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Der Paläobotaniker Oswald Heer im Briefwechsel mit Charles Darwin und Charles Lyell Urs B. Leu Umschlagbild:

Ausschnitte aus Briefen von Heer, Darwin und Lyell aus dem Nachlass Oswald Heers (Zentralbibliothek Zürich, Signaturen: NOH 202, 213.2 und 238). NEUJAHRSBLATT

herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich

auf das Jahr 2014

216. Stück

2013 Veröffentlichung der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich im Anschluss an den Jahrgang 158 der Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich

Redaktion: Conradin A. Burga, Frank Klötzli und Marlies Gloor

Ausgegeben am 31. Dezember 2013

ISSN 0379-1327

Druck und Verlag: Koprint AG, Untere Gründlistrasse 3, CH-6055 Alpnach Dorf

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Quellenregister gestattet Der Paläobotaniker Oswald Heer im Briefwechsel mit Charles Darwin und Charles Lyell

Urs B. Leu

Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 5

ZUSAMMENFASSUNG

Von der reichen internationalen Korre- bekanntlich nachhaltig geprägt haben. spondenz des Zürcher Paläobotanikers Die entsprechende, hier erstmals voll- Oswald Heer, der am eidgenössischen ständig präsentierte Korrespondenz gibt Polytechnikum (heute ETH) sowie an Einblicke hinter die Kulissen des Wissen- der Universität Zürich lehrte, sind rund schaftsbetriebs und in den inoffiziellen 4’000 Briefe erhalten geblieben, die zur Meinungsaustausch dieser Gelehrten Hauptsache in der Zentralbibliothek zu unterschiedlichen Themen wie die Zürich aufbewahrt werden. Es handelt Ursache(n) der Eiszeiten, die Evolutions- sich dabei um den wohl umfangreichsten lehre, die Diskussion um das Vorkommen und wichtigsten wissenschaftshisto- fossiler Proteaceae im Tertiär Europas, rischen Briefwechsel der Schweiz des 19. die Bestimmung von Pflanzenfossilien, Jahrhunderts. Als einer der grossen Pio- das Aufstellen neuer Arten sowie geo- niere der Paläobotanik, der Erforschung logische Datierungen. Darüber hinaus der Tertiärpflanzen und -insekten sowie wird auch deutlich, dass Heers Resultate der fossilen Floren der nördlichen Polar- wiederholt in die Neuauflagen der Stan- regionen Eurasiens und Nordamerikas dardwerke Lyells eingeflossen sind und pflegte Heer den wissenschaftlichen dass die Publikation wissenschaftlicher Austausch mit zahlreichen berühmten Werke schon damals mit verschiedenen Forschern des 19. Jahrhunderts, darunter technischen und finanziellen Widerwär- auch Charles Darwin und Charles Lyell, tigkeiten zu kämpfen hatte. welche die Biologie und die Geologie

Schlagwörter: Oswald Heer – Charles Darwin – Charles Lyell – Wissenschaftsge- schichte – Paläobotanik – Evolution – Eiszeiten – Proteaceae – At- lantis – Nordpolgebiet – geologische Datierung 6 The Palaeobotanist O. Heer in Correspondence with Ch. Darwin and Ch. Lyell

THE PALAEBOTANIST OSWALD HEER IN CORRESPONDENCE WITH CHARLES DARWIN AND CHARLES LYELL

We still have around 4’000 letters from first time, affords us a glimpse behind the rich international correspondence the scenes of contemporary scholarly of the Zürich palaeobotanist, Oswald activity, and provides an insight into the Heer, who taught at the Federal Insti- unofficial exchange of opinions among tute of Technology and the University of these learned men on various subjects Zürich. This collection may well consti- such as the cause(s) of the Ice Age, the tute the largest and most important theory of evolution, the appearance of Swiss scientific correspondence of the Proteaceae in the European ter- 19th century and is housed mainly in the tiary, the identification of fossil , Zentralbibliothek Zürich. In his role as the rationale behind the definition of one of the great pioneers of palaeobo- new and the dating of geological tany and as explorer of tertiary plants strata. Furthermore, what becomes clear and insects and fossil plants of the arctic is firstly, that Heer’s scientific results region, Heer cultivated an internatio- repeatedly appeared in new editions nal exchange of scientific information of Lyell’s standard publications, and with leading researchers, among them secondly that even in those days, those Charles Darwin and Charles Lyell. This who published scientific works had to correspondence, presented here for the contend with adversity.

Key Words: Oswald Heer – Charles Darwin – Charles Lyell – history of science – palaeobotany – evolution – Ice Age – Proteaceae – Atlantis – arctic region – geological dating Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 7

INHALT

ZUSAMMENFASSUNG / SUMMARY 5

1 VORWORT 9

2 EINLEITUNG 11

3 OSWALD HEERS BRIEFWECHSEL MIT CHARLES DARWIN 15

4 OSWALD HEERS BRIEFWECHSEL MIT CHARLES LYELL 23

5 SCHLUSSWORT UND NACHRUF OSWALD HEERS AUF CHARLES LYELL 81

6 ABKÜRZUNGS-, QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS 85 8 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 9

1 VORWORT

Im Jahr 2009, als international der 200. den ist, musste der viel umfangreichere Geburtstag Charles Darwins gefeiert mit Charles Lyell aus Platz- und Kosten- wurde, ging sein Jahrgänger, der Bota- gründen zusammengefasst werden, niker, Entomologe und Paläontologe doch sind die Briefe, die nicht länger als Oswald Heer, fast vergessen. Der Zür- etwa eine halbe Druckseite umfassen, cher Geographieprofessor Conradin A. ebenfalls im originalen Wortlaut abge- Burga 1 gab den Anstoss zu einer ver- druckt worden. Das hier umgesetzte tieften Beschäftigung mit diesem inte- «Editions»-Konzept stellt vielleicht einen ressanten und zu unrecht weitgehend gangbaren Weg dar, um die ganze, etwa vergessenen Schweizer Forscher, der 4’000 Briefe umfassende Korrespondenz als Pionier für die systematische Erfor- Heers in einem akzeptablen Kosten- schung der fossilen Pflanzenwelt des und Zeitrahmen aufzuarbeiten, wobei Tertiärs (insbesondere Öhningens) und am Schluss der entsprechenden Rege- der arktischen Zonen in die Wissen- stenbände ausführliche Register nach schaftsgeschichte eingegangen ist. Gattungen, Orten und Personen folgen Da der Autor dieses Neujahrsblatts seit müssten. Auf dem Hintergrund der fort- 35 Jahren Fossilien sammelt, nach sei- schreitenden Digitalisierung von Dru- ner Promotion über den Zürcher Natur- cken und Handschriften liesse sich ein forscher Konrad Gessner (1516–1565) ein derartiges Vorhaben, wie es etwa auch paar Semester Paläontologie bei Prof. Dr. für den französischen Paläobotaniker Hans Rieber studierte und sich auch als Gaston de Saporta geleistet worden ist,2 Mitglied der Schweizerischen Paläonto- wohl rechtfertigen. Bei den englischen logischen Gesellschaft sowie des Förder- Transkriptionen wurde die Interpunk- vereins für das Sauriermuseum Aathal tion des Originals, bei den deutschen die mit der Paläontologie verbunden weiss, moderne übernommen. Die in den Brie- hat ihn der entsprechende Briefwech- fen erwähnten Personen werden in der sel Heers, insbesondere mit bekann- Regel nur bei ihrer Erstnennung in den ten Naturwissenschaftlern der damals Fussnoten kurz identifiziert; die Aus- schrittmachenden Nation Grossbritan- drücke in runden Klammern finden sich nien, schon länger interessiert, woraus so auch in den Originalbriefen, die in diese kleine Publikation entstanden ist, eckigen Klammern sind vom Bearbeiter die als Ergänzung zum Beitrag im bereits eingefügt worden. erwähnten, von C. A. Burga herausgege- Meinem Kollegen in der Heer-Forschung, benen Sammelband betrachtet werden Prof. Dr. Conradin A. Burga, danke ich muss. herzlich für die Anregung zu diesem Während der Briefwechsel mit Charles Neujahrsblatt sowie für seine kritische Darwin wörtlich wiedergegeben wor- Lektüre und seine zahlreichen zusätz-

1 Vgl. BURGA (2013). 2 So sind zum Beispiel die 104 Briefe von Oswald Heer an Gaston de Saporta auf dem Internet zugänglich: www.e-corpus.org/search/search.php?search=search&page=1&q=oswald+heer 10 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell lichen sachdienlichen Kommentare in den Fussnoten. Dank gebührt auch Prof. Dr. Frank Klötzli und Prof. Dr. Rolf Rutis- hauser, die das Manuskript aufmerksam gelesen und verschiedene Korrekturen angebracht haben. Danken möchte ich zudem Frau Rona Morrison von der Edin- burgh University Library und Frau Rose- mary Clarkson von der Cambridge Uni- versity Library (Darwin Papers), die mir beide eine grosse Hilfe waren. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 11

2 EINLEITUNG

Der Briefwechsel zwischen Heer und Verschiedene dieser Fragen wurden Darwin erstreckt sich über die Jahre durch die Kontinentalverschiebungs- 1861 bis 1877, derjenige mit Lyell ist theorie von Alfred Wegener in der von 1856 bis 1874 dokumentiert.3 Diese ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer Korrespondenzen fallen somit in eine Lösung zugeführt, doch Heer und seine Zeit gewaltiger philosophischer, natio- Zeitgenossen kamen in diesen Punk- naler, sozialer und naturwissenschaft- ten nicht weiter. In der ETH-Bibliothek licher Umwälzungen. Die vorliegenden Zürich haben sich die Notizen von Louis Texte dokumentieren die international Rollier, dem späteren Titularprofessor rege diskutierten Fragen in den Bio- und für Stratigraphie und Petrefaktenkunde, Geowissenschaften: Gab es eine einzige erhalten, die er sich als Geologiestudent Eiszeit oder mehrere? Oder handelte im Sommersemester 1880 zur Vorlesung es sich lediglich um Eisschollen, die auf von Albert Heim über die «Geologische dem Wasser trieben und verschiedene Entwicklungsgeschichte der organischen Phänomene verursachten? Haben Mam- Natur» machte. Hinsichtlich der welt- mut und Mensch zusammengelebt? weiten Verbreitung ähnlicher Floren in Wie sind die 1853/54 am Zürichsee ent- heute sehr unterschiedlichen Klimazo- deckten Pfahlbauten zu deuten? Was nen findet sich folgende Bemerkung: ist von Darwins Evolutionstheorie zu «Eine solche Einstimmigkeit über die halten? Warum weist die miozäne Flora ganze Erde lässt sich fast nur durch ein- der Schweiz eine so grosse Ähnlichkeit förmiges Klima der Erde erklären. Keine mit den heute lebenden Arten in Nord- Zonen vorhanden. Es lässt sich das nur amerika auf? Gab es möglicherweise durch kleinere Dicke der Erdrinde und eine Verbindung zwischen den bei- Wirkung der Erdwärme erklären.» Auch den Kontinenten in Form eines unter- Heers Atlantis-Theorie lebte in Heims gegangenen Kontinents Atlantis? Sind Vorlesung gemäss Rolliers Notizen wei- die Azoren und die Kanarischen Inseln ter 4: «Die Dicotylen [= Dicotyledonen] Überbleibsel von Atlantis? Warum fin- sind wie durch Invasion in den letz- den sich in Island, Grönland und auf ten Kreideschichten eingetreten. Sie verschiedenen arktischen Inseln fossile erscheinen auf einmal in den Cenoman- subtropische und tropische Pflanzen, ja schichten von Island. In einer Oase der sogar Steinkohlewälder und Ichthyosau- Sahara auch gefunden. Im Senon von rier? Was waren die Ursachen für dieses Aachen finden sich 200 fertig gebildete offenbar weitgehend homogene warme Dicotylen. Die Heimat der Dicotylen ist Klima von Spitzbergen bis Sumatra? nicht Europa.(?) Die Heimat kennen wir

3 Ins Anfangsjahr der Korrespondenz mit Lyell datiert auch die Zusendung eines Separatdrucks des Schotten, den er handschriftlich Heer widmete und heute an der Bibliothek der ETH Zürich aufbe- wahrt wird (eingebunden in den Sammelband mit der Signatur: 81782). Es handelt sich um Lyells «On the successive Changes of the Temple of Serapis» (publiziert als Separatdruck der Veranstal- tung: Royal Institution of Great Britain, Weekly Evening Meeting, Friday, March 7, 1856, 8 pp.). 4 Vgl. zum Thema der tertiären nordatlantischen Landbrücke: B. H. TIFFNEY (1985). 12 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell nicht.(!) Vielleicht ist sie jetzt unter dem zielle Botanik, unrecht hatte, wenn Meer versunken.»5 er Heer zu einem Vorläufer Darwins In Heers Briefwechsel, nicht zuletzt in emporstilisierte.7 Heer konnte dem demjenigen mit Charles Lyell, tritt neben Engländer in dieser Sache nie folgen 8, allen hängigen Fragen aber auch der wusste sich aber in seiner kritischen enorme paläobotanische Erkenntniszu- Haltung mit Lyell verbunden wie Heers wachs aufgrund von Heers Erforschung Nachruf auf den schottischen Geolo- der tertiären wie der arktischen Pflan- gen zeigt.9 Überhaupt kommt seine per- zenwelt zu Tage, für den er verschiedene sönliche Nähe und Sympathie zu Lyell Male von der Geological Society in Lon- immer wieder zum Ausdruck, versah er don geehrt worden ist. Zudem zeigt er doch verschiedene seiner Publikationen uns Heer als versteckten Mitautor von mit einer gedruckten Widmung an ihn 10 Lyells Werken, der die deutschen Briefe oder vertraute ihm auch sehr persön- aus der Schweiz oft von seiner Frau ins lich Dinge an wie seine tiefe Trauer über Englische übersetzen liess und dann den Tod der geliebten Tochter Damaris. ganze Textabschnitte in Neuauflagen An anderen Orten spricht er von eige- seiner Standardwerke integrierte. So nen Krankheitsleiden oder äussert sich entspricht etwa der Passus in Lyells «The über persönliche Enttäuschungen und Student’s Elements of » (Lon- Entmutigungen. Dass sie voneinander don 1874, S. 305f.) über die unterkreta- auch fachlich hohe Stücke hielten, geht zische arktische Flora fast wörtlich der etwa aus Heers Bemerkung hervor, dass englischen Übersetzung von Heers Brief Lyell der «grosse Reformator der Geo- an Lyell vom 6. April 1873. Lyells Neuauf- logie» sei.11 Lyell wiederum bezeichnete lagen sind daher nicht nur von Charles Heer als den besten Kenner der tertiären Darwin, Richard Owen, Hugh Falconer Pflanzen Europas.12 und Joseph Prestwich geprägt worden, Wichtig und erhellend ist in diesem sondern auch von Oswald Heer.6 Zusammenhang auch das Studium von Die vorliegende Korrespondenz macht Heers Privatbibliothek, die vermutlich auch deutlich, dass Carl Schröter, Heers weitgehend vollständig in der Bibliothek Nachfolger auf dem Lehrstuhl für spe- der ETH Zürich aufbewahrt wird, jedoch

5 Bibliothek der ETH Zürich, Signatur: Hs 321: 150, [S. 11f.]. 6 Vgl. D. K. GRAYSON (1985). 7 C. SCHRÖTER et al. (1887), S. 349. Vgl. auch den Brief des Zürcher Botanikers Arnold Dodel an Dar- win vom 8. Dezember 1880, in dem er schreibt, dass sich in Zürich mittlerweile alle, ausser Oswald Heer, als Darwinisten bezeichneten (http://www.darwinproject.ac.uk/entry-12898). 8 Das Autograph von Heers Einleitung zu seiner Vorlesung «Pflanzen der Vorwelt» ist erhalten geblieben (Bibliothek der ETH Zürich, Signatur: HS 204: 5923). Heer notierte drei Daten darauf, wann er diese Vorlesung gehalten hatte: 2.5.1877, 18.4.1880 und 2.5.1881. Auf der zweiten Seite findet sich folgender Passus: «Steigen wir tiefer in die Erdschichten hinab, treten uns da andere Formen entgegen als in den obern, und wir überzeugen uns, dass ein vielfacher Wechsel, eine vielfache Umprägung der Formen stattgefunden hat.» Daraus geht hervor, dass er noch zwei Jahre vor seinem Tod für die Umprägungstheorie einstand. Vgl. dazu auch U. B. LEU (2013), S. 404–410. 9 Vgl. den Nachruf in der NZZ vom 6. März 1875 am Schluss dieser Publikation. 10 Vgl. OSWALD HEER: Recherches sur le climat et la végétation du pays tertiaire, Winterthur und Genf 1861; ders.: Flora fossilis arctica. Die fossile Flora der Polarländer, Bd. 3, Zürich 1875. 11 Brief von Heer an Charles Th. Gaudin vom 16. Juli 1861 (Signatur: ZBZ, NOH 238). 12 Brief ist publiziert in: K. M. LYELL (1881), S. 346. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 13 mangels eines Inventars mühsam zusam- bei Darwin ebenfalls auf Unverständ- mengesucht werden muss. Ein Blick in nis.16 Trotz der divergierenden Ansichten die oft von Lyell aber auch von Darwin blieb der Ton zwischen Darwin und Heer an ihn gewidmeten Exemplare zeigt immer sehr freundlich, wovon nicht nur nicht selten in Form von Randnotizen die im Folgenden transkribierten Briefe und Unterstreichungen, was für Heer zeugen, sondern auch diejenigen der wichtig bzw. unwichtig oder gar falsch Söhne George und Francis Darwin an war. Die so aus der Privatbibliothek und Heer.17 dem Briefwechsel gewonnenen Infor- Die Briefe von Darwin an Heer und mationen ergänzen sich gegenseitig, umgekehrt sind in der jeweiligen Mut- weshalb in den Fussnoten so weit wie tersprache des Verfassers, nämlich eng- möglich Heers Handexemplare der in der lisch oder deutsch, abgefasst worden. Korrespondenz erwähnten Werke ange- Das Gleiche gilt für den Briefwechsel geben worden sind. Heer-Lyell, wobei dort verschiedene Die handschriftlichen Annotationen Schreiben, vor allem zu Beginn der Kor- Heers zu Darwins «Origin of Species» 13 respondenz, in der damaligen Diploma- beweisen, dass Heer sich intensiv mit tensprache Französisch aufgesetzt wor- Darwins Deszendenzlehre auseinander- den sind. Nach seinen eigenen Aussagen setzte. Aus dem Briefwechsel Darwins beherrschte Lyell die deutsche Sprache geht hervor, dass auch dieser von Heers nicht so gut, daher übersetzte Lyells Umprägungstheorie Kenntnis nahm Frau die deutschen Briefe Heers für und diese kritisch reflektierte bzw. ihren Gatten oft ins Englische (vgl. Briefe ablehnte.14 Heers Atlantis-Hypothese, die Nr. 9 und 84). Zudem liess sein Augen- in Unkenntnis der Kontinentalverschie- licht stark nach (vgl. Brief Nr. 107), wes- bungstheorie einen untergegangenen halb seine Frau oder andere Personen Kontinent zwischen Europa und Ame- für ihn schrieben. Auch Darwin nahm rika postulierte, um Ähnlichkeiten der bekanntlich Schreibhilfen in Anspruch, fossilen europäischen und der rezenten so handelt es sich etwa beim Brief des amerikanischen Floren zu erklären, und Engländers an Heer, der im Landesar- die von Lyell anfänglich als willkom- chiv Glarus aufbewahrt wird (Nr. 7), um mene Lösung akzeptiert wurde 15, stiess die Handschrift von Darwins Sohn Fran-

13 Bibliothek der ETH Zürich, Signatur: Rar 01. Vgl. U. B. LEU (2013), S. 410–416. 14 Vgl. Darwin Correspondence Project, Brief von Darwin an Asa Gray vom 31. Mai 1863 (www.dar- winproject.ac.uk/entry-4196) sowie an Hugh Falconer vom 25./26. August 1863 (www.darwinpro- ject.ac.uk/entry-4277). 15 Lyell an Charles Bunbury vom 22. April 1851; Brief ist publiziert in: K. M. LYELL (1881), S. 173; Brief von Lyell an Darwin vom 1./2. Mai 1856 (www.darwinproject.ac.uk/entry-1862). Vgl. U. B. LEU (2013), S. 396–401. 16 Vgl. Darwin Correspondence Project, vgl. den Brief von Darwin an Lyell vom 20. November 1860 (www.darwinproject.ac.uk/entry-2989), von Darwin an Alphonse de Candolle vom 14. Januar 1863 (www.darwinproject.ac.uk/entry-3917) sowie von Darwin an Lyell vom 21. Februar 1865 (www.darwinproject.ac.uk/entry-4775). Auch Darwins Freund, der Botaniker Joseph Dalton Hooker, vertrat die Ansicht, dass Landbrücken der Verbreitung von Floren und Florenelementen dienten. So postulierte er etwa eine Landverbindung zwischen Australien und Südamerika, die später überflutet worden ist. Vgl. die Einleitung zum ersten Band seiner 1847 gedruckten «Flora antarctica». 17 Sie werden wie die allermeisten Briefe der Heer-Korrspondenz in der ZBZ aufbewahrt, Signatur: NOH 213.3 und 213.4. 14 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell cis. Von gewissen, offenbar für Heer sehr wichtigen Briefen, hat er selber oder von anderen Abschriften für seine persönlichen Akten anfertigen lassen, darunter befinden sich fast alle Briefe an Darwin.18 Ausserdem übersetzte seine Tochter Alwina seine Briefe ins Franzö- sische und Englische. Gelegentlich wech- selte er die Sprache sogar innerhalb des gleichen Schreibens.

18 Diese Abschriften befinden sich in einem Briefumschlag, der in der ZBZ unter der Signatur NOH 182 aufbewahrt wird. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 15

3 OSWALD HEERS BRIEFWECHSEL MIT CHARLES DARWIN

1. Down, 20. April [1861?] 19 3. Zürich, 1. März 1875 22 Respected Sir Mein geehrtester Herr! I am extremely much obliged for the Ihre freundlichen Zeilen vom vorigen honour & kindness which you have done Jahr, die ich Ihnen, obwohl spät, bestens me by sending your «Untersuchungen verdanke, ermuthigen mich, Ihnen etc.» 20 The subject has always seemed den dritten Band meiner Flora fossilis to me a most interesting & important arctica 23 zu übersenden und demselben one; & I hope soon to read your valuable einige Zeilen vorauszuschicken. Ich Memoir. habe das Buch einer Sendung an unsern With my most sincere thanks I have the gemeinsamen Freund, Dr. Hooker 24, honour to remain beigelegt, und hoffe, dass dasselbe in Your obliged & obed[ien]t servant nächster Zeit Ihnen zukommen werde. Charles Darwin Es enthält dasselbe ein Darstellung der Kreide-Flora der arctischen Zone, wel- 2. Down, 4. August [1874] 21 che theils in Grönland zwischen 70. und Dear Sir 71° n. Br., theils in Spitzbergen bis 78° n. I am much indebted to you for your Br.von Prof. Nordenskiöld 25 gesammelt great kindness in having sent me your worden ist. Glücklicherweise wurde in two memoirs with their admirable Grönland eine ältere Kreideflora, wel- engravings on the fossil Flora of Bear che aber wahrscheinlich dem Urgon Isl[and] and Spitzbergen. How much sci- angehört, zugleich aber auch eine jün- ence owes to you! With the most sincere gere Flora, die ins Cenoman einzurech- respect, yours faithfully and obliged nen ist, entdeckt. Die erstere besteht Ch. Darwin fast ausschliesslich aus Cryptogamen,

19 Der Brief ist publiziert in: F. BURKHARDT et al.(1994), S. 95. 20 OSWALD HEER: Untersuchungen über das Klima und die Vegetationsverhältnisse des Tertiärlandes, Separatdruck aus dem dritten Band der tertiären Flora der Schweiz, Winterthur 1860. Darwin las das Werk ab S. 115 bis zum Ende (S. 170) gründlich durch und annotierte es an zahlreichen Stellen. Vgl. M. A. DI GREGORIO (1990), Sp. 363–366. Er besass auch die französische Übersetzung dieses all- gemeinen Teils, die mit einer gedruckten Widmung an Lyell versehen 1861 erschienen war unter dem Titel «Recherches sur le climat et la végétation du pays tertiaire». In der Anmerkung auf S. 57 finden sich die ersten publizierten kritischen Äusserungen Heers zu Darwins «Origin of Species». 21 Standort: ZBZ, NOH 213.2. 22 Standort: Cambridge University Library (Darwin Papers). Ich danke Frau Rosemary Clarkson vom Darwin Correspondence Project für die Zusendung der Transkription dieses Briefes wie auch der im folgenden wiedergegebenen Briefnummern 5, 6 und 8. Eine nichtwörtliche Briefkopie von Heers Hand wird in der ZBZ aufbewahrt (Signatur: NOH 182). Inhaltlich weist das Schreiben Übereinstim- mungen mit dem Brief von Heer an Karl Ernst von Baer vom 18. April 1876 auf, der in der Universi- tätsbibliothek Göttingen aufbewahrt wird. Eine Abschrift davon befindet sich in der ZBZ (NOH 182). 23 Darwin besass schlussendlich alle sechs Bände der «Flora fossilis arctica», doch blieben gewisse Teile unaufgeschnitten und somit ungelesen. Vgl. M. A. DI GREGORIO (1990), Sp. 363. 24 Joseph Dalton Hooker (1817–1911), Botaniker und Direktor von Kew Gardens in London. 25 Adolf Erik Nordenskiöld (1832–1901), schwedischer Polarforscher, bezwang als erster Seefahrer die Nordostpassage. 16 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell

Cycadeen und Coniferen und hat sub- und einigen wenigen Monocotyledonen tropisches Gepräge. Von angiospermen erscheint. In der obern Kreide aber geht Dicotyledonen konnte eine einzige Art auf einmal eine grosser Veränderung in nachgewiesen werden, ein Populus, der der Pflanzenwelt vor sich, und überall, zu einer Gruppe von Pappeln gehört, wo bislang fossile Pflanzen in derselben die in der obern Kreide und im Tertiär gefunden wurden: in Mähren, Boehmen, in mehreren Arten erscheint und in der Sachsen, am Harz, bei Quedlinburg, in Populus euphratica den ähnlichsten Westphalen, bei Aachen, in Suedfrank- lebenden Repraesentaten hat. Es ist dies reich, in Russland, in Groenland, in die älteste bis jetzt bekannte dicotyle- Nebraska und im tropischen Afrika (von done Pflanze (natürlich mit Ausschluss wo ich neuerdings von Dr. Schweinfurth der Gymnospermen, welche von den aus der oberen Kreide Diospyros-Früchte ächten Dicotyledonen sehr verschieden erhielt), erscheinen nun zum ersten Mal sind). Es fehlen in Europa die Dicotyle- die (angiospermen) Dicotyledonen und donen in der untern Kreide ebenfalls; geben in relativ kurzer Zeit der Pflan- dagegen treten sie in der obern Kreide zenwelt eine ganz andere Physiognomie. und zwar schon im Cenoman, in Europa Im Eocen haben wir dann eine weitere und Amerika in grosser Verbreitung auf, Entwicklung dieser Formen. Es hat eine und ebenso erscheinen sie zu dieser Zeit unendlich lange Zeit gedauert, bis die in Nordgroenland und zwar nicht etwa ersten Dicotyledonen entstanden, und nur in einzelnen wenigen Typen, sondern wie diese gebildet, fand eine rasche Ent- in einer ganzen Reihe von Arten, wel- faltung derselben statt. Damit scheint che Familien angehören, die im System mir eine andere wichtige Erscheinung weit auseinanderliegen, wie Pappeln, in Verbindung zu stehen. Abgesehen Ficus, Myrica, Diospyros, Araliaceen, von den kleinen Säugethieren des Jura, Magnoliaceen, Myrtaceen, Legumino- die wahrscheinlich von Insekten gelebt sen u.a.m. Mehrere dieser Familien sind haben, treten die omnivoren und her- nicht allein in den Blättern, sondern auch bivoren Mammalia erst im Eocen auf. in den Früchten uns erhalten, so Ficus, Wir dürfen wohl sagen, dass in allen Myrica, Panax, Magnolia. Es mag nun frühern Perioden, von dem Carbon bis allerdings sein, dass einzelne dieser Gat- zur mittlern Kreide, die Pflanzen für die tungen schon in der untern Kreide ihren Säugethiere keine Nahrung geliefert Anfang nahmen und vielleicht da noch haben würden. Keine Säugethiere leben entdeckt werden. Allein wenn wir auch von Farn, Equiseten und Lycopodien, mit der untern Kreide die Dicotyledo- und auch die Cycadeen und Coniferen nen beginnen lassen wollen, müssen wir geben für sie eine sehr kärgliche Nah- doch zugeben, dass diese Abtheilung des rung, deren sich die der Jetztwelt nur Pflanzenreiches, die die Hauptmasse der im Nothfall und bei Hungersnoth etwa Vegetation der jetzigen Zeit bildet, erst bedienen. Die Hauptnahrung, die sie relativ spät auftritt und in (geologisch aus dem Pflanzenreich beziehen, liefern gesprochen) kurzer Zeit eine grosse Ent- die Dicotyledonen und die Gramineen. faltung erhielt. Vom Devon an bis zur Nun treten allerdings einzelne Grami- Kreide haben wir einen unendlich lan- neen mit den Dicotyledonen schon in der gen Zeitraum, während dessen, so viel Kreide auf, und somit entstanden auch wir bis jetzt wissen, die Pflanzenwelt nur schon zu dieser Zeit die Lebensbedin- in Cryptogamen, Coniferen & Cycadeen gungen für dieselben, doch müssen sie Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 17 schon eine gewisse Verbreitung gehabt hat Kowalevsky gewiss in vollem Recht haben, um als Grundlage ihres Lebens in seiner interessanten Monographie der dienen zu können. Da schon im Untere- Anthracotherien 26 auf diese Erscheinung ocen Paridigitata [Paarhufer] und Impa- hingewiesen, nur hat er auf die Grami- ridigitata [Unpaarhufer] vorkommen, neen einen zu grossen Werth gelegt, mögen wohl einzelne Typen schon in der indem er ihnen allein eine solche Bedeu- obern Kreide entstanden sein, doch zei- tung zuschreibt. Es leben die Wieder- gen uns die Säugethiere im Eocen die- käuer keineswegs nur von Gramineen, ja selbe Erscheinung wie die Pflanzen in der wir sehen, dass manche nahe verwandte Kreide, indem auch bei ihnen in dieser Arten in dieser Beziehung grosse Ver- Zeit eine auffallend rasche Entwicklung schiedenheit zeigen (so Schaf und Ziege), eintrat. Wie zur Zeit der obern Kreide so und viele leben mehr vom Laub der bestand auch zur Eocenzeit in Europa die Bäume und Sträucher als vom Gras. Pflanzenwelt grossentheils aus Bäumen Durch den Tod Lyells ist mir eine grosse und Sträuchern mit steifen, lederartigen Freude zunichte geworden. Ich habe ihm Blättern, es fehlten noch die von Grä- das Buch per Post zugesandt, es hat ihn sern gebildeten Wiesengründe und das aber nicht mehr bei Bewusstsein getrof- aus weicherm Laub gebildete Buschwerk. fen. Ich habe an ihm einen lieben, vor- Die Säugethiere werden daher vorherr- trefflichen Freund verloren, dessen ich schend von Pflanzenwurzeln und von stets in herzlichster Dankbarkeit und den Früchten der Bäume gelebt haben, Liebe gedenken werde! von den Früchten von Ficus, Quercus, Noch habe ich eine grosse, vielleicht Diospyros u.s.w., die uns aus dieser Zeit unbescheidene Bitte an Sie. Es wäre mir bekannt sind. Sie waren daher Omni- eine grosse Freude, Ihre Photographie voren, worauf auch der Zahnbau der zu besitzen, und möchte Sie um dieselbe eocenen Säugethiere weist. Erst von der bitten. untern Miocenzeit an begegnet uns ein Mich Ihnen bestens empfehlend ver- grösserer Reichthum von Gramineen und bleibe in grösster Hochachtung Ihr erge- zahlreiche Bäume und Sträucher mit fal- benster Oswald Heer lendem, weichem Laub (so Acer, Ulmus, Carpinus, Corylus, Alnus, Fraxinus, Robi- Es macht mir keine Mühe, das Englische nia u.s.w.). Von dieser Zeit an war daher zu verstehen, wohl aber es zu schreiben, das Land mit Wiesengründen bedeckt daher ich so frei bin, Ihnen einen deut- und mit Baum- und Strauchwerk bewal- schen Brief zu senden. det, das durch seine Blätter zur Ernäh- rung der Säugethiere dienen konnte. 4. Down, 8. März [1875] 27 In diese Zeit fällt nun aber gerade eine My dear Sir grosse Umwandlung in der Säugethier- I thank you for your very kind and dee- welt, indem die Wiederkäuer zu den ply interesting letter of March I received dominierenden Waldthieren werden und yesterday; and for the present of your die Omnivoren mehr zurücktreten. Es work which no doubt I shall soon receive

26 WOLDEMAR KOWALEVSKY: On the Osteology of the Hypopotamidae, in: Philosophical Transactions of the Royal Society 163 (1873), S. 19–94. Heer besass einen Separatdruck mit handschriftlicher Widmung des Verfassers, in dem er verschiedene handschriftliche Annotationen angebracht hat. Er wird in der Bibliothek der ETH Zürich aufbewahrt (Signatur: 81155). 27 Standort: ZBZ, NOH 213.2. 18 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell from Dr Hooker. The sudden appea- The death of Sir Charles Lyell is a great rance of so many Dicotyledons in the loss to science, but I do not think to Upper Chalk appears to me a most per- himself, for after paralysis and epi- plexing phenomenon to all who believe lepsy it was scarcely possible that he in any form of Evolution, and especially could have retained his mental powers, to those who believe in extremely gra- and he would have suffered dreadfully dual Evolution 28, to which view I know from their loss. The last time I saw him that you are strongly opposed.29 The he was speaking with the more lively presence of even one true Angiosperm interest about his last visit to you and in the Lower Chalk makes me inclined to I was grieved to hear from him a very conjecture that plants of this great Divi- poor account of your health. I have been sion must have been largely developed working for some time on a special sub- in some isolated area, whence owing to ject namely insectivorous plants; I do not geographical changes they at last suc- know whether the subject will interest ceeded in escaping and spread quickly you but when my book is published I will over the world. But I fully admit that have the pleasure of sending you a copy. this case is a great difficulty in the views I am very much obliged for your photo- which I hold. Many as have been the graph and enclose one of myself. With wonderful discoveries in Geology during the highest esteem I remain my dear Sir the last half Century I think none have yours very faithfully exceeded in interest your results with Charles Darwin respect to the plants which formally existed in the Arctic regions. How I wish 5. [Zürich], 23. März 1875 31 that similar collections could be made in Mein geehrtester Herr! the Southern Hemisphere for instance in Empfangen Sie meinen wärmsten Dank Kerguelen’s Land.30 für Ihren freundlichen Brief vom 8ten März, welcher mir eine sehr grosse

28 Darwin bezeichnete diesen Befund in einem Brief an Joseph Dalton Hooker vom 22. Juli 1879 als «abominable mystery». Vgl. W. E. FRIEDMAN (2009). 29 Vgl. zum Beispiel O. HEER (1874), S. 25: «Wir sehen daher, dass keine allmälige und unmerkliche Umwandlung der Pflanzentypen vor sich ging, sondern mit dem Cenoman die Entwicklung der Pflanzenwelt in eine neue Phase trat und mit den Dicotyledonen die am höchsten entwickelte Pflanzenklasse in relativ kurzer Zeit zu grosser Entfaltung kam. Die Anhänger der gleichmässig und ununterbrochen fortgehenden Transmutation machen sich freilich die Sache sehr bequem, indem in allen solchen Fällen die menschliche Unwissenheit zu Hilfe gerufen wird.» Ähnliche Sätze finden sich bei W. DAWSON (1905), S. 270f. Heer thematisierte diesen Aspekt auch in seinen Vorlesungen, wie die oben erwähnten Vorlesungnotizen von Louis Rollier beweisen (Bibliothek ETH Zürich, Signatur: HS 321: 150). Letzterer hielt zu Heers Vorlesung «Über die Pflanzen der Vorwelt» im Sommersemester 1879 fest: «Dicotyledone mit einer ganzen Fülle von Arten. Nun auf einmal, überall, wo man Cenomanpflanzen antrifft. In Böhmen, Mähren, Saxen, Oesterreich, Nordamerika, arctische Zone 70° n. B. In Grönland gerade den wesentlichen Teil der Flora ein- nehmend. Auch Amerika und Afrika einige, darunter Dicotyledonen. Von nun an die wichtigste Rolle der Vegetation durch Dicotyledonen erfüllt. Verschiedene Familien, von allen jetzt leben- den einige. Grosse Umwandlung sollte vor sich gehen, plötzlich. (Und die Descendenz, die allmäh- liche Entwicklung?!)». Die Interpunktion am Schluss des letzten Satzes weist wohl darauf hin, dass Heer in seinen Vorlesungen auf eine Stellungnahme zu Darwin verzichtete. 30 Subantarktische Inselgruppe im südlichen Indischen Ozean. 31 Standort: Cambridge University Library (Darwin Papers). Eine zeitgenössische, weitgehend wört- liche Briefkopie von unbekannter Hand wird in der ZBZ aufbewahrt (Signatur: NOH 182). Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 19

Freude gemacht hat. Es ist für mich eine dem Schlusse berechtigt, dass das Klima grosse Aufmunterung zu sehen, dass Sie von Sumatra zur Tertiärzeit im Grossen so warmen Antheil an meinen Arbeiten Ganzen nicht verschieden war von dem über die arctische Flora nehmen und Jetztigen, dass dasselbe also in der Tro- wünsche nur, dass die neuen Beiträge penwelt sich gleich geblieben und die zur fossilen Flora Spitzbergens, für wel- grossen Aenderungen in demselben che gegenwärtig die Tafeln lithographirt nur die gemässigte und die kalte Zone werden, geeignet seien, dies Interesse betreffen. Diese Aenderung scheint zu erhalten. Sie bringen die eigent- aber erst mit der obern Kreide begon- liche Carbon Flora und Jura Flora Spitz- nen zu haben, und in der unendlich lan- bergens und füllen damit eine grosse gen Zeit von der Steinkohlenperiode bis Lücke in der Entwicklungsgeschichte der zur obern Kreide scheint über die ganze hoch nordischen Pflanzenwelt. Gewiss Erde ein ähnliches Klima geherrscht zu wäre es im höchsten Grade wünschens- haben, wie die Pflanzen und Thiere des werth, ähnliche Sammlungen von der Unter=Carbon, des Carbon, der Trias, des südlichen Hemisphaere zu erhalten. Die Jura und der untern Kreide von Grönland Aussichten dafür sind aber nicht günstig. und Spitzbergen zeigen. Wir können Doch gieng mir wenigstens ein lebhafter daher wohl sagen, dass das tropische Wunsch in Erfüllung, nemlich fossile Klima das Normalklima der Erde war Pflanzen aus der Tropenwelt zu erhal- und es sich erst in relativ später Zeit auf ten. Ich habe Ihnen in diesen Tagen eine die Länder zwischen den Wendekreisen kleine Abhandlung über tertiäre Pflan- zurückzog. Dass der Rückgang ein allmä- zen Sumatras übersandt.32 Seither erhielt liger war, zeigt das Verhalten der Flora ich eine zweite reichere Sendung von da, der obern Kreide und des Miocen der welche der frühern etwa 20 neue Arten arctischen Zone, indem sie für das Mio- hinzufügt, so dass wir doch schon einige cen von Spitzbergen bei 78° n. Br. auf wichtige Fingerzeige über das Aussehen eine mittlere Jahrestemperatur von 8–9° der Flora Indiens zur Tertiärzeit bekom- C. schliessen lässt. Derselbe [Rückgang] men. Sie zeigen uns, dass die Tertiär erreichte sein Maximum zur Gletscher- Flora Sumatras der jetzt dort lebenden zeit, während welcher die Tropenzone sehr ähnlich ist, sich also zu derselben wohl schmäler war als gegenwärtig. ganz anders verhält als die Tertiär Flora Doch wird unter dem Aequator auch der Schweiz zu der jetztlebenden oder damals eine hohe Temperatur geherrscht gar als die tertiäre arctische Flora zu haben, so dass wir wohl annehmen dür- der jetzt über den Norden verbreiteten fen, dass Sumatra von den ersten Zeiten Pflanzenwelt. Wir sind daher wohl zu organischen Lebens bis jetzt ein tro-

32 O. HEER (1874a) kommt auf S. 9 zum Schluss, dass diese Fossilien wohl dem Miozän angehören und damals schon ein tropisches Klima in Sumatra geherrscht haben muss. Die weitergehenden paläo- klimatischen Ausführungen, wie sie im Brief formuliert werden, stellen gewissermassen einen ergänzenden Exkurs zur Publikation dar. In seiner zweiten Arbeit zum Thema (1883) finden sich ebenfalls keine so detaillierten Überlegungen wie in diesem Brief, hingegen stellt er dort (S. 9) nicht zuletzt aufgrund der Neuentdeckung gewisser tierischer Fossilien die Zuordnung ins «Mio- cen» in Frage und hält auch Eozän für möglich. Die 1854 von H. E. Beyrich (vgl. Anm. 145) einge- führte Serie des Oligozän wurde von Heer noch nicht verwendet. Allgemein gilt, dass alle von ihm und seinen Fachkollegen mit «Miocen» bezeichneten Alter möglicherweise wenigstens zum Teil ins Oligozän fallen können, wie zum Beispiel die von Heer beschriebenen Pflanzenfossilien von Bovey-Tracey (GB). 20 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell pisches Klima besass und die Umbil- zu sein. Würde die Sonne immer über dungen in der Pflanzen und Thierwelt dem Aequator stehen, so würden ohne nicht durch die Aenderungen des Klima Zweifel die gemässigte und kalte Zone bedingt wurden. Es wird daher wohl einen viel wärmern Winter, anderseits die Entwicklung der organischen Welt aber einen kältern Sommer erhalten, es unter den Tropen vielfach eine andere würden eben die Jahreszeiten ausgegli- gewesen sein als in der gemässigten und chen, aber die mittlere Jahrestempera- in der kalten Zone, wo seit der obern tur würde wohl kaum geändert, so dass Kreidezeit so ungeheuer grosse Umän- ich nicht absehen kann, dass auf solche derungen in den äussern Lebensbedin- Weise das grosse Räthsel gelöst werden gungen statt gehabt haben. Hier waren kann. die Pflanzen und Thiere genöthigt, sich Ich habe mit grossem Interesse den Vor- den neuen Verhältnissen anzupassen, trag unseres Freundes, Dr. Hooker, über während unter den Tropen dies Motiv Ihre Untersuchungen betreffend die wegfällt.33 Insectivoren Pflanzen gelesen und bin Es hat neuerdings Hr. Belt 34 eine früher auf Ihr Werk sehr gespannt, daher ich schon vielfach ausgeprochene Hypo- Ihnen für dasselbe zu grossem Dank ver- these mit Geschick vertheidigt, dass die pflichtet sein werde. Klima-Aenderungen durch eine Aen- Sie aufs freundlichste grüssend, ver- derung der Stellung der Erdachse zur bleibe in grösster Hochachtung, Ihr Sonne bedingt worden seien. In frühern ergebenster Oswald Heer Perioden soll die Sonne immer über dem Aequator gestanden haben, in Folge Meinen besten Dank für Ihre Photogra- dessen habe die jetztige gemässigte phie, sie hat mir grosse Freude gemacht. Zone ein subtropisches, die arctische aber ein warmes Klima gehabt. Dann sei 6. [Zürich], 28. September 187535 die Neigung der Erdachse entstanden Mein geehrtester Freund! und in Folge dessen die Länder ausser- Verzeihen Sie, dass ich erst so spät halb der Wendekreise kälter geworden. Ihnen meinen wärmsten Dank sage Diese Hypothese würde allerdings die für das schöne Buch über die Insekten- oben besprochenen Thatsachen erklä- fressenden Pflanzen 36, welches Sie mir ren, wenn die Angabe des Hrn. Belt zu übersenden die Güte hatten. Ich von der Wirkung dieser Aenderung in war bei seiner Ankunft sehr beschäf- der Stellung der Erdachse richtig wäre. tigt und hatte das Lesen desselben Dies scheint mir aber gar nicht der Fall auf die Ferien verspart, welche ich auf

33 Heer wendet sich hier indirekt gegen Darwins Selektionstheorie, denn obschon die Pflanzen auf Sumatra nicht genötigt waren, sich an neue Verhältnisse anzupassen, unterscheidet sich die fos- sile von der rezenten Flora in einem gewissen Mass, was für Heer mit keinerlei Selektionsdruck erklärt werden konnte. Viele Forscher des 19. Jahrhunderts lehnten aus diesen und ähnlichen Gründen die Selektionstheorie ab. Vgl. TH. JUNKER (2011). 34 Thomas Belt (1832–1878), englischer Geologe. Sein 1874 gedrucktes Werk «The Naturalist in Nica- ragua», worin er auf die Präsenz von Gletschern in Mittelamerika eingeht, ist in keiner Zürcher Bibliothek nachgewiesen. 35 Standort: Cambridge University Library (Darwin Papers). Eine zeitgenössische, weitgehend wört- liche Briefkopie von unbekannter Hand wird in der ZBZ aufbewahrt (Signatur: NOH 182). 36 Heers Handexemplar befindet sich in der Bibliothek der ETH Zürich, Signatur: Rar 02. Es weist eine Widmung des Autors und spärliche Lesespuren Heers auf. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 21 dem Lande zubringen wollte. Die von lich erhaltenen Blättern, sondern z. Th. Ihnen gewonnenen Resultate haben auch in den männlichen amentis und mich aufs lebhafteste interessiert und Früchten dargestellt werden konnten, die mit bewundernswerther Umsicht dazu kommt eine nahe verwandte, aus- und Ausdauer durchgeführten Beo- gestorbene Gattung, die auch in Blät- bachtungen machen einen überwälti- tern, Blüthen und Früchten erhalten ist. genden Eindruck. So auffallend es ist, Es scheint Ginkgo zur Jurazeit das Maxi- dass dieselben Zellen zersetzende Stoffe mum der Entwicklung erreicht zu haben ausscheiden und andere Stickstoff hal- und lässt sich von da durch den Weal- tende aufsaugen und als Nahrung ver- den, das Urgon, Cenoman und Miocen wenden, dass ohne Nervensubstanz so bis zur Jetztwelt verfolgen. Ginkgo adi- complicirte Bewegungen ausgeführt antoides, der im Miocen von Grönland werden, so wunderbar, dass ein Mini- und Mittelitalien auftritt und mir neuer- mum von gewissen Stoffen schon sol- dings auch von der Insel Sachalin zuge- che Bewegungen und Umbildungen in kommen ist, ist kaum mehr von G. biloba den Zellen veranlassen kann, ist dies L. zu unterscheiden. Anderseits enthält und so vieles andere durch Ihre Unter- die raetische Formation mehrere Pflan- suchungen nachgewiesen. Sie werden zenformen, die als Jeanpaulia und Bai- aber auch vielen neuen Untersuchungen era beschrieben wurden, welche nahe rufen; die vielen mit klebrigen Drüsen- an Ginkgo sich anschliessen, und von haaren besetzten Pflanzen müssen auf den Carbon=Pflanzen stehen offenbar ihr Verhalten zur Insectenwelt geprüft Noeggerathia und Cordaites mit dieser werden und auch die Aufsaugung der Gattung in naher Beziehung. Nahrung durch die Wurzelfasern wird Sie aufs freundlichste grüssend, einer neuen Prüfung unterzogen wer- Ihr hochachtungsvollst ergebener den müssen, indem der Ausscheidung Oswald Heer der Wurzelzellen wahrscheinlich eine grössere Bedeutung zukommt, als man 7. Down, 28. Februar 1877 37 bis jetzt annimmt. Auch dieses Ihr Werk Dear Sir, wird daher wieder nach den verschie- I thank you sincerely for your great kind- densten Richtungen hin Licht und Leben ness in having sent me your fine work on bringen! the Fossil Arctic Flora. It forms a valuable Ich war in den letzten Monaten mit der addition to the many similar gifts with Untersuchung der Jura=Flora Ostsibiri- wich you have honoured me Dear Sir. ens und des Amurlandes beschäftigt, zu With my thanks and high respect yours welcher mir die Petersburger Akademie faithfully die Materialien geliefert hat. Es besteht Charles Darwin die Flora aus zahlreichen Farn[en], aus Cycadeen und Coniferen, unter letztern 8. Zürich, 29. Juli 1877 38 zeichnen sich die Taxineen durch ihr Mein verehrter Herr! zahlreiches Auftreten aus. Die Gattung Empfangen Sie meinen verbindlichsten Ginkgo (Salisburia) erscheint in 6 Spe- Dank für die freundliche Uebersendung cies, welche nicht nur in vielen, vortreff- Ihres Werkes «the different Forms of

37 Standort: Landesarchiv Glarus. 38 Standort: Cambridge University Library (Darwin Papers). 22 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell

Flowers»,39 welches wieder eine so rei- finden sie noch in der Kreide in Baiera che Fülle von wichtigen Beobachtungen und Gingko; im Tertiär in Gingko und enthält. Mehrere dieser Abhandlungen Torellia, in der jetztigen Schöpfung aber habe ich schon früher mit grossem Inte- nur noch in Gingko und nur in einer ein- resse gelesen, freue mich aber darauf, zigen Species (G. biloba). Jetzt ist diese sie in dieser umgearbeiteten und durch Art auf Ostasien beschränkt, während neue Beobachtungen erweiterten Form wir die miocene Gingko-Art aus Grön- studieren zu können, was freilich erst land, Deutschland, Italien und von der später geschehen kann, da ich gegen- Insel Sachalin kennen; damals war daher wärtig sehr mit der Untersuchung der dieser Pflanzentypus noch weit verbrei- Pflanzenreste beschäftigt bin, welche tet, und zwar in einer Art, welche der Cap. Feilden bei der letzten engl. Polar- lebenden ungemein nahe verwandt ist. expedition im Grinnell-Land bei nahe Torellia aber scheint auf den höchsten dem 82° n[ördlicher] Br[eite] entdeckt Norden beschränkt zu sein.40 Wie ich hat. Dieselben stimmen grossentheils meine Arbeit vollendet, werde ich einen mit Arten überein, welche Nordenskiöld Bericht darüber an Hooker einsenden. seiner Zeit am Cap Staratschin in Spitz- Meinen wärmsten Dank wiederholend, bergen gesammelt hat und die ich im Ihr hochachtungsvollster zweiten Bande der Flora foss[ilis] arctica Oswald Heer beschrieben habe; so die Taxodien, die Birke, Ulme und Haselnuss. Von beson- derm Interesse ist die Torellia rigida. Diese erhielt ich seiner Zeit aus Spitzber- gen nur in einzelnen Bruchstücken aus denen ich das Blatt zusammengesetzt habe (Flora arct. II. Taf. VI. Fig. 3–12); aus Grinnell-Land liegen nun die vollständig erhaltenen Blätter vor mir, welche die früher gegebene Deutung bestätigen. Sie bilden eine eigenthümliche Gattung der Familie der Taxineen aus der Gruppe der Salisburieae und schliessen sich zunächst an die merkwürdige Gattung Phoenicopsis, die ich in der Jura-Flora nachgewiesen habe (Flora foss. arct. IV. Sibirica, p. 49), an; wie anderseits an Baiera. Diese Gruppe der Salisburieen hatte in der Jura-Flora die reichste Ent- faltung und tritt uns hier in einer Reihe von Gattungen (Phoenicopsis, Baiera, Czekanovskia, Trichopytis und Gingko) und in zahlreichen Arten entgegen; wir

39 Heers Handexemplar wird in der Bibliothek der ETH Zürich aufbewahrt, Signatur: Rar 04. Es weist eine Widmung des Autors, aber keine Lesespuren Heers auf. 40 Vgl. allgemein zu Heers paläobotanischem Werk HANTKE (2013). Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 23

4. OSWALD HEERS BRIEFWECHSEL MIT CHARLES LYELL

1. London, 4. April 1856 41 2. Zürich, 9. April 1856 My dear Sir, Hochgeehrter Herr, As I much wish to see your paper on the Obwol [sic!] ich hoffe, dass Sie gegen- S. Jorge plants 42 and especially desire wärtig die von Herrn Ziegler besorgte that Mr Bunbury who is working on my Sendung erhalten haben werden, beeile specimens should have the great advan- mich doch Ihrem Wunsch zu entspre- tage of seeing your figures, I would most chen und Ihnen ein Exemplar meiner willingly pay the carriage of the parcel kleinen Abhandlung über die St. Jorge by the ordinary way if you will only have Pflanzen zu übersenden. Ich lege der- the kindness to send it off & not wait for selben noch eine Arbeit über die Insek- an opportunity of a friend which may ten von Aix 43 und über die fossile Flora cause a delay of many more weeks. von Lausanne 44 bei, mit der Bitte, sie I think your plates will be sufficient, but gütigst anzunehmen und ein Exemplar if after seeing them Mr Bunbury should der Abhandlung über Aix gefälligst dem still be anxious to inspect one or two of Herrn Murchison 45 zu übersenden. the originals. I will by and by avail myself Ich freue mich ungemein auf Ihr Werk of your kind offer to send them and shall über Madeira 46, welches uns gewiss viele have great pleasure in defraying the neue Aufschlüsse geben wird. expense of the carriage to and from. Mich Ihnen bestens empfehlend, I get on but slowly with the Madeira Ihr hochachtungsvoll ergebener paper as I have many unavoideth inter- Oswald Heer ruptions, but hope to send you a copy before the year is over. 3. London, April 23th 1856 47 Believe me My dear Sir, very truly yours I received a few days ago both copies of Charles Lyell your most valuable essay on the plants of S. Jorge, and am very much obliged

41 Die Briefe Heers an Lyell werden alle in der Universitätsbibliothek in Edinburgh aufbewahrt, die- jenigen von Lyell an Heer in der ZBZ. 42 OSWALD HEER: Ueber die fossilen Pflanzen von St. Jorge in Madeira. Der naturforschenden Gesell- schaft in Zürich vorgetragen den 5. November 1855. [Zusammen mit sieben weiteren Schriften publiziert], in: Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesam- ten Naturwissenschaften, Bd. 15, Zürich 1857. Offenbar war Heers Beitrag schon 1856 gedruckt greifbar. Einleitend (S. 3) schreibt er, dass seine Untersuchung auf fossilen Pflanzenfunden basiere, die Lyell und Hartung 1854 auf Madeira getätigt hätten. 43 OSWALD HEER: Ueber die fossilen Insekten von Aix in der Provence, Vierteljahrsschrift der Natur- forschenden Gesellschaft 1 (1856), S. 1–40. 44 OSWALD HEER UND CHARLES TH. GAUDIN: Flore molassique des environs de Lausanne, in: Bulletin de la Société Vaudoise des Sciences Naturelles 3 (1853), S. 280f. 45 Roderick Impey Murchison (1792–1871), schottischer Geologe. Erforscher des Perm-Zeitalters und Begründer der modernen Zeitskala des Paläozoikums. 46 Vgl. L. G. WILSON (2007). 47 Brief ist publiziert in: K. M. LYELL (1881), S. 210f. 24 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell to you for them. I sent off one to Mr found Helix tiarella living in the north of Bunbury 48 in the country who is rea- Madeira. But these and other discoveries ding it with great interest, but slowly do not alter the data on which you have as he does not read German as fluently reasoned materially. as many other modern languages. I will I have told Wollaston of your Laparoce- however take the liberty of observing rus. I am in hopes that Mr Bunbury will that your style is so clear and the sen- still find some novelties to communicate tences of such moderate length that it in the way of species, though he and convinces me that what we complain of Dr Hooker are very timid in identifying in regard to the involved sentences in species in comparison with yourself. The most German authors is not the fault of specimens of the fossil Myrica faya which the language but of the writers. Mr Bun- you have figured do not agree closely bury sees by the figures you have given with any of the varieties of the same that 4 of your ferns are wanting in our which Mr Bunbury brought from collection, namely Trichomanes radicans, Madeira and Teneriffe. We have more Osmunda regalis, Asplenium bunburi- numerous and finer specimens of Wood- anum, and A. marinum. On the other wardia than yours, and hope you will hand we have three very well-marked remember that Mr Bunbury recognised ferns, and perhaps a fourth, which you this plant in my paper in 1854 to which have not. One of the most remarkable of you refer. He thinks it is W. radicans, our dicotyledonous is not in your as he allowed me to say at that time. set. Mr Bunbury agrees in the identifica- When I asked Mr Wollaston why there tion of Pteris aquilina and Oreodaphne have been no coprophagous or dung- foetens. eating beetles created in Madeira, he I am extremely pleased with your dis- answered because such already existed cussion of the old «Atlantis», a subject in the island, and they are now playing on which I have been preparing some their part. I asked, what did they feed on observations, especially in regard to before the era of man, and he said pro- the fossil and recent shells. MM. Lowe 49 bably on decayed wood. and Wollaston 50 have of late been seven Believe me, my dear Sir, most truly yours months under tents in Madeira, Porto ChaLyell Santo. They have satisfied themselves that Helix pisana is not truly fossil, but 4. Zürich, 12. Mai 1856 (von Heer am lies bleached and dead on the top of Ende falsch datiert mit 12. Mai 1866, the Caniçal and Porto Santo shell depo- Zusammenfassung) 51 sit. They believe it came into the island Heer freut sich darüber, dass Lyell sei- with man. Indeed they admit no Euro- ner Atlantistheorie beipflichtet. Er will pean shell to be truly fossil except Helix das Thema im letzten Kapitel seiner lapidica in Porto Santo, now lost in the «Flora tertiaria Helvetiae» noch etwas Madeiras as a living species. They have ausbauen und liefert in diesem Schrei-

48 Charles James Fox Bunbury (1809–1886), englischer Botaniker und Naturforscher. 49 Richard Th. Lowe (1802–1874), englischer Botaniker und Naturforscher, starb als Schiffbrüchiger vor Sizilien. 50 Thomas Vernon Wollaston (1822–1878), englischer Entomologe und Malakologe. 51 Dieser Brief wurde von Charles Théophil Gaudin ins Französische übersetzt und veröffentlicht, in: Bulletin de la Société Vaudoise des Sciences Naturelles 5 (1856), S. 145–151. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 25 ben weitere Argumente dafür, dass attendu à la reunion des scavants [sic !] Europa und Nordamerika aufgrund der mais j’éspere que vous serez déjà de Ähnlichkeit der miozänen Flora Europas retour. Une lettre me trouvera ici jusqu’ und der rezenten Nordamerikas einmal au 9 de ce mois, et à Stuttgardt jusque durch einen untergegangenen Konti- au 14. – Addressez München, Hotel Mau- nent Atlantis verbunden gewesen sein lick. Stuttgardt Poste Restante. müssen. Die damalige unterschiedliche Votre dévoué Land- und Wasserverteilung sowie die Charles Lyell noch flacheren Alpen haben ein wär- meres Klima in Europa verursacht. Auch 6. London, 8. März 1857 aus der Insektenwelt lassen sich Analo- (Zusammenfassung) gien beibringen, so besitzt er beispiels- Lyell bedankt sich für die zugesandten weise eine sehr schöne fossile Riesen- Bestimmungen der fossilen Muscheln schwimmwanze der Gattung Belostoma von Baixo durch Herrn Mayer.53 Lyell aus dem Miozän von Öhningen, die von besitzt eine noch viele grössere Samm- der heutigen Belostoma gigantea aus lung offenbar des gleichen Alters und ist Brasilien kaum zu unterscheiden ist. Im gelegentlich erstaunt über die Kühnheit Pleistozän ist Atlantis gesunken, und von Mayers Bestimmungen. Er denkt, es sind nur noch die atlanischen Inseln dass die betreffende fossile Fauna von [Azoren, Madeira, Kanarische Inseln] Porto Santo aus dem Miozän stammt. Er gewissermassen als Echo dieses ehema- fand Mayers Ausführungen sehr anre- ligen Kontinents übriggeblieben. Europa gend, glaubt aber, dass er zu einem und Asien sind näher zusammengerückt, anderen Resultat kommen werde und worauf die europäische Flora ein asia- dass der Kalk von Baixo älter sei als die- tisches Gepräge erhalten hat. Es folgt ser annehme. ein ausführliches Plädoyer für die Erfor- Zusatznotiz vom 9. März: Die Bücher aus schung der tertiären Pflanzenwelt, die Zürich sind angekommen [keine Titel noch in den Anfängen stecke. erwähnt].

5. München, Oct. 5. 1856 7. Zürich, 23. August 1857 Mon cher M. Heer (Zusammenfassung) Je reviens d’un voyage geologique dans Kollege Marcou 54 hat Lyells Brief mit les Alpes Autrichiennes, et je compte zahlreichen Fragen überbracht. Heer passer une semaine où 52 10 jours entre beantwortet sie der Reihe nach. Die Munich, Tubingen et puis d’aller à Paris fossilen Pflanzen von Basel wurden von par Strasbourg. Si j’étais sure de vous Brongniart55 fälschlich dem Lias zuge- trouver chez vous vers le 17 de ce mois, ordnet, doch werden sie heute von je ferais un petit detour à Zurich pour allen Schweizer Geologen ins Keuper avoir le plaisir de faire votre connais- gestellt. Leider findet sich dieser Irr- sance quoi qu’il ne soit que pour un soir tum immer noch in der Literatur. Die [… fehlender Text?] que vous y ait [sic !] Ansicht, dass Taeniopteris zunächst mit

52 Lyell verwechselt häufig «où» (wo) mit «ou» (oder). 53 Karl Mayer-Eymar (1826–1907), Paläontologe in Zürich. 54 Jules Marcou (1824–1898), französischer Geologe. 55 Adolphe Théodore Brongniart (1801–1876), französischer Botaniker, einer der Väter der Paläobo- tanik. 26 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell

Strangeria verwandt sei, ist von Borne- leider nicht auf seiner Reise zum Vesuv mann 56 geäussert worden, konnte von und zum Aetna begleiten wird. Heer aber noch nicht überprüft wer- den. Von Cadibona 57 hat er erst eine PS: Heer nimmt Bezug auf eine Mittei- Pflanzenart von Herrn Gastaldi 58 erhal- lung von Marquis Strozzi 63, «dass er im ten; es handelt sich um einen sehr schö- Val d’Arno Rhinoceros tichorhinus aus- nen Wedel von Lastraea fischeri. Er hat giebt, während Rütimeyer 64 behauptet, einen solchen aus der unteren Molasse das Rhinoceros dieser Lokalität gehöre von Eriz 59 in seiner «Flora tertiaria Hel- zu Rh. leptorhinus. Ferner giebt Strozzi vetiae» abgebildet (Taf. IX, Fig. 3). Gau- Mastodon angustidens an; wahrschein- din wird den Winter in Florenz zubrin- lich ist dies aber Mastodon arvernensis. gen und sich mit der Flora des Pliozäns Ohne Zweifel haben Sie diese Stücke in beschäftigen. Im Val d’Arno wurde in Florenz gesehen und wäre nun unge- vermutlich miozänen Schichten das Rhi- mein erwünscht, von Ihnen das Nähre noceros leptorhinus gefunden. Es wäre über diese Bestimmungen zu erfahren. eigenartig, wenn das in Dürnten 60 ent- Es wäre sehr auffallend, wenn Mastodon deckte Nashorn der gleichen Art ange- angustidens (der in unserer miocenen hören würde, denn die Flora weist einen Molasse verbreitet) mit Rhinoceros rezenten Charakter auf. Doch gilt es zu tichorhinus, Bos urus und priscus zusam- bedenken, dass in England «Rhinoceros men im Val d’Arno gelebt hätte.» leptorhinus mit Elephas antiquus und Hippopotamus major vorkommt, von 8. Luzern, 28. August 1857 welchen letztere Art auch im Val d’Arno Mon cher M. Heer sich findet. Ob vielleicht die Thiere im J’ai écrit de Zurich au frère de notre Val d’Arno in einer höheren und jün- ami Hartung à Königsberg – en lui pri- geren Schicht liegen als die Pflanzen? ant de me donner aussitôt que possible Anderseits ist in Dürnten 61 das Rhino- les nouvelles de l’arrivé de son frère. Si ceros wie der Elephas antiquus auf der vous recevez une lettre directe, et que Sohle des Kohlelagers gefunden wor- vous voudriez bien la communiquer à den.» Heer beschliesst den Brief mit moi où dire à Hartung où [ou] il pour- Nachrichten über Hartung 62, der Lyell rait m’addresser, voice les dates – à Visp,

56 Johann Georg Bornemann (1831–1896), deutscher Geologe und Paläontologe. Ders.: Über orga- nische Reste der Lettenkohlengruppe Thüringens, Leipzig 1856. 57 Der Colle di Cadibona ist ein 459 m hoher italienischer Pass in der ligurischen Provinz Savona. 58 Bartolomeo Gastaldi (1818–1879), italienischer Geologe. 59 Gemeinde im Verwaltungskreis Thun des Kantons . 60 Gemeinde im Zürcher Oberland. Vgl. O. HEER (1855); H. JÄCKLI (1989), S. 98: «Die Schieferkohlen von Dürnten, künstlich aufgeschlossen beim bergmännischen Schieferkohlenabbau 1854–1866, werden heute einem frühwürmzeitlichen Interstadial zugeordnet. Die dort gefundene Säuger- fauna umfasst Waldelefant, Waldnashorn, Rothirsch, Elch und Auerochse. Diese Tiere verlangen ein relativ gemässigtes Klima mit Waldvegetation.» M. WELTEN (1982) ordnet die Schieferkohle dem Früh- und zum Teil Mittelwürm zu, vgl. auch C. A. BURGA (2006 und 2009). 61 Gemeinde im Zürcher Oberland. 62 Georg Hartung (1822–1891), deutscher Geologe, einer der wichtigsten Briefpartner Heers, vgl. A. BOUHEIRY (2013). 63 Carlo Strozzi (†1871), vgl.: Charles Th. Gaudin und Carlo Strozzi: Contributions à la Flore fossile italienne. Second Mémoire. Val d’Arno, Zürich 1859. 64 Karl Ludwig Rütimeyer (1825–1895), Zoologe, lehrte an der Universität Basel. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 27

Valais jusqu’à 12 [Septembre], à vos bons hat den Katalog und die Beschreibungen souvenirs. Mes amitiés à la petite Dam- von Mousson 68 von den von Hartung maris [sic!] – votre trés devoué gesammelten Landschnecken mit Inte- Charles Lyell resse gelesen. Die Frage der Besied- lung der atlantischen Inseln ist von 9. London, 9. April 1858 hoher Wichtigkeit. Wollaston bereist im (Zusammenfassung) Moment die Kanarischen Inseln und hat Lyell hat den Brief mit den Zeichnungen bereits 350 Coleopteren gesammelt. fossiler Pflanzen vom Ätna erhalten. Seine Frau hat Heers interessante Aus- 10. Zürich, 19. Januar 1860 führungen dazu für ihn übersetzt. (Zusammenfassung) Tornabene 65 war der Ansicht, dass diese Heer bedankt sich bei Lyell für die Blätter Varietäten von Quercus ilex Zusendung seiner Arbeit mit dem Titel [Steineiche] seien. Vom geologischen «The Lavas of Mount Etna».69 Er hat ihm Standpunkt aus betrachtet, hält Lyell dafür den allgemeinen Teil seiner «Flora diese fossilen Pflanzen für verschieden tertiaria Helvetiae» geschickt. Auch Dar- von Jetztlebenden, denn die Tuff-Schich- win liess er das Werk zukommen 70 als ten bei Fasano, in denen sie gefunden Dank dafür, dass er ihm sein interes- worden sind, sind sehr alt. Zwei Drittel santes Werk «On the Origin of Species» des Ätna sind später als diese Tuffe ent- geschenkt hat.71 Er hofft, «que le chapi- standen. Auf der anderen Seite kommen tre sur la distribution geographique des die Muschelarten der darunterliegenden plantes tertiaires, la comparaison des Schichten heute noch im Mittelmeer vor. plantes de la Flore tertiaire avec plantes Auf diesem Hintergrund wäre es nor- vivantes, et sur les relations des Flores mal, wenn auch die Pflanzen zu noch anciennes et actuelles etc. aura quel- heute lebenden Arten gehörten. Es que intérêt pour lui [Darwin] et don- wäre interessant zu erfahren, ob eine nera sujet à réfléchir.» Heer stützt seine Untersuchung der Tuffe des Vesuv ähn- Bemerkungen über das Klima im Tertiär liche Resultate hervorbrächte. Falconer 66 auf Pflanzen ab, die er mit Sicherheit beschäftigt sich gerade mit Heers Arbeit identifizieren konnte. Zudem hat er dem über Dürnten.67 Das dort gefundene allgemeinen Teil seiner «Flora tertiaria Nashorn hat er als Rhinoceros leptorhi- Helvetiae» die Tafeln 134 bis 136 beige- nus bezeichnet. Lyell hofft, im Sommer geben, um zu zeigen, dass auch Blüten, in die Schweiz kommen zu können. Er Früchte und Samen von heute ausge-

65 Francesco Tornabene Roccaforte (1813–1897), Benediktinermönch und Botaniker, gründete 1858 den botanischen Garten von Catania, den er bis 1892 leitete. 66 Hugh Falconer (1808–1865), schottischer Paläontologe, Botaniker und Geologe. 67 OSWALD HEER: Die Schieferkohle von Dürnten und Utznach, Zürich 1858. 68 Albert Mousson (1805–1890), Physikprofessor in Zürich, Sammler von Land- und Süsswasserschne- cken und Kollege Heers. 69 CHARLES LYELL : On the structure of Lavas which have consolidated on steep slopes: with remarks on the mode of origin of Mount Etna, and on the theory of «Craters of Elevation», Sonderdruck aus: Philosophical Transactions of the Royal Society, London 1859. Heers Handexemplar wird in der Bibliothek der ETH Zürich aufbewahrt, weist aber weder handschriftliche Widmung noch Annotationen auf (Signatur: 81468 q). 70 Vgl. Anm. 20. 71 Vgl. Anm. 13. 28 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell storbenen Pflanzen bestimmt werden Arten gesammelt, kann sie aber nicht können. Heer geht im folgenden näher bestimmen. Lyell gelangt mit der Bitte darauf ein. Er führt aus, welche Floren an Heer, diese Aufgabe zu übernehmen. Europas er eingehender studiert hat und Frau Burdett Coutts 75 kommt für die wie er bei der Rekonstruktion des Paläo- Kosten auf. Falls Heer nicht nach Eng- klimas und der zeitlichen Zuordnung der land kommen kann, werden sie nach Fossilien vorgegangen ist.72 Zürich geschickt. Von den zerbrechlichen Die Pflanzenfossilien, die ihm Lyell vom Stücken, die nicht verschickt werden Vesuv zukommen liess, sind leider zer- können, erhält Heer Zeichnungen. Sein bröselt, doch konnte er noch die Blät- Honorar beträgt 15 £, falls er selber nach ter von Laurus nobilis und ein Fragment London reist weitere 25 £, wobei er bei von Smilex mauritanica ausmachen. Lyell wohnen kann. Drei Wochen sollten Er bedauert, dass Marcou wieder von genügen. Für zusätzliche Zeichungsar- Zürich abgereist ist, auch wenn Heer sich beiten sind 375 Franken Entgelt vorgese- mit Marcous letzter Arbeit über die Dyas hen. In London gibt es niemanden, der und die Trias nicht einverstanden erklä- die miozäne Pflanzenwelt so gut kennt ren konnte: «La Flore du Rothliegenden wie Heer. s’accorde si bon à la Flore carbonifere, que ce Dyas Permien se rapproche beau- 12. Zürich, 14. Juni 1861 coup plus à la formation carbonifere, (Zusammenfassung) qu’à la formation triasique.» Heer freut sich über die Einladung nach England und erhofft sich, dass durch PS: Hartung ist immer noch mit der seine Untersuchung der Bovey-Tracey- Herausgabe seiner Arbeit über die Azo- Funde die Tür für das Studium der ter- ren beschäftigt. Gesundheitlich geht es tiären Pflanzenwelt in England aufge- dem deutschen Kollegen nicht beson- stossen wird. Heer schlägt folgendes ders gut. Vorgehen vor: Die transportfähigen Pflanzenfossilien wie auch deren Zeich- 11. London, 6. Juni 1861 nungen sollen ihm so bald wie möglich (Zusammenfassung) nach Zürich geschickt werden. Er würde Freund Gaudin 73 hat vielleicht davon es vorziehen, wenn soviele Zeichnungen erzählt, dass er hier in London letztes wie möglich in Zürich gemacht werden Jahr mehrere fossile Pflanzen der Fund- könnten, denn «my drawer 76 is now stelle Bovey-Tracey gesehen hat.74 Einige very accoustomed to make such kind of bestimmte er als untermiozäne Koni- work and he is obliged to draw all my feren und deren Früchte. Der Geologe things in my room beneath my eyes, William Pengelly hat zwischen 15 bis 20 so that I continually can look at them.

72 Diese Ausführungen stellen eine Zusammenfassung der entsprechenden Abschnitte des Allge- meinen Teils des «Flora tertiaria Helvetiae» dar. Möglicherweise kam Heer damit Lyells relativ schlechten Deutschkenntnissen entgegen. Wie Brief Nr. 8 zeigt, beherrschte Lyell die französische Sprache nicht fehlerfrei, obschon er einige Zeit in Frankreich zugebracht hatte. 73 Charles Théophil Gaudin (1822–1866), Botaniker, Paläontologe, wichtigster Briefpartner Heers, wohnhaft in Lausanne. 74 Vgl. BURGA (2013), S. 126f., und EDWARDS (1976). Die Ablagerungen von Bovey-Tracey werden heute ins Oligozän gestellt. 75 Angela Georgina Burdett-Coutts (1814–1906) gehörte zu den reichsten Frauen Englands. 76 Gemeint ist wohl Heers langjähriger Zeichner P. Brugier, vgl. BURGA (2013), S. 172. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 29

Even a very clever drawer seldom makes 13. Folkestone, 5. August 1861 good works in this kind of things, (Zusammenfassung) because often instead of drawing the Lyell hat von Gaudin die Seiten 171– most important marks he renders pro- 180 und 197–208 von Heers längerer minent accidental signs, which does not Abhandlung über das Klima des Miozän belong to the plant. I should study and aus der «Flora tertiaria Helvetiae» [= der describe here the plants and finish the sogenannte allgemeine Teil der Flora work as far as possible. I have here at tertiaria] erhalten, die Gaudin übersetzt my disposition all the books and many hat. Lyell hat Gaudin daraufhin gebeten, drawings of plants which I did not yet ihm das ganze Werk zu schicken. Lyell publish and which I would not have in bedankt sich für Heers Publikationen England. Afterwards I shall set off at the zu den Fossilfunden in Nebraska 79 und end of August and go to England where Aix-la-Chapelle.80 Er äussert wenige Kor- I shall study the fragile pieces, which rekturen zu den von Gaudin gesandten could not support the journey and in Druckfahnen. Sein Schwager, Sir Charles the mean time I should visit Bovey-Tra- Bunbury, möchte Heers «Flora tertiaria cey for examinating the plants in the Helvetiae» wie auch Gaudins Überset- place. As I have already sought many zung [des allgemeinen Teils] erwerben. fossil plants I could perhaps find some Lyell hat dem Duke of Argyll 81 geschrie- new species at this place for instance ben, dass Heer in London sein werde seeds and fruits. I should like to see the und dass er die fossilen Pflanzen der plants of Isle of Wight and the miocene Isle of Mull auf Heers Besuch hin zusam- plants of the Isle of Mull 77 at London.» menstellen solle. Leider gingen einige Heer will gleich nach dem 21. August der schönsten Stücke verloren, doch der von Lausanne aus über Lyon und Paris Duke will sehen, was sich machen lasse. nach London reisen. Gaudin hat ihm schon Stücke von Bovey-Tracey zuge- 14. Zürich, 19. August 1861 schickt. Heer ist sich sicher, dass sie aus (Zusammenfassung) dem Miozän stammen. Er ist sich nur Heer freut sich, dass Lyell seinen paläo- über die geologische Stufe noch nicht botanischen und paläoentomologischen im Klaren. Er unternimmt vom 29. Juni Arbeiten zustimmt. Die Pflanzen und die bis 7. Juli zusammen mit Arnold Escher Zeichnungen von Pengelly sind ange- von der Linth 78 eine Exkursion mit Stu- kommen. Gewisse Illustrationen mussten denten in die Alpen (Gotthard und Luk- im Hinblick auf die bevorstehende Publi- manier) und ist froh, wenn die Bovey- kation neu angefertigt werden. Heer hat Tracey-Pflanzen bis 7. Juli in Zürich die Pflanzen von Bovey-Tracey bestimmt. sind, so dass er gleich danach mit deren Die Flora umfasst 45 Arten. Vier davon Untersuchung beginnen kann. (drei Weiden und eine Birke) kommen

77 Die Isle of Mull ist die zweitgrösste Insel der Inneren Hebriden im Osten Schottlands. 78 Arnold Escher von der Linth (1807–1872), Sohn von Hans Conrad Escher von der Linth (Linthkanal), Geologieprofessor in Zürich und langjähriger Freund Oswald Heers. 79 Möglicherweise gemeint: OSWALD HEER: Reply to Dr Newberry on the age of the Nebrasca leaves, in: American Journal of Science and Arts 31 (1861), S. 435–440. 80 Vgl. Anm. 43. 81 George Campbell (1823–1900), 8th Duke of Argyll, schottischer Adliger, der sich für Politik und Naturwissenschaften interessierte. 30 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell in einem weissen Ton vor, der zu einem allgemeinen Teils selber mitbringen. Er anderen Horizont gehört. Von den 41 legt dem Brief ein paar Zeichnungen von übrigen lassen sich 15 auch auf dem tertiären Insekten mit Farberhaltung aus Kontinent finden und gehören ins Mio- seiner Sammlung bei.83 zän, womit also die Bovey-Tracey-Funde zweifelsfrei dem Miozän zugeordnet 15. London, 26. August 1861 werden können, genauer dem Untermi- (Zusammenfassung) 84 ozän (Aquitanium). Die Flora hat viele Lyell wie auch Pengelly sind sehr erfreut Gemeinsamkeiten mit derjenigen von über Heers Brief zur Flora von Bovey- Salzhausen in der Wetterau. Eigenarti- Tracey. Pengelly ist erstaunt darüber, gerweise zeigen sich kaum Gemeinsam- dass Heer zwei- oder dreimal soviele keiten mit den isländischen Funden, die Arten gefunden hat als er sich je hätte aus der gleichen Zeit herrühren. Ein Ver- träumen lassen. Auch Frau Coutts wurde gleich mit dem Eozän der Isle of Wight von Lyell ins Bild gesetzt. Professor Van zeigt gewisse Übereinstimmungen, aber Breda aus Harlem [NL] lässt ausrichten, insgesamt repräsentiert die Flora doch dass er bis anfangs Oktober abwesend einen anderen Charakter. Unter den 23 sei. Er bittet Heer, nach seinem Besuch neu entdeckten Arten hat es mehrere, in London auch nach Rotterdam und von die sehr interessant sind. Dazu gehört dort nach Harlem zu reisen. Dort gäbe etwa Sequoia couttsiae, die eine wich- es viele Funde von Öhningen zu sehen. tige Verbindung [wörtlich: liaison] zwi- Lyell bedankt sich dafür, dass Heer und schen den fossilen Sequoia langsdorfii Gaudin ihm die französische Überset- und Sequoia sternbergi sowie den zung des allgemeinen Teils der «Flora rezenten Sequoia sempervirens und tertiaria Helvetiae» gewidmet haben.85 Sequoia gigantea herstellt. Er hofft, dass die neue Ausgabe seiner Am 19. August ist Heer nach Lausanne zur «The Student’s Elements of Geology» Tagung der Schweizerischen Naturfor- auch Heers Zustimmung finden werde. schenden Gesellschaft abgereist, wo er Er ging dieses Mal viel weiter als vorher mit Arnold Escher von der Linth und Peter «in favour of a progressive development Merian 82 die bevorstehende gemeinsame and have also endeavoured to show the Englandreise besprechen wird. Sie wer- importance of botany in geological clas- den vermutlich am 23. August von Lau- sification.» Der weisse Ton, in welchem sanne aus aufbrechen und am 30./31. Heer vier rezente Arten fand, ist in der August in London eintreffen. Tat viel jünger als die anderen Schichten. Heer freut sich, dass Bunbury seine «Flora tertiaria Helvetiae» kaufen 16. London, 4. September [1861] möchte. Die Verleger haben in London Mon cher Heer ein Lager bei «Dulan and Company». Er Est il possible que Sir R. Murchison ne bittet, das Werk dort zu beziehen, und vous a pas dit que la grande porte seu- wird die französische Übersetzung des lement est fermée à Jermyn Street 86,

82 Peter Merian (1795–1883), Geologieprofessor in Basel. 83 Lyell nimmt auf Heers phantastische Sammlung fossiler Insekten in einem Brief an seinen Schwie- gervater Leonard Horner vom 22. Oktober 1856 Bezug. Vgl. K. M. LYELL (1881), S. 237. 84 Brief ist unvollständig publiziert in: K.M. LYELL (1881), S. 350. 85 Vgl. Anm. 20. 86 Gemeint ist der Haupteingang des Museums of Practical Geology an der Jermyn Street in London. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 31 tandis que l’autre était tout ouverte et det. Sie war ganz richtig. Die Zahnbil- j’y ai été moi meme quelques minutes dung des Randes ist beim Original genau avant où [ou] après vous aujourd’hui. Le wie bei Corylus grossedentata und das secrétaire était là et vous auriez entré. Je ganze Blatt in Form und Nervation so völ- regrette que vous avez été si longtemps lig mit einem solchen von Menat 90 (des- en Jackville St[reet] voilà un jour presque sen Zeichnung ich hier habe) stimmend, perdu. Demain il ne faut pas quitter le dass nicht der geringste Unterschied zu British Museum pour venir me voir. Je fnden ist. Dieser Corylus und die Sequoia vous verrai chez M. Prestwich 87 Vendredi sind zwei Arten, welche der tertiären matin à déjeuner et peut-être aprés cela arctischen Flora angehören, daher ihr vous pouvez venir ici pour voir quelques Auftreten in Mull sehr interessant ist, dessins de vos plantes fossiles que je zugleich zeigen sie, dass diese Forma- voudrais citer et après cela je vous mon- tion unzweifelhaft miocen ist. Was die trerai l’ovrière [sic!] porte 88 à Jermyn Platane betrifft, da sind die Blattränder St[reet]. Je vous envoie une lettre que M. leider nicht erhalten und ist daher eine Prestwich a bien voulu vous donner. Elle ganz sichere Bestimmung nicht möglich. pourrait bien être utile. M. [John] Divett Alles, was erhalten ist, stimmt aber wohl est le propriétaire de Bovey-Tracey. Tou- zu Platanus aceroides, und es gilt alles, jours votre devoué was ich S. 172 darüber gesagt habe. Charles Lyell Unter den freundlichsten Grüssen an Sie und Ihre Frau Gemahlin, 17. Goldensquare, 13. September 1861 Ihr ganz ergebener Mein lieber Herr Lyell, Oswald Heer Gestern habe ich glücklicherweise in Jer- mynstreet Herrn Ramsay getroffen, wel- 18. London, 2. Oktober, 1861 cher mir mit der grössten Bereitwilligkeit My dear M. Heer, und Freundlichkeit die Pflanzen von Ard- I write to ask you to let me know when tun Head gezeigt hat. Der Saxites camp- you arrive in London. Dr Hooker has invi- belli ist wirklich die Sequoia langsdorfi, ted me to go with you someday to Kew die Charaktere dieser Art sind wohl to examine unto the Platanus question. erhalten, und es ist ein prächtiges Exem- He has sent me a beautiful set of Ori- plar in der Sammlung. Von Pl. 3, Fig. 4, ental, American and Mexican species of der Abhandlung von Forbes 89 habe ich in Platanus seed or fruits which I will show meiner Flora (französische Übersetzung, you here. I have also many other things S. 172, Anmerkung) die Vermuthung aus- to show you. I hope Mister Merian and gesprochen, dass sie zu Corylus grosse- Escher von der Linth are well dentata lt. gehöre und dass der Rand believe me very truly yours unrichtig gezeichnet sei. Ich hatte meine ChaLyell Vermuthung auf die Nervation gegrün-

87 Joseph Prestwich (1812–1896), englischer Geologe und Unternehmer. 88 Gemeint ist wohl «porte ouverte». 89 EDWARD FORBES: On the Connexion between the Distribution of the existing Fauna and Flora of the British Isles, and the Geological Changes which have affected their area, in: Memoirs of the Geological Survey of Great Britain 1 (1846), S. 336–432. Heer konnte dieses Periodikum in der Bibliothek der NGZ einsehen, die heute in der ZBZ aufbewahrt wird (Signatur: NG 367). 90 In Menat in der französischen Auvergne wurden eozäne Pflanzenfossilien gefunden. 32 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell

19. London, 4. Octobre [1861] zurück und bedankt sich noch einmal Mon cher Heer, ganz herzlich für die Gastfreundschaft. J’ai examiné les plantes que M. le Prof. Den Rückweg haben sie [Arnold Escher Harkness 91 a envoyé et elles ne meritent von der Linth und Peter Merian] über pas votre attention. Presque toutes sont, Belgien genommen und bei dieser Gele- je suis sur, indeterminables. Vous les ver- genheit Aix-la-Chapelle 94 besucht und rez toutes deballées lundi matin et en die Kreidepflanzen aus der Sammlung moins que 5 minutes vous me donne- des Herrn Debey 95 studiert. Sie mach- rez votre opinion. Les insectes je laisse ten auch Abstecher nach Antwerpen, chez vous et je vous prie de les rappor- Leiden, Harlem und Amsterdam. Die ter lundi, mais si le temps vous manque, reichen Sammlungen in Leiden und die vous pouvez les voir ici avec moi. A vous zahlreichen Fossilien von Öhningen im revoir lundi matin votre trés devoué Teylers Museum in Harlem interessierten Cha Lyell sie sehr. Er hat gestern zwei Tafeln mit Zeich- 20. London, [1861] 92 nungen neuer Pflanzen von Bovey- (Zusammenfassung) Tracey an Herrn Pengelly geschickt, Mister King93 hat Lyell Insekten aus prä- darunter auch einen Käfer der gleichen und postglazialen Ablagerungen von Fundstelle der Gattung Buprestites, der Suffolk und Norfolk geschickt, die er zwar schlecht erhalten, aber nicht unin- hiermit Heer zur Bestimmung zukommen teressant ist. Heer hat ihn als Buprestites lässt. Er soll sie im Hotel Golden Square falconeri beschrieben. Pengelly hat er lassen, Lyell wird morgen jemanden zur zudem den ersten Teil seiner Abhand- Abholung vorbeischicken. Er ist heute lung über Bovey-Tracey mit der Beschrei- [mit Heer] bei Falconer zum Essen ein- bung der Arten zukommen lassen, den geladen, kann aber wegen seines Bein- seine Tochter übersetzt hat. Er bittet leidens nicht kommen. Er bedauert, dass darum, dass ein Engländer den Text aber er bei dieser Gelegenheit Heers Neuig- nochmals durchgehe. Von den 55 Arten keiten über die Pflanzen von Mull nicht stammen 50 aus dem Miozän und 5 aus persönlich erfahren kann. dem Pleistozän. Heer hat die Arbeit von Richardson gele- 21. Zürich, 16. November 1861 sen 96, die gute Beschreibungen der Ter- (Zusammenfassung) tiärpflanzen enthält. Er äussert ein paar Heer ist in der letzten Oktoberwoche kritische bzw. weiterführende Bemer- von seiner Englandreise zurückgekehrt, kungen zu einzelnen Arten. Er teilt Lyell wo ihn viel Arbeit erwartete. Er denkt en passant mit, dass Goeppert Heers Kor- gerne an die interessante Zeit und die rekturen schlecht aufgenommen habe, Stunden der Gemeinschaft mit Lyell

91 Robert Harkness (1816–1878), Geologieprofessor am Queen’s College in Cork (Irland). 92 Der Brief ist nicht datiert. 93 Samuel William King (1821–1868), englischer Entomologe und Geologe. 94 Aix-la-Chapelle = Aachen. Von 1794 bis 1814 gehörte Aachen zu Frankreich. 95 Matthias Hubert Debey (1817–1884), Arzt und Paläontologe in Aachen. 96 JOHN RICHARDSON: Arctic searching Expedition: A Journal of a Boat-Voyage through Ruperts Land and the Arctic …, London 1851. Möglicherweise hat Heer das Exemplar benutzt, das ihm in der Bibliothek der NGZ zur Verfügung stand (heute ZBZ, Signatur: NR 773 und 774). Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 33 die er über sein Werk über die Pflanzen pleasure in announcing to you (not offi- von Schossnitz geäussert hatte.97 cially for that will be done in a few days, Hartung ist im Begriff, Heer zu verlas- I hope by our foreign Secretary) that we sen, der ein paar Tage bei ihm weilte. Er of the Geological Society have today ist von Königsberg gekommen und zieht awarded to you what is called «the pro- nach Heidelberg weiter. Beide erwarten ceeds of the Wollaston medal fund.» sie das baldige Erscheinen der neuen This means £ 20 or twenty pounds ster- Auflage von Lyells «Elements of Geo- ling. It is not the Wollaston medal which logy». Hartung wird zudem einen Teil will I am sure be awarded to you by and seiner Bovey-Tracey-Publikation überset- by, but there are several older claimants zen. on the list among foreigners, and this Er weist Lyell auf die neuste Nummer der year it has been given and I expect next «Bibliothèque universelle de Genève» year it will be given to Englishmen. Last hin (Lieferung Oktober 1861), in welcher year Daubrée 99 received the proceeds, or die Anthrazitvorkommen der Alpen nun the money which remains after we have richtigerweise dem Karbon zugeordnet paid about £ 10 for the gold medal. We werden.98 are required to give it to help on some Heer bedauert, in England Frau Bur- work which is in progress. I told them dett-Coutts nicht persönlich kennen that you had received no profits for the gelernt zu haben. Dieser Tage war Herr «Flora tertiaria Helvetiae» and had more Barth, der Besitzer des Öhninger Stein- plants to publish. Mr Prestwich was deci- bruchs hier. Heer wird Hooker eine ent- dedly in favour of voting you this encou- sprechende Sammlung von Pflanzen ragement and it was carried out unani- zukommen lassen. Barth fand zudem mously in a full council. You will receive ausnehmend schöne Exemplare des Rie- it abouth 20th February or next month. sensalamanders Andrias scheuchzeri und Until you hear about it from the Secre- einer Schildkröte. Er verlangt für beide tary you should say nothing about it but aber den stattlichen Preis von 1’400 the award is final and does not require Franken. confirmation from the Society. My wife sends her remembrances to you and 22. [London], 6. Februar 1862 your family. Mon cher Heer, Believe me ever yours sincerely I was beginning in french to thank you Cha Lyell for the excellent photograph of your- self, Linth Escher and Merian which I had 23. Zürich, 26. Februar 1862 much wished to possess. It will remind (Zusammenfassung) me pleasantly of the interesting time Heer dankt Lyell für den Wollaston-Preis, I spent with you this year. I have great den er ohne Zweifel nur aufgrund sei-

97 HEINRICH ROBERT GOEPPERT: Die tertiäre Flora von Schossnitz in Schlesien, Görlitz 1855. 98 Heer nimmt Bezug auf den Aufsatz von: ALPHONSE FAVRE: Notice sur la réunion extraordinaire de la Société Géologique de France à Saint-Jean-de-Maurienne, (Savoie), le 1er Septembre 1861, in: Archives des sciences physiques et naturelles (Unterreihe von: Bibliothèque universelle. Revue Suisse et étrangère), Nouvelle période 12 (1861), S. 154–182. Zum Anthrazit-Streit vgl. U. B. LEU (2013), S. 390f. 99 Gabriel Auguste Daubrée (1814–1896), französischer Geologe, Mitbegründer der Meteoritenfor- schung. 34 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell ner Fürsprache erhalten hat. Er betrach- merikas Insekten der Gattung Blattina tet dies als Zeichen seiner Freundschaft gefunden. Sie kommen auch in Wettin zu ihm. Heer hofft, dass seine neuen (Sachsen) und in Schambelen vor. Arbeiten diese Wohltat rechtfertigen werden. Er erwartet gespannt die Neu- PS: Heer hat einen Brief von Frau Bur- auflage von Lyells «Elements of Geo- dett-Coutts erhalten. Ausserdem hat sie logy». Morlot 100 hat Lyell seine Arbeit Heers Zeichner, Herrn P. Brugier, einem über die Pfahlbauten geschickt.101 Er bescheidenen Mann, ein grosszügiges glaubt, am Cone de la Tinière ein Mit- Geschenk gesandt. tel zur Altersbestimmung gefunden zu haben, doch haben sich seine Annahmen 24. Zürich, 27. April 1862 als falsch erwiesen. (Zusammenfassung) Heer beschäftigt sich gerade mit der Heer hat von Pengelly eine Sammlung Keuper-Flora Basels, die derjenigen fossiler Pflanzen von Hempstead (Isle of Stuttgarts ähnlich ist. Die Keuper- und Wight) empfangen. Er teilt Lyell Resul- die Lias-Floren müssen dringend revi- tate seiner Untersuchungen zu den fol- diert werden. Heer geht kurz auf die genden zehn Arten mit, die ihn mögli- Gattung Equisetum des Basler Keupers cherweise interessieren könnten: Chara und von englischen Fundstellen ein. In escheri, Chara tuberculata, Sequoia Basel wurden schöne Blätter von Tae- couttsiae, Cypenites forbesi, Sabal major, niopteris mit Früchten gefunden, die Andromeda reticulata, Nymphaea doris, nachfolgend diskutiert werden. Die Nelumbium buchii, Carpolithes websteri Flora von Schambelen (bei Mellingen, und Carpolithes globales. Heer hat Pen- Kanton Aargau) unterscheidet sich vom gelly einen kleinen Artikel für die Zeit- Keuper, gehört dem unteren Lias an schrift der Geologischen Gesellschaft und hat einige Arten mit der Flora von in London geschickt und würde sich Lyme Regis gemeinsam wie zum Beispiel freuen, wenn er publiziert würde.103 Auraucaria peregrina. Heer beschäftigt Prof. Oliver 104 hat ihm seine Arbeit über sich seit mehreren Wochen auch mit die Verbreitung der nördlichen Pflanzen den Insekten von Schambelen. Er hat gesandt. Heer ist mit den quantitativen zwar viele Funde, doch sind sie schwie- Vergleichen der belegten Fossilien in rig zu bestimmen. Was seine Publikation Amerika und Europa nicht einverstan- über Bovey-Tracey angeht, so vermisst er den und teilt seine Korrekturen mit. Nachrichten über den Stand der Dinge. Heer hat von Hooker schon lange nichts Lesquereux 102 hat im Karbon Norda- mehr gehört. Er hat ihm eine kritische

100 Adolph von Morlot (1820–1867), Geologieprofessor in Lausanne und Prähistoriker. Zu Lyell und Morlot vgl. u.a. L. G. WILSON (2002). 101 ADOLPH VON MORLOT: Une date de chronologie absolue en géologie, in: Archives des sciences phy- siques et naturelles (Unterreihe von: Bibliothèque universelle. Revue Suisse et étrangère), Nou- velle période 13 (1862), S. 308–313. 102 Leo Lesquereux (1806–1889), Schweizer Bryologe und Pionier der nordamerikanischen Paläobota- nik. 103 OSWALD HERR: On certain fossil plants from the Hempstead beds of the Isle of Wight. With an introduction by W. Pengelly, in: The Quarterly Journal of the Geological Society of London 18 (1862), S. 369–377. 104 Daniel Oliver (1830–1916), englischer Botaniker, von 1861–1888 Botanikprofessor am University College London und Bibliothekar im Herbarium der Kew Gardens. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 35

Stellungnahme zu den «Outlines of the den zahlreichen Tafeln geschehen soll. Principal Facts in Fossil Botany» als Kapi- Er macht Heer auf eine Neuerscheinung tel seiner Arbeit «On the Flora of Aus- von Richard Th. Lowe mit dem Titel «A tralia»105 und zu seinen Ausführungen Manual Flora of Madeira» aufmerk- über die historische Entwicklung des sam.109 Der Autor zweifelt verschiedene Pflanzenreichs mitgeteilt und hofft, dass fossile Pflanzenbestimmungen Heers er ihm das nicht übel genommen hat. an. Hooker lässt fragen, was Heer dazu Heer hat sich erlaubt, gegenüber Hoo- meine. Falls Heer möchte, will Lyell ihm ker offen zu sprechen, weil er ihn sehr das Buch schicken. schätzt und sich mit ihm freundschaft- Falconer verteidigt Heers Atlantis-Theo- lich verbunden weiss.106 rie, ist aber der Meinung, dass Unger 110 Heer erkundigt sich, ob es wahr sei, das alles schon gesagt habe. Lyell hat dass Wollaston krank sei. Madame de keine Zeit, um die Arbeit von Oliver zu Rumine 107 in Lausanne ist ebenfalls lesen bis sein Buch «The Antiquity of krank, was ihn beunruhigt. Über seine Man» erschienen ist. Hooker hat Lyell eingereichte Bovey-Tracey-Publikation mitgeteilt, dass er Heer geschrieben hat er noch immer nichts gehört. habe. Derzeit seien Hookers Vater und der Hauptgärtner der Kew Gardens 25. London, 14. Mai 1862 krank. (Zusammenfassung) Lyell bedauert, sich nicht schon lange 26. Zürich, 25. Mai 1862 111 für die zugesandte Photographie von Mon cher Monsieur, Heer, Escher von der Linth und Merian Votre photographie m’a fait grand plai- bedankt zu haben und schickt im Gegen- sir; je vous en dis bien des remerciments. zug eine von ihm.108 Lyell weiss zu berich- En la regardant je me souviens vivement ten, dass Heers Bovey-Tracey-Arbeit de vous et de toutes les preuves de votre zwei positive Gutachten erhalten habe. amitié et bienveillance. En attendant j’ai Vermutlich herrscht im Moment Funk- reçu une charmante et interessante let- stille, weil noch nicht klar ist, was mit tre de Mons. le Dr. Hooker, qui me mon-

105 JOSEPH DALTON HOOKER: On the Fossil Flora of Australia. Its Origin, Affinities, and Distribution, Being an Introductory Essay to the Flora of Tasmania, London 1859. Heers Handexemplar ist im Besitz der Bibliothek der ETH Zürich, Signatur: T 522 q. Es verfügt über eine Widmung von Hooker an Heer: «Prof. O. Heer with the author’s kind regards». Vgl. auch U. B. LEU (2013), S. 430, Anm. 100. 106 In der Bibliothek von Kew Gardens in London wird der Briefwechsel von Joseph Dalton Hooker mit Oswald Heer im Band mit folgender Bezeichnung aufbewahrt: North Europe Letters, Gra.– Mur. 1845–1900, vol. 136. Darin konnte von mir kein entsprechender Brief von Heer an Hooker gefunden werden. 107 Catherine de Rumine (1818–1867), russische Adlige, die in Lausanne residierte und wohltätige Projekte förderte. Charles Théophil Gaudin (siehe Anm. 73) war der Hauslehrer ihres Sohnes Gabriel de Rumine (1841–1871). 108 Lyell irrt sich. Er hatte sich bereits im Brief vom 6. Februar 1862 dafür bedankt. 109 In der Bibliothek der ETH Zürich ist lediglich die Ausgabe von 1868 greifbar. 110 (1800–1870), österreichischer Arzt, Botaniker und Paläobotaniker. 111 Dieser Brief befindet sich unter den wenigen resümierenden Abschriften, die Heer von seinen Schreiben an Lyell gemacht hat. Sie verfügen weder über Anrede noch Grusswort. Sie sind unter der Signatur «NOH 182» in der ZBZ aufgestellt. Aufgrund der Bemerkung über das Werk von Richard Lowe, die er im nächsten Brief an Lyell vom 12. August 1862 wiederholt, liegt die Schluss- folgerung nahe, dass er vielleicht nicht abgeschickt worden ist. 36 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell tre que mes craintes ont été mal placées. Engadin. Die Publikation der Bovey-Tra- Je suis bien faché de l’indisposition de Sir cey-Arbeit ist im Gang, wird sich aber W. Hooker. Mons. Pengelly m’a écrit qu’il noch hinziehen. Hooker wird freund- était à Torquay dans ce moment. licherweise auch die Korrekturfahnen Je ne connais pas le livre de M. Lowe; je lesen. l’acheterais, car je m’interesse beaucoup Das Buch von Lowe kennt er noch nicht, pour la Flore de Madère. Les feuilles de hat es sich aber bestellt. Heer nimmt St. Jorge sont très mal conservées, de Stellung zu den von Lowe erhobenen sorte qu’il est très difficile de les deter- und von Lyell geschilderten Vorwür- miner. C’est pourquoi j’ai dessigné plu- fen, was die Bestimmung und quantita- sieurs espèces comme très douteuses tive Auswertung verschiedener fossiler dans mon memoire et signé avec un ? Pflanzen angeht. Psoralea et Ulmus y appartiennent. Plus Was die Atlantis-Theorie betrifft, ist es tard Mons. Johnson m’a envoyé de meil- schwierig zu sagen, wer sie als erster leures exemplaires de cette Ulmus ?, que geäussert hat. Sicher wurde schon frü- j’ai reconnue comme Rubus. J’ai écrit cela her darauf hingewiesen, dass es eine à M. Johnson et je pense que M. John- Verbindung zwischen Amerika und Eur- son a communiqué à M. Lowe. [E]t j’ai opa gegeben haben muss, aber Heer dit cela dans mes recherches sur le climat denkt, dass er der erste war, der in seiner et la végétation tertiaire (pag. 179 note). Abhandlung über die Pflanzen von St. De Psoralea j’ai dit dans mon mémoire Jorge [1855] wie auch in seiner Tertiär- sur les plantes de St. Jorge (pag. 33): flora [1859] dafür eine wissenschaftliche «Une feuille très douteuse, qui peut-être Grundlage geliefert hat. Erstgenannte comparer à la p[.?.]nule de Psoralea den- Arbeit wurde von Charles Th. Gaudin ins tata.» C’est vrai qu’elle ressemble aussi Französische und von Abramo Bartolo- à Rubus, but it is dotted and in that it meo Massalongo ins Italienische über- more agrees with Psoralea; mais c’est, setzt. Die entsprechende Publikation comme j’ai dit auparavant, un fragment von Unger «Über die versunkene Insel très douteux. Atlantis» erschien erst 1860.114

27. Zürich, 12. August 1862 28. London, 14. Oktober 1862 (Zusammenfassung) (Zusammenfassung) Heer wollte Lyells Brief vom Mai früher Lyell hofft, Heer sein neustes Werk bald beantworten, doch Herr und Frau Hoo- zustellen zu können, doch findet er ker 112 haben ihn während ihres Aufent- immer wieder neue Publikationen, die haltes in Zürich darüber aufgeklärt, dass er noch berücksichtigen sollte, so dass es Herr und Frau Lyell 113 in Florenz weilten wohl noch weitere sechs Wochen dau- und nun wieder in England seien, sich ern wird, bis das Buch publiziert werden derzeit aber nicht in London aufhielten. kann. Er möchte wissen, wieviele Meter Den Hookers hat es in der Schweiz gut über dem Zürichsee die Schieferkohle- gefallen, insbesondere der Ausflug ins ablagerungen von Dürnten und Uznach

112 Hookers Frau, geborene Frances Harriet Henslow (1825–1874), war die Tochter von John Stevens Henslow (1796–1861), Freund und Mentor Charles Darwins. 113 Lyells Frau, geborene Mary Horner, war an Geologie sehr interessiert, begleitete ihren Mann häu- fig auf Reisen und pflegte die Lyellsche geologische Sammlung. Vgl. H. HÖLDER (2011), S. 140f. 114 Vgl. U. B. LEU (2013), S. 399f. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 37 zu finden sind. Er hatte sich notiert, dass Ursprungs ist und gebildet wurde, als die Kohle 80 Meter über der Ebene auf- der Spiegel des Zürichsees einige hun- tritt. Schicht A (Konglomerate) veran- dert Fuss höher gelegen hat. Auch das schlagt Lyell auf 40 Meter, Schicht B mit darüberliegende Konglomerat scheint Kohle (Lignite) auf 20 und Schicht C mio- präglazial zu sein, denn das Geröll ist zäne Nagelfluh auf 40 Meter. Liegt die klein wie bei den Schichten des Cro- Schieferkohle von Dürnten auf der glei- mer Forest-Bed 115, die auch voreiszei- chen Höhe über dem Zürichsee? Lyell ist tich entstanden sind (Abb. 1). Professor der Ansicht, dass die Schieferkohle mit Ramsay 116 ist hingegen der Meinung, Elephas antiquus-Funden präglazialen dass es keine Seen gab, bevor die Glet-

Abb. 1. Cromer forest bed mit Detailansicht von fossilen Mollusken und anderen organischen Ablagerungen. Aufschluss von West-Runton bei Cromer, East Anglia, GB (Bilder: Conradin A. Burga, 1987). Fig. 1. Cromer forest bed with detail view of fossil molluscs and other organic material. Out- crop from West-Runton near Cromer, East Anglia, GB (Fotographs: Conradin A. Burga, 1987).

115 Die quartären Cromer Forest-Bed-Schichten sind Delta-Ablagerungen und finden sich an der Küste von Norfolk und Suffolk (GB) zwischen Weybourne und Pakefield. Sie sind bekannt für ihre fossilen Pflanzen- und Säugetierreste aus der Cromer-Warmzeit, ca. 600’000 Jahre vor heute. Vgl. REID (1890) und WEST (1980). Die Typuslokalität der Cromer Warmzeit befindet sich in West-Run- ton (vgl. Abb. 1). 116 Andrew Crombie Ramsay (1814–1891), englischer Geologe. 38 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell scher nicht ihre Becken gebildet hatten. liegenden Gerölls bis zu 30 Fuss. Unter Lyell fragt, was Heer dazu meine. Zudem dem Lignit, worin auch Elephas antiquus möchte er mehr über das von Heer gefunden worden ist, stösst man auf Let- erwähnte Mörschwil 117 erfahren. Gibt es ten [Ton], darunter Schichten der Molasse, keine anderen präglazialen Süsswasser- deren Dicke unbekannt ist. In Uznach ist ablagerungen ausser Dürnten, Uznach die Situation ähnlich. Die geschichteten und Mörschwil? Geröllmassen hält Heer zusammen mit Hartung kehrt bald nach Heidelberg Escher von der Linth für präglazial. Sie zurück. Lyell hofft, dass Gaudin und sind von erratischen Blöcken bedeckt, Escher von der Linth wohlauf sind, und die nicht in den Geröllhorizonten liegen. war erfreut zu hören, dass die Hookers Elephas antiquus, Rhinoceros, Bos pri- bei ihm waren. migenius und Cervus elaphus sind in den Ligniten von Dürnten gefunden und von PS: Lyell geht kurz auf ein paar Bemer- Rütimeyer bestimmt worden; beide Arten kungen von Oliver zu den fossilen Prote- kommen auch in den Pfahlbaufunden aceae ein. von Wetzikon vor. Die Stellung von Ele- phas primigenius ist noch unklar. Desor 120 29. Zürich, 17. Oktober 1862 118 hält das Tier für postglazial, doch ist es (Zusammenfassung) bei uns in Kiesbänken gefunden wor- Heer schreibt in deutscher Sprache, um den, die präglazial sein müssen. Wie Bos Lyells Fragen schneller zu beantworten. primigenius und Cervus elaphus hat es Der Zürichsee liegt auf 408,78 Meter über die Gletscherzeit wohl überlebt. Für das Meer, die Schieferkohle von Uznach auf präglaziale Erscheinen von Elephas pri- 512 Metern und Dürnten auf 515 Metern migenius spricht auch, dass er in Thürin- über Meer. Dieselbe Höhe hat Wetzikon gen in präglazialem Tuff gefunden wor- in der Nähe des Pfäffiker Sees, wo auch den ist (vgl. A. Hellmann).121 Seine eigene Lignite [= Schieferkohlen] gefunden wor- Abhandlung über «Die Schieferkohle von den sind und jetzt ausgebeutet werden. Uznach und Dürnten» hat Heer seinerzeit Bei Kaltbrunn sind sie auf 500 Metern Lyell geschickt. Dort hat er auch darauf über Meer und am Buchberg auf 494 hingewiesen, dass die Kohle überall auf Metern anzutreffen. Mörschwil 119 liegt etwa gleicher Höhe vorkommt und sich zwischen St. Gallen und Rorschach auf vermutlich am Rand eines aufgestauten 564 Metern über Meer. Die Mächtigkeit Sees gebildet hat. Die Lagerungsver- der Dürntener Lignite misst zwischen hältnisse in Uznach und Dürnten zeigen 5 und 12 Fuss, diejenige des darüber- klar, dass die Ansichten von Tyndall 122

117 Zu Mörschwil bei Rorschach vgl. WEBER (1923) und WELTEN (1982). 118 Der grössere Teil des Briefes (bis zu den persönlichen Mitteilungen am Ende) wurde von Lyells Frau ins Englische übersetzt und liegt dem Original in der University Library in Edinburgh bei. Offenbar war dieser Teil für Lyell von grosser Wichtigkeit, weshalb er den genauen Wortlaut davon haben und verstehen wollte. 119 Vgl. Anm. 117. 120 Pierre Jean Edouard Desor (1811–1882), Geologieprofessor an der Universität Neuchâtel. 121 Heer kannte das Werk möglicherweise aus der Bibliothek der NGZ (heute Bestand der ZBZ, Signa- tur: USN 129: wa): A. HELLMANN: Die Petrefacten Thüringens nach dem Materiale des Herzoglichen Naturalien-Kabinets in Gotha. 1. Lieferung: Die Diluvialfauna von Tonna, Werningshausen und Wandersleben. Palaeontographica, Supplement 1, Kassel 1862. 122 John Tyndall (1820–1893), irischer Arzt und Naturforscher. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 39 und Ramsay über die Wirkung von Glet- Do you know where he is residing now? schern unbegründet sind. Der Gletscher If I remember rightly I sent Keller’s copy hat das Lignitlager bedeckt, was die dar- to his (Morlot’s) care. I think I addressed überliegenden erratischen Blöcke bewei- them to «Montreux près Vevey». Perhaps sen. Dieser Gletscher aber, der weder die he was at Lausanne. The sale of my book Geröll- noch die weichen Lignitlager weg- has exceeded that of any preceding one zuschaffen vermochte, soll alle unsere about 5000 copies in four months. I hope Täler erodiert haben? Ein Irrtum, den you have read it and have some criticism auch die Geologen der Schweizerischen to send me. I shall be glad to know what Naturforschenden Gesellschaft ablehnen. you are writing now. I have returned Heer hofft, dass es Lyell und seiner Frau now to the new edition of my «Elements gut geht, und bittet um die Photogra- of Geology» in which I hope to allude to phie seiner Frau zuhanden seiner Toch- your botanical labours on the Swiss mio- ter und Gemahlin. Jedesmal, wenn er cene flora. Have you heard of Gaudin die Photographie von Lyell betrachtet, lately? I hope Mad[ame] Heer and your drückt er ihm im Geist herzlich die Hand. daughter are well. My wife desires [.?.] Heer war ein paar Tage mit Gaudin in remembrance [ .?.] ever much truly yours Luzern, wo sich auch Saporta 123 einge- Cha Lyell funden hatte, der ihn dann nach Zürich begleitete. Escher von der Linth war den 31. Zürich, 22. Mai 1863 ganzen Sommer in den Alpen. Auf der (Zusammenfassung) Spitze des Mürtschenpasses hat er im Heer lässt Lyell wissen, dass er das Buch weissen Jura fossile Krebse gefunden, «Antiquity of Man» erhalten habe wie die gegenwärtig von Oppel 124 unter- auch das für Ferdinand Keller bestimmte sucht werden. Exemplar und entschuldigt sich, sich noch nicht dafür bedankt zu haben. Er 30. London, 19. März 1863 wollte das Werk erst gründlich lesen und My dear Heer, sich dann melden. Zudem war er mit der I hope you received a copy of my work Bearbeitung der vortertiären Schwei- on the «Antiquity of Man» which was zer Floren beschäftigt. So ist inzwischen sent to you by post in February last. I eine ziemlich reichhaltige Flora prima- also sent copies in the same way or post- ria und secundaria der Schweiz mit vie- paid by book post to Mr Morlot and to len Tafeln entstanden. Zudem arbeitet Mr F. Keller 125 but I have never recei- er an einem populärwissenschaftlichen ved any acknowledgements from them Werk mit dem Titel «Die Urwelt der of their having got the book. Professor Schweiz», dessen Drucklegung in diesen Rütimeyer of Basle and Gaudin are the Tagen begonnen hat. Hinzu kamen Vor- only persons in Switzerland who have lesungen und viele amtliche Geschäfte, written to say that my presents reached die ihn an der Lektüre von Lyells «Anti- them safely. I am the more surprised at quity of Man» gehindert haben. Ausser- not hearing from Morlot because he had dem plagten ihn Sorgen um Gaudin, der previously been a good correspondent. in Neapel fast an Nervenfieber gestor-

123 Marquis de Louis Charles Joseph Gaston de Saporta (1823–1895), französischer Paläobotaniker. 124 Carl Albert Oppel (1831–1865), Professor für Paläontologie in München. 125 Ferdinand Keller (1800–1881), Schweizer Archäologe und Pionier der Pfahlbauforschung. 40 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell ben wäre, und seine Tochter Damaris, I trust that your own health will not suf- die seit fünf Wochen schwer krank ist. fer from this severe trial and that you Der Gedanke, das liebe Kind möglicher- have been able to continue your pro- weise zu verlieren, erfüllt ihn und seine fessorial duties for under such circum- Frau mit tiefstem Kummer. stances it is often useful to be obliged by Er hört gerne, dass Lyells Werk so gute duty to go on with some at least of your Aufnahme gefunden hat.126 Das von accustomed labours. ihm auf S. 145 erwähnte Auffinden von It was very kind of you in the midst of menschlichen Werkzeugen in Abbeville your grief and anxieties to send me hat sich bereits bestätigt, was ihn sicher some useful criticism which enabled me freut. Heer kommt sodann auf die Pflan- immediately to amend the French trans- zen der Pfahlbauten zu sprechen. Er kor- lation of my second edition. I allude to rigiert Lyell dahingehend, dass Planera the country of the Planera and the kind richardi nicht in Nordamerika, sondern of Hordeum most common in the lake im Kaukasus und auf Kreta wachse. dwellings and some other points. Die Gletscherkarte, die Ramsay publi- I was glad to hear that you had been ziert hat, geht nicht auf Morlot, sondern studying the fossil botany of formations auf Escher von der Linth zurück (1852). older than the tertiary and long to see Von Morlot hat er schon lange nichts the results in print. Mr Pengelly tells me mehr gehört. Die Tafeln für die Bovey- that the Bovey-Tracey paper is at last Tracey-Arbeit sind gedruckt, doch die coming out. He is elected a fellow of the Publikation zieht sich unglaublich in die Royal Society, one of fifteen chosen out Länge. of more than 60 candidates. I was sorry to hear that our friend Gau- 32. London, 10. Juni 1863 din had been so seriously ill. He wrote My dear Heer, to me from Palermo but I had no news Your former letter alarmed me so much of him after he had set out on his way that I was afraid before long I should home. I trust he has not suffered perma- receive the sad tidings which yesterday’s nently from the effects of his fever, post brought to us. I assure you we fully believe me my dear friend ever much sympathize with you in your sorrow for truly yours so great a loss and I do so the more from ChaLyell having known your youngest daugh- ter 127 and thought her though she was 33. Zürich, 19. August 1863 then only ten years old a very interesting (Zusammenfassung) child and I can well imagine how much Heer bedankt sich für die tröstenden more dear she had become to you and Worte Lyells und bringt seine nach wie her family during the five years which vor grosse Trauer und Fassungslosig- have passed since we were last at Zürich. keit über den Tod seiner Tochter Dama-

126 Lyells Buch erschien 1863 in drei verschiedene Auflagen, und zwar im Februar, April (Auflage von 5’000 Stück) und November. Sie unterscheiden sich leicht in ihrem Umfang (XII + 520 S.; XVI + 528 S.; XVI + 551 S.). Er überarbeitete jede Auflage stellenweise, änderte aber am Inhalt kaum etwas. Vgl. D. K. Grayson (1985). 127 Heers jüngste Tochter Damaris (1848–1863) starb 15jährig. Er benannte nach ihr die fossile Frucht Bignonia damaris aus der Familie der Trompetenbaumgewächse. Vgl. HEER (1865), S. 331, Fig. 180; BURGA (2013), S. 153. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 41 ris zum Ausdruck [vgl. Anm. 127]. Sein mannigfachem Interesse. Zudem liegen Leben und das seiner Frau ist wie verö- neue spannende Untersuchungen über det. Auch Escher von der Linth befindet die Foraminiferen des Neocom [untere sich in Trauer, denn seine Frau ist nach Unterkreide] und Gault [obere Unter- monatelangem Leiden gestorben. kreide] vor. Studer 128 und Merian werden nach Der Druck der «Urwelt der Schweiz» Maastricht zur Versammlung der fran- geht langsam voran. Er hofft, ihm bald zösischen geologischen Gesellschaft das erste Heft zusenden zu können. Heer fahren und hoffen, Lyell dort zu sehen. will mit Frau und Tochter zur Erholung Beiliegend sendet er Lyell die Zeichnung in die Berge fahren. Gaudin ist gesund, einer kleinen Chara-Frucht, die in einer aber immer noch schwach in Lausanne Süsswasserablagerung zwischen Jura angekommen. Hartung war im Juni acht und Kreide in der Gegend von Le Locle Tage bei ihm, ging nachher ins Tessin gefunden worden ist. In dieser relativ und in den Hegau. Mayr hat die fossilen grossflächigen Schicht wurden ausser- Mollusken von Madeira fertig bearbeitet dem Lymnaeus, Planorbis, Cyclas, Ana- und hält sie für miozän und gleichzeitig dontea und Poladinea gefunden. Es ist mit denjenigen von St. Maria auf den unklar, ob die Formation ins Wealden 129 Azoren. oder ins Purbeck 130 gestellt werden soll. Ein Vergleich mit den Chara-Funden 34. London, 24. November 1863 aus dem englischen Purbeck von Forbes (Zusammenfassung) könnte hilfreich sein, doch vermochte Lyell dankt Heer für die Zusendung des Heer nirgends eine Abbildung oder ersten Teils der «Urwelt der Schweiz». Publikation zu finden. Jedenfalls zeigt Er bereitet eine Neuauflage seiner «The diese Süsswasserformation, dass zu Ende Student’s Elements of Geology» vor und der Jurazeit eine grosse Hebung statt- bittet Heer, ihm ein paar Sätze zu den fand, das Juragebirge trocken lag und Kreide-Schichten von Aix-la-Chapelle zu eine Süsswasserablagerung entstand. schreiben. Der Publikation von Debey Vermutlich gehört diese zum Wealden, hat er entnommen, dass dort über 200 weil sich damals das Festland über weite Arten gefunden worden sind, wobei Teile Europas erstreckte. Danach kam etwa ²⁄³ dicotyledonte Angiospermen, es wieder zu einer Senkung längs der davon die Hälfte Proteaceae, darun- Alpen und der Westschweiz sowie zur ter auch noch lebende Gattungen wie Bildung eines abgeschlossenen Meeres. Dryandra oder Grevillea; zudem etwa Der Vergleich der Tierwelt der beiden 40 Farne, aber keine Palmen, ein paar Küsten (Alpen und Westschweiz) dieses Cycadeen und Coniferen wie Sequoia Kreidemeeres und der allmählichen und Araucaria. Lyell denkt, dass Roe- Umänderung derselben, wie sie Pictet in mer 132 recht hat, wenn er vermutet, seiner Monographie über die Kreidetiere dass diese Formation jünger ist als der von St. Croix 131 vorgestellt hat, ist von «obere Greensand» von England und

128 (1794–1887), Geologieprofessor in Bern. 129 Wealden = Unterkreide (in England). 130 Purbeck = Wende Jura/Kreide (in Südengland). 131 FRANCOIS JULES PICTET: Description des fossiles du terrain crétacé des environs de Sainte-Croix, Genf 1861ff. 132 Vermutlich Friedrich Adolph Roemer (1809–1869), deutscher Geologe und Paläontologe. 42 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell wohl das Alter des «Chalk Marl» hat, Debey acht bis zehn Arten in Aachen der auf dem «Greensand» liegt.133 Es fol- entdeckt. gen weitere Ausführungen zu Lage und Escher hat Desor und Martius 136 nach Alter der Schichten von Aix-la-Chapelle. Algier begleitet. Gegenwärtig sind sie in Lyell wäre Heer sehr verpflichtet, wenn der Wüste und machen die Dattelernte er etwas über die Anzahl der Pflanzen- mit. Sie wollen auf Neujahr zurück sein. arten in diesen Schichten sagen könnte. Weder er noch Escher konnten sich bis Er soll Escher, seine Frau und seine Toch- jetzt von den Todesfällen in ihren Fami- ter grüssen. Heers Arbeit über Bovey- lien erholen. Tracey 134 hat viel Zuspruch gefunden. Hartungs Arbeit über Madeira wird bald erscheinen. Die Mollusken hat 35. Zürich, 1. Dezember 1863 Mayr bearbeitet und sie ins obere Ter- (Zusammenfassung) tiär gestellt. Heer freut sich, dass seine Heer bedankt sich für den Brief und teilt Arbeit über Bovey-Tracey freundliche Lyell mit, dass er die Sammlung von Dr. Aufnahme gefunden hat. Debey leider auch nie gesehen habe. Es war eine Publikation der Funde zusam- Zwei separate Blätter über Aix-la-Cha- men mit Ettingshausen 135 vorgesehen, pelle: der sich aber vom Vorhaben zurückge- Debey fand in der oberen Kreide etwa zogen hat. Heer schickt Lyell eine kurze 400 Pflanzenarten, hat bis jetzt aber nur Notiz zu dieser Kreideflora als Beilage. die Kryptogamen publiziert (67 Arten). Er erwähnte sie auch in seinen «Recher- Darunter befinden sich drei Gattungen, ches sur le climat et la végétation ter- die heute noch leben. Unter den Phane- tiaire» (S. 180f.) sowie in einer Miszelle rogamen sind vor allem die Koniferen in Sillimans American Journal [= The gut vertreten. Die häufigste Gattung American Journal of Science and Arts] ist Cycadopteris, die man nur schwer vom Mai 1861 [S. 435–440], die er ihm von Sequoia unterscheiden kann. Darü- geschickt hat, und nimmt auch in der ber hinaus kommt auch eine Araucaria «Urwelt der Schweiz» darauf Bezug. Er vor, die mit derjenigen Australiens ver- wird ihm den entsprechenden Bogen glichen werden kann. Die Cycadeen feh- nach Drucklegung schicken. Darin fin- len in Aix, und die Monocotyledonen den sich auch andere Kreidepflanzen kommen selten vor. Ob sich auch Palmen berücksichtigt. Zudem hat Dr. von der darunter befinden, ist unsicher. Von den Mark neuerdings verschiedene weitere Dicotyledonen sind 200 Arten gefun- Kreidefunde aus Westfalen publiziert. den worden, darunter Quercus, Ficus, Die Algen hat er aber falsch bestimmt. Juglans und Myrtaceen. Die am meisten Es folgen Ausführungen zu den Algen vorkommenden Blätter gehören zu den von Trias bis Flysch. An Insekten hat Proteaceen, von denen Debey 60 bis 70

133 Chalk Marl/oberer Greensand: Chalk Marl (Cenomanian = unterste Oberkreide) liegt auf dem oberen Greensand (Albian = oberste Unterkreide). 134 OSWALD HEER: On the Fossil Flora of Bovey-Tracey, Devonshire, in: Philosophical Transactions of the Royal Society 152 (1862), S. 1039–1086. Zur modernen stratigraphischen Stellung vgl. EDWARDS (1976). 135 Constantin Freiherr von Ettingshausen (1826–1897), promovierter Mediziner, war bis 1871 für die Geologische Reichsanstalt und nachher als Professor für Botanik an der Universität tätig. 136 Vermutlich Karl Philipp Friedrich Martius (1794–1868), deutscher Botaniker und Ethnologe. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 43

Arten erwähnt, wovon sechs heute noch Tod seines Vaters 139 verhindert. Er starb leben. mit beinahe 80 Jahren, lebte hier und war bis zum Schluss bei besten Geistes- 36. London, 20. Dezember 1863 kräften. Den Bogen 14 der «Urwelt der (Zusammenfassung) Schweiz», in dem die Kreideflora abge- Lyell dankt Heer, dass er ihm seinen handelt wird, wird er zwischenzeitlich Brief an Dr. Newberry 137 zur Kenntnis erhalten haben. Vor einigen Tagen hat gebracht hat. Er ist sich sicher, dass New- er ihm die Bogen 7 bis 14 zugeschickt. berry gewisse Arten fehlerhaft identifi- Falls er Zeit findet, sie zu lesen, wäre er ziert hat und dass er falsch liegt, wenn für ein Urteil Lyells dankbar. Alle Dicoty- er die fossilen Pflanzen aus Nebraska in ledonen sind jünger als das Gault [obere die untere Kreide stellt. Capellini 138 aus Unterkreide]. Die angesprochenen Pal- Bologna war vor zwei Wochen in London men wurden in Schlesien und in Öster- und datierte diese in die obere Kreide. reich gefunden. Marcou hat zusam- Lyell hofft, dass er bald eine hübsche men mit Capellini eine Reise nach Big Sammlung aus Nebraska erhalten wird. Sioux gemacht und berichtet, dass er In seinem letzten Brief scheint Heer zu einige gute Pflanzenfossilien gefunden zweifeln, dass in Aix auch Palmen gefun- habe, die sich tatsächlich an der Basis den worden sind, aber in seiner Antwort der Kreide von Nebraska befunden hät- an Newberry erwähnte er doch wel- ten. Diese Schicht entspricht etwa dem che von Aix, oder meinte Heer, dass sie Alter der unteren Partie der weissen anderswo in der Kreide Europas gefun- Kreide des Pariser Beckens. Demnach ist den worden sind? Zudem würde Lyell diese Flora etwa so alt wie diejenige von gerne wissen, ob er sich wirklich sicher Aachen, weshalb die genaue Untersu- ist, dass Blätter von Dikotyledonen in der chung der letztgenannten interessante unteren Kreide von Europa entdeckt wor- Resultate zeitigen könnte. Es ist daher den sind. Er kann keinerlei dicotyledone schade, dass die Arbeit von Debey ins Angiospermen tiefer als im Gault [obere Stocken geraten ist. Sobald Heer die Unterkreide: Albium oder Aptium] oder Nebraska-Blätter erhalten hat, wird er Pläner-Kalk ausmachen. Vielleicht behan- sich mit Debey in Verbindung setzen, um delt Heer diese Fragen im noch ausste- die Beziehung dieser Floren zu diskutie- henden Kapitel über die Kreide-Flora in ren. der «Urwelt der Schweiz». Er hofft, ihm Escher von der Linth ist aus Algerien in ein paar Tagen das Supplement zur glücklich zurückgekehrt. Er brachte ver- dritten Auflage von «The Antiquity of schiedene Fossilien mit. Merkwürdig Man» zukommen lassen zu können. ist, dass in den artesischen Brunnen der Wüste Fische vorkommen, die mögli- 37. Zürich, 6. Februar 1864 cherweise über unterirdische Wasser- (Zusammenfassung) ardern aus kleinen Seen dahin gelangt Heer hätte Lyell gerne früher geantwor- sind. Gaudin untersucht zurzeit Num- tet, war aber durch Arbeiten und den muliten. Von Hartung hat er einen Brief

137 John Strong Newberry (1822–1892), nordamerikanischer Arzt und Geologe. Der Standort des Briefes konnte nicht ermittelt werden. 138 Giovanni Capellini (1833–1922), italienischer Geologe und Paläontologe. 139 Jakob Heer (1784–1864), Pfarrer in Matt, Pädagoge bzw. der sogenannte «Glarner Pestalozzi». 44 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell erhalten, seine Arbeit über Madeira wird Blätter, Knospen und Früchte gefunden im Frühling erscheinen. worden sind, die sogar mit den heu- tigen Gattungen übereinstimmen. Heer 38. London, undatiert [nach 5. März hat zudem den Eindruck, dass Oliver 1864] (Zusammenfassung) nur schlecht Deutsch spricht. Auch ver- Lyell teilt Heer mit, dass sein an Geolo- schiedene Stellen in seinem Aufsatz gie interessierter Schwiegervater Mr «The Atlantis hypothesis» zeigen, dass Horner 140 am 5. März überraschend im er Heers Text nicht verstanden hat. Alter von 79 Jahren gestorben sei. In Favre 141 hat in den Walliser Alpen Pflan- der neuen Ausgabe der «Elements of zenreste in schwarzem Schiefer gefun- Geology» möchte er der Paläobotanik den, die er in die Trias gestellt hat, die mehr Platz einräumen und auch ein paar aber ins Miozän gehören. In Amurland Abbildungen verkleinert aus Heers Wer- [Mandschurei] sind Tertiärpflanzen ken einfügen, darunter von der fossilen gefunden worden, die bald zu ihm nach Pflanze Embothrium salicinum und der Zürich zur Bearbeitung geschickt wer- rezenten Embothrium salignum. Charles den sollen. Bunbury, der sein Manuskript durchge- sehen hat, meinte nun aber, dass Heer 40. Zürich, 28. Januar 1865 einen Fehler gemacht habe und Emboth- (Zusammenfassung) rium salignum mit Embothrium salicifo- Heer dankt Lyell für die Zusendung lium verwechselt habe. Bunbury gibt zu eines Exemplars der neuen Auflage von bedenken, dass auch die Gattung Protea «The Student’s Elements of Geology» nicht australisch, wie Heer meint, son- und die darin enthaltene Verarbeitung dern südafrikanisch sei. von Heers Erkenntnissen zur miozänen Flora. Hoffentlich ermutigt sein Buch 39. Zürich, 17. April 1864 auch andere Botaniker zu paläobota- (Zusammenfassung) nischen Studien, die gegenwärtig sehr Heer kondoliert Lyell herzlich zum Hin- isoliert dastehen. Da eine 7. Auflage schied seines Schwiegervaters, mit dem seines Werkes zu erwarten ist, gibt ihm er selber während seines Londoner Auf- Heer ein paar Korrekturhinweise, wie enthalts einen angenehmen Abend ver- etwa, dass das Mastodon von Öhningen bracht hatte. Er entschuldigt sich dafür, nicht als Mastodon angustidens, son- dass in Sachen Embothrium und Protea dern als Mastodon tapiroides angespro- der Fehler bei ihm liege. Inzwischen ist chen werden muss, oder dass zwar die eine Besprechung von Heers Arbeit über Rigi als in der Nähe von Luzern bezeich- Bovey-Tracey von Oliver erschienen, net werden kann, nicht aber der Speer die er aber nicht kennt. Oliver zweifelt [1951 m, Europas höchster Nagelfluh- offenbar gewisse Bestimmungen fos- Berg nördlich des Walensees im Kan- siler Pflanzen von Heer an, so etwa von ton St. Gallen]. Bezüglich der Atlantis- Cinnamomum. Heer legt gegenüber Hypothese schreibt Lyell kritisch, Heers Lyell seine Gründe dafür dar. Es ist ärger- Idealkarte (Abb. 2) repräsentiere «a lich, wenn Oliver seine Bestimmung von continent precisely in that portion of Cinnamomum angreift, wo doch deren the Atlantic Ocean which is now the

140 Leonard Horner (1785–1864), Kaufmann, Geologe und Reformpädagoge. 141 Alphonse Favre (1815–1890), Geologieprofessor in Genf. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 45 deepest.» 142 Heer gibt zu bedenken, tie le moin profonde entre Irland et Neu- dass das ein Irrtum sei: «J’ai fait ma foundland, où on a placé le Telegraphe carte après la carte de Maury 143 (Abb. il y a quelques années. … Mais pourquoi 3). La plus grande profondeur est entre ne pouvons nous pas supposer que ce Afrique et Amérique tropique et la par- continent a eu des grands bassins d’eau

Abb. 2. Karte zum Atlantis-Kontinent (HEER 1859, Taf. 156, Fig. 9). Fig. 2. Map of the Atlantis continent (HEER 1859, Plate 156, Fig. 9).

142 Vgl. CHARLES LYELL: The Student’s Elements of Geology, London 1865, S. 270. Das genaue Zitat, das Heer in seinem relativ reich annotierten Handexemplar am Seitenrand mit der Bleistiftnotiz «Nein!» versehen hat, lautet: «The ideal map given by Heer of the Atlantis represents a continent as large as Europe precisely in that portion of the Atlantic Ocean which is now the broadest and deepest … no geologist would venture to estimate the ages required to convert as many thou- sand miles of land into a shallow sea and then turn that vast shoal into a sea-bottom two or three miles deep.» Heers Handexemplar befindet sich in der Bibliothek der ETH Zürich, Signatur: 87659. HEER (1868, S. 52) nahm zu Lyells Einwand auch in gedruckter Form Stellung: «Lyell hat gegen die Atlantis eingewendet, dass ich sie gerade in den Theil des Oceans verlege, wo er am tiefsten sei. Allein dies ist ein Irrthum. Die grösste Tiefe liegt zwischen dem südlichen Afrika und Südamerika, wo Tiefen von 30’000 bis 40’000 Fuss vorkommen und bei 36° 49’ s. Br. und 37° 6’ w. L. sogar eine Tiefe von 46’236 engl. Fuss gefunden wurde. Viel geringer ist die Tiefe des atlantischen Oceanes in den Gegenden, in welche ich die Atlantis verlegt habe. Ihre grösste Breite fällt auf die atlan- tische Telegraphenlinie und auf dieser beträgt die grösste Tiefe 0,595, die geringste 0,071 und das Mittel 0,439 geogr. Meilen. Es ist diese immerhin noch eine sehr bedeutende Seetiefe, aber es sind in dieser Frage nicht die grössten, sondern die mittleren Seetiefen massgebend, und würde der Boden des atlantischen Oceanes zwischen Irland und Neufundland um 1500 bis 2000 Faden [1 Faden = 1,83 Meter] gehoben, so würde ein zusammenhängendes Festland zwischen Europa und Amerika entstehen, auf welchem die tieferliegenden Gegenden als Süsswasserseen erschei- nen würden.» 143 Heer kannte diese Karte vermutlich aus folgendem Werk, das ihm in der Bibliothek der ETH Zürich zur Verfügung stand (Signatur: 7419: 1): MATTHEW FONTAINE MAURY: Explanations and Sai- ling Directions to Accompany the Wind and Current Charts, vol. 1, Washington 1858, Plate XI. Sie findet sich ebenfalls in Maurys «The Physical Geography of the Sea» (New York 1855). Die fünfte Auflage vom letztgenannten Werk (London 1874) befindet sich in der Bibliothek der NGZ, die heute in der ZBZ aufbewahrt wird (Signatur: NP 3141: i). Maury (1806–1873) diente seit dem 19. Lebensjahr in der amerikanischen Marine, veröffentlichte 1858 das erste Lehrbuch über Ozeano- graphie und lehrte ab 1868 als Professor für Meteorologie am Virginia Military Institute. 46 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 1858, Plate 11). AURY 1858, Taf. 11). 1858, Taf. AURY Fig. 3. Bathymetric map of the North Atlantic Ocean (M Abb. 3. Bathymetrische Karte des Nordatlantiks (M douce d’une grande profondeur? Et que pense que la configuration de cette celle-ci [eigentlich: ceux-ci] sont les loca- partie australe de l’Atlantis a du facili- lités si profondes de l’océan atlantique. ter la migration des coraux des ‚West- Es kommt hier weniger auf einzelne indies’ en Europe, les coraux n’aiment sehr tiefe Punkte als auf das Mittel der pas les grandes profondeurs des mères Seetiefen an. Die Südgrenze der idea- et il est difficile à comprendre comment len Karte der Atlantis habe ich nach der les coraux auront pu transverser la mer Tiefenkarte von Maury gezeichnet. Je Atlantique, quand elle était aussi pro- Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 47 fonde comme à présent; beaucoup plus der Schweiz» und kurze Kommentare zu facile quand ils ont pu suivre a un rivage. Heers Korrekturen zu Lyells «Elements» Ce rivage était peut-être tout garnies im Brief vom 28. Januar 1865. Heers des bancs de coraux. On trouve encore Argument, dass die obermiozänen Koral- un petit rest à Porto Santo!» len von Westindien und Euro pa bewei- Man hat viele miozäne Pflanzen in sen, dass der Atlantik damals nicht sehr Amurland [Mandschurei] gefunden. Sie tief gewesen sein kann, ist durchaus eine sind momentan in St. Petersburg. Heer Überlegung wert. Um die Ähnlichkeit erwartet, sie bald zu Studienzwecken der Korallen diesseits und jenseits des zu erhalten. Es folgen ein paar Bemer- Atlantiks erklären zu können, braucht kungen zu Karbonpflanzen (Sigillaria, es aber keinen untergegangenen Konti- Calamites). Er hofft, dass Lyell die letzten nent, sondern dafür reicht die Existenz Bogen der «Urwelt der Schweiz» bekom- zahlreicher Inseln (vgl. heute Ozeanien). men hat, und bedauert, von Lyell schon Er ist gespannt auf Heers Untersuchung lange nichts mehr gehört zu haben. der Pflanzen aus Amurland [Mandschu- rei]; eine Gegend, wo fast alle heute in 41. London, 4. Februar 1865 Westeuropa lebenden Säugetierarten (Zusammenfassung) 144 auch vorkommen. Lyell wird sich mit wei- Lyell entschuldigt sich, dass er nicht frü- teren Bemerkungen und Korrekturen her mit der Lektüre der «Urwelt der melden, wenn er die «Urwelt» ganz Schweiz» begonnen habe, sei aber leider gelesen haben wird. Heers Kritiken sind durch die Abschlussarbeiten an der längst ihm viel wert, zumal er auch eine Neu- versprochenen 6. Auflage der «Student’s auflage der «Principles of Geology» in Elements of Geology» verhindert gewe- Arbeit hat. Falconer ist überraschend sen. Zudem lese er besser französisch als gestorben, was für ihn und die Wissen- deutsch. Er hat aber über Weihnachten schaft ein grosser Verlust ist. anlässlich eines Besuchs bei seiner Schwä- gerin Frau Pertz in Berlin mit dem Stu- 42. London, 16. März 1865 dium der «Urwelt» begonnen und sich (Zusammenfassung) 147 dort auch mit den Professoren Beyrich 145 Lyell benutzt Heers «Urwelt der und Roemer 146 darüber unterhalten, die Schweiz» reichlich für seine Neuausgabe Heers Werk bereits kannten und positiv der «Principles of Geology». Auf Seite beurteilten. Lyell bereut, das Buch nicht 242 beschreibt Heer erratische Blöcke im früher gelesen und mehr davon in seine Flysch wie den von Studer auf 500 Kubik- «Elements» eingebaut zu haben. Es fol- fuss geschätzten gewaltigen Granitblock gen wenige Bemerkungen zur «Urwelt im Habkerntal (Abb. 4).148 Wie sind diese

144 Brief ist publiziert in: K. M. LYELL (1881), S. 389f. 145 Heinrich Ernst Beyrich (1815–1896), Geologieprofessor an der Bergakademie in Berlin. Vgl. Anm. 32. 146 Carl Ferdinand von Roemer (1818–1891), Geologieprofessor in Breslau. 147 Brief ist publiziert in: K. M. LYELL (1881), S. 401f. 148 Dabei handelt es sich um den sogenannten Luegibodenblock in der Nähe von Habkern (BE), einen rötlichen Granit, der in Flyschgesteinen (Wildflysch) des nördlichen Alpenrandes in vereinzelten Schollen und Blöcken verbreitet ist. Der Block kann nicht als eigentlicher eiszeitlicher Findling bezeichnet werden, auch wenn nicht auszuschliessen ist, dass er durch den eiszeitlichen Lokal- gletscher doch leicht verschoben bzw. überprägt worden ist. Ein Teil dieses Blockes gelangte 1852 als Geschenk der Schweizerischen Eidgenossenschaft nach Washington (USA) und wurde ins Washington-Monument eingebaut. Vgl. HEITZMANN & AUF DER MAUR (1989). 48 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell dorthin gekommen? Heer schliesst den Ursprungs ist, denn zur Ausprägung der- Transport durch Gletscher offenbar aus, selben hätte in diesem Fall nicht genü- weil der Flysch in eine Warmzeit gehört. gend Zeit zur Verfügung gestanden. Murchison hingegen hat ihm versichert, dass diese Blöcke nicht durch Wasser aus 43. Zürich, 12. Januar 1866 dem Flysch ausgewaschen worden sein (Zusammenfassung) können, sondern durch Gletscher trans- Heer teilt Lyell die traurige Nachricht portiert worden sein müssen und zur Eis- mit, dass Gaudin am 7. Januar gestor- zeit gehören. Auch Lyell kann sich keine ben ist. Von Marcou hat er erfahren, andere Ursache als den Transport durch dass Lyell in Basel war. Heer hätte ihn Gletscher vorstellen. gern gesehen. Seine Arbeiten über die Hooker ist seinem Vater 149 auf die Stelle fossilen Blattiden 151 und die Pflanzen des Direktors von Kew Gardens gefolgt. von Vancouver 152 sowie die Pflanzen Oliver wurde zum Vorsteher des Herbari- der Pfahlbauten 153 hat Lyell wohl erhal- ums und der Bibliothek gewählt. Im zoo- ten. Letztere möchte er auch Darwin logischen Garten ist zudem ein bezahl- schicken, hat aber seine Adresse nicht, ter Anatom angestellt worden, der die und bittet Lyell, ihm diese mitzuteilen. seltenen Tiere, die dort sterben, unter- Von besonderem Interesse sind dabei suchen soll. die Kulturpflanzen, denn sie erlauben Lyell beschäftigt sich im Moment mit der Rückschlüsse auf die Verkehrsverhält- Frage, ob Veränderungen in der Bahn- nisse der Völker des Altertums. Beson- exzentrizität der Erde eine Eiszeit ver- ders merkwürdig ist, dass der Flachs ursacht haben könnten. Agassiz 150 hat Silene cretica heute in ganz Südeuropa, berichtet, dass er in der Nähe von Rio de aber nicht in der Schweiz vorkommt, zur Janeiro Spuren von Gletschern (roches Zeit der Pfahlbauer hingegen schon. Er moutonnées) gefunden habe. Wenn aber wurde damals aus dem Mittelmeerraum Gletscher in dieser Breite existierten, wie eingeschleppt. Heer wird Lyell näch- konnten die heute dort wachsenden tro- stens eine Abhandlung über die fossi- pischen Pflanzen die Kälte überleben? len Pflanzen von Nebraska schicken.154 Gemäss Darwin oder auch anderer The- In der Braunkohle von Danzig und in orien ist es unmöglich, dass die gesamte Samland bei Königsberg tauchte eine tropische Vegetation Australiens, Süd- reichhaltige miozäne Flora auf. Die dor- amerikas und Afrikas postglazialen tige naturforschende Gesellschaft sam-

149 Sir William Jackson Hooker (1785–1865), Botaniker und Direktor von Kew Gardens 1841–1865, Vater von Joseph Dalton Hooker. 150 Louis Agassiz (1807–1873), Schweizer Zoologe, Paläontologe (vor allem Paläoichthyologe) und Eis- zeitforscher aus Neuchâtel, Begründer des Zoologischen Museums der Harvard University in Cam- bridge/Mass. (USA). 151 OSWALD HEER: Ueber die fossilen Kakerlaken, in: Vierteljahrsschrift der naturforschenden Gesell- schaft in Zürich 9 (1864), S. 273–302. 152 OSWALD HEER: Ueber einige fossile Pflanzen von Vancouver und British Columbien. Neue Denk- schriften der allgemeinen Schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften, Bd. 21, Zürich 1865. 153 OSWALD HEER: Die Pflanzen der Pfahlbauten. Neujahrsblatt der naturforschenden Gesellschaft Zürich, Nr. 68, Zürich 1866. 154 OSWALD HEER: Sur les plantes fossiles du Nebraska. Neue Denkschriften der allgemeinen Schweize- rischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften, Bd. 22, Zürich 1867. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 49

Abb. 4. Der sogenannte Luegibodenblock (Habkern-Granit, Wildflysch) beim Dorf Habkern mit Detailaufnahme (Bilder: Conradin A. Burga, 2009). Fig. 4. The so called Luegibodenblock (Habkern-Granite, Wildflysch) near the village Hab- kern with detail (Fotographs: Conradin A. Burga, 2009). melt alles und will die Funde Heer zur 44. London, 21. Januar 1866 Bearbeitung schicken. Einige Stücke hat (Zusammenfassung) 155 er schon erhalten. Es ist da eine Flora Lyell bedauert den Tod Gaudins eben- zum Vorschein gekommen, die als Zwi- falls sehr. Die Adresse Darwins lautet: schenflora zwischen der unsrigen und Downe, Farnborough, Kent, England. der arktischen betrachtet werden kann. Es tut ihm leid, sich nicht früher für Die geologische Gesellschaft von Dublin Heers Publikationen bedankt zu haben. hat ihm zudem ihre fossilen Pflanzen Er war sehr absorbiert mit seinen Stu- von Grönland zur Bearbeitung überlas- dien zu einer Theorie der Eiszeit, die sen. Heers «Urwelt der Schweiz» wurde auf der Veränderung der Exzentrizität von Hamilton im Jahresbericht der geo- der Erdumlaufbahn beruht. Eine Idee, logischen Gesellschaft sehr freundlich die von James Croll 156 aufgegriffen wor- besprochen. Lyell soll ihm Heers Dank den ist und die er in der Neuauflage der dafür übermitteln. «Principles of Geology» berücksichtigen möchte.157 Er bedankt sich für die Arbeit über die Pfahlbauten, hat diejenige über

155 Brief ist publiziert in: K. M. LYELL (1881), S. 406–408. 156 James Croll (1821–1890), Autodidakt und schottischer Naturforscher, der zyklische Streckungen der Erdumlaufbahn (Orbitalexzentrizität) als Grund für die Entstehung der Eiszeiten hielt. Vgl. TH. KRÜGER (2008), S. 485–490. 157 Darwin hat Crolls Theorie in der 1872 erschienenen Ausgabe seines Werkes «On the Origin of Species» übernommen. 50 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell die fossilen Pflanzen von Vancouver Da er aber kaum dazu kommt, sich damit aber nicht erhalten. Lyell interessiert sich zu befassen, und ihn Lyells Brief vom sehr für Heers Eröffnungsansprache vor 16. März beschämt hat, schreibt er ihm der Schweizerischen Naturforschenden jetzt schon. Escher von der Linth hat sich Gesellschaft in Zürich vom vergangenen mit den erratischen Blöcken im Flysch Jahr 158, seine Arbeit über die Pflanzen beschäftigt und wird ihm darüber bald des Interglazials sowie seine Untersu- selber Mitteilung machen. I. Bachmann, chung über die fossilen Kreidepflan- einer der besten Schüler Eschers, hat zen. Er hofft, dass Heer dabei auch auf eine Abhandlung darüber verfasst 160, die die Funde von Aix-la-Chapelle eingehen Heer ihm via Hooker zukommen lassen wird. Sein Freund Huxley 159 bereitet eine wird, an den bald eine Samensendung Abhandlung über neu entdeckte Laby- nach Kew abgeht. Escher ist der Ansicht, rinthodontier vor, die gut in die Theorie dass diese erratischen Blöcke nicht wäh- der fortschreitenden Entwicklung (pro- rend der Diluvialzeit [Pleistozän] an ihre gressive development) passen. jetzige Fundstelle gelangt sein können. Die Zürcher Astronomen halten die The- 45. London, 16. März 1866 orie der Veränderung der Erdumlauf- Der entsprechende Brief erreichte Heer bahn für unzureichend zur Erklärung (siehe nächste Nr.), ist aber heute verloren. der Eiszeit. Sartorius von Waltershau- sen hat eine Arbeit über die Klimata 46. Zürich, 25. März 1866 der Gegenwart und der Vorwelt publi- (Zusammenfassung) ziert.161 Er geht von der Wärmetheorie Heer beabsichtigte, längst auf Lyells Brief aus, konstruiert die Klimaverhältnisse vom 21. Januar zu antworten, wollte theoretisch und sucht die Tatsachen in aber zuwarten, bis er wenigestens ein sein Schema zu pressen, wobei sich die paar Resultate über die Auswertung der Eiszeit am schlechtesten einpassen lässt. fossilen Grönland-Flora mitteilen kann. Waltershausen plädiert daher dafür,

158 OSWALD HEER: Eröffnungsrede bei der 48sten Jahresversammlung der Schweizerischen Natur- forschenden Gesellschaft in Zürich, in: Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 48 (1864), S. 3–36. Heer ging dabei auf die Flora des Kantons Zürich in Vergangenheit und Gegenwart ein und kam in diesem Zusammenhang auch auf die Pfahlbauten zu sprechen und schloss seine Rede mit einem kritischen Blick auf Darwin ab. 159 Vgl. den Brief von Thomas Henry Huxley (1825–1895) an Lyell vom 27. November 1865 (http:// aleph0.clarku.edu/huxley/letters/65.html). 160 ISIDOR BACHMANN: Ueber petrefactenreiche exotische Jurablöcke im Flysch des Sihltals und Tog- genburgs, in: Vierteljahrsschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich 8 (1863), S. 1–34. An anderer Stelle schreibt Bachmann über den Habkern-Block (ders.: Die wichtigsten erhal- tenen oder erhaltenswürdigen Findlinge im Kanton Bern, Separatdruck aus den Mittheilungen der bernischen naturforschenden Gesellschaft 1870, Bern 1870, S. 4): «Zum Unterschied von den eigentlichen Fündlingen oder erratischen Blöcken, deren Stammorte wir in den Alpen kennen und deren Herkunft auf die jetzige Lagerstätte durch Eistransport ausser Zweifel ist, hat man die rothen Granite von Habkern und anderer Gegenden als exotische Blöcke abzutrennen, da weder Stammort noch Art des Transports bekannt sind. Erstere sind immer kantig und eckig, letztere ganz abgerundet.» 161 WOLFGANG SARTORIUS VON WALTERSHAUSEN: Ueber die Klimate der Gegenwart und Vorwelt, Natuur- kundige Verhandelingen van de Hollandsche Maatschappij der wetenschappen te Haarlem; ver- zameling 2/23, Harlem 1865. Heers Handexemplar wird an der Bibliothek der ETH Zürich aufbe- wahrt, Signatur: P 8735 A SER.2: 23. Vgl. dazu auch den Brief von Heer an Hooker vom 11. März 1866, der in der Bibliothek der Kew Gardens in London aufbewahrt wird. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 51 dass die Alpenregion ein paar tausend 47. Zürich, 8. April 1866 Fuss höher gelegen habe als heute und (Zusammenfassung) die Schweiz von einem grossen Alpen- Escher von der Linth hat keine Zeit, Lyell see bedeckt gewesen sei, auf welchem zu antworten, weil er die Sammlung schwimmende Eisblöcke Findlinge trans- des verstorbenen Dr. Germain in Salins portiert hätten, was Lyell früher ja auch angekauft hat und entgegennehmen so gesehen habe.162 Für das Miozän von muss. Heer teilt Lyell darum mit, was ihm Öhningen postuliert er ein Klima wie es Escher mündlich auf seine Fragen geant- heute auf der Isle of Wight herrscht. Lei- wortet hat. der entbehren alle seine Überlegungen 1. Die roten Granitblöcke des Habkern- der empirischen Grundlage. Gerade für tales bestehen aus einem nicht-alpi- die Klimafrage ist die Flora von Grönland nen Granit und wurden an zwei Stel- wichtig. Heer listet die Stücke auf, die er len im Flyschkonglomerat [Wildflysch] zur Untersuchung erhalten hat, und rät- drin liegend gefunden. selt, wie es möglich war, dass Sequoia 2. Diese Habkern-Blöcke sind stark abge- und andere wärmeliebende Pflanzen rundet, diejenigen aus dem Sihltal in derartigen geographischen Breiten (Iberg) und aus dem Toggenburg gedeihen konnten. Er schliesst aber (Grabs) nur wenig. aus, dass diese Pflanzenrelikte dorthin 3. Die Blöcke von Iberg und Grabs kön- geschwemmt worden und nicht dort nen unmöglich von der Eiszeit herrüh- gewachsen sind. ren, weil sie in einer eozänen Bildung Ferdinand Keller [vgl. Anm. 125] lässt eingeschlossen sind. Lyell für sein neues Buch «Antiquity Soweit Eschers Worte, die er wort- of Man» bestens danken. Er wollte es getreu in dessen Arbeitszimmer nie- nicht selber tun, weil Lyell ihn um seine dergeschrieben hat. Heer bittet Lyell, Meinung betreffend des [von Morlot sich dafür zu verwenden, dass ihm alle beschriebenen] Schuttkegels von Tinière arktischen Pflanzenfunde, die im Bri- gefragt habe.163 Keller lehnt aber sowohl tish Museum liegen, zur Untersuchung die Datierung des Töpfergeschirrs in die nach Zürich gesandt werden. Er möchte Bronzezeit ab, weil sehr ähnliches noch eine möglichst vollständige Flora der heute in Italien hergestellt wird, wie Polarländer zusammenstellen. Marcou auch überhaupt Morlots Altersbestim- hat auf seiner geologischen Weltkarte mung der Lokalität. Da Morlot aber «ein alle Inseln des arktischen Archipels der sehr böses Maul hat» und Keller keinen Steinkohleperiode [Karbon] zugeord- Streit mit ihm will, hat er Lyell nicht per- net, obschon es sehr gut sein kann, dass sönlich geantwortet. dort auch jüngere Pflanzenfossilien vor- kommen wie Heer ja schon verschie- dentlich gezeigt hat. Lyell wird Heer

162 WALTERSHAUSEN, ebd., S. 377: «Unter den deutschen Geologen ist es vornehmlich Gümbel, welcher die Ursache der Findlingsverbreitung in ähnlicher Art wie Charles Lyell, mit schwimmendem Eis in Verbindung bringt und ausserdem die Senkung, welche die Alpen in der neuesten Zeit erlitten haben, hervorhebt.» Heer notierte in seinem Exemplar an den Rand: «Lyell, der diese Ansicht ver- lassen hat!» 163 ADOLPH VON MORLOT: Notes sur la tranché dans la cone de la Tinière à Villeneuve, in: Bulletin de la Société Vaudoise des Sciences Naturelles 9 (1866), S. 152–156. Heer besass einen Separatdruck

davon, der heute in der Bibliothek der ETH Zürich aufbewahrt wird (Signatur: 8134515 ). 52 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell sicher zustimmen, dass der Nachweis worden sein können. Zudem findet man miozänen Festlandes im Polarkreis für nie fossile Blätter in marinen Formati- die Physik der Erde von grosser Wichtig- onen. keit ist. Lyell betrachtet Kellers Haltung ihm gegenüber als eigenartig und bedau- 48. London, 13. April 1866 ert, dass er Morlots Meinung gering (Zusammenfassung) schätzt. Lyell dankt Heer für die beiden Briefe und Bachmanns Artikel. Aus Eschers 49. Zürich, 15. Mai 1866 Antwort geht für ihn klar hervor, dass (Zusammenfassung) Murchison die Habkernen-Blöcke 164 Heer bedauert sehr, dass die Funde der falsch gedeutet hat. Die von Heer Melville-Insel verloren gegangen sind. gesuchten fossilen Pflanzen der ark- Alle Kohlen Nordgrönlands und Spitz- tischen Melville-Insel sind leider nicht im bergens, die er erhalten hat, sind ter- British Museum. Lindley 165 bezeichnet tiär, also Braunkohlen. Er hat die von sie in seinem Artikel über «Coal Plants» Nordenskiöld 1858, 1861 und 1864 in in der «Penny Cyclopedia» als Karbon- Spitzbergen entdeckten und im Reichs- pflanzen 166, die so schlecht erhalten museum in Stockholm aufbewahrten seien, dass es den Eindruck mache, dass Pflanzen zur Untersuchung erhalten. Sie sie vom Äquator in die Arktis gedriftet sind von grösstem Interesse und werfen seien. Lindley sah sie noch im British ein neues Licht auf die klimatischen Ver- Museum, danach scheinen sie nach Glas- hältnisse der Polarzone im Tertiär. Da gow geschickt worden zu sein und sind er seinerzeit in London nicht alle Funde dann per Schiff wieder nach London der Richardson-Expedition durchsehen transportiert worden, doch ist das Schiff konnte und das British Museum seine gesunken. Lyell denkt, dass es sich um Stücke offenbar nicht verschickt, bittet Karbonpflanzen gehandelt hat, doch er Lyell zu prüfen, ob es möglich wäre, kann er der Drifttheorie nichts abge- dass Obergärtner Ortgies vom bota- winnen. nischen Garten Zürich, der als Preis- Lyell dankt für die Bemerkungen über richter bei der internationalen Blumen- Waltershausen, wobei Lyell selber nie ausstellung in London wirken wird, die von einem See in den Alpen gesprochen Fossilien persönlich nach Zürich mitneh- habe, sondern von einem Meereskanal, men könnte. Heer bittet Lyell zudem, auf dem Eisschollen mit Findlingen trans- ihm den Fundort der beiden grossen portiert worden seien als die Alpen noch fossilen Blätter mitzuteilen, die beim niedriger waren.167 Er stimmt mit Heer Eingang der Sammlung der geolo- überein, dass fossile Pflanzenblätter gischen Gesellschaft in London ausge- nicht über weite Distanzen transportiert stellt sind.

164 Vgl. Anm. 148. 165 John Lindley (1799–1865), Professor für Botanik am University College London und Experte für Orchideen. 166 Vgl. den Artikel «Coal Plants», in: The Penny Cyclopedia of the Society for the Distribution of Use- ful Knowledge, vol. 7, London 1837, S. 290–296, hier besonders S. 294. 167 Lyell vertrat im Herbst 1840 die Eiszeittheorie, von der er sich danach bis 1857 distanzierte. 1863 bekannte er sich in seinem Werk «Antiquity of Man» wieder dazu. Vgl. TH. KRÜGER (2008), S. 326– 328. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 53

50. London, 3. Juni 1866 gel- und Schuppenbäume sind in der (Zusammenfassung) arktischen Zone noch keine nachgewie- Lyell legt Heer einen Brief des Kura- sen worden. Von Nordgrönland sind ihm tors Carruthers 168 vom Natural History nun 60 miozäne Spezies bekannt, auf Museum bei, der ihm bestätigen soll, die er im folgenden kurz eingeht. Im dass intensiv, aber vergeblich, nach Miozän scheint sich die Baumvegetation den Melville-Pflanzen gesucht worden tatsächlich bis zum Nordpol erstreckt zu ist. Sie scheinen sich wirklich auf dem haben. Die Pflanzen müssen dort gelebt Meeresgrund zu befinden. Obschon das haben, denn die Blätter treten massen- British Museum keine Sammlungsge- haft zusammen mit Früchten auf, zudem genstände verschickt, ist er mit Heers finden sich Moorpflanzen, und Kapi- Anliegen dort vorstellig, aber erwar- tän Inglefield 170 hat sogar aufrecht ste- tungsgemäss abgewiesen worden. Man hende Baumstämme entdeckt. An Tie- ist lediglich bereit, für Heer Zeichnungen ren hat Heer von dort bis jetzt ein paar anzufertigen. Insekten bestimmt. Er kommt mit seiner Die fossilen Blätter im Eingang der Geo- Flora der Polarländer gut voran. Es lie- logical Society sind aus vulkanischem gen auch bereits 40 gezeichnete Tafeln Tuff. Der Ursprungsort ist unbekannt. vor. Er weiss noch nicht, wo er seine Goeppert behauptet in einer Abhand- Arbeit publizieren kann, hofft aber auf lung (Bulletin of the Russian Academy), die Unterstützung der Engländer, deren dass eine karbonische Sigillaria in der Landsleute schliesslich diese Funde im arktischen Zone gefunden worden sei. hohen Norden unter grossen Bemü- Für Lyell wäre es wichtig zu erfahren, ob hungen und Opfern gemacht haben. das stimmt und ob diese Pflanzen tat- Heer schildert auf vier weiteren Manu- sächlich in Regionen wachsen konnten, skriptseiten die ihm von Nordenskiöld die zeitweise sehr wenig Sonnenlicht aus Stockholm zugesandten Fossilien aus aufwiesen. Spitzbergen und zieht paläoklimatische Schlussfolgerungen, wie er sie dann 51. Zürich, 15. Juli 1866 auch in seinen sieben Bänden der «Flora (Zusammenfassung) fossilis arctica» (1868–1883) publiziert Heer bedankt sich für Lyells Bemühungen hat. in Sachen Richardson-Pflanzen. Er wird sich somit auf seine damals in London 52. Kirriemuir (Schottland), 27. Juli 1866 angefertigten Zeichnungen stützen (Zusammenfassung) müssen, denn die von Richardson publi- Lyell dankt Heer für seine spannenden zierten Abbildungen sind nutzlos. Dank Mitteilungen über die fossile Polarflora, Scott 169 hat er ein paar Melville-Stücke die er eben noch in seine neue Auflage erhalten, die eindeutig karbonisch sind. der «Principles of Geology» einarbei- Heer kennt die Arbeit von Goeppert, ten konnte. Was Heers geplante Publi- doch ist mit dessen Angaben zur Stein- kation angeht, dürfte es schwierig sein, kohleflora nicht viel anzufangen. Sie- einen englischen Verleger zu finden. Er

168 William Carruthers (1830–1922), englischer Botaniker, leitete von 1871–1895 die botanische Abtei- lung des Natural History Museum in London. 169 Robert Henry Scott (1833–1916), irischer Physiker und Meteorologe. 170 Edward Augustus Inglefield (1820–1894), britischer Admiral und Polarforscher. 54 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell hofft, dass der Krieg 171 bald vorbei ist legen könnte, sollte sich auch ein Ver- und sich dafür ein deutscher Verlag fin- lag für das Projekt finden lassen. Im den lässt. Falls Heer es möchte, ist Lyell folgenden beantwortet er Lyells paläo- gerne bereit dafür zu sorgen, dass Heers botanische Fragen aus dem letzten Brief: letzter Brief an ihn im Londoner Geolo- 1. Die Pinus-Zapfen von Banksland wur- gical Magazine veröffentlicht wird. Lyell den bei 73° 55’ nördlicher Breite stellt Heer ein paar Fragen zur geogra- zusammen mit grossen Massen fos- phischen Breite und geologischen Stufe siler Hölzer gefunden. gewisser arktischer Pflanzenfossilien: 2. Middendorf gibt die Breite leider 1. Was ist die geographische Breite der nicht an. miozänen Funde von Banksland? 3. Der Ausdruck Nordgrönland ist Rink’s 2. In welcher Breite fand Middendorf 172 Werk 174 entnommen und bezeichnet fossile Calamites [Schachtelhalme] an das Gebiet nördlich des arktischen der Lena? 173 Kreises [Polarkreises]. Alle Pflanzen- 3. Was versteht Heer unter Nordgrön- fossilien finden sich bei 70° nördlicher land? Breite, auch der versteinerte Wald 4. Gehören die Pflanzen von Spitzbergen von Atanekerdluk. Wartha 175 hat die- zum oberen oder unteren Miozän? ser Tage das Gestein untersucht. Es 5. Sind die Pflanzen von Island dem obe- besteht zu 73% aus kohlensaurem ren oder unteren Miozän zuzurech- Eisenoxyd und kann daher als Eisen- nen? spat bezeichnet werden. 4. Es ist aufgrund der grossen Entfer- 53. Zürich, 6. August 1866 nung schwierig, die genaue geolo- (Zusammenfassung) gische Stufe angeben zu können. Der Heer freut sich, dass Lyell seine Notizen fossile Wald von Atanekerdluk wie über Spitzbergen in die neue Auflage auch die Mehrzahl der Fundstellen der «Principles of Geology» einarbeiten Islands scheinen ins untere Miozän zu will. Er stellt ihm sein Projekt einer auf gehören.176 mehrere Bände angelegten «Flora fos- Heer dankt Lyell für das Interesse, seine silis arctica» vor und bedankt sich, dass im letzten Brief geäusserten Bemer- Lyell ihm bei der Suche nach einem Ver- kungen über Spitzbergen zu publizie- lag helfen will. Heer schlägt vor, dass ren, gibt aber zu bedenken, dass er jeder Band 40 Franken kosten solle, min- Nordenskiöld ausführlicher darüber destens aber 30 bis 35 Franken. Wenn geschrieben hat und diese Mitteilungen man eine Liste mit Subskribenten vor-

171 Gemeint ist der sogenannte Deutsche Krieg von 1866 zwischen dem Deutschen Bund und dem Königreich Preussen. 172 Alexander Theodor von Middendorff (1815–1894), baltischer Zoologe und Polarforscher. Heer stand dessen mehrbändige «Reise in den äussersten Norden und Osten Sibiriens während der Jahre 1843 und 1844» (St. Petersburg 1848–1875) in der Bibliothek der NGZ zur Verfügung (heute ZBZ, Signatur: NR 238–242:b). 173 Fluss zum Polarmeer in Sibirien. 174 Hinrich Johannes Rink (1819–1893), dänischer Geologe und Grönlandforscher. Heer stand in Zürich folgendes Werk von Rink zur Verfügung: De danske handelsdistrikter i Nordgrønland, Kopenhagen 1852–1855 (Bibliothek der NGZ, Signatur: NR 1365). 175 Vinzenz Wartha (1844–1914), ungarischer Chemiker und Mineraloge. 176 Vgl. zur fossilen Flora von Island DENK et al. (2011). Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 55 von der Stockholmer Akademie veröf- 55. Zürich, 30. Januar 1867 fentlicht werden.177 (Zusammenfassung) Robert Scott aus Dublin hat Heer die Heer hat einen Nachruf auf Gaudin ver- gesammelten Pflanzenschätze der Royal fasst, der im Jahresbericht der Schweize- Dublin Society zusammen mit Infor- rischen Naturforschenden Gesellschaft mationen der Kapitäne Inglefield und erscheinen wird. Er wird ihm diesen schi- Colomb zukommen lassen. Scott ist so cken. Da dies noch ein paar Wochen dau- begeistert von Heers Resultaten, dass ern wird, teilt er ihm nachfolgend einige er nächstes Jahr eine eigene Expedition Daten zu Gaudins Leben mit. durchführen möchte. Heer bittet Lyell Den Rat Lyells, nicht zu viele Arten auf- darum, das wichtige Anliegen seitens zustellen, nimmt er gerne an, glaubt ihn der British Geological Association mit aber bereits befolgt zu haben. Selbst- 200 £ zu unterstützen und dies den Mit- redend kann man sich über einzelne gliedern anlässlich der nächsten Zusam- Bestimmungen streiten, weshalb er menkunft in Nottingham schmackhaft möglichst gute Abbildungen beigege- zu machen. ben hat, damit sich jeder selber ein Bild davon machen kann. Für Korrekturen ist 54. London, 20. Januar 1867 er dankbar. Für wirklich schädlich hält er (Zusammenfassung) die Publikation verworrener Beschrei- Lyell dankt Heer für die Disposition der bungen und schlechter Abbildungen. geplanten «Flora fossilis arctica». Heers Im übrigen gilt auch heute noch, was Bestimmungen einzelner Pflanzen von Lindley [vgl. Anm. 165] vor 35 Jahren in Bovey-Tracey stösst in England zum Teil der Einleitung zur «Fossil Flora of Bri- auf Kritik. Es stellt sich die Frage, ob tain» (S. XXV) geschrieben hat, und Heer Heer nicht zu viele Arten aufgestellt beansprucht für sich, was er dort über hat.178 Die Geologische Gesellschaft wird die Beurteilung seiner eigenen Arbeit in ihren gedruckten Nachrufen auch den gesagt hat.179 Leider kennt Heer die verstorbenen Freund Gaudin berücksich- schlechten Kritiken nicht, da in Zürich die tigen. Er bittet Heer, ihm bereits erschie- meisten englischen Zeitschriften fehlen. nene Würdigungen zukommen zu las- Er kann daher nicht darauf eintreten. sen oder ihm selber ein paar Zeilen über Er bittet Lyell um die Zusendung dieser Gaudin mitzuteilen. Den vorgeschla- Rezensionen. Trotz aller negativer Stim- genen Preis für die «Flora fossilis arctica» men, die ihn zu entmutigen drohen, will hält er für moderat. er unverdrossen an seiner «Flora fossilis

177 OSWALD HEER: Die Miocene Flora und Fauna Spitzbergens: mit einem Anhang über die diluvia- len Ablagerungen Spitzbergens, Kungliga Svenska Vetenskaps-Akademiens handlingar, Bandet 8, No. 7, Stockholm 1870. 178 Den gleichen Vorwurf äusserte Heer ein paar Jahre später gegen Constantin von Ettingshausen, der mit Hilfe von zu vielen aufgestellten Arten eine unhaltbare phylogenetische Reihe für die Gattung Pinus konstruiert hatte. Vgl. O. HEER (1879). 179 Es war wohl Heer, der die entsprechende Passage im Exemplar der Bibliothek der NGZ (Signa- tur: NB 896) mit Bleistift angestrichen hat. Lindley gibt zu bedenken, dass bei einer derartigen Pionierarbeit unweigerlich Fehler passieren müssen, und fährt fort: «We willingly place aside all considerations of personal loss of reputation, and we trust ourselves, if not fearlessly, at least cheerfully to the importance of our cause, to the aid and protection of those who can appre- ciate the peculiar nature of the enquiry; and to the persuasion, that unless, not one Botanist, but many, will lend their assistance to elucidation, Geology must for ever remain deprived of the 56 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell arctica» weiter arbeiten. Auch wenn ihm mut erstmals in Westeuropa aufgetreten dort wieder Fehler unterlaufen sollten, ist. In der Schweiz jedenfalls war es wäh- hofft er, dass man darüber den Stab so rend der Bildung der Schieferkohle von wenig brechen möchte wie über den Uznach noch nicht vorhanden. Offenbar Arbeiten Owens 180, dessen eozäner Affe tauchte es erstmals – und auch früher sich als Hyracotherium entpuppt hat.181 als in Westeuropa – in Ostsibirien auf. Prof. Brandt hat neuerdings eine inte- 56. Zürich, 3. April 1867 ressante Abhandlung über das Mammut (Zusammenfassung) herausgegeben.183 Heer freut sich, dass Heer dankt Lyell für die Liste von Subskri- die Grönland-Expedition stattfinden benten für seine «Flora fossilis arctica». kann und hofft, dass Whymper 184 auch Buchhändler Schulthess wird sie bedie- den fossilen Pflanzen und Tieren genü- nen, das Werk sollte im Herbst erschei- gend Aufmerksamkeit schenken wird. Er nen. Es würde den Vertrieb vereinfa- hat von Hooker immer noch keine klaren chen, wenn in London ein Buchhändler Informationen darüber erhalten, welche gefunden würde, der den Verkauf des fossilen Grönland-Pflanzen in Kew Gar- Werkes übernähme. Die fossilen Pflan- dens aufbewahrt werden. zen hat er nach Dublin zurückgesandt. Von Scott, dem er sehr viel zu verdanken 57. London, 21. Juli 1867 hat, hat er gehört, dass sie zwischenzeit- My dear Heer lich gut in London angekommen seien. Er I was much obliged to you for your infor- hat den Abschnitt über das Klima Sibiri- mation about our excellent friend Gau- ens zur Mammutzeit in Lyells «Principles din of which the President of the Geolo- of Geology» (S. 178) mit Interesse gele- gical Society was glad to avail himself on sen.182 Heer fragt sich, wann das Mam- February 15th our anniversary. My brot-

evidence to be afforded by a branch of science of almost equal importance with Zoology.» Im betreffenden Exemplar des Buches findet sich lediglich ein weiterer Passus von Hand mit Bleistift angestrichen und gleichzeitig unterstrichen. Aufgrund des vorliegenden Kontexts könnte auch diese Lesespur durchaus von Heer stammen (S. XXII): «Besides, we are not ashamed to confess that we have national feeling enough to make us anxious that the elucidation of every thing that relates to England, should come from the hands of Englishmen.» 180 Richard Owen (1804–1892), englischer Zoologe, Anatom, Paläontologe und Vorsteher aller Samm- lungen des Natural History Museums in London sowie einer der bedeutendsten Naturforscher des Viktorianischen Zeitalters. 181 Vgl. dazu: CHARLES LYELL: The Geological Evidences of the Antiquity of Man, London 1863, S. 500: «The only reputed fossil monkey of eocene date, namely, that found in 1840 at Kyson, in Suffolk, and so determined by Professor Owen, has recently been pronounced by the same anatomist, after reexamination, and when he had ampler materials at his command, to be a pachyderm.» 182 Der erste Band erschien mit dem Druckjahr 1868 wie der zweite Band. Heers Handexemplar des Werkes ist in der Bibliothek der ETH Zürich erhalten geblieben, Signatur: 87658: 1–2. Er brachte vor allem auf den Seiten 174–232 von Band 1 handschriftliche Bemerkungen an. Es betrifft dies die Kapitel 10 («Further Consideration of the Agreement of the Ancient and Modern Causes of Change») und 11 («Former Vicissitudes in Climate»). 183 JOHANN FRIEDRICH BRANDT: Mittheilungen über die Gestalt und Unterscheidungsmerkmale des Mammuth oder Mamont (Elephas primigenius), in: Bulletin de l’Académie Impériale des Sciences de St. Pétersbourg 10 (1866), Sp. 93–118. Heer konnte diese Zeitschrift in der Bibliothek der NGZ einsehen, heute wird das Exemplar in der ZBZ aufbewahrt (Signatur: XSN 2268: al). 184 Edward Whymper (1840–1911), englischer Bergsteiger (Erstbesteigung des Matterhorns 1865), lei- tete die englische Grönland-Expedition von 1867. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 57 her-in-law Sir Ch. Bunbury has filled up Pflanzen sind 22 auch im Miozän Euro- one of your prospectuses as a subscriber pas vertreten, was Heer sehr überrascht to your Arctic Flora – Mr Etheridge 185 of hat. Von diesen kommen zwölf auch in the School of Mines will take a second. der arktischen Flora vor, so «dass diese The Jermyn St[reet] Library a third – The von Mitteleuropa weg bis in den Polar- Geological Society a 4th – Mr Geikie 186 kreis und von da bis zum äussersten expects to get two copies subscribed for Nordwesten Amerikas verfolgt werden in Edinburgh – by the Museum and Royal können!» Die Mehrzahl der Arten der Society – what would make six and I take miozänen Flora von Cook Inlet entspricht one which makes seven – I feel sure that solchen Nordamerikas. Die damalige und Carruthers will order one for his Botani- heutige nordamerikanische Flora stehen cal Department in the British Museum in einem viel näheren Verhältnis als die (8). If once the book was out it would be miozäne zur heutigen europäischen, more easy to obtain subscribers. I trust woraus geschlossen werden kann, dass you will not hurry it so as to overwork. sich die europäische Pflanzenwelt im I hope your daughter 187 continues well. Lauf der Erdgeschichte stärker verändert Believe me my dear Heer ever most truly hat als die nordamerikanische. yours Es folgen Bemerkungen über Gemein- ChaLyell samkeiten der asiatischen Flora mit der- jenigen von Vancouver. Scott hat Heer 58. Zürich, 24. Dezember 1867 mitgeteilt, dass Whymper eine beträcht- (Zusammenfassung) liche Sammlung von Grönland-Pflanzen Heer würde sich freuen, von Lyell wie- nach London gebracht habe, die ihm der einmal etwas zu hören. Die Heraus- nun zur Untersuchung geschickt wer- gabe der «Flora fossilis arctica» hat sich den sollen. Heer ist gerne bereit, für die durch das reiche Material aus Grönland, Philosophical Transactions einen Beitrag das ihm aus Kopenhagen geschickt wor- über die Whymper-Funde zu schreiben, den ist, verzögert. Darunter befanden möchte aber, dass die Abbildungen wie sich nicht nur zahlreiche neue miozäne schon für die Bovey-Tracey-Publikation Arten, sondern erstmals aus Kome [NW- in der Firma Wurster & Co. in Winterthur Grönland] auch arktische Pflanzen aus hergestellt werden, damit er sie überwa- der Kreide (Farne, Cycadeen und Nadel- chen kann. hölzer), darunter Sequoia reichenbachi, die mit der miozänen Sequoia sternbergi 59. London, 7. Januar 1868 und der lebenden Sequoia gigantea ver- (Zusammenfassung) wandt ist. Von Nordenskiöld aus Stock- Lyell hätte die von Whymper gesammel- holm hat er weitere Pflanzenfossilien ten Pflanzen in London noch gerne erhalten, die von einem Finnen namens gesehen, doch waren sie bereits auf Furuhjelm 188 bei Cook Inlet 189 gefun- dem Weg nach Zürich. Er war infolge der den worden sind. Von 49 bestimmbaren Drucklegung des zweiten Bandes seiner

185 Robert Etheridge (1819–1903), englischer Geologe und Paläontologe. 186 Archibald Geikie (1835–1924), schottischer Geologe und Eiszeitforscher. 187 Alwina Heer (1840–1924), Heers einziges ihn überlebendes Kind. 188 Johan Hampus Furuhjelm (1821–1909), russisch-finnischer Vizeadmiral, Entdecker und russischer Gouverneur in Alaska. 189 Bucht im Golf von Alaska. 58 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell

«Principles of Geology» völlig absor- I shall be glad of your opinion on my new biert. Die von Heer beschriebenen Gat- chapter on insular Floras and Faunas. tungen der nordischen Kreide-Pflanzen Believe me my dear Heer much truly stimmen mit denen von Aix-la-Chapelle yours überein. Die Cook Inlet-Flora stellt ein Cha Lyell schönes Verbindungslied dar. Er hält es für wichtig, dass Heer die Herstellung 61. London, 2. April 1868 der Abbildungen begleitet. Im letzten (Zusammenfassung) Herbst besuchte er zusammen mit seiner Lyell schildert Heer ausführlich die Pro- Frau die Weltaustellung in Paris. Hooker bleme, die es bei der postalischen Zustel- geht es gut; er spricht immer mit grosser lung der «Flora fossilis arctica» sowohl Achtung von Heer. bei ihm zu Hause wie auch in der Geo- logischen Gesellschaft gegeben hat. An 60. London, 20. März 1868 beiden Orten lehnten die Bediensteten My dear Heer die Pakete wegen der hohen Portoko- I should have written before but I wai- sten ab, weil sie nicht informiert waren, ted to hear from Mr Geikie who reque- dass es sich um Sendungen aus Zürich sted me in his reply to send him another handelte. In letzter Zeit gab es verschie- prospectus of your work as he hopes to dene Betrüger, die ziemlich viel Geld get the Royal Society of Edinburgh to erschwindelt haben, indem sie sich für subscribe. I had only one of your pro- Überbringer von Telegrammen vom Kon- grammes left which I have sent him tinent ausgaben. Mr Carruthers vom Bri- begging him to return it after a time. tish Museum ist zudem der Ansicht, dass Of course the first question is what will es ein Fehler war, die Bücher direkt von the book cost. Mr Geikie takes one copy Zürich zu schicken, denn hätte man sie himself. His address is, Geological Survey über den Buchhändler Williams & Mor- Office, Edinburgh. His name is Archibald gate bezogen, hätte man nur 1 Pfund, Geikie. I have written myself to Prof. Bal- 17 Schilling und 6 Pence an Portoko- four 190, Professor of Botany in the Uni- sten bezahlen müssen anstatt 2 Pfund, versity of Edinburgh, and hope he will 1 Schilling und 6 Pence. Bei Sir Charles take one copy at least, and that I shall Bunbury ist möglicherweise das Glei- be able to write to you again on this sub- che passiert, da er nicht in London, son- ject a few days hence. In the meantime dern in seinem Landhaus weilte und die I wished you to know that I have been Bediensteten nicht instruiert waren. Um losing no time. Also that Mr Charles zukünftig ähnliche Probleme zu vermei- Falconer’s address is 21 Park Crescent – den, ist es in der Tat wohl besser, das Portland Place, London. I hope you will Geschäft über Williams & Morgate abwi- get the second volume of my «Princip- ckeln zu lassen. les», which is only issued to the public today, almost as soon as you receive this 62. Zürich, 7. April 1868 letter, for I told them to send you one (Zusammenfassung) of the first copies by post. You will see Heer hat auf die Dienste von Williams by the preface how much of the work & Morgate verzichtet, weil diese dafür has been recast since the 9th Ed[ition]. 25% Rabatt verlangten, während deut-

190 John Hutton Balfour (1808–1884), schottischer Arzt und Botaniker. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 59 sche Buchhändler für die Auslieferung ruthers writes to me that he has also subskribierter Bücher nur das betref- got one and has no doubt that he shall fende Porto verrechnen. Im übrigen get the approval of the British Museum. wurde der Ladenpreis des Werkes nun I will explain to him that they gain by nicht erhöht, obschon statt der im Pro- getting a subscription copy. Mr Geikie spekt angekündigten 20 Bogen Text has written to say that Professor Balfour und 42 Tafeln nun 25 Bogen Text und has got the Royal Society of Edinburgh 50 Tafeln vorliegen. Für die Beibehal- to take a copy and Geikie hopes to get tung des Preises haben der Verleger a copy taken by some one of the Glas- und er nenneswerte finanzielle Opfer gow scientific bodies. But it takes time gebracht. Der Ladenpreis wurde auf 50 because the councils do not meet every Franken fixiert, die Subskribenten erhal- week. He shall be absent from London ten es für 45 Franken, was für ein Buch for the next three weeks starting tomor- mit 50 Farbtafeln und einer Karte nicht row, but letters will be forwarded to him zuviel ist. in the Country. Believe me ever much Heers «Flora fossilis Baltica», an der er truly yours seit letztem Spätherbst arbeitet, wird ChaLyell in Königsberg erscheinen und von der dortigen Naturforschenden Gesellschaft 64. London, 7. Juni 1868 herausgegeben. Die Tafeln sollen wie- (Zusammenfassung) 191 der in Winterthur lithographiert wer- Geikie hat Lyell geschrieben und ihm den. Heer schildert kurz die Floren von mitgeteilt, dass er drei weitere Subskri- Rixhöft und Samland, wo sehr viele fos- benten für die «Flora fossilis arctica» sile Sumpfzypressen (Taxodium) gefun- gefunden habe. Die drei Exemplare kön- den worden sind. Letzten Winter wur- nen an folgende Adresse geschickt wer- den in der unmittelbaren Umgebung den: Mr Maclehose, Bookseller, Glasgow, von Zürich Pfahlbauten und in Salève bei Scotland. Lyell ist überzeugt davon, dass Genf eine Niederlassung aus der Rentier- das Werk auf Zustimmung stossen wird. zeit entdeckt. Ein Freund von ihm hat davon bereits in der «Revue des deux mondes» gelesen. 63. London, 10. April 1868 An einem Treffen gestern im Observa- I have just received your letter and thank torium von Greenwich erklärte ihm ein you much for the information about Astronom, dass eine Änderung der Stel- the Flora Baltica, the new Zurich lake- lung der Erdachse im Rahmen von Mil- dwellings, the flora of Bohe- lionen von Jahren nicht ausgeschlossen mia and other subjects. It was in your werden könne. «I told them not to go letter that I was first told that Charles too fast, for although the flora arctica Bunburys copy of the Flora Arctica had showed a luxuriant forest vegetation been rejected, but I now find that this near to the pole, and vines in high lati- was a mistake. When it was presented tudes, there were as yet no fan-palms, to his servant at his London residence much less a Phoenix palm, as in the Mio- they paid at once £ 2.1.6 and received cene of Switzerland, so that if they could a receipt. The Geological Society have place the polar circle under or near the [sic!] now got their copy and Mr Car- equator in Miocene times, they might

191 Der Brief ist unvollständig publiziert in: K. M. LYELL (1881), S. 424f. 60 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell create as many difficulties as they would Sandsteinen von Greenharbour, Advent remove.» Lyell kennt die Sumpfzypres- Bay und Kings Bay (79° n. Br.) eine reiche sen-Sümpfe vom unteren Mississippi miozäne Flora. Im Eisfjord wurde eine und kann sich daher ein Bild von der diluviale Lage untersucht, die grosse von Heer beschriebenen baltischen Flora Exemplare von Mytilus edulis [Miesmu- machen. scheln] und Pflanzenreste enthielt. Die Funde der Bäreninsel werden genauere 65. Zürich, 30. November 1868 Einblicke in die Steinkohleflora der ark- (Zusammenfassung) tischen Zone gewähren, und die miozä- Whymper war bei Heer in Zürich und nen Pflanzen von Spitzbergen werden hat Heers Abhandlung über die neuen Hinweise auf die Nordgrenze der miozä- Grönland-Funde mitgenommen und sie nen Flora geben. Die deutsche Nordex- Scott übergeben. Dieser wird sie mittler- pedition scheint wenig von Bedeutung weile der Royal Society vorgelegt haben. heimgebracht zu haben. Es gehören 18 Tafeln Abbildungen dazu, die durchaus notwendig sind, denn sie 66. London, 12. Januar 1869 zeigen neue Arten und bessere und voll- (Zusammenfassung) ständigere Stücke als bisher publiziert Lyell entschuldigt sich, nicht früher worden sind. Whympers Funde stel- geantwortet zu haben. Heers gelungene len eine grosse Bereicherung dar, weil Bearbeitung der Whymper-Funde war er nicht nur neue Arten, sondern auch auch ein Thema einer Jubiläumsanspra- Früchte und gut erhaltene Exemplare che in der Royal Society. Die Entdeckung zu Tage gefördert hat. Er hat eine Aus- von Früchten der Kastanie und der wahl der besten Fossilien für das British Magnolie, die Heers vorherige Identifi- Museum in zwei Kisten gepackt, die kation dieser Pflanzen allein aufgrund morgen weggehen. Heer ist im Moment von Blattfunden bestätigten, wurde mit seiner «Flora alaskana» beschäftigt, dabei besonders hervorgehoben. Dieje- die von der schwedischen Akademie nigen Theoretiker, die behaupten, die publiziert wird. Es ist auffallend, dass Erdkruste hätte sich über Jahrmillionen der klimatische Charakter dieser mio- hinweg von einer geographischen Breite zänen Fauna nicht südlicher ist als der zur anderen bewegt, dürften über nordgrönländischen, obschon gut zehn Heers Feststellung verblüfft sein, dass Breitengrade dazwischen liegen. Zwi- Vegetation und Klima im Norden über schenzeitlich ist die schwedische Expe- zehn Grad geographischer Breite gleich dition von Nordenskiöld zur Bärenin- geblieben sind. Lyell ist astronomischen sel (80° n. Br.) in Göteborg angelangt. Erklärungsversuchen für den Klimawech- Heer ist sehr gespannt auf die Pflan- sel gegenüber zwar aufgeschlossen, hält zenfossilien, die aus der Steinkohlezeit aber geographische Veränderungen für stammen. In der Trias von Spitzbergen glaubwürdiger. Lyell möchte wissen, ob fand man einen weiteren Ichthyosau- Heer die neue Ausgabe von Dawsons rier [M AISCH & MATZKE (2000)] und in den «Geology of Acadia» kennt.192 Die Flora

192 JOHN WILLIAM DAWSON: Acadian Geology. The Geological Structure, Organic Remains, and Mineral Resources of Nova Scotia, New Brunswick and Prince Edward Island, London 1868. Das Werk war für Heer in der Bibliothek der NGZ einsehbar, die sich heute in der ZBZ befindet (Signatur: NG 1133). Die beiden Forscher standen im Briefkontakt, vgl. S. SHEETS-PYENSON (1992). Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 61 des Karbon und vor allem des Devon über die von Whymper gefundenen werden darin viel besser abgehandelt als Fossilien zuhanden der Philosophical in der ersten Auflage. Die Existenz von Transactions der Royal Society hat er grossen Sauriern in den arktischen Regi- nichts mehr gehört. onen während des Mesozoikums kann nun wohl als gesichert gelten. 68. Gemäss nächstem Brief fehlt hier ein Brief Lyells. 67. Zürich, 12. Februar 1869 (Zusammenfassung) 69. Zürich, 21. März 1869 Heer hat die Pflanzen der schwedischen (Zusammenfassung) Polarexpedition erhalten. Die Sendung Heer freut sich darüber, dass seine Arbeit besteht aus sechs Kisten mit etwa 2’000 über die fossilen Pflanzen von Grönland Stücken. Die Flora der Bärensinsel setzt von der Royal Society nun doch ange- sich vorwiegend aus Schachtelhalmen, nommen worden ist.193 Er möchte von Lepidodendren, Stigmarien, Sigillarien Text und Tafeln auf seine Kosten 200 und Farnen zusammen und gehört ins Separatdrucke anfertigen lassen und unterste Karbon. Sie zeigt eine über- aus dieser Abhandlung über die mio- raschende Übereinstimmung mit der zänen Pflanzen Grönlands, ferner der Flora der Vogesen und der Grauwa- «Flora fossilis alaskana», der Steinkoh- cke Schlesiens. Dabei sind nicht nur die len-Flora der Bäreninsel und der Flora häufigsten Arten dieselben, sondern sie von Spitzbergen einen zweiten Band der treten auch in den gleichen Varietäten «Flora fossilis arctica» zusammenstellen, auf. Die miozänen Funde von Spitzber- der 54 bis 56 Tafeln enthalten soll. Die gen sind nicht nur wegen der neuen Alaska-Flora wird gegenwärtig in Stock- Arten, sondern auch wegen der Früchte holm gedruckt, enthält 10 Tafeln und und Samen, welche frühere Bestim- erscheint in lateinischer Sprache. Heer mungen erfreulicherweise bestätigen, beschreibt kurz die reichhaltigen Funde wichtig. Der ertragreichste Fundort ist an miozänen Pflanzen aus Spitzbergen. das Kap Starastschin am Eisfjord (78° n. An Insekten hat er etwa ein Dutzend Br.). Er hat von dort mehrere hundert identifiziert, alles Käferarten, die heute Stücke, die fantastisch gut erhalten nicht mehr auf Spitzbergen vorkommen. sind. Er legt Lyell ein paar Zeichnungen Die reichsten Funde stammen vom Kap davon bei. Vor allem die Sumpfzypresse Starastschin. Vielleicht könnten die eng- Taxodium ist nennenswert, von der er lischen Jagdgesellschaften, die jährlich die männlichen und die weiblichen Blü- dorthin aufbrechen, dafür gewonnen ten, die Fruchtschuppen und die Samen werden, noch mehr Fossilien von dort identifiziert hat. Wie schon in der bal- mitzubringen. Die Deutschen wie auch tischen Flora unterscheidet sich dieser Nordenskiöld planen weitere Expediti- Baum auch hier nicht von den heute onen. lebenden Exemplaren. Heer geht auf weitere sehr gut erhaltene Pflanzen (z.B. Sequoia) ein. Von seiner Arbeit

193 OSWALD HEER: Contributions to the fossil flora of North-Greenland, being a description of the plants collected by Mr E. Whymper during the summer of 1867, in: Philosophical Transactions of the Royal Society 159 (1869), S. 445–488. 62 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell

70. London, 4. November 1869 rigeren Wassertiefen leben, obwohl da (Zusammenfassung) 194 unten Finsternis herrscht. Er hat seine Lyell bedankt sich für Heers Abhand- Arbeiten über die Spitzbergen-Flora lung über die Flora von Alaska 195, die abgeschlossen. Die Zahl der bekannten er mit grossem Interesse zur Kenntnis miozänen Pflanzen ist auf 131 Arten genommen hat, da sie neues Licht auf angewachsen, wovon drei heute noch die Isothermen des Miozäns wirft: «That leben: Taxodium distichum, Picea abies this flora should have ranged with so und Pinus montana. Die beiden letzt- little variation over 10° of latitude in genannten Nadelhölzer verschwinden the Miocene period, will have a great dann in Spitzbergen und erscheinen in bearing on those who are ready with Europa im Norfolk [Cromer] Forest Bed so little ceremony to shift the place of [vgl. Anm. 115] sowie in den Schiefer- the earth’s axis of rotation when it suits kohlen. Beide sind noch von den Pfahl- their theoretical views.» Lyell berichtet bauten bekannt. Pinus montana zieht über die Tiefsee-Bagger-Expedition zu sich schliesslich in die Berge zurück und den Färöer-Inseln im Nordatlantik. Je Picea abies wird zum Hauptnadelholz- nach kalter oder warmer Meeresströ- baum der Schweiz und ist auch in Nord- mung unterscheidet sich die Fauna. Es asien wie in Skandinavien verbreitet. Da gibt nur wenige Gattungen, die in bei- der Baum im Miozän auf Spitzbergen den Bereichen leben. Untersuchungen existierte, scheint er von der Polarzone im Golf von Biskaya haben zudem ausgegegangen zu sein. Bestimmte von gezeigt, dass es selbst noch in 15’000 Nordenskiöld zugesandte Funde zei- Fuss Tiefe (die Höhe des Mont Blanc) gen, dass in Spitzbergen im Quartär eine Leben gibt. andere Flora vorherrschte. An Insekten konnte Heer aus dem Miozän 22 Arten 71. Zürich, 7. November 1869 bestimmen, von denen 20 Käfer sind, (Zusammenfassung) wobei heute auf Spitzbergen kein ein- Heer dankt Lyell für die Informationen ziger Käfer mehr lebt, was die aus den über das Tiefseeprojekt. Er hat vor eini- Pflanzen gewonnenen Resultate bestä- gen Tagen von Agassiz die Abhandlung tigt. von L. F. Pourtales mit dem Titel «Contri- Im Moment bearbeitet er die nicht sehr butions to the Fauna of the Gulf Stream artenreiche Flora der Bärensinsel und at Great Depths» 196 erhalten, welche geht nachfolgend auf ein paar Bestim- ebenfalls zeigt, dass Leben in grösseren mungsprobleme ein. Er hat Lyell seine Tiefen nachgewiesen werden kann als baltische Flora 197 zugesandt, die wegen bisher angenommen worden ist. Auffal- ihrer Beziehung zum Bernstein, und weil lend ist, dass das pflanzliche Leben nicht sie ein Bindeglied zwischen der mittel- so tief hinabreicht wie das tierische und europäischen und der arktischen Flora dass diese Tiere ebenso gut entwickelte darstellt, von besonderem Interesse Augen besitzen wie die, die in nied- ist. Heer geht kurz auf zwei Arbeiten

194 Brief ist publiziert in: K. M. LYELL (1881), S. 444f. 195 OSWALD HEER: Flora fossilis alaskana. Köngl. Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar, Bandet 8, No. 4, Stockholm 1869. 196 Heers Exemplar des Separatdrucks der im Bulletin of the Museum of Comparative Zoology publi- zierten Abhandlung befindet sich in der Bibliothek der ETH Zürich (Signatur: 81334). 197 OSWALD HEER: Miocene Baltische Flora. Beiträge zur Naturkunde Preussens 2, Königsberg 1869. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 63 von Ernst Gustav Zaddach ein 198 und make your writings known amongst beschliesst den Brief mit Bemerkungen those who are most interested in geo- zu den Tafeln seiner «Miocenen Bal- logy here. The election comes on, on tischen Flora» (Königsberg 1869). the 22nd of this month but the list must be entered on their books in about a 72. London, 13. November 1869 week. I do not think the exact page or (Zusammenfassung) even perhaps volume of transactions of Gestern wurde Heers Aufsatz über die a memoir need be inserted and I should Grönland-Pflanzen in der Royal Society be satisfied with four or five titles if it vorgelesen und diskutiert. Die Arbeit was troublesome for you to give me wurde positiv aufgenommen. Auch more. I write in haste for I only learned Lyell hat sich zu Wort gemeldet und die yesterday that this new regulation must Funde von Spitzbergen und der Bären- be complied with. Once done the list will insel gewürdigt. Ebenso ergriffen Scott, serve for future elections if they choose Whymper und Ingelfield das Wort. Car- as they often do some older man for penter 199 sprach von der Abwesenheit fear of not honoring him during his life. von Bäumen auf den Hebriden und Believe me very truly yours den Orkney Islands, worauf die Diskus- Cha Lyell sion in andere Gebiete abschweifte. Der Präsident der Royal Society, General 74. Zürich, den 12. Dezember 1869 Sabine 200, schätzt Heers Arbeiten sehr. (Zusammenfassung) Heer schickt ihm seine Publikationsliste, 73. London, 9. Dezember 1869 auf welcher er die paläontologischen My dear Heer Arbeiten mit einem Kreuz versehen hat. The Geological Society of London has Er hat Lyell zudem seine «Miocene Bal- asked me to give them a list of your tische Flora» (Königsberg 1869) und Pro- principal works in consequence of the betafeln zu den Arbeiten zugesandt, die number of competitors for the vacant in den Philosophical Transactions und in place of foreign member and according den Abhandlungen der Schwedischen to a new regulation this list will have Akademie erscheinen sollen. Aus den to be entered into a regular book. It postpliozänen Ablagerungen von Spitz- is unnecessary of course to give all the bergen hat er weiteres interessantes shorter memoirs. The titles of your prin- Material erhalten. cipal works and larger papers will suf- fice. It might be well to give the number of plates. I am afraid this may be a trou- blesome task but at any rate it helps to

198 ERNST GUSTAV ZADDACH: Das Tertiär-Gebirge Samlands, Königsberg 1868; ders.: Beobachtungen über das Vorkommen des Bernsteines und die Ausdehnung des Tertiärgebirges in Westpreussen und Pommern, in: Schriften der königlichen physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königs- berg 10 (1869), S. 1–19. Heers Handexemplar der erstgenannen Schrift wird in der Bibliothek der ETH Zürich aufbewahrt. Leider haben ignorante Bibliothekare bzw. Buchbinder auch bei diesem Exemplar aus Heers Privatbibliothek seine Randnotizen mit Bleistift beträchtlich beschnitten (Signatur: 81674). 199 William Benjamin Carpenter (1813–1885), englischer Physiologe und Naturforscher. 200 General Sir Edward Sabine (1788–1883), anglo-irischer Astronom und Geophysiker. 64 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell

75. London, 22. Dezember 1869 Spitzbergen nicht mehr vor. Die Myti- My dear Heer lus-Schicht reicht bis 200 Fuss über den I lose no time in announcing to you Meeresspiegel, was beweist, dass das that you have today been selected by Land früher tiefer [oder der Meeresspie- the Council from among many good gel höher] lag als heute. Zudem war das candidates to fill the vacancy in our list Klima etwas wärmer. Verglichen mit den of foreign members of the Geological Funden mitteleuropäischer Lokalitäten Society.201 I had not suspected that you liegt der Schluss nahe, dass das Mytilus- would have succeeded this time, but Bett zur diluvialen Periode, und zwar the majority in your favor was over- zum Interglazial, gehört. Während des whelming. You must wait till you have Interglazials ist auch das Mammut erst- received official notice of your election, mals in Sibirien aufgetreten. Wenn das after all the regular forms have been Klima damals in Spitzbergen wärmer gone through, before sending any ack- war, «lässt sich dasselbe auch für Sibirien nowledgment of this election. I received annehmen und so das so häufige Auftre- your list of papers, but was glad to find ten dieses Thieres und seine Verbreitung that our members are most of them well bis zu 74° n. Br. erklären, während dies aware of the great number and value of sehr schwer hält [sic!], wenn man das your publications and the beauty of the Auftreten des E[lephas] primigenius in illustrations. I was asked whether you Sibirien in unsere Gletscherzeit verlegt. wished to be called Reverend Oswald Es erklärt sich aber ferner dann wie es Heer. I said I did not know, but I thought kommt, dass der E[lephas] primigenius in Professor would do best. Asien so hoch nach Norden hinaufreicht, Believe me my dear Heer your affected während dies in Europa durchaus nicht friend der Fall ist, weil er eben erst zur zweiten Charles Lyell Gletscherzeit sich über Europa verbreitet hat und damals das Klima soviel rauher 76. Zürich, 28. Dezember 1869 geworden war, dass er im Norden nicht (Zusammenfassung) mehr leben konnte.» Es folgen ausser- Heer dankt Lyell für seine Fürsprache in ordentlich herzliche Grussworte an Lyell Sachen Ernennung zum Foreign Mem- und seine Frau. ber der Geological Society von London. PS: Der Titel Professor Heer ist völlig Fast gleichzeitig ist er zum Mitglied der genügend. Königlichen belgischen Akademie der Wissenschaften gewählt worden. Er 77. Gemäss Brief Nr. 79 schrieb Lyell am teilt Lyell einige neue Erkenntnisse zu 13. Januar 1870 an Heer. Der entspre- der in einem früheren Brief genann- chende Brief war nicht auffindbar. ten posttertiären Ablagerung in Spitz- bergen mit, die er kurz Mytilus-Bett 78. Gemäss Brief Nr. 79 antwortete Heer nennt. Neben verschiedenen Pflanzen, auf Lyells Brief vom 13. Januar 1870 sehr die er beschreibt, sind dort auch neun schnell und mit separatem Schreiben, Muschelarten gefunden worden. Drei das leider verloren ist. davon (Mytilus edulis, Cyprina islandica und Litorina litoralis) kommen heute in

201 Vgl. BURGA (2013), S. 202f. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 65

79. Zürich, 17. Januar 1870 So war es ja auch bei den fossilen Thie- (Zusammenfassung) ren. Jeder Schuljunge erlaubt sich, über Heer hat auf Lyells Fragen vom 13. J. J. Scheuchzer zu spotten, weil er einen Januar in einem separaten Brief geant- Salamanderschädel für einen mensch- wortet. Er sollte ihn zwischenzeitlich lichen genommen hat, hat aber keine erhalten haben. Heer ist wie Lyell der Ahnung, was Scheuchzer 202 für die Wis- Meinung, dass Ettingshausen und Unger senschaft geleistet und mit welch gros- manche fossile Blätter ohne hinrei- sen Schwierigkeiten er zu kämpfen chende Begründung zu den Proteaceae hatte. Ich gestehe, dass mir zuweilen (Abb. 5) gestellt haben, wo es sich doch der Muth schwinden wollte, auf diesem gelegentlich um verschiedene Arten der Gebiete weiter zu arbeiten, es liegt aber Gattung Myrica handelt. Heer diskutiert in diesen Forschungen ein so wunder- im folgenden verschiedene Zuschrei- barer Reitz, dass ich immer aufs Neue bungen europäischer Tertiärpflanzen zu den Proteaceae sowie zu den Gattungen Hakea, Acer, Leptomeria, Eucalyptus, Engelhardtia und Laurelia. Die Kreide- Pflanzen von Aachen kennt er nicht aus eigener Anschauung. Debey hat seine Arbeit leider immer noch nicht veröf- fentlicht. Folgende Bestimmungen fos- siler Pflanzen von Heer aufgrund von Blättern wurden durch spätere Funde von anderen Organen bestätigt: Sequoia langsdorfii, Taxodium distichum, Casta- nea ungeri, Ulmus braunii, Cinnamo- mum scheuchzeri, Magnolia inglefieldi, Menyanthes arctica, Rhamnus gaudini, Andromeda protogaea und Myrica vindobonensis. Heer räumt ein, dass ihm natürlich auch Fehler unterlaufen seien: «Bei einer neuen Wissenschaft sind Irr- thümer unvermeidlich, und es braucht einen gewissen Muth dazu, sich auf ein solches Terrain hinauszuwagen, denn wenn auch nach und nach für die Wis- Abb. 5. Blütenstand von Protea eximia aus senschaft ein sicherer Boden gewon- der Familie der Proteaceae mit Weibchen des Cape Sugarbird (Promerops cafer), Helder- nen wird, werden die Mühen, die dies berg Nature Reserve, Südafrika gekostet hat, gar bald vergessen, und (Bild: Conradin A. Burga, 2000). jedermann glaubt sich nun berechtigt, Fig. 5. Inflorescence of Protea eximia (Pro- über die vermeintlichen oder wirklich teaceae) with a female Cape Sugarbird (Pro- begangenen Irrthümer herzufallen und merops cafer), Helderberg Nature Reserve, sich über dieselben lustig zu machen. South Africa (Foto: Conradin A. Burga, 2000).

202 Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733), Zürcher Arzt und Universalgelehrter. Zu Scheuchzer als Paläontologe vgl. U. B. LEU (2012). 66 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell dazu getrieben wurde. Dazu trug aber deutlichere Beweise sehen möchte, als auch nicht wenig die freundliche und sie bis jetzt vorliegen, weil die heutigen anerkennende Weise bei, mit der Sie Proteaceen so weit weg von Europa in diese Bestrebungen ermuntert haben.» Australien vorkommen. Bentham scheint aber zu vergessen, dass in Europa Prote- 80. London, 11. Juni 1870 aceen aus dem Eozän und aus der Kreide My dear Heer gefunden worden sind und diese ja die I am about very shortly to send my chap- Vorfahren derjenigen des Miozäns sein ter on the Miocene in the «Elements» to müssen. Zudem ist es viel wahrschein- the press, repeating what I said in the licher, dass diese Pflanzen einst in Eur- 6th edition «Elements» 203 [sic!] about the opa gelebt haben, hier ausgestorben flora. The article by Mr Bentham 204 in sind und sich bis nach Südafrika und Aus- «Nature» (a periodical which I forward tralien ausgebreitet haben, als anzuneh- by bookpost) seems to me a rather seri- men, sie seien von Australien nach Eur- ous attack upon your Miocene Protea- opa eingewandert. Im Gespräch hat Lyell ceae. 205 Would you read the article and Bentham auf die Kreide-Funde von Aix- tell me whether you would wish me to la-Chapelle hingewiesen, bei denen die alter anything which I said before; or Epidermis so gut erhalten ist, dass man whether you can further strengthen unter dem Mikroskop die Stomata [Spalt- your position if you still hold the same öffnungen] erkennt, die denen der Pro- opinion concerning them. On second teaceen entsprechen, was diesen aber thoughts I have cut out the article and nicht sonderlich beeindruckt hat. Lyell enclosed it in this letter that it may reach denkt, dass diese entschiedenen bota- you more quickly. nischen Skeptiker die paläobotanischen Believe me my dear Heer yours faithfully Befunde unterschätzen und dadurch der Cha Lyell Sache schaden. Von der neuen Auflage der «Elements of Geology» sollen 5’000 81. London, 13. Juni 1870 Stück gedruckt werden. (Zusammenfassung) 206 Lyell schickt ihm Benthams Ansprache 82. Zürich, 17. Juni 1870 vor der Linnean Society, in der er die (Zusammenfassung) Ansicht vertrat, dass aus den wenigen Heer freut sich, von Lyell wieder einmal unvollständigen fossilen Früchten nicht etwas zu hören. Bentham hat ihm seine auf die Existenz von Proteaceen im Ter- «Adress read at the anniversary meeting tiär geschlossen werden könne. Er macht of the Linnean Society» geschickt. Zu aber auch keinen Vorschlag, zu welcher Lyells Frage bezüglich der tertiären Prote- Ordnung diese Funde sonst gezählt wer- aceen möchte er darauf hinweisen, dass den sollten. Lyell denkt, dass Bentham Ettingshausen und Unger zu viele Fos-

203 Gemeint ist: CHARLES LYELL: The Student’s Elements of Geology, London 1865. 204 George Bentham (1800–1884), englischer Botaniker, leitete bis 1871 die botanische Abteilung des British Museum. 205 GEORGE BENTHAM: On the Progress of Botany During 1869, in: Nature 2 (1870), S. 91f. Ein weiterer Angriff Benthams gegen Heer wurde publiziert in: Extracts from the Address of George Bentham, Esq., President of the Linnean Society, on the 20th of May, 1870, in: The American Journal of Sci- ence and Arts, Second Series 50 (1870), S. 325–335. 206 Brief ist publiziert in: K. M. LYELL (1881), S. 446f. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 67 silien zu den Proteaceen gestellt haben. jetzigen Erfahrungen zeigen, in Europa Heer hat bereits verschiedentlich darauf damals fehlte, dagegen aber zur diluvi- hingewiesen, dass bei der Zuordnung alen Zeit in England und in der Schweiz Vorsicht geboten ist. Gerade die häu- auftritt, ist wohl der Schluss gestattet, figsten Arten lassen sich in keine lebende dass er sehr wahrscheinlich von Norden Gattung einreihen. Verschiedene Dryan- ausgegangen sei, da er eben damals in droides-Arten haben sich als zu Myrica Spitzbergen seine Heimat hatte.» 208 gehörig entpuppt. Bentham hat recht, wenn er diese Dryandroides-Arten nicht 83. Zürich, 4. Juli 1870 als Proteaceen ansprechen will, doch (Zusammenfassung) geht er zu weit, wenn er das Vorkom- Heer teilt Lyell mit, dass er Saportas Neu- men dieser Familie im Tertiär Europas bestimmung von Dryandra schrankii als leugnet. 207 Heer legt die Datenbasis für Vertreter der Gattung Myrica nochmals seine Überzeugung dar. Darauf gibt er überprüft habe. Saporta kam zu die- Lyell ein paar Korrekturhinweise betref- sem Schluss, weil Blätter und Früchte fend der sechsten Auflage der «Elements auf der gleichen Gesteinsplatte lagen, of Geology». Abschliessend äussert er doch waren diese nicht an ein und dem- sich zum Einwand Benthams, dass die Bil- selben Zweig befestigt. Heer plädiert dungsherde und die Verbreitungskanäle aus verschiedenen Gründen, die er dar- einzelner Gattungen nicht nachgewiesen legt, dafür, die alte Bestimmung des Fos- werden könnten. Heer entgegnet, dass sils als Dryandra zu belassen. Newberry Bildungsherde nicht mit mathematischer hat zu den miozänen Pflanzen, die heute Sicherheit eruiert werden können, noch leben, eine weitere hinzugefügt, «wenn nun aber nachgewiesen wird, nämlich den Farn Onoclea sensibilis aus dass das Taxodium distichum [Sumpf- dem nordamerikanischen Dakota. Es ist zypresse] in ganz Europa, in Alaska, in dies «wie das Taxodium eine Art, die der Kirgisiensteppe und ebenso in der zur Miocenzeit in Europa und Amerika arctischen Zone vorkam, muss es doch am [verbreitet] war, jetzt aber nur noch im wahrscheinlichsten scheinen, dass sein letztern Welttheil sich findet.» Auch den Ausgangspunkt die arctische Zone war, weit verbreiteten Glyptostrobus euro- indem bei dieser Annahme eine strahlen- paeus hat Newberry in den Vereinig- förmige Verbreitung die Art nach Asien, ten Staaten fossil mit Fruchtzapfen und Amerika und Europa führen musste; Zweigen aufgefunden und sagt von ihm, wenn wir nun noch weiter bei Picea abies dass er mit den europäischen miozänen [Fichte] nachweisen können, dass dieser Funden völlig übereinstimme.209 Baum zur miocenen Zeit in Spitzbergen war, aber, so weit wenigstens unsere

207 Bentham hat grundsätzlich recht behalten, denn es scheint, dass ausser aus keine fossilen Proteaceae der nördlichen Hemisphäre bekannt sind. Vgl. TH. N. TAYLOR et al. (2009), S. 935; R. J. CARPENTER (2012). 208 Hier irrte sich Heer. 209 Heer verweist dabei auf: JOHN STRONG NEWBERRY: Notes on the Later Extinct Floras of North Ame- rica, with Descriptions of some New Species of Fossil Plants from the Cretaceous and Tertiary Strata, in: Annals of the Lyceum of Natural History of New York 60 (1868), S. 39. Heers Hand- exemplar des Separatdrucks wird in der Bibliothek der ETH Zürich aufbewahrt (Signatur: 81717). Er verfügt über eine Widmung des Autors sowie handschriftliche Anstreichungen und Annotati- onen von Heer. 68 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell

84. London, 6. Juli 1870 und Blüten gefunden worden wären, My dear Heer, man doch nicht leugnen könne, dass I ought not to have allowed a second sich eine reiche Flora mit fossilen Bäu- important letter from you to reach me men bis in die arktischen Regionen before I acknowledged your long and erstreckte und dass gewisse dieser mio- interesting one of June 20th but I have zänen Pflanzen aus Grönland, Spitzber- been entirely occupied with the que- gen und Island in Mitteleuropa zusam- stion of the Glacial scooping of lakes men mit Palmen lebten. Diese Palmen and am only just coming to the Miocene sind offenbar allein aufgrund von Blatt- and the Proteaceae. I am delighted at funden identifiziert worden; oder hat what you tell me of the probability of Heer Kenntnis von fossilen Blüten und the Dryandra being after all Proteace- Früchten? ous. I had remarked already to Bentham Bentham stützt sich auf Hugo von that this supposed correction of an error Mohl 210 und sagt, dass die Porenstruk- was the work of a paleontologist and tur der Blätter bei den fossilen Protea- not of one of those botanical critics who ceen wenig bewiesen, weil auch andere have certainly done more to quench the Pflanzen über derartige Blattstrukturen enthusiasm of those who have enlighte- verfügten. Lyell denkt aber, dass Ben- ned us on the fossil vegetables than to tham hier unfair argumentiert, denn es encourage them. I talked with Hooker gibt nur wenige Gewächse, die eine sol- yesterday on this subject, his skepticism che aufweisen. Er wäre froh, wenn ihm appears to me to be chiefly founded on Heer mehr über die Blattporen [Spalt- the absence of fruits. He says that the öffnungen] der Proteaceen mitteilen cones of the Proteaceae are hard and könnte. enduring and ought to be conspicuous as are cones of the Coniferae. But are PS: Lyell möchte Heers Zeichnung einer the latter so common and conspicuous? Frucht von Banksia, die seinem Brief vom I hope to write again in a few days when 17. Juni beilag, als Holzschnitt publizie- I have studied the subject and I will talk ren. Er fragt ausserdem, wieviele Fälle to Carruthers, you must consider this as von losgelösten Früchten oder Samen, merely an acknowledgement of your let- die von Proteaceen herrühren könnten, ter. If anything more occurs to you pray Heer schon gesehen habe. write. My wife who has been writing out translations into English of all your let- 86. Zürich, 17. Juli 1870 ters begs to be particularly remembered (Zusammenfassung) to you. Believe me ever most truly yours Heer bestätigt, dass die Bestimmung fos- ChaLyell siler Palmen alle auf Blattfunden basie- ren, die freilich sehr charakteristisch 85. London, 12. Juli 1870 sind. Prächtige Palmenblätter sind in jün- (Zusammenfassung) gerer Zeit in Norditalien entdeckt wor- Lyell kommt noch einmal auf den Dis- den. Heer schildert die Eigenheiten der put mit Bentham zu sprechen. Er hält Stigmata von Proteaceen und legt Lyell fest, dass selbst wenn gar keine Samen eine von ihm angefertigte Zeichnung

210 Hugo von Mohl (1805–1872), deutscher Arzt und Botaniker, Professor für Botanik in Bern, dann in Tübingen. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 69 davon aus dem Lehrbuch von Schlei- die ebenfalls zu den Proteaceen gehö- den bei.211 Leider fehlt ihm das Mate- ren. Nach eingehenden Untersuchungen rial, um die Aachener Proteaceenblät- stellte sich heraus, dass nur zwei der ter mit heute lebenden zu vergleichen. ursprünglich sieben zu den Protea- Er hat Lyells Anfrage darum gleich an ceen gestellten Fossilien tatsächlich zu Debey weitergeleitet, doch hat er Zwei- dieser Familie gehören. Bezüglich der fel, dass er bald antworten wird, weil Blattfunde hat Carruthers aber jegliche der so plötzlich unerwartet ausgebro- Zugehörigkeit zu den Proteaceen aus- chene Krieg 212 gerade in Aachen grösste geschlossen. [Hier fehlt ein Papierbo- Bestürzung ausgelöst hat. Heer denkt, gen des Briefes]. Obschon Carruthers dass die Proteaceenfrüchte deshalb so den Einwänden Benthams zustimmt, selten zu finden sind, weil sie viel fester was die Blattbestimmungen angeht, ist mit dem Stiel verbunden sind als zum er hingegen der Überzeugung, dass auf- Beispiel Koniferen-Zapfen und daher grund der Zapfen zwei australische For- viel seltener zu Boden fallen. Es folgen men von Proteaceen im Eozän Europas ein paar Bemerkungen zu den Erwäh- vorkommen. Neben den Früchten von nungen von Proteaceen in Lyells «Ele- Sheppy [London Clay] sind keine Blät- ments of Geology». Heer schliesst den ter und neben den Blättern von Alum Brief mit dem Hinweis auf die Arbeit von Bay [Isle of Wight], die der Proteaceen- Sartorius von Waltershausen ab, der wie- Gattung Dryandra zugeschrieben wor- der die ältere Ansicht vom Transport der den sind, sind keine Früchte gefunden erratischen Blöcke durch schwimmende worden. Die Gattung Pterophila hat Eistafeln verteidige. Heer verweist auf wohl einen europäischen Ursprung wie seine Widerlegung dieser Hypothese in auch die australischen Beuteltiere. Letz- der Anmerkung auf Seite 74 seiner fossi- tere treten im europäischen Oolithikum len Flora der Polaränder.213 [Jura] auf, als Australien möglicherweise noch nicht existierte. Wir wissen auch 87. London, 29. Juli 1870 nicht, ob Australien im Eozän schon vor- (Zusammenfassung) 214 handen war oder nicht. Lyell hofft, dass Lyell ging mit der Information von Heer der [Deutsch-Französische] Krieg den über die Stomata der in Aix-la-Chapelle postalischen Verkehr zwischen London gefundenen Protaceen zu Carruthers ins und Zürich nicht zu sehr beeinträchtigt. British Museum und verglich sie mit den dortigen, von Bowerbank 215 beschrie- 88. Zürich, 14. August 1870 benen und von ihm auf den Tafeln IX (Zusammenfassung) und X abgebildeten Funden von Petro- Heer freut sich darüber, dass auch Car- philoides aus dem London Clay [Eozän], ruthers das Vorkommen von Protea-

211 Die Vorlage für Heers Zeichnung findet sich in: MATTHIAS JAKOB SCHLEIDEN: Grundzüge der wissen- schaftlichen Botanik, Leipzig 1861, S. 198 (4. Aufl.). 212 Gemeint ist der Deutsch-Französische Krieg 1870/71. 213 OSWALD HEER: Flora fossilis arctica, Bd. 1, Zürich 1868, S. 74. 214 Von diesem vermutlich auf drei Bogen verfassten Brief fehlt der mittlere. Der erste besteht aus violettem, der letzte aus weissem Papier. 215 JAMES SCOTT BOWERBANK: A history of the fossil fruits and seeds in the London clay, London 1840. Heer benutzte das Exemplar der Bibliothek der NGZ, das zahlreiche Bleistiftnotizen von ihm ent- hält und das heute in der ZBZ aufbewahrt wird (Signatur: NB 406). 70 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell ceen-Früchten bestätigt hat. Bower- wegs sind wie übrigens auch Lyells letz- bank hat freilich zu viele Arten gemacht, ter Brief. worauf bereits Ettingshausen hinge- wiesen hat. 216 Heer findet es erstaun- 89. London, 20. August 1870 lich, dass unter den vielen Blättern der My dear Heer Alum Bay [Isle of Wight], wo er selber I have received your letter of August 14th reiches Material gesammelt hat, immer and am sorry that Mr Debey could not noch keine Früchte gefunden worden send you the Aix-la-Chapelle fossil Pro- sind, die mit Petrophiloides in Zusam- teaceae. I had already quoted Ettings- menhang gebracht werden können. Ein hausen as having pointed out that many systematischer Vergleich der Fossilien of Bowerbank’s species belong to one des London Clay mit denen von Alum and the same plant. I have just received Bay wäre zwar eine schwierige, aber a letter from Mr Carruthers from which sehr verdienstvolle Arbeit. Unter den I make the following extract: «The only von Bowerbank beschriebenen Früch- difficulty I have about the cones arises ten gehört Nipadites wohl zur lebenden from the seeds having a deep sulca on Gattung der Nipa- [= Nypa] Palmen, die both sides throwing in transverse sec- heute auch nur noch auf der südlichen tion thus ∞ ; whereas in Proteaceae the Hemisphäre [in SE-Asien] vorkommen. seed being without albumen and consi- Debey hat ihm geschrieben. Er hat sei- sting entirely of the seed leaves arran- nerzeit wohl Präparate der Epidermis ged in transverse sections thus θ, it is gemacht, müsste sie aber nochmals very unlikely that a deep furrow should untersuchen, wozu er jetzt leider nicht penetrate the mid-rib of the leaves. – kommt. Er wie auch Saporta sind sich Excepting this peculiarity – very well aber sicher, dass unter den Kreideblät- shown in Borderbank’s figures – the tern von Aachen zweifellos Proteaceen cone otherwise agrees with those of zu finden sind. Er wird ihm einige Photo- Petrophila and Isopogon – and differs graphien schicken, die aber zur Bestim- from any other cones that I know.» mung nicht reichen werden, weil die As he told me when I talked to him last feine Blattnervatur darauf nicht ersicht- in London that he was perfectly satisfied lich ist. with the identity of the fossil cones with Von Carruthers hat Heer eine interes- those of the two living Australia genera, sante Abhandlung über die Cycadeen I was not prepared for this new difficul ty erhalten 217, wobei er eigenartigerweise and should be glad to hear whether it verschiedene Beiträge aus der Fachlite- strikes you as at all serious. If I do not ratur übersehen hat. Heers Arbeit über hear from you I shall consider that you die Bäreninsel ist immer noch nicht fer- do not think the objection a grave one tig, weil Pflanzensendungen aus London or that it is impossible to say anything infolge des Krieges sehr lange unter-

216 CONSTANTIN VON ETTINGSHAUSEN: Die Proteaceen der Vorwelt, in: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe 7 (1851), S. 711–745. Diese Reihe stand Heer in der Bibliothek der NGZ zur Verfügung, die heute in der ZBZ aufbewahrt wird (Signatur: USN 327: h). 217 Vermutlich ist folgende Publikation gemeint: WILLIAM CARRUTHERS: On Fossil Cycadean Stems from the Secondary Rocks of Britain, in: Transactions of the Linnean Society of London 26 (1870), S. 675–708. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 71 more on the subject without additional geschrieben, den er Lyell hiermit zukom- data. men lässt. Falls Lyell denkt, dass der Believe me ever most truly yours Beitrag von allgemeinem Interesse sein Cha Lyell könnte, kann er gerne dem Quarterly Journal of Geology angeboten werden, 90. Zürich, 15. September 1870 doch müsste er zuvor noch ins Englisch (Zusammenfassung) 218 übersetzt werden. Er war sehr beschäf- Heer gibt zu bedenken, dass er dem von tigt und braucht nun ein paar Wochen Carruthers erwähnten Unterschied zwi- Ruhe, weshalb er mit seiner Frau und schen fossilen und rezenten Samen, auf Tochter verreisen wird. Seine Arbeit den schon Bowerbank (S. 43 [Anm. 215]) über Spitzbergen ist fertig. In ein paar hingewiesen hat, keine grosse Bedeu- Wochen wird Nordenskiöld von West- tung zumisst. Dieser kann durchaus mit grönland (Kome) mit hoffentlich schö- dem Erhaltungszustand der Samen zu nen Funden aus der dortigen Kreide- tun haben, die gemäss Bowerbank (S. Flora zurückkommen. 46) lange im Wasser gelegen haben müs- sen. 91. London, 21. Oktober 1870 Die fossilen Pflanzen, die er von Baily 219 My dear Heer und Scott aus Kiltorkan (Irland) aus I have been a long time acknowledging einem gelben Sandstein erhalten hat, the receipt of your letter of Sept. 15, sind sehr interessant. Er hat keinen but I have had your paper on the Bear Zweifel, dass diese Flora zur gleichen Island Geology 220 entered in the list of gehört wie diejenige der Bäreninsel, memoirs to be read in turn so that if der Grauwacke der Vogesen und des printed, as is no doubt will be, no time Schwarzwalds. Darunter befinden sich will be lost in its taking date. It is a very auch verschiedene, die Lyell in seinen important communication and I have «Elements of Geology» abgebildet hat. had it carefully translated and am glad Diese Funde können nicht devonisch you did not write it in English yourself, sein, sondern gehören ins Karbon. Heer for although you understand our langu- stellt sie ins untere Karbon, was mit den age very well we are more sure of your Funden von St. John in New Brunswick meaning when you write it in your own. korreliert. Dawson hat diese Flora für Mr Etheridge [vgl. Anm. 185] is delighted devonisch erklärt, weil sie sich von der with the novelty of your discoveries and aus den Kohlegruben unterscheidet, I have found room for them and cited aber sie kommt dieser doch viel näher you in my chapter on the just als der devonischen. Heer hat die Frage passing through the press. The only der Unterscheidung zwischen devo- change which we have made in your nischer und karbonischer Flora in seiner paper is the omission of Spirifer dispinc- Flora der Bäreninsel abgehandelt und tus [Brachiopode] which is not found in hat zudem einen kurzen Aufsatz dazu the slate of Ireland. Ethe-

218 Von diesem Brief scheint gemäss den Kopien, die ich aus Edinburgh erhalten habe, nur die unvoll- ständige englische Übersetzung von Lyells Frau erhalten zu sein. 219 William Hellier Baily (1819–1888), englischer Paläontologe, Mitglied des irischen Zweigs des Geo- logical Survey. 220 OSWALD HEER: On the carboniferous flora of Bear Island, in: The Quarterly Journal of the Geologi- cal Society of London 28 (1872), S. 161–169. 72 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell ridge knows this to have been a mistake ckungen gemacht, er soll die Pflanzen made I believe by Jukes 221 and which zur Bearbeitung erhalten. Von West- probably you saw somewhere in print. grönland erwartet er von den Schweden At any rate the mistake is now acknow- (Nordenskiöld) wichtige neue Funde, ledged by the Survey. I am much obliged insbesondere was die Kreideflora von to you for the plates of Calamites radi- Kome angeht. In Spitzbergen ist ein atus etc. Etheridge said he never read neuer Horizont gefunden worden. Zwei a more interesting paper than yours. I junge Männer namens Nathorst 223 und cannot spare time now for the cones of Wilander 224, die Nordenskiöld dafür Proteaceae but your explanation seems gewonnen hat, haben dort Untersu- to me to be a very probable one and I chungen angestellt und echte Kohlen- hope some day to get Carruthers to con- pflanzen gefunden. Es wird sich zeigen, sider it well with the original specimens ob sie der Stufe der Bäreninsel ange- before us. hören oder ins mittlere Karbon gestellt Believe my dear Heer ever truly yours werden müssen. An der Ostküste Grön- Cha Lyell lands wurden nicht nur Pflanzen, son- dern auch ein 14 Fuss langer Ichthyosau- 92. Zürich, 11. November 1870 rier entdeckt [MAISCH & MATZKE (2000)]. (Zusammenfassung) Heer erkundigt sich abschliessend, wann Heer freut sich, dass sein Beitrag über die neue Auflage von Lyell’s «Elements die Bäreninsel auf Interesse gestossen of Geology» gedruckt vorliegen wird. ist. Bezüglich des Auftretens von Spiri- fer dispinctus im Karbon stützt er sich 93. London, 19. November 1870 auf insgesamt drei Publikationen. Es (Zusammenfassung) beruhigt ihn, dass der Devon-Kenner Lyell schickt Heer die englische Überset- Etheridge seine Arbeit ebenfalls positiv zung seines Beitrags [über die Bärensin- aufgenommen hat. Falls sie im Quar- sel]. Carruthers ist nach Dublin gereist, terly Journal publiziert werden soll, um drei grosse Sammlungen nach Lepi- erbittet er einige Separata, um diese dodendron griffithii durchzusehen; eine u.a. den Herren Scott, Baily, Etheridge, Form, die von verschiedenen Forschern Carruthers und Pengelly überreichen diskutiert und unterschiedlich bestimmt zu können. Der [Deutsch-Französische] worden ist. Es folgen wenige kritsche Krieg hat den postalischen Verkehr stark Einwände zu Heers Aufsatz. in Mitleidenschaft gezogen, so dass er immer noch nicht weiss, ob seine vor 94. London, [November/Dezember 1870] acht Wochen abgeschickte Arbeit über My dear Heer die Bäreninsel in Stockholm angekom- I hope the postal service is not so far men ist. 222 Die deutsche Expedition deranged by the war but that you will hat in Ostgrönland interessante Entde- already have received my letter enclo-

221 Joseph Beete Jukes (1811–1869), englischer Geologe. 222 OSWALD HEER: Fossile Flora der Bäreninsel, enthaltend die Beschreibung der von den Herrn A. E. Nordenskiöld und A. J. Malmgren im Sommer 1868 dort gefundenen Pflanzen. Kungliga Svenska Vetenskaps-Akademiens handlingar, Bandet 9, No. 5, Stockholm 1870. Vgl. SCHWEITZER (2006). 223 Alfred Gabriel Nathorst (1850–1921), schwedischer Botaniker, Geologe und Polarforscher. Es war dies seine erste Polarfahrt. 224 Hjalmar Wilander (1844–1891), schwedischer Ingenieur. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 73 sing the printed translation of your zenfossilien abzuzeichnen, und zwar von memoir on the Bear island flora as also Cyclostigma kiltorkense, Cyclostigma the criticisms spoken at the Meeting of minutum, Knorria acicularis und Lepi- the Geological Society on Wednesday dodendron. Dazu legt er entsprechende last by Mr Carruthers besides my report Beschreibungen bei. Lyell wird leicht ein- to you of a conversation I had with Car- sehen, dass Carruthers falsch liegt und ruthers and his restoration of Lepido- Cyclostigma minutum niemals Cyclo- dendron griffithii. Since I sent off my stigma kiltorkense sein kann. Ausserdem letter Mr Carruthers asked me whether ist keine Art bekannt, die als Lepidoden- I should wish him to write to you on this dron kiltorkense L. Griffithsii Brongniart subject. I thought it best to request him angesprochen werden könnte, wie Car- to do so because I know that the Coun- ruthers das vorschlägt. Auch Schimper 227, cil will consult him as to the best manner der über Lepidodendron publiziert hat, of dealing with your paper and no one I kennt keine solche Art. Er möchte, dass think will be better to advice you as to Lyell das Carruthers und der Geological the best manner of making any changes Society mitteilt, denn «I have such a high or modifications which you may desire respect for this society that I should be to make in consequence of the new dis- very sorry if they, in consequence of Mr coveries supposing you adopt the same Carruthers dictum, should have come to views as to the Irish plants as Carruthers the opinion that I had made my deter- and Haughton 225 now do. Besides I minations hastily, whilst I am convin- expect that [a] letter from one bota- ced that I have proceeded with all the nist to another will be more satisfactory care which such difficult circumstances than my second-hand report of what render necessary.» Falls Carruthers Carruthers said to me and will be more seine negative Bemerkung im gedruck- sure to convey his ideas correctly. Excuse ten Bericht über das Meeting der Soci- my writing in haste and believe me ever ety vom 9. November zurücknimmt, soll most truly yours er ihm diese Zeichnungen bei Gelegen- ChaLyell heit zurückschicken. Falls Carruthers Ausführungen aber gedruckt werden 95. Zürich, 18. Dezember 1870 so wie sie Heer jetzt in den Druckfah- (Zusammenfassung) 226 nen vorliegen, dann möchte er darum Heer teilt mit, dass ihm Carruthers in bitten, dass seine beiliegende Richtig- Sachen Kiltorkan-Pflanzen noch nicht stellung mit den Zeichnungen ebenfalls geschrieben habe, weshalb er in dieser im Quartely Journal publiziert werden. Angelegenheit nochmals an ihn gelangt Heer mag derartige Konfrontationen sei. Da es bei derartigen Diskussionen eigentlich nicht. Nordenskiöld hat Pflan- erforderlich ist, dass man sich ein klares zen aus einer Kreideschicht mitgebracht, Bild von der Ursache des Disputs machen die direkt dem Gneiss aufliegt. Einiges kann, hat er seinen Zeichner angewie- darüber und getrennt durch eine dicke sen, die zur Diskussion stehenden Pflan-

225 Samuel Haughton (1821–1897), irischer Geologe. 226 Von diesem Brief scheint gemäss den Kopien, die ich aus Edinburgh erhalten habe, nur die unvoll- ständige englische Übersetzung von Lyells Frau erhalten zu sein. 227 Wilhelm Philipp Schimper (1808–1880), französischer Bryologe und Paläobotaniker (Spitzname: Moos-Schimper). 74 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell

Schicht Sandstein hat er Tertiärpflanzen Korrekturen. Er ist sehr enttäuscht darü- aus vier Horizonten gesammelt. ber, dass ihm Carruthers immer noch nicht geschrieben hat. Viele Botaniker 96. London, 29. Dezember 1870 (Brief ist halten die von Lyell in der erwähnten unvollständig, der Schluss fehlt; Zusam- Neuauflage verarbeiteten paläobota- menfassung) nischen Resultate Heers für beachtens- Lyell teilt Heer mit, dass Carruthers ihm wert. Sein Bericht über den Flachs unter nicht geschrieben habe, weil er zuerst den Pfahlbaufunden stellt eine interes- die von Heer angefertigten Zeichnungen sante Bestätigung von Heers früheren und Kommentare studieren wollte, doch Resultaten dar. mussten letztere erst noch von Lyell übersetzt werden, damit Carruthers sie 99. Zürich, 15. April 1871 verstehen konnte. Zudem ist Bentham (Zusammenfassung) vom Departement für Botanik des British Heer teilt Lyell mit, dass der Druck sei- Museum zurückgetreten, und es muss ner Arbeit über die Bäreninsel in den ein Nachfolger gesucht werden. Car- nächsten Wochen in Stockholm fertig ruthers interessiert sich für den Posten, sein wird. Er will wissen, ob Carruthers er will Heer aber bald schreiben. Car- Einwände nun so gedruckt werden ruthers hat ihm aber tatsächlich einen oder nicht. 229 Er möchte in einem bei- Artikel aus dem «Journal of the Royal gedruckten Appendix kurz darauf ein- Society of Dublin» von 1857 gezeigt, gehen. Auch wäre er froh zu erfahren, worin Brongniart einen Lepidodendron was aus seinen Zeichnungen der Kiltor- griffithsi beschreibt. Gewisse Bemer- kan-Pflanzen geworden ist. Im letzten kungen von ihm zu diesem Fossil ähneln Sommer haben zwei junge Schweden denen Heers in seinem letzten Brief. in Spitzbergen Kohlepflanzen entdeckt und Heer zugeschickt. Es sind pracht- 97. Zürich, 31. Januar 1871 volle Exemplare von Stigmaria ficoides (Zusammenfassung) und Lepidodendron veltheimianum, die Heer bedankt sich bei Lyell für die auch auf der Bäreninsel und im Unter- Zusendung der «Student’s Elements of karbon Europas vorkommen. Diese Geology» (London 1871) 228 und teilt ihm Funde beweisen, dass die Ursa-Stufe der im Hinblick auf weitere Auflagen für die Bäreninsel ins Unterkarbon und nicht ins Seiten 213, 215, 223, 280, 341, 355, 439 Devon gehört 230 und diese bis zum 76° n. und 450 einige Verbesserungsvorschläge Br. hinaufreicht. mit. Von der schwedischen Expedition von Nordenskiöld hat er erst drei Kisten 98. London, 18. Februar 1871 erhalten, zehn weitere mit einem (Zusammenfassung) Gesamtgewicht von 1450 Pfund sind Lyell schickt Heer vier fehlende Seiten noch unterwegs. Heer hat schon in sei- und die Errata für sein Exemplar der ner «Flora fossilis arctica» nachgewie- Neuauflage von «The Student’s Elements sen, dass Kome [W-Grönland] nicht of Geology» und bedankt sich für die dem Tertiär angehört, wie Goeppert

228 Heers Handexemplar konnte nicht gefunden werden. 229 Vgl. den Brief vom 18. Dezember 1870. 230 Dies wurde von William Dawson behauptet. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 75 meinte, sondern der Kreide. Die Funde Carruthers ist geschäftlich unterwegs von Nordenskiöld, der an fünf Stel- und vernachlässigt seine Pflichten etwas. len gesammelt hat, bestätigen nun die Er ist nun zum Nachfolger von Bentham Zugehörigkeit zur unteren Kreide. Dazu gewählt worden. Lyell glaubt nicht, dass gehören Farne, Cycadeen und Nadel- der Publikation von Heers Aufsatz über hölzer, aber keine Dicotyledonen, daher die Bäreninsel im Quarterly Journal «auch in der arctischen Zone der ältern etwas im Wege steht. Der Präsident der Kreide die Dicotyledonen fehlen.» Bei Gesellschaft, Mr Bestwick, lag mit Bron- Atane [N-Grönland] hat Nordenski- chitis darnieder. Er hat Carruthers gebe- öld zudem Pflanzen entdeckt, die der ten, Heers Fragen schriftlich zu beant- oberen Kreide angehören und in der worten. Falls Lyell die beiden Bände von nun verschiedene Arten von Dicotyle- Heers «Flora fossilis arctica» noch nicht donen auftreten. 231 Da die Dicotyle- subskibiert hat, möchte Lyell das hiermit donen in Europa erst über dem Gault nachholen. Die Sache mit den arktischen (obere Unterkreide) erscheinen, müssen Kreidepflanzen interessiert ihn sehr und diese Schiefer der Oberkreide angehö- er hofft, diesen Aspekt noch für die ren. Interessanterweise kommen auf neue Auflage seiner «Principles of Geo- der gleichen Halbinsel zwischen dem logy» berücksichtigen zu können. 70. und 71. Grad nördlicher Breite zwei Kreidefloren vor, «welche in demselben 101. Zürich, 16. Mai 1871 Verhältnisse zueinander stehen, wie die (Zusammenfassung) Flora der untern und obern Kreide in Heer ist sich im klaren, dass ein Mann wie Europa, oder um bestimmte Lokalitäten Herr Carruthers, der eine so hohe Sinecur zu nennen, wie die Flora von Wernsdorf inne hat, sich nicht gerne in seiner Ruhe (Urgonien) zur Flora von Moletein und stören lässt und Heer persönlich schreibt. Quedlinburg. Es muss daher in Mitten Er wollte nur wissen, ob Carruthers Ein- der Kreidezeit eine grosse Umwandlung wand nun so gedruckt wird, wie in den mit der Pflanzenwelt vor sich gegangen Korrekturfahnen angezeigt, oder nicht. sein, welche in der arctischen Zone sich Er arbeitet an einem Appendix zu sei- in gleicher Weise manifestiert hat wie in ner Arbeit über die Bäreninsel, die in Mitteleuropa!» Die Kreidepflanzen sind Stockholm erscheinen wird, in welchem der Höhepunkt der Neuentdeckungen. er auf das Votum von Carruthers einge- Heer fühlt sich unwohl und geht für zwei hen wird. Die Bemerkung, dass sich nur Wochen nach Gersau am Vierwaldstät- 40 Subskribenten für die Arbeit über die tersee zur Erholung. Für seine «Flora der Bäreninsel gefunden haben, war keine Bäreninsel» haben sich nur 40 Subskri- Einladung an Lyell, das Werk zu subskri- benten gefunden, was zeigt, wie wenig bieren, sondern es hat ihn lediglich ent- Interesse an seinen Untersuchungen mutigt, zumal er für den Druck grosse besteht, was sehr entmutigend ist. persönliche Opfer gebracht hat: «Wer aber der Wissenschaft lebt, hat sich 100. London, 28. April 1871 darum nicht zu kümmern und ruhig sei- (Zusammenfassung) nen Weg zu gehen. Die letzten Entde- Lyell war drei Wochen auf Exkursion in ckungen von Nordenskiöld in Grönland, Somersetshire, Devonshire und Cornwall. die uns einen ganz neuen Horizont eröff-

231 Vgl. dazu den Brief an Darwin, Nr. 4. 76 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell nen, haben mir einen so hohen Genuss Gründen mit seiner Familie nach Pisa, gewährt, dass er mich für alle Mühen um dort den Winter zu verbringen, doch reichlich entschädigt hat.» Eine weitere auch dort war es zeitweise sehr kalt. schwedische Expedition will sich nun den Hinzu kam ein Abszess im rechten Bein. arktischen Kreide-Funden annehmen. Er kehrte im Juni nach Lausanne zurück, befindet sich aber wegen des Beinlei- 102. London, 26. Februar 1872 dens zurzeit in einem Schwefelbad. In (Zusammenfassung) acht Tagen wird er nach Zürich zurück- Lyell hoffte, dass die Geological Society kehren können, doch wird er dort seinen Heer dieses Jahr die Wollaston-Medaille lieben Arnold Escher von der Linth 234 verleihen würde, doch ging sie infolge nicht mehr antreffen, da er gestern der vielen Kandidaten an Sir Philip Eger- begraben worden ist. Die Wissenschaft ton für seine Arbeiten über fossile Fische und die Zürcher geologischen Samm- und seine mehr als dreissig Jahre wäh- lungen haben damit einen schweren rende Verbundenheit mit der Gesell- Verlust erlitten. «Es ist sehr zu bekla- schaft. Heer wird dafür aus dem neuen gen, dass er bei Publikation [sic!] seiner Murchison-Legat mit 28 Pfund, 14 Schil- Arbeiten so ängstlich war. So kommt es, ling und 2 Pence bedacht. dass der grösste Theil seiner Lebensar- beit mit ihm zu Grabe ging. Er hatte die- 103. London, 28. Mai 1872 sen Sommer dazu bestimmt, die Resul- (Zusammenfassung) tate seiner 30jährigen Forschungen über Lyell hat eine Exkursion zu den Pyre- die Alpen der Ostschweiz, die niemand näen unternommen. Er wollte die Höh- so genau kannte wie er, zusammen- len von Dordogne und Aurignac sehen, zustellen, die Materialien waren alle die Lartet 232 beschrieben hat. Die Frage bereit, und eben wollte er die letzte der Totenriten des paläolithischen Men- Hand anlegen, als ein unerbittliches schen konnte aber vor Ort nicht geklärt Geschick ihn uns entreisst!» Nun hat er werden, denn die Schichten sind auf- leider niemanden mehr, mit dem er über grund verschiedener Faktoren so durch- Lyells Werke diskutieren kann. einander geraten, dass keine chrono- logischen Schlussfolgerungen gezogen 105. Barmouth, North Wales, 21. Juli 1872 werden können. Er liess Heer den zwei- (Zusammenfassung) ten Band der Neuauflage der «Principles Lyell bedauert den Tod Eschers, von dem of Geology» zukommen und weist ihn er grosse Achtung hatte. Er erinnert sich, besondes auf das Kapitel über das Klima dass es wirklich schwierig war, ihn auch hin, «on which I hold you to be a high nur für eine kleine Publikation gewin- authority.» 233 nen zu können. Lyell wurde schon oft gewarnt, seiner Gesundheit Sorge zu 104. Zürich, 16. Juli 1872 tragen und sein Arbeitspensum zu mäs- (Zusammenfassung) sigen; vor allem seine Sehkraft hat nach- Heer ist seit elf Monaten nicht mehr in gelassen. Er schreibt ihm diesen Brief Zürich. Er ging aus gesundheitlichen darum mit den Augen und Händen sei-

232 Édouard Lartet (1801–1871), französischer Paläontologe und Prähistoriker. 233 Heers Handexemplar dieser elften Auflage von 1872 konnte nicht gefunden werden. 234 Vgl. Anm. 78; BURGA (2013), S. 157–159. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 77 ner Frau, wofür er sehr dankbar ist. Heer im Eozän Englands auftreten. Aufgrund kann seine Briefe an Lyells Londoner der Opposition von Bentham hatte Car- Adresse schicken, sie werden ihm nach- ruthers Hemmungen, Heers Ansicht bei- gesandt. Er ist mit einer Neuauflage sei- zupflichten. Lyell war sich immer sicher, ner «Antiquity of Man» beschäftigt. dass Heer recht hatte. Seine Augen sind mittlerweile so schlecht, dass er zum 106. Zürich, 3. März 1873 Lesen all der Bücher und zum Schreiben (Zusammenfassung) all der Briefe die Hilfe anderer Leute in Heer freut sich über die finanzielle Anspruch nehmen muss. Er kann aber Zuwendung der Geological Society als selber gehen und einigermassen das Anerkennung für seine Arbeiten und Leben und Gesellschaft geniessen. Falls dankt Lyell für seine Fürsprache. Heer Heer die Gelegenheit hat, ihn zu besu- hat bis Neujahr an der Biographie Eschers chen, würde er ihm gerne Gastfreund- gearbeitet, die auf Ostern erscheinen schaft erweisen. soll.235 Nun hat er sich wieder dem Stu- Lyells Frau schreibt am Schluss: «My dear dium der grönländischen Kreide-Flora Heer, I am perfectly well, thank you, and zugewandt. Die Bearbeitung der von should be very glad to see you again. Nordenskiöld zugesandten zwölf Kisten Very sincerely yours, Mary E. Lyell» [Heer beansprucht viele Zeit, aber es lohnt sich. notierte zu diesem Satz]: «Mad. Lyell Die Fossilien gewähren nicht nur einen starb am 25. August 1873, also 5 Wochen Einblick in die grönländische Flora, son- nach dem sie obiges geschrieben!» dern bringen auch viele neue Arten zu Tage, die für das Studium der Kreide- 108. Zürich, 6. April 18735 pflanzen generell von Interesse sind. (Zusammenfassung) Die Flora der unteren Kreide Grönlands Heer würde der Einladung nach London spricht für das gleiche Klima wie es in der gerne folgen, kann aber aus gesundheit- unteren Kreide Europas geherrscht hat. lichen Gründen nicht, denn noch immer Nordenskiöld glaubt, auch Kreidepflan- plagen ihn rheumatische Beschwerden. zen in Spitzbergen gefunden zu haben. Bezüglich der Kreideflora von Grönland Heer ist gespannt darauf, sie zu unter- hat er die Filices und die Cycadeae bear- suchen und mit den Funden Grönlands beitet. Erstere umfassen 35 Arten, letz- zu vergleichen. Lesquereux beschäftigt tere acht. Manche kannte man nur aus sich mit der Kreide-Flora Nordamerikas. dem Jura, andererseits treten verschie- Es plagen ihn immer noch rheumatische dene tertiäre und rezente Gattungen auf. Beschwerden, die er sich in Pisa zugezo- Unter den letztgenannten spielt der Farn gen hat. Gleichenia die wichtigste Rolle. Von die- ser Gattung hat er 13 Arten unterschie- 107. London, 16. März 1873 den. Überhaupt sprechen die Funde für (Zusammenfassung) 236 ein subtropisches Klima, das mit dem des Lyell teilt Heer mit, dass Carruthers Wealden in der unteren Kreide Europas nun aufgrund von Funden aus Bourne- übereinstimmt. Über den deutlich anders- mouth [S-England] auch zur Überzeu- artigen Charakter der Pflanzen der obe- gung gelangt ist, dass die Proteaceae ren Kreide Grönlands wird er später Mit-

235 OSWALD HEER: Arnold Escher von der Linth. Leben eines Naturforschers, Zürich 1873. 236 Der Brief ist ediert in: K. M. LYELL (1881), Bd. 2, S. 449f. 78 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell teilung machen. Nordenskiölds neueste und Paludina gefunden. Die Schichten Grabungsstücke aus Spitzbergen sind in erinnerten sie an die Funde in der Stein- Zürich zur Untersuchung angelangt. Sie kohle von Uznach und Dürnten, weshalb stammen tatsächlich auch aus der Kreide. es sie interessierte, ob es sich dabei um Er hat ein paar Seiten des letzten Kapitels die gleichen Pflanzen handelt. Das Stu- der englischen Übersetzung der «Urwelt dium dieser Lokalität könnte Aufschluss der Schweiz» erhalten, die verschiedene darüber geben, ob der Genfersee eine Übersetzungsfehler aufweisen. prä- oder postglaziale Bildung ist. Er bit- tet Heer um eine baldige Antwort, da er 109. London, 7. Juli 1873 diese Resultate für die bevorstehende (Zusammenfassung) 237 neue Auflage der «Student’s Elements of Lyell bezeichnet Heers Entdeckung hin- Geology» 240 berücksichtigen möchte. sichtlich der fossilen arktischen Flora als «one of the most important scienti- 111. Zürich, 6. Oktober 1873 fic discoveries which has been made for (Zusammenfassung) some time.» Er kündigt an, dass er mit Heer entschuldigt sich, nicht vorher seiner Tochter den Kontinent und auch geantwortet zu haben. Er war damit die Schweiz bereisen werde. Im August beschäftigt, die nun fertig untersuchte wird er in Zürich sein und freut sich auf Grönland-Flora wieder zu verpacken und die Gesellschaft mit Heer und auch auf nach Stockholm zurückzuschicken. Er hat eventuelle gemeinsame kleinere Exkur- das Kistchen von Hughes erhalten, doch sionen nach Uznach, Dürnten, Wetzi- sind in der Lettenkohle nur unbestimm- kon 238 etc. Er versucht, den plötzlichen bare Holzstücke zu finden. Leider ist Tod seiner geliebten, zwölf Jahre jün- Professor Mousson 241, ausgezeichneter geren Frau mit Hilfe der Arbeit zu ver- Kenner von Land- und Süsswasserschne- gessen. Er hätte nie gedacht, dass sie vor cken, in den Ferien. Nordenskiöld ist ihm sterben würde. von seiner Polarexpedition gut zurück- gekehrt und ist am Cap Bohemann und 110. London, 29. September 1873 am Roberriver zwischen dem Kohlenkalk (Zusammenfassung) und der Trias, also in einem ganz neuen Lyell hofft, dass Heer die Schachtel von Horizont, auf eine fossile Flora gestos- Professor Hughes 239 erhalten hat, die er sen. Zudem sammelte er eine grosse ihm von Genf geschickt hat. Sie haben im Anzahl neuer miozäner Pflanzen an drei Bois de la Bâtie im Lehm (clay) und in der Stellen, die er wie folgt bezeichnete: Kap Braunkohle Pflanzen und Schalen der Lyell, Scott-Gletscher und Kap Oswald Süsswasserschnecken Cyclas, Planorbis Heer. 242 Die neuen Funde sollen eben-

237 Der Brief ist ediert in: K. M. LYELL (1881), Bd. 2, S. 450f. 238 Lyell besuchte im August 1873 die von Jakob Messikommer ausgegrabenen Pfahlbausiedlungen in Wetzikon-Robenhausen wie sein eigenhändiger Eintrag im Besucherbuch beweist. Vgl. K. ALTORFER (2010), S. 50. 239 Thomas McKenny Hughes (1832–1917), englischer Geologe, Nachfolger von Adam Sedgwick als Woodwardian Professor für Geologie in Cambridge. 240 Die erwähnte Auflage erschien 1874. Heers Handexemplar wird in der Bibliothek der ETH-Zürich aufbewahrt. Es verfügt über wenige Bleistiftanstreichungen (Signatur: T 7809). 241 Vgl. Anm. 68. 242 Neben dem Kap Heer in Ostgrönland gibt es das sogenannte Heer-Land im Süden Spitzbergens, vgl. BURGA (2013), S. 306. Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 79 falls zu ihm nach Zürich zur Untersu- noch um Rat gefragt. Er ist dankbar, chung geschickt werden. Die Arbeit über wenn Professor Mousson in Zürich die die Kalk-Flora Grönlands ist abgeschlos- Art der gefundenen Planorbis-Schnecke sen (75 Arten aus der unteren, 62 aus der bestimmen kann. Er freut sich zu hören, oberen Kreide). Im Moment bestimmt dass Nordenskiölds Expedition erfolg- er die miozänen Pflanzen Grönlands, reich war und Heers Arbeit Fortschritte deren obere Schichten zum Teil durch macht. Das Gespräch, das Heer mit mehrere tausend Fuss Basaltlager von Hughes hatte, wird sicher seinen Nieder- den unteren Schichten getrennt sind schlag im Rahmen seiner Lehrtätigkeit in und dennoch fast die gleiche Flora ent- Cambridge finden. halten. Es scheint daher während langer Zeit keine Veränderungen in der Pflan- 113. London, 22. Januar 1874 zenwelt gegeben zu haben. 243 Es tut My dear Heer ihm leid, dass er Lyell bei seinem letzten I am happy to inform you that yesterday Besuch in Zürich auf seinen Exkursionen a full council of the Geological Society nicht begleiten konnte. Ferdinand Keller 14 members being present decided by a [vgl. Anm. 125] dankt für die «Antiquity large majority that our highest honour, of Man».244 Es geht Keller nicht gut. Er the Wollaston Medal should be awarded wird den Winter wohl nicht überleben. to you. You will please to wait till you receive an official notice of this honour 112. London, 14. Oktober 1873 which will be sent you in due time by the (Zusammenfassung) foreign secretary of the society. I wish Lyell ist nicht überrascht, dass Heer mit I could send you an account of all the den Funden aus dem Bois de la Bâtie complimentary things which were said nicht viel anfangen konnte. Er hat auch of you by different geologists who spoke Professor Alphonse Favre von Genf on this occasion but I have no doubt that

243 In ähnlicher Weise schrieb Heer schon 1864 (wie Anm. 158, S. 34f.): «Die Wahrnehmung, dass auf der einen Seite die Arten durch viele Jahrtausende hindurch erwiesener Maassen [sic!] nicht die geringste Aenderung erfahren und dass an den Grenzmarken der Weltalter die Arten nicht inein- ander verschmelzen, sondern dort die alten und neuen Arten nebeneinander liegen und überein- ander greifen, muss gegen die Hypothese einer allmählichen, ununterbrochen und gleichmässig fortgehenden Transmutation sprechen und uns zur Ansicht führen, dass in relativ kurzer Zeit die Umprägung der Formen stattfand; dass die Art in verhältnismässig kurzer Zeit in den ihr mög- lichen Formen ausgeprägt und den äusseren Verhältnissen angepasst wurde, und dass sie dann während Jahrtausenden unverändert bleibt, so dass die Zeit des Verharrens in bestimmter Form viel länger ist, als die Zeit der Ausprägung derselben. Wir haben daher für diesen Vorgang den Ausdruck ‚Umprägung der Arten’ gewählt, welcher einen ganz anderen Sinn hat, als die Transmu- tation oder Verwandlung der Arten von Darwin. Über die Grundbedingungen dieser Umprägung der Typen sind wir freilich noch gänzlich im Dunklen; wir wissen nicht, ob sie durch innere, im Wesen der Art liegende Motive oder durch äussern Anstoss und Aenderungen in den Lebens- bedingungen herbeigeführt werden. Aber auch die Transmutationslehre vermag diesen Schleier nicht zu heben und führt uns durch Annahme von tausenden und abertausenden von Millionen von Jahren, die sie für ihre allmähligen Umwandlungen bedarf, auf schwindlige Höhen, die unser Geist nicht zu fassen vermag.» 244 Kellers Handexemplar wird in der ZBZ aufbewahrt (Signatur: WH 467). Es weist keinerlei hand- schriftliche Annotationen auf. Heer hat in seinem Exemplar von 1873, das heute im Besitz der Bibliothek der ETH Zürich ist (Signatur: 87667), wenig annotiert, u.a. bezeichnenderweise fol- genden Passus auf S. 519: «If we confound ‚Variation’ and ‚Natural Selection’ with such creational laws, we deify secondary causes or immeasurably exaggerate their influence.» 80 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell the newly elected president who heard Rentieren, ein Mammutzahn und Mes- them will not fail to notice them in his ser aus Silex, wobei auf den Rentierge- forthcoming anniversary address. weihen Zeichnungen 249 eingeritzt sind: Believe me my dear friend ever most «Wir haben also hier eine Niederlas- truly yours sung aus der Renthierzeit wie die in Süd- ChaLyell west-Frankreich, und auch hier dieselbe Kunstfertigkeit der Bewohner, während 114. Zürich, 25. Januar 1874 man in den Pfahlbauten nichts der Art (Zusammenfassung) findet. Dies deutet doch wohl auf ein Heer freut sich enorm über die Verlei- anderes Volk hin.» hung der Wollaston Medal 245 und dankt Lyell innig. Die Verleihung ist für ihn ein PS: Heer würde gerne erfahren, welche Beweis, dass seine Lebensarbeit nicht Mitglieder der Geological Society sich umsonst war. Sie ist ein heller Stern in besonders für seine Arbeiten interessier- dunkler Nacht, denn die letzten zwei ten, damit er ihnen künftig seine Publi- Jahre ging es ihm nicht gut. Das Beinlei- kationen zuschicken kann. den hat nun auch das andere Bein ergrif- fen. Die letzten 13 Wochen hat er das 115. London, 14. April 1874 Bett gehütet, drei Operationen über- (Zusammenfassung) standen und viele Schmerzen durch- Lyell lässt Heer vier fehlende Seiten sei- litten. Er hofft, auf den Frühling hin ner «The Student’s Elements of Geology» wieder gesund zu sein. Die Arbeit an (London 1874) zusenden, mit der Bitte, der Kreideflora der arktischen Zone ist die entsprechenden alten und fehler- vollendet 246, ebenso die Nachträge zur haften Seiten durch diese zu ersetzen.250 miozänen Flora Grönlands 247, doch hat die Druckerei in Stockholm noch immer nicht mit dem Druck begonnen. Letz- ten Herbst hat er wieder einen reichen Schatz an fossilen Pflanzen aus Spitzber- gen erhalten, die er im folgenden kurz beschreibt.248 Dieser Tage sind interes- sante Funde in einer Höhle bei Thayn- gen (SH) gemacht worden: Reste von

245 Vgl. BURGA (2013), S. 204. 246 OSWALD HEER: Die Kreide-Flora der arctischen Zone, gegründet auf die von den schwedischen Expeditionen von 1870 und 1872 in Grönland und Spitzbergen gesammelten Pflanzen. Kungliga Svenska Vetenskaps-Akademiens handlingar, Bandet 12, No. 6, Stockholm 1873. 247 OSWALD HEER: Nachträge zur miocenen Flora Grönlands, enthaltend die von der schwedischen Expedition im Sommer 1870 gesammelten miocenen Pflanzen. Kungliga Svenska Vetenskaps- Akademiens handlingar, Bandet 13, No. 2, Stockholm 1874. 248 OSWALD HEER: Beiträge zur fossilen Flora Spitzbergens, gegründet auf die Sammlungen der schwe- dischen Expedition vom Jahre 1872, auf 1873 … Kungliga Svenska Vetenskaps-Akademiens hand- lingar, Bandet 14, No. 5, Stockholm 1876. 249 Im gleichen Jahr erfolgte die Erstpublikation des Fundstücks durch den Geologen ALBERT HEIM (1874); vgl. neuerdings NAPIERALA (2008). 250 Diese briefliche Notiz, die nicht von Lyells Hand stammt, hat Heer auf dem hinteren Vorsatzblatt seines Handexemplars eingeklebt (ETH-Bibliothek Zürich, Signatur: T 7809). Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 81

5 SCHLUSSWORT UND NACHRUF OSWALD HEERS AUF CHARLES LYELL

Der hier edierte oder resümierte Brief- die menschliche Nähe zwischen Heer wechsel zwischen einem bedeutenden und Lyell zutage, die sich trotz zum Teil Schweizer Naturforscher und zwei welt- unterschiedlicher Ansichten über Spra- berühmten englischen Exponenten der chen und Nationen hinweg miteinan- Naturwissenschaften des 19. Jahrhun- der verbunden wussten, was aus Heers derts gewährt einen eindrücklichen Nachruf auf seinen englischen Freund Einblick in die Themenvielfalt der rund deutlich hervorgeht, mit dem wir dieses 4’000 Dokumente umfassenden Korre- Neujahrsblatt abschliessen wollen. spondenz Oswald Heers, die zu einer der umfangreichsten und interessantesten Neue Zürcher Zeitung, Samstag, 6. März Quellensammlungen der Schweizer 1875 [auf der Titelseite!] Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahr- hunderts gehört. Über die Behandlung «Sir Charles Lyell. verschiedener, bereits in der Einleitung Am 22. Februar starb zu London ein skizzierter Fragestellungen hinaus, Mann, der einen so grossen Einfluss erlauben diese grundsätzlich nicht für auf die Entwicklung der Naturwissen- die Öffentlichkeit bestimmten Schreiben schaften ausgeübt hat, dass es wohl einen Blick hinter die Kulissen und zeigen am Platz sein dürfte, auch hier seiner ein Stück weit auch, wie Wissenschaft zu gedenken. Charles Lyell wurde im betrieben, Resultate erlangt, disku- November 1797 in Konnordy in Schott- tiert und neue Arten bestimmt worden land geboren; er besuchte im Jahre 1818 sind. Der Leser nimmt teil an der Dis- die Universität Oxford, wo er 1821 pro- kussion über das geologische Alter ver- movierte. Von da begab er sich nach Lon- schiedener Schichten, von denen nicht don, wo er seit dieser Zeit, durch glück- wenige von Heer mit Hilfe fossiler Pflan- liche äussere Verhältnisse begünstigt, zen datiert worden sind. Es gilt dabei zu ausschliesslich der Wissenschaft gelebt bedenken, dass die meisten der geolo- hat. Weite Reisen, die er von Zeit zu Zeit gischen Serien des Tertiärs, namentlich unternahm, machten ihn in allen Theilen das Paläozän, Eozän, Miozän und Pli- Europas bekannt, von Scandinavien bis ozän erst 1847 und das Oligozän 1854 nach Sicilien hinab, führten ihn ferner eingeführt worden sind. Darüber hinaus nach den canarischen Inseln und zwei geht aus der Korrespondenz deutlich Mal auch nach den Vereinigten Staaten hervor, dass heute wie damals manche und Canada, worüber er zwei Werke Publikation unter politischen Wirren publizirt hat. Auf allen diesen Reisen war und finanziellen Engpässen zu leiden er rastlos bemüht, sich mit den naturhi- hatte. Die Briefe enthalten auch Hin- storischen Verhältnissen des Landes und weise auf die Vorläufigkeit menschlicher namentlich mit seiner Geologie bekannt Erkenntnisse sowie persönliche Befind- zu machen. Er gewann dadurch diesen lichkeiten oder gar Empfindlichkeiten, grossen weiten Blick, der, auf eigener die jede auch noch so «objektive» Wis- Anschauung sich gründend, seinen Dar- senschaft prägen. Sehr eindrücklich tritt stellungen einen eigenthümlichen Reiz 82 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell verleiht. Sein erstes grosses Werk waren eine vortreffliche Anleitung zum Stu- seine Principles of Geology, welches 1830 dium der Geologie erhält. herauskam und von dem bis zum Jahre Es hat Lyell in seiner Geologie auch die 1872 elf starke Auflagen (in 2 Bänden) ersten Spuren des Menschen verfolgt. erschienen sind. In diesem Werke suchte Das Material hatte sich durch die Ent- er aus den Veränderungen, welche deckungen in Frankreich so sehr ver- immerfort auf der Oberfläche der Erde mehrt, dass er diesen Gegenstand nicht vor sich gehen, die Bildungsgeschichte mehr in dem gewünschten Umfang in der Erde zu erklären. Unsere Berge und dieselbe aufnehmen konnte. So ent- Thäler sind durch dieselben Gesetze ent- stand sein neues Werk über das Alter standen, welche jetzt noch wirksam sind des Menschengeschlechts (antiquity of und wo die Erscheinungen in überwälti- man), welches so grossen Anklang fand, gender Grossartigkeit uns entgegentre- dass binnen Jahresfrist (1863) 3 Auflagen ten, ist es lediglich die Länge der Zeit, erschienen sind. Ausgehend von unsern welche solche Resultat erzielt hat. Dass Pfahlbauten und den ältesten Nieder- unser Planet grossartige Veränderungen lassungen in Dänemark, steigt Lyell in erlitten hat, unterliegt keinem Zweifel, die tiefern Erdschichten hinab und prüft während man aber früher annahm, dass alle Dokumente, welche die Höhlen und er durch eine Zahl von Katastrophen hin- die diluvialen Ablagerungen von der durch gegangen, durch welche in kurzer Anwesenheit des Menschen geliefert Zeit eine vollständige Vernichtung und haben. Er zeigt, dass die ersten Spuren Neubildung der Lebensformen stattge- des Menschen in Europa an den Schluss habt habe, suchte er zu zeigen, dass die der Gletscherzeit fallen, als die Glet- Entwicklung eine immer gleichmässig scher sich wieder aus den Niederungen fortgehende gewesen sei und wir uns zurückgezogen hatten, dass aber damals auch jetzt noch immer in Mitten dieses noch mit ihm das Mammuth, das haarige Prozesses befinden. – Lyells Principles Rhinoceros und der Höhlenbär unser übten einen mächtigen Einfluss auf die Land bewohnten. Die Untersuchungen Wissenschaft aus und mit Recht hat man führten ihn zu Besprechung der Stel- ihn den Vater der neueren Geologie lung, welche der Mensch in der Natur genannt. Der bewunderswerthe Reich- einnimmt. Es war einige Zeit vorher, und thum an Thatsachen, die er aus allen zum Theil auf seinen Antrieb, das Werk Gebieten der Wissenschaft zusammen- seines Freundes Darwin über die Ent- trug, und die klare, übersichtliche Dar- stehung der Arten erschienen. Dasselbe stellung, welche auch die verwickeltsten schliesst sich nicht allein in der Verhand- Verhältnisse beherrscht und lich[t]voll lung des Stoffes nahe an die von Lyell in ordnet, geben ihnen eine überwälti- seinen Werken befolgte Methode an, gende Kraft. Dieselben ausgezeichneten sondern war auch vielfach eine Ueber- Eigenschaften finden wir auch in seinen tragung seiner Ideen auf die organische Elementen der Geologie, von welchem Natur, denn auch für Darwin ist die Zeit Werke im Jahre 1865 die sechste Auflage ein Hauptfaktor, mit dem er die gro ss- erschienen ist – die Student’s Elements artigsten Veränderungen zu erklären of Geology, von welchem 1871 die erste sucht. Lyell begrüsste daher dieses Werk und 1874 die zweite Auflage herauskam, mit grossem Beifall und die ausführliche geben einen Auszug aus dem grössern Besprechung desselben in der antiquity Werke, durch welchen der Anfänger of man hat nicht wenig dazu beigetra- Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 83 gen, ihm Eingang in England zu verschaf- wins in grossem Jubel begrüssten, weil fen. Ich hatte das bewunderswerthe sie vermeinten, dass durch dasselbe der Buch gleich nach seinem Erscheinen von Schöpfer entbehrlich gemacht sei, hielt Darwin erhalten und dasselbe mit grös- Lyell gegentheils dafür, dass die fort- stem Interesse gelesen. Ich war mit ihm währende Anpassung der organischen wohl über den genetischen Zusammen- Welt an die neuen Lebensbedingungen hang der Formen einverstanden und auf Zweckmässigkeit schliessen lasse und hatte mich schon vor dem Erscheinen diese einen Zwecksetzer251 (a designer) desselben in meiner Flora tertiaria in voraussetze. (Vgl. antiquity of man S. diesem Sinn ausgesprochen, dagegen 551). konnte ich dem Kampfe ums Dasein und Die Hauptthätigkeit Lyells war eine kom- der geschlechtlichen Zuchtwahl nicht binatorische. Er hat wohl auch einige eine so hohe Bedeutung beimessen, um spezielle geologische Arbeiten gelie- sie allein als die ganze organische Natur fert, sein Hauptverdienst aber bleibt die umgestaltenden Kräfte anzusehen, da gründliche und lichtvolle Zusammenstel- die Resultate meiner langjährigen Stu- lung und Durcharbeitung der Resultate dien über die historische Entwicklung der Wissenschaft. Ein Blick auf die vielen der Pflanzen und Thierwelt dagegen Auflagen seiner Werke zeigt, dass er for- sprachen. Als ich im Herbst 1861 nach während bemüht war, dieselben zu ver- London kam, wo ich während mehrerer bessern und auf der Höhe der Wissen- Wochen fast täglich mit Lyell verkehrte, schaft zu erhalten, denn sie erschienen bildete Darwins Buch den öftern Inhalt immer wieder vielfach umgearbeitet. Er unserer Gespräche. Lyell nahm sich mit hatte einen offenen Sinn für alle neuen grosser Wärme der Ansichten desselben Erkenntnisse und wie er sich von deren an, doch hat die Verschiedenheit das Richtigkeit überzeugt hatte, wusste er gute Einvernehmen keinen Augenblick ihnen die passende Form zu geben und getrübt und er hat mir seine herzliche sie in den Rahmen seiner Werke einzu- Freundschaft immerfort bewahrt. Er war passen. eine gross und edel angelegte Natur; Lyell war mehrmals in unserem Lande ihm war es nur um Erforschung der und manche Mitglieder unserer natur- Wahrheit zu thun und obwohl ununter- forschenden Gesellschaft werden sich brochen in angestrengter Geistesarbeit, noch des warmen Trinkspruchs erin- war in ihm der Adel der Gesinnung und nern, den er bei der Versammlung in eine gewinnende Herzensgüte immer- Trogen (1857) auf die Schweiz gebracht fort lebendig geblieben. Auch hat er die hat. Das letzte Mal besuchte er sie im höchsten Ziele des Lebens nie aus den Herbst 1873. Wir fanden ihn zwar kör- Augen verloren. Während in Deutsch- perlich sehr gealtert; der Tod seiner vor- land die Materialisten das Buch Dar- trefflichen Frau, mit der er während 41

251 Diesen eigenartigen Begriff des Zwecksetzers verwendet Heer wieder im Vorwort zur 2. Auf- lage seiner «Urwelt der Schweiz» von 1879 (S. Xf.): «Die materialistische Welt- und Lebens-Ansicht glaubte in der Selectionstheorie Darwins eine grosse Stütze gefunden zu haben; sie vermeinte, dass durch sie das Schöpfungsräthsel gelöst und durch Annahme einer ziellosen und durch blin- den Zufall bedingten Entstehung der vielgestaltigen, organischen Welt dem Schöpfer zu entflie- hen sei. Es ist die Furcht vor der Zweckmässigkeit in der Natur und noch mehr vor dem dadurch nothwendig gewordenen Zwecksetzer, welche manche Naturforscher veranlasst hat, sich an die Lehre von der natürlichen Zuchtwahl als rettende Planke anzuklammern [...]». 84 Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell

Jahren in glücklicher Ehe gelebt hatte, hatte ihn tief darniedergedrückt, sein Gehörsinn hatte sehr abgenommen und seine Kurzsichtigkeit war fast zur Blind- heit geworden, doch war er geistig noch immer sehr frisch und voll lebendigen Interesses für alle Fragen der Wissen- schaft. Und diese Geistesfrische hat er sich bewahrt bis an sein Lebensende. Es erzählt Prof. Huxley, dass er ihm wenige Tage vor seinem Tode von den neuesten Entdeckungen der Challenger erzählt und dass er ihm mit schwacher Stimme und zitternden Lippen seine Freude darüber geäussert habe. Lyell war der grösste Geolog unserer Zeit, dessen Werke in mehr als hundert- tausend Exemplaren in englischer Spra- che und in zahlreichen Uebersetzungen über alle Welt verbreitet worden sind und der dadurch zum Lehrer von Hun- derttausenden geworden ist. Er war hochgeehrt von allen Genossen seiner Wissenschaft und anerkannt in seinem Vaterland, das ihn 1863 in Adelsstand erhob und seine irdischen Ueberreste letzten Samstag (27. Febr.) in der West- minsterkirche beisetzte und ihm so die höchste Ehre zuerkannte, die einem Eng- länder zu Theil werden kann. Oswald Heer.» Der Paläobotaniker O. Heer im Briefwechsel mit Ch. Darwin und Ch. Lyell 85

6 ABKÜRZUNGS-, QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Abkürzungen

ETH Eidgenössische Technische Hochschule Zürich NGZ Naturforschende Gesellschaft in Zürich NOH Nachlass Oswald Heer in der ZBZ ZBZ Zentralbibliothek Zürich

Handschriftliche Quellen

Briefe von Darwin an Heer: ZBZ, NOH 213.2 Briefe von Heer an Darwin: Cambridge University Library (Darwin Papers) oder wie in den Fussnoten angegeben. Kopien verschiedener Briefe von Heer an Darwin: ZBZ, NOH 182 Briefe von Heer an Lyell: Edinburgh University Library, Gen 111, Lyell and Heer Cor- respondence Briefe von Lyell an Heer: ZBZ, NOH 202

Literatur

Die im Briefwechsel erwähnten Autoren und Publikationen wurden der besseren Übersichtlichkeit halber jeweils gleich in den Fussnoten verzeichnet.

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Charles Darwin (1809–1882) Evolutionsbiologe

Charles Lyell (1797–1875) Geologe

Dr. phil. Urs B. Leu, Historiker Leiter der Abteilung Alte Drucke und Rara der Zentralbibliothek Zürich