Kult, Nr. 5716, 2004
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COVER: KLAUS HENNCH TITEL kult® kult-texte SIBYLLE BERG 5 ALS ICH REICH WAR AUSGABE NR. 5716, MAI 2004 HENRYK M. BRODER 9 STICHWORT: ERREGUNG DEM PETER SEINE FREUNDE ERREGEN SICH KONZEPT ELSE BUSCHHEUER 14 SCHRIFTSTELLER ERREGUNG ALS ALTERNATIVE ENERGIEQUELLE UND FOTOGRAFEN ERKLÄREN DIE WELT WIGLAF DROSTE 16 (TEXTE UND BILDER BIN KEIN JUSO, BIN KEIN JESUS ZUR AKTUELLEN WELT MIT ZEIT UND GEIST) VIOLA ROGGENKAMP 20 SEKUNDENDRAMA DER ERREGUNG UMFANG 228 SEITEN FERIDUN ZAIMOGLU 24 DER GARTEN DER LUST AUFLAGE 35000 DORIT RABINYAH 26 HASSAN EVERYWHERE LESERSCHAFT JUDITH HERMANN 35 O IS FOR ORIGINAL VGL. MACH-BASIC 2003 DAS BESTEHT DOCH ALLES AUS SILICIUM VERTRIEB NORA 39 KOSTENLOS ERHÄLTLICH MAIL VON NORA AN DEN HOT-SPOTS URBANEN KONSUMVERHALTENS SIMONE MEIER 42 IN DEN STÄDTEN ZÜRICH, BERN, RENÉE ZELLWEGER BASEL, LUZERN, ST.GALLEN, WINTERTHUR, HAMBURG, BERLIN MORITZ RINKE 46 WIE EINE DEUTSCHE SEX-IKONE MEIN STÜCK SPIELTE UND NACH ZUSTÄNDIG FÜR VERTRIEB 15 MINUTEN DAS PUBLIKUM WEG WAR SCHWEIZ: KULT OUTLET-SERVICES FRANK BISCHOF 50 PETER ZANOL SELBST TELEFON +41 78 661 51 50 PETER LAU 52 HAMBURG: IM GEHÖLZ: TEIL 2, KAPITEL 5 KULT HAMBURG STADTHALTER: FRANK BODIN 58 ULI LION ESSENZIALISMUS, FOLGE 20 TELEFON: +49 172 690 22 27 BERLIN: KULT BERLIN kult-bilder STADTHALTER: MÜLLERS BÜRO NOELLE HOEPPE 63 TELEFON: +49 173 60 20 230 EXCITATION ABOS SEIICHI FURUYA 77 CHF 90.– PRO JAHR ALIVE FÜR 10 AUSGABEN GREG GORMAN 91 TELEFON +41 71 844 91 61 ANTON ODER: [email protected] KLAUS HENNCH 105 HERAUSGEBER SEIT 1955 RAINER KUHN FÜR KULTPRODUCTIONS GMBH kult-architektur CHEF-REDAKTION SIBYLLE BERG RICHTER ET DAHL ROCHA 117 FÜR KULTPRODUCTIONS GMBH ARCHITECTS BILD-DIREKTION SHAMIR YANAY FÜR KULTPRODUCTIONS GMBH KULT-SPECIAL PRODUKTION FUGE + HGKZ 131 FREDY HERITSCH KUNST IN ZEITEN DES ÜBERGANGS FÜR KULTPRODUCTIONS GMBH KORRESPONDENZADRESSE KULTPRODUCTIONS GMBH BÜRO WINTERTHUR kult-rezept METZGGASSE 4 JACKY DONATZ 213 CH-8400 WINTERTHUR 4-GANG-MENÜ ZUM SAMMELN, ILLUSTRIERT VON DIMITRI HORTA TELEFON +41 52 202 53 46 TEIL 4/4: DIE NACHSPEISSE TELEFAX +41 52 202 53 47 ISDN (LEONAR.) +41 52 202 59 64 [email protected] kult-people HOMEPAGE NADJA SCHILDKNECHT 215 ALLE AUSGABEN ALS TIM RICE, JAMIE CULLUM, CHRISTIAN MÖHR, DIANA KRALL, GRATIS-DOWNLOAD UNTER WWW.KULTMAGAZIN.CH NADJA NUFER, BETTY LEGLER, ZUCCHERO, VERENA GREUSSSING ANJA SUN SUKO ANZEIGENVERKAUF MEDIABOX PRINT GMBH SANDRO PROIETTO kult-locations STAFFELSTRASSE 10 PETER ZANOL 220 CH-8045 ZÜRICH DIE HOT-SPOTS URBANEN KONSUMVERHALTENS TELEFON: +41 1 205 50 20 TELEFAX: +41 1 205 50 21 Art. 10 OTab/TabV [email protected] Nuit gravement à la santé. Rauchen gefährdet die Gesundheit. Fumare mette in pericolo la salute. SIBYLLE BERG Als ich reich war (Lesezeit: ca. 2’38) ber Nacht war ich reich geworden. Eines Tages. an dem ich reich geworden war, ein sonni- meiner Bücher hatte sich innerhalb einer ger. Die Welt also ohne Spaß, weil sie doch inne- Ü Woche einige Millionen Mal verkauft. Das hielt gerade und kollektiv den Spaß ausschloss, hatten bis dahin nur Herr Cohelo geschafft. Die weil alle Menschen am Studieren waren, ihre Bibel. Hitler. Naja, vielleicht noch blody Hera…, Konten bei Schweinebanken auflösten, ihre Aktien sagte mein Verleger, schickte mir einen Strauss verbrannten und die Hälfte ihres Besitzes spende- roter Rosen und Champagner. Ich aß das auf und ten. Kaum jemand hatte mehr Lust, reich zu sein, dachte über die Ursache meines plötzlichen auf Motorjachten rumzudümpeln, sich den Busen Erfolges nach. liften zu lassen (echt, das mach ich nur für mich) Da war es zu spüren, das Ende der Spaß- und auch alle jungen Menschen wollten nicht gesellschaft. Die kleine Fangemeinde der suizidal mehr Modell oder Moderator oder irgendwas mit veranlagten jungen Menschen, die mich bis anhin Medien werden. Arzt wollten sie sein, Brücken- lasen, um sich danach die Lampe auszublasen, bauer, Ökonom, um die Welt wieder in den Griff zu war auf 40 Millionen angewachsen. Nach den bekommen. Auch die Kunstszene hatte sich sehr EREIGNISSEN. EREIGNISSEN. EREIGNISSEN. verändert. Nix mehr mit jungen Menschen, die Keinen Spaß mehr am Spaß, die Leute – weltweit. einzig aus der Kraft ihrer Langeweile schöpften, Übersetzungen in 35 Sprachen und so weiter. Und denn hey – Langeweile gab es nicht mehr. Krieg natürlich sehr viele Selbstmorde, doch das war herrscht und alle hatten Freude daran, also, so mir egal. tiefe Freude, so eine Hab-ich-es-nicht-immer geahnt-Freude. Geahnt, dass es so nicht weiterge- Aus einer Ecke meines Zimmers schnurrte es. Das hen konnte, in egomanischen Kreisen um sich Faxgerät, aus dem ständig neue Meldungen, mei- selbst, denn da ist auch nicht so viel los, und so nen Kontostand betreffend, eingingen. Gerade fad das Leben und wogegen kämpfen und alle gu waren es 60 Millionen. Euro. Klar. Der Morgen des taussehend und endlich ein Krieg, ein Krieg, hurra 5 ein Krieg, da geht was, da gibt es vielleicht eine Männer, und ging in einen Club essen. Dort waren Freunden sprach ich über Friseure und über Ich schickte all meine Töchter, die ich in den Seuche oder was zieht man da nur an? Ich dachte: alle Menschen genauso gekleidet wie ich, auch die andere reiche Frauen, wir gingen zusammen zum nächsten Wochen gebar, mir danach die Bauch- Alle Wetter, 60 Millionen und reich sein ist gerade Männer und viele Hunde und alle redeten über Bocciaspielen und trafen auf Joop, der echt sehr decke straffen ließ, in Internate, da sie auf Holz- sehr out. Spaß auch. Was mach ich denn jetzt mit das Wetter und ihre Jacht und Spaß hatte keiner, nett ist, auch intelligent. Ich hatte keinen Spaß. planken liegen mußten, damit sie demütig werden. dem Zeug? die Spassgesellschaft war ja vorbei. Ich aß irgend- Ich hatte eine Aufgabe. Und das ist, was mich und etwas mit Brüstchen und langweilte mich. Am meine neuen Freunde vom Rest der Welt unter- Ich kaufte: mehrere Autos, verschiedene Wohn- Ich rief einen Finanzberater an, der gerade auf nächsten Tag kaufte ich eine Jacht, lag auf deren schied. Wir hatten Verantwortung, wir hatten sitze, die ich von Karl Lagerfeld einrichten ließ, dem Fensterbrett stand, um sich in die Tiefe fallen Deck und langweilte mich dort. Reich sein, dachte etwas zu verlieren und wir waren unsterblich. Ich einen Helikopter, die gesamte Prêt-à-Porter zu lassen. Davon wollte ich ihn wirklich nicht ab- ich, ist eine sehr ehrliche Sache. Man tut nicht fand Gefallen daran, nicht mehr zu lesen, nicht Collection aller Modeschöpfer, Golfplätze, Fusball- halten. Überall sprangen Finanzberater, Börsen- mehr, als wär die Bestimmung des Menschen mehr fernzusehen, in keine Ausstellung mehr zu mannschaften, Monets, kosmetische Operationen, makler, Daytrader und Konzernchefs aus ihren etwas anders als die Langeweile, der Mensch, ent- gehen, außer in Monet-Ausstellungen, um da was eine Nacktstrecke im Playboy, Tischwäsche, Bett- Büros. Ein guter Tag zum Sterben, der Tag, an beint, seines überlebenskampfes entledigt, ist die zu kaufen. Und vielleicht noch Hundertwasser. wäsche, Charity-Anlässe, Bücher, die mir gewid- dem die Menschen ernst geworden waren, an dem Reinform, der Reiche der Prototyp dessen, was Den verstand ich. met waren, Bilder auf denen ich gemalt war, golde- sie ihre Werte überdachten. Nur half mir das Gott bei der Erschaffung des Lebens vorhatte. ne Ohrstöpsel, Gucci-Schlafbrillen, Gewehre und nichts, denn ich hatte 60 Millionen und war bisher Biomasse mit leeren Augen. Ohne Gewissens- Ich glaube, Kunst ist heute etwas für den Munition. Damit fing ich an herumzuballern. Erst noch nie reich gewesen. Es war eine Erfahrung, bisse, ohne Sorgen und gut riechend. Mittelstand, wenn nicht gar für die Unterschicht. nur so. Die Börsenheinis waren ja leider alle aus die ich unbedingt noch machen musste, ehe ich es Und die vermengen sich. Zu dem Heer der grauen den Fenstern gesprungen, weil keiner mehr Börse dem Finanzberater nachtun wollte. Am Abend des zweiten Tages als reicher Mensch Mäuse. Die nichts mehr wollen und glauben und wollte und Spaß, aber es gab noch genug zu tun. ging ich noch ein wenig auf die Großwildjagd, erle- vielleicht noch Spaß aber der war jetzt vorbei. Ich charterte zuerst ein Flugzeug und lies mich digte Frettchen und Tapire, Löwen und einige nach Monaco bringen. Oder ist es Monte Carlo, wo Bussarde. Danach aß ich davon und ging ins all die Leute hocken und sich langweilen? Kasino um ein paar Tausender zu verspielen. Ich kaufte mir eine hässliche Penthouse Wohnung Ich kaufte mir am selben Abend einen Mann. Er und lies sie direkt von einer Ortsansässigen hieß Jérôme und war sechssprachig. Er wollte Inneneinrichterin so richtig gestalten. Nach eini- gerne einen Porsche und es war wahre Liebe. gen Stunden standen in der ganzen Hütte Säulen Jérôme war 20 Jahre jünger als ich, also 10. Und und geraffte Tücher an den Fenstern und Glas- auf einmal konnte ich auch nachvollziehen, was tische und ein Kamin und Polstermöbel mit vergol- all die älteren Herren mit jüngeren Frauen, also deten Tatzen. Das war sehr hübsch, ich stand auf Frauen, die ihre Töchter sein könnten, so anfin- dem Balkon meines neuen Anwesens und beob- gen. Gespräche. Genau, es geht um Gespräche, achtete am Pier, oder wie das heißt, Nadja um eine Art intellektuelles Zuhause. Ich verstand Auermann, die mit Wolfgang Joop Boccia spielte. sie, eigentlich verstand ich die ganze Welt. Joop war überhaupt nicht geliftet. Er sah aus wie etwas, das man in der Mikrowelle vergessen hatte. Jérôme und ich lagen am dritten Tag meines rei- Schön, schön dachte ich und ging einkaufen. Ein chen Lebens zusammen auf dem Deck der Jacht Paar Stunden lang, ein Taxi fuhr im Schritttempo und er ölte meinen Rücken mit einem speziellen neben mir und ich füllte es mit all den Dingen, die Zeug ein, das 400 Dollar gekostet hatte. Das merk- ein reicher Mensch braucht. Goldene Uhren, te man sofort, den Unterschied.