Vom „Klotz am Bein“ zum begeisterten Umgang mit einem denkmalgeschützten Einhaus Ehemalige Zehntscheuer und Messnerhaus in Gunningen (Kreis , Regierungs- bezirk )

„An dieser Stelle verweise ich gerne auf den ... Moment, als ich durch den Vogtshof in selbst in einer Weise motiviert wurde, mein eigenes Handeln, das ich nicht genügend reflektiert hatte, zu überdenken und dadurch zu einer völlig neuen Sichtweise kam. Der Besuch beim Vogts- denkmal war für mich eine Art ,Initialzündung’. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass durch mein Schaffen und Leben im Götzhaus bei möglichst vielen Menschen ein Aktivierungsprozess in Gang kommt hin zu einem neuen posi - tiven Denken, Fühlen und Verhalten gegenüber dem Erbe der Väter schlecht- hin.“ Thomas Pauli, Eigentümer Monika Loddenkemper

Der Einstieg haus“ aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der sowohl in seiner Grundrissdisposition, der Im Sommer 2004 wurde seitens der Unteren Konstruktion als auch den wesentlichen Ausstat- Denkmalschutzbehörde ein Ortstermin im Haus tungselementen überliefert ist und Zeugnis für Kirchgasse 1 in Gunningen mit der Gebiets- Lebensformen des 18. Jahrhunderts im ländli- re ferentin des ehemaligen Landesdenkmalamtes chen Raum ablegt. Dieser über die Region hinaus – heute Referat Denkmalpflege im Regierungs- weit verbreitete Haustyp ist traufseitig erschlos- präsidium Freiburg – erbeten. Der Eigentümer sen und vereint Wohnen, Ställe und Scheune un- wünschte den Einbau einer Wohnung auf zwei ter einem Dach (Abb. 1). Bei der geplanten Um- Ebenen des Dachgeschosses im Wohnteil des baumaßnahme sollte die voluminöse Scheune Hauses. Bei dem betroffenen Gebäude handelt unverändert erhalten bleiben und als Pferdestall es sich um einen typischen, ländlichen Bau der genutzt werden. Im Stallbereich wollte man im Region, um ein so genanntes „quergeteiltes Ein- Erdgeschoss eine Futtermittelverkaufsstelle ein-

1 Das Einhaus Kirchgas- se 1 in Gunningen von der Straße her. Charakte- ristisch für den Bautyp sind das einheitliche Dach und die ablesbaren, quergeteilten Funktions - ein heiten: Wohnteil und Scheune samt Stall.

255 richten. Der Wohnteil hat die historische Raum- mal des Nachbardorfes durch die Großfamilie des folge mit drei komplett holzgetäferten Räumen Eigentümers besucht worden war, geschah das, und zwei mit historischem Deckentäfer sowie was der Eigentümer selbst später als „Initialzün- den zweistöckigen Dachstuhl mit Andreaskreu- dung“ bezeichnen sollte. Er kam zum Nachdenken zen als Längsaussteifung erhalten (Abb. 2). Die über sein eigenes „Denk-Mal“: Er sah ein altes, erste Planung sah vor, Dacheinschnitte in zwei behutsam saniertes Gebäude, das viel quali - Ebenen auf Kosten von Teilen der Dachkonstruk- tätvolle historische Substanz aufwies, die hand- tion sowie u.a. ein zusätzliches Treppenhaus werklich hervorragend repariert worden war und durch die getäferten Räume zu führen. Zu Ende so eine besondere Aussagekraft besaß. Dank die- des Termins waren beide Parteien frustriert: ein ser Besichtigung erkannte der Eigentümer des typischer „Zielkonflikt“. Es zeigte sich, dass die Hauses Kirchgasse 1 in Gunningen den Wert und jungen Eigentümer mit dem vom Großvater er- die Einmaligkeit seines Kulturdenkmals. Er wurde erbten Anwesen wenig anzufangen wussten, motiviert, den historischen Bestand des ihm vom weil sie sich nicht vorstellen konnten, mit dem ur- Großvater anvertrauten Hauses zu bewahren und alten „Gelump“ zu leben und sich deshalb für der Nachwelt weiterzugeben. den scheinbar einfacheren Weg, die Entkernung, entschieden hatten. Sowohl die Eingriffe in die Das Konzept Substanz von Dach und Täfer als auch die Ver - änderungen der Grundrissdisposition sowie das Der Eigentümer zog aus eigener Initiative denk- Entfernen von Ausstattungsteilen standen dem malerfahrene Handwerker und Restauratoren denkmalpflegerischen Konzept entgegen. Die hinzu. Bei verschiedenen Gesprächen mit allen Bauherrschaft war enttäuscht und ernüchtert, Beteiligten entwickelte man nach und nach ein weil sich grundlegende Eckpunkte der avisierten denkmalverträgliches Konzept. Nach der bau- Planung als nicht realisierbar zeigten. Man trennte rechtlichen Genehmigung wird dies nun Schritt sich mit der Empfehlung seitens der Denkmal- für Schritt in Abstimmung mit der Denkmalpflege pflege, ein saniertes, landwirtschaftliches Anwe- umgesetzt. Wesentlich hierbei ist, dass der histo- sen im Nachbarort anzusehen und die Planung zu rische Bestand bei der Sanierung erhalten und überarbeiten. restauriert wird. Grundsätzlich bleibt die Grund- rissstruktur des Hauses unverändert (Abb. 3). Vor- Die Wendung erst stellte man die Einrichtung der Futtermittel- verkaufsstelle zurück. Mehr und mehr wurde die Etwa einen Monat später teilte der Eigentümer Erhaltung zum ureigensten Wunsch des Bau- 2 Der unveränderte telefonisch mit, dass die Planung grundlegend herrn. Zum Beispiel will er eine im Zuge der Bau- Dachstuhl mit der bau- geändert worden sei. Auf den Ausbau des Dach- arbeiten entdeckte Nische, den so genannten zeitlichen Konstruktion: Typisch sind die so geschosses solle verzichtet und dafür Erd- und Herrgottswinkel, in der Küchenwand bewahren genannten „Andreas - Obergeschoss des Wohnteils umgebaut werden. und zeigen. Bald machte er sich bewusst, dass kreuze“ zur Windaus - Als am Tag des offenen Denkmals tatsächlich das gewisse Materialien in einem Kulturdenkmal nichts steifung. seitens der Denkmalpflege vorgeschlagene Denk- zu suchen haben. Er prüfte fortan zuerst die Möglichkeit von Erhalt und Reparatur vorhan- de ner Bauteile. So wurde schließlich der – nicht bauzeitliche, aber erhaltenswerte historische – Terraz zofußboden in der Küche bewahrt und aus- gebessert (Abb. 4). Obwohl ein Bad in einem bauzeitlich ausgebau- ten Wohnraum geplant war, wurde darin – bei separat vorgestellter Installation – das komplette Wand- und Deckentäfer erhalten (Abb. 5). An- fangs erschien der dunkle Naturton des Holzes der Bauherrschaft zu düster, mittlerweile sieht sie ihn als etwas Besonderes, das sie unbedingt wei- tergeben möchte. Das zu Beginn der Maßnahme gelblich gestrichene Stubentäfer war bauzeitlich ohne Fassung, wie restauratorische Untersuchun- gen ergeben haben. Da der Anstrich erst nach 1935 ohne Qualitätsanspruch aufgebracht wor - den war, stimmte die Denkmalpflege einer Wie - derherstellung der Holzsichtigkeit zu (Abb. 6). Den Fensterbestand der 1960er Jahre des ver-

256 3 Blick in den Flur des Erdgeschosses (mit Treppe).

4 Die Küche mit histori- schem Terrazzofußboden und vom Eigentümer ent- deckter Nische.

5 Das Bad im ehemali- gen Wohnraum mit separat vorgestellter In- stallation und erhaltenem Wand- und Deckentäfer.

6 Die Stube im Oberge- schoss nach schreinerres- tauratorischer Reparatur des Täfers.

gangenen Jahrhunderts hat man erneuert. Auf und Fachrestauratoren erwähnenswert. Durch eigenen Wunsch der Bauherrschaft wurden Holz- die intensive fachliche Beratung und Begleitung kastenfenster mit besonders filigraner Profilie- konnte ein denkmalverträgliches, zurückhalten- rung und Teilung eingesetzt. des Sanierungskonzept entwickelt werden, das Begeisterung und Wissensdrang bezüglich des sowohl den Erhalt der Hausstruktur als auch ins- großelterlichen Anwesens motivierten den jun- besondere der hölzernen Ausstattung gewähr- gen Bauherren auch zu eigenständigen Archiv - leistet. recherchen: Er konnte herausfinden, dass das Sehr erfreulich ist in diesem Zusammenhang, Gunninger Einhaus ehemalige Zehntscheuer und dass sowohl Zuschüsse seitens des Landes als Messnerhaus des Ortes war, bevor das Gebäude auch der Denkmalstiftung Baden-Württemberg im Jahr 1808 von seinen Vorfahren erworben diese Maßnahme wesentlich unterstützen konn- wurde. ten. Das Projekt steht kurz vor dem Abschluss.

Das Ergebnis Quellen

Eine anfangs verfahren erscheinende Situation Kristina und Karl-Philipp Jung: Götzhaus in Gunnin- mit einer nicht denkmalverträglichen Planung hat gen (TUT), Kirchgasse 1, Restauratorische Untersu- sich zum Positiven wenden lassen. So konnte ein chungen I und II, unveröffentlichtes Manuskript, Ba- für die Denkmalpflege verloren geglaubtes Kul tur- den-Baden 2004–2005. denkmal gerettet und für weitere Generationen Thomas Pauli: Götzhaus in Gunningen (TUT), Kirch- nutzbar gemacht werden. Der Eigentümer hat gasse 1, Das Denkmal stellt sich vor, zusammenge- die intensive Herausforderung angenommen und stellt für die Denkmalstiftung Baden-Württemberg, ist mittlerweile mit denkmalpflegerischer Über- unveröffentlichtes Manuskript, Gunningen 2006. zeugung und stets wachsender Begeisterung Peter Volkmer: Gunningen, Kirchstraße 1, Doku- mit der Sanierung des großväterlichen Hauses be- men tation der Nachuntersuchung des Wohn- und schäftigt. Schlafbereichs im Obergeschoss, unveröffentlichtes Auch die Denkmalschützer freuen sich inzwi- Manuskript, Aichhalden-Rötenberg 2005. schen auf die kooperativen Ortstermine und konstruktiven Gespräche, bei denen Schritt für Schritt die für das Haus beste Lösung erarbeitet Monika Loddenkemper M.A. wird. Hier ist die gute Zusammenarbeit von orts- Regierungspräsidium Freiburg ansässigen mit denkmalerfahrenen Handwerkern Referat 25 – Denkmalpflege

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