SWR19052CD Booklet • 03.Indd
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ORIGINAL SWR TAPES REMASTERED 1953 DEUTSCH CLARA HASKIL RECITAL 1953 1 JOHANN SEBASTIAN BACH (1685–1750) CLAUDE DEBUSSY (1862–1918) 1 Toccata e-Moll BWV 914 7:10 Douze Etudes L 136 6:02 bm Etüde L 136 Nr. 10 4:01 DOMENICO SCARLATTI (1685–1757) bn Etüde L 136 Nr. 7 2:01 2 Klaviersonate C-Dur K 132 (L 457) 5:07 3 Klaviersonate Es-Dur K 193 (L 142) 3:50 MAURICE RAVEL (1875–1937) 4 Klaviersonate h-Moll K 87 (L 33) 4:10 Sonatine für Klavier fis-Moll 9:29 bo I Modéré 3:31 LUDWIG VAN BEETHOVEN (1770–1827) bp II Mouvement de menuet 2:35 Klaviersonate Nr. 32 c-Moll op. 111 22:00 bq III Animé 3:25 5 Maestoso – Allegro con brio ed appassionata 8:24 6 Arietta: Adagio molto semplice e cantabile 13:36 Zugaben | Encores ROBERT SCHUMANN (1810–1856) JOHANN SEBASTIAN BACH Bunte Blätter op. 99 4:45 br Nun komm der Heiden Heiland BWV 659 (Bearb. F. Busoni) 3:53 7 1. Nicht schnell, mit Innigkeit 1:24 8 2. Sehr rasch 0:50 ROBERT SCHUMANN 9 3. Frisch 2:31 bs Abschied (aus: Nr. 9 aus Waldszenen op. 82) 2:49 bl Abegg-Variationen op. 1 6:21 Total Time: 75:48 CLARA HASKIL (Klavier) Complete recital from 11.04.1953 in Ludwigsburg | Schloss | Ordenssaal Digitales Remastering der SWR-Originalbänder ▏Digitally remastered from the original SWR tapes Digitales Remastering der SWR-Originalbänder ▏Digitally remastered from the original SWR tapes 2 3 Wenn ich es an dieser Stelle wage, im Hin- Jury befanden sich Gabriel Fauré, Raoul Leben, Beleben und Überleben blick auf die Pianistin Clara Haskil dem Kla- Pugno, Ricardo Viñes und Moritz Moszkows- vierspiel in seiner umfassenden Bedeutung ki! Es wäre höchst interessant zu wissen, ob Erinnerung an Clara Haskil – ein Klavier- erkennung geprägt war als von hauptberuf- von Mechanik, Klanggebung und Botschaft die Studentin je eines der Stücke von Fauré abend in Ludwigsburg 1953 lichem Ehrgeiz. Schon 1950 gastierte Clara drei weitere Aspekte der Sinngebung beizu- oder Moszkowski gespielt hat. In all den Pro- Haskil zum ersten Mal bei den Salzburger messen, dann handelt es sich um die Kate- grammen, die aus ihren späteren Jahren Wäre ich ein paar Jahre früher auf die Welt Festspielen. Bernhard Paumgartner – der be- gorien „Leben, Beleben und Überleben“. Als überliefert sind, tauchen diese Namen – zu- gekommen, ich hätte sicher das Glück ge- deutende Mozart-„Archäologe“ – hatte sie für mittlere Tochter sephardischer Juden wurde mindest meines Wissens – nicht auf. habt, die rumänische Pianistin Clara Haskil eine seiner schon bald wegweisenden Clara am 7. Januar 1895 in Bukarest geboren. auch im Konzertsaal in all ihrer blühend-zer- Mozart-Matineen verpflichtet. Auf dem Im Alter von sechs Jahren besuchte sie das In den folgenden Jahren konzertierte Clara brechlichen Lebendigkeit zu erleben. So aber Programm stand das so genannte Jeune- städtische Konservatorium. Ein Jahr später Haskil in einigen Metropolen Europas. In Zü- waren es in den 50er- und 60er-Jahren die homme-Konzert in Es-Dur KV 271. lud sie ein Onkel nach Wien ein, wo sie dem rich spielte sie in Anwesenheit Ferruccio Bu- Philips-Langspielplatten mit den beiden Moll- österreichischen Czerny-Schüler Anton Door sonis dessen Transkription der Chaconne für DEUTSCH Konzerten von Mozart unter der Leitung In den folgenden Jahren von 1951 bis 1955 vorspielte. Er empfahl sie dem Pianisten und Violine von Johann Sebastian Bach (BWV von Igor Markevitch und ein Beethoven-Pro- spielte Clara Haskil stets ein Mozart-Klavier- Klavierlehrer Richard Robert, zu dessen Schü- 1004). Busoni zeigte sich tief beeindruckt gramm mit den Sonaten op. 31, 2 und 3. Aber konzert (KV 459, 488, 271 und 491), und 1957 lern Rudolf Serkin, George Szell und Hans Gál und schlug ihr vor, zu ihm nach Berlin zu auch Schuberts späte B-Dur-Sonate D 960 schließlich konzertierte sie gemeinsam mit gehörten. kommen. Claras Mutter war nicht einverstan- gelangte in meine Gymnasiasten-Platten- dem ungarischen Pianisten Géza Anda: Mo- den, denn die Tochter war erst 16! Alles, DEUTSCH sammlung. Gerühmt wurde Clara Haskil da- zarts Doppelkonzert in Es-Dur KV 365 führte Es wird von drei glücklichen Jahren berichtet, was hier in knappen Worten zu den The- mals als uneigennützige, als gleichsam un- die beiden Künstler zusammen. Sie hatten die das junge Mädchen unter der sorgenden men „Leben“ und pianistisch-künstleri- scheinbar begnadete Mozart-Interpretin, die es mit dem Philharmonia Orchestra London Aufsicht des Lehrers verbrachte. Freilich blieb schem „Beleben“ der hörenden, staunend mit ihrem Klavierspiel – wie seinerzeit immer unter der Leitung von Alcea Galliera bereits der erwähnte Onkel nicht völlig im Hinter- lauschenden Umgebung angedeutet ist, darf wieder zu lesen war – bescheiden „hinter das im April 1956 aufgenommen (mit Bachs Kon- grund. Er veranlasste, dass Clara nach Paris nicht vergessen machen, wie sehr die Biogra- Werk zurücktrat“. zert „auf der Rückseite“, wie es in den frühen ging, um dort am berühmten Conservatoire phie der jungen Clara Haskil schon in dieser Tagen der Langspielplatte nicht gerade res- zu studieren. Ihre Klavier- und Violinpädago- Lebensphase von den Mühen und Gefahren Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es der pektvoll hieß). 1957 gestaltete Clara Haskil gen waren Joseph Morpain, Alfred Cortot des rein körperlichen „Überlebens“ über- seit Jahrzehnten von Krankheit und Selbst- ihren einzigen Soloabend bei den Salzburger und Lazara Lévy – und dies mit was für einem schattet war. zweifeln geplagten Interpretin, im internati- Festspielen: Mozarts C-Dur-Sonate KV 330, Erfolg! 1909 gewann sie den Ersten Preis im onalen Konzertleben endgültig Fuß zu fassen. Beethovens Es-Dur-Sonate op. 31,3 und Schu- Fach Violine, zugleich den Zweiten Preis für Bereits 1906 hatte man eine schwere Skolio- Es war eine Karriere, die eher von Staunen berts B-Dur-Sonate D 960 bestätigten einmal Klavier, ein Jahr später den Ersten Preis in se festgestellt. Im medizinischen Fachjargon über die ihr geschenkte Sympathie und An- mehr ihre Vorliebe für diese drei Werke. der Klavierabteilung. In der Konservatoriums- handelt es sich – stark verkürzt – um eine 4 5 dreidimensionale Fehlstellung der Wirbel- und musikantischer Situationsprägnanz (K kordwendung zum Guten – kaum je hat ein Die beiden Zugaben bezeichnen Nachdenk- säule. Eine Verdrehung der einzelnen Wirbel- 87 / L 33) zeichnen. Die Platzierung von Beet- Interpret oder eine Interpretin weniger Auf- lichkeit mit religiösen Ober- und Untertönen. körper um ihre Längsachse, verbunden mit hovens letzter Klaviersonate in c-Moll op. 111 führungszeit für dieses Werk veranschlagt. Der Abschied aus Schumanns Waldszenen einer Verkrümmung der Wirbelsäule führt zu in die Mitte der Werkfolge zeugt jedoch vom könnte als musikalischer Weitblick in eine diesem äußerst beschwerlichen Leiden, des- Selbstbewusstsein einer freischaltenden Kon- Mit fünf amüsanten und bildhaft-vitalen Bun- nicht allzu ferne Zukunft interpretiert wer- sen Ursache in 90% der Fälle nicht eindeutig zertgestalterin, ohne jede falsche, oft genug ten Blättern sowie den eleganten, glitzern- den. Einen Monat vor ihrem 66. Geburtstag diagnostiziert werden kann. An diesen den affektierte Demut vor dem Spätwerk des den und technisch anspruchsvollen Abegg- verstarb die Pianistin. In Paris hatte sie mit Alltag wie auch das reisende Konzertieren Komponisten. Variationen von Schumann erweist sich Clara dem Geiger Arthur Grumiaux konzertiert. extrem erschwerenden Umstand wird man Haskil als eine diskrete Meisterin des Poin- In Brüssel angekommen, stürzte sie auf unweigerlich denken, wenn man Gelegen- Und in ihrem Spiel scheint sich Clara Haskil tierens und – in den schnellen Passagen der einer Bahnhofstreppe. Die Kunst der ope- heit bekommt, Clara Haskils Einspielungen auch von allen überhöhenden Mystifizierun- Variationen – als Meisterin perlender Ge- rierenden Ärzte versagte, auf dem Pariser und nun auch den Mitschnitt ihres Klavier- gen zu distanzieren. Denn der erste Satz mit schwindigkeit. Beste Voraussetzungen für Friedhof Montparnasse wurde die „Bour- abends im Ludwigsburger Ordenssaal vom seinen markanten Eröffnungsakkorden wirkt zwei Debussy-Etüden, in deren Verlauf einige geoise de Vevey“ beerdigt. In ihrem schweize- DEUTSCH 11. April 1953 zu hören. Es ist – paradox, wie vergleichsweise milde in Angriff genommen. Huster zur Atmosphäre eines echten, unge- rischen Wohnort, wo sie in den Kriegsjahren ich meine – eine Krankengeschichte auf dem Den schnellen Passagen mit den weit aus- schnittenen Konzertmitschnitts beitragen. Zuflucht fand, findet seit 1963 der „Concours schmalen Grat musikalischer Gesundheit mit einander platzierten Grenztönen ist nichts Die Etüden Nr. 10 (Pour le sonorités opposées) Clara Haskil“ statt. Noch zu Lebzeiten war sie allen Mitteln der pianistischen Selbstthera- von jener schier verzweifelten Dramatik ei- und Nr. 7 (Pour le degrés chromatique) gelin- einem solchen Wettbewerb nicht abgeneigt, pie unter der imaginären ärztlichen Aufsicht gen, wie sie im Spiel von vielen ihrer Kollegen gen ihr im Akkordischen wie im Gleitenden aber sie meinte, man sollte damit erst nach DEUTSCH der jeweils „angesprochenen“ Komponisten. vertraut und dann im Vortrag der Pianisten mit der Selbstverständlichkeit einer Virtuo- ihrem Tod beginnen. späterer Jahrzehnte manchmal geradezu sin, die wie ganz nebenbei auch die franzö- In Ludwigsburg spielte die Pianistin eine bun- verdächtig geworden ist. Unter diesen Um- sische Sprache beherrscht. Dies gilt auch für Peter Cossé te Folge von kleinformatigen Stücken, wobei ständen wirkt es zwingend, wenn die Pia- die Sonatine von Maurice Ravel, mit der