NPD, Verbotsdebatte U ND Nazi-Spitzel
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3,00 Euro Januar |Februar2013 Nummer 140 24. Jahrgang ISSN 1619-1404 H 8040F der rechte magazin vonundfürantifaschistInnen rand NPD, VERBOTSDEBATTE UND NAZI-SPITZEL editorial & inhalt Liebe Leserinnen und Leser, In Braunschweig eröffnete die NPD die heiße Phase des Wahlkampfs in »Deutschlandtour 2012« hatte die Partei diese Aktion ausprobiert. Immer Niedersachsen. Am Wahrzeichen der Stadt, am Löwen auf dem Burg- wieder betonte Apfel, dass bei den Stopps mit dem »Flaggschiff« keine platz, fuhr am 7. Januar der Wahltrupp mit dem Partei-LKW, ihrem eigenen Anhänger mobilisiert, sondern Presseberichte provoziert werden »Flaggschiff«, vor, auf dem die altbekannten Forderungen »Einwande- sollen. Nach dem Auftakt in Braunschweig fuhr der Tross Richtung Wol- rung stoppen« und »Raus aus dem Euro« prangten. Trotz bundesweiter fenbüttel weiter. Zwei Wochen lang will die NPD mit dem LKW durch die Debatte um ein Parteiverbot und landesinternen Parteiquerelen versucht Städte touren. »Täglich zwei Kundgebungen«, verspricht Kallweit. die NPD nun endlich im Westen einen Achtungserfolg zu erzielen. Einen Ein Indiz für den Parteizustand ist aber in diesem Wahlkampf sehr wohl Erfolg, den die Parteiführung um Holger Apfel auch dringend braucht. zu erleben. Seit Wochen kündigt Kallweit als Pressesprecher an, dass Seit er sich im Kampf um den Vorsitz durchsetzte, blieb die Partei bei die Wahlkampfzeitung »Sturmfest & erdverwachsen«, benannt nach dem Wahlkämpfen in West-Bundesländern fast immer hinter ihren selbst ge- Landesmotto, verteilt werden soll. 40.000 Plakate seien vorhanden und steckten Zielen, zudem sank die Mitgliederzahl. In Niedersachsen, dem an die 20.000 »Schulhof-CDs« sollten verteilt werden. Nur ist in dem »Stammland der Partei«, wo sie 1964 in Hannover gegründet wurde, soll Flächenbundesland, außer in den wenigen Schwerpunktregionen, wenig »die Wende« kommen. von den Ankündigungen umgesetzt worden – Infostände und Plakatie- Die Aktion in Braunschweig war kurz. Rund um den Platz erwartete die rungen. Da passt es, dass Apfel auf seiner Facebookseite jetzt noch offen NPD auch Protest. Kein Zugang, an dem nicht GegendemonstrantInnen um Wahlhelfer für die »heiße Schlussphase« wirbt: »Helft mit – Packt standen. An die 500 waren dem Aufruf des »Bündnisses gegen Rechts« mit an!«. Die Kosten würden übernommen, verspricht er. 1,5 Prozent er- gefolgt. Die Polizei riegelte den Kundgebungsort vollständig ab. Per Ge- reichte die NPD bei der letzten Landtagswahl. Ein Ergebnis, das dahinter richt hatte die NPD mit ihrem Spitzenkandidaten Adolf Dammann und zurückbleibt, wird Führung und Partei belasten. Bei einem Wahlergebnis Patrick Kallweit diesen Ort erstritten. Sehr zentral, doch durch Polizei und unter einem Prozent entfiele auch die Parteienfinanzierung. Protestierende konnte kein Passant irgendeine Parteibotschaft sehen Die NPD steht auch in diesem Heft mehr im Mittelpunkt. Personal und oder hören. Die Rede des NPD-Landesvorsitzenden Manfred Börm ging Jugendorganisation werden betrachtet, die laufenden Verbotsbestrebun- im Lärm der »Nazi-Raus«-Rufe und Pfeifen unter. Auch Kallweit redete gen hinterfragt. Gleichwohl wendet sich der Blick unter anderem auf die nur für die rund 15 mitgekommenen Parteikader. »Reichsbürger«, die in Löhne eine »Botschaft« eröffnet haben, und ganz Die Dauer der Aktion und die Teilnehmerzahl ist jedoch kein Indiz für besonders auf die sogenannten »Identitären«, deren Konzept dieser Tage den Zustand der Partei. Der Aktionsverlauf ist so konzipiert. Bei ihrer nicht nur in der extremen Rechten diskutiert wird. Gedanken zum NPD-Verbot 03 Die V-Männer der 1990er Jahre 04 Uwe Trinkaus – ein staatlicher Zuträger 06 kurz und bündig 25 Nazi-Hooligans in Nordthüringen 07 NSU-Untersuchungsausschuss Sachsen 08 Die sächsische NPD 09 Rückblick Der neue JN-Bundesvorstand 10 Stellungnahme zu braunen Wurzeln des BND 26 »Nationaler Widerstand Berlin« 12 Der »Nordsturm Brema« 13 »Reichsbürger«!? 14 International Rassismus in den Medien 16 Porträt der tschechischen DSSS 28 Geschichtspolitik in »Zuerst!« 18 Die extreme Rechte in Großbritannien 30 Der Fall einer Öko-Ikone 20 Braunzone kurz und bündig 32 Die »Identitären« 21 »Initiative Burschenschaftliche Zukunft« 24 Rezensionen 33 2 der rechte rand 140/2013 Faule Lösung Die Argumente sind lange ausgetauscht, das Für und Wider abgewogen. Über Sinn und Zweck eines NPD-Verbots sind sich Medien, Politik und zivilgesellschaftliche Organisationen auch nach Jahren uneinig. Der Komplexität des Themas wird die Debatte aber selten gerecht. Manche Fragen und Aspekte vermisst man in der Diskussion. von Barbara Manthe Der NPD-Verbotsantrag ist auf dem Weg: Der Bundesrat will im Jahr Die Verbotsdiskussion berücksichtigt gesellschaftliche Veränderungen 2013 einen Antrag an das Bundesverfassungsgericht stellen. Bundestag nicht und lenkt vom Thema ab. und Regierung werden entscheiden, ob sie sich anschließen. 2003 hatte Die Verbotsbestrebungen haben mit parteiinternen Entwicklungen oder das Gericht ein Verbotsverfahren aus verfahrensrechtlichen Gründen ein- der Rolle der NPD für die Neonaziszene kaum etwas zu tun. Die bis- gestellt, weil der Verfassungsschutz herigen Auslöser der Debatten die V-Leute in der Parteiführung waren rassistische Übergriffe nicht abgeschaltet hatte. Anfang der 2000er Jahre und die zufällige Enttarnung des Die NPD will kein Verbot, sie will NSU Ende 2011. aber das Verbotsverfahren. Wenn Anfang des Jahrtau- »Verboten gut«, so kokettiert die sends nach rassistischen NPD mit der drohenden Illegalität. Anschlägen in Politik und Öf- Eine Auflösung wäre fraglos ein fentlichkeit ein Ruf nach dem herber Schlag, aber die Parteifüh- Verbot der NPD laut wurde, rung hat in den letzten Monaten ließ ein solcher Fokus die Fra- gezeigt, dass sie den öffentlichen ge nach dem Rassismus in der Wirbel der Debatte zu schätzen Mitte der Gesellschaft verblas- weiß. Sie kündigte an, während sen – ebenso wie die Proble- des Verfahrens ihr politisches Auf- matik von Akzeptanz, Toleranz treten zu verstärken. »Wir freuen oder dem Verleugnen rechter uns auf das Verfahren«, ließ der Gewalt in jener Zeit. Wenige Bundesvorsitzende Holger Apfel im fragten damals nach den Kri- Dezember 2012 verlauten. »Eine terien behördlicher Ermittlun- Partei, die nichts Verbotenes tut, gen, welche Gewalttaten als kann nicht verboten werden«, so seine Devise. Denn die NPD behauptet »rechtsextremistisch« eingestuft wurden und welche nicht. Kaum jemand bekanntlich, nicht verfassungsfeindlich zu sein. Schon Wochen vor dem kritisierte die Ermittlungen in Sachen »Döner-Morde«. Beschluss des Bundesrats hatte sie beim Bundesverfassungsgericht ei- Die Fragen, die sich hinsichtlich des NSU auftun, sind so zahlreich, dass nen Antrag gestellt, ihre Verfassungstreue prüfen zu lassen. Sollten die sie besser an anderer Stelle aufgeworfen werden. Angehörige und Opfer Richter in Karlsruhe tatsächlich ein Verbot aussprechen, so will die NPD fordern in erster Linie eine lückenlose Aufklärung. den »Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte« (EGMR) in Straß- burg anrufen. Es gibt von antifaschistischer Seite keine Konzepte für die Folgen des Verbots. Ein Verbot hätte in Straßburg vermutlich keinen Bestand. Bisher gerät im Kontext der Verbotsdebatte wenig in den Blick, wie anti- Verfassungsrechtler werden nicht müde, auf die juristischen Hindernisse faschistische Strategien für »danach« aussehen könnten. Kaum werden eines Verbotsverfahrens hinzuweisen – auch in europarechtlicher Hin- alle 5.900 Mitglieder der NPD den Kameradschaften beitreten, vielmehr sicht. Das Fiasko wäre groß, wenn nach einer Entscheidung des Straß- könnte eine breiter gestreute Organisationslandschaft entstehen, die sich burger Gerichts das Verbot rückgängig gemacht werden müsste, so der lokal stark ausdifferenziert. Oder die Strukturen retten sich in eine andere Staatsrechtler Eckart Klein. Der Präsident des EGMR, Dean Spielmann, Gruppierung: Mit der »Rechten« existiert bereits eine – bislang bedeu- betonte, dass die tatsächliche Gefahr, die von einer Partei ausgehe, im tungslose – Partei. Die Rivalitäten mit der NPD-Führung sind auch groß Verhältnis zu dem Eingriff in ihre Freiheitsrechte stehen müsse. Die NPD – und nachhaltig. »›Die Rechte‹ ist nicht der Plan B«, beteuerte Apfel. selbst geht davon aus, spätestens in Straßburg ein mögliches Verbot wie- Deren Vorsitzender, Christian Worch, hat jedoch schon in den 1990er der zu kippen. Jahren seine Erfahrungen gemacht, als er die Mitglieder verbotener Ka- meradschaften sammelte und neu integrierte. Sind alle V-Leute in der Parteiführung abgeschaltet? Dies geht mit einem weiteren Problem einher: Es ist immer noch unklar, Warum kein »Betätigungsverbot«? ob wirklich alle V-Leute in der NPD-Spitze abgeschaltet sind. Nicht alle Wer der Meinung ist, dass das Gesetz Alt- und Neonazis keine Hand- Innenminister haben die Zusicherung unterzeichnet, dass das gesam- lungsmöglichkeit gewähren dürfe, sollte konsequenterweise ein generel- melte Material frei von Äußerungen von V-Leuten sei. Die Dokumente les Betätigungsverbot für Neonazis fordern. Wer der Partei Strukturen und umfassen über tausend Seiten, die auch Zitate enthalten – die NPD be- Finanzen nehmen will, mag als punktuellen Ansatzpunkt eine Auflösung hauptet jetzt schon zu wissen, dass dort V-Männer erwähnt würden, die gutheißen und sich dann den Folgen zuwenden. Aber mit der Forderung dann im Verfahren benannt werden könnten. Diese Ambivalenz wirft zum nach einem NPD-Verbot eine Auseinandersetzung mit Rassismus, mit wiederholten Mal die Frage nach der Rolle von V-Leuten