Willhelm Voigt Seite 1 Der Hauptmann Von Köpenick >> Sein Erstes
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Der Hauptmann von Köpenick >> Sein erstes Leben Friedrich Wilhelm Voigt wird am 13. Februar 1849 in Tilsit geboren . Er besucht dort die dreiklassige Stadtschule und danach einige Jahre die Realschule. Im Alter von knapp 14 Jahren wird Voigt das erste mal straffällig: das Kreisgericht Tilsit verurteilt ihn 1863 zu einer Gefängnisstrafe von 14 Tagen wegen Diebstahls. Als Vorbestrafter muß Voigt die Schule verlassen. Er erlernt das Schuhmacherhandwerk bei seinem Vater. In den Jahren von 1864 bis 1891 wird Voigt weitere sechs mal wegen Diebstahls und Urkundenfälschung verurteilt und verbringt dafür mehr als 29 Jahre hinter Gittern. Zuletzt sitzt er 15 Jahre wegen schweren Diebstahls im Zuchthaus. Am 12. Februar 1906 ist er wieder frei. Er geht zunächst nach Wismar, wird jedoch aus dem Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin ausgewiesen. Über Marienburg, Graudenz und einige andere Zwischenstationen kommt Voigt schließlich nach Rixdorf bei Berlin und kann bei seiner Schwester in der Kopfstraße 27 unterkommen. Am 24. August 1906 wird Voigt erneut als "eine für die öffentliche Sicherheit und Moralität gefährliche Person" vom Polizeipräsidenten Rixdorf ausgewiesen. Er verlässt Rixdorf offiziell am 1. September 1906 in Richtung Hamburg, tatsächlich wohnt er jedoch als nicht gemeldeter Schlafbursche in Berlin O17, Lange Straße 22. Der Hauptmann von Köpenick >> Die Köpenickiade Seinen am 16. Oktober 1906 folgenden Coup plante Voigt sorgfältig. So hatte er die vorangegangene Woche dazu benutzt, sich bei verschiedenen Trödlern in Potsdam und Berlin die Uniform eines preußischen "Hauptmanns des 1. Garde-Regiments zu Fuß" zusammenzukaufen. Am frühen Morgen dieses Tages fährt Voigt von seinem Unterschlupf am Schlesischen Bahnhof zum Bahnhof Beusselstraße. Er holt seine Uniform aus der Gepäckaufbewahrung und läuft zur Jungferheide um sich umzuziehen. Anschließend fährt er nach Stralau-Rummelsburg und von dort mit dem Vorortzug nach Köpenick. Hier sondiert Voigt das Terrain, insbesondere prägt er sich die Gegend um das Rathaus ein. Danach fährt Voigt mit dem Nordringzug zum Bahnhof Putlitzstraße und drückt sich längere Zeit auf der Seestraße herum. Gegen Mittag, zur Zeit der Wachablösungen, hält Voigt in der Sylter Straße einen Trupp Garde-Füsiliere an, der aus vier Mann und einem Unteroffizier besteht und als Wachmannschaft der Militärschwimmanstalt am Plötzensee auf dem Rückweg in die Kaserne ist. Der Unteroffizier lässt strammstehen und erstattet Meldung. Unter Berufung auf allerhöchste Kabinettsorder unterstellt Voigt die Truppe seinem Befehl. Er entlässt den Unteroffizier, damit dieser seine Vorgesetzten unterrichten kann. Kurz darauf kapert Voigt die ebenfalls vorbeikommende, abgelöste Wache eines Schießstandes, welche aus 6 Mann vom 4. Garde-Regiment zu Fuß besteht. Willhelm Voigt Seite 1 Mit der ihm nun zur Verfügung stehenden Streitmacht marschiert Voigt zum Bahnhof Putlitzstraße und fährt von dort nach Köpenick. Am Rathaus angekommen lässt Voigt vor den Portalen und Nebeneingängen Posten aufstellen und die Tore schließen. Die örtliche Gendarmerie wird von Voigt angewiesen während der Aktion für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Im Vorzimmer des Bürgermeisters lässt Voigt den Oberstadtsekretär Rosenkranz arretieren, danach verhaftet er den Bürgermeister Dr. Georg Langerhans. Den Kassenrendanten von Wiltberg lässt Voigt einen Kassensturz machen und beschlagnahmt dann den Abschlussbetrag von 4000 Mark und 70 Pfennig gegen Quittung. Anschließend lässt er Dr. Langerhans und von Wiltberg zur Neuen Wache nach Berlin abtransportieren. Seiner Truppe gibt Voigt den Auftrag, die Wachen nach einer halben Stunde einzuziehen, per Bahn nach Berlin abzurücken und sich in der Neuen Wache zu melden. Er selbst verlässt das Rathaus in Richtung Bahnhof Köpenick und verschwindet. Der arbeitslose Schuster Wilhelm Voigt kommandiert am 16. Oktober 1906 in der Uniform eines Hauptmanns des 1.Garderegiments zu Fuß zehn ihm zufällig begegnende Soldaten von Berlin nach Köpenick ab und lässt dort den Bürgermeister Dr. Langerhans und den Kassendirektor von Wiltberg verhaften. Willhelm Voigt Seite 2 Anschließend beschlagnahmt der 57jährige die Stadtkasse und verschwindet. Am 26. Oktober 1906 wird Wilhelm Voigt verhaftet. Wilhelm Voigt wird am 1. Dezember 1906 vor dem Landgericht Berlin wegen des unberechtigten Tragens einer Uniform, Vergehens wider die öffentliche Ordnung, Freiheitsberaubung, Betruges und schwerer Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren Gefängnis verurteilt. Nach seiner Begnadigung am 16. August 1908 tingelt Voigt als falscher Hauptmann auf den Varietébühnen Europas und vermarktet seine Geschichte als begehrte und gefragte Ware. Durch die Inflation völlig verarmt, stirbt Wilhelm Voigt am 3. Januar 1922 in Luxemburg. Carl Zuckmayer setzte ihm in seinem Drama "Der Hauptmann von Köpenick" (1930) ein literarisches, mehrmals verfilmtes, Denkmal. Der Hauptmann von Köpenick >> Zeittafel 13.02.1849 Friedrich Wilhelm Voigt wird in Tilsit als Sohn eines Schuhmachers geboren. Er besucht die dreiklassige Stadtschule. 12.06.1863 Voigt wird wegen Diebstahls vom Kreisgericht Tilsit zu 14 Tagen Gefängnis verurteilt. 09.09.1864 Erneute Verurteilung Voigts durch das Kreisgericht Tilsit: er erhält 3 Monate Gefängnis wegen Diebstahls. 11.09.1865 Wegen "Diebstahls im wiederholten Rückfall" wird Voigt vom Kreisgericht Tilsit zu 9 Monaten Gefängnis und einem Jahr Ehrverlust verurteilt. 13.04.1867 Das Schwurgericht Prenzlau verurteilt Voigt wegen schwerer Urkundenfälschung zu 10 Jahren Zuchthaus und 1500 Taler Geldstrafe. 05.07.1889 Voigt wird vom Landgericht Posen wegen schweren Diebstahls zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. 18.01.1890 Wegen "intellektueller Urkundenfälschung" wird Voigt vom Landgericht Posen zu 1 Monat Gefängnis verurteilt. 12.02.1891 Das Landgericht Gnesen verurteilt Voigt wegen schweren Diebstahls zu 15 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust und ordnet Polizeiaufsicht an. Willhelm Voigt Seite 3 12.02.1906 Voigt wird aus der Haftanstalt Rawitsch entlassen. Er arbeitet 3 Monate beim Hofschuhmacher Hilbrecht in Wismar und wird danach ausgewiesen. Er erhält Aufenthaltsverbot für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin. Voigt geht zu seiner Schwester nach Berlin und arbeitet dort in der Filzschuhfabrik Albert Viereck, Breslauer Straße. 24.08.1906 Voigt wird aus Berlin ausgewiesen, verläßt jedoch die Stadt nicht und arbeitet weiterhin. 06.10.1906 Voigt kündigt bei der Filzschuhfabrik Albert Viereck. 16.10.1906 Als preußischer Hauptmann verkleidet unternimmt Voigt seinen berühmten "Marsch auf Köpenick" und raubt im dortigen Rathaus die Stadtkasse. 26.10.1906 Voigt wird verhaftet. 1.12.1906 Verurteilung zu vier Jahren Gefängnis durch das Landgericht II Berlin. 16.08.1908 Voigt wird aus der Haftanstalt Tegel entlassen. 20.08.1908 Voigt tritt in Berlin im Passagenpanoptikum Friedrich-/Ecke Behrenstraße auf. 22.08.1908 Auftrittsverbot, Tournee nach Dresden, Wien, Budapest. 18.09.1908 - 04.03.1909 Auftritte in Varietes, Restaurants, auf Rummelplätzen. Voigt signiert Postkarten, die ihn in Hauptmannsuniform zeigen. Tourneen durch Deutschland und Europa. 05.03.1910 Tourneen in Amerika, Kanada und Frankreich. 30.04.1910 Rückkehr nach Luxemburg. 01.05.1910 Voigt bekommt einen luxemburgischen Ausweis. 19.05.1910 Voigt erwirbt Wohnrecht im Großherzogtum Luxemburg. Willhelm Voigt Seite 4 Juni 1910 Tourneen durch Großbritannien und Deutschland. 03.01.1922 Voigt stirbt in Luxemburg und wird auf dem Friedhof Notre Dame beerdigt. Der historische "Hauptmann von Köpenick" Wilhelm Voigt, 1908 Über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden ist das Köpenicker Rathaus nicht durch seine prächtige Architektur, sondern durch den Gaunerstreich eines falschen Hauptmannes Anfang des 20. Jahrhunderts. Wilhelm Voigt, der viele Jahre seines Lebens hinter Gittern zugebracht hatte, verhaftete den Bürgermeister Dr. Langerhans und den Kassenbeamten von Wiltberg. Er ließ sich die Stadtkasse mit 4000 Mark und 37 Pfennigen aushändigen und verschwand. Um diesen Streich auszuführen, hatte er zuvor bei Potsdamer Trödlern die Uniform eines kaiserlichen Offiziers des Garderegiments gekauft und Soldaten von der Straße zu seinen Diensten befohlen. Alle Welt amüsierte sich darüber. Unbeabsichtigt legte er damit die wilhelminische Zeit mit ihrem preußischen Gehorsam und ihren Untertanengeist bloß. Ganz anders als die tragischen Darstellungen im Film und auf der Bühne gestaltete sich das Leben Wilhelm Voigts nach seiner vorfristigen Entlassung aus dem Gefängnis. Durch den Verkauf seiner Biographie ("Mein Lebensbild, von Wilhelm Voigt"), die 1909 in einem Leipziger Verlag erschienen war, weitete sich sein Geldbeutel, und sein Blick ging über die Landesgrenzen hinaus. Im Mai 1909 erwarb er in Luxemburg Wohnrecht. In den folgenden Jahren leistete er sich Reisen nach Frankreich, Kanada, Amerika und Großbritannien. Am 30. April 1910 hatte er in der Rue du Fort Neyperg bei Familie Blum Wohnräume zur Unter-miete bezogen. Das Geld, das er auf Reisen beim Zirkus Barnum & Balley in Person des Hauptmanns von Köpenick verdient hatte, legte er gut an, um so von der Rendite bescheiden, aber ehrlich bis zu seinem Tode am 3. Januar 1922 leben zu können. Sein Grab befindet sich auf dem Liebfrau-enfriedhof (Cimetire Notre-Dame) in der Nähe der Friedhofsmauer. Jahrelang war es Voigts Hauswirtin, Frau Blum, welche das Armeleutegrab pflegte, dann wurde dem Grab lange keine Beachtung geschenkt. Erst mitten in den Wirren des Zweiten Weltkrieges hat ein unbekannter Spender die Grabpacht auf dem Luxemburger Friedhof verlängert. 1961 hat der Zirkus Sarrasani das Grab auf 15 Jahre gekauft. Vor Auslaufen des Nutzungsvertrages 1974 gingen bei der Stadt Spenden ein. Das luxemburgische Verkehrsamt hat sich 1975 für den dauerhaften Erhalt des Grabes eingesetzt und der letzten Ruhestätte des Hauptmanns von Köpenick einen Gedenkstein setzen lassen. Willhelm Voigt Seite 5 .