Radikal Leben – Die Englischen Künstler Gee Vaucher Und Penny Rimbaud Von Martina Groß
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DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 01.09.2015 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 – 20.00 Uhr Radikal leben – Die englischen Künstler Gee Vaucher und Penny Rimbaud Von Martina Groß URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Atmo: Auto rattert über die Schotterpiste, Flaschen klappern. Gee: „It must be very sunny today“ Autorin: Nach einer kurvenreichen Fahrt über enge Landstraßen durch das frühlingshafte Essex und am Ende über anderthalb Kilometer Schotterpiste sind wir in Dial House angekommen. Musik : Penny Rimbaud: Somewhere Over the Rainbow - in a lullaby Atmo: Garten - Vögel Autorin: Über dem hölzernen Gartentor wehen tibetanische Fahnen. Ein solides zweistöckiges Haus, dessen rote Klinkerfassade warm im Abendlicht leuchtet. Bis hoch zum Giebel ranken Rosen. Ein gepflasterter Weg führt zu einem Hintereingang; die Tür ist aus Bootsplanken gebaut. Ein großer Gemüsegarten. Die ersten Frühblüher leuchten in den Beeten. Auf der Wiese stehen Narzissen und Krokusse. Zwei braune Hennen laufen eifrig pickend herum. Tiefer im Garten stehen alte Ulmen und Eichen, die im Sommer Schatten spenden. Bänke und ein Tisch; verstreut stehende Stühle. Die Regenbogenfahne im Wind. Skulpturen aus gefundenen Gegenständen und die steinerne Büste einer Frau im Gras, vielleicht aus einem Schlosspark. Das Windspiel aus verrosteten Dosen und der weite Blick über Wiesen und Felder. Es ist gut wieder hier zu sein. Musik : Penny Rimbaud: Over the Rainbow - Zwischenspiel Atmo : Garten Autorin: Wenn ich Freunden erzähle, ich fahre nach Dial House, vermuten manche, das wäre eine Art Wellness-Urlaub: im Grünen gärtnern, gesundes vegetarisches Essen, Tai Chi und viel Zeit zum Ausspannen und Relaxen. Vieles was hier seit Jahrzehnten gelebt wird, ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Atmo : Feuer - Penny: „Hello, I‘ll get more wood.“ - okay. O-Ton : Gee Vaucher You can‘t decide to be radical, it‘s the way you approach something, isn‘t it? Übersetzerin: Man kann sich nicht entscheiden, radikal zu sein. Es geht darum, wie man an etwas herangeht. O-Ton 2 : Penny Rimbaud I don‘t think this is radical what I do. I mean what‘s radical? … It is sensible. Übersetzer 1: Was ich tue ist nicht radikal. Es ist vernünftig. Ansage : Radikal leben Die englischen Künstler Gee Vaucher und Penny Rimbaud Ein Feature von Martina Groß Atmo : Am Feuer-Unterhaltung, Vogel zwitschert G: You know Pen is going to Brandenburg. Aut: When? P: In May 24th. A: What are you talking, going to talk about? P: Well, he thinks I am gonna talk about how ... you can live surrounded by capitalist system? Something like that. Autorin: Penny hat in einer Eisenschale ein Feuer entzündet. Das erste in diesem Jahr. Er legt Holz nach. Seit seinem Herzinfarkt im letzten Jahr dampft der schmale Mann mit den schulterlangen weiß-blonden Haaren elektrische Zigaretten. Gee sitzt sehr entspannt auf einer Bank, lange Haare, Pony und Lachfalten. „Nächsten Monat fährt Penny nach Brandenburg“, erzählt sie. Penny soll berichten, wie man mitten in einem kapitalistischen System gut leben kann. Die Erwartungen wird er nicht erfüllen, Penny glaubt, vielen Linken fehle jedes Verständnis für seine Haltung des „Laissez faire“, sie würden auf politische Lösungen setzen. - Ich tue das auch. Atmo : Am Feuer -Unterhaltung: G: You too? P: I thought we convinced you last time. G: Bugger. Shall I take you back now? (LACHEN) Musik: Penny Rimbaud, Oh Magick Kingdom Intro Autorin: Zwei Wochen nach dem 11. September 2001 hatte ich in Wolverhampton auf einer Konferenz über Punk Penny kennengelernt, Dichter, Agent Provocateur, Philosoph und Schlagzeuger der Anarcho-Punkband Crass. O-Ton : Penny Rimbaud: I don‘t really see any differences between any of the various disciplines if you wanna call it that. And I move from one to the other without really noticing. You know I made up a haiku the other day, which was, I have to try to remember it. Tides turn, birds sing and we do the washing up. You know we‘ve got different activities and I really, there might have been times in my life where I was trying to push something but certainly in the last ten or fifteen years of my life I've lost any interest in pushing things. Things will grow of their own accord. Übersetzer 1: Ich sehe keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Disziplinen, wenn man sie so nennen will. Ich bewege mich zwischen ihnen, ohne dass es mir auffällt. Ich habe gerade einen Haiku geschrieben. Gezeiten wechseln, Vögel singen und wir machen den Abwasch. Wir haben unterschiedliche Aktivitäten und in meinem Leben gab es Zeiten, wo ich versucht habe, etwas anzustoßen, aber in den letzten zehn oder fünfzehn Jahren interessiert mich das nicht mehr. Dinge wachsen von alleine. Musik : Magick Kingdom Intro Autorin: Penny lud mich damals nach Dial House ein, wo ich auch Gee traf. Eine Frau voller Energie und Tatendrang, jederzeit bereit eine neue Idee umgehend in die Tat zu setzen. Seitdem hat sich eine Freundschaft entwickelt und eine permanente Auseinandersetzung. Darüber wie Veränderungen in der Gesellschaft möglich sind, über die Verantwortung und Möglichkeiten jedes einzelnen und über die große Politik, an die sie nicht glauben. Wahlen sind so ein Thema, wo wir diametral entgegengesetzte Ansichten vertreten. O-Ton: Penny I mean I just bow into despair when people in the big Iraq protest were walking along with „Not in my name“ posters. Well in whose fucking name was it? That‘s what people vote for. They vote to be represented and almost inevitably that will involve, if not military war, certainly economic war, vicious competition, vicious nationalism, all sorts of absolutely inhumane forms of behavior. And there is no point what so ever in claiming that it is anything but „in your name“ if you vote. So it‘s morally reprehensible to vote. Übersetzer 1: Es hat mich in blanke Verzweiflung gestürzt, als Menschen gegen den Irak Krieg mit Postern „Nicht in meinem Namen“ demonstrierten. In wessen verdammten Namen denn sonst? Das ist es, was die Leute wählen, sie geben ihre Stimme, um repräsentiert zu werden und dazu gehört unausweichlich, wenn kein militärischer Krieg, dann sicher ein Wirtschaftskrieg, bösartiger Wettbewerb, bösartiger Nationalismus, alle Arten absolut unmenschlicher Verhaltensweisen. Es ist Blödsinn zu sagen, es sei nicht in „deinem Namen“, wenn du wählst. Deswegen ist es moralisch verwerflich zu wählen. O-Ton : Gee I think people can be self governing. I am not talking about going backwards, of course I do think things were better when they were smaller and there is inter- communication and interdependence, but the units if you like and I am not talking about communism, I am not talking about any of the isms, I do believe in people, but obviously I believe in the goodness of people, I suppose. Übersetzerin: Ich glaube, Menschen können sich selber regieren. Damit will ich die Geschichte nicht zurückdrehen, obwohl ich denke, es war besser, als alles übersichtlicher war, es Kommunikation untereinander und gegenseitige Abhängigkeit gab, kleinere Einheiten. Damit meine ich nicht Kommunismus oder irgendwelche ismen. Ich glaube an die Menschen, offensichtlich glaube ich an das Gute in den Menschen. Musik Autorin: Als ich zum ersten Mal in Dial House war, war ich erstaunt über das schöne Anwesen, die geschmackvolle Einrichtung, mit dem, was andere weggeworfen haben, die Kunst überall, über den idyllischen Garten und das abgewaschene Geschirr. Berühmt war das Haus schon damals, weil es zwischen 1977 und 1984 Zentrale und Ruhepol der anarcho-pazifistischen Punkband Crass gewesen war, 16 Erwachsene und Kinder lebten hier. Ich hatte mir Punk anders vorgestellt, nicht als Landkommune. Als ich Penny kennenlernte, recherchierte ich für eine Sendung über die Sex Pistols, The Clash und andere Punk Größen. Schnell war klar, dass Crass da nicht wirklich reinpassen, Crass waren anders …. Musik: Fight Wars Not Wars / Rival GTribal Rebel Revel Autorin: Crass hatten ihr eigenes Plattenlabel und sie verkauften ihre Platten preiswert, immerhin zwei Millionen. Mit den Gewinnen unterstützen sie andere Bands. Der Rest floss in eine Gemeinschaftskasse. Ihre multimedialen Konzerte organisierten sie selbst, häufig in Jugendzentren oder libertären Clubs. Am Ende wurde der Wasserkessel aufgesetzt, Tee gekocht und mit den Fans diskutiert. Flugblätter lagen aus, Informationen, darüber was in England oder auf der anderen Seite der Welt passierte und ganz praktisch: wie man sein eigenes Gemüse anbaut, Brot backt, ein Haus instand besetzt oder im Supermarkt klaut. O-Ton : Gee We were not trying to change the world, we were just trying to share the experiences that we‘d had about the world. And of course we had a whole range of ages in the band. Übersetzerin: Wir versuchten nicht die Welt zu verändern, sondern wollten die Erfahrung teilen, die wir in der Welt machten. Natürlich hatten wir Leute unterschiedlichen Alters in der Band. Autorin: Penny und Gee waren zwanzig Jahre älter als der Jüngste in der Band. Sie schufen eine Plattform für verschiedene Bewegungen: Veganer Front, Tierbefreierinnen, Hardcore Punk oder Do-It-Yourself-Aktivisten. Das Aufkommen des Punk und der Aufstieg Margaret Thatchers verliefen fast zeitgleich. Die Premierministerin