Unternehmen Angriff des

as Gelöbnis bestand aus : Kein Handelskonzern agiert verschwiegener, einem leise vorgetragenen kurzen Satz: Ja, er habe keiner wächst rasanter als der Discounter seine Lebensmittel unter aus Neckarsulm. Unternehmensgründer Dieter Schwarz DEinstandspreis verkauft, gestand Karl ist geradezu beseelt von der Idee, Albrecht vor den Teilnehmern der hochkarätigen Runde ein. Aber er den Erzrivalen von Platz eins zu verdrängen. Im verpflichte sich, dies künftig zu Ausland ist ihm das bereits gelungen. unterlassen. Einige Sekunden lang herrschte Totenstille in dem Raum. Der Herr über Aldi Süd hatte ge- zuvor bei Buletten und Bier noch ein- mender Gegner für die Aldi-Brüder sprochen. Und wenn ein Albrecht mal klar gemacht, dass eine Abspra- geworden. Mit innovativen Konzep- spricht, meint er nicht nur sich allein, che für ihn nicht infrage komme: ten und bisweilen rüden Geschäfts- sondern die gesamte Branche. „Das muss der Markt regeln“, ließ er methoden hat sich der Krämer aus Gemeinsam mit Topmanagern aus die Handelsfürsten wissen. dem Süden auf Platz zwei der deut- Handel und Industrie hatte sich die Das Gelöbnis von Karl Albrecht schen Discount-Rangliste vorge- Krämerlegende im Oktober 1983 in hat Dieter Schwarz bis heute nicht arbeitet: Das Schwarz-Imperium be- Berlin eingefunden, um die existenz- vergessen. Und nicht verziehen. Seit treibt heute mehr als 5600 Läden und bedrohenden Rabattschlachten im dem denkwürdigen Treffen in Berlin beschäftigt rund 80 000 Mitarbeiter. deutschen Einzelhandel endlich zu hat der Lidl & Schwarz-Gründer nur Zu konkreten Bilanzzahlen gibt der beenden. Das Treffen unter Leitung ein Ziel: sich für die Sippenhaft zu re- Aufsteiger noch weniger Auskunft als des damaligen Kartellamtschefs vanchieren. Einer, der ihn gut kennt, die Albrechts. Nach den jüngst über- Wolfgang Kartte war die letzte Chan- sagt, der Alemanne sei wie besessen arbeiteten Schätzungen der Markt- ce, ein gesetzliches Eingreifen des von der Idee, Aldi zu überholen. forscher von M+M Eurodata liegt der

Staates zu verhindern. Ein Fall von Größenwahn? Über Erlös der Schwarz-Gruppe bei rund FOTOS: GERD HUSS Von Albrechts Vorstoß musste sich Jahre hinweg galt Lidl als die klei- 30 Milliarden Euro; davon steuert die vor allem ein Teilnehmer brüskiert nere Ausgabe des Kult-Discounters. Discountsparte etwa 20 Milliarden fühlen: der Neckarsulmer Einzel- Schwarz hat das große Vorbild ko- Euro bei. händler Dieter Schwarz, ein direkter piert, wo er konnte. Der Gesamtumsatz ist weit größer Aldi-Konkurrent. Der Inhaber des Doch inzwischen ist aus dem als bislang vermutet und besonders preisaggressiven Dis- Störenfried ein zehnmal so hoch wie noch counters Lidl hatte am Abend ernst zu neh- 1989. Zum Vergleich: Aldi

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setzt rund 37 Mil- liarden Euro um. Im Ausland läuft der 63-jährige Aldi-Jäger dem grei- sen Geschwisterpaar längst den Rang ab: Unbe- merkt von der Öffentlichkeit hat der verschwiegene Unter- nehmer ein engmaschiges Filial- netz geknüpft, das in Europa sei- nesgleichen sucht. Auch im Inland wird der Neckar- sulmer immer mehr zur Gefahr für den Marktführer. In geradezu Schwin- del erregender Abfolge eröffnet er einen Laden nach dem anderen. Lidl wächst in einem Tempo, als gäbe es keine Konsumkrise. Erste Hochrechnungen belegen die Aufholjagd: Im ersten Halbjahr 2003 konnte der Angreifer beim Umsatz um stolze 15 Prozent zulegen, Aldi dagegen nur um magere 5 Prozent. Branchenkenner halten es mittler- weile nicht mehr für ausgeschlossen, dass Dieter Schwarz aus dem Schat- ten der Albrechts heraustritt. Der Lidl-Gründer geht mit seiner aggres- siven Alles-oder-nichts-Strategie

managermagazin 9/03 39 Unternehmen Lidl Lidls Siegeszug in Europa Mit einer aggressiven Expansionsstrategie hat der Discounter den Erzrivalen Aldi im Ausland bereits überholt MM-GRAFIK Anzahl der ... Großbritannien Niederlande Dänemark Finnland Lidl-Filialen 321 142 196 24 Aldi-Nord-Filialen 284 398 Aldi-Süd-Filialen Irland Belgien Polen 43 163 18 Filialen außerhalb Deutschlands: 10 340

Deutschland Tschechische Luxemburg 2305 Republik 2673 7 2366 14 1425 Frankreich Österreich 990 78 1461 486 272* Portugal Italien 166 280

Spanien Griechenland 566 349 85 34 Quelle: M+M Eurodata, geschätzt 2002 *In Österreich heißt Aldi Hofer. zwar ein enormes finanzielles Risiko Die Strategie im Kampf gegen den Nur in einem zentralen Punkt un- ein. Er habe allerdings, so bescheini- großen Discount-Rivalen war denk- terscheidet sich Lidl: beim Sortiment. gen ihm die Experten, ein ausge- bar einfach: Lidl, so Schwarz’ Vor- Mit rund 1200 Produkten ist die Aus- zeichnetes Gespür für gewinnträch- gabe, sollte das Vorbild kopieren, so wahl fast doppelt so groß wie bei tige Trends im Einzelhandel. gut es eben ging. Aldi. Statt voll auf Eigenmarken zu Begonnen hat der Aufstieg von Wie die Aldi-Brüder setzte er auf setzen, bietet Schwarz in seinen rund Dieter Schwarz vor ziemlich genau karg ausgestattete, immer gleich ein- 700 Quadratmeter großen Filialen 30 Jahren. 1973 eröffnete der damals gerichtete Märkte, die bestmögliche auch Markenartikel an. 34-Jährige seinen ersten Lidl-Dis- Qualität zu tiefstmöglichen Preisen Anders als die Albrecht-Brüder countermarkt in Ludwigshafen. Vater boten. Wie Aldi optimierte er Logis- wollte sich Schwarz nicht ausschließ- Josef, ein Obstgroßhändler, hielt tik, Warenumschlag und Produkti- lich auf das Discounter-Abenteuer zunächst nicht viel von den schlich- vität bis zum Exzess. Wie Aldi kommt einlassen. Aus Respekt vor den ten Billigläden nach Aldi-Muster und die Schwarz-Gruppe bis heute mit ei- Tücken des Billighandels setzte er wollte partout nicht, dass sie genauso ner flachen Hierarchie aus. zusätzlich auf die üppiger ausgestat- heißen wie seine eigenen „Lidl & Selbst die Firmenfarben ähneln teten Läden unter den Namen „Han- Schwarz“-Geschäfte. einander. Das gelb-blau-rote Lidl- delshof“ und „Kaufland“. Sie sollten Um nicht „Schwarz-Markt“ über Logo stammt aus dem gleichen Farb- das Risiko abfedern. die Ladentür schreiben zu müssen, kasten wie das von Aldi Süd. Das Konzept ging auf: Nach dem kaufte der ehrgeizige Junior dem pen- Fall der Mauer eröffnete er in den sionierten Berufsschullehrer Ludwig neuen Bundesländern und Berlin bin- Lidl für 1000 Mark die Namensrechte Europas Topdiscounter nen weniger Jahre 179 SB-Warenhäu- ab und sicherte sich so die Nutzung Unternehmen Umsatz in Filialen ser – und stieg dort in diesem Han- Mrd. Euro der eingeführten Marke. delssegment zum Marktführer auf. 1. Aldi Als der Vater 1977 starb, herrschte Das will Schwarz im Westen mit (Nord und Süd) 34,1 5818 der gelernte Kaufmann Dieter über seinen Discountern nun ebenfalls ein Netz von etwa 30 Lidl-Filialen. 2. Lidl schaffen. Er verkaufte den väterlichen Groß- (Schwarz-Gruppe) 15,9 4978 Über den Mann, der Deutschlands handel an die Metro und stellte 3. Plus (Tengelmann) 8,0 3518 Handelsgrößen vor sich her treibt, ist den Rest der Firmengruppe auf drei in der Öffentlichkeit so gut wie nichts 4. Penny (Rewe) 7,8 2905 strikt voneinander getrennte Säulen: bekannt. Promi-Partys und Talk- Discount, SB-Warenhäuser und Ver- 5. Dia () 5,6 3547 shows meidet Dieter Schwarz, Inter- brauchermärkte. Quelle: M+M Planet , 2002, Schätzzahlen viewanfragen bügelt er mit einem

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Das Vermächtnis Einzeiler ab („Wir geben grundsätz- durchqueren. Schwarz’ Büro, direkt Wie der Unternehmer für die lich keine“), aktuelle Fotos von dem über einem Kaufland-Markt gelegen, Zeit nach seinem Tod vorsorgt grauhaarigen Herrn sind nicht er- besticht durch Schlichtheit, kein hältlich. Die Wirtschaftsmedaille des Designerschreibtisch, keine Kunst- Die Gegenwart: V or vier Jahren hat sich Landes Baden-Württemberg hat er werke an den Wänden. Dieter Schwarz aus dem operativen Ge- abgelehnt, weil er auf keinen Fall schäft zurückgezogen und sein Unterneh- fotografiert werden wollte. Lieferanten werden men neu strukturiert. Die beiden Teilfirmen Das Abenteuer, Lidl & Schwarz mit Lidl und Kaufland wurden in Stiftungen ein- einer industrieerfahrenen Presse- von Lidl geknechtet gebracht. Indirekt hat Schwarz aber nach sprecherin in die moderne Welt der wie vor Zugriff auf sein Imperium. Den Kommunikation zu überführen, be- Die Kampagne „Geiz ist geil“ hätte Großteil des Immobilienbesitzes versteckt endete er schon nach wenigen Mona- auch Schwarz erfinden können. Seine der Milliardär in einer Parallelgesellschaft, ten wieder. Korrespondenz hat er noch Jahre die ihm allein gehört. So bleibt offen, ob die Hin und wieder nimmt die Ge- nach der Umstellung auf neue Post- Bilanzen der V ertriebstöchter via vergüns- heimniskrämerei schon fast bizarre leitzahlen auf altem Briefpapier ver- tigte Mieten unter Marktpreis – vor allem Züge an, wie im vergangenen Novem- schickt. Der fünfstellige Zahlencode bei teuren Innenstadtlagen – schöngerech- ber. Beim Handelskongress in Berlin wurde manuell per Stempel – halb- net werden. heftete sich Dieter Schwarz das Na- schräg – aufgedrückt. mensschild eines Vertriebsmanagers Als Dienst-Mercedes bestellt Die- Stiftungslabyrinth an, um unerkannt zu bleiben. ter Schwarz, der Millionen für soziale Wem Lidl & Schwarz künftig Trotz dieses Versteckspiels sei und kulturelle Projekte spendet, gern gehört (Beteiligungen) Schwarz alles andere als ein Sonder- mal das preiswertere Auslaufmodell. ling, sagt ein langjähriger Weg- Einen Chauffeur für seine S-Klasse Schwarz Unterneh- Dieter Schwarz menstreuhand KG Stiftung GmbH gefährte. Im Gegenteil: Der Vater hat der enthaltsame Schwabe erst, zweier Töchter kenne keine Berüh- seit die Fahrten zu den Läden länger 100% der Stimmrechte keine Stimmrechte 0,1% der Anteile 99,9% der Anteile rungsängste und pflege einen großen werden und er die Zeit lieber zum Le- Bekanntenkreis. Guten alten Freun- sen und Arbeiten nutzt. den hält er die Treue. Bei deren Ge- Der Lidl-Gründer sei „ein typi- Schwarz Beteiligungs GmbH burtstagen taucht er genauso regel- scher Alemanne“, sagt ein Weg- mäßig auf wie bei den Abiturtreffen begleiter. Einer, der durch seinen 100% 100% des Heilbronner Theodor-Heuss- freikirchlichen Glauben geprägt sei. Gymnasiums. Getreu dem Grundsatz: Wer auf Stiftung & Lidl Stiftung & Das abgeschirmte Privatleben hat Erden alles richtig macht, kann auf Co. GmbH Co. GmbH den Vorteil, dass er sich relativ frei Erden auch alles erreichen. gemeinsam 100% bewegen kann, zum Beispiel auf den Dieter Schwarz – der diskrete, von ihm geschätzten Weinfesten in bescheidene Firmenpatriarch und Schwarz Immobilienverwaltung (SIV) der Region oder im Fußballstadion. sanftmütige Mäzen. So möchte er Dort feuert er gemeinsam mit Droge- gern wahrgenommen werden. Es gibt riemarktchef Anton Schlecker gern aber noch eine andere Seite des Die- Die Zukunft: Die Immobilien von Lidl und mal seinen Klub an. Bis vor einigen ter Schwarz. Die des rücksichtslosen Kaufland, die bisher noch in einer eigen- Jahren stieg Schwarz sonntags in Handelsfürsten. ständigen Gesellschaft (SIV ) gebündelt der Freien Evangelischen Gemeinde Lieferanten zum Beispiel werden sind, gehen zu 100 Prozent in den Besitz Heilbronns sogar des Öfteren auf die von seiner Truppe regelrecht ge- der Stiftungen über. Die Erträge aus dem Kanzel und predigte. knechtet. Während die streng katho- Filialgeschäft fließen an die „Dieter Was bei einer Begegnung mit lischen Aldi-Brüder nur bei Qua- Schwarz gemeinnützige Stiftung“, die sich Schwarz als Erstes auffällt, ist dessen litätsmängeln unangenehm werden, selbst gehören wird. Die Kaufland- und Bescheidenheit. Die zelebriert der ansonsten aber fair mit ihren Han- Lidl-Stiftungen werden zu Holdinggesell- Unternehmer förmlich. Auf den ers- delspartnern umgehen, üben die schaften mit der Rechtsform einer GmbH. ten Blick, schmunzelt ein Banker, Lidl-Einkäufer enormen Druck aus. Damit kann niemand mehr unbefugt habe er Herrn Schwarz für einen Lidl- Preissenkungen versuchen sie eingreifen, und das Geld verbleibt im Kunden gehalten. grundsätzlich den Lieferanten aufzu- Unternehmen. Der starke Mann bei der Die wenigen Vertrauten, die der bürden. Wer nicht mitmacht, wird Treuhand KG, der obersten operativen Milliardär aus Neckarsulm in der ausgelistet. Bei den Verhandlungen Einheit, wird Klaus Gehrig. Er wird dort Firmenzentrale empfängt, müssen werde gebrüllt wie im Zoo, berich- einer der beiden persönlich haftenden zunächst das unberührte Arbeits- ten Beteiligte. „Die Lidl-Einkäufer Komplementäre. zimmer seines verstorbenen Vaters sind alle wie geklont“, sagt einer.

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„Sie müssen zuhören, Benchmark Aldi Süd ten Aufholjagd der Herr ...“, lautet der mit Wichtige Kennzahlen der Discount-Rivalen in Deutschland Discountsparte sind die theatralischer Gestik grauen Eminenzen Wer- vorgetragene Standard- Deutschland Aldi Nord Aldi Süd Lidl ner Hoffmann (56) und spruch, wenn ein Liefe- Umsatz 12,5 Mrd. Euro 12,6 Mrd. Euro 9,5 Mrd. Euro Klaus Gehrig (55) – rant auf Nachforderun- Rendite vor beide ehemalige Aldi- gen nicht eingeht. Steuern 3,6 Prozent 5 Prozent rd. 3,5 Prozent Manager. „Die versuchen, die Filialen 2366 1425 2305 Aufgeblähte Stabs- Leute fertig zu machen“, Durschnitts- abteilungen gibt es in klagt ein Gesprächs- umsatz/Filiale 5,2 Mio. Euro 8,8 Mio. Euro 4,3 Mio. Euro Neckarsulm nicht. Im partner. „Eigentlich“, so Schulden keine keine geschätzt 9 Mrd. neuen Lidl-Hauptquar- der Vertriebschef ei- Euro, jeweils die tier in der Stiftsberg- nes Markenartiklers, Hälfte für Investitio- straße arbeiten trotz nen und Immobilien „müsste man die Ge- der zentralisierten Or- spräche abbrechen und Sortiment ca. 700 ca. 600 rd. 1200 ganisation nur einige gehen.“ Leisten kann Filialen in hundert Mitarbeiter. sich das keiner, Lidl ist Eigenbesitz 60-65 Prozent 80-85 Prozent ca. 50 Prozent Besonders effizient ist inzwischen einfach zu Käufer- das Controlling. Der reichweite 85 Prozent 85 Prozent rd. 75 Prozent mächtig. Schwarz-Vertraute Her- Das aggressive Auf- Quelle: M+M Retail Planet, „Lebensmittelzeitung“, mm-Recherche, geschätzt mann-Josef Hoffmann treten der Lidl-Manager überwacht das Zahlen- ist Teil des Systems Schwarz. Nur die rigen besetzt. Die jungen Wilden exe- werk quasi als abgekoppelter Ein- Besten und Härtesten können auf kutieren all das, was ihnen die Kon- Mann-Betrieb. Beförderung hoffen, denn Aufstiegs- zernspitze vorgibt. Diese überschaubare Führungs- chancen gibt es nur wenige. Den struktur mache Lidl wendiger und Filialleiter trennen gerade mal vier Das Controlling ist schlagkräftiger als Aldi, sagt einer, Hierarchiestufen von der obersten der beide Unternehmen kennt. So lässt Führungsspitze. ein Ein-Mann-Betrieb Lidl seine Waren von Fremdfirmen in Bezirksleiter kommen oft von der die Filialen karren. Vorteil: Die Leer- Universität, überwachen fünf bis In der Schaltzentrale sitzen bis heute fahrten zahlt der Spediteur. Die Dis- acht Filialen, verdienen rund 5000 ausschließlich treue Weggefährten countkönige aus Essen und Mülheim Euro im Monat und fahren einen von Dieter Schwarz. Sein engster fahren noch mit eigenen Lastern. Audi A4 als Dienstwagen. Germa- Vertrauter ist Richard Meyer (63). Einfallsreich ist Schwarz auch bei nisten haben bei Lidl ebenso gute Mit ihm hat Schwarz 1968 in Back- der Organisation seines Unterneh- Chancen wie Betriebswirte – getreu nang den ersten Handelshof-Markt mens. Eine auf ihn zugeschnittene dem Motto: Das System ist so ein- gebaut. Gemeinsam mit Günter Fer- Beteiligungs- und Stiftungskonstruk- fach, dass jeder es in drei Monaten gen (63) treibt der „beste General“, tion, die je nach geltendem Steuer- erlernen kann. wie Meyer genannt wird, die Ex- recht geändert wird, sichert dem Die Topjobs sind fast durchweg mit pansion der Kaufland-Warenmärkte Gründer den Einfluss auf sein Impe- expansionshungrigen 30- bis 40-Jäh- voran. Das Gehirn hinter der rasan- rium (siehe Kasten Seite 42). Zu- Unternehmen Lidl

Verdis Erzfeind gleich ist die Gruppe mit ihrem schier undurchdringlichen Geflecht Wie Schwarz Betriebsräte aus 400 bis 500 Gesellschaften quasi aus seinem Konzern fern hält unverkäuflich; faktisch gehört Lidl & Schwarz sich selbst. Dieter Schwarz Erster Versuch: Auf der Liste der ärgs- hält nur 0,1 Prozent der Holding- ten Feinde steht Dieter Schwarz bei der anteile. So ist der Handelsriese vor Dienstleistungsgewerkschaft V erdi ganz Übernahmen und Schwiegersöhnen oben. Der Handelskonzern gilt dort als geschützt. „bewusst geschaffenes Nirvana“. Wenngleich er rein rechtlich „aus Bis auf einige Lidl-Lager gibt es in der allem raus ist“, wie Schwarz gern be- Lidl & Schwarz-Gruppe keine Arbeitneh- tont, ist der Patriarch allgegenwärtig. mervertreter. Betriebsratswahlen werden Zwar mischen sich weder er noch boykottiert, indem das Unternehmen seine Topstrategen Meyer und Fer- Namenslisten der Angestellten unter gen ins Tagesgeschäft ein. Die ge- V erschluss hält. Bei Mitarbeiterversamm- samte Organisation habe das System lungen tauchen Lidl-Manager zur Ab- Schwarz jedoch geradezu inhaliert, schreckung gleich im Rudel auf. Notfalls sagt ein intimer Kenner des Unter- splittet Schwarz eine Gesellschaft ein- nehmens: „Der Chef muss nichts an- fach in viele kleinere auf, um eine Wahl zu ordnen, das Management entschei- verhindern. det ohnehin so, wie er es tun würde.“ Neuer Plan: Die Gewerkschafter geben Derart gedrillt, attackiert die Lidl- nicht auf. „Es kann doch nicht sein, dass Truppe den Marktführer an immer ein Milliardenkonzern so intransparent

Lidl-Laden: Von außen betrachtet, gleichen die Bauten den Aldi- Discountern neueren Typs – bis auf das Logo neuen Fronten. Ständig zettelt der ist“, heißt es bei V erdi. „Da muss etwas Angreifer Rabattschlachten an, Wo- passieren.“ che für Woche erinnert er die Deut- Seit Monaten arbeiten Juristen an der schen per Anzeige: „Lidl ist billig.“ Erstellung eines detaillierten Konzern- Mit Kampfpreisen operiert Schwarz Organigramms. Akribisch sammeln sie – zum Leidwesen der Hersteller – vor Amtsgerichtsmeldungen und versuchen

allem bei Markenartikeln. Hier hat der so, das Geflecht aus 400 bis 500 GmbH FOTO: SCHMIDT/TRAPHO.DE Kunde den direkten Vergleich, das nachzuzeichnen. Die Fleißarbeit soll fördert Lidls Image als Discounter. eine Basis für Gespräche mit Lidl bil- Zugleich unterminiert Schwarz mit den. Treffen mit Gewerkschaftern lehnte seiner aggressiven Preispolitik einen Dieter Schwarz bisher kategorisch ab. wichtigen Wettbewerbsvorteil der Er lässt ausrichten, er sei nicht mehr Aldi-Brüder. Viele von deren Eigen- zuständig.

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marken, wie der Champagner „Veuve Die Zuwachsraten, verrät ein Insider, Durand“ oder der „Alaska Wildlachs“, sind nicht mehr zweistellig. genießen inzwischen Kultstatus. Da- Es könnte noch schlimmer kom- gegen kommt der Konkurrent nur mit men. Vor allem im Norden der Re- billiger Markenware an. publik geht der Herausforderer der- Lidls Dumping-Strategie trifft of- zeit auf Kundenjagd. Das Kalkül fenbar ins Schwarze. Das Magazin hinter dem Vorstoß: Theo Albrecht „Stern“ sah sich zu einem Preisver- reagiert langsamer auf Neuerungen gleich veranlasst, bei dem Lidl im und bietet so mehr Angriffspunkte vergangenen Jahr um 4 Prozent güns- als Bruder Karl im Süden. tiger abschnitt als Aldi. Der Trick Bevor bei Aldi Nord ein neues Pro- dabei: Viele Schnäppchenangebote, dukt flächendeckend in die Regale so hat eine Erhebung im Auftrag kommt, wird es zunächst einmal über der „Lebensmittelzeitung“ jüngst er- Monate getestet. Lange konnte sich geben, sind nur von kurzer Dauer. der 81-jährige Theo nicht dazu durch- Das Image, noch billiger zu sein, ringen, Scannerkassen einzuführen. erkaufen sich die Neckarsulmer ganz Ex-Aldi-Manager Brandes macht bei bewusst mit Abstrichen bei der Ren- dem Discounter erste Ermüdungs- dite. Während Aldi Schätzungen zu- erscheinungen aus. folge eine Vorsteuerrendite von durch- In das Aldi-Reservat Lüneburg schnittlich 5 Prozent erwirtschaftet, etwa ist Dieter Schwarz vor einein- fallen bei Lidl etwa 4 Prozent ab. halb Jahren eingedrungen. Das be- Doch die Preiskriege sind nur ein schauliche Städtchen wurde von Teil der Strategie, mit der Schwarz Theo Albrecht jahrelang durch sechs die Aldi-Domäne knacken will. Zu- seiner Märkte versorgt, nun gibt es gleich ist er bemüht, neue Verbrau- dort zudem einen Lidl. chertrends frühzeitig aufzuspüren und sich als Erster den gewandelten Finanziert wird die Bedürfnissen der Käufer anzupassen. So hat Lidl bei der Standortwahl Aldi-Jagd im Ausland im Norden früher als Aldi darauf ge- achtet, ob ausreichend Platz für Park- Im Vergleich zur benachbarten Aldi- plätze zur Verfügung steht. Auch Filiale hat der neue Konkurrent eine Frischfleisch hatte die Schwarz- Reihe von Vorteilen: Sein Laden ist Truppe früher im Sortiment. Und an- geräumiger, bietet einen größeren ders als bei Aldi kann bei Lidl Obst Parkplatz, hat eine Riesenauswahl an und Gemüse inzwischen individuell Obst bis hin zu exotischen Früchten abgewogen und an der Kasse kann wie Papayas und Mangos – und ist mit EC-Karte bezahlt werden. samstags bis 20 Uhr geöffnet. Folge: „Damit“, so ein Aldi-Kenner, „be- Während bei Aldi um 13.45 Uhr die kommt Lidl mehr Kundenfrequenz in letzten Kunden bereits den Putz- seine Läden.“ Den Service honorieren lappen ausweichen müssen, herrscht vor allem Singles und Yuppies, die ein paar hundert Meter weiter noch gern wenig Bargeld bei sich tragen. reger Betrieb. Dieter Brandes, früherer Aldi-Top- Die längeren Öffnungszeiten kann manager und Autor eines Bestseller sich Lidl leisten, weil Schwarz sei- über Aldi, beobachtet, dass immer ne Angestellten rund 20 Prozent mehr Leute Gefallen an Lidl finden. schlechter bezahlt als die Albrechts. Die Masche des Newcomers soll Und noch eine Regelung kommt sich beim Branchenprimus bereits in dem Schwaben zupass: Die Zahl der den Bilanzen niederschlagen: Zwar Arbeitsstunden, die ein Filialleiter laufen die Geschäfte mit Aktions- wöchentlich abrechnen darf, richtet ware wie Computern, Pfannen und sich nach seinem Umsatz. Das heißt: Angora-Fußwärmern unvermindert Wenn der Erlös schrumpft, werden gut. Im Kerngeschäft mit Lebensmit- für die Kassiererinnen unbezahlte teln gerät Aldi aber unter Zugzwang. Überstunden fällig. Wer bei diesem

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Schwarz und seine unsichtbaren Vertrauten

Dieter Schwarz: Richard Meyer: Klaus Gehrig: Werner Hoffmann: Günter Fergen: Das einzig erhältliche Rechte Hand und Lidl-Vordenker und Zweiter Stratege im Motor der Kaufland- Foto des Patriarchen Immobilienprofi bald erster Mann Discount-Team Expansion

Spielchen nicht mitmacht, bekommt fast ausschließlich „schnell drehen- gesamte Expansion aus – koste es, Ärger mit dem Chef. Betriebsräte, bei de“ Produkte in den Regalen, die was es wolle. Die Warnungen von Ex- denen die Mitarbeiter Schutz suchen meist schon vier Tage nach der perten, die für konjunkturell bessere könnten, existieren bei Lidl nur rudi- Bestellung verkauft sind. Die Liefe- Zeiten eine Abkehr vom Discounter mentär. ranten erhalten ihr Geld erst nach hin zum gut sortierten Supermarkt Vergangenes Jahr war die Gewerk- 30 Tagen, Lidl kann den Erlös also 26 vorhersagen, lassen ihn unbeein- schaft Verdi trotz aller Schikanen Tage lang Gewinn bringend anlegen. druckt. kurz davor, am Lagerstandort Unna Weil das Preisniveau in Frank- Um an den besten Standort zu gemeinsam mit den 105 angeschlosse- reich höher ist, bleibt auch mehr Ge- kommen, zahlt er notfalls den drei- nen Filialen einen Dach-Betriebsrat winn hängen. Mindestens 160 Millio- fachen Marktpreis, wie in München- zu wählen. Der Versuch scheiterte nen Euro, so Schätzungen, verdient Haidhausen. Und anders als Aldi am Ende doch: Schwarz gliederte Schwarz allein mit seinen 1050 fran- greift Lidl auch bei Innenstadtlagen den Filialvertrieb kurzerhand in eine zösischen Filialen. Geld, mit dem er zu. So wie in der Stiftstraße 8 in neue selbstständige Gesellschaft aus. seine Jagd auf Aldi zu Hause quersub- Frankfurt, nur wenige Schritte von Mit derartigen Kniffen ist es „Gott- ventionieren kann. der Einkaufsmeile Zeil entfernt. Aldi vater“ Schwarz (Verdi) bislang im- gab den Laden auf und zog an den mer wieder gelungen, unliebsame Die Vision heißt Stadtrand. Nun lockt Lidl dort die Bedenkenträger, die seinen Expan- Massen an. sionsdrang aufhalten könnten, kalt- Billig-Tante-Emma In Osteuropa hat Schwarz jüngst zustellen. Der Handelsfürst will sogar einem Autohaus das Grund- selbst entscheiden, wo und wie der Wie lange hält Dieter Schwarz das stück abgekauft, das gerade errich- Kampf um die Vorherrschaft im deut- Wachstumstempo noch durch? Ge- tete Gebäude abgerissen und 200 schen Discountmarkt geführt wird. lingt es dem Emporkömmling am Meter weiter erneut aufgebaut. Und Das Geld für die teure Aufholjagd Ende tatsächlich, die Discountkönige das nur, um seinen Lidl-Markt an scheffelt er zu einem bedeutenden aus Essen und Mülheim vom Thron der richtigen Stelle platzieren zu Teil im Ausland. Noch vor den Alb- zu stoßen? können. rechts expandierte Schwarz nach Brancheninsider halten ein solches Der Wachstumsrausch hat die Spanien und Osteuropa. In Frank- Szenario langfristig durchaus für Stimmung unter den Lidl-Strategen reich hat er die Aldi-Brüder trotz des möglich – bei allen Risiken, die eine kräftig gehoben. Mittlerweile, sagt späteren Starts bereits überholt. derart stürmische Expansion mit sich ein Unternehmenskenner, grenze das In all diesen Ländern konsumieren bringt. Schließlich, so argumentieren Selbstbewusststein der Neckarsul- die Verbraucher vorzugsweise Mar- sie, glaube Dieter Schwarz, so etwas mer „fast an Überheblichkeit“. kenartikel. Lidl hat dort den Maßstab wie den Heiligen Gral für die Zukunft Aldi-Süd-Patriarch Karl Albrecht für Discount gesetzt. des Lebensmittelhandels gefunden macht sich dennoch langsam Sor- Diese Erkenntnis haben die Alb- zu haben. gen, der aggressive Alemanne könne rechts offenbar ebenfalls gewonnen. Mit Geschäften in bester Lage will ihm gefährlich werden. Als der Aldi-Filialleiter pilgern bei Betriebs- er sich flächendeckend als Nahver- 83-Jährige im Frühjahr auf einer pri- ausflügen schon mal nach Portugal, sorger Nummer eins etablieren: Wer vaten Geburtstagsfeier mit Managern um Lidls Errungenschaften vor Ort viel Auswahl wünscht, geht dann in aus seiner Branche zusammentraf, zu besichtigen. die Kaufland-Filialen; wer allein auf warnte er die Gäste eindringlich: „Dass Vor allem Frankreich ist für den Preis achtet, geht zu Lidl. Lidl billiger ist als wir, dürfen wir Schwarz die reinste Geldmaschine. An der Vision der modernen Billig- unter keinen Umständen zulassen.“

FOTOS: THOMAS GEIGER, PR FOTOS: Wie hier zu Lande hat er auch dort Tante-Emma richtet Schwarz seine Petra Schlitt/Steffen Klusmann

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