Leben im

Livelihood Analyse in Surakarta, Indonesien

Masterarbeit

Institut für Geographie Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften Universität Innsbruck

vorgelegt von: Sebastian Pihan, Matrikelnr.: 1516684

Oktober 2018

Betreuer der Arbeit: Univ. Prof. Dr. Martin Coy

Abstract

Globalization and urbanization go hand in hand. Worldwide the number of people living in is rising. During the last years Indonesia showed one of the fastest growing rates of urbanization within Southeast Asia. Today more than half (265 Million) of all Indonesians live in cities. Until 2050 this percentage is expected to rise to 71 %. This means that Indonesia's urban population will grow by around 100 million. One major issue is the provision of affordable housing. Here the Central-Javanese of Surakarta could gain national and international attention for its innovative housing policies.

This master thesis gives an insight into the livelihoods of the urban poor in the city of Surakarta. The thesis focuses on two case studies in Mojosongo, in the north part of the city: Ngemplak Sutan and Mipitan Sewu. Both research areas were founded within a relocation program by the city government in 2008, as a response to heavy inner-city flooding. Consequently, in a first step, this thesis analyses the resources the household has access to. In a second step, the influences of the surrounding struc- tures and processes are being analyzed. A special focus is put on the effects of the relocation program and the resident’s satisfaction with the resettlement. This research uses qualitative primary data, col- lected through semi-structured interviews, observations and focus group discussions. Besides mapping and household surveys were conducted in both settlements.

This research reveals that financial-capital has got a crucial role for the households in both research areas, since monetary means are being used to compensate the lack of various resources. Low educa- tional levels, as well as a lack of formal working places, lead to a high importance of the informal sector. Both settlements lack proper infrastructural provision, especially regarding the accessibility and connectivity to the city center. This circumstance is responsible for higher living costs (e.g. transport) in Mojosongo, compared to the former inner-city situation. The high importance of the informal sector further limits the potential to increase household income and shortens the household (planning-) perspective. Although social-capital is strongly existent among most households, the bene- fits the households can gain from it are little, due to the lack of financial means. Hence social-capital is limited to solidarity within the neighborhood and religious activities.

People in both settlements could profit from the process of democratization and decentralization. Since 1998 measurable efforts could be made in education and health provision. Further the process of relo- cation meant a positive change for most people. Nevertheless, a universal evaluation of the project is not possible since the success is highly dependent on the local circumstances.

This study increases the knowledge about urban livelihoods in Central-Java, Indonesia and shows how measurements of the city administration can affect local livelihoods. These results may be used for future resettlement measurements and recommendations for an adequate provision of common goods.

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Danksagung

Ein großes Dankeschön an all diejenigen, welche mich sowohl während meines Studiums als auch bei dem Verfassen dieser Masterarbeit stets unterstützt und motiviert haben. Es war nicht immer einfach!

Zunächst möchte ich mich herzlich bei meinem Betreuer an der Universität Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Martin Coy, für die Unterstützung bei dem Verfassen dieser Arbeit bedanken. Danke für die vielen Ratschläge und Anmerkungen sowie die Unterstützung während der gesamten Arbeit. Zudem ein Dankeschön an Dich als Dozent, von dem ich während meines Masterstudiums viel mitnehmen durfte.

Ebenfalls ausdrücklich bedanken möchte ich mich bei meinem Betreuer an der UNS in Surakarta, Dr.rer.nat. Nurhadi. Terima Kasih, dass du mich so herzlich in Solo aufgenommen hast und mir bei so vielen organisatorischen Angelegenheiten stets tatkräftig unter die Arme gegriffen hast. Ohne deine Hilfe und die Mithilfe deiner Studenten wäre diese Arbeit in dieser Form nicht möglich gewesen.

Christian Obermayr vielen Dank für die vielen Treffen im Vorfeld des Forschungsaufenthaltes. Ohne dich hätte ich vermutlich niemals Solo als Untersuchungsregion für diese Arbeit ausgewählt. Danke für die vielen wichtigen Informationen zu Solo sowie die hilfreichen Tipps für die Datenerhebung.

Ein großes Terima Kasih geht auch an Dr. Eng. Kusumaningdyah N.H, ST., MT, welche mir Einblicke in mehrere laufende Projekte des Urban Rural Design & Conservation Laboratory (URDC) ermöglichte. Danke auch für die Mithilfe bei der Konzeption und Durchführung der Focus Group Diskussionen.

Vikri Zahara und Lia S. Purnamasari ohne eurer beider Mithilfe würde ich vermutlich bis heute in Surakarta mit der Datenerhebung beschäftigt sein. Vielen Dank für die unermüdliche und unverzicht- bare Unterstützung bei der Durchführung von Fragebögen, Experteninterviews und FGDs. Lia vielen Dank auch für die Unterstützung bei den Behördengängen sowie deine Einführung in die kulinari- schen Spezialitäten der Stadt. Ohne dich hätte ich vermutlich Nasi Liwet nie gekostet.

An dieser Stelle nochmals ein Dankeschön an Alle, welche mich in Surakarta unterstützt haben und so zu der Fertigstellung dieser Arbeit beigetragen haben. Auch Danke an die Bewohner von Ngemplak Sutan und Mipitan Sewu, welche stets bemüht waren meinen vielen Fragen Rede und Antwort zu ste- hen und mir Einblicke in ihren Alltag gewährten.

Ein großes Dankeschön geht an Freunde und Familie, welche mich stets bei meinem Studium unter- stützt haben. Ein besonderer Dank gilt dabei meiner Verlobten, welche mir stets die Kraft gab diese Arbeit zu beenden. Danke auch an meine Eltern für die finanzielle Unterstützung meines Studiums.

Abschließend möchte ich der Universität Innsbruck für die finanzielle Unterstützung dieser Arbeit danken. Ohne diese Unterstützung wäre dieser Forschungsaufenthalt nicht möglich gewesen.

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorliegende Ar- beit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Magister-/Master- /Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.

Datum Unterschrift

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Inhaltsverzeichnis

Abstract ...... I Danksagung ...... II Inhaltsverzeichnis ...... IV Abbildungsverzeichnis ...... VI Tabellen und Boxenverzeichnis ...... VII Abkürzungen ...... VIII

1 Einleitung ...... 1 1.1 Fragestellung und Zielsetzung ...... 3 1.2 Aufbau der Arbeit ...... 4 2 Indonesien - Geographische Übersicht ...... 5 2.1 Administrativer Aufbau ...... 5 2.2 Entwicklung seit 1998 ...... 6 2.3 Ein Land der Gegensätze ...... 7 2.4 Surakarta ...... 10 3 Theorie und konzeptioneller Rahmen ...... 12 3.1 Armut ...... 12 3.2 Urbanisierung und städtische Armut ...... 14 3.3 Entwicklungstheoretischer Zusammenhang ...... 17 3.4 Sustainable Livelihood Approach - SLA ...... 21 3.4.1 Livelihood Assets & Framework ...... 21 3.4.2 Livelihoods in der Stadt ...... 24 3.4.3 Kritik ...... 26 4 Methodik ...... 27 4.1 Sekundärdaten ...... 28 4.2 Qualitatives Forschungsdesign ...... 29 4.3 Methodenmix...... 29 4.4 Limitationen ...... 33 5 Vorstellung der Untersuchungsregion ...... 35 5.1 Program Relokasi ...... 35 5.2 Mojosongo ...... 37 5.2.1 Ngemplak Sutan ...... 39 5.2.2 Mipitan Sewu ...... 42

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6 Leben im Kampung ...... 44 6.1 Ausstattung an Kapitalien ...... 44 6.1.1 Human-Kapital ...... 44 6.1.2 Natur-Kapital ...... 47 6.1.3 Sach-Kapital ...... 47 6.1.4 Finanz-Kapital ...... 49 6.1.5 Sozial-Kapital ...... 53 6.2 Einfluss der Stadtverwaltung ...... 56 6.3 Livelihoodstrategien im Kampung ...... 59 7 Diskussion und Ausblick ...... 60 7.1 Forschungsfragen ...... 60 7.2 Limitationen und Ansatzpunkte weiterer Forschung...... 62 7.3 Implikationen für die Praxis ...... 64 7.4 Zusammenfassung ...... 65 8 Literaturverzeinis...... 67

Anhang ...... 75 Anhang 1: Fragebogen ...... 75

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Übersichtskarte Indonesien ...... 5 Abb. 2: Administrativer Aufbau Indonesien...... 6 Abb. 3: Bevölkerungsverteilung in Indonesien...... 8 Abb. 4: Administrative Aufteilung Surakarta...... 11 Abb. 5: Räumliches Desakota System...... 14 Abb. 6: Modell der indonesischen (Küsten-) Stadt...... 17 Abb. 7: Stufenleiter der Partizipation...... 19 Abb. 8: Das Sustainable Livelihood Framework...... 22 Abb. 9: Akteure im Feld Urban Governance...... 24 Abb. 10: Übersicht der angewendeten Methoden zur Datenerhebung...... 30 Abb. 11: Datenerhebung entlang des Bengawan Solo...... 32 Abb. 12: Focus Group Diskussion in Mipitan Sewu...... 32 Abb. 13: Neu gebaute Siedlung in Ngemplak Sutan...... 36 Abb. 14: Urban Forest entlang des Begawan Solo...... 36 Abb. 15: Lage der Untersuchungsgebiete innerhalb der Stadt Surakarta...... 37 Abb. 16: Eindrücke aus Mojosongo...... 39 Abb. 17: Schematische Kartierung Ngemplak Sutan RT03/ RW37...... 40 Abb. 18: Taman Aquaponik...... 41 Abb. 19: Schematische Kartierung Mipitan Sewu...... 42 Abb. 20: Uferzone Mipitan Sewu...... 43 Abb. 21: Zufriedenheit der Bewohner mit der Infrastrukturversorgung...... 48 Abb. 22: Verteilung von Home-based Enterprises in den Untersuchungsgebieten...... 52 Abb. 23: Wichtige Institutionen und Akteure des Alltags in Mipitan Sewu ...... 53 Abb. 24: Zufriedenheit der Bewohner mit dem Umsiedlungsprogramm ...... 57 Abb. 25: Uferbereich Bengawan Solo in Pucang Sawit ...... 58

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Tabellen und Boxenverzeichnis

Tab. 1: Dimensionen der Armut...... 13 Tab. 2: Charakteristika des informellen Sektors...... 16 Tab. 3: Übersicht über verwendete Sekundärdaten...... 28 Tab. 4: Liste der Interviewpartner während des Forschungsaufenthaltes...... 33

Box 1: Transmigrasi ...... 7 Box 2: Nachhaltige Entwicklung ...... 20 Box 3: Livelihood Kapitalien ...... 23 Box 4: Taman Aquaponik ...... 41 Box 5: Krankenversicherung in Indonesien ...... 46 Box 6: Home-based Enterprise Ibu Warni (Ngemplak Sutan) ...... 50 Box 7: Die Rolle der Frau in Indonesien ...... 54

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Abkürzungen

Indonesische Abkürzung Bedeutung ASEAN Association of South East Asian Nations BAPEDA Badan Perencana Pembangunan Regionale Planungs- und Entwicklungsbehörde Daerah BAPERMAS Badan Pemberdayaan Masyarakat Regionale Behörde für Gemeindeentwicklung BKMKS Bantuan Kesehatan Masyarakat Kota Gesundheitsversorgungsprogramm der Stadt Solo Solo BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung BPS Badan Pusat Statistic Indonesia Zentrales für Statistik Indonesien BPN Badan Pertanahan Nasional Landbesitzbehörde DFID British Department for International Development GEF Geographische Entwicklungsforschung HDI Human Development Index HBE Home-based Enterprise IDR Indonesische Rupiah (Währung) KIP Kampung Improvement Program Indon. Slumupgradingprogram MDGs Millennium Development Goals PUSKESMAS Pusat Kesehatan Masyarakat Basisgesundheitsstation RT Nachbarschaftsverband (kleinste admin. Einheit, besteht in der Regel aus 10 bis 50 Haushalten) RW Zusammenschluss mehrerer RTs (admin. Einheit) SD Sekolah Dasar Grundschule SDGs Sustainable Development Goals SLA Sustainable Livelihood Approach SLF Sustainable Livelihood Framework SMA Sekolah Menengah Atas Weiterführende Schule SMP Sekolah Menengah Pertama Mittelschule UN Vereinte Nationen UN-DESA UN-Hauptabteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten UNDP Entwicklungsprogram der UN UN-ESCAP UN-Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik UN-HABITAT UN-Human Settlements Programme UNS Universitas Sebelas Maret Universität in Surakarta Surakarta WBGU Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung für gesellschaftliche Umweltveränderungen

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Genderhinweis

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Masterarbeit die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfa- chung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

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Einleitung

1 Einleitung

„Das 21 Jahrhundert wird das Jahrhundert der Städte sein“ (WBGU 2016)

Weltweit ziehen die Menschen in die Stadt und bereits heute leben über 50 % der Weltbevölkerung in urbanen Räumen. Über 90 % des städtischen Wachstums wird in Ländern Afrikas und Asiens erwar- tet, wobei insbesondere der Anteil, der in Armut lebenden Menschen steigt (UN-DESA 2014; Rakodi 2006). Angezogen durch Globalisierung und ökonomisches Wachstum, gilt der Zuzug armer, ländli- cher Bevölkerung als die treibende Kraft für das rasante Wachstum urbaner Regionen (UN-HABITAT 2016).

Spätestens seit der Veröffentlichung der Studie „Grenzen des Wachstums“ (1972) sowie des sog. Brundtland Reports (1987) wurde deutlich, dass unsere derzeitige Lebensweise die natürlichen Gren- zen unseres Planeten überschreitet und nicht nachhaltig ist (Meadows et al. 1972; Brundtland 1987). Die jüngsten Geschehnisse im Rahmen des Pariser Klimaabkommens (2015) zeigen, dass jene Prob- lematik auch nach über 30 Jahren zu den zentralen Herausforderungen unserer heutigen Weltgesell- schaft zählt. Auf dem Weg hin zu einer Transformation zu (mehr) Nachhaltigkeit wird dabei Städten eine zentrale Rolle zukommen, da diese die Zentren von Macht, Kultur und Politik sowie Innovation sind (WBGU 2016).

Ein Rückblick auf die Entwicklung der letzten Jahre zeigt jedoch, dass Städte einen Großteil der welt- weiten Ressourcen verbrauchen, maßgeblich zur Emission von Treibhausgasen beitragen sowie Schauplatz gravierender sozialer Disparitäten sind (WBGU 2016; UN-HABITAT 2016). Letzteres ist in Ländern des Globalen Südens besonders ausgeprägt. Wohnraum ist vielerorts zu einem knappen Gut geworden. Rund ein Drittel der Weltbevölkerung hat keinen adäquaten Wohnraum und mehr als 850 Millionen Menschen leben in Slums. In Ländern des Globalen Südens liegt jener Anteil bei über 43 % der Bevölkerung (UN-HABITAT 2006). Diverse komplexe lokale Rahmenbedingungen lassen eine allgemeingültige Definition des Begriffs „Slum“ nicht zu. Dennoch können ein mangelhafter Zugang zu Wasser, Sanitär und Infrastruktur, hohe Bevölkerungsdichten, unzureichende und informel- le Bauweise der Gebäude, fehlender Schutz vor klimatischen und anderen Risiken, gesundheitliche Umweltbelastungen, unzureichend geklärte Eigentumsverhältnisse, soziale Exklusion sowie Armut als typische Merkmale der Siedlungsform gesehen werden (UN-HABITAT 2006).

Angesichts dieser Problematik erfährt der Begriff der Nachhaltigkeit im Bereich der Stadtentwicklung/ -planung auch auf internationaler Ebene zunehmend an Bedeutung (Roorda et al. 2014). Wichtige Meilensteine bilden hier die HABITAT-Konferenzen der Vereinten Nationen (UN), die im Jahr 2000 verabschiedeten Millennium Development Goals (MDGs) sowie die 2015 daraus entwickelten Sustainable Development Goals (SGDs). Letztere greifen mit SDG 9 nachhaltige Stadtentwicklung

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Einleitung erstmals in einem eigenständigen Entwicklungsziel auf. Demnach sollen bis zum Jahr 2030 Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestaltet sein (UN-HABITAT 2015a).

Trotz des vorhandenen Bewusstseins gilt es festzuhalten, dass viele der bisherigen Maßnahmen den ökonomischen, ökologischen als auch sozialen Herausforderungen einer globalen Urbanisierung nach- haltig entgegenzutreten, nicht den gewünschten Erfolg mit sich gebracht haben. Ein Grund hierfür ist, dass bestehende Lösungsansätze oftmals aus „adhoc“ Maßnahmen bestehen, welche kurzfristig Besse- rung versprechen, jedoch nicht in der Lage sind die Probleme nachhaltig zu lösen (Loorbach 2014).

In den 90er Jahren entstand das Analyseschema des Sustainable Livelihood Approach (SLA), welches seither vielfach Anwendung in der Entwicklungspolitik und -forschung fand. Der Ansatz versucht dabei, mittels einer holistischen und partizipativen Sichtweise, einen Beitrag zu bestehenden Entwick- lungsansätzen zu liefern. Dies umfasst sowohl die Problemdefinition und -analyse als auch die Evalua- tion von Maßnahmen und Politiken (Rakodi 2006). Im Zentrum des Livelihood Konzepts steht dabei der einzelne Haushalt und dessen Handlungsmöglichkeiten unter bestehenden politischen, ökonomi- schen, kulturellen sowie institutionellen Rahmenbedingungen (Korf und Rothfuß 2016).

Viele der genannten Aspekte treffen auch auf Indonesien zu. Innerhalb Südostasiens verzeichnete das Land in den vergangenen Jahrzehnten eine der höchsten Wachstumsraten urbaner Räume. Auch hier leben bereits über die Hälfte der 265 Millionen Indonesier in Städten. Ein Großteil davon befindet sich auf der Insel Java. Bis zum Jahr 2050 wird sich dieser Anteil auf 71 % erhöhen. In absoluten Zahlen bedeutet dies ein Wachstum der städtischen Bevölkerung Indonesiens um knapp 100 Millionen Men- schen (UN-DESA 2014). Neben dem Bevölkerungswachstum des Landes lässt insbesondere der un- kontrollierte Zuzug von Menschen aus strukturschwachen, entlegenen ländlichen Regionen die urba- nen Regionen wachsen (Gamino 2012).

Ein Blick auf die indonesische Hauptstadt Jakarta lässt schnell erkennen, welch große Herausforde- rungen mit jenem stetigen Zuzug verbunden sind. Der Großraum Jakarta, auch Jabodetabek1 genannt, hat sich in den letzten Jahren zu dem größten Stadtagglomerationsraum Südostasiens entwickelt (Spreitzhofer 2009). In dem Ballungsgebiet leben mehr als 30 Millionen Menschen und jährlich kom- men weitere 250.000 Menschen hinzu. Marginalisierung, niedrigste Lebensstandards, Armut sowie Umweltbelastungen sind nur einige der Schlagworte, die mit jenem Zuzug der Menschen einhergehen (Worldpopulationreview 2018; Spreitzhofer 2009).

Ein Großteil der ärmeren städtischen Bevölkerung lebt dabei in Kampungs, einer Siedlungsstruktur, welche auf traditionelle, dörfliche Strukturen zurückzuführen ist (Ford 1993). Wesentliche Teile der

1 Jabodetabek: die Metropolregion besteht aus den Distrikten: DIK Jakarta sowie den angrenzenden Distrikten Bogor, Depok, Tangerang und Bekasi

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Einleitung

Siedlungsstruktur werden von den Bewohnern selbst errichtet (Tunas und Peresthu 2010). Enge Gas- sen, unregelmäßige und niedrige Bauweise, sowie eine hohe Bevölkerungsdichte sind typische Kenn- zeichen innerstädtischer Kampungs. Oftmals wird der Begriff fälschlicher Weise mit Slum übersetzt, nicht zuletzt auch deshalb, da einige Kampungs2 erhebliche Defizite bei der Infrastrukturversorgung haben (Obermayr 2017). Auf Grund der attraktiven Lage, sind insbesondere in den Innenstädten Kam- pungs und deren Bewohner zunehmend Verdrängungseffekten neuer Infrastrukturprojekte ausgesetzt (Leitner und Sheppard 2018; Spreitzhofer 2009). In Jakarta waren zwischen 2015 – 2016 rund 14.000 Familien und 11.500 Einzelhandelsbetriebe von Zwangsräumungen betroffen. Geläufiges Vorgehen ist heute die Umsiedlung der Haushalte an den Stadtrand (LGH Jakarta 2017). Obwohl in Indonesien der Anteil der in Slums lebenden Bevölkerung in den letzten Jahren reduziert werden konnte, lebten 2009 über 23 Millionen der städtischen Bevölkerung in unzureichenden Wohnbedingungen (UN-HABITAT 2015b; BPS 2018c).

1.1 Fragestellung und Zielsetzung

In Anbetracht der skizzierten Herausforderungen einer globalen Urbanisierung, soll im Rahmen dieser Arbeit die Situation in Indonesien näher untersucht werden. Die Untersuchungsregion konzentriert sich dabei auf die zentral javanische Stadt Surakarta (s. Kap 2.4). Zentrales Element der Arbeit ist eine Mikrostudie auf Haushaltsebene. Anhand von zwei Untersuchungsgebieten innerhalb der Stadt Surakarta sollen die Lebenssituationen der betroffenen Bewohner mit Hilfe des Sustainable Livelihood Ansatzes erfasst werden. Kerninteresse ist es unter anderem die Lebensgestaltung der betroffenen Menschen zu verstehen sowie individuelle und strukturelle Hindernisse zu erfassen. Somit soll nicht zuletzt ein Einblick in die Präferenzen, Ziele und Potentiale der Haushalte ermöglicht werden.

Daraus abgeleitet ergibt sich folgende Forschungsfrage:

1 „Wie gestalten Haushalte ihr Überleben in städtischer Armut?“

Im Sinne des Sustainable Livelihood Ansatzes beinhaltet die Beantwortung der Frage folgende Unter- fragen:

1.1 „Auf welche Ressourcen kann der Haushalt zurückgreifen und welche Strukturen und Prozesse nehmen hierauf Einfluss?“ 1.2 „Wie gestalten Haushalte ihre Haushaltsstrategie in städtischer Armut?“ 1.3 „Wie nachhaltig sind die Lebenserhaltungssysteme der betroffenen Haushalte?“

2 Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Begriff siehe Kap. 3.2

3

Einleitung

Daran anknüpfend stellt sich die Frage, in wie fern stadtplanerische Maßnahmen einen Einfluss auf die Situation der Betroffenen haben, zumal beide Untersuchungsgebiete im Zuge eines städtischen Um- siedlungsprogramms zwischen 2009/10 neu gegründet wurden. Ein besonderer Fokus soll dabei auf deren Entwicklung sowie Aspekten der Nachhaltigkeit gerichtet werden. Daraus ergibt sich die Frage:

2 „Welchen Einfluss haben planerische Maßnahmen der Stadtverwaltung auf die Situation der betroffenen Haushalte und wie nachhaltig können diese eingestuft werden?“

1.2 Aufbau der Arbeit

Diese Masterarbeit besteht aus sieben Kapiteln. In dem folgenden zweiten Kapitel werden sowohl Indonesien als auch die Stadt Surakarta kurz vorgestellt. Das Kapitel erhebt dabei keinen Anspruch auf einen vollständigen länderkundlichen Bericht, vielmehr werden relevante Themenbereiche Indone- siens kurz aufgegriffen, um so ein besseres Verständnis über den geographischen Kontext dieser Ar- beit zu erhalten.

Kapitel drei widmet sich dem dieser Arbeit zugrundeliegenden theoretisch konzeptionellen Rahmen. Dabei werden sowohl wichtige Begriffe definiert als auch der aktuelle geographische Diskurs zur Stadtentwicklung im globalen Süden aufgegriffen. Der Fokus liegt auf dem Livelihood Ansatz und dessen Anwendung im urbanen Kontext.

In dem sich anschließenden vierten Kapitel werden die Datengrundlage und die Datenerhebung der Arbeit vorgestellt. Neben dem methodischen Vorgehen werden auch mögliche Limitationen hinsicht- lich der Aussagekraft der Daten thematisiert.

In Kapitel fünf werden die beiden Untersuchungsgebiete vorgestellt. Dies beinhaltet sowohl eine kurze Erläuterung zu der Entstehung der beiden Siedlungen sowie eine kurze Charakteristik der beiden Un- tersuchungsgebiete.

Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung werden in Kapitel sechs präsentiert und unter Berück- sichtigung des Livelihood Ansatzes dargestellt. Der Einfluss von Maßnahmen der Stadtverwaltung sowie die Livelihoodstrategien der Bewohner bilden weitere Bestandteile des Kapitels.

Den Abschluss dieser Arbeit bildet das siebte Kapitel, in welchem die wichtigsten Ergebnisse der Stu- die nochmals aufgegriffen, der zugrundeliegende theoretische Rahmen diskutiert sowie Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen aufgezeigt werden.

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Indonesien - Geographische Übersicht

2 Indonesien - Geographische Übersicht

Die Republik Indonesien ist der weltweit größte Inselstaat und erstreckt sich auf einer Fläche von 1.904.569 km² (s. Abb. 1). Der Archipel hat eine Ost-West Ausdehnung von über 5.100 km, welches in etwa der Entfernung von Frankfurt am Main nach Kabul (Afghanistan) entspricht. In dem Vielvöl- kerstaat leben über 300 verschiedene ethnischen Gruppen und neben der Amtssprache Bahasa Indone- sia werden über 250 Sprachen gesprochen (Knörr 2012). Von den über 17.000 Inseln sind bis heute lediglich rund 6.000 dauerhaft bewohnt (Schott 2015).

Abb. 1: Übersichtskarte Indonesien Kämmer Kartographie 2012.

2.1 Administrativer Aufbau

Administrativ ist Indonesien in 33 Provinzen unterteilt, welche sich in ländliche (Kabupaten) und städ- tische (Kota) Distrikte unterteilen lassen (s. Abb. 2). Jene Distrikte bestehen wiederum aus mehreren Subdistrikten (Kecamatan). In ländlichen Regionen bestehen diese aus mehreren Dörfern (Desa), wo- hingegen in der Stadt aus mehreren (Stadt-) Vierteln (Kelurahan).

Daneben existieren sowohl auf dem Land als auch in der Stadt zwei informelle Verwaltungsebenen. Die unterste Ebene bilden Nachbarschaften (Rukun Tetangga – RT). Jede Nachbarschaft wählt ihren eigenen Vorstand, welcher Ansprechperson für sämtliche Belange innerhalb der Nachbarschaft ist. Zu

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Indonesien - Geographische Übersicht den Aufgaben zählen beispielsweise die Registrierung der Einwohner und das Informieren der Bürger. Zwischen drei und zehn solcher Nachbarschaften bilden eine Community (Rukun Warga – RW), für den erneut einen Vorstand gewählt wird. Diese Person ist der Ansprechpartner für die Ebene des Kelu- rahan bzw. Desa und hat so eine Schlüsselfunktion bei der Verbindung zwischen Administration und Bevölkerung (Obermayr 2017).

Abb. 2: Administrativer Aufbau Indonesien.Obermayr 2017.

2.2 Entwicklung seit 1998

Indonesien befindet sich derzeit in einem Transformationsprozess. Die Asienkriese 97/98 traf Indone- siens Wirtschaft schwer. Sozioökonomische Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte gingen innerhalb weniger Monate verloren. Ein rapider Währungsverlust sowie Massenarbeitslosigkeit waren kenn- zeichnend für die Krise und führten zu Unruhen im gesamten Land. Gemeinsam mit massiven Korrup- tionsvorwürfen gegen das Umfeld des Präsidenten bedeutete dies das Ende der Ära Suharto, welcher mit seinem autoritären Regime der „Neuen Ordnung“ (Orde Baru) das Land über 30 Jahre regiert hat- te (Schott 2015). Im Gegensatz zu den zentralistisch (auf Jakarta) ausgerichteten Strukturen wurden in der Folgezeit konsequent demokratische und dezentrale Strukturen geschaffen. Durch den Ausbau der politischen Partizipation der Zivilgesellschaft sollten sowohl regionale Interessen besser berücksich- tigt, als auch separatistischen Kräften in einigen Regionen des Landes (z.B. in Aceh, Papua, Moluk- ken) entgegengewirkt werden. Die Dezentralisierung verhalf insbesondere den Regierungsdistrikten (Kabupaten und Kota) zu einem großen Maß an Eigenständigkeit. Die Kompetenzen in den Bereichen Gesundheit- und Schulwesen, Infrastrukturmaßnahmen (u. a. Wasser- und Energieversorgung, Stra-

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Indonesien - Geographische Übersicht

ßenbau) und Umweltschutz wurden dabei an die Distrikte übertragen. Zudem erhielten diese das Recht zur Erhebung von regionalen Abgaben und Steuern (Hofman et al. 2004).

Rückblickend hat der Dezentralisierungsprozess erhebliche Impulse für die Entwicklung indonesischer Städte und Landkreise geschaffen, deren Erfolge heute vielerorts sichtbar sind (Klingshirn 2016). Das Land hat sich von den Folgen der Asienkrise erholt, innenpolitisch stabilisiert und seine Rolle auf internationaler Ebene (ASEAN, G20, EAS) ausgebaut (Muhibat 2012). Letzteres zeigt sich auch in dem Prozess der Post – 2015 – Entwicklungsagenda, in dem das Land eine wichtige Rolle einnahm. Eine Vielzahl der Entwürfe zu den SDGs wurden in den mittelfristigen nationalen Entwicklungsplan Rencana Pembangunan Jangka Menengah Nasional (RPJMN) 2015-2019 aufgenommen (UNDP 2015).

Insbesondere in der Anfangsphase führte die Umverteilung der Kompetenzen jedoch mancherorts zu einer Überforderung der Regierungsdistrikte, da hierfür die Kapazitäten fehlten (Obermayr 2017). In einigen Regierungsdistrikten führten die veränderten Machtbefugnisse zur Ausweitung von Korrupti- on und einem Kampf lokaler Eliten um die Kontrolle lokaler Ressourcen, wobei bis heute oftmals Personen des Suharto Regimes wichtige Funktionen einnehmen (David 2012). Weder Demokratisie- rung noch Dezentralisierung können als abgeschlossener Prozess betrachtet werden. Es bleibt daher zu beobachten, in wie fern die indonesische Regierung den Herausforderungen durch Korruption, Separa- tismus sowie einer schleichenden Islamisierung des Landes standzuhalten vermag.

2.3 Ein Land der Gegensätze

Die Insel Java stellt nach wie vor das demographische, politische und wirtschaftliche Zentrum des Landes dar. Ebenso befinden sich große Teile der Infrastruktur und des Bildungs- und Gesund- heitssektors auf Java. Obwohl die Insel lediglich rund sieben Prozent der gesamten Landfläche des Landes ausmacht, leben hier über die Hälfte (ca. 265 Mio.) der Bevölkerung (s. Abb. 3). Im Gegensatz dazu sind große Regionen, insbesondere im Osten des Landes (sog. Außeninseln) nur sehr dünn besie- delt und weisen teilweise große strukturelle Defizite auf (David 2012). Jener Ungleichverteilung ver- sucht die indonesische Regierung mit staatlichen Umsiedlungsprogrammen entgegenzuwirken (s. Box. 1).

Box 1: Transmigrasi

Bereits seit der Zeit der Kolonialisierung wird der Versuch unternommen jener Ungleichverteilung der Bevölkerung mit staatlichen Umsiedlungsprogrammen (Transmigrasi) entgegenzuwirken. Einen Höhe- punkt erreichte das Programm während der Amtszeit Suhartos. Über acht Millionen Menschen wurden von den dicht besiedelten Inseln Java und Bali in andere Teile des Landes umgesiedelt. Ein wichtiger Hintergedanke war dabei auch die bessere Integration von ethnischen Minderheiten sowie die Stärkung der nationalen (javanischen) Identität in dem Vielvölkerstaat (Yulmardi et al. 2018).

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Indonesien - Geographische Übersicht

Abb. 3: Bevölkerungsverteilung in Indonesien. Eigene Darstellung.

Auch wirtschaftlich gesehen spielt Java die zentrale Rolle. Über 55 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) werden auf der Insel generiert. Die Wirtschaft hat sich in den Jahren nach der Asienkrise stabilisiert und das BIP wuchs zwischen 2000 und 2015 um durchschnittlich 5 % jährlich (UN-ESCAP 2017). Heute belegt das Land Rang 15 im internationalen Vergleich, unter anderem vor den Niederlanden (STATISTA 2018).

Zu den Herausforderungen zukünftiger ökonomischer Entwicklung gehören die große Bedeutung des informellen Sektors. Dabei zeigt sich eine zunehmende „Informalisierung“ formeller Wirtschaftsberei- che. Ebenso sind demographische Entwicklungen zu berücksichtigen. Indonesien hat einen hohen Anteil an jungen Menschen. Rund 65 Millionen sind zwischen 15 - 24 Jahre alt, von denen fast ein Viertel arbeitslos ist. In den letzten Jahren wurden daher umfangreiche Investitionen im Bildungssek- tor getätigt und das Ziel einer flächendeckenden Grundschulversorgung (sechs Unterrichtsjahre) er- reicht. Dennoch existieren nach wie vor große Defizite hinsichtlich der Qualität der Bildung sowie weiterführenden, berufsqualifizierenden Ausbildungsmöglichkeiten (UNDP 2015).

Hinsichtlich der Vermögensverteilung im Land lassen sich, neben der räumlichen Konzentration auf Java, wachsende Ungleichgewichte hinsichtlich der Verteilung innerhalb der Gesellschaft erkennen.

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Indonesien - Geographische Übersicht

Eine Möglichkeit Letzteres zu messen liefert der Gini-Koeffizient3. Dieser ist in Indonesien seit 2000 von 30 auf einen Wert von 40 (2015) angestiegen (UN-ESCAP 2017; David 2012). Städtische Gebiete weisen dabei in der Regel größere Unterschiede auf als ländliche Regionen.

Eine umfassendere Möglichkeit liefert der Index für menschliche Entwicklung (HDI)4. Dieser liegt in der Provinz Jakarta bei 0,86 wohingegen in der peripheren Provinz Papua lediglich ein Wert von 0,58 erzielt wird (BPS 2018b). Lebenserwartung, Bildungszugang und Lebensstandard unterscheiden sich somit erheblich. Auf Distriktebene existieren noch deutlichere Unterschiede (Obermayr 2017).

Anders ausgedrückt bedeutet jene Ungleichverteilung, dass die vier reichsten Männer Indonesiens so viel wie die ärmsten 100 Millionen besitzen und somit nur ein (kleiner) Teil der Gesellschaft von dem wirtschaftlichen Aufschwung Indonesiens profitiert (Gibson 2017).

Obwohl der Anteil der in Armut lebenden Bevölkerung seit dem Jahr 2000 beinahe halbiert werden konnte, trifft dies auf 10,1 % der Bevölkerung (ca. 27 Millionen) zu (BPS 2018c). Die derzeitige Ar- mutsgrenze5 liegt in städtischen Regionen durchschnittlich bei 400.995 IDR (25,30 €6) pro Kopf pro Monat und in ländlichen Regionen bei 370.910 IDR (23,40 €) (BPS 2018a). Trotz dieser Entwicklun- gen hinkt die indonesische Regierung bei ihrem Vorhaben der Armutsreduzierung hinterher (Abuzar 2011). Deutlich wird dies, wenn zur Abgrenzung von Armut7 die „moderate Armutsgrenze“ der Welt- bank (3,10 U$/ Kopf/ Tag) herangezogen wird. Dies lässt den Anteil der von Armut betroffenen Be- völkerung auf 36% (93 Millionen) ansteigen. Ein Großteil der Indonesier lebt somit gerade über der Armutsgrenze und ist für einen erneuten Rückfall in die Armut stark vulnerabel (Gibson 2017), nicht zuletzt auch deshalb weil 60 % der Arbeitnehmer sich in vulnerablen Arbeitsverhältnissen8 befinden und rund ein Drittel Niedriglohn bezieht (UNDP 2015).

3 Gini-Koeffizient: Statistisches Maß zur Ermittlung von Ungleichverteilung. Dieser kann einen Wert zwischen 0 und 100 annehmen, wobei ein Wert „0“ eine völlige Gleichverteilung und der Wert „100“ eine völlige Ungleich- verteilung symbolisiert (UN-ESCAP 2017). 4 Der Human Development Index (HDI) berücksichtigt die Bereiche Lebenserwartung, Bildung und Lebensstan- dards. Die einzelnen Bereiche werden jeweils auf eine Skala zwischen 0 und 1 projiziert. Der Durchschnitt der drei Werte ergibt den HDI. Je näher dieser bei 0 liegt, desto größer sind die Mängel im Bereich der menschlichen Entwicklung (UNDP 2016). 5) Die Nationale Statistikbehörde Indonesiens (BPS) verwendet für ihre Abgrenzung von Armut ein kombiniertes Vorgehen, welches Nahrungsmittel und Nichtnahrungsmittel berücksichtigt. In der Vergangenheit wurde das Vorgehen mehrmals optimiert, wodurch eine zeitliche Interpretation der Daten erschwert wird (Priebe 2014). 6 Aufgrund der teilweise deutlichen Kursschwankungen der Indonesischen Rupiah bezieht sich der im Rahmen dieser angegebene Vergleichswert in Euro, stets auf den durchschnittlichen Wechselkurs des Untersuchungszeit- raums. Zwischen dem 24.08. und 24.11.2017 betrug der Wechselkurs für 1,00 € durchschnittlich 15.857,39 IDR. 7 Eine detailliertere Auseinandersetzung mit dem Begriff „Armut“ erfolgt in Kap. 3.2. 8 Indonesische Begriffsdefinition: Die Summe aus Selbständigen, Arbeitgebern mit Unterstützung durch tempo- räre-/ unbezahlte Arbeitskräfte, Gelegenheitsarbeitern, mitarbeitenden Familienangehörigen (Ausgenommen: Regelmäßige Arbeitgeber und formeller Sektor). Oft sind Merkmale: Schlechte Arbeitsbedingungen unzu- reichende Entlohnung, niedrige Produktivität sowie unzureichender Schutz des Arbeitnehmers (UNDP 2015).

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Indonesien - Geographische Übersicht

2.4 Surakarta

Die Stadt Surakarta, im Indonesischen auch Solo genannt, befindet sich im östlichen Teil der Provinz Zentral Java. Mit rund 520.000 Einwohnern zählt Surakarta zu den Städten mittlerer Größe in Indone- sien und stellt sowohl das politische als auch wirtschaftliche Zentrum der dar. Die Stadt er- streckt sich auf einer Fläche von 44 km² und ist, wie die meisten javanischen Städte, sehr dicht besie- delt. Pro Quadratkilometer wohnen laut amtlicher Statistik durchschnittlich 11.675 Menschen. Je nach Stadtteil kann dieser Wert jedoch auch bis zu 15.882 Menschen betragen (BPS Kota Surakarta 2017b). Je höher, desto größer ist der Anteil der von Armut betroffenen Menschen. In Solo leben über 90.000 Menschen (15 %) in Armut (Solo Pos 2018; Solo Kota Kita 2010). Rund vier Prozent davon sind sehr stark von Armut betroffen (Interview 07).

Surakarta ist umgeben von den Distrikten Sukoharjo, Boyolali und Karanganyar. Der Begawan Solo (= längste Fluss Javas) bildet wesentliche Teile der östlichen Grenzen des Stadtgebietes. Aufgrund der vergleichsweise kleinen Fläche der Stadt ist in der Vergangenheit eine dynamische Metropolregion Subosukawonosraten9 um das eigentliche Stadtgebiet entstanden, welche Wohn- und Arbeitsplatz für eine Vielzahl von Pendlern ist (Putranto 2013). So leben allein in Grogol, einem an das Stadtgebiet angrenzenden Sub-Distrikt, weitere 100.000 Menschen (BPS Sukoharjo 2007). In der gesamten Met- ropolregion leben knapp sechs Millionen Menschen (BPS 2010).

Administrativ lässt sich Surakarta in fünf Kecamatan (Distrikte) unterteilen, welche wiederum aus 51 Kelurahan (Sub-Distrikte) bestehen (s. Abb. 4). Auf informeller Ebene lassen sich diese nochmals in 604 Rukun Warga (RW) und 2.714 Rukun Tetangga (RT) weiter aufgliedern. Durchschnittlich besteht ein RT aus 66 Haushalten (BPS Kota Surakarta 2017). Innerhalb der beiden letztgenannten Ebenen kommt es öfter zu Veränderungen, weshalb die absolute Anzahl von RT und RW regelmäßig variiert.

Die Stadt blickt, für europäische Verhältnisse, auf eine vergleichsweise kurze Stadtgeschichte zurück, welche eng mit dem benachbarten Yogyakarta verbunden ist. 1746 wurde die Stadt im Landesinneren des Mataram Königreichs gegründet. 1755 kam es aufgrund von Streitigkeiten bei der Thronfolge zur Teilung des Königreiches. Yogyakarta und Surakarta existierten seitdem als zwei rivalisierende, ei- genständige Reiche. Mit der Gründung der Republik Indonesien übergaben beide Königreiche ihren Machteinfluss an die indonesische Regierung. Bis heute gelten beide Städte als die kulturellen Zentren javanischer Kultur (Vorlaufer 2018).

Wirtschaftlich hat sich Surakarta, trotz der Binnenlage im Landesinneren, zu einer wichtigen Handels- stadt in Zentral Java entwickelt. Ein Großteil der Bevölkerung arbeitet in klein- und mittelständischen

9 Subosukawonosraten: bestehend aus den Distrikten Sukoharjo, Boyolali, Surakarta, Karanganyar, Wonogiri, Sragen und Klaten)

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Indonesien - Geographische Übersicht

Unternehmen. Insbesondere die Textilindustrie hat sich, durch die Batik Produktion angetrieben, zu einem wichtigen Wirtschaftszweig der Metropolregion entwickelt. Im Gegensatz zu dem benachbarten Yogyakarta (ca. 60 km entfernt) spielt der internationale Tourismus in Surakarta bislang eine zu ver- nachlässigende wirtschaftliche Rolle (Wijaya 2009).

Abb. 4: Administrative Aufteilung Surakarta. Eigene Darstellung.

Surakarta ist eine sehr dicht besiedelte Stadt. Ein Blick in die lokale Presse zeigt, dass jene dichte Be- siedelung oft ein Konfliktfeld mit Entwicklungsmaßnahmen der Stadtverwaltung darstellt. Ein aktuel- les Beispiel hierfür ist die Umsiedlung von rund 600 Haushalten für den Ausbau der Eisenbahnverbin- dung zum Flughafen der Stadt (The Jakarta Post 2017). Hiervon betroffen sind vor allem einkom- mensschwache Haushalte. Die indonesische Regierung steht dabei oftmals in der Kritik, keine bzw. unzureichende Entschädigungen zu leisten. Im Gegensatz dazu konnte die Stadt Surakarta in den ver- gangenen Jahren mehrmals internationale Aufmerksamkeit für einen innovativen, dialogorientierten Umgang mit den Bürgern auf sich ziehen. Insbesondere während der Amtszeit (2005 – 2012) von Joko Widodo (bekannt als „Jokowi“), dem derzeitigen Staatspräsidenten Indonesiens, als Bürgermeister der Stadt wurden umfangreiche Reformen im stadtpolitischen Bereich erreicht (Lourenço und Astuti 2011).

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Theorie und konzeptioneller Rahmen

3 Theorie und konzeptioneller Rahmen

Geographische Entwicklungspolitik versteht sich heute als Hilfe zur Selbsthilfe mit dem Ziel globaler, nachhaltiger Entwicklung. Armutsbekämpfung, Umwelt- und Ressourcenschutz sowie Bildung und Ausbildung bilden dabei drei Schwerpunkte (Coy 2005b). Die theoretischen Grundlagen der geogra- phischen Entwicklungsforschung (GEF) sowie die Strategien der Entwicklungszusammenarbeit unter- lagen mehrfach einem Wandel. Das folgende Kapitel skizziert diesen Prozess der Entwicklung. Zuvor werden die Begriffe „Armut“ und „Urbanisierung“ definiert und in Verbindung gesetzt. Ein besonde- rer Fokus dieses Kapitels liegt auf dem Livelihoodansatz und dessen Anwendung im urbanen Kontext.

3.1 Armut

Armut ist multidimensional und facettenreich (DFID 2001; Nohlen 1996; BMZ 2018). Der Begriff umfasst nicht nur einen Ist – Zustand, sondern auch einen Prozess, welcher die Entscheidungsfähigkeit und Lebensqualität der betroffenen Personen limitiert (Owuor 2006). Eine universell gültige Definiti- on des Begriffs besteht nicht und es existieren eine Vielzahl an Ansätzen den qualitativen Begriff zu quantifizieren. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Definitionen und Messmethoden vorge- stellt und voneinander abgegrenzt.

Relative Armut bezeichnet das Wohlstandsgefälle zwischen Industrie- und Entwicklungsländern so- wie innerhalb der Länder zwischen Regionen und sozialen Schichten (Nohlen 1996). Im Gegensatz dazu beschreibt der Begriff Absolute Armut „einen Zustand solch entwürdigender Le- bensbedingungen wie Krankheit, Analphabetentum, Unterernährung und Verwahrlosung […], dass die Opfer dieser Armut nicht einmal die grundlegendsten menschlichen Existenzbedürfnisse befriedi- gen können“ (Weltbankpräsident Robert McNamara 1973: Nairobi-Rede in (Nohlen 1996). Extreme Armut besteht dann, wenn weniger als 1,90 U$ am Tag zur Verfügung steht (BMZ 2018). SDG 1 setzt sich als Ziel bis 2030 eine Welt ohne extreme Armut zu erreichen (UNDP 2016).

Armut wird oft mit Hilfe von nationalen Armutsgrenzen gemessen. Je nach Land fließen hier unter- schiedliche Parameter in die Berechnung ein. Oft existieren mehrere Armutsgrenzen, welche sich im zeitlichen Verlauf verändern können (Addicks 2003). Für internationale Vergleiche ist die Armuts- grenze der Weltbank (1,90U$) ein gängiger Indikator (BMZ 2018). Auf Grund des multidimensiona- len Charakters von Armut sind einkommensbasierte Messverfahren jedoch nicht in der Lage Armut vollständig zu erfassen. Daher erfolgte eine Erweiterung des Armutskonzepts um Dimensionen der Opportunities des Empowerments und der Security (s. Tab. 1).

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Theorie und konzeptioneller Rahmen

Tab. 1: Dimensionen der Armut. Verändert nach Addicks 2003.

Dimension Ausprägung

Opportunities • Einkommensniveau & Verteilung • Marktzugang • Human-Kapital • Zugang Finanz- & Kreditsystem

Empowerment • Politisch legale Basis • Gender Equity • Partizipation in der Entschei- • Inklusive Dezentralisierung & dungsfindung Gemeinde - Entwicklung • Sozialkapitalbildung • Abbau sozialer Disparitäten

Security • Einkommensrisiken • Natürliche Risiken • Beschäftigungsrisiken • Persönliche Risiken • Vermögensrisiken • (In-) Formale Versicherungssysteme

Moderne Messverfahren berücksichtigen neben monetären Indikatoren (Einkommen, Ressourcen) auch Ergebnisindikatoren (outcome/ output), Zugangsindikatoren (input/ access) sowie nicht – mone- täre Deprivationsindikatoren (Partizipation, ethnische Diskriminierung, etc.) (Addicks 2003). Bei- spielsweise ermittelt der Multidimensional Poverty Index (MPI) der Vereinten Nationen, wie stark ein Haushalt unter Defiziten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Lebensstandard leidet (BMZ 2018). Werden mindestens 33 Prozent der gewichteten Indikatoren als mangelhaft bewertet, so gilt der Haushalt als arm. Der MPI gehört zu den additiven Verfahren, welche die einzelnen Dimensionen von Armut betrachten und addieren. Verteilungsaspekte und Wechselwirkungen werden allerdings nicht erfasst (Rippin 2015). Partizipative Armutsstudien (Participatory Poverty Assesment – PPA) versu- chen Armut aus Sicht der Betroffenen zu definieren. Dabei wird von den Betroffenen oftmals Organi- sation als wichtiges Kriterium zur Überwindung von Armut angesehen (Addicks 2003). Die indonesi- sche Regierung berücksichtigt in ihrer Definition von Armut neben Einkommen und Beruf, auch Wohnverhältnisse, Zugang zu Versorgungsleistungen, Ernährungs- und Bildungssituation sowie Er- sparnisse (Solo Kota Kita 2010).

Trotz der Abkehr von einem rein einkommensbasierten Verständnis von Armut, dominieren jedoch nach wie vor einkommensbasierte Messverfahren. Dabei bestehen eine Reihe methodischer Probleme. Gerade in Ländern des Globalen Südens fehlt es oft an aussagekräftigem Datenmaterial (z.B. Kon- sumverhalten) und die Ressourcendefinition bezieht sich in der Regel auf Haushaltsebene und nicht auf die einzelne Person. Ebenso werden diverse, räumliche und gesellschaftliche Zugangsvorausset- zungen unzureichend berücksichtigt. Gleiches gilt für die Festlegung von Mindeststandards. Hierbei ist kritisch zu hinterfragen, wer die Standards festsetzt und wie mit der Substitution einzelner Indikato- ren umgegangen wird (Addicks 2003).

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Theorie und konzeptioneller Rahmen

3.2 Urbanisierung und städtische Armut

Auch für den Begriff der Urbanisierung existieren unterschiedliche Definitionen und Abgrenzungen. Urbanisierung ist eine Phase der Stadtentwicklung, welche durch Wachstum sowie funktionale und soziale Neuordnung geprägt ist (Basten und Gerhard 2016). Häufig wird der Begriff mit Verstädterung übersetzt. Urbanisierung umfasst jedoch neben einem quantitativen Wachstum städtischer Strukturen (z.B. Anzahl Städte, Fläche, Anzahl Bevölkerung, Bevölkerungsdichte, etc.) auch das Ausbreiten städ- tischer Lebens-, Wirtschafts- und Verhaltensweisen. Letztere sind nicht zwingend an städtische Gebie- te gebunden, sondern prägen zunehmend auch das Leben auf dem Land. Dieser Zusammenhang wird auch als Stadt-Land-Kontinuum bezeichnet (Bähr 2011). In Indonesien ist die Siedlungsform der sog. Desakota (indonesisch.: Dorfstadt) eine Sonderform des Einflusses urbaner Regionen außerhalb ihrer administrativen Grenzen (s. Abb. 5). Desakota sind dichtbesiedelte ländliche Räume, welche außer- halb des Einzugsbereichs der urbanen Zentren liegen. Oft befinden sich diese entlang wichtiger Ver- kehrsachsen. Dennoch lassen sich hier eine Vielzahl an typischen Merkmalen urbaner Räume (große Mobilität, Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft, etc.) finden (McGee 1991).

Abb. 5: Räumliches Desakota System. McGee 1991.

Verantwortlich für das rasante Bevölkerungswachstum in urbanen Räumen ist, neben dem Zuzug ländlicher Bevölkerung, das natürliche Bevölkerungswachstum. Dies ist auf Grund des jungen Alters (der Zuwanderer) in Ländern des Globalen Südens besonders hoch (Bähr 2011). Es sind dabei weniger die Städte selbst (Pull – Faktoren der Stadt), sondern vor allem die schlechten Lebensbedingungen auf dem Land (Push – Faktoren auf dem Land), welche die Menschen in die Städte treiben (Obermayr 2017).

Jenes Wachstum urbaner Regionen bleibt nicht ohne Folgen für Mensch und Natur. Angesichts des zunehmenden Drucks auf die Innenstädte findet vielerorts ein ungeplanter Flächenzuwachs statt. Zentrale Herausforderung lokaler Stadtverwaltungen ist unter anderem die ausreichende Versorgung

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Theorie und konzeptioneller Rahmen mit Wohnraum. Anhand von physischer Qualität, Sicherheit des Besitzes, Nutzung und Anbindung an Märkte bzw. Infrastruktur lässt sich dieser qualifizieren (Addicks 2003). Jährlich fehlt es in Indonesien an über 300.000 städtischen Wohneinheiten, außerdem gilt es den landesweiten Rückstand von über zwölf Millionen Wohneinheiten aufzuholen (Weltbank 2016).

Das Anwachsen informeller Siedlungen (z.B. entlang von Flussufern), (innerstädtischer) Slums sowie Marginalsiedlungen (am Stadtrand) sind Ausdruck einer voranschreitenden Urbanisierung in Ländern des Globalen Südens (UN-HABITAT 2016). Jene Haushalte sind oftmals betroffen von Umwelt- und Gesundheitsrisiken (z.B. verunreinigtes Wasser, Krankheiten auf Grund mangelnder Hygiene, Exposi- tion natürlicher Risiken). Soziale Absicherungssysteme sind aufgrund gesellschaftlicher Vielfalt und Fragmentierung gering ausgeprägt und es existieren Sicherheitsrisiken (z.B. Gewaltverbrechen). Zudem bestehen Verwundbarkeiten gegenüber staatlicher bzw. polizeilicher Gewalt (Vertreibung, Umsiedlung) sowie Korruption. Wichtigstes Merkmal ist jedoch die hohe Abhängigkeit von monetä- ren Mitteln in urbanen Gebieten (Owuor 2006).

Hierbei spielt der informelle Sektor eine wichtige Rolle. Gerade in Ländern des Globalen Südens kön- nen formelle Wirtschaftsbereiche der schnell wachsenden Bevölkerung sowie der steigenden Nachfra- ge nach Arbeitsmöglichkeiten, Waren und Dienstleistungen nicht nachkommen (Tipple 2005). So auch in Indonesien. Auch wenn exakte Zahlen schwierig zu ermitteln sind, gehen Untersuchungen davon aus, dass bis zu 70 % der gesamt vorhandenen Arbeitskraft des Landes im informellen Sektor tätig ist. Dazu zählen alle wirtschaftlichen Unternehmungen, welche durch Firmen durchgeführt werden, welche nicht offiziell registriert sind und somit keine Steuern zahlen. Charakteristisch ist oft eine kleine Firmengröße (unter 5 Angestellten) mit geringer Produktivität und niedrigen Gehaltszah- lungen. Geführt werden die Unternehmen durch Einzelpersonen mit geringer beruflicher Qualifika- tion. Die Betriebe bedienen lokale Nachfragemärkte und eine Expansion wird in der Regel nicht ange- strebt. Aufgrund des inoffiziellen Status und somit Fehlen von Schutzmechanismen, gelten die im informellen Sektor tätigen Menschen als stark vulnerabel. Ebenso findet der informelle Sektor oftmals nur wenig Beachtung in Planungsprozessen. Positiv wird hingegen betrachtet, dass der informelle Sektor flexible Beschäftigungsverhältnisse ermöglicht und somit beispielsweise Frauen in der Lage sind, in der Nähe ihres Zuhauses zu arbeiten. Ebenfalls können die Folgen von ökonomische Krisen bis zu einem gewissen Grad durch den informellen Sektor aufgefangen werden (Rothen- berg et al. 2016). In urbanen Regionen gehört der Straßenverkauf (indon.: pedagang kaki lima) zu den wichtigsten Formen informellen Gewerbes (Gunadi 2008).

Die folgende Tabelle gibt nochmals einen Überblick über typische Charakteristika des informellen Sektors. Dabei gilt festzuhalten, dass bis heute die Komplexität des informellen Sektors sowie dessen Herausforderungen und Chancen nur unzureichend verstanden und untersucht sind (Kota Kita 2017).

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Theorie und konzeptioneller Rahmen

Tab. 2: Charakteristika des informellen Sektors. (Tipple 2005).

Wie bereits erwähnt ist der Begriff des Urbanen in Indonesien unmittelbar mit dem Begriff Kampung verbunden. Kampungs existieren in so gut wie allen indonesischen Städten und können laut Ford (1993) in inner-city Kampungs, midcity Kampungs, squatter Kampungs und rural Kampungs unterteilt werden (s.Abb. 6: Modell der indonesischen (Küsten-) Stadt. Abb. 6). Kennzeichen von in- ner-city Kampungs sind hohe Bevölkerungsdichten und eine schlechte Infrastrukturversorgung. Auf- grund der räumlichen Nähe zu Einkommensmöglichkeiten wohnen hier viele neuangekommene Mig- ranten. Jene räumliche Nähe spielt auch für den informellen Sektor eine wichtige Rolle. Deutlich bes- sere Lebensbedingungen existieren in midcity Kampungs. Außerhalb des Stadtzentrums existieren rural Kampungs mit ländlichen Lebensweisen. Squatter Kampungs sind temporäre, über das gesamte Stadtgebiet verteilte Siedlungsformen ohne legalen Landbesitz (Ford 1993). Laut indonesischer Ge- setzgebung dürfen letztere ohne Kompensationszahlungen, notfalls auch gewaltsam, geräumt werden (Rolnik 2013).

Mit dem Einsetzen der Urbanisierung in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wuchs auch die Zahl der Kampungs in Indonesien an. Angesichts der teilweise katastrophalen Zustände in den Kam- pungs wurde 1969 mit dem Kampung Improvement Programm (KIP) das weltweit erste Slum – Up- grading Programm ins Leben gerufen. Vor dem Hintergrund des entwicklungspolitischen Diskurses (s. Kap. 3.3) durchlief auch das KIP verschiedene Stufen der Entwicklung. Zu Beginn umfasste das Hilfsprogramm insbesondere physische Hilfsmaßnahmen (z.B. Bereitstellung von Infrastruktur), wo- hingegen seit Ende der 80er Jahre zunehmend auch Partizipation und Inklusion in den Vordergrund rückten (Obermayr 2017).

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Theorie und konzeptioneller Rahmen

Abb. 6: Modell der indonesischen (Küsten-) Stadt.Ford 1993.

1994 wurde das KIP durch das Urban Housing Renewal Programm abgelöst und existiert bis heute in abgeänderter Form (Spreitzhofer 2007). Schätzungen gehen davon aus, dass über 15 Millionen Men- schen von dem Programm profitierten (Weltbank 2003). Schwerpunktmäßig wurde vor allem die Inf- rastruktur in Kampungs verbessert, wohingegen Investitionen in die Gebäudesubstanz eher die Aus- nahme bildeten (Tunas und Peresthu 2010).

Nach wie vor leben 27 Millionen der indonesischen Bevölkerung in Slums, weshalb deren Aufwertung zu den zentralen Herausforderungen der Stadtentwicklung zählen. Kritisch wird gesehen, dass Hilfe oftmals dort geleistet wird, wo sie für die (westliche) Außenwelt sichtbar ist und nicht an den Orten, an denen sie am meisten benötigt wird (Spreitzhofer 2007).

3.3 Entwicklungstheoretischer Zusammenhang

Auch wenn die Anfänge der Geographischen Entwicklungsländerforschung (GEF) bis in die Kolonial- zeit reichen, so fand erst nach dem zweiten Weltkrieg eine theoriegeleitete Auseinandersetzung in dem Wissenschaftsbereich statt. Vor dem zeitlich-politischen Hintergrund des Nachkriegsbooms prägten modernisierungstheoretische Ansätze die Anfänge in den 50er und 60er Jahren (Coy 2005a). Die „Entwicklung“ eines Landes wird dabei als ein endogener Prozess verstanden, welcher anhand von wirtschaftlichem Wachstum und gesellschaftlichen bzw. kulturellen Strukturen gemessen wird. Letzte- re sind geprägt durch den Dualismus zwischen fortschrittlichen (= industrialisierten), modernen (= westlichen) Strukturen und entwicklungshemmenden traditionellen Strukturen (Behrendt 1968). Ziel von Modernisierungstheorien ist es jenen Rückstand durch eine nachholende Entwicklung zu über- winden. Hierzu sei auf die „Stadientheorie wirtschaftlicher Entwicklung“ von Rostow (1960) verwie- sen, wonach jene Entwicklung zur Moderne in fünf Phasen abläuft (Haas und Eschlbeck 2006). Dabei

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Theorie und konzeptioneller Rahmen bilden Städte Zentren des Fortschritts. Durch Sickereffekte (trickle-down) ermöglichen diese, die Ent- wicklung ihres unterentwickelten Hinterlandes. Armut und soziale Disparitäten werden auf dem Ent- wicklungspfad als temporäre Übergangserscheinung betrachtet (Gertel 2007).

Klassische Strategien der Entwicklungszusammenarbeit in den 50er/ 60er Jahren sind die Importsub- stitutionen und Exportorientierung sowie die Agrarmodernisierung (Grüne Revolution). Jene sektoral – ökonomisch, top-down ausgerichteten, wachstumsorientierten Lösungsansätze waren jedoch nicht in der Lage die Ursachen der Probleme zu lösen. Gründe hierfür sind unter anderem die einseitige Orien- tierung an den Industrienationen als Vorbild, ein falsches Traditionsverständnis, die Nichtbeachtung kolonialer Folgen sowie das Verständnis von Entwicklung als rein endogener Prozess (Gertel 2007).

Angesichts des Ausbleibens der praktischen Erfolge werden ab Mitte der 60er Jahre, von Südamerika ausgehend, zunehmend Dependenztheorien ausgearbeitet. Diese sehen die Gründe für das Scheitern und der damit verbundenen Polarisation der Gesellschafft in Arm und Reich nicht in den jeweiligen Entwicklungsländern, sondern in der Abhängigkeit von den Industrienationen. Somit werden exogene und historische Faktoren als Ursachen für Entwicklung gesehen. Urbane Räume sind dabei Satelliten eines globalen Netzwerks industrialisierter Länder, deren primäre Funktion die Beschaffung von Roh- stoffen ist. Für eine erfolgreiche Entwicklung ist demnach die Abkopplung von kapitalistischen In- dustriegesellschaften (siehe China, Kuba) nötig. Die Theorie des strukturellen Imperialismus von Gal- tung (1976) stellt die Abhängigkeiten von Zentrums- und Peripheriegesellschaften modellhaft dar (Haas und Eschlbeck 2006). Obwohl durchaus bestehende Verbindungen und Abhängigkeiten inner- halb der Peripheriegesellschaft berücksichtigen werden, agieren Dependenztheorien insbesondere auf der Makroebene (Gertel 2007). Jener Fokus auf exogenen Ursachen sowie das Fehlen konkreter Lö- sungsvorschläge bilden wesentliche Kritikpunkte dependenztheoretischer Ansätze, zumal ein Rück- blick auf die letzten Jahrzehnte zeigt, dass vielerorts durchaus Erfolge (siehe „Schwellenländer“) ver- zeichnet werden konnten (Coy 2005a).

Zu Beginn der 70er Jahre führen das Ansteigen von Armut und räumlicher Disparitäten in den Ent- wicklungsländern zu einer Abkehr von den beiden Globaltheorien und einem Wandel in der Entwick- lungspolitik. Vor dem zeitlichen Hintergrund der Weltwirtschaftskrise, bilden die Nairobi-Rede des Weltbank-Präsidenten Robert S. McNamara (1973) sowie die Cocoyoc Erklärung (1974) wichtige Meilensteine. Armut und soziale Ungleichheit sind demnach entscheidende Hindernisse für Entwick- lung, weshalb das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit in der Befriedigung elementarer Grundbe- dürfnisse10 liegen muss. Direkte Armutsbekämpfung, Partizipation der Betroffenen (s. Abb. 7) sowie eine Abkehr von sektoralen Ansätzen hin zu einer regionalen Sichtweise sind Kennzeichen der

10 Zu den Grundbedürfnissen zählen u. A. die Mindestausstattung mit: Nahrung, Kleidung, Wohnung Trinkwas- ser, sanitäre Versorgung, Bildung, etc. (Jessen 2006).

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Theorie und konzeptioneller Rahmen

Grundbedürfnisstrategien (Jessen 2006). Dabei findet lokales Wissen zunehmend Beachtung in der Entwicklungszusammenarbeit. Ein Beispiel hierfür ist der Ansatz des Rapid Rural Appraisal (RRA) (Chambers 1994) .

Abb. 7: Stufenleiter der Partizipation. Wright et al. 2010.

Die 80er Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit sind geprägt durch die Strukturanpassungspro- gramme (SAP) von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF). Hauptziele bilden die fi- nanzielle Sanierung und Entstaatlichung, für deren Umsetzung jedoch sehr hohe soziale Kosten in Kauf genommen werden (Gertel 2007).

Ende der 80er Jahre entwickeln sich vermehrt Theorien mittlerer Reichweite, welche eine nachhaltige Entwicklung von Umwelt, Ökonomie und Gesellschaft anstreben (s. Box 2). Dabei rückte zunehmend der Mensch als handelndes Individuum in das Zentrum des Forschungsinteresses. Kennzeichnend ist ein stark bottom-up geprägtes, partizipatives Forschungsdesign sowie die Abkehr von universal gülti- gen Aussagen (Krüger 2007; Gertel 2007). Ein Beispiel hierfür bildet der Ansatz des Participatory Rural Appraisal (PRA). Basierend auf dem Konzept des RRA, liefert der Ansatz ein Set an Methoden und Instrumenten zur Stärkung der Selbsthilfekapazität und Entscheidungskompetenz lokaler Gemein- schaften (Chambers 1994). Ebenfalls in dieser Zeit etabliert sich die Mehrebenenperspektive (lokal - regioal - global) in der GEF. Wegbereitend hierfür war unter anderem der Bielefelder Verflechtungs- ansatz. Darin wird der informelle Subsistenzsektor nicht (mehr) als rückständige ökonomische Pro- duktionsweise gesehen, sondern als „integraler Bestandteil der kapitalistischen Moderne und Produk- tion“ (Korf und Rothfuß 2016). Ebenfalls zu den Theorien mittlerer Reichweite zählen der Verwund- barkeit – Ansatz (Chambers, 1989; Watts und Bohle,1993), die Politische Ökologie (vgl. Blaikie 1985; Krings 2008), die Resilienz – Forschung (vgl. Holling, 2003; Bohle et al., 2009) sowie die

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Theorie und konzeptioneller Rahmen

Livelihood – Konzepte11 (vgl. Chambers und Conway 1991; Krüger 2003). Letztere kamen Anfang der 90er Jahre auf und rückten den einzelnen Haushalt und dessen Handlungsoptionen in das Zentrum der Betrachtung (Korf und Rothfuß 2016). Kritisch wird gesehen, dass Theorien mittlerer Reichweite unter anderem Handlungen unerklärt lassen und das Primat der ökonomischen Rationalität gilt. Werte oder Affekte werden somit nicht berücksichtigt (Gertel 2007).

Box 2: Nachhaltige Entwicklung

“Sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs” (vgl. Brundtland 1987, S. 41)

Nachhaltige Entwicklung befriedigt die Bedürfnisse der heutigen Generation ohne dabei die Möglich- keiten zukünftiger Generationen einzuschränken. Der Begriff umfasst sowohl eine ökonomische, so- ziokulturelle und ökologische Dimension, welche es alle drei zu berücksichtigen gilt. Die Ursprünge des Prinzips reichen bis in das 18. Jahrhundert zurück. Bereits 1713 forderte Hans Carl von Carlowitz (1645 – 1714), dass stets nur so viel Holz aus dem Wald entnommen wird, wie auch in der Lage ist nachzuwachsen. Veröffentlichungen wie der Bericht an den Club of Rome „Limits of Growth“ (Mae- dows, 1972) sowie „Our common future“ (Brundtland 1987) bilden wichtige Meilensteine für den öf- fentlichen, politischen und wissenschaftlichen Diskurs des Themas. Mit dem Weltgipfel in Rio de Janeiro (1992) wird nachhaltige Entwicklung erstmals als Leitkonzept der internationalen Staatenge- meinschaft (Rio-Deklaration, Agenda 21) festgeschrieben und bildet seither einen wichtigen Bestand- teil der internationalen Zusammenarbeit (Kyoto-Protokoll, Pariser Klimaabkommen, SDG, …).

(Geiss et al. 2003)

Vor dem zeitlichen Hintergrund des Zerfalls der Sowjetunion kommen in den 90er Jahren zunehmend Zweifel an dem Begriff „Entwicklung“ auf, welches zur Ausbildung epistemologischer post – development Theorien führt. Wegweisend hierfür waren insbesondere die Arbeiten von Metzel (1991) und Sachs (1993). Dabei wird der Begriff „Entwicklung“ und „Entwicklungsland“ an sich in Frage gestellt. Demnach kommt es erst durch den von westlichen Ländern definierten Begriff „Entwicklung“ zur Konstruktion und Konstitution von Unterentwicklung. Obwohl die Theorie des post – develop- ment zunehmend in der GEF an Bedeutung gewinnt, wird kritisiert, dass sich diese vor allem auf dis- kursiver Ebene bewegt und es an Ansatzpunkten für die praktische Entwicklungsarbeit bislang man- gelt (Korf und Rothfuß 2016).

11 Eine detailliertere Auseinandersetzung mit dem Livelihoodkonzept erfolgt in Kap. 3.4.

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Theorie und konzeptioneller Rahmen

3.4 Sustainable Livelihood Approach - SLA

Seit dem Aufkommen der Livelihood Konzepte in den 90er Jahren fanden diese sowohl in Wissen- schaft als auch Praxis vielfach Anwendung. Charakteristisch für den Ansatz ist eine integrative, lokal eingebettete, sektorübergreifende Sichtweise (Sakdapolrak 2014). Der Haushalt bzw. Mensch, als handelndes Individuum und dessen Möglichkeiten der Existenzsicherung stehen im Mittelpunkt des holistischen Ansatzes. Oft sind die Konzepte thematischen Schwerpunkten von Entwicklungsorganisa- tionen sowie regionalen Rahmenbedingungen angepasst, sodass heute ein breites Ansatzspektrum existiert. Viele beziehen sich auf die Arbeiten von Chambers und Conway (1992), welche den Ansatz ursprünglich im Kontext ländlicher Entwicklungszusammenarbeit anwendeten (Rakodi 2006).

Für die Entwicklung der Konzepte waren die Arbeiten des Britisch Department for International Deve- lopment (DFID) wegweisend, weshalb sich im Rahmen dieser Arbeit daran orientiert wird. Die Ur- sprünge des Sustainable Livelihood Approach (SLA) des DFID gehen auf das „White Paper on Inter- national Development“ (1997) der Britischen Regierung zurück. Darin werden die Schaffung von ge- sellschaftlichen, physischen und institutionellen Rahmenbedingungen zur Armutsreduzierung als übergeordnetes Ziel formuliert (DFID 2001). Hierfür soll die Existenzsicherung marginalisierter bzw. einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen aus einer holistischen Sichtweise erfasst werden (Krü- ger und Macamo 2003). Partizipative und bottom – up ausgerichtete Methoden bilden dabei Schlüs- selelemente für eine erfolgreiche Armutsreduzierung (de Haan 2012). In Anlehnung an Chambers und Conway wird der Begriff Livelihood wie folgt definiert:

„A livelihood compromises the capabilities, assets (including both material and social resources) and activities required for a means of living. A livelihood is sustainable when it can cope with and recover from stress and shocks and maintain or enhance its capabilities and assets both now and in the future, while not undermining the natural resource base“ (vgl. DFID 2001, 1.3)

3.4.1 Livelihood Assets & Framework

Vereinfacht lässt sich der Begriff Livelihood mit Lebenserhaltung übersetzen. Dies umfasst nicht nur Beschäftigungsverhältnis oder Einkommen, sondern „alle Fähigkeiten, Ausstattungen und Handlun- gen […] zur alltäglichen Existenzsicherung“ (Krüger und Macamo 2003). Oft bestehen diese aus ei- nem dynamischen, komplexen System multi – lokaler und multi – dimensionaler Bestandteile (de Haan und Zoomers 2003; de Haan 2012).

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Theorie und konzeptioneller Rahmen

Abb. 8: Das Sustainable Livelihood Framework. DFID 2001.

Kern des Ansatzes bildet das sogenannte Sustainable Livelihood Framework (SLF) (s. Abb. 8). Auch wenn es sich hiermit um eine Vereinfachung handelt, werden dennoch die vielfältigen, einflussneh- menden Faktoren schematisch aufgezeigt (DFID 2001). Im Mittelpunkt steht dabei der einzelne Haus- halt12, welcher grundsätzlich Zugang zu fünf Ressourcenbündeln (assets) hat: Human-, Natur-, Finanz- , Sach-, und Sozial-Kapital (s. Box. 3). Diese umfassen sowohl materielle als auch immaterielle Ver- mögenswerte, Fähigkeiten und Kapazitäten (Krüger und Macamo 2003). Entscheidend wirkt sich hierbei aus, ob neben dem Zugang auch die Kontrolle über die Ressourcenbündel vorliegt (Farrington et al. 2002). Die Anordnung jener Kapitalien in Form eines Pentagons wurde zum Markenzeichen der Livelihood Ansätze (de Haan 2012).

Vor dem Hintergrund des Vulnerabilitätskontexts ist der Haushalt unterschiedlichen Stress,- bzw. Krisensituationen ausgesetzt. Vulnerabilität wird als Anfälligkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen, Stress und Schocks verstanden. Diese externen Faktoren sind durch die Betroffenen oft nur schwer beeinflussbar, wohingegen die Strategien mit deren Umgang direkt und eigenständig gestaltet werden können (DFID 2001; Krüger 2007).

12 Es existieren unterschiedliche Definitionen des Begriffs Haushalt. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Abgren- zung des Indonesischen Büros für Statistik verwendet. Demnach besteht ein Haushalt (Rumah tangga) aus einer Gruppe von Individuen, welche gemeinsam in einem Haus wohnen und eine wirtschaftliche Einheit bilden. In der Regel besteht dieser aus Mutter und Vater, Kindern, Großeltern, Schwiegereltern, erweiterten Familienange- hörigen sowie Hausangestellten (Nurhadi und Nurhadi 2014.

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Theorie und konzeptioneller Rahmen

Box 3: Livelihood Kapitalien

1) Human-Kapital: Fähigkeiten, Wissen, Arbeitskraft, Kreativität, Gesundheit, etc. wirken sich unmittelbar auf Quantität und Qualität der Arbeitsmöglichkeiten und die produktiven bzw. reproduktiven Tätigkeiten des Haushalts aus. In urbanen Räumen beeinflussen der Grad an Bildung bzw. Fähigkeiten Livelihoods mehr als auf dem Land.

2) Natur-Kapital: Land, Wasser, Landwirtschaft, etc. spielen im urbanen Kontext eine eher geringere Rolle. Allerdings kommt hier den Eigentumsverhältnissen eine besondere Bedeutung zu.

3) Sach-Kapital: Basis – Infrastruktur und Dienstleitungen (Schutz, Transport, Energie, Kommunikation, Krankenhäuser) wirken sich auf Human-Kapital und Zugangsmöglichkeiten zu einkommensgenerieren- den Tätigkeiten aus. Des Weiteren zählen dazu: die Produktion betreffende Ressourcen (Werkzeuge, Ausrüstung, Haushaltsgegenstände, Vermögensgegenstände, etc.).

4) Finanz-Kapital: Ersparnisse, Einkommen, Kredite, Renten, etc. Urbane Regionen sind sehr monetär geprägt, weshalb finanzielle Mittel und Rücklagen entscheidend sind. Dies ermöglicht u. A. Investitionen in Gesundheit, Ausbildung, Housing, etc.

5) Sozial-Kapital: Regeln, Normen, Verpflichtungen, Vertrauen, Einbindung in soziale Strukturen, gesell- schaftliche Institutionen, etc. Soziale Interaktionen werden zu Sozial Kapital, wenn diese andauernd sind und zu einer Erhöhung der Ressourcen (u. A. Vertrauen, Wissen) führen. Soziale Netzwerke bilden nicht zwingend Sozial-Kapital und halten in der Stadt kürzer als auf dem Land an. Politisches Kapital ist eng mit Sozial-Kapital verbunden und umfasst den Zugang zu politischen Prozessen und Entscheidungen.

(Rakodi und Llyod-Jones 2006)

Auf Grundlage dessen, wählt jeder Haushalt seine individuelle Lebenserhaltungsstrategie, mit dem Ziel, seine Ressourcenausstattung zu verbessern und Verwundbarkeit zu minimieren. Letztere ist zu unterschiedlichen Zeitpunkten (z.B. Regenzeit) unterschiedlich groß ausgeprägt. Oft wird dabei nicht nur eine Strategie verfolgt, sondern auf eine Kombination verschiedener Einzelstrategien gesetzt (DFID 2001). Je nach Situation werden Strategien intensiviert, neue geschaffen oder bestehende Stra- tegien diversifiziert (Rakodi 2006). Als nachhaltig gelten diese dann, wenn Stresssituationen, Krisen oder Katastrophen, durch die Mobilisierung von Ressourcen, bewältigt bzw. aufgefangen werden kön- nen (Krüger und Macamo 2003).

Außerdem werden in dem Analyseschema auch die umgebenden Strukturen und Prozesse berücksich- tigt. Hierzu zählen beispielsweise gesellschaftliche, institutionelle und politische Rahmenbedingungen oder Aktivitäten der Stadtverwaltung bzw. Organisationen, welche die Handlungsspielräume als auch den Vulnerabilitätskontext der Akteure unmittelbar beeinflussen (DFID 2001). Somit wird das Lokale

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Theorie und konzeptioneller Rahmen mit übergeordneten Ebenen (regional, national, global) in Verbindung gesetzt (Gertel 2007). In urba- nen Regionen spielt das Feld der Urban Governance13 eine wichtige Rolle. Dabei werden sowohl for- melle als auch informelle Akteure (s. Abb. 9) und Prozesse berücksichtigt, welche die Entwicklung einer Stadt beeinflussen (Devas 2004).

Abb. 9: Akteure im Feld Urban Governance. (Devas 2004).

3.4.2 Livelihoods in der Stadt

Wie bereits erwähnt, wurde der SLA ursprünglich im ländlichen Kontext angewendet. Für die An- wendung in urbanen Gebieten gilt es Folgendes zu beachten: Städte sind geprägt durch komplexe, fragmentierte und stark monetär ausgerichtete Strukturen, in denen soziale Netzwerke in der Regel weniger stark ausgeprägt sind als auf dem Land. Ausnahmen bilden Netzwerke innerhalb armer Ge- meinschaften, welche jedoch oft von größeren Netzwerken ausgeschlossen sind. Niedrige Lebensbe- dingungen, Abhängigkeit von monetären Einkünften und informeller Statuts sind typische Ursachen für Verwundbarkeit in der Stadt (Meikle 2006). Die Wahrnehmung dieser Faktoren ist je nach gesell- schaftlicher Gruppe unterschiedlich. Im Vergleich zu ländlichen Regionen existiert in Städten eine größere kulturelle Vielfalt und Fragmentierung der Gesellschaft sowie ein höheres Sicherheitsrisiko. Jene heterogene Struktur zeigt sich auch in dem wachsenden Unterschied zwischen Arm und Reich, welcher oftmals Ursache von Konflikten ist. Trotz dieser Unterschiede dürfen Städte nicht losgelöst

13 Die UN definiert den Begriff Urban Governance als „[..] the sum of the many ways individuals and instituti- ons, public and private, plan and manage the common affairs of the city. It is a continuing process through which conflicting or diverse interests may be accommodated and cooperative action can be taken. It includes formal institutions as well as informal arrangements and the social capital of citizens.” (vgl. UN-HABITAT 2002, S.14).

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Theorie und konzeptioneller Rahmen von ländlichen Gebieten betrachtet werden, da beispielsweise eine Vielzahl städtischer Livelihoods Verbindungen (z.B. Saisonarbeiter, Familienangehörige, etc.) in das ländliche Umland aufweisen (Far- rington et al. 2002).

Angesichts des veränderten Vulnerabilitätskontexts erlangen in der Stadt andere Ressourcenbündel Priorität als auf dem Land. Beispielsweise spielt Landwirtschaft vielerorts eine eher zu vernachlässi- gende Rolle, wohingegen gesundheitliche Aspekte in dicht besiedelten urbanen Gebieten mehr Beach- tung finden. Natur-Kapital bleibt jedoch in Form von gesicherten Eigentumsverhältnissen eine ent- scheidende Ressource. Dies sichert dem Haushalt Rechte, schützt vor Vertreibung und stellt oft ein wichtiges Kriterium für den Zugang zu Krediten dar. Insgesamt lassen sich in der Stadt Defizite in einem Ressourcenbündel leichter durch eine andere Kapitalform substituieren als auf dem Land, wes- halb einzelne Kapitalien besonders ausgeprägt sein können (Sattertwaite und Tacoli 2006).

Wichtigste Ressource der Menschen in der Stadt sind ihre Fähigkeiten und somit der Zugang zum Arbeitsmarkt. Grundsätzlich bedarf es in urbanen Räumen mehr Geld zur Vermeidung von Armut als auf dem Land. Ein Großteil der finanziellen Ressourcen wird für Nichtlebensmittel benötigt. Öffentli- cher Nahverkehr, Schulgelder, Mieten, Zugang zu Wasser, medizinische Versorgung, Kinderbetreu- ung sowie Communtiy – Based – Organisationen (CBO) sind vielerorts für einen Großteil der Ausga- ben verantwortlich. Hierbei zeigt sich, dass Haushalte ihre Einkommensquellen (zwangsläufig) diver- sifizieren. Dabei nimmt der informelle Sektor eine wichtige Rolle ein (Sattertwaite und Tacoli 2006).

Jene Rahmenbedingungen haben direkten Einfluss auf die Livelihoodstrategien (Owuor 2006; de Haan und Zoomers 2003). Hierbei kann zwischen Strategien zur Steigerung der Verfügbarkeit an Ressourcen (z.B. Erhöhung der Erwerbstätigkeit, Anbau von Gemüse, etc.) sowie zur Reduzierung des Verbrauchs (z.B. Verzicht auf Fleisch, Transportkosten, etc.) unterschieden werden. Des Weite- ren kann die Zusammensetzung des Haushalts (z.B. Migration) geändert werden. Die drei Strategien schließen sich dabei nicht gegenseitig aus, sondern der Haushalt wählt je nach Situation einen Mix aus diesen. Grundsätzlich können Livelihoodstrategien auch in Bewältigungs- (coping) und Anpas- sungsstrategien (adaptive) unterschieden werden. Bewältigungsstrategien bestehen aus kurzfristigen Maßnahmen als Reaktion auf ein Schock – Ereignis. Anpassungsstrategien sind langfristige Adapti- onen an ein Schock – Ereignis (Farrington et al. 2002). (Rakodi 1999) unterscheidet ferner zwischen folgenden Strategien: 1) Investment in die Sicherung von Ressourcen, 2) Austausch und Substituie- rung von Kapitalien, 3) Veräußerung von Kapitalien (z.B. in Notsituationen) und 4) Verzicht auf Kapitalien.

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Theorie und konzeptioneller Rahmen

3.4.3 Kritik

Der Livelihood Ansatz übt einen großen Einfluss auf den entwicklungspolitischen Diskurs aus. Nicht zuletzt deshalb, da dieser die Sichtweise auf Armut und die Zusammenhänge einzelner Bestandteile menschlicher Livelihoods nachhaltig veränderte (de Haan 2012; Sakdapolrak 2014). Trotz der anfäng- lichen Euphorie erfolgte in den letzten Jahren jedoch zunehmend auch eine kritische Auseinanderset- zung mit dem bis dato so populären Ansatz (vgl. u.A.: de Haan and Zoomers 2005; Dörfler et al. 2003; Kaag et al. 2004; Krüger 2003; Prowse 2010; Sakdapolrak 2010; Scoones 2009).

Zunächst ist die Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit zu hinterfragen, da in dem Ansatz zwischen ökologischer, ökonomischer, gesellschaftlicher und institutioneller Nachhaltigkeit unterschieden wird. Nachhaltigkeit ist demnach erreicht, wenn ein Haushalt in der Lage ist, sich dauerhaft vor Gefahren zu schützen (DFID 2002). Einzelne Aspekte von Nachhaltigkeit können dabei gegeneinander aufgewo- gen werden. Demnach können Sozial-Kapital (z.B. soziale Exklusion) durch Finanz-Kapital (z.B. hö- heres Einkommen) kompensiert werden. Hierbei stellt sich die Frage, in wie fern dies mit der Definiti- on Nachhaltiger Entwicklung (s. Box 2) zu vereinbaren ist (Ammering 2005).

Die lokale Sichtweise der betroffenen Menschen stellt ein zentrales Element des Livelihood Ansatzes dar. Oft sind jedoch die Ziele und Wünsche der Menschen durch kurzfristiges Denken charakterisiert und es fehlt die planerische Übersicht. Dies birgt die Gefahr, dass Aspekte für wichtig empfunden werden, welche nicht in der Lage sind zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation beizutragen (Ammering 2005).

Des Weiteren wird dem SLA eine mangelnde theoriegeleitete Auseinandersetzung vorgeworfen. Zent- rale Begriffe des Analyseschemas werden nicht ausreichend voneinander abgegrenzt und Zusammen- hänge zwischen Handlungen und Rahmenbedingungen unzureichend berücksichtigt (Gertel 2007). Vor dem Hintergrund des Vulnerabilitätskontexts findet zudem keine ausreichende Unterscheidung zwischen den Begriffen „Gefahr“ und „Risiko“ statt. Krüger und Macamo (2003) fordern daher, den Ansatz hierum zu erweitern sowie auch die gesellschaftliche Produktion von Risiko zu berücksichti- gen. Obwohl der handelnde Mensch bzw. Haushalt im Zentrum des SLA steht, werden die Motive, welche den einzelnen Handlungen zugrunde liegen, nicht betrachtet. Gleiches gilt für die Ursachen des Scheiterns bestimmter Livelihoodstrategien (Krüger und Macamo 2003). Die Handlungen der Akteure werden stets als rational und nutzenmaximierend betrachtet. Hoffnungen und Ängste sowie Normen und Wertvorstellungen werden ebenso ausgeblendet wie Handlungen, welche ohne jegliche weiterfüh- rende Absicht oder gezwungener Weise getätigt werden (Sakdapolrak 2014).

Mit der Konzentration auf ökonomische Möglichkeiten wird die Existenzsicherung zudem auf eine monetäre Ebene reduziert (Gertel 2007). Die zentrale Bedeutung des Haushaltes in dem SLA führt

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Methodik dazu, dass Strukturen und Prozesse innerhalb des betrachteten Haushalts nur unzureichend untersucht werden (Prowse 2010). Machtstrukturen und Geschlechterrollen innerhalb des Haushalts bilden hier Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen (de Haan 2012).

Zu den wichtigsten Kritikpunkten zählt, dass die Einbettung des Haushaltes in die umgebenden gesell- schaftlichen, politischen und ökonomischen (Macht-) Strukturen in der Praxis oft nur unzureichend aufgearbeitet wird (Scoones 2009). Globale Prozesse nehmen jedoch zunehmend einen Einfluss auf lokale Livelihoods. Auch stellt sich die Frage, welchen Einfluss die lokale auf die globale Ebene hat. Multi – lokale Livelihoods und trans – lokale Entwicklungen gehören dabei ebenso berücksichtigt, wie die zeitliche Veränderungen der Livelihoodstrategien (de Haan und Zoomers 2003; Sakdapolrak 2014). Ursache hierfür ist unter anderem der ideologiefreie Kontext der Entstehung des Ansatzes. De Haan (2012) liefert hierzu eine Übersicht, wie der ursprüngliche Ansatz in der Vergangenheit weiter- entwickelt wurde. Mehrfach wurde bereits der Vorschlag eingebracht den Ansatz um die praxeologi- sche Perspektive von Bourdieu zu erweitern (Deffner und Haferburg 2014; Sakdapolrak 2014).

Zusammenfassend hat die Entwicklung der letzten Jahre gezeigt, dass die anfängliche Euphorie des Livelihood – Ansatzes abgeflacht ist. Dies zeigt sich unter anderem in einer sinkenden Anwendung in Wissenschaft und Praxis. Als Ursache können, neben den genannten Kritikpunkten, auch die zuneh- mende Bedeutung von Themen globaler Reichweite (z.B. Klimawandel) in der Entwicklungspolitik gesehen werden. Scoones (2009) sieht den Sustainable Livelihood Ansatz daher an einem Scheide- punkt. Entweder wird das Konzept konzeptionell erweitert oder durch andere Ansätze abgelöst. Hier ist es Aufgabe der GEF anzusetzen und bestehende Ansätze durch den aktuellen Diskurs weiterzuent- wickeln. Meta – Analysen und vergleichende Studien können dabei helfen generalisierende Aussagen zu den unzähligen bereits existierenden Lokalstudien zu treffen (de Haan 2012).

4 Methodik

Zwischen dem 24. August und dem 19. November 2017 erfolgte die Datenerhebung in der indonesi- schen Stadt Surakarta. Die Datenerhebung fand dabei in enger Zusammenarbeit mit der Sebelas Maret Universität (UNS) in Surakarta statt. Ziel dieser Arbeit ist es, die Lebensgestaltung der betroffenen Menschen zu verstehen, individuelle und strukturelle Hindernisse zu erfassen sowie die Auswirkungen von Maßnahmen der Stadtverwaltung zu ermitteln.

Das Folgende Kapitel gibt einen Überblick über die zugrundeliegenden Daten und deren Erhebung. Dabei werden Sekundärdaten (Kap. 4.1), Forschungsdesign (s. Kap. 4.2), angewandte Methoden (s. Kap 4.3) sowie mögliche Limitationen (s. Kap 4.4) näher betrachtet.

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Methodik

4.1 Sekundärdaten

Sekundärdaten sind Daten, welche bereits im Vorfeld der Untersuchung in einem anderen Kontext erhoben wurden. Diese können wichtige Ergänzungen zu den eigens erhobenen Daten darstellen (Diekmann 2010). Der Großteil, der in dieser Arbeit verwendeten Sekundärdaten stammt von den Gesprächspartnern der Experteninterviews. Jene Daten reichen dabei von amtlichen Statistiken bis hin zu Kartenmaterial in digitaler und nicht digitaler Form. Ebenfalls wurden bei der Auswertung Zei- tungsartikel mitberücksichtigt. Darunter insbesondere Artikel aus dem Archiv der The Jakarta Post14 sowie der Solo Pos15.

In der Vor- und Nachbereitung des Forschungsaufenthaltes wurden zudem Daten des nationalen Sta- tistikbüro Indonesiens (BPS) sowie die Forschungsergebnisse von Christian Obermayer verwendet. Letzterer hat sich im Rahmen seiner Masterarbeit ebenfalls mit der Umsiedlungsmaßnahme in Solo befasst hat.

Die folgende Tabelle 2 gibt einen Überblick über die wichtigsten verwendeten Sekundärdaten und deren Ursprung.

Tab. 3: Übersicht über verwendete Sekundärdaten. Eigene Darstellung.

No. Name Daten Typ

1 Universitas Sebelas Maret Surakarta Daten zu Umsiedlung, Kampungs in Solo, Papers, Karten

2 BAPERMAS Daten zu Umsiedlung

3 BAPEDA Daten zu Umsiedlung, Gesundheit & Bildung

6 Solo Kota Kita (NGO) Kartenmaterial digital, sozioökonomische Daten, Berichte

7 Kelurahan Office Mojosongo Bevölkerungsstatistiken

8 BPN Surakarta Kartenmaterial (Digital & Print)

9 Online Archiv Jakarta Pos & Solo Pos Zeitungsartikel

10 BPS Indonesia Sozioökonomische Statistiken

11 Christian Obermayer Daten aus Fragebogenerhebung (Masterarbeit)

14 The Jakarta Post ist mit einer Auflage von 40.000 Stück größte englischsprachige Tageszeitung Indonesiens. 15 Die Solo Pos ist die größte Tageszeitung Surakartas.

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Methodik

4.2 Qualitatives Forschungsdesign

Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein qualitativ ausgerichtetes Forschungsdesign verwendet. Qualitative Ansätze bieten sich insbesondere dann an, wenn das Forschungsfeld bislang vergleichsweise wenig erforscht ist. Dabei stehen die Exploration sowie das Verständnis über das menschliche Handeln im Fokus der Untersuchungen (Mattissek et al. 2013) .

Wesentliches Ziel dieser Arbeit ist es, zu verstehen, wie Bewohner ihren Alltag in städtischer Armut gestalten. Dabei gilt es sowohl Motive und Zusammenhänge von Handlungen zu verstehen als auch unterschiedliche Perspektiven der Beteiligten zu berücksichtigen (Mattissek et al. 2013). Dies erfor- dert, dass das Forschungsdesign möglichst offen gestaltet wird. Jene Offenheit bildet dabei ein wesent- liches Kriterium qualitativer Forschung. Der explorative Charakter sowie ein vergleichsweise niedri- ges Maß an Standardisierung verhindern dabei ein vorzeitiges Ein- bzw. Ausgrenzen von relevanten Aspekten. Ein weiteres Merkmal qualitativer Forschung ist, dass nicht Objektivität im quantitativen Sinne das Forschungsziel ist, sondern vielmehr die Nachvollziehbarkeit der Forschung. Dabei werden weder die Betrachtung von Einzelfällen und individuelle Meinungen, noch der Einfluss des Forschers als hinderlich erachtet (Mattissek et al. 2013).

4.3 Methodenmix

Typisches Merkmal qualitativer Forschung ist, dass bei der Datenerhebung oftmals mehrere Methoden und somit Sichtweisen zum Einsatz kommen. Zur Beantwortung der Fragestellung wurde ein Metho- denmix (s. Abb. 10) angewendet, welcher im Folgenden näher beschrieben wird. Dieses Vorgehen wird dabei auch als Methodentriangulation bezeichnet. Die einzelnen Methoden dürfen dabei jedoch nicht als einzelne Instrumente betrachtet werden. Vielmehr stehen diese in direktem Zusammenhang zueinander und es erfolgt eine stetige Anpassung an den Forschungsprozess (Flick 2017).

Ein nicht zu vernachlässigender Teil der gewonnenen Informationen stammt aus Beobachtungen und informellen Gesprächen mit den Bewohnern der beiden Siedlungen (Ngemplak Sutan und Mipitan Sewu). Inhaltlich hatten jene Gespräche weite Spannweiten und reichten von alltäglichem Smalltalk bis hin zu konkreten Diskussionen über beispielsweise bauliche Maßnahmen wie den Hochwasser- schutz. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse wurden in Form von Notizen in einem Feldtagebuch festgehalten. Insbesondere zu Beginn, der Explorationsphase des Forschungsaufenthaltes schaffte die tagtägliche Anwesenheit in den beiden Untersuchungsgebieten Vertrautheit zum Untersuchungsgebiet und zur lokalen Bevölkerung sowie vice versa. Ein Faktor, welcher für die weitere Datenerhebung nicht zu vernachlässigen ist (Meier Kruker und Rauh 2005). Jene Beobachtungen und Gespräche lie- ferten wichtige Einblicke in das örtliche Alltagsgeschehen und führten zu einem besseren Verständnis des lokalen Kontexts, anhand dessen die übrigen Methoden der Datenerhebung stetig angepasst und

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Methodik ergänzt werden konnten. Hierbei möchte ich nochmals Dr. Eng. Kusumaningdyah N.H, ST., MT (UNS) danken, welche mich in ein Forschungsprojekt mit Kindern in Mipitan Sewu eingebunden hat. Für die folgenden Gespräche, unter anderem mit den Eltern der Kinder, stellte dies einen wichtigen „Icebreaker“ dar und erleichterte die weiteren Untersuchungen sehr.

Abb. 10: Übersicht der angewendeten Methoden zur Datenerhebung.Eigene Darstellung.

Nachdem sich ein erster Überblick verschafft wurde, erfolgte die vollständige Kartierung der beiden Siedlungen, wobei zunächst alle Straßen und Häuser erfasst wurden. Dabei fiel sowohl in Ngemplak Sutan als auch in Mipitan Sewu auf, dass es hinsichtlich des Zustands der Gebäude sehr große Unter- schiede innerhalb der Siedlung gibt. Dies erschien deshalb verwunderlich, da alle Gebäude annähernd zum selben Zeitpunkt errichtet wurden. In einem zweiten Schritt wurde daher die Kartierung um In- formationen zum Zustand der Häuser ergänzt. Dabei erfolgte eine Unterteilung in drei Kategorien: gut, durchschnittlich und schlecht. Neben den einzelnen Gebäuden wurden zudem alle Geschäfte und Plät- ze öffentlichen Interesses erfasst. Die Informationen wurden daraufhin mittels hochauflösender Satel- litenbildaufnahmen digitalisiert und in die weitere Auswertung mit aufgenommen.

Um einen Überblick über die einzelnen Haushalte zu erlangen, erfolgte im nächsten Schritt die Durch- führung eines größtenteils standardisierten Fragebogens. Geschlossene Fragestellungen führen dabei zu quantitativ vergleichbaren Informationen, wohingegen offene Fragestellungen eine weitere Erfor- schung des Untersuchungsfelds ermöglichen (Atteslander 2006). Wesentliche Teile des Fragebogens wurden dabei mit einem bereits in der Vergangenheit durchgeführten Fragenkatalog von Christian Obermayr abgestimmt, um eine Fortführung jener Untersuchungsergebnisse zu ermöglichen. Im Vor- feld der Untersuchungen erfolgte nochmals eine sprachliche Überprüfung der Fragestellungen gemein- sam mit Studenten der UNS. Die Durchführung eines Pre – Tests im Untersuchungsgebiet führte zu letzten Änderungen an dem Fragebogen (s. Anhang 1).

30

Methodik

Bei der Durchführung der Befragungen wurde, ähnlich wie bei den Experteninterviews, darauf geach- tet eine möglichst offene Atmosphäre zu schaffen, in der die Teilnehmer ihre Antworten kommentie- ren bzw. über Sachverhalte berichten können. Ziel des Fragebogens war es Informationen über den einzelnen Haushalt, den Zugang zu Infrastruktur, die Zufriedenheit der Bewohner sowie das Umsied- lungsprojekt zu erlangen.

Wie bereits erwähnt existieren deutliche Unterschiede hinsichtlich des Zustands der Häuser. Daher wurden die Haushalte für den Fragebogen mittels einer geschichteten Zufallsstichprobe, hinsichtlich ihres Zustands, ausgewählt. Dieses Verfahren ermöglicht es, auch bei einer heterogenen Grundge- samtheit sicherzustellen, ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen (Atteslander 2006). Die Auswahl der Haushalte erfolgte zufällig, wobei versucht wurde, die Auswahl möglichst auf das gesamte Sied- lungsgebiet zu verteilen. Konnte während der Befragung keine Person in dem Haushalt angetroffen werden, so wurde dieser durch einen anderen Haushalt der gleichen Kategorie ersetzt.

Mit Hilfe von UNS Studenten wurden zwischen dem 12.09 – 15.09.2017 insgesamt 42 Haushalte in Ngemplak Sutan befragt. Weitere 23 Haushalte wurden zwischen dem 04.10 – 06.10.2017 in Mipitan Sewu mit einem leicht veränderten Fragebogen interviewt. Alle Fragebögen wurden zwischen 16:00 - 19:00 Uhr durchgeführt. Hierdurch wurde versucht, dass möglichst viele Personen während der Befra- gung im Haushalt anwesend sind, damit der Haushalt möglichst gut erfasst wird. Jeweils ein Student und eine Studentin bildeten ein Team für die Durchführung des Fragebogens. Wichtiges Kriterium bei der Gruppenbildung war, dass in jedem Team eine Person der Basa Jawa (Javanische Sprache) mäch- tig ist, da insbesondere ältere Menschen oftmals nicht bzw. kaum die Amtssprache Bahasa Indonesia sprechen.

Im nächsten Schritt wurde in beiden Siedlungen je eine Focus Group Diskussion mit jeweils ca. 20 Per- sonen durchgeführt. Mit Hilfe der Methode sollten insbesondere Informationen erfasst werden, welche die Haushaltsebene übersteigen. Die Entwicklung der Siedlung, soziale Strukturen sowie die Anbindung der Siedlung zur Nachbarschaft bildeten zentrale Erkenntnisfragen. Dabei liefert die Methode der Grup- pendiskussion nicht nur eine „Summe von Einzelmeinungen, sondern das Produkt kollektiver Interaktio- nen“ (vgl. Manggold (1960) in Bohnsack 2010, S. 107). Die Veranstaltungen fanden jeweils abends (nach dem Abendgebet) statt und dauerten ca. drei Stunden. Bei der Auswahl der Personen wurde darauf geachtet, dass sowohl Frauen als auch Männer teilnahmen. Für die Moderation der Veranstaltung konnte auf die Hilfe von UNS Studenten zurückgegriffen werden. Während der Veranstaltungen wurden ver- schiedene partizipative Methoden und Techniken des Participatory Rural Appraisal (PRA) angewendet (DFID 2001). Mit Hilfe einer Timeline wurden die Entwicklung der Siedlung sowie mögliche Vulnera- bilitäten erarbeitet. Durch eine partizipative Kartierung wurden Anbindung und Zugang zu Infrastruktu- ren verortet sowie Risikobereiche innerhalb der Siedlung identifiziert. Mit Hilfe eines Venn-Diagramms wurden zudem soziale Strukturen innerhalb und außerhalb der Siedlungen aufgezeigt.

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Methodik

Auf Grundlage der gewonnenen qualitativen und quantitativen Daten wurden in einem letzten Schritt Haushalte für ein vertiefendes Interview ausgewählt. Die Haushalte wurden dabei gezielt ausgewählt, wobei ein Kriterium das Vorhandensein eines Home-based Enterprises (HBE) war. Mit Hilfe eines halbstrukturierten Interviewleitfaden wurden so Informationen über den Haushalt und dessen wirt- schaftliche Situation gesammelt. Insgesamt wurden in beiden Siedlungen sieben solcher Gespräche geführt. Die folgenden Abbildungen geben ein Eindruck über die Durchführung der genannten Me- thoden.

Abb. 11: Datenerhebung entlang des Bengawan Solo.Eigene Abb. 12: Focus Group Diskussion in Mipitan Sewu.Eigene Darstellung. Darstellung.

Neben der bereits genannten Datenerhebung auf Haushalts- bzw. Siedlungsebene wurden während des Aufenthalts in Surakarta insgesamt zehn Experteninterviews durchgeführt. Mit Hilfe eines halbstruk- turierten Interviewleitfadens sollte zunächst ein Überblick über relevante Themen auf städtischer Ebe- ne erlangt werden. Unter anderem wurde so der aktuelle Stand des Umsiedlungsprogrammes erfasst. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse während des Forschungsaufenthaltes, bezogen sich die Frage- stellungen zunehmend auf das Gesundheits- und Bildungssystem zu. Der Interviewleitfaden wurde der Funktion der einzelnen Gesprächspartner im Vorfeld angepasst. Auch wenn die Fragenreihenfolge nicht fest vorgegeben war, so wurde dennoch versucht mit möglichst offenen, leichten Fragen den Einstieg ins Gespräch zu finden. Im Laufe des Interviews wurden die Fragen immer präziser und „an- spruchsvoller“. Den Schluss bildete eine offene Frage, um dem Befragten die Möglichkeit zu geben, noch nicht genannte relevante Themen anzusprechen. Mit Ausnahme der Interviews an der UNS sowie bei der Nichtregierungsorganisation Kota Kita (beide in Englisch) wurden alle Interviews in Bahasa Indonesia bzw. Basa Jawa abgehalten. Um Verständnislücken während den Interviews zu verhindern, war bei allen Interviews eine Studentin der UNS als Übersetzerin mit anwesend. Absatzweise erfolgte so die Übersetzung ins Englische. Alle Interviews fanden in den Büros/ Häusern der Befragten statt und wurden aufgezeichnet. Die Experteninterviews erstreckten sich über den gesamten Forschungs- aufenthalt, da es insbesondere mit ranghöheren, verbeamteten Personen einige Zeit in Anspruch nahm, einen Termin für das Interview zu finden. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Inter- viewpartner.

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Methodik

Tab. 4: Liste der Interviewpartner während des Forschungsaufenthaltes. Eigene Darstellung.

No. Interviewpartner Funktion Datum

1 Dozent Fakultät Architektur Sebelas Maret Universität Surakarta 07.09.17

2 Führer RT 03/ RW 36 Lokaler Expert (Mipitan Sewu) 10.09.17

3 Senior Facilitator Kota Kita Solo Kota Kita (NGO) 13.09.17

4 Führer RT 03/ RW 37 Lokaler Experte (Ngemplak Sutan) 13.09./27.9

5 Ehemaliges (Sub-) Pokja Mitglied Lokaler Experte (Prozess Umsiedlung) 19.09.17

6 Ehemaliger Leiter BAPERMAS BAPERMAS 25.09.17

7 Angestellte BAPEDA BAPEDA 02.10.17

8 Kelurahan Office Mojosongo Lokaler Experte 19.10.17

9 Leiter Landbesitzbehörde BPN Surakarta 08.11.17

10 Leiterin PKK RT 03/ RW 37 Lokale Expertin (Ngemplak Sutan) 09.11.17

Wie eingangs erwähnt, hat das Forschungsdesign einen explorativen Charakter. Bei der Auswertung der Interviews wurde von dem Vorgehen der qualitativen Inhaltsanalyse abgesehen. Zum einen stand der Informationsgewinn im Vordergrund des Forschungsdesigns, zum anderen bildet die Transkription des Datenmaterials die Grundlage der qualitativen Inhaltsanalyse, anhand derer die schrittweise Re- duktion des Datenmaterials erfolgt (Mayring 2007). Eine Transkription und die damit verbundene englische bzw. deutsche Übersetzung der Texte war im Rahmen dieser Arbeit für alle Interviews nicht möglich. Bei den englisch geführten Interviews erfolgte eine Transkription, wohingegen bei den indo- nesisch bzw. javanisch geführten Interviews, gemeinsam mit der Übersetzerin, ein Gedächtnisproto- koll angefertigt wurde.

4.4 Limitationen

Die vorangegangenen Seiten haben einen Überblick über das Forschungsdesign sowie die verwende- ten Methoden der Arbeit gegeben. Dabei gilt es jedoch einige Limitationen und Hinweise zu beachten, welche im Folgenden aufgeführt werden.

Zunächst sei darauf verwiesen, dass ein Großteil dieser Arbeit auf qualitativen Daten beruht. Dies hat zur Folge, dass die Ergebnisse nur bedingt auf ähnliche Sachverhalte zu übertragen sind. Vielmehr stellen die Ergebnisse eine Momentaufnahme dar, welche der Forscher einzufangen zu versuchte. Bei der Auswertung von qualitativen Daten sei darauf verwiesen, dass die Auswertung dieser Daten stets interpretierend aus Sicht des Forschers geschieht (Flick 2017).

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Methodik

Die sprachliche Barriere war zweifelsohne die größte Einschränkung, die mit der Datenerhebung in Indonesien einherging. Obwohl in Indonesien aufgewachsen und seither mehrmals zurückgekommen, musste ich dennoch feststellen, dass ich in den Interviews teilweise meine sprachlichen Grenzen er- reichte. Dies war insbesondere dann der Fall, wenn die Gespräche nicht in Bahasa Indonesia, sondern in Basa Jawa geführt wurden. Letzteres führte dazu, dass ein normaler Gesprächsfluss kaum zustande kam, da absatzweise ins englische bzw. indonesische übersetzt werden musste. Der Einsatz eines Übersetzers war in diesen Fällen unabdingbar. Der Übersetzer hatte neben der sprachlichen Hilfestel- lung zudem die Funktion einer Vertrauensperson. Ohne die Anwesenheit eines Indonesiers wären ins- besondere die Interviews in den Behörden aus Vertrauensgründen in dieser Form nicht möglich gewe- sen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass durch die ständige Begleitung durch einen Übersetzer der Versuch unternommen wurde Verständnislücken möglichst gering zu halten. Eine vollständige Übersetzung der Tonbandaufnahmen durch einen Übersetzter hätte jedoch sowohl den zeitlichen als auch finanziellen Rahmen der Arbeit weit überstiegen und war daher nicht möglich.

Hinsichtlich der verwendeten Methoden während den Focus Group Diskussionen zeigte sich zudem, dass nicht alle Bewohner für die gewählten Methoden zugänglich waren. Insbesondere bei der Bewer- tung von Arm und Reich sowie den Venn Diagrammen existierten teilweise Verständnisschwierig- keiten.

Ein weiterer Aspekt, welcher berücksichtigt werden muss, ist die eigene Reflexion des Forschers. Durch seine Anwesenheit und Forschung, insbesondere in fremden Kulturkreisen, hat der Forscher unmittelbar Einfluss auf das „beforschte“ Umfeld. Dabei nehmen sowohl die Biographie des Forschers (z.B. Geschlecht, Herkunft, sozialer Status, etc.) als auch Macht- und Wissensbeziehungen Einfluss auf die Interaktionen (Meyer et al. 2018). Obwohl sich in der Vergangenheit bereits einige For- schungsprojekte (vgl. u.A.: Astuti 2013; Obermayer 2015; Sandholz & Höferl 2017, Taylor 2015), mit dem Thema der Umsiedlung in Surakarta befasst haben, bleibt die Anwesenheit eines Europäers in beiden Untersuchungsgebieten die absolute Ausnahme. Vor allem in Mipitan Sewu waren die Haus- haltsbesuche eines Europäers ein Novum. Welche Wirkung dies ausüben kann, lässt sich an folgen- dem Beispiel gut erkennen. Die indonesische bzw. insbesondere die javanische Kultur ist von einem Streben nach Harmonie geprägt und einem sehr ausgeprägten hierarchischen System. Kritik oder Mei- nungsverschiedenheiten widerstreben jenem Harmoniebedürfnis und werden daher in der Öffentlich- keit nur selten zum Ausdruck gebracht, insbesondere nicht in Anwesenheit älterer oder ranghöherer Personen (Ufen 2002). Meine Anwesenheit als Europäer rief ähnliche Reaktionen hervor. In den sel- tensten Fällen wurden Missstände direkt und klar angesprochen. Vielmehr war es oftmals nötig, höf- lich beantwortete Fragen, zwischen den Zeilen zu lesen, um die Informationen zu gewinnen. Hierfür war die gemeinsame Diskussion mit dem Übersetzter im Anschluss an das Interview von großer Be- deutung.

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Vorstellung der Untersuchungsregion

Hinsichtlich der verwendeten Sekundärdaten ist ebenfalls anzumerken, dass sich diese mitunter deut- lich voneinander unterscheiden oder lückenhaft sind. So existieren beispielsweise je nach Quelle deut- liche Unterschiede hinsichtlich der Bevölkerungszahlen von Surakarta. Gleiches gilt für die Armuts- verteilung und das digitale Kartenmaterial. Die im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Zahlen und Statistiken stellen daher keinen Anspruch auf absolute Korrektheit dar, sondern dienen vielmehr der Verdeutlichung von Sachverhalten.

Als letzte Einschränkung ist der zeitliche Rahmen der Arbeit zu nennen. Für die Datenerhebung war im Vorfeld ein Aufenthalt von drei Monaten in Indonesien geplant. Vor Ort verkürzte sich der tatsäch- liche Untersuchungszeitraum auf lediglich zwei Monate. Zunächst erforderte es rund zwei Wochen, um sich in der fremden Stadt/ Umgebung einzuleben und zudem zahlreiche Behördengänge, um die, für die Untersuchungen notwendigen, Genehmigungen bei den entsprechenden Ämtern einzuholen. Krankheitsbedingt verkürzte sich der Zeitraum um zwei weitere Wochen. Diese Zeit fehlte letzten Endes bei der Datenerhebung.

5 Vorstellung der Untersuchungsregion

Nachdem in den vorhergehenden Kapiteln der indonesische Kontext sowie die theoretisch – konzepti- onellen Grundlagen dieser Arbeit betrachtet wurden, sollen nun der Kelurahan Mojosongo und die beiden Untersuchungsgebiete vorgestellt werden. Zuvor wird die Entstehungsgeschichte der beiden Siedlungen skizziert.

5.1 Program Relokasi

Im Dezember 2007 kam es aufgrund von starken Regenfällen zu heftigen Überflutungen in Surakarta. Obwohl Überschwemmungen in der Regenzeit regelmäßig auftreten, traf es die Stadt in diesem Jahr besonders schwer. Bestehende Schutzmaßnahmen konnten den Wassermassen des Begawan Solo nicht standhalten und es kam zu den schwersten Überschwemmungen seit 1966. Besonders betroffen waren der Südosten Surakartas sowie die unmittelbaren Uferbereiche entlang des Flusses. In der Vergan- genheit hatte sich eine Vielzahl von Migranten auf den Flächen zwischen Fluss und Schutzdamm angesiedelt und dort ihre Häuser errichtet, oftmals illegal auf Land der Regierung (Obermayr 2017). Die Stadtverwaltung bezifferte deren Anzahl auf insgesamt 1.571 Häuser.

Allein in den beiden Kelurahan Pucang Sawit und Sewu befanden sich damals über 650 Häuser auf dem Gebiet zwischen Fluss und Damm (Interview 05). Oft handelte es sich um ärmliche Wohnver- hältnisse. Nachdem diese Bewohner besonders stark von den Überschwemmungen betroffen waren,

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Vorstellung der Untersuchungsregion fasste die damalige Stadtregierung den Entschluss, das gesamte Gebiet zwischen Fluss und Damm umzusiedeln. Für die Übrigen, hinter dem Damm wohnenden Menschen, wurden finanzielle Mittel zum Wiederaufbau der Häuser zur Verfügung gestellt (Obermayer 2017).

Kennzeichnend für das „Program Relokasi“ war ein dialogorientiertes und partizipatives Vorgehen seitens der Behörden. Die betroffenen Menschen wurden möglichst nicht einzeln, sondern im gemein- schaftlichen Verbund umgesiedelt (s. Abb. 13). Teilnahmeberechtigt waren alle Personen, welche offiziell in Solo gemeldet waren oder schon seit langem am Flussufer gewohnt hatten. Pro Haushalt wurden pauschal 1.800 U$ zur Verfügung gestellt (Interview 05). Außerdem wurde im Rahmen des Programms den umgesiedelten Personen eine neue Einwohnerkarte (Kartu Tanga Penduduk – KTP)16 der Stadt Solo ausgestellt. Für die Durchführung der Umsiedlung wurden in den betroffenen Kelu- rahan Arbeitsgruppen (Pokja) gegründet. Aufgrund des hohen Arbeitsaufwandes wurden zudem sog. Subpokjas errichtet. Diese Personen wurden von den betroffenen Bewohnern selbst ernannt und soll- ten die Arbeitsgruppen bei der Suche nach Land sowie bei der Organisation der Umsiedlung unterstüt- zen. Eine Besonderheit war zudem, dass umgesiedelten Menschen Landzertifikate für ihre neuen Grundstücke (je 50m²) übertragen wurden und sie somit zu rechtlich geschützten Eigentümern wur- den. Fast alle Menschen wurden in den Nordosten der Stadt umgesiedelt, da hier noch ausreichend günstiger Baugrund vorhanden war (Obermayr 2017).

Abb. 13: Neu gebaute Siedlung in Ngemplak Sutan. Bild- Abb. 14: Urban Forest entlang des Begawan Solo. Eigene quelle: Pemerintah Kota Surakarta 2012. Aufnahme 2017.

Heute befinden sich noch rund 250, der ehemals 1.571, Häuser am Flussufer, 48 davon stehen auf dem Gebiet des Kelurahan Sewu. Die Besitzer dieser Haushalte hatten in der Vergangenheit Landzertifika- te erworben, sie fordern daher höhere Kompensationszahlungen im Vergleich zu Nachbarn ohne Landtitel. Diese Häuser sind oft sehr groß und es leben mehrere Generationen und Familien unter ei- nem Dach. Die Kompensationszahlungen der Regierung gelten jedoch nur für den rechtmäßigen Be-

16 Jeder amtlich registrierte Bürger Indonesiens besitzt eine Einwohner Karte (KTP). Dieses Dokument gibt Auskunft über Herkunft und Wohnort der Person. Weitere Angaben enthalten u. A. Informationen zu Beruf, Religionsangehörigkeit oder Blutgruppe der Person. Darüber hinaus ermöglicht der Besitz einer KTP den Zu- gang zu Fürsorgeleistungen in den Bereichen Bildung und Gesundheit (ADB 2016).

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Vorstellung der Untersuchungsregion sitzer eines Grundstücks. Im Kelurahan Pucang Sawit wurden mittlerweile alle Bewohner (mit und ohne Landzertifikat) des Uferbereichs umgesiedelt, jedoch warten auch hier noch Menschen auf den Erhalt von Kompensationszahlungen. Anstelle der Häuser befindet sich dort heute ein Park (Urban Forest), welcher eine Möglichkeit der Naherholung bietet (s. Abb. 14). Ziel der Stadtverwaltung ist es, den Park auf dem gesamten städtischen Uferabschnitt des Bengawan Solo anzulegen (Interview 06).

5.2 Mojosongo

Beide Untersuchungsgebiete liegen in dem Kelurahan Mojosongo im Nordosten Surakartas (s. Abb. 15). Mojosongo ist Teil des Kecamatan Jebres und ist mit über 530 Hektar flächenmäßig der größte Kelurahan Surakartas. Der Kelurahan ist in 39 RW und 193 RT (Stand: 2017) unterteilt, in denen ca. 50.000 Menschen leben (Interview 08). Dies ergibt eine durchschnittliche Bevölkerungsdichte von 9.679 Einwohnern pro km², welche somit eindeutig unter dem städtischen Durchschnitt von 11.675 Einwohnern/ km² liegt (BPS Kota Surakarta 2017a).

Im Gegensatz zum restlichen Stadtgebiet ist Mojosongo durch eine trockene und hügelige Land- schaft mit Steigungen von bis zu 40 Grad geprägt (BPS Kota Surakarta 2017a). Die geringe Ver- fügbarkeit von Wasser lässt Reisanbau nur inselhaft zu, die Trinkwasserversorgung erfolgt vor allem über Tiefengrundwasserbrunnen (Taylor 2013).

Abb. 15: Lage der Untersuchungsgebiete innerhalb der Stadt Surakarta. Eigene Darstellung.

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Vorstellung der Untersuchungsregion

Im Norden und Osten grenzt Mojosongo an den Kabupaten Karanganyar. Im Westen grenzt Mojo- songo an den Kecamatan Banjarsari, wohingegen im Süden der Fluss Kali Anyar die Grenze zu den Kelurahan Jebres und Tegalharjo bildet.

Charakteristisch für Mojosongo ist derzeit Wachstum. Der Stadtteil liegt am dynamischen Stadtrand Surakartas. In Mojosongo befinden sich einige der letzten großen urbanen Freiflächen, die zunehmend von Investoren aufgekauft werden (Interview 08). Die Urbanisierung des Stadtteils wird auch durch Maßnahmen der Stadtverwaltung vorangetrieben. Aufgrund der Verfügbarkeit von Freiflächen und vergleichsweise günstigen Grundstückspreisen wurden in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an Menschen im Rahmen von Umsiedlungsprojekten hier angesiedelt. Der Großteil jener Menschen stammt aus ehemals von Hochwasser betroffenen Stadtgebieten (Taylor 2013).

Insbesondere die westlichen Teile von Mojosongo weisen heute einen städtischen Charakter auf, wo- hingegen der Norden und Osten nach wie vor ländlich geprägt und weniger dicht besiedelt sind. Landwirtschaftliche Flächen werden hier zunehmend durch Wohnraum ersetzt. Wie vielerorts wird diese Entwicklung durch ein Ansteigen der Grundstückspreise begleitet. Obwohl mit der Ringroad eine gut ausgebaute Umgehungsroute durch Mojosongo führt, mangelt es insbesondere im Norden und Osten an ausreichend ausgebauten Verkehrswegen. Oft sind die vorhandenen Straßen nicht für den PKW- bzw. LKW – Verkehr geeignet und nur mit einem Motorrad zu befahren. Dies wiederum be- dingt, dass der ÖPNV in Teilen von Mojosongo defizitär ist (Interview 09). Im wirtschaftlichen Be- reich dominieren in Mojosongo kleine und mittelständische Unternehmen. Neben dem Druckereiwe- sen, haben sich insbesondere die Vogelkäfigproduktion und die Lebensmittelproduktion sehr stark entwickelt (Interview 03).

Nördlich der Ringroad befindet sich die städtische Mülldeponie TPA Putri Cempo. Es handelt sich um eine offene Deponie mit einer Größe von ca. 17 Hektar. Bereits mehrmals stand der Betrieb aufgrund mangelnder Umweltauflagen im Fokus öffentlicher Kritik (The Jakarta Post 2016, TribunSolo 2018). Neben den unmittelbaren Umweltauswirkungen kommt hinzu, dass auf der Mülldeponie eine große Anzahl an Rindern für den lokalen Verkauf gehalten wird. Jüngste Untersuchungen der UNS haben gezeigt, dass deren Fleisch den zulässigen Wert für Blei um mehr als das 15-fache übersteigt (Pratama 2017). Die folgende Abbildung (s. Abb. 16) gibt einen Überblick über die gesammelten Eindrücke aus Mojosongo.

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Vorstellung der Untersuchungsregion

Abb. 16: Eindrücke aus Mojosongo. A) Städtisch geprägter Westen; B) Zentraler Markt Mojosongo, C) neue Wohnanlage Mittelschicht; D) vertikaler sozialer Wohnungsbau; E) zunehmende Verdrängung landwirtschaftlicher Flächen; F) Landwirtschaft mit Blick auf Solo; G) Ringroad mit Blick nach Westen, H) TPA Putri Cempo. Eigene Darstellung.

5.2.1 Ngemplak Sutan

In Ngemplak Sutan (RT03/ RW37) wohnen heute 119 Familien mit rund 480 Menschen. Die durch- schnittliche Haushaltsgröße beträgt 4,4 Personen. Verglichen mit dem Rest der Stadt ist der RT relativ groß (städtischer Durchschnitt: 66 Haushalte). Die Ursache hierfür liegt in der Entstehungsgeschichte der Siedlung. Im Jahr 2009 wird diese im Rahmen des Umsiedlungsprojektes Program Relokasi neu gegründet.

Administrativ gehörte die Siedlung zunächst dem RT 04/ RW 29 an. Zwischen 2009 und 2010 erfolgte die schrittweise Ansiedlung von insgesamt 112 Familien, welche zuvor entlang des Bengawan Solo in dem Kelurahan Pucang Sawit gewohnt hatten. Bis heute wohnt ein Großteil dieser Familien hier, wo- bei in den letzten Jahren auch ein Zuzug neuer Bewohner zu verzeichnen ist (Interview 04).

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Vorstellung der Untersuchungsregion

Abb. 17: Schematische Kartierung Ngemplak Sutan RT03/ RW37. a) Beispiel für ein Gebäude in schlechtem Zustand, b) gut ausgebautes (zweistöckiges) Gebäude, c) durchschnittlicher Gebäudezustand. Eigene Abbildung.

Je nach verfügbaren finanziellen Mitteln wurden die einst sehr einfachen Häuser17 seit der Umsiedlung selbst ausgebaut und verändert. Das unmittelbare Umfeld der Siedlung ist hügelig und ländlich ge- prägt, wobei die ebenen Freiflächen im Westen und Osten der Siedlung als Sportplatz genutzt werden. Letztere sollen in absehbarer Zukunft durch einen Investor mit Wohnungen bebaut werden (Interview 04).

Obwohl sich die Siedlung nach wie vor aus ihrer Umgebung hervorhebt, ist es für einen Außenstehen- den nur schwer möglich das Gebiet als ehemaliges Umsiedlungsprojekt zu erkennen. Dies liegt vor allem an den sehr unterschiedlichen Entwicklungsstadien der einzelnen Häuser (s. Abb. 17).

17 Im Rahmen des Umsiedlungsprojekts wurden ca. 50m² große Grundstücke vergeben. Die errichteten Häuser bestanden aus einem Zimmer ohne Unterteilungen (ca. 40m²), vier geziegelten Wänden und einem Welldach aus Asbest. Boden war in den Häusern keiner vorhanden. Die restlichen 10 m² wurden für die Infrastruktur (Wasser, Straßen, etc.) der Siedlung freigehalten (Obermayer 2017).

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Vorstellung der Untersuchungsregion

Box 4: Taman Aquaponik

In dem Taman Aquaponik werden Gemüse und Fisch gezüchtet. Das Gemüse wächst nicht auf her- kömmlichen Substrat, sondern wurzelt lediglich in Wasser. Auf chemisches Düngen wird verzichtet, sondern hierzu der Kot der Fische verwendet. Das Projekt wurde 2016 gestartet und wird durch die Nichtregierungsorganisation Rumah Zakat (RZ) gefördert. Ziel ist es, zu einer verbesserten Ernährung der lokalen Bevölkerung beizutragen. Das Projekt wird von den Menschen vor Ort ehrenamtlich ver- waltet und derzeit sind 20 Personen ehrenamtlich tätig. Diese können die produzierten Produkte ver- günstigt erwerben. Die übrigen Produkte werden auf dem lokalen Markt verkauft. Bislang befindet sich das Projekt in der Testphase und ist nicht wettbewerbsfähig und somit von finanzieller Unterstützung der Organisation abhängig. Innerhalb des RW 37 existieren mehrere vergleichbare Projekte aus dem Bereich Urban Gardening. Ziel ist es auch das Gebiet für (inländische) Touristen interessant zu machen (Rumah Zakat 2017, Interview 04).

Abb. 18: Taman Aquaponik.Eigene Aufnahmen.

Die größten Defizite bestehen vor allem im Norden und Süden in den Randgebieten der Siedlung. Gera- de in der Anfangszeit existierten Probleme bei der Infrastrukturversorgung in Ngemplak Sutan. So er- folgte erst 2012 der Anschluss aller Haushalte an das Stromnetz, ehe im folgenden Jahr alle Haushalte an die Wasserversorgung angeschlossen wurden. Ebenfalls 2013 wurde die Moschee in der Siedlung eröff- net, die für den Zusammenhalt der Gemeinschaft eine wesentliche Rolle spielt (s. Kap. 6.1.5). Im Sep- tember 2014 war die Vergabe der Landzertifikate abgeschlossen und aus der Siedlung wird ein eigen- ständiger RT (RT 03/ RW37). Der derzeitige RT Führer ist mittlerweile seit 24 Jahren im Amt. Innerhalb des RW 37 wurden in den letzten Jahren einige Projekte zur Verbesserung der Ernährungssituation der Bewohner umgesetzt. So befindet sich am westlichen Rand der Siedlung mit dem Taman Aquaponik ein Projekt zum Gemüseanbau und der Fischzucht (s. Box 4). Die Lage am Stadtrand zählt nach wie vor zu den zentralen Herausforderungen der Bewohner. Es mangelt an ÖPNV Verbindungen und die Trans- portkosten zu Arbeit-, Bildungs- und Einkaufmöglichkeiten sind hoch. Des Weiteren ist insbesondere der nördliche und westliche Rand der Siedlungen Gefahren durch Erosion ausgesetzt. In der Vergangen- heit kam es hier während der Regenzeit wiederholt zu Hangrutschungen. Zudem werden auch heute noch einige Teile der Siedlung bei stärkeren Niederschlägen überflutet, da bestehende Abflusssysteme unzureichend bzw. verstopft sind (Interview 04).

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Vorstellung der Untersuchungsregion

5.2.2 Mipitan Sewu

Auch Mipitan Sewu wurde im Zuge des Program Relokasi neu gegründet. Der Name Mipitan Sewu setzt sich aus dem neuen (Kampung Mipitan) und dem ehemaligen Wohnort (Kampung Sewu) zu- sammen. Ursprünglich sollten 81 Familien ohne Landtitel aus dem Kelurahan Sewu, in die neue Sied- lung umziehen. Tatsächlich kamen jedoch nur 61 Familien, die übrigen Personen zogen innerhalb des Kelurahan Sewu um. Heute wohnen in Mipitan Sewu 84 Familien mit rund 240 Menschen, die durch- schnittliche Haushaltsgröße beträgt 3,5 Personen. Administrativ gehörte die Siedlung in den ersten Jahren dem RT 04/ RW 29 an. Strom- und Wasseranschluss erfolgten für die Haushalte bis Ende 2012. Einige Haushalte sind jedoch bis heute nicht an die städtische Wasserversorgung angeschlossen, da sie sich in der Vergangenheit eigene Brunnen gebaut hatten und hieraus Wasser beziehen. Im Gegensatz zu Ngemplak Sutan, konnten die Landzertifikate innerhalb des ersten Jahres ausgehändigt werden. Im Jahr 2013 wurde aus Mipitan Sewu der eigenständige RT 03 des RW 37. Die Fertigstellung des septi- schen Tanks für die Abwässer der Siedlung erfolgte 2015. Seither werden die Abwässer vorgeklärt in den, unmittelbar unterhalb der Siedlung verlaufenden, Kali Anyar geleitet.

Abb. 19: Schematische Kartierung Mipitan Sewu. a) Haupteingang zur Siedlung, mit durchschnittlichem Haus im Hinter- grund b) schlechter Gebäudezustand, c) enge Straße innerhalb der Siedlung, d) guter Gebäudezustand, e) Kali An- yar im Hintergrund der Siedlung. Eigene Abbildung.

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Vorstellung der Untersuchungsregion

Im Norden und Osten grenzt die Siedlung an das höher gelegenen Kampung Mipitan, wohingegen im Westen der Siedlung landwirtschaftlich genutzte Flächen angrenzen. Aufgrund der Tallage und Fluss- nähe sind diese Flächen sehr feucht, weshalb hier der Reisanbau möglich ist.

Grundsätzlich wurden in Mipitan Sewu die Gebäude im Rahmen der Umsiedlungsmaßnahme höher und qualitativ hochwertiger errichtet als in Ngemplak Sutan. Aufgrund des niedrigeren Quadratmeter- preises in Nähe des Flusses, war mehr Geld für die Errichtung der Häuser vorhanden. Dennoch zeigt die hohe Zahl der nicht umgesiedelten Familien sowie die Anzahl der leerstehenden Gebäude, dass insbesondere der südliche Teil der Siedlung keinen sehr attraktiven Wohnraum darstellt. Abb. 19 gibt einem Überblick über die verschiedenen Entwicklungsstadien der Häuser und zeigt einige Eindrücke aus Mipitan Sewu.

Aufgrund der Lage am Stadtrand bestehen ähnliche Probleme wie in Ngemplak Sutan. Hinzu kommt, dass die Müllentsorgung nicht funktioniert und der Müll im Fluss entsorgt bzw. am Flussufer ver- brannt wird. Die Nähe zum Fluss führt dazu, dass es jährlich zu Überflutungen (teilweise über 2 Meter hoch) kommt. Hiervon betroffen sind rund 20 Haushalte im südlichen Teil der Siedlung. Zudem gehen dort Gefahren von einem unbefestigten Flussufer aus. Der gesamte Uferbereich darf nicht mit dauer- haften Gebäuden bebaut werden. Jener Freiraum wird von der Gemeinschaft als sozialer Treffpunkt, Produktionsstätte, Spielplatz und Lagerfläche genutzt (s. Abb. 20).

Abb. 20: Uferzone Mipitan Sewu. A) Treffpunkt Community (Pos Ronda) und Sportplatz im Hintergrund, B) Landwirt- schaftlich genutzte Flächen, C) Uferbereich als Spielplatz, D) Uferbereich als Lagerfläche, E) Müllentsorgung ent- lang des Ufers, F) Überflutung der Flächen. Eigene Abbildung.

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Leben im Kampung

6 Leben im Kampung

In diesem Kapitel werden die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung unter Berücksichtigung des Livelihood Ansatzes vorgestellt. Vor dem Hintergrund des Vulnerabilitätskontexts werden zunächst der Zugang und die Verfügbarkeit der einzelnen Kapitalien dargestellt. In nächsten Schritt werden die Ergebnisse vor dem Hintergrund des lokalen bzw. nationalen Kontext betrachtet. Einen Schwerpunkt bilden hier die Auswirkungen des Umsiedlungsprojektes auf die Livelihoods der Bewohner. Daraufhin werden, sofern vorhanden, die Strategien der Bewohner zum Umgang mit den gegebenen Lebensbe- dingungen näher untersucht.

6.1 Ausstattung an Kapitalien

Komplexe, wechselseitige Beziehungen lassen die isolierte Betrachtung der einzelnen Kapitalien des SLA nur bedingt zu. Jene inhaltliche Unterteilung des Kapitels dient daher in erster Linie einer verbes- serten Übersicht über die Ergebnisse. Relevante Beziehungen zwischen (und innerhalb) den einzelnen Kapitalien werden im folgenden Kapitel (Kap. 6.3) aufgegriffen, welches sich mit den Livelihoodstra- tegien der Bewohner beschäftigt.

6.1.1 Human-Kapital

Human-Kapital beinhaltet die dem Haushalt zur Verfügung stehenden Ressourcen hinsichtlich seiner Arbeitskraft. Dies umfasst sowohl qualitative Aspekte wie Bildung und Gesundheit als auch quantita- tive Dimensionen, wie die Verfügbarkeit von Zeit und Arbeitskraft. In beiden Untersuchungsgebieten ist es üblich, dass ein Haushalt aus bis zu drei Generationen besteht. Kinder haben bis heute eine wich- tige Bedeutung für die Sicherung und Erhalt des gegenwärtigen Haushaltes und stellen eine wichtige Versorgungsgrundlage für die ältere Generation dar. Durchschnittlich haben die Familien drei Kinder, von denen zwei im Haushalt leben.

Im Bereich Bildung lässt sich feststellen, dass jüngere Menschen in der Regel einen höheren Schulab- schluss vorweisen können als ältere Personen. Seit 2013 herrscht in Indonesien eine zwölfjährige Schulpflicht18. Für die Grundschulversorgung (Sekolah Dasar - SD) gibt es in Mojosongo neben den kostenlosen staatlichen Schulen auch einige kostenpflichtige private bzw. islamische Schulen. Darüber hinaus gibt es in Mojosongo eine staatliche Mittelschule (Sekolah Menengah Pertama - SMP) und eine weiterführende Schule (Sekolah Menengah Atas - SMA). Trotz des vorhandenen Angebots besu- chen einige Kinder und Jugendliche nach wie vor Schulen in den ehemaligen Stadtteilen entlang des Bengawan Solo. Öffentliche Schulen sind in Indonesien kostenlos, dennoch fallen teilweise hohe Kos-

18 Schulpflicht besteht in Indonesien seit 1974. 2013 wurde die, seit 1994 bestehende neunjährige Schulpflicht, auf 12 Jahre verlängert (UNICEF Indonesia 2018.

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Leben im Kampung ten für Lehrmaterialien und Schuluniformen an, welche ärmere Haushalte nicht aufbringen können. Zudem entsteht ein finanzieller und zeitlicher Aufwand für den Transport zur Schule und es fehlt dem Haushalt eine zusätzliche Einkommensquelle. In Solo beträgt die durchschnittliche Schulzeit daher nicht 12 Jahre, sondern lediglich 10,8 Jahre (Interview 7). Typische Einkommensquellen bilden Be- schäftigungsverhältnisse, welche keinen qualifizierenden Schulabschluss erfordern. Klassische Bei- spiele hierfür sind die Arbeit als Bauarbeiter, Fabrikarbeiter (Plastikherstellung), (Taxi,-) Fahrer sowie die Beschäftigung in Handel und Gastronomie. Home-based Enterprises (HBE) nutzen den Haushalt als Produktionsstätte. Ein Großteil der Beschäftigungsverhältnisse sind informeller Art. Teilweise existieren auch hier noch Beziehungen zu den ehemaligen Wohn,- und Arbeitsplätzen entlang des Bengawan Solo.

Zu den häufigsten Erkrankungen in Ngemplak Sutan und Mipitan Sewu zählen Durchfallerkrankun- gen, Denguefieber und Typhus. Ebenfalls gibt es vereinzelte Fälle von Tuberkulose (Interview 02/ 04). Neben unzureichenden hygienischen Bedingungen sind die Bewohner zudem toxischen Schadstoffen ausgesetzt. Jene Gefahren gehen sowohl von belasteten Nahrungsmitteln, dem Material der Gebäude (z.B. Dach aus Asbest) als auch von mangelnden Schutzmaßnahmen (Lackdämpfe in den Druckwerk- stätten) bei den häuslichen Betrieben aus.

Hinsichtlich der medizinischen Versorgung gibt es in Mojosongo ein Krankenhaus (Rumah Sakit) sowie zwei staatliche Basisgesundheitsstationen (Pusat Kesehatan Masyarakat - PUSKESMAS). Letztere behandeln keine medizinischen Notfälle, sondern bieten in erster Linie eine kostengünstige medizinische Grundversorgung an (Pisani et al. 2017). Hierzu zählt die ambulante Behandlung und Versorgung der Patienten mit Medikamenten. Ebenfalls bieten einige PUSKESMAS mittlerweile auch zahnmedizinische Behandlungen, Laboruntersuchungen sowie Informationsveranstaltungen zu hygie- nischen Standards und Gesundheitspflege an. Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Kosten werden PUSKESMAS vermehrt von der ärmeren Bevölkerung aufgesucht. Mangels finanzieller Mittel sind PUSKESMAS oft nur halbtags geöffnet und in abgelegenen Regionen Indonesiens auf die Mitarbeit der lokalen Bevölkerung angewiesen (Mende und Tydecks 2003). Darüber hinaus gibt es in jedem RW von Mojosongo einen integrierten Gesundheitsposten (Posyandu), in dem kostenlos Impfungen und Gesundheitsdienste für schwangere Frauen und Mütter angeboten werden.

Auf nationaler Ebene finden derzeit umfangreiche Reformen im Bereich der sozialen Absicherung (Jaringan Pengaman Social – JPS) in Indonesien statt. Besonders in den Städten auf Java sind in den letzten Jahren sichtbare Verbesserungen erreicht worden, darunter auch im Bereich der Gesundheits- versorgung (s. Box 5).

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Leben im Kampung

Box 5: Krankenversicherung in Indonesien

Derzeit finden umfangreiche Reformen im Bereich der Gesundheitsversorgung in Indonesien statt. Ambitioniertes Ziel der Regierung ist es bis Januar 2019 das weltweit größte, gesetzlich verpflichtende Krankenversicherungssystem (Jaminan Kesehatan Nasional – JKN) zu etablieren. Die nationale Ge- sundheitskarte KIS (Kartu Indonesia Sehat) soll landesweit den Zugang zu einer allgemeinen ärztlichen Versorgung ermöglichen. Personen mit formellen Beschäftigungsverhältnissen entrichten hierfür Bei- träge in Höhe von fünf Prozent ihres Einkommens (4 % trägt der Arbeitgeber, 1 % der Arbeitnehmer). Personen, welche im informellen Sektor tätig sind, zahlen einen monatlichen Festpreis. Das Versiche- rungssystem bietet drei Klassen der Mitgliedschaft an. Die monatlichen Kosten betragen zwischen 25.000 IDR (1,58 €) und 80.000 IDR (5,04 €). Für die unter der Armutsgrenze lebenden Personen, wer- den die Beiträge für die niedrigste Klasse (III) von der Regierung übernommen (BPJS 2018).

Wie zu Beginn erwähnt, erhielten die Regierungsbezirke nach 1998 mehr Rechte und Handlungsspiel- räume, die auch den Gesundheitsbereich miteinbezogen. Aufgrund seiner Bedeutung für den lokalen politischen Wahlkampf fanden seither in vielen Regierungsbezirken Reformationen im Gesundheits- wesen statt. In Solo werden seit 2016 die Kosten für die Behandlung (Kosten für Medikamente nicht enthalten) in den PUSKESMAS von der Stadt Surakarta übernommen. Diese Leistung steht allen Menschen zur Verfügung, welche offiziell in der Stadt registriert sind (Kota Surakarta 2016). Des Weiteren übernimmt die Stadt mit dem Programm BKMKS (Bantuan Kesehatan Masyarakat Kota Solo) notfalls auch Kosten für eine ärztliche Behandlung. Hierauf haben alle Einwohner der Stadt An- spruch, welche über unzureichende finanzielle Mittel sowie keinen Versicherungsschutz verfügen. Übernommen werden Kosten bis zu einer Höhe von 5 Mio. IDR (ca. 315 €), die verbleibenden Kosten werden selbst getragen (Interview 07). Mehrere Teilnehmer der Umfrage gaben an, das Programm in der Vergangenheit in Anspruch genommen zu haben. Aufgrund der anstehenden Reform der Gesund- heitsversorgung wurde das Programm Anfang 2018 eingestellt, da die empfangsberechtigten Personen fortan durch das nationale Krankenversicherungssystem JKN erfasst werden. Dennoch besitzen bis- lang rund 25.000 (ca. 5 %) Einwohner Solos nicht diesen Versicherungsschutz (Jawa Pos 2018).

Ein weiteres Programm der sozialen Absicherung ist das Raskin Programm der indonesischen Regie- rung. Arme Haushalte erhalten dabei die Möglichkeit, monatlich zehn Kilogramm Reis unterhalb des Marktpreises (1000 IDR/ kg) zu erwerben. Laut den RT Führern erhalten sowohl in Ngemplak Sutan als auch Mipitan Sewu rund ein Viertel der Haushalte diese Unterstützung zur Ernährungssicherheit (Interview 02 & 05). Auch die Organisation Rumah Zakat verteilt Hilfsgüter in der Siedlung, aller- dings scheint hier die religiöse Einstellung mitbestimmend zu sein, welcher Haushalt diese erhält bzw. nicht erhält.

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Leben im Kampung

Ob ein Haushalt Anspruch auf Unterstützung bei dem Zugang zu Bildung und Gesundheit hat, kann durch verschiedene Wege überprüft werden. Neben dem klassischen Instrument der Umfragen, ge- schieht dies vor allem über den Weg des RT – Vorstandes. Dieser unterrichtet den Vorstand des Kelu- rahan (Lurah) über die Anzahl bedürftiger Haushalte in der Nachbarschaft. Darüber hinaus können die betroffenen Personen auch selbst im Büro des Kelurahan Unterstützung beantragen (Interview 07). Trotz der bislang erreichten Fortschritte bleibt festzuhalten, dass sowohl Angebot und Qualität der medizinischen Versorgung nicht zufriedenstellend sind. Die Behandlung in privaten Kliniken sowie das Abschließen privater Krankenversicherungen ist insbesondere in Städten keine Seltenheit. Glei- ches gilt für die Schulausbildung. Auch in den beiden Untersuchungsgebieten besitzen einige Haushal- te eine private Krankenversicherung.

6.1.2 Natur-Kapital

Wie bereits erwähnt, erfährt Natur-Kapital in urbanen Räumen in der Regel eine weniger große Be- deutung als auf dem Land. Im Gegensatz dazu spielt ein rechtlich geregelter Landbesitz in der Stadt eine wichtige Rolle. Sowohl in Ngemplak Sutan und Mipitan Sewu liegt dieser den Bewohnern vor. Obwohl an den Rändern von beiden Untersuchungsgebieten ein paar Gemüse- und Obstsorten ange- baut werden und einige Haushalte dort Hühner halten, so spielen diese Ressourcen doch keine größere Rolle bei der Versorgung der Haushalte. Gerade die Hühner erfüllen oft eher die Funktion eines Haus- tieres. In Ngemplak Sutan wird hingegen mit dem Taman Aqauponik (s. Box 4) der Versuch unter- nommen, wirtschaftliche Formen des Urban Farming in der Nachbarschaft zu etablieren. Mipitan Se- wu hingegen ist geprägt durch die Nähe zum Kali Anyar, wo der Fluss vielfältig von den Bewohnern genutzt wird. Beispielsweise wird das Flussufer von Kindern als Spielplatz genutzt, einige Männer der Siedlung verbringen hier ihre Freizeit mit dem Fangen von Fisch. Demgegenüber steht die starke Ver- schmutzung des Kali Anyar und die Nutzung von Teilen des Uferbereichs als Müllhalde. Die ständige Gefahr von Überflutungen im südlichen Teil von Mipitan Sewu, hat dazu geführt, dass die betroffenen Haushalte gebäudetechnische Vorrichtungen errichtet haben, um im Falle einer Überflutung die Wert- gegenstände des Haushaltes in Sicherheit zu bringen.

6.1.3 Sach-Kapital

Sach-Kapital umfasst die infrastrukturelle Ausstattung bzw. Anbindung sowie die Produktionsmittel eines Haushaltes. Seit der Umsiedlung wurden in so gut wie allen Häusern Investitionen in die Gebäu- desubstanz getätigt, sodass der Wert der Gebäude in den letzten Jahren zugenommen hat. Die gebäu- detechnische Aufwertung der Gebäude erfolgte unter anderem mit Baumaterial von ehemaligen Häu- sern entlang des Bengawan Solo. Zudem investieren die Bewohner in die Ausstattung des Haushaltes. Eine Ausstattung mit Kühlschrank, Fernseher und Telefon sind keine Seltenheit. Einen Computer oder Klimaanlage besitzen hingegen nur sehr wenige Haushalte.

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Leben im Kampung

Neben der Schutz- und Wohnfunktion dient der Haushalt auch als Produktionsstätte. In Haushalten mit Home-based Enterprises finden Investitionen in das Equipment für die Produktion statt. Der Erwerb von Nähmaschinen oder Druckereizubehör bilden Beispiele hierfür. Diese Investitionen können sich positiv auf beispielsweise Human- oder Finanz-Kapital auswirken. Aufgrund der zumeist kleinen Grö- ße der Häuser werden Teile der Häuser nicht untervermietet. Gerade in Mipitan Sewu bestünde je- doch, aufgrund der relativen Nähe zur Universität (UNS), durchaus die Möglichkeit, die Nachfrage nach günstigem Wohnraum, durch Vermietung zu nutzen.

Wie bereits erwähnt, konnten in den letzten Jahren umfangreiche Fortschritte hinsichtlich der Infra- struktur in beiden Untersuchungsgebieten erreicht werden. Dies wirkt sich positiv auf den Zugang zu einkommensgenerierenden Tätigkeiten aus. Die Unterstützung erfolgte von der Stadtverwaltung als auch von religiösen Organisationen (z.B. Taman Aquaponik) oder politischen Parteien (z.B. Hilfe für Wiederaufbau nach Überflutung in Mipitan Sewu). Die folgende Abbildung zeigt dabei die Zufrieden- heit der Bewohner mit einzelnen Bereichen der Infrastrukturversorgung (s. Abb. 21).

Abb. 21: Zufriedenheit der Bewohner mit der Infrastrukturversorgung.Ngemplak Sutan (links, n=42) und Mipitan Sewu (rechts, n=23). Eigene Darstellung.

Größte Defizite bestehen bei der ÖPNV Anbindung, weshalb eine Vielzahl an Haushalten einen Mo- torroller besitzt, bzw. sich einen mietet. Besonders für die im informellen Sektor tätigen Menschen, war dies in der Anfangszeit problematisch, da diese in der Regel aus Kostengründen auf die räumliche Nähe zum Kunden bzw. Absatzmarkt angewiesen waren. Folglich musste sich eine Vielzahl informell tätiger Menschen an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen und neu ausrichten. So existierten in der Vergangenheit am Flussufer des Bengawan Solo viele Home-based Enterprises im Bereich der Geflügelaufzucht und Schlachtung. Gerade für Frauen stellte dies eine wichtige Einkommensquelle dar. Standortvoraussetzungen für diese Betriebe sind neben ausreichend großen Absatzmöglichkeiten in der unmittelbaren Nachbarschaft, Platz für das Halten der Tiere (Flussufer) und Möglichkeiten der Entsorgung der Schlachtabfälle (Fluss). Mit diesen Betrieben unmittelbar verbunden waren zudem Betriebe zur Produktion von Federbällen, welche die Federn der getöteten Tiere verwendeten. Sowohl in Ngemplak Sutan als auch Mipitan Sewu sind diese Standortfaktoren nicht vorhanden. Viele dieser Bewohnerinnen arbeitet daher heute als fahrende Händlerinnen (Tukang Keliling) in Mojosongo. An-

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Leben im Kampung geboten werden ebenfalls Hühner, welche von den Frauen täglich, bereits geschlachtet, am Markt er- worben werden. Die Frauen beschreiben ihren neuen Beruf zwar als weniger anstrengend, allerdings auch als abhängiger von externen Faktoren. So müssen die monatlichen Kosten für das Mieten des Motorrads sowie des Einkaufs am Markt gedeckt sein. Teilweise müssen hierfür Kredite aufgenom- men werden (Tiefeninterview 02).

Aufgrund der Entfernung zum Markt kommen mehrmals täglich fahrende Händler in die Siedlungen. Diese versorgen die Bewohner mit Lebensmitteln und bieten unterschiedlichste Artikel des täglichen Bedarfs an. Insbesondere Haushalte, welche nicht über ein Motorrad zum Einkauf verfügen, nutzen dieses Angebot. Wenn auch nur geringfügig teurer, so stellt diese Form der Versorgung dennoch eine Erhöhung der Lebenshaltungskosten dar.

Moderne Transportmöglichkeiten wie der Online-Vermittlungsdienst zur Personenbeförderung GOJEK stellen tagsüber eine Alternative dar, sind jedoch aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten nicht für den täglichen Gebrauch geeignet. Hinzu kommt, dass nachts bislang kaum Fahrten am Stadt- rand angeboten werden.

6.1.4 Finanz-Kapital

Sowohl in Mipitan Sewu als auch in Ngemplak Sutan wohnen nach wie vor ärmere Familien. Bei rund 50 Prozent der befragten Haushalte liegt das monatliche Einkommen unterhalb des Mindesteinkom- mens (Upah Minimum Kota – UMK) Surakartas. In Solo betrug das UMK im Jahr 2017 1.534.985 IDR (ca. 97 €) (BPS Provinsi Jawa Tengah 2018). Bei rund zehn Prozent jener Haushalte liegt das monatliche Einkommen unter 450.000 IDR (ca. 28 €), sodass diese zu den Ärmsten der Stadt zählen. Wie eingangs erwähnt, betrifft dies rund vier Prozent im gesamten Stadtgebiet. In den Unter- suchungsgebieten sind hiervon vor allem Personen über 50 Jahre betroffen, welche keinen bzw. ledig- lich einen niedrigen Schulabschluss besitzen und deren Kinder nicht im Haushalt leben. Sowohl Alter als auch Bildung wirken sich direkt auf die finanzielle Ausstattung des Haushalts aus. Zudem stellen (qualifizierte) Kinder eine wichtige Einkommensquelle im Alter dar. Ein gutes Beispiel hierfür gibt es in Ngemplak Sutan. Dort wohnen die Eltern in einem mittlerweile zweistöckigen, gut ausgebauten Haus. Finanziert wurde der Ausbau durch die drei, in Jakarta lebenden, berufstätigen Kinder des Ehepaars.

In der Regel tragen mehrere Quellen zum Einkommen des Haushaltes bei. Hier lässt sich beobachten, dass Männer oftmals außerhalb der unmittelbaren Nachbarschaft der Arbeit nachgehen. Neben dem ehemaligen Wohnumfeld finden diese Arbeit im Stadtzentrum oder auch außerhalb des Stadtgebietes. Frauen hingegen arbeiten vorwiegend innerhalb des Kelurahan Mojosongo. Viele Frauen bleiben zu Hause und nutzen nutzen dort die eigenen Räumlichkeiten, neben der Kinderbetreuung, als Produkti-

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Leben im Kampung onsstätte. In beiden Untersuchungsgebieten gibt es eine Vielzahl sog. Home-based Enterprises (HBE) (s. Abb. 22).

Viele dieser Betriebe sind klein, bestehen aus ein bis zwei Personen (z.B. Mutter und Großmutter) und leisten einen kleinen, wenn auch unverzichtbaren, Beitrag zum Einkommen des Haushalts (Tipple 2005). Die Aktivitäten umfassen beispielsweise die Produktion und den Verkauf von frittier- tem Gemüse. Zu weiteren Aktivitäten zählen der Verkauf und Wiederverkauf von Waren Im Gegen- satz dazu gibt es auch Betriebe, welche Teil einer größeren informellen Produktionskette sind. In Ngemplak Sutan werden Einzelteile für Vogelkäfige gefertigt und zusammengebaut. Die abschließende Lackierung erfolgt jedoch in einem Betrieb außerhalb der Siedlung. In Mipitan Sewu werden einzelne Teil von Schuluniformen geschneidert. Das endgültige Fertigstellen der Kleidungsstücke erfolgt auch hier außerhalb der Siedlung. Daneben gibt es in beiden Untersuchungsgebieten auch Home-based Enter- prises, welche größer sind und wesentliche Teile des Haushaltseinkommens generieren (s. Box 6).

Box 6: Home-based Enterprise Ibu Warni (Ngemplak Sutan)

Die Familie von Ibu Warni betreibt ein home-based Enterprise (HBE) in Ngemplak Sutan. In dem Be- trieb werden verschiedene Textilien (Handschuhe, Schaltücher und Socken) hergestellt. Auch vor der Umsiedlung nähte Ibu Warni bereits zu Hause und ihr Mann arbeitet in einer Textilfabrik im Zentrum Solos. Auf Grund der Entfernung war die Arbeit in der Fabrik von Mojosongo aus nicht möglich, so- dass die Familie den Entschluss fasste, das HBE auszubauen. Wichtig hierfür waren neben ausreichend Platz für die Produktion, praktisches Wissen sowie der freundschaftliche Kontakt zu einem Großhänd- ler. Dies ermöglichte neben einem günstigen Einkauf des Materials auch den Absatz der Waren. Die finanzielle Unterstützung von Bekannten ermöglichte die Anschaffung der ersten Maschinen für die Produktion. Heute arbeiten bis zu 12 Personen in dem Betrieb. Die Arbeitsschritte umfassen das Nähen, das Bedru- cken und das Verpacken der Kleidung, wobei die einzelnen Arbeitsschritte auf andere Haushalte ausge- lagert werden. Acht der Haushalte befinden sich ebenfalls in der Siedlung. Produziert wird in erster Linie für den lokalen Markt, wobei teilweise die Produkte über die Großhändler auch landesweit bzw. international (u.a. Deutschland) vermarktet werden. Laut Ibu Warni geht es der Familie heute finanziell gut und die Mitarbeiter können pünktlich ausbezahlt werden. Das Netzwerk an Zulieferern ermöglicht ein flexibles Kompensieren von Ausfällen im Krankheitsfall. Wichtig ist auch, dass z.B. die Großeltern tagsüber die Kinderbetreuung übernehmen. Das Einkommen des Haushaltes wird sowohl in die Pro- duktion (Anschaffung Maschinen), in den Hausausbau als auch in Singvögel investiert. Mit letzteren betreibt ihr Ehemann in seiner Freizeit einen Onlinehandel. Dennoch musste die Familie in der Vergan- genheit mehrmals einen Kredit bei Banken aufnehmen um finanzielle Engpässe zu überbrücken. Trotz der vergleichsweise guten finanziellen Situation des Haushaltes, besitzt der Haushalt keine Kran- kenversicherung. Als Gründe hierfür werden neben den Kosten, der komplizierte Antragsweg sowie Zweifel an der Notwendigkeit einer Versicherung angegeben.

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Leben im Kampung

Nahezu alle befragten Haushalte gaben an, zumindest Teile ihres finanziellen Einkommens aus infor- mellen Beschäftigungsverhältnissen zu beziehen. Im informellen Sektor ist es jedoch schwer, sein Einkommen zu sichern oder gar zu steigern, da letztlich kein rechtlicher Schutz existiert. „There is no copyright, but the right to copy” (Interview 03). Hat ein informelles Produkt Erfolg, so gibt es keinen Schutz, dass dieses nicht von der Wirtschaft übernommen und kopiert wird.

In der Regel liegt die Kontrolle des Haushaltsbudgets bei den Frauen. Die höchsten finanziellen Aus- gaben fallen für die Versorgung mit Lebensmitteln und Küchengas an, gefolgt von Kosten für die Wasser- und Stromversorgung. Weitere Kosten bilden die Schulbildung der Kinder sowie Kosten für den Transport. Rund 20 % der befragten Haushalte gaben zudem an, monatlich Ausgaben für die Rückzahlung von Krediten zu haben. Je nach finanzieller Lage betragen jene monatlichen Raten bis zu 2.500.000 IDR (ca. 158 €). Diese Kredite dienen in erster Linie dem Kauf bzw. dem Mieten eines Motorrads, da beide Siedlungen nicht an das ÖPNV Netz angeschlossen sind. Daneben wird das Geld für den Hausausbau oder Investitionen in die Home-based Enterprises verwendet. Eine weitere belieb- te Geldanlage ist die Anschaffung von Singvögeln19.

Trotz einer Steigerung der Einkommen in den letzten Jahren, gilt es festzuhalten, dass am Monatsende wenig (höchste Angabe in den Fragebögen: 500.000 IDR), bis kein Geld von den Haushalten zur Seite gelegt werden kann. Somit findet keine bzw. nur eine geringe monetäre Absicherung für Krisen und Schocks statt. Stattdessen wird das vorhandene Geld oftmals in materielle Güter (Ausbau Haus, Ein- richtung) investiert. In beiden Untersuchungsgebieten haben die Bewohner die Möglichkeit sich Geld bei informellen Kreditgebern zu leihen. Teilweise werden diese den formellen Kreditgebern bevor- zugt, da Angst vor formalen Verpflichtungen und Schulden besteht. Zudem ist der Zugang leichter und Kredite können zeitnah und flexibel aufgenommen werden. Hinsichtlich der Konditionen der infor- mellen Kreditgeber existieren mitunter deutliche Unterschiede.

19 Das Halten von Vögeln ist in Indonesien sehr populär und verkörpert ein gewisses Statussymbol. Insbesondere in Städten sind Vögel das beliebteste Haustier. Untersuchungen gehen davon aus, dass rund ein Viertel der städ- tischen Bevölkerung Vögel als Haustiere hält. Je seltener die Tiere, desto höher der Preis (Jepson und Ladle 2005).

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Leben im Kampung

Abb. 22: Verteilung von Home-based Enterprises in den Untersuchungsgebieten. Ngemplak Sutan (links) und Mipitan Sewu (rechts). Eigene Darstellung

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Leben im Kampung

6.1.5 Sozial-Kapital

Der javanische Ausdruck gotong royong kann mit „Zusammenhalt“ übersetzt werden und bezeichnet all jene Aktivitäten der Gemeinschaft, bei der alle Mitglieder mitwirken (Taylor 2013). Hierzu zählt beispielsweise die monatlich stattfindende kerja bakti, eine gemeinschaftliche Arbeit, bei der die Nachbarschaft gesäubert, gegebenenfalls kleinere Reparaturen an der Infrastruktur durchführt oder sich auf Feierlichkeiten vorbereitet wird (Interview 04). Darüber hinaus gibt es in beiden Untersu- chungsgebieten verschiedene gemeinschaftliche Treffen und Organisationen, von denen die wichtigs- ten im Folgenden vorgestellt werden sollen.

Abb. 23: Wichtige Institutionen und Akteure des Alltags in Mipitan Sewu Innerhalb der Siedlung (gelb) und außerhalb der Siedlung (grün). Eigene Darstellung.

Einmal im Monat treffen sich die Männer des RT mit dem RT Führer (Rapat RT). Dieser informiert die einzelnen Haushalte über Neuigkeiten von der Ebene des Kelurahan. Ebenso bietet das Treffen die Möglichkeit aktuelle Probleme in der Siedlung gemeinsam anzusprechen und anstehende Aufgaben (z.B. Planung von Feierlichkeiten) zu bearbeiten. Die Treffen sind freiwillig und es nehmen in beiden Siedlungen rund zwei Drittel der Männer regelmäßig daran teil.

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Leben im Kampung

Abwechselnd bilden jeden Abend einige Männer der Siedlung eine Nachbarschaftswache (Ronda). In beiden Siedlungen gibt einen eigens hierfür eingerichteten Platz, sog. Pos Ronda20. Neben der Ab- schreckung von Einbrechern, sollen diese auch Gefahren durch Hochwasser oder Brände frühzeitig erkennen. Jeden Abend werden von der Ronda pro Haushalt 500 IDR (0,03 €) eingesammelt. Dieses Geld (Jimpitan) wird in einer Gemeinschaftskasse gesammelt und für gemeinschaftliche Veranstaltun- gen, Beerdigungen oder Notfälle (Fahrtkosten ins Krankenhaus) verwendet. Zusätzlich dazu leistet jeder Haushalt monatlich einen Beitrag von 10.000 IDR (0,63 €) für die Instandhaltung der Nachbar- schaft. Dieses Geld wird für die Reparatur kleinerer Schäden bei der Infrastruktur verwendet. Die Kos- ten für größere Schäden (z.B. nach einem Hochwasserereignis) werden teilweise durch politische Par- teien übernommen, welche sich im Gegenzug Wählerstimmen sichern möchten.

Box 7: Die Rolle der Frau in Indonesien

In Indonesien ist die Stellung der Frau in der Gesellschaft unmittelbar mit dem Regime der Orde Baru verbunden. Suharto bezeichnete sich selbst als ideologischer Vater der Entwicklung (Bapak Pem- bangunan). Die Rolle der Frau wurde hingegen als fürsorgliche Hausfrau und Mutter (Ibu) festgesetzt. Diese, vollständige ideologische Unterordnung der Frau, wird auch als State Ibuism bezeichnet. Die Umsetzung und Kontrolle der Gender Ideologie fand dabei auf allen Ebenen der Verwaltung statt. Das Besetzen von höheren Ämtern in Politik und Verwaltung war lediglich den Ehefrauen von ranghohen Militärs vorenthalten (Ufen 2002). 1974 wurde die staatliche Frauenorganisation Dharma Wanita gegründet, welcher die Ehefrauen der Staatsbeamten bzw. Militärs obligat angehörten. Ebenfalls verpflichtend war das Wählen der Regie- rungspartei (Golkar). Für einkommensschwächere städtische und ländliche Frauen wurde bereits 1972 die staatliche Frauenorganisation Pembidaan Kesejahteraan Keluarga – PKK auf Dorfebene ins Leben gerufen. Angeführt wurden die lokalen Gruppen durch die Ehefrauen des jeweiligen RT bzw. RW. Das aktive Einbinden und Schulen der Frauen in Bereichen der Familienplanung (z.B. Schwangerschaftsbe- ratung, und Ernährungsberatung, Gesundheitschecks für Kinder) verstärkte das Rollenbild der Frau weiter. Neben der ideologiestärkenden Funktion, dienten die PKK Gruppen auch zur Umsetzung natio- naler Politiken und Programme (z.B. Familienplanung) auf lokaler Ebene (Dewi 2015). Mit dem Ende der Orde Baru wurde den Frauen mehr Rechte eingeräumt (z.B. Einfuhr einer 30 % Frauenquote in Parteien und Regierungsämtern). Die Frauenorganisation PKK wurde im Jahr 2000 in Pemberdayaan Kesejahteraan Keluarga (Familien Wohlfahrt und Empowerment) umbenannt. Eben- falls wurde die politische Unabhängigkeit der PKK festgesetzt. Dennoch ist das propagierte Rollenver- ständnis Suhartos bei einem Großteil der Bevölkerung (sog. Golkar Children) nach wie vor fest veran- kert. So stößt bis heute unverheiratet zu sein und keine Kinder zu haben, vielerorts auf Unverständnis, sowohl bei Männern als auch bei Frauen (Dewi 2015, The Jakarta Post 2016).

20 Pos Ronda besteht meist aus einem überdachten Treffpunkt innerhalb der Siedlung mit Sitzgelegenheiten für die Nachbarschaftswache. Abb. 20a zeigt eine Pos Ronda in Mipitan Sewu.

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Leben im Kampung

Für die Ehefrauen der Nachbarschaft besteht die Möglichkeit bei der staatlichen Familienwohlfahrts- organisation (Pemberdayaan Kesejahteraan Keluarga – PKK) teilzunehmen (s. Box 7). In den beiden Untersuchungsgebieten zählen gemeinsames Singen und Koranlesen, das Veranstalten von (Koch-) Wettbewerben, sportliche Aktivitäten und kleinere Ausflüge sowie das Organisieren von Arbeitsmög- lichkeiten für Frauen (z.B. Näharbeiten) zu den Aktivitäten der Ibu-Ibu-PKK. Ebenfalls werden klei- nere hygienische Vorsorgeleistungen (z.B. monatliche Kontrolle der Sanitäranlagen auf Mückenlarven zur Vorbeugung von Denguefieber) durchgeführt. Zudem wird über gesundheitliche Themen infor- miert und das Impfen von Kleinkindern in den Posyandu propagiert. In Ngemplak Sutan sind die Frauen der PKK auch für das wöchentliche Einsammeln und Verwalten der Beiträge für die Müllab- fuhr und der Wertstoffsammlung (Bank Sampah) zuständig, bei deren Organisation sie wesentlich mitwirkten. Einmal im Monat findet ein PKK Treffen auf RW Ebene statt, bei welchem Informationen des Kelurahan weitergegeben werden. In beiden Untersuchungsgebieten ist der Großteil der verheira- teten Frauen Mitglied in der PKK. Von Seiten des Kelurahan findet eine jährliche Unterstützung in Höhe von 500.000 IDR (ca. 32 €) statt, die übrigen Ausgaben werden von den Mitgliedern getragen.

Wie bereits angedeutet, existieren nach wie vor sehr klare Vorstellungen über die Rolle von Mann und Frau. Besitzt ein Haushalt ein Motorrad, so wird dieses in der Regel zuerst vom Mann des Haushaltes genutzt. Benötigt dieser es nicht, so hat der älteste Sohn oftmals das Vorrecht, ehe die Frau des Haus- halts das Motorrad benutzten darf (Interview 03). Ein weiteres Beispiel ist die freiwillige Selbsthilfe- gruppe Kelompok Swadaya Masyarakat - KSM von Ngemplak Sutan. Je nach Situation hilft die Grup- pe bei der Entwicklung der Nachbarschaft. In Ngemplak Sutan liegt ein Schwerpunkt auf dem Ausbau des Urban Farming. Frauen dürften zwar teilnehmen, sind letzten Endes jedoch nicht in der Gruppe vertreten.

Trotz des bestehenden Genderungleichgewichts haben Frauen innerhalb der Siedlung eine wichtige Funktion für den sozialen Zusammenhalt. Ähnliches gilt für die Religion. Insbesondere in Ngemplak Sutan ist der Einfluss der Religion durch den Bau der Moschee deutlich sichtbar. Neben den täglichen Gebeten werden die religiöse Erziehung der Kinder (Taman Pendidikan Al Qur`an – TPA) und Ju- gendlichen (Remajia masjid) sowie Treffen der Frauen (Pengajian Ibu Ibu) in der Moschee abgehal- ten. Ein Großteil der Bewohner in Ngemplak Sutan sieht in der Moschee einen positiven Einfluss auf das gemeinschaftliche Miteinander. In Mipitan Sewu hingegen wurde in fast allen Fragebögen kriti- siert, dass die vorhandene Moschee nicht ausreichend und Verbesserung notwendig sei.

Grundsätzlich ist das Zusammenleben in beiden Untersuchungsgebieten durch eine, für mitteleuropäi- sche Verhältnisse, auffallend starke familiäre und nachbarschaftliche Solidarität geprägt. Dieser Zu- sammenhalt wird durch die zahlreichen Organisationen und Veranstaltungen gefestigt. Hierbei ist anzumerken, dass sich die Aktivitäten und der Einfluss der Organisationen vor allem auf die Mikro – Ebene beschränken. Ein Austausch bzw. Kooperation außerhalb der Siedlung findet nicht statt. In

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Leben im Kampung beiden Siedlungen wird die soziale Situation von den Bewohnern besser als am Bengawan Solo einge- schätzt. Eine Ursache hierfür ist der Ablauf der Umsiedlung (s. Kap. 6.2). Ein weiterer Aspekt ist die zeitliche Entwicklung der Siedlung. Obwohl die Menschen im Verband umgesiedelt wurden, so be- deutete dies dennoch eine gewisse Neuzusammensetzung der Gesellschaft, da die Menschen zwar alle vom Flussufer stammten, nicht jedoch alle aus dem gleichen RT. Gerade in den ersten Jahren waren die Siedlungen mehr oder weniger isoliert von der unmittelbaren Nachbarschaft und es herrschte beid- seitiges Misstrauen. Dieser Umstand sowie die zu Beginn bestehenden Probleme bei der Infrastruktur, führten andererseits allmählich zu einer Stärkung des Gemeinschaftssinns. Trotz des verbesserten so- zialen Zusammenhaltes gibt es in beiden Siedlungen Menschen, die aufgrund ihrer Religion oder ihres familiären Standes weniger gut in die Nachbarschaft integriert sind.

6.2 Einfluss der Stadtverwaltung

Alle umgesiedelten Familien erhielten im Rahmen des Program Relokasi die Einwohnerkarte (KTP) Surakartas. Dies bedeutet insbesondere für die zahlreichen Menschen, welche zuvor nicht in Solo re- gistriert waren, bzw. keine KTP besaßen, deutliche Verbesserungen hinsichtlich des Human-Kapitals. Erst das Besitzen einer KTP ermöglicht den Zugang zu städtischen Fürsorgeangeboten, u.a. in den Bereichen Bildung und Gesundheit, der Wirtschaftsförderung oder der Unterstützung mit Lebensmit- teln. Im Gegensatz dazu wirkt sich die neu geschaffene, größere Distanz zu Einrichtungen von Bil- dung und Gesundheit sowie zum innerstädtischen Arbeitsmarkt, negativ auf das Human-Kapital aus. Home-based Enterprises stellen eine alternative Möglichkeit der Einkommensgenerierung dar.

Die Vergabe der Landzertifikate gehört ebenfalls zu den wichtigen Aspekten des Umsiedlungspro- gramms. Gerade für die Armen der Stadt ist der Zugang zum kommerziellen Wohnungsmarkt oft sehr schwierig bzw. nicht möglich (Sattertwaite und Tacoli 2006). Jener rechtmäßige Grundbesitz gibt den Bewohnern erstmalig Sicherheit. Dennoch gilt es hinsichtlich des Natur-Kapitals zu berücksichtigen, dass bis heute einige Bewohner Gefahren von Hochwasser und Erosion ausgesetzt sind. Somit wurde dieses Ziel nur teilweise erreicht.

Trotz der schlechten Anbindung der Siedlungen an die Stadt und den bestehenden Problemen bei der Müllentsorgung in Mipitan Sewu, hatte die Umsiedlung positive Effekte auf das Sach-Kapital der Be- wohner. Die Basisinfrastruktur ist in beiden Siedlungen heute besser als entlang des Bengawan Solo.

Durch die Vergabe von Landzertifikaten wurden die Bewohner kreditwürdig und erhielten so Zugang zu formellen Geldinstituten. Dies bedeutete eine Verbesserung ihres Finanz-Kapitals. Jene rechtliche Sicherheit wirkte sich bei den Bewohnern positiv auf die Bereitschaft in ihre Gebäude zu investieren aus. Neben der Vergabe der KTP stellte dies für die Bewohner eine wichtige Absicherung dar und schuf einen Puffer für finanzielle Krisen des Haushalts. Hinsichtlich des Wertes der Grundstücke kön-

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Leben im Kampung nen die Bewohner von den steigenden Grundstückspreisen profitieren. Teilweise haben sich die Grundstückspreise in Mojosongo in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht (Interview 09). Hierbei ist jedoch anzumerken, dass einige Haushalte nicht in der Lage sind ihre Schulden bei den Banken zurückzuzahlen und sich zunehmend verschulden. Eher negativ wirkt sich auch aus, dass die Lebenshaltungskosten in beiden Siedlungen höher sind, als zuvor am Flussufer in der Stadt.

Auch hinsichtlich des Sozial-Kapitals kann ein positives Fazit gezogen werden. Von Anfang an wurde der Versuch unternommen, die Menschen möglichst im Verband umzusiedeln. Des Weiteren stärkte die Teilnahme an den Informationsveranstaltungen sowie die Mitbestimmung bei der Auswahl der Subpokja, das Gefühl aktiv am Prozess der Umsiedlung teilzunehmen (Obermayr und Sandholz 2016). Hierbei gilt es die zuvor skizzierten Einschränkungen zu berücksichtigen. Der Umzug der Menschen bedeutete jedoch auch einen Verlust von bestehenden sozialen Netzwerken und Beziehungen.

Abb. 24: Zufriedenheit der Bewohner mit dem Umsiedlungsprogramm in Ngemplak Sutan (n = 41) und Mipitan Sewu (n = 19). Eigene Darstellung.

Insgesamt kann das Umsiedlungsprojekt sowohl in Ngemplak Sutan als auch in Mipitan Sewu als erfolgreich bewertet werden. Der Erfolg bestätigt sich auch aus Sicht der Betroffenen. In beiden Sied- lungen bewertet die Mehrheit die Umsiedlungsmaßnahme rückblickend als positiv (s. Abb. 24). Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Obermayr (2017) in Ngemplak Sutan, wonach die Vergabe von Landzertifikaten ein entscheidender Faktor für die Zufriedenheit der Betroffenen ist. Die betroffenen Bewohner wurden jedoch nur teilweise in den Umsiedlungsprozess aktiv miteinbezogen. Der Grad der Partizipation beschränkte sich in erster Linie auf die Information der Bürger. Gebäudesubstanz und Infrastrukturanbindung werden nach wie vor von einigen Bewohnern als unzureichend erachtet. Über- flutungen werden hingegen von den Bewohnern in Mipitan Sewu als potentielle Gefahr und lästiges Ereignis wahrgenommen. Hieran kann sich jedoch angepasst werden, weshalb Überflutungen nicht zu den entscheidenden Faktoren bei der Beurteilung des Erfolgs der Maßnahme zählen.

Stattdessen wurde mehrmals geäußert, dass der Ablauf der Umsiedlung transparenter gestaltet werden muss, um Unregelmäßigkeiten vorzubeugen. In Mipitan Sewu unterscheidet sich beispielsweise die Größe der einzelnen Grundstücksparzellen mitunter erheblich. Zudem gilt es den Zeitraum für die Anbindung an die Infrastruktur zu verkürzen. Ein wichtiger Faktor hierfür war das individuelle Enga- gement der Pokja und Sub-Pokja Mitglieder.

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Leben im Kampung

Für eine vollständige Evaluierung des Umsiedlungsprojektes bedarf es auch eines Blicks auf die aktu- elle Situation in den ehemaligen Wohngebieten entlang des Begawan Solo. In Pucang Sawit sehen Obermayr & Sandholz (2016) die größten Verbesserungen im Bereich des Sach-Kapitals. Nach der Umsiedlung der Bewohner vom Flussbett weg, wurde die Infrastruktur zum Hochwasserschutz (Ver- stärkung Schutzdamm, Erneuerung Wasserpumpen, Sickergruben für Oberflächenabfluss) hier ausge- baut und erneuert. Im Rahmen der Wiederaufbaumaßnahmen wurden zudem Teile der Infrastruktur innerhalb der Viertel erneuert, welches sich positiv auf das Human-Kapital auswirkt. Durch die Schaf- fung des Urban Forest wurden zudem Verbesserungen im Bereich des Natur-Kapitals erreicht. Un- klarheiten bestehen hingegen nach wie vor bei der Zuständigkeit für die Wartung der neuen Wasser- pumpen und der Grünflächen (Interview 05).

Von diesen Entwicklungen ausgeschlossen sind allerdings die Haushalte, welche nach wie vor zwi- schen Fluss und Damm leben und bis heute vom Hochwasser betroffen sind (s. Abb. 24). Seit dem Hochwasser im Jahr 2007 finden hier, seitens der Stadtverwaltung, keine Investitionen mehr in die Infrastruktur statt. Darunter leidet unter anderem die Strom- und Wasserversorgung der Häuser und die betroffenen Haushalte im Kampung Sewu fühlen sich von der Stadtverwaltung im Stich gelassen. Bislang konnte zwischen den betroffenen Haushalten und der Stadtverwaltung keine Einigung zwi- schen den Kompensationszahlungen erzielt werden. Verschärft wird die Problematik dadurch, dass das Angebot der Stadt die Inflation der indonesischen Rupie seit 2008 nicht berücksichtigt.

Abb. 25: Uferbereich Bengawan Solo in Pucang Sawit mit Blick in Richtung Kampung Sewu. Vergleich zwischen Hoch- wasser (Dez. 2016) und Niedrigwasser (Sept. 2017). Bildquelle: Google Earth (links), eigene Aufnahme (rechts):

Während dem Zeitraum der Datenerhebung fanden umfangreiche Ausbauarbeiten des Hochwasserschut- zes (s. Abb. 25) statt, wodurch Teile des Urban Forest zerstört wurden. Laut Stadtverwaltung sollen die zerstörten Bereiche jedoch nach Abschluss der Arbeiten wiederhergestellt werden (Interview 06).

Hinsichtlich der Evaluierung des Umsiedlungsprojektes darf die Maßnahme nicht isoliert betrachtet werden. Weitere Maßnahmen der Stadtverwaltung gilt es ebenso zu berücksichtigen wie Entwicklun- gen auf der Makro – Ebene. In den letzten Jahren profitierten die Bewohner in beiden Siedlungen von der derzeitigen ökonomischen Stabilität Indonesiens sowie von den Reformen in der Gesundheits- und Bildungspolitik. Auf stadtpolitischer Ebene hängen die Fortschritte bei der Entwicklung der Siedlung

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Leben im Kampung maßgeblich davon ab, wie aktiv die jeweiligen RT und RW Führer sind. Zudem konnten die Bewoh- ner von den umfangreichen Reformen während der Amtszeit von Joko Widodo als Bürgermeister der Stadt profitieren, dessen politischer Stil bis heute in Solo weitergeführt wird. Die Tatsache, dass Solo die Heimatstadt des derzeitigen Präsidenten ist, kommt den Bewohnern dabei ebenfalls zu Gute, ge- treu dem Motto: „Schlechte Nachrichten aus Solo, sind schlechte Nachrichten für die Reputation des Präsidenten“ (Interview 03).

Die in Indonesien weit verbreitete Korruption betrifft alle Bereiche der Gesellschaft und ist sowohl im Rahmen des Umsiedlungsprogrammes als auch im Alltag ein hinderlicher Faktor. So existieren bei- spielsweise deutliche Differenzen hinsichtlich der Zahl der berechtigten Empfänger des Raskin Pro- gramms zwischen der Ebene des Kelurahan und der tatsächlichen Situation vor Ort.

6.3 Livelihoodstrategien im Kampung

Die Livelihoodstrategien der einzelnen Haushalte unterscheiden sich je nach Zusammensetzung und Größe des Haushaltes. Klar dominierend ist das finanzielle Kapital, wobei festgehalten werden kann, dass sich die Haushalte an die veränderten Rahmenbedingungen seit der Umsiedlung angepasst haben. Das Anwachsen der Bedeutung von HBE und deren Anpassung an Mojosongo können als adaptive Maßnahmen der Menschen betrachtet werden. Ebenso die gestiegene Bedeutung der Mobilität in Form von privaten Motorrädern. Obwohl viele der befragten Haushalte über ein Bankkonto verfügen, wer- den Ersparnisse nur teilweise in Form von monetären Mitteln verwaltet. Anstelle dessen erfolgt die Investition in materielle Gegenstände, wie Motorrad, Maschinen, Singvögel sowie in den Hausausbau oder die Einrichtung. Hierbei ist auch der Einfluss von Statussymbolen (z.B. Vögel, Klimaanlage) zu berücksichtigen. Ein weiterer Grund für die Investition in materielle Gegenstände sind die schlechten währungspolitischen Erfahrungen, welche mit der Asienkrise 1998 miterlebt wurden. In Notsituatio- nen kommt es zur Veräußerung von einzelnen Kapitalien (z.B. Verkauf von Vögeln) oder zur Auf- nahme von Krediten (Landzertifikat als Sicherheit). Hierbei zeigt sich, dass, wenn möglich, formelle Abhängigkeiten umgangen werden.

Ebenfalls eine Anpassungsstrategie ist die Absicherung des Haushaltes durch eine gewisse Anzahl an Kindern. Gerade für das Einkommen und Leben im Alter, spielen Kinder eine wichtige Rolle, wobei die Bedeutung einer guten Ausbildung der Kinder von den Bewohnern erkannt wird. Deren Betreuung wird im Kleinkindalter wiederum von den Großeltern übernommen, wodurch Arbeitskräfte des Haus- haltes freigesetzt werden, welche sich wiederum positiv auf das Finanz-Kapital auswirken.

Mehrere Generationen in einem Haushalt zu beherbergen kann somit auch als Strategie bewertet wer- den. Sozial-Kapital, sowohl innerhalb der Familie als auch innerhalb der Nachbarschaft, führt sowohl in Mipitan Sewu als Ngemplak Sutan zu einer Erhöhung der verfügbaren Ressourcen, indem versucht

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Diskussion und Ausblick wird, bestehende Defizite in den anderen Kapitalien auszugleichen. In Ngemplak Sutan ist dies unter anderem über den Weg der Religion möglich.

Hinsichtlich des Handelns der Haushalte bleibt jedoch fraglich, inwiefern dieses stets vor dem Hinter- grund einer Strategie geschieht. Während des Forschungsaufenthaltes entstand mehrmals der Ein- druck, dass Handlungen in erster Linie der Absicherung des täglichen Bedarfs dienen und oftmals ohne eine weitere Absicht getätigt werden. Aufgrund der starken Einbindung in das tägliche Überle- ben, fehlt vielen Bewohnern schlichtweg die Zeit und der Zugang die Meso- oder Makroebene mitein- zubeziehen.

7 Diskussion und Ausblick

Nachdem in dem vorherigen Kapitel die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit vorgestellt wurden, er- folgt in diesem Kapitel eine vertiefte Auseinandersetzung mit den gewonnenen Erkenntnissen. Hierzu sollen zunächst die Forschungsfragen nochmals aufgegriffen und mögliche Limitationen hinsichtlich der Aussagekraft der Ergebnisse aufgezeigt werden. Dies beinhaltet auch eine kritische Reflexion des Livelihood Ansatzes als theoretisches Leitgerüst dieser Masterarbeit. Des Weiteren werden Anknüp- fungspunkte für zukünftige Forschungen und Implikationen für die Praxis aufgezeigt. Den Abschluss der Arbeit bildet eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.

7.1 Forschungsfragen

Zentrales Erkenntnisinteresse dieser Arbeit ist es zu verstehen, wie Haushalte ihr Überleben in städti- scher Armut gestalten. Die betroffenen Haushalte greifen dabei auf einen Mix aus den fünf Ressour- cenbündeln zurück. In beiden Untersuchungsgebieten lässt sich die dominierende Rolle des Finanzka- pitals eindeutig erkennen. Gerade in urbanen Räumen können durch monetäre Mittel Defizite in den übrigen Ressourcenbündeln leichter ausgeglichen werden als auf dem Land. So können beispielsweise Einschränkungen durch die periphere Lage am Stadtrand durch Investitionen in ein Motorrad ausge- glichen werden. Für das Einkommen des Haushaltes spielt der informelle Sektor eine wichtige Rolle. Nahezu alle der befragten Haushalte gaben an, zumindest Teile ihres Haushaltseinkommens aus in- formellen Tätigkeiten zu beziehen. Charakteristisch für den informellen Sektor ist ein hohes Maß an Dynamik und Flexibilität. Jene Flexibilität lässt sich auch bei der Verfügbarkeit der einzelnen Kapita- lien des Haushaltes wiederfinden. Oft sind Beschäftigungsverhältnisse nur von kurzer Dauer und er- fordern eine Neuorientierung des Haushalts nach deren Beendigung. Auch in den home-based Enter- prises kommt es zu Veränderungen im Produktionsablauf. Zum Beispiel wird je nach Auftragslage die Produktion von der Fertigung von Atemmasken auf das Schneidern von Unterwäsche umgestellt. Der

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Diskussion und Ausblick

Betreib des HBE bleibt jedoch in der Regel bestehen und ermöglicht so eine gewisse Planungssicher- heit für den Haushalt. Durch die Lage am Stadtrand und die schlechte Anbindung an die Innenstadt stellen HBE eine interessante Alternative zur Einkommensgenerierung dar.

Ein weiterer Grund für die hohe Bedeutung des informellen Sektors ist der Bildungsgrad der Bewoh- ner. In beiden Siedlungen wohnen ärmere Bevölkerungsschichten, von denen nur wenige einen höhe- ren Schulabschluss vorweisen können. Obwohl in den letzten Jahren im Bereich der Schulbildung deutliche Verbesserungen erzielt wurden, fehlen weiterhin ausreichend Arbeitsplätze in formellen Wirtschaftsbereichen. Durch die vergleichsweise niedrigen Löhne im informellen Sektor können kaum finanzielle Ersparnisse angelegt werden, weshalb erwerbstätige Kinder nach wie vor zu wich- tigen Einkommensquellen im Alter zählen. Nicht selten wohnen bis zu drei Generationen in einem Haushalt.

Auffällig ist der hohe Grad an nachbarschaftlicher Interaktion innerhalb der beiden Siedlungen. Be- reits von Kindesalters an werden den Bewohnern traditionelle sowie religiöse und gesellschaftliche Verhaltensregeln auferlegt. Jene soziale Einbettung der Bewohner ermöglicht es den Haushalten Kri- sensituationen bis zu einem gewissen Maß abzupuffern. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass die fi- nanziellen Möglichkeiten der Gemeinschaft limitiert sind und daher insbesondere nicht monetäre Hil- feleistungen (Kinderbetreuung, Verleih von Gegenständen, etc.) zu den Vorteilen des Sozial-Kapitals zählen. Die Aktivitäten der einzelnen Gruppen und Organisationen beschränken sich in beiden Unter- suchungsgebieten nahezu ausschließlich auf das unmittelbare Umfeld der Siedlungen. Obwohl einige Gruppierungen theoretisch mit anderen lokalen Aktionsgruppen vernetzt sind, findet ein Erfahrungs- und Ideenaustausch zwischen den einzelnen lokalen Gruppen aus Kapazitätsgründen kaum statt.

Wie bereits angedeutet, entscheidet in erster Linie Finanz-Kapital über den Zugang zu den übrigen Kapitalformen. Allerdings können auch religiöse Aspekte darüber entscheiden, ob Zugang zu Kapita- lien bzw. Hilfsleistungen besteht. Während den Umfragen wurde in Ngemplak Sutan mehrfach er- wähnt, dass Familien, welche beabsichtigen eine Pilgerfahrt nach Mekka zu unternehmen, bevorzugt von islamischen Hilfsorganisationen mit Hilfsleistungen (Geld, Nahrungsmittel, sonstige Sachleistun- gen) unterstützt werden. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor ist der RT Führer. Dieser gibt die Namen der hilfsbedürftigen Familien an die Ebene der Kelurahan weiter und entscheidet somit direkt, wer auf Hilfsleitungen Anspruch hat und wer nicht.

Hinsichtlich der Strukturen und Prozesse, die auf den Haushalt Einfluss nehmen, ist festzuhalten, dass javanische Traditionen den Alltag bis heute stark prägen. Ein Streben nach Harmonie sowie ein aus- geprägtes hierarchisches System sind dabei kennzeichnend. Ebenso existieren bis heute klare Vorstel- lungen über die Rolle von Mann und Frau in Haushalt und Gesellschaft. Hierbei ist anzumerken, dass durch die fortschreitende Technologisierung (u. A.: Smartphone und Internet) zunehmend „moderne“,

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Diskussion und Ausblick meist westlich geprägte Einflüsse den Alltag verändern. Gerade für die Jugend stellen der nach Tradi- tion und Religion gelebte Alltag sowie das im Internet propagierte „moderne“ Leben, zwei gänzlich verschiedene Welten dar.

Grundsätzlich können die Bewohner in beiden Siedlungen von den nationalen und stadtpolitischen Entwicklungsprozessen der letzten Jahre profitieren. Dies spiegelt sich unter anderem in dem verbes- serten Zugang zu Bildung und Gesundheit wieder. Dennoch ist anzumerken, dass nach wie vor großer Handlungsbedarf in beiden Bereichen besteht. Im Rahmen des Umsiedlungsprojektes stellen die Vergabe von KTP und Landzertifikaten mit Abstand die wichtigsten Errungenschaften für die Bewohner dar.

Angesichts der geschilderten Situation verfolgen die einzelnen Haushalte in beiden Untersuchungsge- bieten unterschiedliche Strategien (s. Kap. 6.3). Wichtige Aspekte bilden hier die Größe der Familie, soziale Beziehungen, die Investition in nicht monetäre Wertgegenstände sowie eine kurz- bzw. mittel- fristige Planungssichtweise. Diese Lebenserhaltungssysteme können nur in Teilen als nachhaltig be- trachtet werden, da diese zwar durchaus in der Lage sind kurzfristige kleinere Krisen und Schocks zu überwinden, nicht jedoch in der Lage sind die Resilienz des Haushaltes zu erhöhen. Auch gilt es zu hinterfragen, inwiefern alle Haushalte tatsächlich eine „Strategie“ verfolgen oder deren Handeln viel- mehr dem täglichen Überleben dient.

Zusammenfassend brachte das Program Relokasi positive Veränderungen für die Bewohner in Mipi- tan Sewu und Ngemplak Sutan mit sich (s. Kap. 6.2). Trotz des augenscheinlichen Erfolgs stellt sich jedoch auch hier die Frage, inwiefern das Programm als nachhaltig bezeichnet werden kann. Durch die Vergabe von Landzertifikaten erhielten die Bewohner Zugriff auf Finanz-Kapital in Form von Kredi- ten. Ein Großteil der Bewohner nutzt diese neu gewonnene Ressource beispielsweise für den Haus- ausbau. Somit konnte die physische Vulnerabilität des Haushaltes gemindert werden. Fraglich bleibt, ob diese einmalige Investition zu einer dauerhaft erhöhten Sicherheit führt, da zum einen die Kredite getilgt und zum anderen die Kosten für die Instandhaltung aufgebracht werden müssen. Kritsch be- trachtet führen jene Kredite somit lediglich zu einer zeitlichen Verschiebung der Problematik, an des- sen Ende die vollkommene Verschuldung des Haushaltes steht.

7.2 Limitationen und Ansatzpunkte weiterer Forschung

Bereits in Kapitel 4.4 wurden einige Einschränkungen zu den, dieser Arbeit zu Grunde liegenden, Daten angesprochen. Hinsichtlich der Interpretation der Ergebnisse ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Erkenntnisse dieser Arbeit speziell für Ngemplak Sutan und Mipitan Sewu gelten. Während der Datenerhebung konnten sowohl gemeinsame Problematiken (z.B. Anbindung ÖPNV) als auch siedlungsspezifische Herausforderungen (z.B. Nähe zum Fluss in Mipitan Sewu) ermittelt werden.

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Diskussion und Ausblick

Dies zeigt, dass der Erfolg des Umsiedlungsprojektes stark von den lokalen Standortbedingungen der neuen Siedlungen abhängig ist und eine Generalisierung der Ergebnisse nur bedingt zulässig ist. Inte- ressant wäre es daher, auch die Situationen in den übrigen Umsiedlungssiedlungen zu untersuchen. Im Rahmen dieser Arbeit wurden zudem weitere Maßnahmen der Stadtverwaltung exemplarisch vorge- stellt. Angesichts des zeitlichen Rahmens dieser Arbeit, erhebt jene Auswahl an Beispielen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Eine vollständige Erfassung jener Maßnahmen und Projekte sowie de- ren Auswirkungen auf die Livelihoods der Bewohner, würde die Ergebnisse der Untersuchung weiter festigen. Ebenfalls könnte dies zu einem besseren Verständnis beitragen, wie das Umsiedlungsprojekt mit anderen Maßnahmen der Stadtverwaltung abzustimmen ist.

Aufgrund der großen Anzahl an HBE ist eine genauere Betrachtung der Struktur und Organisation des informellen Gewerbes sowie dessen Berücksichtigung in der Stadtplanung interessant. Hierbei wird auf ein, während des Forschungsaufenthaltes noch andauerndes, Forschungsprojekt (Creative Kam- pongs) von Kota Kita verwiesen, welches sich mit jener Thematik auseinandersetzt. Jene Auseinan- dersetzung kann möglicherweise auch neue Erkenntnisse liefern, wie die Skepsis der lokalen Bevölke- rung gegenüber staatlichen Mikrokreditprogrammen gemindert werden kann.

Neben diesen inhaltlichen Einschränkungen existieren auch Limitationen hinsichtlich des Livelihood Ansatz als theoretisches Leitgerüst dieser Arbeit. Das Livelihood Framework ermöglicht die schemati- sche Analyse lokaler Existenzsicherungssysteme unter Berücksichtigung einflussnehmender Struktu- ren und Prozesse. Wie bereits erwähnt (s. Kap. 6.3) ist zunächst der Strategiebegriff kritisch zu hinter- fragen. In der praktischen Anwendung scheitert der Ansatz zudem an seinem holistischen Selbstan- spruch. Der Haushalt (= Mensch) als handelndes Individuum steht im Zentrum des Ansatzes, dessen Sichtweise und Handlungen jedoch, und insbesondere in ärmlichen Verhältnissen, oft ohne größere Kenntnis über die umgebenden Strukturen und Prozesse stattfinden. Oft beschränkt sich die Sichtwei- se der Haushalte auf die Mikroebene. Folglich erfordert die Erfassung von Meta- und Makroebenen die subjektive Ergänzung des Forschers. Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Livelihood-Ansatz des DFID verwendet. Wie bereits erwähnt (s. Kap. 3.4.3) existieren diverse Anpassungen und Erweiterun- gen des Ansatzes. Im Kontext dieser Arbeit wäre die, von Krüger und Macamo (2003) geforderte Be- rücksichtigung des Risikobegriffs, eine interessante Erweiterung des Konzeptes, zumal sich die Be- troffenen mit dem Ereignis der Überflutung offenkundig arrangiert haben.

Nichtdestotrotz liefert der Livelihood Ansatz ein umfassendes Schema über einflussnehmende Fakto- ren und Prozesse, welches die Sicht der Betroffenen in den Mittelpunkt rückt. Gerade für die Praxis der Entwicklungsforschung ist ein gutes Verständnis über die kausalen Zusammenhänge der einzelnen Bestandteile ein ausschlaggebender Faktor für den Erfolg eines Projektes.

63

Diskussion und Ausblick

7.3 Implikationen für die Praxis

Während der Amtszeit von Jokowi als Bürgermeister der Stadt, wurden in Solo umfangreiche Refor- men durchgeführt, von denen die Bewohner bis heute profitieren. Das Program Relokasi bildet einen Teil eben jener Errungenschaften, welches zusammenfassend als positiv bewertet werden kann. Den- noch besteht ein Verbesserungspotential bei dem zeitlichen Rahmen des Projekts. Für die Zukunft gilt es, den Zeitraum zwischen Umsiedlung und Fertigstellung der Infrastruktur zu verkürzen sowie die Ausstellung der Landzertifikate zu beschleunigen. Ebenfalls wurde von mehreren Personen eine unzu- reichende Transparenz beim Projektablauf kritisiert. Bereits Obermayr (2017) stellte fest, dass Perso- nen, welche stärker in den Umsiedlungsprozess involviert waren, sich hieraus möglicherweise einen Vorteil verschafften.

Jene mangelnde Transparenz hatte möglicherweise auch Auswirkungen auf die Qualität der zur Ver- fügung gestellten Häuser. Gerade in Ngemplak Sutan wurden sehr kostengünstige, teils gesundheits- schädliche Baumaterialien verwendet. Die Häuser wurden, ähnlich wie die restliche Infrastruktur, Stück für Stück von den Bewohnern verbessert und ausgebaut. Ermöglicht wurde jener Hausausbau oftmals durch Kredite, welche durch die Vorlage des Landbesitztitels zugänglich wurden.

Zu den dringlichsten Problemen zählt heute die unzureichende Anbindung der beiden Siedlungen an den Rest der Stadt. Sowohl Arbeitsplätze, Bildungs- und Gesundheitsversorgung als auch Einkaufs- möglichkeiten sind schwierig zu erreichen. Für die Bewohner entstehen so hohe Mehrausgaben für den Transport. Dieser Missstand ist bei weiteren Umsiedlungsmaßnahmen von der Stadtverwaltung zu berücksichtigen. Ebenfalls gilt es dies bei der weiteren Erschließung und „Entwicklung“ Mojosongos zu beachten.

Die Betrachtung der Livelihoods in Ngemplak Sutan und Mipitan Sewu hat die hohe Bedeutung mo- netärer Mittel verdeutlicht. Die ausreichende Versorgung des Haushaltes mit Finanz-Kapital wird durch diverse Tätigkeiten sichergestellt. Ein großer Teil jener Tätigkeiten sind informeller Art. Zu- künftige Herausforderung wird sein, jene Arbeitskraft zu formalisieren oder passende Formate für die Unterstützung des informellen Sektors zu finden. In der Vergangenheit wurden in Solo bereits unter- schiedliche Ansätze zu dem Umgang mit dem informellen Sektor verfolgt und umgesetzt. Hierbei ist es wichtig, dass die langfristige Unterstützung (z. B.: Aus- und Weiterbildung, Patentrecht, Mikro- kredite, …) des informellen Gewerbes im Vordergrund steht und nicht etwa stadtästhetische Aspekte. Beispielsweise wurde während der Amtszeit Jokowis der Versuch unternommen, Straßenverkäufer in eigens dafür errichteten Gebäuden unterzubringen, um so „Ordnung“ entlang der Straßen zu schaffen. Obwohl das Projekt 2008 von der UN als best practice aufgeführt wurde, ist der Erfolg heute zumin- dest in Teilen zu hinterfragen (Obermayr 2017). Teile der damals errichteten Gebäude stehen heute leer und einige der Händler verkaufen ihre Waren wieder entlang den Straßen der Stadt.

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Diskussion und Ausblick

Zuletzt ist eine bessere Vernetzung der einzelnen Akteure und Programme für die weitere Entwick- lung Solos anzustreben. Während den Experteninterviews kam mehrmals der Eindruck auf, dass die Interviewpartner nur bedingt im Austausch mit anderen Ämtern oder Organisationen stehen. So exis- tieren beispielsweise mitunter sehr detaillierte Geodaten von Surakarta, welche bislang jedoch kaum Verwendung in der Stadtentwicklung finden. Ein besserer Daten- und Informationsaustausch wäre für alle Beteiligten von Vorteil. Förderprogramme könnten sowohl optimiert, effizienter gestaltet und besser miteinander koordiniert werden.

7.4 Zusammenfassung

Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Versuch unternommen die Präferenzen, Ziele und Potentiale von Haushalten in Ngemplak Sutan und Mipitan Sewu aufzuzeigen. Wenn auch nicht zwangsweise von allen befragten Haushalten erkannt, haben die nationalen Entwicklungen Indonesiens einen unmittel- baren Einfluss auf die Situation der Haushalte. Der indonesische Staat befindet sich seit 1998 in einem Transformationsprozess, welcher noch nicht abgeschlossen ist. In dem Land versuchen nach wie vor unterschiedliche Kräfte ihren Platz und somit ihren Einfluss in der Politik des Landes zu finden.

Die Bewohner Surakartas konnten sowohl von dem nationalen wirtschaftlichen Aufschwung der letz- ten Jahre als auch von dem Dezentralisierungsprozess, in Form von Reformen der städtischen Sozial- politik, profitieren. Ebenfalls kam es Verbesserungen durch die Unterstützung von Parteien und (reli- giösen) Organisationen. Hierbei ist zu beachten, dass jene Unterstützung oftmals für den lokalen Wahlkampf oder religiöse Interessen instrumentalisiert wird.

Vor dem Hintergrund des Livelihood Ansatzes stellen insbesondere Finanz- und Human-Kapital ent- scheidende Ressourcenbündel für den Haushalt dar. Finanz-Kapital hat dabei eine wichtige Funktion Defizite in den übrigen Kapitalien auszugleichen. Zudem ist der einzelne Haushalt in ein umfangrei- ches Netzt aus Gruppen, Organisationen und Beziehungen innerhalb der Nachbarschaft eingebunden. Die Potentiale und Möglichkeiten jenes Sozial-Kapitals sind allerdings, mangels finanzieller Mittel, stark beschränkt.

Trotz einer Verbesserung der Situation sind die Handlungsspielräume und Potentiale der Bevölke- rung in beiden Untersuchungsgebieten limitiert. Nach wie vor bestehen Defizite bei dem Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen und es mangelt an formellen Arbeitsplätzen. Daher findet ein Großteil der Menschen im informellen Sektor Arbeit. Dies erschwert jedoch eine langfristige Planungssicherheit für den Haushalt und es existieren für den Haushalt wenig wirtschaftliche Auf- stiegschancen. Langfristige und nachhaltige Haushaltsstrategien sind unter diesen Umständen kaum möglich. An dieser Stelle gilt es auch unsere derzeitige globale kapitalistische Wirtschafts- und Ge- sellschaftsordnung zumindest in Teilen kritisch zu hinterfragen.

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Diskussion und Ausblick

Das Umsiedlungsprogram bedeutet für den Großteil der Menschen in Ngemplak Sutan und Mipitan Sewu eine positive Lebensveränderung. Somit kann das Programm als ein Schritt in die richtige Richtung gesehen werden, wobei sich jedoch die Frage stellt, wozu das Programm alleine in der Lage ist. Damit das Programm nicht nur eine Einzelmaßnahme mit temporären Erfolg bleibt, bedarf es jetzt und in Zukunft der weiteren Unterstützung der lokalen Bevölkerung. Ein Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit ist dann erreicht, wenn sich die Unterstützung nicht auf monetäre oder infra- strukturelle Hilfsleitungen beschränkt, sondern auch die Bedürfnisse und Probleme der Betroffenen berücksichtigt. Das Livelihood Framework ermöglicht hierfür die schematische Analyse lokaler Existenzsicherungssysteme.

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Anhang

Anhang 1: Fragebogen

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