Populismus in Den Neuen Mitgliedsländern Der EU Potentiale, Akteure, Konsequenzen
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SWP-Studie Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Kai-Olaf Lang Populismus in den neuen Mitgliedsländern der EU Potentiale, Akteure, Konsequenzen S 16 Mai 2009 Berlin Alle Rechte vorbehalten. Abdruck oder vergleichbare Verwendung von Arbeiten der Stiftung Wissenschaft und Politik ist auch in Aus- zügen nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet. Die Studie gibt ausschließ- lich die persönliche Auf- fassung des Autors wieder © Stiftung Wissenschaft und Politik, 2009 SWP Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Ludwigkirchplatz 3−4 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 Fax +49 30 880 07-100 www.swp-berlin.org [email protected] ISSN 1611-6372 Inhalt 5 Problemstellung und Empfehlungen 7 Populismus im postkommunistischen Europa 9 Vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer: Populisten in der Offensive 9 Polen: Die Kaczyński-Zwillinge 10 Slowakei: Von Mečiar zu Fico 10 Neue Parteien in den baltischen Staaten 12 Bulgarien: Ein Zar, ein Nationalist und ein Saubermann 14 Populismus in Ostmittel- und Südosteuropa: Ein vielfältiges Phänomen 14 Harte und weiche Populisten 15 Strömungen und Richtungen 15 Die harten Varianten 16 Die weichen Varianten 18 Populistische Parteien im politischen Koordinatensystem 19 Populistische Potentiale 19 Wer wählt die Populisten? 20 Der Charme des weichen Populismus 21 Triebkräfte und Themen 23 Populistische Regierungspolitik: Pragmatismus oder Radikalisierung? 23 Polen: Die Kaczyński-Doppelspitze 25 Slowakei: Ficos linksnationale Koalition 27 Auswirkungen: Pragmatismus oder Radikalisierung? 29 Welche Reaktion: Isolieren, tolerieren, involvieren? 32 Anhang 32 Tabellen 35 Abkürzungen Dr. Kai-Olaf Lang ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe EU-Integration Problemstellung und Empfehlungen Populismus in den neuen Mitgliedsländern der EU. Potentiale, Akteure, Konsequenzen Die Aufnahme neuer Mitgliedsländer aus Ostmittel- und Südosteuropa in die EU schien ein Beleg für die politische Stabilität dieser Staaten zu sein. Immerhin hatte es die EU bereits in den 1993 definierten »Kopen- hagener Kriterien« zur Voraussetzung für weitere Bei- tritte gemacht, dass in den jeweiligen Ländern eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung besteht, die Menschenrechte gewahrt werden und der Schutz von Minderheiten garantiert ist. Dass diese Bedingun- gen sich auf institutionelle, rechtliche und proze- durale Fragen bezogen, also gleichsam auf die demo- kratische »Hardware«, lag in der Natur der Sache. Zu- gleich blieb so jedoch lange Zeit der Blick darauf ver- stellt, dass die demokratische »Software« dieser Staa- ten nicht erfasst werden konnte – ihre politische Kultur, die Verbreitung demokratischer Werte oder Ausrichtung und Konsolidierungsgrad von wichtigen Akteuren wie etwa Parteien. Allerdings schien die politische Realität in den meisten Beitrittsländern auch auf diesem Gebiet eher optimistisch zu stimmen. Gewöhnlich hatte sich dort ein breiter Reformkonsens entwickelt, der die wirt- schaftliche Umgestaltung, die Erneuerung des politi- schen Systems und einen auf Nato- und EU-Mitglied- schaft gerichteten außenpolitischen Kurs einbezog. Seit einiger Zeit jedoch macht sich Ernüchterung, ja Sorge breit. In zahlreichen Ländern der Region haben populistische Parteien bei Wahlen an Terrain gewon- nen. Signalwirkung hatten dabei insbesondere die Parlamentswahlen, die 2005/2006 in Polen, der Tsche- chischen Republik, der Slowakei und Ungarn – den sogenannten Visegrád-Staaten – abgehalten wurden. Bei den ersten Wahlen, die nach dem EU-Beitritt dieser Länder stattfanden, konnten demagogische, aggressive und scharf polarisierende, kurz populistische Parteien beachtliche Erfolge verbuchen und teilweise (wie in der Slowakei und Polen) sogar die Regierungsgewalt übernehmen. Das geschah in Staaten, die einmal als Vorreiter des Systemwandels angesehen worden waren und den Kernbereich der Erweiterungszone ge- bildet hatten. Die innenpolitische Situation und die fragile Parteipolitik in diesen Ländern offenbaren, dass mit der »Osterweiterung« der EU auch ein beacht- liches populistisches Potential in die Union importiert wurde – deren alte Mitgliedsländer sich ihrerseits SWP-Berlin Populismus in den neuen Mitgliedsländern der EU Mai 2009 5 Problemstellung und Empfehlungen einer wachsenden populistischen Herausforderung Bei der Frage nach dem richtigen Verhalten gegen- stellen müssen. über populistisch regierten Mitgliedsländern muss Der Erfolg von Populisten in den neuen Mitglied- differenziert werden. Je nachdem, wie die betreffende staaten resultiert aus den unerledigten Aufgaben der Regierungskoalition zusammengesetzt ist, welche Systemtransformation und den Besonderheiten von Form von Populismus herrscht, wie pragmatisch und Parteipolitik und Wählerverhalten in jungen Demo- wandlungsbereit die jeweiligen Administrationen kratien. So haben es die etablierten Kräfte trotz einer agieren, ist entweder eine härtere Gangart anzu- in vieler Hinsicht gelungenen Reformpolitik nicht schlagen oder ein eher dialog-orientierter Ansatz zu vermocht, wichtige und für die Menschen konkret wählen. In Abhängigkeit davon lassen sich drei ver- erfahrbare Missstände zu beseitigen. Die Themen- schiedene Strategien anwenden: Populistisch domi- felder, die von der Modernisierungspolitik ab 1989 nierte Regierungen können seitens ihrer Partner in vernachlässigt wurden, haben populistische Parteien der EU durch aktive Umgehung zumindest symbolisch aufgegriffen. Vor allem in der Phase neuer gesell- isoliert, in pragmatischer Weise toleriert oder durch schaftlicher Ungeduld, die mit dem EU-Beitritt ein- aktive Zusammenarbeit involviert werden. setzte, konnten sie daraus beachtliches politisches Jenseits dieser Strategien gilt es, durch konkrete Kapital schlagen. Begünstigt wurde (und wird) diese Maßnahmen die Bedingungen für Populismus zu er- Entwicklung durch eine wankelmütige Wählerschaft, schweren. Die Festigung von Parteien bleibt eine Her- organisatorisch schwache und programmatisch blasse ausforderung für demokratische Politik in den neuen Parteien und ein hohes Maß an Politikverdrossenheit. Mitgliedstaaten. Das gilt umso mehr, als sich in den All diese Faktoren haben erhebliche Bestandskraft und meisten Ländern der Region Parteiendemokratien dürften dafür sorgen, dass populistische Gruppierun- herausgebildet haben, die ohne intakte Parteien bzw. gen auch in der nahen Zukunft reüssieren werden. Parteiensysteme unter Funktionsdefiziten leiden wür- Deshalb haben sich die Partner der jungen Demo- den. Europäische Parteienverbünde, Partnerparteien kratien in der EU weiterhin darauf einzustellen, dass und die vor Ort wirkenden parteinahen oder weltan- populistische Kräfte direkt oder indirekt Einfluss auf schaulich geprägten Nichtregierungsorganisationen die Politik ihrer Länder nehmen können. Falls Populis- aus Westeuropa sind daher nach wie vor gefordert, ten Regierungsgewalt übernehmen, muss mit außen- durch ihr Engagement die programmatischen, per- und europapolitischen Folgen gerechnet werden. Die sonellen und organisatorischen Grundlagen von Par- Außenpolitik populistischer Exekutiven ist weniger teien im östlichen Teil des Kontinents zu stärken. berechenbar, die Kontinuitätsbildung wird erschwert. Die gesellschaftliche Unterstützung für populisti- Bilaterale Beziehungen – auch innerhalb der EU – sche Gruppierungen basiert teilweise auf einem Be- können sich infolge populistischer Regierungspolitik dürfnis nach Elitenwechsel. Tatsächlich scheint die rasch verschlechtern. Außerdem ist es möglich, dass Ablösung der verschlissenen Transformationseliten externe Akteure wie die USA oder Russland Sonder- durch neues Führungspersonal eine der Voraussetzun- verhältnisse zu populistischen Regierungen aufbauen, gen zu sein, um die in vielen Ländern herrschende wenn diese aus weltanschaulichen Gründen oder Vertrauenskrise überwinden zu können. Daher sollten wegen wachsender Marginalisierung in der EU solche die gemäßigten Parteien dieser Staaten gezielt neue Beziehungen suchen. Eliten aufbauen und dabei insbesondere Personal aus Das Vorrücken populistischer Parteien in den den regionalen Selbstverwaltungen rekrutieren. Von neuen EU-Mitgliedstaaten wirft zahlreiche Fragen westeuropäischen Partnerorganisationen und Stiftun- auf. Welche Akteure sind erfolgreich? Wie ist ihr gen sowie europäischen Parteienverbünden sollte inhaltliches Profil, mit welchen Themen können sie dieser Prozess unterstützt werden. Außerdem müssen ihre Wähler erreichen? Wie groß ist ihr Potential? moderate Akteure die »Lufthoheit« über politische Welches sind die gesellschaftlichen Stützen populis- Themen und Diskurse zurückgewinnen. Schwerpunk- tischer Parteien in den vormals kommunistisch te inhaltlicher Positionierung sollten dabei nicht zu- regierten Ländern? Und nicht zuletzt: Wie verhalten letzt jene Politikfelder bilden, die von Populisten er- sie sich, wenn es ihnen gelingt, Regierungsverantwor- folgreich besetzt worden sind – dazu gehören Sozial- tung zu übernehmen? All diese Aspekte sind von Be- und Wohlfahrtspolitik bzw. Daseinsfürsorge ebenso lang, wenn es darum geht, Handlungsstrategien für wie die Zurückdrängung der Korruption und der den Umgang mit dem Phänomen des Populismus in Staatsvereinnahmung durch Privatinteressen (state den postkommunistischen EU-Staaten zu erörtern. capture). SWP-Berlin Populismus in den neuen Mitgliedsländern der EU Mai 2009 6 Populismus im postkommunistischen Europa Populismus im postkommunistischen Europa Die Wahlergebnisse