Unternehmen Angriff des as Gelöbnis bestand aus Lidl: Kein Handelskonzern agiert verschwiegener, einem leise vorgetragenen kurzen Satz: Ja, er habe keiner wächst rasanter als der Discounter seine Lebensmittel unter aus Neckarsulm. Unternehmensgründer Dieter Schwarz DEinstandspreis verkauft, gestand Karl ist geradezu beseelt von der Idee, Albrecht vor den Teilnehmern der hochkarätigen Runde ein. Aber er den Erzrivalen Aldi von Platz eins zu verdrängen. Im verpflichte sich, dies künftig zu Ausland ist ihm das bereits gelungen. unterlassen. Einige Sekunden lang herrschte Totenstille in dem Raum. Der Herr über Aldi Süd hatte ge- zuvor bei Buletten und Bier noch ein- mender Gegner für die Aldi-Brüder sprochen. Und wenn ein Albrecht mal klar gemacht, dass eine Abspra- geworden. Mit innovativen Konzep- spricht, meint er nicht nur sich allein, che für ihn nicht infrage komme: ten und bisweilen rüden Geschäfts- sondern die gesamte Branche. „Das muss der Markt regeln“, ließ er methoden hat sich der Krämer aus Gemeinsam mit Topmanagern aus die Handelsfürsten wissen. dem Süden auf Platz zwei der deut- Handel und Industrie hatte sich die Das Gelöbnis von Karl Albrecht schen Discount-Rangliste vorge- Krämerlegende im Oktober 1983 in hat Dieter Schwarz bis heute nicht arbeitet: Das Schwarz-Imperium be- Berlin eingefunden, um die existenz- vergessen. Und nicht verziehen. Seit treibt heute mehr als 5600 Läden und bedrohenden Rabattschlachten im dem denkwürdigen Treffen in Berlin beschäftigt rund 80 000 Mitarbeiter. deutschen Einzelhandel endlich zu hat der Lidl & Schwarz-Gründer nur Zu konkreten Bilanzzahlen gibt der beenden. Das Treffen unter Leitung ein Ziel: sich für die Sippenhaft zu re- Aufsteiger noch weniger Auskunft als des damaligen Kartellamtschefs vanchieren. Einer, der ihn gut kennt, die Albrechts. Nach den jüngst über- Wolfgang Kartte war die letzte Chan- sagt, der Alemanne sei wie besessen arbeiteten Schätzungen der Markt- ce, ein gesetzliches Eingreifen des von der Idee, Aldi zu überholen. forscher von M+M Eurodata liegt der Staates zu verhindern. Ein Fall von Größenwahn? Über Erlös der Schwarz-Gruppe bei rund GERD HUSS FOTOS: Von Albrechts Vorstoß musste sich Jahre hinweg galt Lidl als die klei- 30 Milliarden Euro; davon steuert die vor allem ein Teilnehmer brüskiert nere Ausgabe des Kult-Discounters. Discountsparte etwa 20 Milliarden fühlen: der Neckarsulmer Einzel- Schwarz hat das große Vorbild ko- Euro bei. händler Dieter Schwarz, ein direkter piert, wo er konnte. Der Gesamtumsatz ist weit größer Aldi-Konkurrent. Der Inhaber des Doch inzwischen ist aus dem als bislang vermutet und besonders preisaggressiven Dis- Störenfried ein zehnmal so hoch wie noch counters Lidl hatte am Abend ernst zu neh- 1989. Zum Vergleich: Aldi 38 managermagazin 9/03 Super-Krämers setzt rund 37 Mil- liarden Euro um. Im Ausland läuft der 63-jährige Aldi-Jäger dem grei- sen Geschwisterpaar längst den Rang ab: Unbe- merkt von der Öffentlichkeit hat der verschwiegene Unter- nehmer ein engmaschiges Filial- netz geknüpft, das in Europa sei- nesgleichen sucht. Auch im Inland wird der Neckar- sulmer immer mehr zur Gefahr für den Marktführer. In geradezu Schwin- del erregender Abfolge eröffnet er einen Laden nach dem anderen. Lidl wächst in einem Tempo, als gäbe es keine Konsumkrise. Erste Hochrechnungen belegen die Aufholjagd: Im ersten Halbjahr 2003 konnte der Angreifer beim Umsatz um stolze 15 Prozent zulegen, Aldi dagegen nur um magere 5 Prozent. Branchenkenner halten es mittler- weile nicht mehr für ausgeschlossen, dass Dieter Schwarz aus dem Schat- ten der Albrechts heraustritt. Der Lidl-Gründer geht mit seiner aggres- siven Alles-oder-nichts-Strategie managermagazin 9/03 39 Unternehmen Lidl Lidls Siegeszug in Europa Mit einer aggressiven Expansionsstrategie hat der Discounter den Erzrivalen Aldi im Ausland bereits überholt MM-GRAFIK Anzahl der ... Großbritannien Niederlande Dänemark Finnland Lidl-Filialen 321 142 196 24 Aldi-Nord-Filialen 284 398 Aldi-Süd-Filialen Irland Belgien Polen 43 163 18 Filialen außerhalb Deutschlands: 10 340 Deutschland Tschechische Luxemburg 2305 Republik 2673 7 2366 14 1425 Frankreich Österreich 990 78 1461 486 272* Portugal Italien 166 280 Spanien Griechenland 566 349 85 34 Quelle: M+M Eurodata, geschätzt 2002 *In Österreich heißt Aldi Hofer. zwar ein enormes finanzielles Risiko Die Strategie im Kampf gegen den Nur in einem zentralen Punkt un- ein. Er habe allerdings, so bescheini- großen Discount-Rivalen war denk- terscheidet sich Lidl: beim Sortiment. gen ihm die Experten, ein ausge- bar einfach: Lidl, so Schwarz’ Vor- Mit rund 1200 Produkten ist die Aus- zeichnetes Gespür für gewinnträch- gabe, sollte das Vorbild kopieren, so wahl fast doppelt so groß wie bei tige Trends im Einzelhandel. gut es eben ging. Aldi. Statt voll auf Eigenmarken zu Begonnen hat der Aufstieg von Wie die Aldi-Brüder setzte er auf setzen, bietet Schwarz in seinen rund Dieter Schwarz vor ziemlich genau karg ausgestattete, immer gleich ein- 700 Quadratmeter großen Filialen 30 Jahren. 1973 eröffnete der damals gerichtete Märkte, die bestmögliche auch Markenartikel an. 34-Jährige seinen ersten Lidl-Dis- Qualität zu tiefstmöglichen Preisen Anders als die Albrecht-Brüder countermarkt in Ludwigshafen. Vater boten. Wie Aldi optimierte er Logis- wollte sich Schwarz nicht ausschließ- Josef, ein Obstgroßhändler, hielt tik, Warenumschlag und Produkti- lich auf das Discounter-Abenteuer zunächst nicht viel von den schlich- vität bis zum Exzess. Wie Aldi kommt einlassen. Aus Respekt vor den ten Billigläden nach Aldi-Muster und die Schwarz-Gruppe bis heute mit ei- Tücken des Billighandels setzte er wollte partout nicht, dass sie genauso ner flachen Hierarchie aus. zusätzlich auf die üppiger ausgestat- heißen wie seine eigenen „Lidl & Selbst die Firmenfarben ähneln teten Läden unter den Namen „Han- Schwarz“-Geschäfte. einander. Das gelb-blau-rote Lidl- delshof“ und „Kaufland“. Sie sollten Um nicht „Schwarz-Markt“ über Logo stammt aus dem gleichen Farb- das Risiko abfedern. die Ladentür schreiben zu müssen, kasten wie das von Aldi Süd. Das Konzept ging auf: Nach dem kaufte der ehrgeizige Junior dem pen- Fall der Mauer eröffnete er in den sionierten Berufsschullehrer Ludwig neuen Bundesländern und Berlin bin- Lidl für 1000 Mark die Namensrechte Europas Topdiscounter nen weniger Jahre 179 SB-Warenhäu- ab und sicherte sich so die Nutzung Unternehmen Umsatz in Filialen ser – und stieg dort in diesem Han- Mrd. Euro der eingeführten Marke. delssegment zum Marktführer auf. 1. Aldi Als der Vater 1977 starb, herrschte Das will Schwarz im Westen mit (Nord und Süd) 34,1 5818 der gelernte Kaufmann Dieter über seinen Discountern nun ebenfalls ein Netz von etwa 30 Lidl-Filialen. 2. Lidl schaffen. Er verkaufte den väterlichen Groß- (Schwarz-Gruppe) 15,9 4978 Über den Mann, der Deutschlands handel an die Metro und stellte 3. Plus (Tengelmann) 8,0 3518 Handelsgrößen vor sich her treibt, ist den Rest der Firmengruppe auf drei in der Öffentlichkeit so gut wie nichts 4. Penny (Rewe) 7,8 2905 strikt voneinander getrennte Säulen: bekannt. Promi-Partys und Talk- Discount, SB-Warenhäuser und Ver- 5. Dia (Carrefour) 5,6 3547 shows meidet Dieter Schwarz, Inter- brauchermärkte. Quelle: M+M Planet Retail, 2002, Schätzzahlen viewanfragen bügelt er mit einem 40 managermagazin 9/03 Unternehmen Lidl Das Vermächtnis Einzeiler ab („Wir geben grundsätz- durchqueren. Schwarz’ Büro, direkt Wie der Unternehmer für die lich keine“), aktuelle Fotos von dem über einem Kaufland-Markt gelegen, Zeit nach seinem Tod vorsorgt grauhaarigen Herrn sind nicht er- besticht durch Schlichtheit, kein hältlich. Die Wirtschaftsmedaille des Designerschreibtisch, keine Kunst- Die Gegenwart: V or vier Jahren hat sich Landes Baden-Württemberg hat er werke an den Wänden. Dieter Schwarz aus dem operativen Ge- abgelehnt, weil er auf keinen Fall schäft zurückgezogen und sein Unterneh- fotografiert werden wollte. Lieferanten werden men neu strukturiert. Die beiden Teilfirmen Das Abenteuer, Lidl & Schwarz mit Lidl und Kaufland wurden in Stiftungen ein- einer industrieerfahrenen Presse- von Lidl geknechtet gebracht. Indirekt hat Schwarz aber nach sprecherin in die moderne Welt der wie vor Zugriff auf sein Imperium. Den Kommunikation zu überführen, be- Die Kampagne „Geiz ist geil“ hätte Großteil des Immobilienbesitzes versteckt endete er schon nach wenigen Mona- auch Schwarz erfinden können. Seine der Milliardär in einer Parallelgesellschaft, ten wieder. Korrespondenz hat er noch Jahre die ihm allein gehört. So bleibt offen, ob die Hin und wieder nimmt die Ge- nach der Umstellung auf neue Post- Bilanzen der V ertriebstöchter via vergüns- heimniskrämerei schon fast bizarre leitzahlen auf altem Briefpapier ver- tigte Mieten unter Marktpreis – vor allem Züge an, wie im vergangenen Novem- schickt. Der fünfstellige Zahlencode bei teuren Innenstadtlagen – schöngerech- ber. Beim Handelskongress in Berlin wurde manuell per Stempel – halb- net werden. heftete sich Dieter Schwarz das Na- schräg – aufgedrückt. mensschild eines Vertriebsmanagers Als Dienst-Mercedes bestellt Die- Stiftungslabyrinth an, um unerkannt zu bleiben. ter Schwarz, der Millionen für soziale Wem Lidl & Schwarz künftig Trotz dieses Versteckspiels sei und kulturelle Projekte spendet, gern gehört (Beteiligungen) Schwarz alles andere als ein Sonder- mal das preiswertere Auslaufmodell. ling, sagt ein langjähriger Weg- Einen Chauffeur für seine S-Klasse Schwarz Unterneh- Dieter Schwarz menstreuhand KG Stiftung GmbH gefährte. Im Gegenteil: Der Vater hat der enthaltsame Schwabe
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