Wir Sind Jetzt Deutschland
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LEBEN WIR SIND JETZT DEUTSCHLAND ESTABLISHMENT Kamingespräche mit Ministern waren gestern. In der Republik gibt eine neue Elite den Ton an. Die Netzwerke sind offener, bunter und strikt leistungs orientiert. Nur wer inhaltlich etwas zu bieten hat, ist dabei. ANDERS NETZWERKEN Champagner im „Borchardt“ geht immer noch. Aber sonst ist vieles neu in den Zirkeln der Entscheider. FOTO: MICHAEL TINNEFELD / AGENCY PEOPLE IMAGE TINNEFELD / MICHAEL FOTO: SEPTEMBER 2015 manager magazin 91 LEBEN udith Rakers kämpft. Tapfer moderiert die aus Hamburg angereist ist, aber am liebsten „Tagesschau“-Sprecherin gegen trommeln- über sein vernetztes „Zukunftshaus“ de junge Frauen an, die an Seilen unter der spricht. Decke schweben. Unitymedia nebst Kon- Lutz Schüler lässt sich nicht die Laune zernmutter Liberty Global hat für diesen verderben. Aufgekratzt schwärmt der Uni- Mai-Abend ins E-Werk geladen, zu einem tymedia-CEO vom „Riesenpotenzial“ und jener Empfänge, die es in Berlin an jedem von „jungen Hoffnungsträgern“. Und ist als Tag im halben Dutzend gibt. Und die nicht vermutlich Einziger im Saal der Meinung, selten ein gefühltes Jahr dauern. ein Berliner Spitzenevent zu erleben – kein 350 Gäste sind gekommen. Hackklopse Wunder, seine Firma sitzt in Köln. in Mini-Eistüten und Brotbröckchen mit Zu den großen Galas mit Frontalpro- Schmalz spielen fliegendes Dinner, auf den gramm geht, wer ausreichend Zeit hat, und Tischen grünes Moos und lila Hortensien – das sind immer seltener die Wichtigen. Bei die Farben von Unitymedia. „Made in.de“ tummelt sich: etwas Adel, Selbstredend wird der „Made in.de- bisschen Bundestag, die Ex-Boxerin Regina Award“ an ein Start-up verliehen, Sieger Halmich, Joachim Hunold, Schauspiel - sind die Carsharing-Tüftler von Carzapp. sternchen und ein beachtlicher Teil der Von den Nominierten einmal abgesehen, Berliner Bürokratie. sind Gründer an diesem Abend leider Keine fünf Kilometer vom überdrehten Mangelware. Constanze Buchheim ist da, Mitte entfernt und doch wie aus einem an- Geschäftsführerin der Personalberatung deren Universum, im wieder angesagten i-Potentials, Thomas Bachem vom Bundes- bundesrepublikanischen Westen, strahlt verband Deutsche Startups. Als einziger dagegen die derzeit coolste Location der echter Internetpromi geht Lars Hinrichs Stadt: C/O Berlin, Ausstellungshaus für durch, der auf Einladung von PR-Dame und Fotokunst im ehemaligen Amerika Haus Event-Schöpferin Alexandra von Rehlingen am Bahnhof Zoo. Stephan Erfurt, einst Ge- 1 2 3 KUNST UND KOMMERZ EINST GETRENNTE WELTEN, HEUTE INNIG VEREINT: Opel-Vorständin Tina Müller plaudert mit Modezar Karl Lagerfeld (Bild 1). An Rhein und Ruhr bringt Kul- turmanager Walter Smerling (Bild 2, M.) Geld und Geist zusammen. BHF-Ban- ker Lenny Fischer (l.) finanziert gemeinsam mit Springer-Chef Mathias Döpfner Ausstellungen in der Villa Schöningen (Bild 3). Beliebter Treffpunkt ist Stephan Erfurts Galerie C/O Berlin (Bild 4). BERND SAUER-DIETE / BSD-PHOTO-ARCHIV STEFFENS / DDP IMAGES, JIRKA JANSCH / INTERTOPICS, GREGOR FISCHER / DAVIDS, FOTOS: 4 stalter des „FAZ-Magazins“ und so- do oder Spotify die Bühne betreten zialisiert in den New Yorker Klubs und neue Personen in den Kreis der BERLIN der 80er, will die besten Fotografen Einflussreichen mitbringen, wie die der Welt nach Berlin holen. Zu den Samwers, Zalando-Lenker Robert sieben Ausstellungseröffnungen pro Gentz oder die Westwing-Gründer Alles will nach Berlin. Zugewanderte Schwaben Jahr (Sebastião Salgado, Anton Cor- Stefan Smalla und Delia Fischer. (Heinz Dürr, Reinhold Würth) veranstalten bijn), Eintritt frei, strömt die halbe Nicht nur das Personal verändert pompöse Partys, doch die Start-up-Könige prägen Stadt. sich, auch der Stil, der Umgang, die den gesellschaftlichen Stil: Hoodies verdrängen Seine Bildwelten finanziert Erfurt Art und Weise, wie Geschäft gedacht Krawattenträger, im Netzwerk ist, mit privaten Sponsoren; wer auf sich und gemacht wird. Hoodie statt wer etwas beitragen kann. Dax-Manager sind hält im neuen Berlin, ist dabei: der Schlips, Sneakers statt Budapester. lediglich Besucher auf Zeit. ehemalige Goldman-Sachs-Banker Ja, der „Netzwerkgedanke erlebt Stefan Jentzsch, Wel la-Erbin Ulrike eine Renaissance“, sagt Roland-Ber- Crespo, Internetunternehmer Kolja ger-Mann Burkhard Schwenker, er DIE NETZE DER DIE NEUEN Hebenstreit, Sebastian Turner, ist „lebendiger und wichtiger denn ETABLIERTEN HOTSPOTS Sanofi-Aventis-Statthalter Stefan je“, sagt Verena Pausder. Kein Tag, 5 5 Oelrich oder auch Neu-und-immer- an dem die Berliner Gründerin, die ATLANTIK-BRÜCKE SOHO HOUSE noch-Jungunternehmer Lars Wind- ihr Start-up Fox & Sheep kürzlich an Am Kupfergraben, neben An- Die erwachsene Internet- horst. Gönner und andere Promi - Haba verkaufte und als Ausrichterin gela Merkels Privatwohnung, szene findet sich im ehe - gäste werden eine Stunde vor der von „Ladies’ Dinners“ eigene Netz- residiert der 1952 gegründete maligen jüdischen Kaufhaus offiziellen Eröffnung ein gelassen – werkabende für die weibliche Start- Verein zur Pflege des trans- an der Torstraße ein, eklek- später stehen sie neben Studenten up-Welt veranstaltet, nicht ein hal- atlantischen Verhältnisses. tisch gestyltes Hotel und und Touristen, ohne VIP-Absperrung. bes Dutzend Anfragen erhält oder Rund 500 Mitglieder, Tom Klub in einem. Für 190 Euro Aus dem leisen Intellektuellen weiterleitet. Wen wir kennen, ent- Enders (Airbus), Rupert pro Jahr können auch die Stadler (Audi), Ratan Tata Kinder der In-Crowd Erfurt, der bei C/O auch kulturelle scheidet über unseren Erfolg. (Tata-Gruppe), Kai Diek- Mitglied werden und Tuch- Bildung für sozial schwache Kinder mann („Bild“) und mehr als fühlung zu Gästen wie aus Neukölln organisiert, hat das Performance statt Geschwätz die Hälfte der Dax-30- Madonna , George Clooney Dauer-Fundraising einen Knoten- Die alten Zirkel verlieren an Be - Konzer ne. Mitgliedschaft ist oder Start-up-Helden wie punkt der Hauptstadt-Society deutung. Die neuen Netze kommen Prestigesache, konkreter „Toms“-Gründer Blake gemacht –und C/O wurde zum Sinn- im anderen Look, mit neuen Regeln Nutzen eher gering. Das Mycoskie aufnehmen. bild neuen Networkings: demokra- und anderen In-Stätten. Es geht „Young Leaders“-Programm 5 tisch und trotzdem exklusiv, eine nicht mehr um Posten, sondern viel vernetzt die Topmanager von morgen. BARS Dosis Off-Kultur, gern soziales En- stärker um Inhalte. „Heute ist alles Im „St. Oberholz“, Rosen- gagement als Dreingabe. strukturiert, professioneller und 5 thaler Platz, treffen Gründer Schale Gala oder In-Galerie: Die nicht mehr wie eine Plauderstunde VEREIN DER FREUNDE auf Venture Capitalists, An- Reichen, Interessanten und Ein- organisiert“, sagt Ex-Linde-Chef DER NATIONALGALERIE wälte, Presse. Ebenso an - flussreichen zusammenzubringen und Holcim-Verwaltungsratspräsi- Unter dem Vorsitz von gesagt: „Mein Haus am See“, ist eine Wanderung auf schmalem dent Wolfgang Reitzle. „Die Szene Gabriele Quandt pflegt das Torstraße, „Father Carpen- Grat, insbesondere hierzulande. ist rigoros. Wenn kein Mehrwert bürgerliche Berlin seine ter“, Münzstraße, „Katz „Deutschland hat kein geografisch- erkennbar ist, wendet sie sich ab“, Liebe zur Kunst und finan- Orange“, Bergstraße. Legen- ziert gleich sechs Museen där: das „Borchardt“ in der gesellschaftliches Zentrum und auch meint Pausder. mit. Mitgliedern werden Französischen Straße, wo keine belastbaren formellen Netz- Nimmt demnächst also Oliver Dinners, Reisen, Künstler - Polit- und Medienprominenz werke wie die Grandes Écoles in Samwer den Platz von Ex-Goldman- gespräche, Vernissagen sich mit Neureichen mischt. Frankreich“, sagt der Elitenforscher Lenker Alexander Dibelius als graue ohne Fußvolk geboten. Auch Michael Hartmann. Einst übernah- Eminenz im Wirtschaftsbetrieb ein? Auswärtige wie Franz Mar- 5 men Adel und Burschenschaften die Ist Steffi Czernys DLD der neue BDI- kus Haniel und Trumpf- EVENTS Aufgabe. Beide fallen aus, Ersatz: Jahreskongress? Wer gehört zum Spross Regine Leibinger Berlin-Neulinge mit Entre- sitzen im Kura torium. preneursambitionen gehen keiner. Weshalb Einfluss, Gestaltung neuen Establishment? Und wie ver- zur „Spätschicht“ (organi- und Macht nun an Personen hängen. netzen sich die Entscheider aus Po- 5 siert von Gründerszene) Das heißt: Das Establishment wird litik, Wirtschaft und Wissenschaft? EHEPAAR RAUE oder „Echtzeit“ (deutsche- bisweilen neu gemischt. Was die neuen von den alten Ein- Der Anwalt und Kunstförde- startups.de). Für Fort - Gerade ist es wieder mal so weit. flussreichen unterscheidet, lässt sich rer Peter Raue und seine geschrittene: Hy! Summit, Die Deutschland AG ist Geschichte, nirgends besser studieren als in Ber- Frau Andrea Gräfin Berns- Noah, (Mitausrichter ist die Digitalisierung disrupted Fir- lin. Das Beinahe-Parishafte hat die torff, engagierte Förderin jeweils der Springer-Verlag), men, Branchen und Management- Hauptstadt mit einer Intensität zum der Musikhochschule Hanns Heureka, re:publica, Tech Eisler, bitten zu Kammer- Open Air. theorien, die Wirtschaft sucht den Hotspot gemacht, von der Bonn nie musikabenden in ihre Char- richtigen Weg zur Industrie 4.0. auch nur zu träumen wagte. Die al- lottenburger Wohnung. Einst baumstarke Dax-Stützen ten Berliner Eliten, traditionell wirt- Die Einladungen gelten als wie RWE oder Deutsche Bank stem- schaftsfern, kreisen um Fixsterne Billetts für den innersten men sich gegen ihr Zerbröseln, wäh- der klassischen Berlin-Kultur wie Zirkel der Hauptstadt. rend neue Unternehmen wie Zalan- den Freundeskreis der National- 2 SEPTEMBER 2015 manager magazin 93 FRANKFURT Chichi brauchen