiden Ennsbereichen hauptkammes. Wenige Kilometer nach der Stadt hoch, über 700 Fische/ha. Die Äsche stellte mit Admont durchbricht sie in einer 15 km langen 80% den größten Anteil dar, gefolgt von Bach- Schlucht die nördlichen Kalkalpen, um in die und Regenbogenforellen. Donau zu münden – im sogenannten Gesäuse, Eine Wiederholung der Aufnahme vier Jahre einem unter Bergsteigern weithin bekannten später zeigt einen tiefen Einbruch in beiden Enns- Klettergebiet, heute ein Nationalpark. abschnitten, wobei die Äsche besonders betroffen Der Abfluss der Enns ist bei Admont ca. 50 m³/s war. Eine Wiederholung der Fischbestands- und damit der Isar bei Wolfratshausen vergleich- aufnahmen ein Jahr später bestätigte den Ein- bar oder dem Lech, dort wo er von Tirol nach bruch: beide Streckenabschnitte haben nur mehr Bayern fließt. Die Kalkalpen waren für die Enns einen Bruchteil der Ausgangsfischdichte. In der schwer zu durchbrechen, sie näherte sich daher regulierten Enns war der Einbruch am tiefsten. bei geringem Gefälle einst in großen Schlingen Die Proben zum Fischbestand erlauben einen und Umlagerungsstrecken dem Hindernis. Mitte Vergleich der Altersstruktur der Leitart Äsche des 19. Jhd. wurde begonnen, die Enns zu vor und nach dem Einbruch. Im Jahr 1994 zeigt kanalisieren, um landwirtschaftliche Fläche zu sich eine gesunde, mehrgipfelige Altervertei- gewinnen. Manche abgeschnittenen Altarme lung mit genügend Äschen in allen Größen bzw. und Moore sind heute von großer faunistischer Altersklassen. Nach dem Einbruch im Jahr 1998 und floristischer Vielfalt; sie genießen besonderen fehlten vor allem mittlere und größere Äschen. Schutz. Die kanalisierte Enns selbst ist mit Grob- Die relativ vielen kleinen Äschen deuten auf steinen naturfern verbaut. eine funktionierende Reproduktion, doch dann Der Charakter der Flusslandschaft ändert sich verschwinden die Fische aus dem Bestand. plötzlich, wenn die Enns aus dem Admonter Die Gesäusestrecke wird durch ihren Pächter,

46 den Castingclub, geradezu vorbildlich bewirt- den Kormorane im Streckenabschnitt Admont schaftet. Hier wird auf Nachhaltigkeit und auf durch Abschüsse vergrämt. Jüngste Erhebungen natürliche Reproduktion der heimischen Fisch- zum Fischbestand deuten auf eine geringfügige arten gesetzt – ohne die sonst oft exzessiven Erholung, jedoch noch nicht bei der Leitfischart Besatzmaßnahmen. Gefischt wird maßvoll mit Äsche. der Trockenfliege ohne Widerhaken, entnom- men werden vor allem jene Fische, die nicht der Enns: Fischbestand 1994-1998 natürlichen Bestandserhaltung entsprechen – Biomasse kg/ha Regenbogenforelle und Bachsaibling. Trotz der 240 großen Naturnähe und der vorbildlichen Bewirt- 220 schaftung ist der Fischbestand von rund 200kg/ 200 ha auf 18kg/ha eingebrochen. 180 Im Ennstal, in diesem inneralpinen Raum gab es 160 den Kormoran ursprünglich nicht. Einzelne Be- obachtungen gibt es Ende der 80er Jahre, dann 140 wird aus dem Winter 94 von größeren Flügen 120 und Überwinterern berichtet – 100, gelegentlich 100

200 Vögel. In den nächsten beiden Jahren waren 80 die Zahlen geringer, um im kalten Januar 96 60 wieder Trupps bis zu 200 Vögel zu erreichen. Ein 40 Zusammenhang mit der Winterstrenge ist offen- sichtlich. Diese Angaben sind Gelegenheitsbeob- 20 achtungen aus den ersten Jahren des Auftretens. 0 Eine systematische Erhebung von Kormoranen 1994 1997 1998 Abschnitt Admont Abschnitt Gesäuse gibt es erst aus jüngster Zeit. Heute sind die Fischbestand der Enns vor und nach dem Erscheinen Trupps im Ennstal wieder kleiner, die Anzahl des Kormorans: auch an der naturnahen Strecke im der Vögel geringer. Seit wenigen Jahren wer- Gesäuse ist der Bestand eingebrochen

Enns: Größenklassen der Äsche

Anzahl 50

40

30

20

10

0

60 80 100 120 140 160 180 200 220 240 260 280 300 320 340 360 380 400 420 440 460 Länge in mm

1994 1998

Länge der Äschen in elektrogefischten Stichproben: nach der Reduktion durch Kormorane sind größere Äschen rar

47 Anfälligkeit einiger Fischarten gegen Kormoranfraß

Äsche Nase Bachforelle Lebt in Schwärmen im Freiwasser, sucht Lebt und zieht im Schwarm im Haupt- Jungfische sind dem Kormoran nicht so auch bei Gefahr selten Deckung auf. Im fluss, wo sie vom Kormoran leicht sehr ausgesetzt, da gerne in bewegtem Winter, zu Zeiten großer Kormoran- gefangen wird. Nasenkonzentrationen Flachwasser. Größere Forellen stehen präsenz, ist das Wasser klar und der im Winterlager ziehen Kormorane an. in tiefen Gumpen und in der tieferen Wasserstand niedrig. Äschen konzentrie- Steht im Schwarm im Frühjahr unter Flussrinne, wo sie vom Kormoran ren sich an tieferen Stellen und werden Fischaufstiegshilfen und ist dort dem erbeutet werden können. Laichfische dort leichte Beute. Gewässerregulierung Kormoran ausgesetzt. Hätte im Ver- gegen Ausgang des Winters besonders und verändertes Ablussregime exponieren gleich zu Forellenartigen ein hohes anfällig. Bachforellen suchen auch die Äsche zusätzlich und beeinträchtigen Vermehrungspotential; könnte Verluste deckungsreiche Abschnitte auf: Wurzel- die Fortpflanzung. Vermehrungspo- leichter ausgleichen. Als Mittelstrecken- geflecht, Totholz. Regulierte Gewässer tential eher niedrig, und daher geringe zieher durch Querbauten in den Gewäs- oft deckungsarm. Vermehrungspotential Kompensationsfähigkeit bei Verlusten. sern betroffen. Entwächst nur langsam und daher Kompensationsvermögen für Adulte Äschen entwachsen selten dem dem Beutespektrum. Verluste gering. Entwächst selten dem Beutesprektrum. Unter allen Fischen sind Beutespektrum. Äschen vom Kormoran am stärksten betroffen.

Barbe Hasel Renke Jungtiere und Adulte schwimmen in Jungfische verstecken sich in deckungs- Verschiedene Renkenformen zeigen getrennten Trupps. Sie ziehen in der reichem Wasser: Wurzeln, Totholz, unterschiedliche Standortwahl im See. Hauptflussrinne, wo sie leicht zu er- Wasserpflanzen. Später in Schwärmen in Die in der Fischerei begehrte Schweb- beuten sind. Laichschwärme im April der Flussrinne und in tiefen Gumpen dem renke bevorzugt im Schwarm Freiwasser, und Mai besonders anfällig. Konzent- Kormoran ausgesetzt. Im Winter und in wo sie Plankton und Zuckmücken- rationen an Fischaufstiegshilfen ziehen der Laichzeit durch Ansammlungen sehr larven frisst. Anfällig für in Gesellschaft Kormorane an. Grundsätzlich hohes anfällig, ebenso an Fischaufstiegshilfen. fischende Kormorane. Durch natürliche Vermehrungspotential, könnte Verluste Lebensraum des Mittelstreckenziehers Schwankungen der Reproduktion nur bei mäßigem Raubdruck ausgleichen. durch Verbauungen beeinträchtigt. bedingt in der Lage, starke Eingriffe zu Anfällig durch Verbauung der Gewässer. kompensieren. Wächst nur langsam aus dem Beute- spektrum des Kormorans.

Aal Bestände in Bayern nur durch Besatz, da keine natürliche Reproduktion. Natürliche Besiedlung des Maineinzugsgebietes durch die nicht durchgängigen Quer- verbauungen unterbunden. Daher keine Möglichkeit, Verluste durch Reproduk- tion oder Zuwanderung zu kompensieren. Wird vom Kormoran in größerer Länge als andere Fische erbeutet.

48 Fischerei und Kormoran am Chiemsee Der größte aller bayerischen Seen ist auch ein und reichlich Geschiebe, sodass Mitteleuropas Aus früheren Zeiten gibt Brennpunkt der Kormorankonflikte im Land. größtes Binnendelta in den See hinaus wächst. es keine Hinweise auf 18 alteingesessene Berufsfischerfamilien erlebten Es ist ein Naturschutzgebiet ersten Ranges. brütende Kormorane den Rückgang der Fischereierträge. Der Kor- Überhaupt ist der gesamte Chiemsee nach der am Chiemsee. Was den moran war nicht der Auslöser der rückläufigen RAMSAR – Konvention ein Schutzgebiet von Vogel davon abgehalten Fischfänge, doch heute ist er ein Faktor. Im internationaler Bedeutung mit 300 Vogel-, hat, an diesem ergiebi- Mündungsdelta des Zuflusses Tiroler Achen 30 Fisch- und 1.300 Pflanzenarten. Kormorane gen See zu brüten, ist haben Kormorane eine Brutkolonie etabliert, in fanden den Chiemsee früh attraktiv, schon bald unbekannt. der per Sondergenehmigung zur Abwehr von errichteten sie im Mündungsdelta der Tiroler übermäßigen Schäden Vögel abgeschossen Achen eine Brutkolonie, die zwischenzeitlich auf wurden. Dies führte zu einer Klage vor der EU, 140 Brutpaare angewachsen war. die nach gründlicher Prüfung der Argumente Einziger Abfluss des Sees ist die Alz an seinem abgewiesen wurde. Der Konflikt ist sicher noch Nordende, ein für Mairenke und den wieder- nicht ausgestanden. eingeführten Perlfisch wichtiges Laichgebiet. Einst als abgetrennte Zunge des Chiemsee- Die Seeforelle hingegen steigt zum Laichen in gletschers liegen geblieben, hat sich nach der Eis- die Tiroler Achen. Die Fischer aber leben in erster zeit ein heute 8.000 ha großer See aufgefüllt – er Linie von der Renke, nicht umsonst Brotfisch ist nach Bodensee und Müritz der drittgrößte See genannt; sie schlägt in den Fängen mit rund Deutschlands. Mit einer maximalen Tiefe von 80% zu Buche. In den Netzen folgt die Brachse, 73 m ist der Chiemsee relativ flach. Der kleinere ein anderswo nicht so sehr geschätzter Fisch, Starnberger See hat bei einer Tiefe von 123 m der aber von den Chiemseefischern, geräuchert ein größeres Wasservolumen. Die Tiroler Achen, oder als grätengeschnittenes Filet, mit Erfolg als der größte Zufluss, bringt Wasser aus Österreich Spezialität vermarktet wird.

Fischertrag Chiemsee kg/ha 40

35

30

25

20

15

10

5

0

1972 ’74 ’76 ’78 ’80 ’82 ’84 ’86 ’88 ’90 ’92 ’94 ’96 ’98 2000 ’02 ’04 ’06

Renke Brachse Sonstige

In das Netz und in den Schnabel: Kormoran hat den Rückgang des Fischertrages nicht ausgelöst, ist aber heute ein gewichtiger Faktor

49 Schon 1897 haben sich die Chiemseefischer der siebziger Jahre sinkt der Phosphatgehalt, ein Die Renkenfänge variie- zu einer Fischereigenossenschaft zusammen- guter Indikator für die Eutrophierung: weniger ren von Natur aus stark geschlossen mit dem Ziel, Fischbestände zu Nährstoffe bedeuten weniger Nährtiere. Heute durch Schwankungen in fördern. Seit 1971 betreibt die Genossenschaft gehen den Fischern kleinere und weniger Renken der Reproduktion. ein Bruthaus, in dem zunächst Renkenlaich er- ins Netz. Wie seit der großen Kormoranstudie in brütet wurde. Die Renken, in den verschiedenen Bayern 1994 bekannt, fängt der Kormoran vor Seen nach der Eiszeit isoliert, haben eine Reihe allem die häufigen Weißfische, er frisst aber auch von lokalen Anpassungen hervorgebracht, deren Renken. Nach einer Kalkulation des Instituts für systematische Einordnung den Wissenschaftlern Fischerei in Starnberg beträgt die Fischentnahme heute noch Kopfzerbrechen bereitet. Auch der durch den Vogel heute 4-4,6 kg/ha gegenüber Volksmund kennt verschiedene Bezeichnungen: 9-11 kg/ha durch Berufsfischer. Gemessen an der Reinanken (Österreich) oder Felchen (Bodensee). Gesamtfischentnahme schlagen die Kormorane Die Chiemseerenke jedenfalls ist schmackhaft in mit 25-45% zu Buche. jeder Form, ob gebraten oder geräuchert. Das bleibt nicht ohne Wirkung: viele Indizien Renken, eine Form der lachsartigen Fische, weisen darauf hin, dass durch den Fischfang laichen im See, ihre Eier sinken zu Boden. Für die des Kormorans ein Wiederanstieg des Fanger- Entwicklung der Eier ist sauerstoffreiches Wasser trages der Fischer auf das höhere Potential des wichtig. Die saisonale Wasserzirkulation bringt Chiemsees verhindert wird. Ein Wiederanstieg sauerstoffreiches Wasser in tiefere Schichten, der Erträge nach Einbrüchen, wie in früheren jedoch nicht in allen Jahren in gleicher Weise. Zeiten, bleibt heute aus. Kormorane haben auch Das ist einer der Gründe, warum der Renken- einen massiven Einfluss auf die Mairenke, einem fang in den Seen von Natur aus schwankt. Die karpfenartigen Fisch, bei ihren Laichzügen in die Aufzeichnungen der Chiemseefischer zeigen Alz. Nicht ganz so betroffen ist der ebenso in die diese Schwankungen in den 70er bis Anfang der Alz ziehende Perlfisch: laichreife Perlfische sind 80er Jahre – vor dem Einfluss des Kormorans. meist jenseits der bewältigbaren Größenspanne Ab 1983 gingen die Erträge zurück. Seit Mitte der Kormorannahrung.

Fischentnahme Chiemsee kg/ha 40

35

30

25

20

15

10

5

0

1972 ’74 ’76 ’78 ’80 ’82 ’84 ’86 ’88 ’90 ’92 ’94 ’96 ’98 2000 ’02 ’04 ’06 Gesamtfang Berufsfischer Entnahme Kormorane Auf und Ab des Brotfisches: nach dem Rückgang stagniert der Fang der Renke auf niedrigem Niveau

50 Kormorane erschweren die wirtschaftliche Lage in schlechten Renkenjahren für die Fischer der Berufsfischer in einer Zeit, in der auch andere wichtig ist, verlieren dadurch Laichplätze. Auch Faktoren die Fischerträge mindern. Durch unge- andere krautlaichende Fische sind davon betrof- wöhnlich niedrigen Wasserstand in jüngster Zeit fen: Karpfen, Schleien, Rotaugen, Rotfedern und fällt Schilf trocken. Hinzu kommt ein allgemeiner Hechte. Eine lückenlose Beweisführung über den Schilfrückgang in den jüngsten Jahrzehnten, der Schaden durch Kormorane, geschweige denn anderen Einflussfaktoren zugeschrieben wird, eine exakte Berechnung des Schadens gibt es wie Hochwasser im Frühjahr, Vogelfraß oder heute nicht – das liegt an der Größe des Sees mechanischen Beeinträchtigungen durch Freizeit- und an der Komplexität des Systems. nutzung. Brachsen, eine Fischart, die besonders

besonnene Fischer Fisch meist selber. Die Kormorane am Chiem- für seine Kollegen am Touristensaison ist see später als jene am Chiemsee. Auf die Fra- länger geworden – das Ammersee. „Ein Netz ge nach den größten hilft. Die Fische einfach ist gleich zerrissen“, Problemen in dieser an die Händler in erklärt der Fischer, „der Zeit überlegt er nicht Rosenheim und Mün- Faden im Schwebnetz lang: „Der Abfall des chen zu geben, so wie ist nur 0,12 mm dick.“ Renkenertrages in früher, würde heute Nach langwierigem den Achziger Jahren. nicht mehr funktio- Streit ist den Fischern Holmer Lex Wir waren auf 19 und nieren.“ Die Chiemsee- heute ein Abschuss Vorsitzender der Fischerei- genossenschaft Chiemsee 20 kg pro Hektar in fischer beließen es von 30 Kormoranen im den besten Jahren nicht bei Selbst- Jahr gestattet, bis zum Der See birgt viele – und dann ging es vermarktung und Jahr 2009. Die Jagd Geheimnisse zurück auf vier Kilo- Verlängerung der am Chiemsee ist von 5 Im Fischerhäuschen gramm“ sinniert der Produktionskette. Berufsfischern ge- auf der Fraueninsel Altmeister. „Die Ring- Vergrößert wurde die pachtet, „wir haben putzt Holmer Lex (78) kanalisation leitet alle genossenschaftseigene es selbst in der Hand. Aale. Schwiegertoch- Abwässer der Gemein- Brutanlage. Allein 35 Bewirken tut ein Ab- ter Silvia bedient im den in eine Großklär- bis 50 Millionen Renken schuss von 30 Vögeln kleinen Verkaufsraum anlage, fünf Kilometer werden jährlich er- nicht viel“ weiß der Laufkunden: Semmeln vom See. Früher haben brütet, aus Laichrenken Senior, „aber wir mit Renkenfilets und wir dreijährige Renken vom Chiemsee. 1,5 wollen den Fuß in der Meerrettich sind heute gefangen, heute fan- bis 2 Millionen davon Tür haben.“ Berufs- gefragt. Sohn Thomas gen wir vier- und fünf- verbringen die ersten fischer Lex hofft auf Lex sorgt für Nach- jährige – die Renken Lebensmonate in 26 eine europäische schub mit geräucherten wachsen langsamer. Netzgehegen, in denen Kormoranlösung. Saiblingen. „Wir sind Die Planktonproduk- die Überlebensrate In den letzten Jahren ein Familienbetrieb“ tion ist nicht mehr wie höher ist als im See. Mit hat der Brutbestand erklärt der Vater, „uns früher.“ 4 bis 5 Zentimetern, der Kormorane wieder hier am Chiemsee Die Fischer am Anfang Juli, kommen abgenommen. „Wir geht es nicht schlecht. Chiemsee haben auf sie dann in das freie waren es nicht“, sagt Wir teilen den Kuchen den knappen Fang an Wasser des Chiemsees. Holmer Lex mit ruhiger durch 18, das ist seit Brotfischen reagiert: Und der Kormoran? Stimme und fährt fort: hundert Jahren die „Wenn die Renken „Anfangs waren sie „Der Chiemsee birgt Zahl der Berufsfischer- knapp sind, vermark- ja nur ein halbes Jahr viele Geheimnisse. familien. Ammer- und ten wir vermehrt am See“, erinnert Voriges Jahr war der Starnberger See sind Brachsen, Rotaugen sich Lex, „aber dann See 70 Tage zuge- kleiner, und dort gibt auch Mairenken – begannen sie zu brüten froren, danach gab es mehr Berufsfischer.“ dank der Gräten- und blieben das ganze es überraschend viel Holmer Lex ist heute schneidemaschine ist Jahr – über 500 Vögel Plankton – wir haben Rentner, den Betrieb das heute möglich.“ mit den Jungen.“ Dass wunderbare Fische hat er den Jungen Und Lex fährt fort: man die Fische auch gefangen“. übergeben. Seit 30 „Heute veredeln und aus den Netzen holen Jahren spricht der vermarkten wir den kann, entdeckten die

51 Bewertung von Schäden

Fischentnahme Kormoran-Fischer

Schrätzer

Rotauge

Flussbarsch

Zingel

Schleie

Brachse

Renke

Nase

Aalrutte

Barbe

Äsche

Schied

Bachforelle

Regenbogen

Zander Beutespektrum Kormoran Karpfen Fischarten-Schonmaße geschont Hecht fangbar

Huchen 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 Maximale Gesamtlänge der Fischart (cm)

Fischen ist nicht gleich Fischen: durch starken Kormoranfraß kommen Arten kaum zur Laichreife – in der Angelfischerei erlauben Fangbeschränkungen und Größenmaße das Heranwachsen großer Fische

Schäden in Fließgewässern Verschärft sind die Einflüsse durch den Kormoran, Der Kormoran kennt weil mehr als 90% der Fließgewässerfischarten keine Fangbeschrän- Ein Schaden liegt vor, wenn durch ein Ereignis auf der Roten Liste stehen und ein guter Teil kungen. Bei großem die Beeinträchtigung oder Wertminderung eines davon vom Aussterben bedroht ist. Fraßdruck werden auch Gutes erfolgt. Der Schaden kann sowohl mate- die kleinen Fische rieller als auch ideeller Natur sein. Das Ausmaß Heute sind die Zusammenhänge von Fisch- gefangen. des Schadens ergibt sich aus dem Vergleich des bestand, Fassungsvermögen eines Gewässers, Zustands des Gutes vor und nach der Beeinträch- Fischproduktion und Ertragsfähigkeit gut tigung. erforscht. Daraus lassen sich Ertragsklassen für bestimmte Gewässertypen ableiten. Im Falle des Kormorans sind materielle Beein- trächtigungen prinzipiell leicht zu verstehen: In freien Gewässern lassen sich prinzipiell im Minderung des Verkehrswertes eines Gewässers, Rahmen der Nachhaltigkeit zwischen 30 und geringere Erträge, beschädigte Netze. Nicht ganz 50% der jährlichen Fischproduktion abschöpfen. so selbsterklärend sind ideelle Beeinträchtigungen, Wie Studien zeigen, wird in mit der Angel wie die Konsequenzen für den Artenschutz durch befischten Gewässern meist weniger als die die Veränderung der Fischfauna. Hälfte dieses potenziellen Ertrages genutzt, aus verschiedenen Gründen. Die Angelfischerei bewegt sich in aller Regel gut Beutespektrum des Kormorans im Rahmen der Nachhaltigkeit.In den Salmoniden- Die übermäßige Entnahme von Fischen durch gewässern, in der Forellen und Äschenregion, den Kormoran trifft in Fließgewässern den beträgt der potentielle Ertrag etwa +/- 20% der Artenschutz und die Angelfischerei. Als ein Fischbiomasse (des Fischbestandes). Frisst nun Kriterium für Schaden im Artenschutz gilt hier der Kormoran einen guten Teil des potenziellen das Prinzip der Nachhaltigkeit, wenn nämlich das Ertrages, so bleibt den Anglern weniger Raum im Regenerationspotential der Fische gefährdet ist. Rahmen der Nachhaltigkeit.

52 Nutzung nachhaltig Überfischung

1. Jahr 1.1. Jahr Jahr 2. Jahr 2. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 3. Jahr 3. Jahr 1. 1.Jahr Jahr 2.1. JahrJahr 2. Jahr 3. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 3. Jahr

Fisch-GrundbestandFisch-GrundbestandFisch-Grundbestand potentieller Ertrag potentieller ErtragEntnahmepotentieller Angler Ertrag Entnahme AnglerEntnahme Angler Fischen nachhaltig: etwa der halbe potentielle Ertrag wird mit Geht an die Substanz: starker Kormoranfraß reduziert den der Angel entnommen – Grundbestand bleibt erhalten Grundbestand an Fischen

Die Problematik in von Kormoranen stark be- Dieser Vorgang entspricht der klassischen Über- Überfischung findet fischten Fließgewässern geht jedoch weit über fischung, wie sie auch aus der Hochseefischerei statt, wenn der Fisch- diesen marginalen Einfluss hinaus: Kormorane bekannt ist. In den Fließgewässern sind dann bestand auf ein geringes entnehmen weit mehr als den potenziellen Ertrag, nicht nur die guten Zeiten der Angelfischerei Niveau abgesenkt und sie reduzieren den Grundbestand der Fische vorbei, es ist der Schutz von Arten gefährdet, dort gehalten wird. Das im Gewässer (die Biomasse der Fische) oft auf wenn heimische Fische nicht mehr ausreichend Problem ist bekannt einen Bruchteil des Ausgangsbestandes. Damit reproduzieren. Im Prinzip gilt diese Betrachtung aus der Hochsee- ist die Nachhaltigkeit nicht mehr gegeben. Das auch für jene Gewässer, in denen aus Mangel fischerei und bei hohem Ertragspotential des Gewässers kann nicht mehr an Laichplätzen ein Stützbesatz mit Jungfischen Kormoran-Fraßdruck. realisiert werden – im wahrsten Sinne des Wor- erfolgt. tes: mangels Masse.

53 Monetäre Bewertung: Fluss- und Seenfischerei Brandenburg Für die Bewertung des ökonomischen Schadens diese Kompensation nicht gut für einzelne Arten Nur beim Aal ist die durch Kormoranfraß in freien Gewässern gibt es abgeschätzt werden – diese Wirtschaftsfischarten Datenbasis gut genug kaum Beispiele. Das liegt an der Komplexität des blieben daher weiterhin außer Betracht. für die Berechnung zu bewertenden Systems und der unzureichen- des Ertragsausfalls den Datenlage. Brutpaare Kormoran Brandenburg und wirtschaftlichen Schadens. Für die kommerzielle Fluss- und Seenfischerei Anzahl des Landes Brandenburg hat Erik Fladung vom 3000 Institut für Binnenfischerei e.V. die fischereilichen

Schäden durch den Kormoran untersucht. Auf- 2500 schlussreich sind allein schon die Schwierigkeiten: Schleie, Hecht und Zander – wichtige Arten der kommerziellen Fischerei – mussten unberück- 2000 sichtigt bleiben, zu schlecht ist die Datenlage. Für die Bewertung blieb nur der Aal, dessen 1500 Produktion heute ausschließlich über Besatz erfolgt, dadurch ist die Datenlage hinsichtlich 1000 des Aals ausreichend. Zwei unabhängige Bewer- tungsansätze kamen zum selben Ergebnis: Durch den Kormoranfraß sinkt der Deckungsbeitrag in 500 Fischereibetrieben um 40%.

Die Binnenfischerei des Landes Brandenburg wird 0 1980 '82 '84 '86 '88 '90 '92 '94 '96 '98 '00 '02 '04 durch eine Reihe von Faktoren beeinträchtigt, einer davon liegt in der dramatischen Zunahme Brandenburg: mit brütenden Komoranen reich bedacht des Kormorans. In Zusammenhang mit der Kormoranverordnung des Landes erfolgte Fischentnahme durch Kormorane in eine Abschätzung der durch ihn verursachten Brandenburg 2003 Ertragsausfälle der Seen- und Flussfischerei mit Schlussfolgerungen auf die wirtschaftlichen Aus- Fischart Geschätzte Entnahme wirkungen eines durchschnittlichen Seen- und t/Jahr Flussfischereibetriebes. Barsch 159 Zunächst erfolgt die Abschätzung der Ertragsaus- fälle über zwei unabhängige Schätzmethoden. Rotauge (Plötze) 143 Der erste Ansatz ging über die Bilanzierung Brache (Blei) 134 der Fischentnahme durch Kormorane aus dem 109 Nahrungsbedarf der sich in Brandenburg auf- Aal haltenden Vögel (Brutvögel, Jungvögel, Nicht- Schleie 76 brüter, Rastvögel und Durchzügler). Es ergibt Hecht 59 sich für 2003 eine Gesamtfischentnahme von 840 Tonnen. Güster 50 Von dieser Fischentnahme konnte auf der Basis Karpfen 42 von Speiballen- und Kotuntersuchungen, sowie Kaulbarsch 42 einer Experteneinschätzung auf die Entnahme der einzelnen Fischarten geschlossen werden. Zander 17 Für Aal, Schleie, Hecht und Zander, die für die Rotfeder 4 Seen- und Flussfischerei wichtigen Arten, ist Ukelei 3 die Entnahme auf 250 t geschätzt, 109 t davon entfallen auf den Aal. Die ermittelten Fisch- Rutte (Quappe) 2 entnahmemengen durch Kormorane sind nicht unmittelbar einem fischereilichen Ertragsausfall Beim Aal rekrutieren sich die Bestände seit 1970 gleichzusetzen, da die meisten Fischarten Ver- ausschließlich aus Besatz, da keine natürlichen luste z. T. kompensieren können: durch erhöhte Aufstiegsmöglichkeiten bestehen. Bezogen auf die Reproduktion, höheres Überleben oder besseres von Berufsfischern und Anglern bewirtschaftete Wachstum. Für Schleie, Hecht und Zander konnte Gewässerfläche beträgt die Aalentnahme durch

54 den Kormoran 1,4 kg/ha oder 750.000 Aale. · Besatz und natürliche Rekrutierung Durch die bekannte Fangrate der Berufsfischer · Fischereiliche Produktivität der Gewässer lässt sich der Ertragsausfall für 2001 – 2003 auf 83 t oder 1,1 kg/ha beziffern. · Befischungsintensität Der zweite Ansatz, den Ertragsausfall durch den · Beangelungsintensität Kormoran aus der Seen- und Flussfischerei ab- · Gewässerbau, Renaturierung, Verschmutzung zuschätzen, erfolgte aus den Ertragsrückgängen · Fischkrankheiten – sie gingen seit Anfang der 90er Jahre in Bran- denburg stark zurück. Bei den Massenfischarten · Kormoran gingen die Erträge schlagartig von 45 kg/ha auf Von diesen Faktoren haben sich als relevant 10-15 kg/ha zurück. Auch die Wirtschaftsfisch- erwiesen: natürliche Rekrutierung, Besatz, arten sind betroffen: Aal 6,4 kg/ha zu 2,5 kg/ha, Produktivität der Gewässer und Intensität der Zander 2 kg/ha auf 1,4 kg/ha und Karpfen Berufsfischerei sowie der Kormoran. Aufgrund 10,1 kg/ha auf 1,0 kg/ha. der unzureichenden Daten für andere Fischarten Für die Veränderung von Fangerträgen kann konnte wiederum nur der Aal zur Abschätzung eine Reihe von Faktoren verantwortlich sein, des Kormoraneinflusses näher untersucht werden. von der folgende als mögliche Ursachen unter- sucht wurden:

Aalfang Brandenburg kg/ha 9

8 Prognose

7

6

5

4

3

2 Ertrag

1

0

1976 '78 '80 '82 '84 '86 '88 '90 '92 '94 '96 '98 2000 '02 '04 '06 '08

Aalfang Prognose und Ertrag: durch Aufstiegsmöglichkeiten liegt der Ertrag anfangs über der auf ausgesetzten Aalen basierenden Prognose – später fällt der Ertrag durch Kormorane darunter

55 Da sich die Bestände seit 1970 ausschließlich aus in derselben Größenordnung ergeben.Nun lässt Besatz rekrutieren, ist eine gute Ertragsprognose sich der Verlust durch eine betriebswirtschaft- für die Gewässer Brandenburgs möglich. liche Kennzahl (Deckungsbeitrag I) für einen Zwischen dem prognostizierten und dem tat- durchschnittlichen brandenburgischen Seen- und sächlichen Ertrag klafft eine Differenz: anfangs Flussfischereibetrieb berechnen. In Brandenburg liegt der Ertrag noch über der Prognose – das gibt es 137 hauptberufliche und 111 Nebener- erklärt sich aus der natürlichen Aalzuwanderung werbsbetriebe. in zurückliegenden Jahren. Dann fällt der Ertrag Durch die Aalentnahme des Kormorans sinken unter die Prognose und verläuft einige Jahre pa- die Eigenfangerlöse eines durchschnittlichen rallel zu ihr (1987 bis 1994), im Weiteren öffnet Fischereibetriebes um ca. ¤ 11/ha, bezogen sich die Schere – die Differenz zwischen Progno- auf den Deckungsbeitrag entspricht das einem se und Ertrag wird größer. Der Rückgang in der Verlust von 40%. Prognose ab 1990 liegt in erster Linie in geringeren Besatzmengen des Aals. Bei einer konservativen Nicht berücksichtigt sind weitere, derzeit nicht Interpretation der Differenz zugunsten des quantifizierbare Schadenspotentiale durch den Kormorans unter Berücksichtigung der anderen Kormoran: Ertragseinbußen bei anderen Wirt- Einflussfaktoren lässt sich dem Fischfresser ein schaftsfischen oder Rückgang des Angelkarten- Aalertragsausfall von 1,1 kg/ha zuschreiben. verkaufs. Somit haben zwei unabhängige Schätzverfahren einen Ertragsausfall für den Wirtschaftsfisch Aal

Deckungsbeitrag eines durchschnittlichen Seen- und Flussfischereibetriebes in Brandenburg

Allein durch die Aal- Position mit Kormoran ohne Kormoran entnahme sinkt der Deckungsbeitrag eines durchschnittlichen Marktleistung Preis Ertrag Erlöse/Kosten Ertrag Erlöse/Kosten Fischereibetriebes um (€/kg) (kg/ha) (€/ha) (kg/ha) (€/ha) ¤ 11.-/ha oder um 40%. Aal 10,00 2,46 24,60 3,46 34,60 Zander 4,75 1,38 6,56 1,38 6,56 Hecht 2,50 1,65 4,13 1,65 4,13 Kleine Maräne 5,75 0,51 2,93 0,51 2,93 Karpfen 2,20 1,02 2,24 1,02 2,24 Schleie 2,80 0,44 1,23 0,44 1,23 Sonst. Speisefische 3,50 0,60 2,10 0,60 2,10 Summe Martkleistung 43,79 53,79

Variable Kosten Besatzkosten (abz. Aalförderung) 21,00 21,00 Variable Maschinenkosten 5,88 6,76 Risikoansatz 0,11 0,14 Zinsanspruch Umlaufvermögen 0,79 0,79 Saisonarbeitskräfte 1,21 1,21 Summe variable Kosten 28,99 29,90

Deckungsbeitrag I 14,80 23,89

56 Kormoranschäden im Überblick In Bayern ergeben sich folgende Konsequenzen der Schäden:

Artenschutz: · Bestandseinbrüche an Fließgewässern vor · Schäden in Teichwirtschaften Bestandseinbrüche und allem im Voralpenbereich Vor allem Teichwirte in Nordbayern sind in Gefährdung von lokalen Bestandseinbrüche gibt es hier bei der stark der Karpfenwirtschaft betroffen. Der Schaden Populationen der Fische gefährdeten Äsche und der Forelle sowie bei entsteht durch den Fraß von Fischen sowie in Fließgewässern sind Mittelstreckenwanderern wie der stark gefähr- durch Verletzungen – verletzte Fische können die gravierendsten deten Nase, der gefährdeten Barbe, dem Hasel, nicht mehr vermarktet werden. Schadens- Artenschutzprobleme und dem Aitel. Dadurch ist die ökologische wirksam ist auch die Verängstigung von durch Kormoranfraß. Funktionsfähigkeit des Systems gestört. Fischen. Sie drücken sich in von Kormoranen beflogenen Teichen an die Ufer, fressen nicht Übermäßiger Kormo- · Gefährdung von Populationen ausreichend, bleiben im Wachstum zurück und ranfraß mindert den Mancherorts werden Populationen von ein- sind krankheitsanfällig. Vom Kormoran auf- Verkehrswert von heimischen Fischen so sehr beeinträchtigt, dass gesucht werden auch die Forellenteiche in Gewässern – eine ihre Bestandserhaltung auf längere Sicht be- Süd- und Ostbayern. Beeinträchtigung des droht ist: Jungfische erreichen nicht das laich- Eigentums. fähige Alter, größere laichfähige Fische sterben · Schäden der Berufsfischerei an den aus. Voralpenseen Fang und Verletzung von wirtschaftlich rele- · Beeinträchtigung der genetischen Qualität vanten Fischen durch den Kormoran schlagen Zum Verlust genetischer Vielfalt bei bedrohten hier zu Buche, ebenso wie auch der Raub von Populationen kommt noch ein weiterer Effekt: gefangenen Fischen aus den Netzen im Wasser Äschen z.B. zeigen spezifische genetische und die Beschädigung der Netze. Strukturen in den jeweiligen Gewässersystemen. Es war üblich, Laichäschen aus dem Gewässer- einzugsgebiet zu entnehmen, um die gewässer- Gesellschaftliche Konsequenzen: typische Brut für den Besatz zu ziehen. Heute · Reduziertes Freizeitangebot können oft nicht mehr genügend Laichäschen Die gesunkene Produktivität der Gewässer aus den lokalen Gewässern zum Abstreifen resultiert in geringeren Angelmöglichkeiten. entnommen werden. Da das bayerische Auf diese Weise hat der Kormoran einen Fischereigesetz den Besatz mit dem Gewässer Einfluss auf einen wichtigen gesellschaftlichen angepassten Besatzfischen vorschreibt, kommen Aspekt, die Freizeitmöglichkeiten in der die Fischereiberechtigten in Bedrängnis. Bevölkerung. · Geringere Attraktivität des Vereinswesens Ökonomische Verluste: Der Rückgang von Angelmöglichkeiten · Minderung des Verkehrswertes von Gewässern schlägt sich auch in einer Zurückhaltung nieder, Durch die verringerte Produktivität und die den Fischereivereinen beizutreten. Das Preis- erschwerte fischereiliche Bewirtschaftung ist Leistungsverhältnis stimmt nicht mehr. der Pachtwert der Gewässer gesunken – eine · Kulturelle Verarmung empfindliche Beeinträchtigung des Eigentums. Traditionen der Berufs- und Teichwirtschaft sind Diese Wertminderung betrifft unterschiedliche rückläufig oder verschwinden. Der Berufsstand Gewässer: Fischteiche zur Erzeugung von ist gefährdet. Speisefischen, Baggerseen und Fließgewässer für die Angelfischerei. · Geringeres Angebot an Fischen Erträge aus Berufs- und Angelfischerei mit diesem gesunden Nahrungsmittel sind geschmälert.

57 Begrenzung von Schäden

Ein gesamteuropäischer Maßnahmenplan zur Das erfolgt durch einen Eingriff in die Anzahl Begrenzung des Kormorans ist zum heutigen der Vögel, im Wesentlichen durch Abschüsse Zeitpunkt nicht in Sicht. Ein gemeinsamer Plan mit dem Ziel, die Zahl der Brutvögel zu redu- ist auch auf EU-Ebene nicht erkennbar – so zieren. Nach diesem Szenarium müssten auch wünschenswert diese großräumigen Ansätze zur Jungvögel und Nichtbrüter entnommen werden. Problemlösung auch wären. Die EU ermuntert in · Durch indirekte Steuerung der Population. dieser Zeit des Handlungsbedarfes ihre Mitglieds- In diesem Ansatz wird dem Kormoran der staaten, nationale Lösungen auszuarbeiten. Zugang zu Nahrung, Schlaf- und Brutplätzen Das ist das zweitbeste Vorgehen. Es führt verleidet. Das kann durch Vergrämung an Fließ- zwangsläufig zu einem bunten Flickenteppich und Stillgewässern erfolgen oder durch das von nationalen Lösungen und keinem schlüssigen Überspannen von Fischteichen. In diesem Falle Gesamtkonzept. Zwei Beispiele: in Dänemark würde die Populationskontrolle über so genannte beschloss die Regierung, die Zahl der Brut- Dichteeffekte erfolgen, wodurch Kormorane kolonien zu halbieren. Eine Reihe von Kolonien ihre Population dem verbleibenden Lebensraum ist bereits aufgelöst. In Holland, dem Land mit anpassen. den ältesten Kolonien, ist die Stimmung in der Beide Szenarien haben nach wie vor ihre logische Bevölkerung ganz ausgeprägt gegen Eingriffe. Gültigkeit – beide Szenarien sind nicht ohne Nachteile. Die rasante Entwicklung des Kormorans und die durch ihn verursachten Schäden haben schon Wer Kormorane wir- vor Jahren Fachleute auf internationaler Ebene Vergrämung – ein Lernprozess kungsvoll vergrämen zusammengeführt. Im Jahre 1996 wurden in Von Vergrämung spricht man, wenn den Tieren will, muss die ver- Lelystad, Niederlande, zwei verschiedene Szena- in einem bestimmten Gebiet unangenehme haltenskundlichen rien aufgezeigt, um die Kormoranpopulation in Erfahrungen bereitet werden, sodass sie dieses Grundlagen verstehen Europa zu begrenzen: Gebiet in Zukunft aus eigenem Antrieb meiden. und auch den hohen · Durch direkte Steuerung der Population. An Fließgewässern ist eine Vergrämung nur dann Zeitaufwand kennen.

Zunahme des Wallers ungeschützt am einflügen unmittelbar“ auf Kosten von Zander Böschungsfuß, und die weiß der Fachmann. und Hecht ist eklatant“. Junghechte verlieren “Dann sind die jungen Michael von Siemens ihre ufernahen Ver- Zander und Hechte aus erklärt den Mecha- stecke, wenn zu Beginn der Stichprobe davor nismus am Beispiel des Winterhalbjahres weitgehend weg, der bayerischen der Wasserstand fällt viele der Verbliebenen Donau:“Waller sind und das Kraut abstirbt. zeigen Verletzungen. nachtaktiv, Kormorane Bildet sich dann keine Schon mit zwei Jahren nicht – die sehen sich schützende Eisdecke wird der Waller für den Michael von Siemens nicht oft“ und er führt werden kleine Hech- Vogel zu groß, dann Fischbiologe weiter aus: “Junge te und Zander für ist er ohne Unterstand Waller im Vormarsch Waller stecken tags- Kormorane zur geschützt – Für Hechte über in den lücken- leichten Beute“. und Zander gilt das Seit über 20 Jahren reichen Steinverbau- nicht“. ist der Fischbiologe “Wir sehen diese ungen. Diese künst- im Rahmen gewässer- Entwicklung seit dem Michael von Siemens: lichen Uferbefestigun- ökologischer Unter- Auftauchen der Kor- “Der Vormarsch des gen sind kormoransi- suchungen an der morane in ganz Bayern Wallers ist mittlerwei- chere Refugien für ihn. Erhebung von Fisch- und wir beobachten le eine europaweite beständen beteiligt; Kleine Zander hin- die Wirkung nach Erscheinung“. seine Erfahrung: “Die gegen stehen eher starken Kormoran-

58 ausreichend wirksam, wenn auch Vögel geschos- verschiedener Beteiligter berührt werden – das Konflikte über die sen werden. Gelegentlich wird das Schießen von liegt in der Natur der Sache. Schwerwiegend Schadensregelung Kormoranen unzutreffend als „letale Vergrämung“ ist der Konflikt nicht durch seine ökonomische bei Kormoranen sind bezeichnet, denn vergrämt werden sollen jene- Dimension, die finanziellen Verluste und Kosten; besonders heftig. Vögel, die nicht geschossen werden, sie erleben schwerwiegend ist der Konflikt auch nicht wegen Die Erarbeitung von vielmehr den Abschuss eines Artgenossen. Wird des schwer zu durchschauenden Sachverhalts. tragfähigen Lösungen aus einem Trupp von Kormoranen ein Vogel erfordert neue Ansätze Der wichtigste Grund für die Heftigkeit liegt in geschossen, so erkennen die anderen durch das der Konfliktlösung. einem Wertekonflikt der Interessengruppen: Verhalten des Getroffenen eine bedrohliche Fischer sehen ihre Interessen nur dann gewahrt, Gefahr. Sie meiden Menschen, die sich wie wenn eine wirkungsvolle Schadensbegrenzung Schützen verhalten, sie lernen auf den Knall zu erfolgt – und die impliziert den Abschuss von reagieren und, was für Vergrämung Voraus- Kormoranen. Vogelschützer und manche Natur- setzung ist: sie lernen den Ort des Geschehens schützer haben mit der Tötung von Vögeln ein mit Gefahr zu verknüpfen. Die Vergrämung grundsätzliches Problem. Das geht oft einher an einem Gewässer ist dann nachhaltig, wenn mit einem geringen Verständnis für die Fischerei, Kormorane ausreichend oft mit dem negativen insbesondere die Angelfischerei. Ereignis konfrontiert werden. Konflikte sind in der Regel nicht rasch auszuräu- Aus diesen ethologischen Gesetzmäßigkeiten der men, schon gar nicht Wertekonflikte. Kormoran- Vergrämung resultiert Folgendes: Vergrämung ist gespräche und runde Tische der Interessen- eine Daueraufgabe, da die Vögel ausreichend oft gruppen bringen die Dinge deshalb nicht gut mit den störenden Ereignissen konfrontiert wer- voran; sie verhärten oft nur die Standpunkte. den müssen. Das wiederum resultiert in hohem Auch die oft geäußerte Hoffnung, eine bessere Personalaufwand, den aufzubringen es oft nicht Datengrundlage würde schon zur Konfliktlösung gelingt. Die Vergrämung ist auch dann schwierig, beitragen, ist ebenso nicht berechtigt. wenn es sich um durchziehende Vögel handelt, die eine bestimmte Strecke noch nicht mit Gefahr Der Weg zu tragbaren Lösungen für alle Seiten verbinden. führt über einen Konfliktlösungsprozess. In diesem arbeiten die verschiedenen Interessen- Hier ist eine besonders starke Präsenz der ver- vertreter unter Beteiligung eines geschulten grämenden Personen erforderlich.Die Wirksamkeit Dritten (eines Mediators) nach selbst festgelegten einer Vergrämung hängt nicht davon ab, wie Regeln in einer Reihe von Schritten gemeinsam viele Kormorane geschossen werden. Wichtig ist, an Lösungen. Zu den Schritten gehört zunächst dass die potentiellen Besucher eines Gewässers die Entwicklung eines allgemeinen Problem- ausreichend oft schlechte Erfahrungen erleben verständnisses, in dem auch die Sichtweisen und dass sie die schlechten Erfahrungen auch an und Interessen der anderen Seite verinnerlicht den konkreten Gewässern erleben, an denen sie werden; gehört auch der Aufbau von Vertrauen, vergrämt werden sollen. insbesondere durch das gemeinsame Erheben Viel Aufwand wurde in europäischen Ländern von Grundlagen; gehört die gemeinsame und und Nordamerika betrieben, um effektive Ver- konsensorientierte Suche nach Lösungen. Es ist grämungsmethoden für den Kormoran zu entwi- eine alte Erfahrung, dass Konfliktpartner eine ckeln und zu erproben. Es hat sich gezeigt, dass Lösung nur dann mittragen, wenn sie auch an der Gewöhnungseffekt der Vögel an Störungen der Ausarbeitung beteiligt waren. Es ist nicht aller Art groß ist. An Fließgewässern und großen wichtig, dass alle Beteiligten von den gefundenen Stillgewässern sind Vergrämungen nur dann Lösungen begeistert sind, es genügt schon, wirksam, wenn auch Vögel geschossen werden. wenn Skeptiker eine Lösung tolerieren. Ein Kon- fliktlösungsprozess passiert nicht von selbst. Es Konfliktmanagement ist Aufgabe von Politik und Verwaltung, diesen In der Kormoranfrage prallen die Standpunkte Prozess in Gang zu setzen. aufeinander: Positionen sind verhärtet, es gibt Unterstellungen und Schuldzuweisungen, man Beispiel Konsensfindung: hört vereinfachte Aussagen wie „der Kormoran Maßnahmenplan Schweiz frisst die Gewässer leer“ oder „in natürlichen Gewässern machte der Kormoran keinen Scha- Zur Problemlösung hat die zuständige Bundes- den“. Wellen der Emotionen schlagen hoch. Die behörde (BUWAL) eine Arbeitsgruppe „Kormoran Kormoranfrage ist ein klassischer Konflikt, ein und Fische“ ins Leben gerufen, an der die wich- besonders schwerwiegender noch dazu. Schwer- tigsten Interessengruppen vertreten waren: die wiegend ist der Konflikt nicht, weil die Interessen für Fischerei, Jagd- und Vogelschutz zuständigen

59 Fachstellen des Bundes und der Kantone, die · Nichteingriffsgebiete Forschungsstellen für Fischerei und Ornithologie, Seen über 50 ha Fläche und Flussstaue, in sowie die Interessenvertreter der Angelfische- denen keine Abwehrmaßnahmen stattfinden. rei, der Berufsfischerei, des Naturschutzes und Hier hat der Schutz von Wasservögeln Priorität. des Vogelschutzes. Der Auftrag an die Gruppe · Überlappungsgebiete lautete, Vorschläge auszuarbeiten, die den Kon- Hier überschneiden sich die Interessenslagen flikt mit der Fischerei und dem Fischartenschutz von Fischerei und Vogelschutz. Deshalb gibt es minimieren, ohne dabei die zahlreichen Was- Abwehrmaßnahmen an größeren Seen – meist servögel an den Seen übermäßig zu stören. In Abschüsse von Kormoranen an Netzen von jüngster Zeit war die Schweiz das erste Alpen- Berufsfischern. Oder es führt zum Verzicht von land mit größeren Winteransammlungen: an die Abwehrmaßnahmen in wichtigen Wasservogel- 8.400 Kormorane verbrachten den Winter Mitte gebieten an Fließgewässern. der 80er Jahre an den großen Seen – die meisten am Genfer See, Zuger See und Bodensee. In den Der Maßnahmenplan 1995 stellte auch die Wei- Jahren danach nahm die Zahl der Überwinterer chen für eine gute Dokumentation der durchge- auf 5.500 ab. Grund war die Reduktion der führten Maßnahmen und ihrer Wirkungen. Fischbestände in den Seen durch den Kormoran Eine Erfolgskontrolle nach 10 Jahren kam zu selbst, was auch zum Rückgang der Erträge folgendem Ergebnis: fließgewässernahe Schlaf- in der Berufsfischerei führte. Die Berufsfischer plätze haben abgenommen, Äschenbestände am erlitten auch zusätzlich wirtschaftliche Einbußen Hochrhein und anderen Fließgewässern zeigen durch verletzte und nicht vermarktbare Fische eine gewisse Erholung, die Fische geringere sowie durch die Beschädigungen der Netze durch Verletzungsraten. Kormorane. In Eingriffsgebieten führen Abwehrmaßnahmen Auch in den Fließgewässern machte sich der gelegentlich zu Nebenwirkungen auf andere Kormoran bemerkbar, wenngleich dort für den Wasservögel. Demgegenüber steht eine Beru- Rückgang der Fische auch andere Faktoren eine higung in Nichteingriffsgebieten, da auch die Rolle spielten. Betroffen waren in erster Linie allgemeine Wasservogeljagd oft nicht ausgeübt Äschen- und Forellengewässer. Ein erster Maß- wurde. Außerordentlich hoch war der Personal- nahmenplan konnte 1995 vorgelegt werden. aufwand für Abwehrmaßnahmen – engagiert Ihm liegt folgende Absicht zugrunde: Kormorane waren viele Freiwillige, zusätzlich zu den ange- werden in der Wahl ihrer Nahrungsplätze so stellten Wildhütern. beeinflusst, dass ihr Einfluss auf die Fischbestände Als wichtigste Veränderungen für den Zeitraum an den Fließgewässern abnimmt, sich die 1995-2003 zeigte sich auch, dass bei gleich blei- schwarzen Vögel an den größeren Seen konzen- bendem Gesamtbestand in der Schweiz die nicht trieren. Dort unterbleiben Abwehrmaßnahmen, mehr ziehende Sommerpopulation angestiegen um andere Wasservögel nicht zu stören. Das war. Die Vögel haben inzwischen begonnen, in Die Minderung der führt zu folgender Zonierung der Gewässer: der Schweiz zu brüten. Nahrungsangebot und Schäden durch Kormor- · Eingriffsgebiete Nahrungszusammensetzung haben sich deutlich anfraß bei gleichzeitiger Fließgewässer und Kleinseen bis 50 ha, in verändert – es gibt nicht mehr den Fischbestand Vermeidung der Störung welchen Maßnahmen zur Kormoranvergrämung der früheren Jahre. Der Wissensstand über von Wasservögeln ergriffen werden. Hier hat der Fischartenschutz Kormorane, Fische und Wasservögel hat sich führt zu Zonierung der Priorität. stark verbessert. Ein im Jahr 2005 vorgelegter, Gewässer.

60 revidierter Maßnahmenplan hält an den be- Schadenskontrolle – rechtlicher Rahmen währten Grundzügen seines 10 Jahre alten Auf EU-Ebene leitet sich der Schutzstatus des Durch einen „günstigen Vorläufers fest. Kormorans aus seiner Zugehörigkeit zu den Erhaltungszustand“ Er geht nach wie vor davon aus, dass Abschüsse „wildlebenden Vogelarten“ im Sinne des Art. I gelten Kormorane nicht nicht zum Ziel haben, den Kormoranbestand in der EU-Vogelschutzrichtlinie ab. Wegen seines mehr als besonders der Schweiz zu reduzieren. Vielmehr wird durch inzwischen erreichten „günstigen Erhaltungs- gefährdete Art, sind Einzelabschüsse und andere Abwehrmaßnahmen zustandes“ ist er aus der Liste der besonders aber geschützt. Obwohl sowie Schutzbereiche der Kormoran in seiner gefährdeten Arten (dem Anhang I der Vogel- nicht „jagdbar“, sind in Raumnutzung gelenkt. schutzrichtlinie) gestrichen. In der Liste der den EU-Ländern Aus- jagdbaren Arten (Anhang II) ist er jedoch nicht nahmegenehmigungen Neu im revidierten Maßnahmenpaket ist die enthalten. zur Tötung zulässig. Ausweitung von Abwehrmaßnahmen auf den Auf nationaler Ebene ist der Kormoran als Sommerbestand. Neu ist auch ein Konfliktlösungs- „europäische Vogelart“ eine „besonders ausschuss, der angerufen werden kann, wenn geschützte Art“ (§10 BNatSchG). Die Länder „die Zahl der Brutkolonien auf fünf oder mehr können jedoch durch Ausnahmegenehmigun- ansteigt oder wenn sich mehr als zwei Kolonien gen die Tötung von Kormoranen zulassen – zur an einem See bilden; wenn die Brutpopulation Abwendung von erheblichen fischereiwirtschaft- auf mehr als 100 Paare in der Schweiz steigt; die lichen Schäden und zum Schutz der heimischen Netzschäden an einem See untragbare Ausmaße Tierwelt (§ 43 Abs. 8 Satz 4 BNatSchG). annehmen oder eine ungewöhnliche regionale Problemsituation festgestellt wird“. Diese Ausnahmen geschehen im Rahmen von so genannten Kormoranverordnungen, sie orientieren Die Arbeitsgruppe „Kormoran und Fische“ hat sich an einer vom Bundesumweltministerium mit der Ausarbeitung der Maßnahmenpläne formulierten und mit der EU abgestimmten Mus- 95 und 05 einen bemerkenswerten Problem- terverordnung. lösungs- und Konfliktlösungsprozess durchlaufen. Die Interessenvertreter konnten die Vorschläge In Deutschland haben inzwischen neun Länder mittragen bis auf die Berufsfischer – sie schultern eine Kormoranverordnung erlassen: Mecklen- wohl die schwerste Last. Die Probleme mit dem burg-Vorpommern (2003), Niedersachsen (2003), Kormoran sind keineswegs aus der Welt: Thüringen (2004), Baden-Württemberg (2004), inzwischen gibt es Gründe, den Konfliktlösungs- Bayern (2004), Brandenburg (2004), Nordrhein- auschuss einzuschalten. Westfalen (2006), Schleswig-Holstein (2006) sowie Sachsen (2007).

61 Forderungen des Landesfischereiverbandes

Kormoranabschuss Bayern

Anzahl 9000

8000

7000

6000

5000

4000

3000

2000

1000

0 94/95 95/96 96/97 97/98 98/99 99/2000 00/01 01/02 02/03 03/04 04/05 05/06

Abschuss gemeldet Mittelwert Zählungen Winterhalbjahr Gemeldeter Kormoranabschuss auf Basis der Kormoranverordnung: Vergrämung reduziert Zählergebnisse nicht

Zur Kormoranverordnung Bayern Als Vorreiter hat Bayern in Deutschland als erstes diese Entnahme keinen erkennbaren Einfluss auf Abschüsse haben lokal Land eine Kormoranverordnung erlassen, sie trat die in Bayern im Winter gezählten Kormorane zu wirksamer Vergrä- im August 1996 in Kraft. In ihrer Fassung vom ausgeübt hat – der Abschuss war manchmal so mung geführt. Die 27. Juli 2004 wird Personen, die zur Ausübung groß wie der Durchschnitt der im Winterhalbjahr Schadenslage in Bayern der Jagd befugt sind, gestattet, Kormorane in gezählten Vögel. Anfangs wurde auch die ist insgesamt noch der Zeit vom 16. August bis 14. März in einem Meinung vertreten, dass der Abschuss deshalb gravierend. Umkreis von 200m von Gewässern zu töten. in der Schadensbegrenzung unwirksam sei. Von der Gestattung ausgenommen sind National- Heute weiß man, dass die bisherige Höhe des parke, Naturschutzgebiete, durch Verordnung Abschusses in Bayern (und auch die Abschüsse ausgewiesene EU-Vogelschutzgebiete und in Europa) innerhalb der Kompensationsfähigkeit geschützte Feuchtgebiete. Weiter sind ausge- der Kormoranpopulation liegen und ausgeglichen nommen die großen Voralpenseen und weitere werden können. Abschüsse zielen auch nicht Seen (insgesamt 21 an der Zahl) sowie die Fluss- primär auf die Reduktion der Kormoranpopulation, abschnitte an der Donau, abwärts von Regens- sondern auf eine Vergrämung und räumliche burg; am Main abwärts von Würzburg; der Inn Steuerung der Vögel. in Niederbayern; die Isar ab Landshut jeweils mit Die Abschüsse von Kormoranen in den letzten Ausnahme der 500-Meterbereiche flussabwärts Jahren haben in Bayern lokal zu einer gewissen der Wehre. Abwehr von Schäden geführt und zu einer Auf der Basis der bayerischen Kormoranverord- begrenzten Erholung von lokalen Fischbeständen. nung wurden jährlich zwischen 2.500 und 7.500 In weiten Bereichen sind die Probleme noch Kormorane als geschossen gemeldet. Nach den ungelöst. Eine besondere Schwierigkeit stellt ersten Jahren der Erfahrung mit dem Kormoran- der für eine wirksame Vergrämung erforderliche abschuss war man überrascht zu sehen, dass personelle Aufwand dar.

62 Die Ausweisung von EU-Vogelschutzgebieten Nach der Kormoranverordnung in Niedersachsen Ein bayernweites in Bayern im Jahre 2006 per Verordnung hat die von 2003 sind Inhaber von Teichwirtschaften Konzept und Maß- Möglichkeiten zur Vergrämung an vielen Gewäs- und deren Beauftragte auch dann zum Abschuss nahmenpaket zur sern deutlich eingeschränkt. Dies hat zu einer von Kormoranen berechtigt, wenn sie weder Schadensregelung Vielzahl von Anträgen auf Kormoranabschuss in jagdausübungsberechtigt sind noch einen Jagd- bei Kormoranen wird Vogelschutzgebieten geführt. Bei der heutigen schein haben – sie müssen die waffenrechtlichen angeregt. Schadenslage, der Entwicklung der Kormorane Voraussetzungen haben. Jungvögel der Kormo- in Europa und Bayern ist es erforderlich, die rane dürfen an Teichanlagen ganzjährig getötet Kormoranverordnung anzupassen. Eine wirksame werden. Vergrämung erfordert rasche und unbürokratische Entscheidungen in den Behörden sowie die Beseitigung von unnötigen Restriktionen. Ein Konzept für Bayern Kormoranverordnungen in anderen Ländern In der Summe geben lokale Abschüsse bzw. geben dazu Beispiele: Nach der Sächsischen Vergrämungen noch kein schlüssiges, landes- Kormoranverordnung von 2007 dürfen – weites Konzept. Die Autoren dieser Broschüre anders als in Bayern – Betreiber von Anlagen der regen zusätzlich an: unabhängig von der vor- Teich- und Fischzucht sowie die zur Ausübung dringlichen Umsetzung dieser Maßnahmen ist des Fischereirechtes und von ihnen beauftragte eine Arbeitsgruppe einzurichten mit dem Auf- Personen Kormorane töten, sofern sie Inhaber trag, im Konsens ein räumlich explizites Konzept eines Jagdscheines sind. Auch ist die Zeit auf für Bayern zu erarbeiten. Zu erarbeiten ist auch eine Stunde nach Sonnenuntergang (in Bayern: ein Maßnahmenpaket, das neben der Vorbeu- Sonnenuntergang) ausgedehnt. Darüber hinaus gung und Begrenzung von Kormoranschäden an können die berechtigten Personen mit Zustim- den Gewässern den Schutz von Wasservögeln mung des Grundstückseigentümers die Ent- mit einbezieht, Wissenslücken aufzeigt sowie stehung von Brutkolonien verhindern. eine Erfolgskontrolle einschließlich eines Monito- rings und dessen Organisation entwirft.

Der Landesfischereiverband fordert daher im Einzelnen:

· Vereinfachung der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen. Um Anträge zur Kormoranvergrämung rasch zu bescheiden, ist die Zuständigkeit auf die Kreis- verwaltungsbehörde zu übertragen. Hier, an der Unteren Naturschutzbehörde, können den örtlichen Verhältnissen angepasste Entscheidungen getroffen werden. · Neuanpassung der Schutzbereiche für den Kormoran. Die großen Voralpenseen und viele weitere Seen sowie Abschnitte an den großen Flüssen sind in der geltenden Kormoranverordnung von der Gestattung, Kormorane zur Abwehr von Schäden zu töten, ausgenommen. Die Abgrenzung der Schutzbereiche entspricht nicht der dramatischen Schadenslage in Bayern. · Verlängerung der Zeiträume für den Abschuss von Kormoranen. Eine restriktive Handhabung ist angesichts der drängenden Probleme und des Status der Kormoran- population nicht angebracht. Zur Orientierung der zu bewilligenden Zeiträume für den Kormoran- abschuss dienen Verordnungen in anderen Ländern. · Unterbindung der Gründung weiterer Brutkolonien. Der Kormoran ist als Brutvogel in Bayern ausreichend vertreten. Weitere Brutkolonien würden eine Schadensbegrenzung unnötig erschweren. · Gestattung des ganzjährigen Abschusses an Teichwirtschaften. Eine wirksame Schadensprävention an Teichwirtschaften erfordert eine ganzjährige Vergrämung.

63 Literatur

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65 Glossar

Abfluss Ertragsorientierte Fischerei Menge an Wasser, das durch ein Fließgewässer fließt – Fischereiliche Nutzung, die einen möglichst hohen Er- wird in Volumen pro Zeiteinheit angegeben [m_/s]. trag (Zuwachs der Fischbiomasse) zum Ziel hat. In der Altarm Regel bedeutet das, dass relative junge Fische im ersten Ehemalige Flussschleife, die zumindest zeitweise mit Jahr nach Eintritt der Laichreife gefangen werden. dem Hauptgewässer in Verbindung steht. Durch selektive Fischerei auf entsprechende Größen- klassen kann dieses Ziel erreicht werden. Angelfischerei Freizeitfischen mit der Angel (Rute, Rolle, Schnur, Fischaufstiegshilfe Köder) – Gründe zur Angelfischerei sind nicht nur Künstliche Wandermöglichkeit für flussaufwärts wan- Fischfang, sondern auch Erholung und Naturerlebnis. dernde Fische, z.B. Fischtreppen, Schlitzpässe, Umge- Die Angelfischerei ist in der Regel bestandsorientiert hungsgerinne. Sie werden in der Regel an künstlichen (s.u.). Barrieren (Wehre, Staudämme) angebracht, um Fischen Wanderungen zu ermöglichen. Aquakultur Künstliche Zucht und Aufzucht von Fischen – in Bayern Fischbesatz vor allem Teichwirtschaft. Die Aquakultur leistet heute Das Einbringen von Fischen in Gewässer – Besatz ist den Großteil der Fischproduktion in Bayern, Aqua- Teil der fischereilichen Bewirtschaftung und Hege in kulturfische sind in Bayern vor allem Karpfen und Gewässern mit Lebensraumdefiziten. Regenbogenforellen. Fischbestand Berufsfischerei Menge an Fischen in einem bestimmten räumlichen Kommerzielle Fischerei in Bayern, vor allem mit Stell- Gebiet; im Gegensatz zu einer Fischpopulation ist es netzen und Reusen, wird an vielen bayerischen Seen bei einem Bestand unerheblich, ob er eine Fortpflan- und großen Flüssen praktiziert. Sie ist mehr ertrags- zungsgemeinschaft bildet. (Der europäische Aal bildet orientiert (s.u.) als die Angelfischerei. Zur Berufsfischerei z.B. nur eine einzige Population, weil sich die Fische zählt auch die Aquakultur (Teichwirtschaft), die Fische an einem Laichplatz fortpflanzen. Man kann aber sehr züchtet und mästet. wohl Aalbestände des Rheins, des Mains oder eines Sees unterscheiden.). Bestandsorientierte Fischerei Fischereiliche Nutzung, die einen Fischbestand be- Fischbiomasse stimmter Qualität zum Ziel hat, z.B. hohe Artenvielfalt, Gewichtsmäßiger Fischbestand, meist ausgedrückt in viele Laichfische, Dominanz bestimmter Arten und kg/ha. Größen. Durch selektive Fischerei auf bestimmte Arten Fischdichte und Größenklassen kann dieses Ziel erreicht werden. Zahlenmäßiger Fischbestand, meist ausgedrückt in Anzahl Fischindividuen pro ha. Einzugsgebiet Für jeden Abschnitt eines Gewässers lässt sich das Fischereiberechtigter Gebiet angeben, aus dem alles Wasser dieser Stelle Inhaber oder Pächter des Fischereirechts an einem zufließt. Die Grenze des Einzugsgebiets wird über die Gewässer. Er hat das Recht zur fischereilichen Nutzung Wasserscheide markiert. und zur Vergabe von Angellizenzen im Rahmen des Fischereigesetzes und örtlicher Bestimmungen. Elektrofischfischen Fang von Fischen mittels Elektrofischerei. Fische Fischereirecht werden mittels Strom angezogen und betäubt. Die Grundstücksgleiches Eigentumsrecht, welches die Methode ist genehmigungspflichtig und nur in be- fischereiliche Nutzung unter Beachtung weiterer gründeten Fällen, z.B. zur Bestandsaufnahme, Gesetze (z.B. Fischereigesetz) erlaubt. Es ist losgelöst genehmigungsfähig. vom Grundbesitz. Ertragsfähigkeit Fischkarte (-erlaubnis) Fischmenge, die unter natürlichen Bedingungen vom Angellizenz – materielle Erlaubnis zum Fischen in Gesamtfischbestand abgeschöpft werden kann, ohne einem Gewässer, sie wird vom Fischereiberechtigten langfristig negative Auswirkungen auf den Gesamt- (Fischereirechtsinhaber oder -pächter) ausgestellt. bestand zu haben. In der Literatur wird ca. 20 bis 30 Zusätzlich ist in Deutschland der staatliche Fischerei- % des Bestands als natürlicher Ertrag angegeben. Die schein (formelle Erlaubnis) erforderlich, der eine Ertragsfähigkeit der meisten bayerischer Gewässer liegt Prüfung erfordert. bei ca. 15 bis 150 kg/ ha.

66 Fischtreppe Kompensationsfähigkeit Siehe Fischaufstiegshilfe. Fähigkeit einer Tier- oder Pflanzenpopulation, einen plötzlichen Bestandsrückgang schnell von selbst wieder Fischwachstum auszugleichen (durch stärkeres Wachstum, niedrigere Zunahme der individuellen Fischgröße – Das Wachs- Sterblichkeit oder höhere Fortpflanzungsraten der übrig tum ist abhängig von der Nahrungsverfügbarkeit und gebliebenen Individuen). der Wasserqualität (insbesondere der Temperatur). Das Wachstum ist bei vielen Fischarten in jungen Krautlaicher Jahren groß und wird mit Eintritt der Geschlechtsreife Fische, die sich in Wasserpflanzenbeständen fortpflanzen, langsamer. dazu zählen viele Fließgewässerfische der Mittel- und Unterläufe sowie Fischarten der Stillgewässer, z.B. genetische Vielfalt Brachse, Hecht, Karpfen. Hohes Maß genetischer Unterschiede innerhalb einer Art oder Population (Gegenbegriff: genetische Ver- Laichhabitat armung, z. B. durch Inzucht). Teil des Gesamtlebensraums einer Fischart, den sie zum Ablaichen und zur Fortpflanzung benötigt. Geschiebe Der Teil der Feststoffe eines Fließgewässers, die am Laichplatz Grund transportiert werden (im Gegensatz zu Schweb- Ort, an dem sich Fische fortpflanzen (laichen) und und Schwimmstoffen). Geschiebe besteht in der Regel sich deren Eier entwickeln. Die unterschiedlichen aus Kies, teils aus Geröll. Arten stellen oft sehr spezielle Anforderungen an ihren Laichplatz. Geschiebetransport Durch den Einfluss der Wasserströmung am Flussgrund Längsverbauung ausgelöste Bewegung von Feststoffen, meistens Kies. Bauwerk, welches entlang eines Fließgewässers er- Die Größe des Geschiebetransports prägt das Aussehen richtet ist, z.B. Uferbefestigungen, Hochwasserschutz- eines Fließgewässers entscheidend. mauern. Längsverbauungen verhindern in der Regel die natürliche Gewässerbettdynamik. Es kommt zu Gewässerstruktur Eintiefungen und Strukturarmut. Die vom natürlichen Fließprozess erzeugte Formen- vielfalt (Prall- und Gleitufer, Mäander, Kolke oder Leitbild Inseln) in einem Gewässerbett. Die Gewässerstruktur Ursprünglicher und unbeeinflusster Zustand eines Ge- ist entscheidend für die ökologische Funktionsfähigkeit: wässers; ermittelt anhand aktueller Referenzstrecken, Je vielfältiger die Struktur, desto mehr Lebensräume für historischer Daten (z. B. topographische Karten bzw. Tiere und Pflanzen. Florabeschreibungen) oder entsprechender Modelle.

Gleithang Leitfischart Innenkurve eines Fließgewässers mit schwacher Fischart, die für einen bestimmten Fließgewässer- Strömung und geringen Wassertiefen. Gegenstück abschnitt besonders charakteristisch ist. Nach den vom Prallhang. In begradigten Gewässern gibt es Leitfischarten werden Fließgewässerregionen (z.B. weder Gleit- noch Prallhänge. Äschenregion, Barbenregion etc.) benannt.

Habitat Mäander Charakteristischer Lebensraum einer Tierart (von Flusswindungen, die bei relativ geringem Gefälle lateinisch habitare = „wohnen“). durch das Pendeln des Stroms entstehen.

Hegeziel Nachhaltigkeit, nachhaltige Nutzung Angestrebter Zustand des Fischbestands und des Ökologisches Prinzip, von einem natürlichen Bestand Gewässers. an Pflanzen (z.B. Waldbäumen) oder Tieren (z. B. Jungfischhabitat Fischen) immer nur soviel zu entnehmen, dass der Lebensraum und Aufwuchsgebiet der Jungfische, Bestand langfristig auf gleichem Niveau bleibt. siehe auch funktionelle Teilhabitate. Ökosystem Kieslaicher Ganzheit von Organismen und Umwelt eines Fische, die sich auf Kiessubstrat fortpflanzen, dazu Lebensraumes (Fluss, See, Ozean, Erde). gehören nahezu alle Fließgewässerfische der Mittel- und Oberläufe, z.B. Äsche, Bachforelle, Barbe, Nase, Streber u.a.

67 Pilotprojekt Totholz „Versuchsprojekt“ bevor ähnliche Maßnahmen in Hier: Zweige, Äste, Wurzelstöcke oder ganze Bäume in großem Maßstab eingesetzt werden. Flüssen und Bächen. Lebenswichtiges Strukturelement, besonders für Fische (Einstand, Schutz). Population Gruppe von Individuen, die eine Fortpflanzungs- Tümpelpass gemeinschaft bilden. Fischwanderhilfe in Form eines Gerinnes, welches eine Wanderbarriere (z.B. Wehr) umgeht, natur- Potentieller Ertrag ähnliche Becken („Tümpel“) aneinander reiht und so Aufgrund der Nahrungsbedingungen und Wasser- die Höhendifferenz überwindet. Wird besonders von qualität möglicher Zuwachs an Fischbiomasse flussaufwärts wandernden Fischen genutzt. Prallhang Überfischung Außenkurve eines Fließgewässers mit starker Strömung Es werden mehr Fische entnommen als nachwachsen, und großer Wassertiefe. Gegenstück vom Gleithang. d.h. es wird mehr als nur der Zuwachs abgeschöpft. In begradigten Gewässern gibt es weder Gleit- noch Die Fischbestände sinken dadurch mittel- und lang- Prallhänge. fristig. Gegenstück zu nachhaltiger Nutzung. Querverbauung Umgehungsbach Bauwerk, welches quer über ein Fließgewässer reicht, An Wehren und Abstürzen angelegte Wanderhilfen z.B. Wehre, Sohlschwellen, Staudämme. Querver- für Fische und andere Flusstiere. bauungen unterbrechen das Gewässerkontinuum. Fischwandermöglichkeiten und Geschiebetransport Vergrämung werden verhindert oder eingeschränkt. Maßnahmen, um die Tieren den Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet so unangenehm zu machen, dass Räuber-Beute-System (-Beziehung) sie dieses Gebiet in Zukunft von selbst meiden. Begriff aus der Ökologie, der die Wechselwirkung zwi- schen zwei oder mehreren Gruppen einer Nahrungs- Weißfische kette bezeichnet. Ein Räuber-Beute-System beschreibt Karpfenartige. die Abhängigkeit der Größe einer Population (Beute) Wintereinstand von der Größe einer anderen Population (Räuber). Aufenthaltsort von Fischen einer bestimmten Art im Regenerationspotential Winter. Der Wintereinstand unterscheidet sich oft von Maß für die Fähigkeit einer Tier- oder Pflanzenpopula- den Orten, die im Rest des Jahres aufgesucht werden. tion, sich nach einer starken Verringerung des Bestand Wintereinstände liegen oft weit auseinander, sind meist von selbst wieder auf den ursprünglichen Stand zu tief und besitzen eine geringe Wasserströmung. erholen. WRRL Renaturierung Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union – Rückführung eines naturfernen Flussabschnitts in einen Sie wurde im Jahr 2000 vorgelegt und ist bereits in naturnahen Zustand. Vor allem durch Wiederherstellung nationales Recht umgesetzt worden. Die Richtlinie bzw. wesentliche Verbesserung der Gewässerstruktur. verlangt die Herstellung des „guten ökologischen Zustandes bzw. Potenzials“ unserer Gewässer bis Reproduktion 2015 und schließt dabei nicht nur die Wasserqualität Fortpflanzung. sondern auch die Gewässerstruktur sowie die Flora Salmoniden und Fauna ein. Zoologischer Begriff für Familie der Lachsartigen, dazu gehören u.a. Äsche, Bachforelle, Lachs, Huchen.

68 Impressum

Herausgeber Landesfischereiverband Bayern e.V. Pechdellerstraße 16 81545 München Telefon (089) 64 27 26-0 Autoren Prof. Dr. Wolfgang Schröder, Wildlife Biology and Management Unit, Technische Universität München Dr. Franz Kohl, Wien (Österreichisches Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz) Dr. Sebastian Hanfland, Landesfischereiverband Bayern e.V., München Grafische Gestaltung pure oxygen design Druck Lang Offsetdruck GmbH&Co.KG Wiesenweg 4c, 85716 Unterschleißheim Abbildungen F. Moellers: Titel Kormorane, S.5, S.9, S.12, S.14, S.17, S.43, S.53, S.60, S.61 Kormorane, S.37 Elektrofischen; K. Gessner: S. 10 Kormoran; T. Heck: S.22 Kormoran mit Waller; U.Pulg: S.25 Brutkolonie Chiemsee; W. Ruff: S.28 Kinder in Ammer; Landesanstalt für Landwirtschaft: S.30 Fischregi- onen Bayern; T. Springer: S.31 Lech-Staustufe; P. Strohmeier: S.34 Quer- verbauung; © Bayerisches Landesamt für Umwelt: S.35 Renaturierung, Altmühlsee; T. Woelfle: S.36 Fischende Jungen, S.39 Blonder Junge; W. Schroeder: S. 38 Portrait, S.42 Dorfen bei Notzing, S.51 Portrait; M. von Siemens: S.42 Dorfen; T. Ruff: S.44 Toter Fisch; R. Dietl: S.45 Portrait; M. Bardic: S.46 Enns; © Atelier Ziegler: S. 48 Fischillustrationen; W. Fasching: S.58 Portrait Danksagung Dank für die Unterstützung in der Erstellung dieser Broschüre gebührt den folgenden Personen: Dr. Eric Fladung, Prof. Jürgen Geist, Dr. Manfred Klein, Ulrich Pulg, Johannes Schnell, Heiner Schöpf, Michael von Siemens ISBN 978-3-00-022465-2

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