Plenarprotokoll 19/37

Deutscher

Stenografscher Bericht

37. Sitzung

Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- Zusatztagesordnungspunkt 6: neten Jörg Cezanne. 3557 A Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat Absetzung des Tagesordnungspunktes 22. 3557 B eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Ge- setzes Drucksachen 19/1320, 19/2581 . 3570 D Zur Geschäftsordnung Dr. (CDU/CSU). 3571 A Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU). 3557 C Leif-Erik Holm (AfD). 3571 D (AfD). 3558 B Johann Saathof (SPD). 3572 C (Erfurt) (SPD). 3558 D (FDP). 3573 B Dr. (FDP). 3559 C Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE). 3574 A (DIE LINKE). 3560 B (BÜNDNIS 90/ Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). 3574 C DIE GRÜNEN). 3561 A Tagesordnungspunkt 21: Zusatztagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Abgeordneten Christian Dürr, Dr. , Frank Schäfer, wei- Erste Beratung des von den Fraktionen der terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs FDP: zu dem Vorschlag für eine Verord- eines Gesetzes zur Änderung des Parteien- nung des Europäischen Parlaments und des gesetzes und anderer Gesetze Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Drucksache 19/2509. 3562 B Nr. 806/2014 im Hinblick auf die Schaf- Dr. (CDU/CSU). 3562 C fung eines europäischen Einlagenversiche- rungssystems – KOM(2015) 586 endg.; Thomas Seitz (AfD). 3564 A Ratsdok. 14649/15 – hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung nach Arti- Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD)...... 3565 A kel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes: Eigen- verantwortung von Staaten und Banken Dr. (FDP). 3566 C stärken ‒ Vergemeinschaftung von Ein- Friedrich Straetmanns (DIE LINKE). 3567 B lagenrisiken verhindern Drucksache 19/2525. 3575 D Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). 3568 B b) Antrag der Abgeordneten Dr. Florian Toncar, Frank Schäfer, Bettina Stark-­ Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU). 3569 C Watzinger, weiterer Abgeordneter und der II Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Fraktion der FDP: Vollendung der Ban- (fraktionslos). 3603 A kenunion – Stabil und marktwirtschaft- lich Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU). 3603 C Drucksache 19/2527. 3575 D c) Antrag der Abgeordneten Dr. Bruno Tagesordnungspunkt 23: ­Hollnagel, , , weiterer Abgeordneter und der a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Fraktion der AfD: Erhalt der nationalen Dr . , , Lisa Einlagensicherung – Keine Transfer- Badum, weiteren Abgeordneten und der und Haftungsunion in Europa Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 19/2573. 3575 D eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Ener- Dr . Florian Toncar (FDP). 3576 A gien-Gesetzes – Erhöhung der Ausbau- (CDU/CSU). 3578 A mengen für Windenergie an Land und Solarenergie Dr. (AfD). 3579 A Drucksache 19/2108. 3604 C (SPD) . 3580 D b) Antrag der Abgeordneten Lorenz Gösta (AfD). 3582 B Beutin, , , weiterer Abgeordneter und der Fraktion Metin Hakverdi (SPD) . 3582 C DIE LINKE: Bürgerenergie retten Drucksache 19/1006. Jörg Cezanne (DIE LINKE). 3583 A 3604 D Dr. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). 3584 A in Verbindung mit (CDU/CSU). 3585 A () (SPD). 3586 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Sepp Müller (CDU/CSU). 3587 C Antrag der Abgeordneten Ingrid Nestle, Dr . Julia Verlinden, Oliver Krischer, weiterer Dr. (fraktionslos). 3588 D Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ Dr. (CDU/CSU). 3589 C DIE GRÜNEN: Stromstau aufösen anstatt erneuerbare Energien zu bremsen Drucksache 19/2109. 3604 D Tagesordnungspunkt 20: Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ Erste Beratung des von den Fraktionen der DIE GRÜNEN). 3604 D CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs (CDU/CSU). 3606 B eines Gesetzes zur Einführung einer zivil- prozessualen Musterfeststellungsklage Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ Drucksache 19/2507. 3590 D DIE GRÜNEN). 3606 D Dr. , Stefen Kotré (AfD) . 3608 C Bundesministerin BMJV. 3590 D Johann Saathof (SPD). 3610 B Dr. (AfD). 3592 B Dr. (FDP) . 3611 D Elisabeth Winkelmeier-Becker Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ (CDU/CSU). 3593 C DIE GRÜNEN). 3612 C Dr . Jürgen Martens (FDP). 3595 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . 3612 D (DIE LINKE). 3596 A Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE). 3614 B Dr. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). 3597 B Dr. Rainer Kraft (AfD). 3615 D (CDU/CSU). 3598 C Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE). 3615 D Dr . Jürgen Martens (FDP). 3599 B Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU). 3616 B Katharina Kloke (FDP). 3600 B (SPD). 3617 C Dr. (SPD). 3601 A Mario Mieruch (fraktionslos). 3618 D Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/ Carsten Müller (Braunschweig) DIE GRÜNEN). 3601 D (CDU/CSU). 3619 B Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018 III

Tagesordnungspunkt 24: b) Antrag der Abgeordneten Gyde ­Jensen, Dr. Lukas Köhler, Alexander Graf a) Erste Beratung des von den Fraktionen der Lambsdorf, weiterer Abgeordneter und CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent- der Fraktion der FDP: Rüstungskontrolle wurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Än- stärken – Iranisches Nuklearabkommen derung des Atomgesetzes (16. ­AtGÄndG) bewahren Drucksache 19/2508. 3620 C Drucksache 19/2529. 3638 C b) Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Sevim Dağdelen (DIE LINKE). Lorenz Gösta Beutin, Dr. Gesine Lötzsch, 3638 D weiterer Abgeordneter und der Fraktion (CDU/CSU). 3639 C DIE LINKE: Stilllegung der Uranfabri- Dr. (AfD). 3640 C ken Gronau und Lingen – Exportverbot Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD). für Kernbrennstofe 3641 B Drucksache 19/2520. 3620 D Dr. (FDP). 3642 B Rita Schwarzelühr-Sutter, (BÜNDNIS 90/ Parl. Staatssekretärin BMU. 3620 D DIE GRÜNEN). 3643 A Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU) . 3643 D Dr. Rainer Kraft (AfD). 3621 D Dr. Frauke Petry (fraktionslos). 3644 D Karsten Möring (CDU/CSU) . 3623 A Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU). 3645 B (FDP). 3624 C Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . 3625 B Zusatztagesordnungspunkt 8: Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE GRÜNEN). 3626 A BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung der Dr. (SPD). 3627 A Bundesregierung zu den Kommissions- vorschlägen zur Gemeinsamen Agrarpoli- tik in Hinblick auf den Arten- und Natur-, Tagesordnungspunkt 25: insbesondere auch den Insektenschutz Antrag der Abgeordneten Dr. , Renate Künast (BÜNDNIS 90/ Norbert Kleinwächter, , wei- DIE GRÜNEN). 3646 B terer Abgeordneter und der Fraktion der AfD: Julia Klöckner, Bundesministerin BMEL. 3647 C Keine EU-Steuern – Für Sparsamkeit beim Franziska Gminder (AfD). 3649 B mehrjährigen Finanzrahmen der EU Rita Schwarzelühr-Sutter, Drucksache 19/2572. 3627 D Parl. Staatssekretärin BMU. 3650 C Dr . Harald Weyel (AfD). 3628 A (FDP). 3652 A (CDU/CSU). 3629 A Dr . (DIE LINKE). 3653 A (FDP) . 3630 A Hermann Färber (CDU/CSU). 3654 A Dr . Harald Weyel (AfD). 3631 D (AfD). 3655 B (SPD) . Gerald Ullrich (FDP) . 3632 B 3656 C Stef Lemke (BÜNDNIS 90/ Markus Töns (SPD) . 3632 C DIE GRÜNEN). 3657 C (DIE LINKE) . 3634 B (CDU/CSU). 3659 A Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ (SPD). 3660 A DIE GRÜNEN). 3635 B Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU). 3661 A Dr. Christoph Ploß (CDU/CSU). 3636 B (SPD). 3662 B (SPD). 3637 A (CDU/CSU). 3663 B Alois Rainer (CDU/CSU). 3637 D Nächste Sitzung . 3664 C

Tagesordnungspunkt 26: Anlage 1 a) Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Entschuldigte Abgeordnete. 3665 A Heike Hänsel, , weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Völkerrecht einhalten – Atomabkom- Anlage 2 men mit dem Iran verteidigen Drucksache 19/2131. 3638 C Amtliche Mitteilungen. 3666 B

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37. Sitzung

Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018

Beginn: 9.00 Uhr

Vizepräsidentin : Wir fangen jetzt an mit der Geschäftsordnungsdebatte. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Das Wort zur Geschäftsordnung hat der verehrte Kollege Sitzung ist eröfnet. Michael Grosse-Brömer für die CDU/CSU-Fraktion. Auf den Besuchertribünen des Plenarsaals haben (Beifall bei der CDU/CSU) 350 amerikanische Stipendiaten des Parlamentarischen Patenschafts-Programms Platz genommen. A warm wel- Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): come, herzlich willkommen hier bei uns, in der Herz- Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kollegin- kammer unserer Demokratie! nen und Kollegen! Wir führen in der Tat diese Debatte (Beifall) heute, weil wir die Tagesordnung um zwei Punkte erwei- tern wollen, nämlich zum einen um die Änderung des Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich zum ku- Parteiengesetzes und zum anderen um die Änderung des gelrunden Geburtstag gratulieren, und zwar dem Kolle- Erneuerbare-Energien-Gesetzes. (B) gen Jörg Cezanne; er feiert – ich weiß nicht, ob man es (D) bei Männern sagen darf – heute seinen 60. Geburtstag. In der Geschäftsordnungsdebatte geht es, wie der Alles Gute! Name schon sagt, um die Geschäftsordnung und um Fra- gen der Rechtmäßigkeit. Die Inhalte werden nicht hier, (Beifall) sondern, wie wir vorhin gehört haben, anschließend de- Der Ältestenrat hat sich in seiner gestrigen Sitzung da- battiert. rauf verständigt, dass mit Blick auf die Wahl zum Euro- Nun ist es hier nichts Neues – ich mache diesen Job, päischen Parlament, die am 26. Mai 2019 stattfndet, die den ich für die CDU/CSU-Fraktion machen darf, ja auch vorgesehene Sitzungswoche vom 20. bis 24. Mai 2019 schon etwas länger –: Mal gehen Gesetzesvorhaben der entfällt und stattdessen die Kalenderwoche vom 13. bis Regierung der Opposition zu langsam, mal gehen sie 17. Mai 2019 als Sitzungswoche bestimmt wird. Sie sind weitaus zu schnell. damit einverstanden? – Dann ist das so beschlossen. (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das kannst du Dann teilen die Fraktionen der CDU/CSU und SPD besser, Michael!) mit, dass der Tagesordnungspunkt 22 – das ist der Be- richt der Bundesregierung zur Umsetzung der Ziele des Dann sagt man im Regelfall: Das wird hier alles durchge- Bologna-Prozesses 2015 bis 2018 – abgesetzt werden peitscht. – Das kennt jeder. soll. Sind Sie damit einverstanden? – Auch das ist ofen- Heute ist der Tag, wo es mal wieder zu schnell geht. kundig der Fall. Dann ist auch das so beschlossen. Also wundern Sie sich gleich nicht, wenn die anschlie- Wir kommen nun zu zwei Geschäftsordnungsanträ- ßenden Rednerinnen und Redner von „überfallartigen gen. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben frist- Aktionen“ sprechen, von „Durchpeitschen“ und allem, gerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die Be- was damit zusammenhängt. ratung von zwei Gesetzentwürfen zu erweitern, und zwar Ich bin ja von Hause aus Notar. Ich habe das ein paar um die erste Beratung ihres Gesetzentwurfs zur Änderung Jahre gemacht. Ich werde das jetzt einmal mit der not- des Parteiengesetzes und anderer Gesetze auf Drucksa- wendigen Sorgfalt und Seriosität kurz rechtlich erörtern. che 19/2509, die im Anschluss mit einer Debattenzeit von Darum geht es nämlich eigentlich. 38 Minuten aufgerufen werden soll, sowie um die zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs des Bundesrats Die Präsidentin hat dankenswerterweise darauf hinge- zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf wiesen: Wir haben diesen Antrag – so hat sie es formu- Drucksachen 19/1320 und 19/2581, die mit einer Debat- liert – „fristgerecht“ gestellt. Da ist schon der erste Punkt tenzeit von 18 Minuten aufgerufen werden soll. rechtlich völlig einwandfrei. 3558 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Michael Grosse-Brömer (A) Kommen wir zum zweiten Punkt. Beratungen zu Ge- Die vorgesehene Redezeit widmen wir dem Gedenken (C) setzentwürfen beginnen laut Geschäftsordnung „frühes- an die in Wiesbaden tot aufgefundene Susanna; sie wurde tens am dritten Tage nach Verteilung der Drucksachen“; 14 Jahre alt. Aus der Erde kommst du, und zur Erde wirst so schreibt es § 78 Absatz 5 der Geschäftsordnung vor. du werden. Die Drucksache zum Parteiengesetz, um das es hier geht, wurde am Dienstag verteilt. Fristgerecht soll heute die (Abgeordnete der AfD erheben sich – Britta erste Lesung stattfnden. Wir haben den zweiten Punkt: Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: rechtlich einwandfrei, so wie es die Geschäftsordnung Wir reden hier zur Geschäftsordnung! – Der vorsieht. Redner schweigt)

Es fndet auch überhaupt nichts geheim statt, ganz im Vizepräsidentin Claudia Roth: Gegenteil. Wir wollen es ja diskutieren, damit es nicht Darf ich Sie darauf hinweisen, dass wir gerade zur Ge- geheim ist. Dagegen wendet sich jetzt die Opposition. schäftsordnung reden. Ich würde bitten, dass Sie sich an Verstehen kann das nicht jeder, ich vielleicht auch nicht; die vorgegebene Tagesordnung und an die Geschäftsord- ich wollte es nur kurz erwähnt haben. nungsdebatte halten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wir erklären es der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE dir gerne!) GRÜNEN – Alle Abgeordneten der AfD erhe- ben sich – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE Jetzt kann ich nur sagen: Wir wollen gleich 38 Mi- GRÜNEN]: Jetzt muss man Herrn Gauland nuten diskutieren, damit es öfentlich diskutiert werden noch sagen, dass er aufstehen soll! – Zuruf soll. Schöne Grüße an die Opposition! Mehr Öfentlich- von der SPD: Politischer Missbrauch! – Der keit geht nicht. Im Übrigen werden wir auch noch eine Redner schweigt weiterhin) öfentliche Anhörung durchführen. Herr Seitz, haben Sie noch etwas zu sagen? Ansonsten Beim EEG, das ist das zweite Gesetz, gilt die Maßga- würde ich die nächste Rednerin oder den nächsten Red- be, dass die Beratung „am zweiten Tage nach Verteilung ner aufrufen. der Beschlussempfehlung“ beginnt, § 81 Absatz 1 der Geschäftsordnung. Die Beschlussempfehlung zum EEG (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, wurde am Mittwoch verteilt. Nun hätten wir das gerne der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE schon gestern beraten; die AfD fand das nicht so gut. Die GRÜNEN) (B) Gründe kenne ich nicht, aber es ist ja häufg bei der AfD Da Sie mir nicht antworten, ist damit Ihr Beitrag be- (D) so, dass man nicht weiß, was sie da tut. Es ist mir gerade endet. Ich fordere Sie auf, das Rednerpult zu verlassen. auch egal. (Die Abgeordneten der AfD nehmen wieder Sie sehen – das ist das kurze Fazit –: Das, was wir Platz) heute machen, läuft alles nach den Regeln unserer Ge- Ich gebe das Wort jetzt Carsten Schneider für die schäftsordnung und ist völlig unspektakulär, vor allen SPD-Fraktion. Dingen rechtlich einwandfrei – vielleicht zu schnell, vielleicht zu langsam; ich warte einmal ab. Nur: Die Ge- (Beifall bei der SPD) schäftsordnung sieht es genau so vor. (Erfurt) (SPD): Jetzt freuen Sie sich darauf, wie die Opposition trotz Carsten Schneider dieser rechtlich völlig einwandfreien Vorgehensweise Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolle- versuchen wird, einen kleinen Skandal herbeizureden. ginnen und Kollegen! Der Bundestag ist ein Ort der De- Viel Spaß dabei. batte, aber nicht der politischen Instrumentalisierung von Opfern. Sie sollten sich schämen. Vielen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. [AfD]: Sie soll- ten sich schämen! Grenzen öfnen! Jeden Tag Vizepräsidentin Claudia Roth: ein Mord! Fast täglich! Sie haben das alles zu Vielen Dank, Michael Grosse-Brömer. – Nächster verantworten, was in diesem Land passiert! – Redner: Thomas Seitz für die AfD-Fraktion. Dr. [AfD]: Sie haben die Morde zu verantworten!) (Beifall bei der AfD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir, die SPD-Frak- tion und die CDU/CSU-Fraktion, haben beantragt, dass Thomas Seitz (AfD): die Tagesordnung des Deutschen Bundestages fristge- recht, wie die Frau Vizepräsidentin Roth gesagt hat, um Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen zwei Punkte erweitert wird. und Herren Kollegen! Die Fraktion der Alternative für Deutschland tritt der kurzfristigen Aufsetzung der Zu- Der erste Punkt betrift das Erneuerbare-Energien-Ge- satzpunkte 5 und 6 auf die Tagesordnung entgegen. setz. Wir wollen das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3559

Carsten Schneider (Erfurt) (A) Antrag des Bundesrates verändern. Wir wollen es positi- wir die Parteiendemokratie in Deutschland stärken und (C) ver gestalten, damit es keinen Riss in der Förderung der nicht abschafen wollen. erneuerbaren Energien gibt. Dem hat die AfD widerspro- chen. Wir setzen das Thema heute auf; denn für uns ist Danke sehr. die Erde keine Scheibe, und es gibt einen Klimawandel. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Wir werden dagegen vorgehen. Jürgen Braun [AfD]: Purer Zynismus, Herr (Beifall bei der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Schneider, mal wieder!) Sie sollten sich schämen! – Jürgen Braun [AfD]: Menschenverachtend!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Carsten Schneider. – Nächster Redner Der zweite Punkt betrift das Parteiengesetz. Auch da in der Geschäftsordnungsdebatte: Dr. Marco Buschmann hat die Kollegin Roth gesagt: Ja, es ist fristgerecht. – Wir für die FDP-Fraktion. haben den Oppositionsfraktionen am Dienstagvormittag angekündigt, dass wir einen Gesetzentwurf zusätzlich (Beifall bei der FDP) auf die Tagesordnung aufsetzen werden. Wir haben Ihnen diesen Gesetzentwurf am Nachmittag nach der Frakti- onssitzung, als wir es beschlossen hatten, zugesandt. Wir Dr. Marco Buschmann (FDP): debattieren diesen Antrag hier heute in der Primetime Frau Präsidentin! Als Erstes möchte ich mich bei den des Deutschen Bundestages auf unseren Antrag hin um Angehörigen der Toten dafür entschuldigen, dass dieser 9 Uhr. Besser und transparenter geht es nicht. Anlass missbraucht wird, um hier parteipolitisch Wer- bung zu machen. Das hat in mir das Gefühl der Fremd- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) scham ausgelöst. Ich darf einen kleinen Hinweis zum Umgang im Parla- (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, ment machen. Die AfD-Fraktion hat in dieser Woche sechs der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Anträge beschlossen. Sie hat uns diese um 18.53 Uhr am GRÜNEN) Mittwoch übersandt: 14 Stunden vor Plenarbeginn­ . Das ist also viel später – einen Tag später –, als wir es gemacht In der Sache gibt es zur Geschäftsordnung Folgendes haben. Das ist irreguläres ­Verhalten. Wenn Sie sich heute zu sagen: Es liegen ja zwei getrennte Anträge vor. Die hinstellen und in diesem Maße behaupten, dass wir die Freien Demokraten werden der Aufsetzung des Gesetz- Regeln des Parlaments nicht einhalten würden, ist das entwurfs zum EEG zustimmen; ein Parlament muss auch schlichtweg falsch. fexibel und dynamisch agieren können. Das EEG ist ein (B) großer ordnungspolitischer Irrsinn; deshalb werden wir (D) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael immer wieder hinterherregieren müssen, um die Bürger Grosse-Brömer [CDU/CSU]) vor den schlimmsten Auswirkungen bewahren zu kön- nen. Das ist in diesem Fall keine perfekte Lösung, aber Ich fnde, eine Partei, die diesen Bundestag für ihre besser, als wenn es nicht mehr rechtzeitig käme. Deshalb parteipolitischen Spiele missbraucht und instrumentali- machen wir das mit. siert, eine Partei, Die zweite Änderung, die Sie hier aufsetzen, näm- (Zuruf von der AfD: Schäbig ist das! – Jürgen lich die Änderung des Parteiengesetzes, lieber Michael Braun [AfD]: Das machen Sie doch nur!) Grosse-­Brömer, ist natürlich nicht nur eine Frage, ob es nach der Geschäftsordnung ginge, das mit Mehrheit die so schäbig mit unserer Demokratie umgeht, hier zu beschließen, sonst müssten wir hier ja gar kei- (Lachen der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD]) nen Mehrheitsbeschluss fassen. Es ist – dies ist dem Parlament nicht verboten – nicht nur über die Frage der eine Partei, die sich von russischen Gönnern den Privatjet Rechtmäßigkeit zu diskutieren, sondern auch darüber, ob bezahlen lässt, eine Partei, die für den Wahlkampf Spen- es klug ist. Dem Parlament ist Klugheit nicht verboten. den in Millionenhöhe bekommt und sie verschleiert – Diese Aufsetzung ist überhaupt nicht klug. (Dr. Alice Weidel [AfD]: Und Sie brechen die (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem Verfassung! Sie gehören alle auf die Anklage- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bank und eingelocht!) Michael, es ist doch wie folgt: Über Jahrzehnte war wo Sie es doch sonst mit der Verschleierung nicht so ha- es guter Brauch in diesem Haus, Fragen des Parteienge- ben –, die sollte hier an diesem Tag schweigen. setzes, die letztendlich Fragen des Wettbewerbsrechts, des Ideenwettbewerbs zwischen den Parteien sind, recht- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der zeitig und ausreichend vorher in einer gemeinsamen De- LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP) – batte vorzubereiten, damit nicht der Eindruck entsteht, Lachen bei der AfD) dass diejenigen Parteien, die hier die Mehrheit haben, das Wettbewerbsrecht nach ihren Interessen ausgestal- Wir Sozialdemokraten stellen uns der Debatte. Wir ten, und damit das Parteiengesetz daher überparteiliches führen sie heute und auch in der nächsten Woche in zwei- Vertrauen und das Vertrauen der Öfentlichkeit genießt. ter und dritter Lesung hier um 9 Uhr im Deutschen Bun- destag. Wir nutzen den Bundestag als Debattenort, weil (Beifall bei der FDP) 3560 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Marco Buschmann (A) Dass wir zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein solches noch etwas Zweites hinzu: Die Einhaltung und Wahrung (C) Verfahren hier erleben, wo wir kurzfristig darüber infor- eines gewissen Stils ist ebenfalls nicht verboten. miert werden und das hier sozusagen vorgesetzt bekom- men, schadet dem Vertrauen in das Parteiengesetz. Wa- (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Britta rum? Nicht wegen dieser ersten Lesung. Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich könnte auch noch damit leben, wenn wir das jetzt Was dieses Verfahren zur Anhebung der Parteienfnan- aufsetzen und im Herbst die zweite oder dritte Lesung zierung auszeichnet, ist ein Bruch mit dem, was bisher machen würden, dann könnten wir in Ruhe diskutieren; im Stil und im Umgang zwischen den Parlamentarischen wir könnten unsere Verbesserungsvorschläge vortragen. Geschäftsführern und den Fraktionen üblich war. Aber ihr wollt das direkt im Anschluss, in der kommen- (Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem den Sitzungswoche, in zweiter und dritter Lesung hier BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) durchdrücken. Deshalb ist das ein durchgedrücktes, ge- hetztes Verfahren, weil euch in Wahrheit der Inhalt unan- Herr Grosse-Brömer, Sie haben sich sehr und ganz genehm ist. Das wird der Sache nicht gerecht. formal auf die Verfahrensregelungen bezogen. Ich fand, Herr Buschmann hat darauf sehr klug und sehr fein ge- (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ antwortet. Ich will Ihnen noch etwas dazu sagen: Wenn DIE GRÜNEN) man nämlich einmal den Zeitablauf minutiös rekonstru- Es wird vor allen Dingen nicht nur der Sache nicht iert, stellt man fest, dass Folgendes passiert ist: In der gerecht, sondern ihr tut euch auch selber einen Tort an. Parlamentarischen-Geschäftsführer-Runde am Diens- tagmorgen wurde ein Gesetzentwurf für Freitag zu dem (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das Thema „Parteienfnanzierung“ – darauf will ich vor allen entscheiden wir alle selbst!) Dingen abzielen – angekündigt. Was wird nämlich die Reaktion der Öfentlichkeit (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das sein? Die Öfentlichkeit wird das als ein Schnellverfah- ist früher als die anderen!) ren wahrnehmen, das den Parteien dazu dient, sich die Taschen vollzumachen. Ich kann mich nur an all die Da ist es üblich – informelle Absprache –, dass man Kollegen in der SPD-Fraktion und in der Unionsfraktion dieser Aufsetzung zustimmt. Der Inhalt war in diesem wenden: Stimmen auch Sie dieser Aufsetzung nicht zu! Moment noch nicht bekannt; auch der Verfahrensablauf Denn wenn Sie im Zug oder im Flugzeug in Ihre Wahl- war nicht bekannt. Nicht angekündigt war also demzu- kreise zurückkehren, dann werden Sie dort eine Woche folge, dass dann erfolgende Hauruckverfahren – Herr Buschmann hat das sehr schön beschrieben – mit einer (B) lang erleben, wie man sich lustig macht und wie man (D) über unser Hohes Haus und die Demokratie herziehen unüblichen Anpassung der Parteienfnanzierung, die von wird, weil wir von diesem Verfahren abgewichen sind. dem bisher üblichen Verfahren abweicht, also einen mas- Wenn Sie sich das selber antun wollen, dann nehmen Sie siven Eingrif in das Parteiengesetz darstellt. wenigstens Rücksicht auf das Ansehen dieses Hauses Veröfentlicht wurde der Gesetzentwurf und die Ab- und kehren Sie – meinetwegen mit denselben Inhalten – sicht im Detail dann erst am Dienstagabend. Gleichzei- zu einem regulären, normalen und über viele Jahrzehnte tig wurde nach außen kommuniziert, das sei so auch mit erprobten Verfahren zurück. den Oppositionsparteien abgesprochen. Das hat unseren Parlamentarischen Geschäftsführer zu Recht erbost und (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das aufgeregt; da kann ich mich nur anschließen und sagen: ist das vorgesehene Verfahren!) Das gehört sich einfach nicht. Das ist keine Frage der Rechtmäßigkeit. Es ist eine Frage (Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie der Klugheit, und die ist auch euch nicht verboten. bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten GRÜNEN) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Wenn Sie auf eine breite Debatte Wert legen würden – Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Herr Buschmann hat das Verfahren ja aufgezeigt –,

Vizepräsidentin Claudia Roth: (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Debatte fndet ja gleich statt!) Danke, Dr. Buschmann. – Nächster Redner: Friedrich Straetmanns für die Fraktion Die Linke. auf eine Diskussion, die in Ruhe erfolgt, auf eine Anhö- rung mit Experten, die in Ruhe vorbereitet werden kann (Beifall bei der LINKEN) und nicht bereits am Montag stattfndet, würde das für eine gewisse Solidität sprechen; es würde für eine Trans- Friedrich Straetmanns (DIE LINKE): parenz sprechen, die wir Linke bei diesem Thema schon Guten Morgen, liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte, immer fordern. geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerin- Ganz wichtig ist mir: Ich bin heute Morgen mit einem nen und Zuhörer auf den Tribünen! Ich kann direkt bei Teil der hart arbeitenden Bevölkerung in einem Taxi ge- dem anknüpfen, was Herr Buschmann zu Recht ausge- fahren. führt hat. Er hat davon gesprochen, Klugheit ist bei die- sem Verfahren niemals verboten. Ich fnde, es kommt (Lachen bei Abgeordneten der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3561

Friedrich Straetmanns (A) Ich habe mit dem Taxifahrer einmal darüber gesprochen, Angelegenheit des Parteiengesetzes Ihrem Aufsetzungs- (C) was hier im Parlament vorgeht. Glauben Sie mir: Die Be- wunsch zu entsprechen. Denn diese Art, wie Sie dieses völkerung nimmt das sehr genau wahr, und sie wird auch Parteiengesetz beraten wollen, ist einfach nur dreist, und sehr genau wahrnehmen, mit welchen Verfahrensschrit- sie schadet allen demokratischen Parteien; das müssten ten hier vorgegangen wird. Sie eigentlich wissen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Umso (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wichtiger, dass die Debatte gleich stattfndet! bei der FDP und der LINKEN) Stimmen Sie doch zu!) Deshalb wollen wir heute dieser Aufsetzung widerspre- Wir werden deshalb diese Praxis so nicht mitmachen, chen. und fordern von der Mehrheit ein anderes Verfahren. Meine Damen und Herren, wissen Sie, wie das hier Vielen Dank. läuft? Am Dienstagmittag wird die Aufsetzung angekün- digt. Vorsorgehalber wird schon mal den Journalisten er- (Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie zählt, das sei zwischen allen Fraktionen dieses Hauses bei Abgeordneten der AfD) besprochen, auch wenn man wisse, dass die Oppositi- onsfraktionen wahrscheinlich nicht zustimmen werden. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Für diesen Vorgang wäre eigentlich eine Entschuldigung Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! fällig, meine Damen und Herren. Lassen Sie mich eingangs kurz sagen: Ich fnde, Sie von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der AfD sollten sich schämen bei der FDP und der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, So etwas an so einer Stelle zu streuen, ist einfach infam. bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN) Wir hatten am Dienstagvormittag wie üblich noch gesagt: Wir prüfen das. Wir glauben, wir haben damit für diese Inszenierung hier im Plenum und den Miss- Schwierigkeiten. Wieso eigentlich das Parteiengesetz so brauch dieser furchtbar grausamen Tat, die strafrechtlich kurzfristig aufgesetzt? verfolgt werden muss. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ma- (Jürgen Braun [AfD]: Sie unternehmen nichts chen die Grünen doch auch häufger!) dagegen!) Das ist doch etwas, worüber die Berichterstatter der Frak- (B) Man hat ja gesehen, dass Sie selbst noch einen Moment tionen in der Regel erst einmal im Parlament Gespräche (D) darüber nachdenken mussten, ob das hier angemessen ist; führen. Das alles war ja nicht erfolgt. (Jürgen Braun [AfD]: Sie unternehmen Dienstagmittag aber dann, während der Fraktions- nichts!) sitzung, kam schon der Antrag der Unionsfraktion auf Sachverständigenanhörung im Innenausschuss. Der denn Herr Gauland und Frau Weidel haben ja eine Wei- Gesetzentwurf lag noch nicht einmal vor. Es war nichts le gebraucht, bis auch sie sich dieser Aktionsform ange- bekannt. Aber die Anhörung im Innenausschuss für schlossen haben. Montag nächster Woche war schon auf den Weg ge- (Jürgen Braun [AfD]: Lenken Sie nicht ab, bracht. Ein paar Stunden später dann, am Dienstagabend Frau Haßelmann! Lenken Sie nicht von Ihrem um 19.30 Uhr, ging die Vorlage ein, die Drucksache für Versagen ab!) das Parteiengesetz. Dann, am Mittwochmorgen, wurde gleich mit Mehrheit der Koalitionsfraktionen für Montag Das ist einfach nur ekelhaft, meine Damen und Herren. eine Sachverständigenanhörung angesetzt. Können Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mir mal sagen, wer von Ihnen ernsthaft diesen Gesetz- bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der entwurf beraten will? Innerhalb von vier Tagen mussten LINKEN – Jürgen Braun [AfD]: Menschen- wir eine Sachverständige fnden, die für Montag bereit verachtend!) ist. In zwei Stunden sollen sechs Sachverständige vortra- gen, wie sie diese verfassungsrechtlich schwierige Frage Aber nun zum Verfahren. Meine Damen und Her- beurteilen. Das ist keine seriöse Beratung. ren, was passiert hier heute eigentlich? Auch die etwas schwachen Reden von Herrn Grosse-Brömer und von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Schneider können nicht darüber hinwegtäuschen, und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was?) Das Fass bringen Sie am Ende noch dadurch zum Über- dass Ihnen dieses Verfahren selbst unangenehm ist. Wir laufen, dass Sie klargemacht haben, dass Sie beabsichti- werden der Aufsetzung des Gesetzentwurfes zum Erneu- gen, das Ganze schon in der nächsten Woche in zweiter erbare-Energien-Gesetz zustimmen; denn der Bundesrat und dritter Lesung abzuschließen. Das ist doch einfach nur wird darüber beraten, und das ist eine wichtige und not- dreist. Wie wollen Sie den Menschen draußen einen posi- wendige Sache. Deshalb haben wir sofort Fristverzicht tiven Eindruck über Parteien und Politik vermitteln, wenn erteilt. Was ich aber für unsere Fraktion nicht einsehe, Sie mit so einer Strategie vorgehen? Wissen Sie, da habe ist – was wir in anderen Fällen ganz oft machen –, in der ich ein Déjà-vu. Das Bundesmeldegesetz wurde damals 3562 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Britta Haßelmann (A) zur EM, zur Europameisterschaft, verabschiedet. Da gab Für die Aussprache hatten wir 38 Minuten beschlos- (C) es einen riesigen öfentlichen Aufschrei. sen. Weil wir heute eine sehr lange Tagesordnung haben, bitte ich Sie, schleunigst Ihre Plätze einzunehmen oder (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber die Plätze zu verlassen, damit der erste Redner in Ruhe nicht nachts oder abends, sondern morgens reden kann. um 9 Uhr! Das ist unredlich!) Jetzt beraten wir an dieser Stelle das Parteiengesetz, und Erster Redner in der Debatte: Dr. Stephan Harbarth für nächste Woche, zum WM-Start, – die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kollegin. Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): legen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der – wird das dann kurz durchgewunken. Tenor der medialen Berichterstattung zu einem Gesetz, das Parteien mit besseren Finanzmitteln ausstattet, ist ( [SPD]: Kernzeit!) gewöhnlich einhellig. Umso bemerkenswerter fand ich Dieses Hauruckverfahren schadet allen, und das haben einen kurzen Kommentar, der gestern in der „Frankfurter Sie zu verantworten. Allgemeinen Zeitung“ erschienen ist und aus dem ofen Sympathie für den vorgelegten Gesetzentwurf sprach. So (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heißt es dort: und bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- ten der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/ Was sie an ihnen CSU]: Morgens um 9 Uhr! Das ist eins a lä- – den Parteien – cherlich!) haben, konnten vor allem die Deutschen nie ganz Vizepräsidentin Claudia Roth: verstehen ... Vielleicht tun sie es, wenn sie beob- Vielen Dank, Britta Haßelmann. – Damit sind wir am achten, wie allerorten in Europa „Bewegungen“ im Ende der Geschäftsordnungsdebatte und kommen jetzt Namen der Antipartei einen plebiszitären Führerkult zu den Abstimmungen. pfegen. Wer stimmt für die beantragte Aufsetzung der ersten Um uns den Wert stabiler Parteien vor Augen zu füh- ren, brauchen wir Deutsche den Blick nicht nach außen, (B) Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Parteien- (D) gesetzes und anderer Gesetze auf Drucksache 19/2509? – sondern wir können ihn auch nach innen richten oder, besser gesagt, in die Vergangenheit. Die erste Demokratie (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auf deutschem Boden, die Weimarer Republik, ist auch NEN]: Die SPD hat kein Geld!) an der enormen Schwäche der demokratischen Parteien Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es dann keine zugrunde gegangen. Infolgedessen ist im Grundgesetz mehr . Der Aufsetzungsantrag ist angenommen. Zuge- die Rolle der Parteien bei der politischen Willensbildung stimmt haben CDU/CSU- und SPD-Fraktion, dagegen ausdrücklich festgeschrieben worden. Auf der Grundlage waren Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, die FDP und dieser Regelung haben wir uns für eine staatliche Teilf- die AfD-Fraktion. nanzierung politischer Parteien entschieden. Wer stimmt für die beantragte Aufsetzung der zwei- Unsere Parteienfnanzierung wahrt eine kluge Balan- ten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs zur Än- ce. Wir haben weder eine totale Staatsfnanzierung noch derung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf den einen totalen Staatsrückzug, der die Parteien zum Spiel- Drucksachen 19/1320 und 19/2581? – Wer stimmt da- ball privater Spender und deren Interessen machen wür- gegen? – Enthaltungen? – Keine. Der Aufsetzungsantrag de. ist angenommen. Zugestimmt haben – ich mache es jetzt Bei der letzten Festsetzung der staatlichen Mittel für in geografscher Reihenfolge –: Die Linke, SPD, Bünd- das Jahr 2017 war ein Anspruch aller Parteien von rund nis 90/Die Grünen, CDU/CSU und FDP. Dagegenge- 188 Millionen Euro zu kürzen, weil die Gesamtfnanzie- stimmt hat die AfD. rungssumme die absolute Obergrenze in Höhe von rund Ich rufe jetzt den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 5 161 Millionen Euro nicht überschreiten durfte. Diese ab- auf: solute Obergrenze geht zurück auf ein Urteil des Bun- desverfassungsgerichts aus dem Jahr 1992. Das Bundes- Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ verfassungsgericht hat damals richtigerweise ausgeführt, CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge- dass der Umfang der Staatsfnanzierung sich auf dasje- setzes zur Änderung des Parteiengesetzes und nige beschränken müsse, was zur Aufrechterhaltung der anderer Gesetze Funktionsfähigkeit der Parteien unerlässlich sei. Gleich- Drucksache 19/2509 zeitig hat das Bundesverfassungsgericht in seinem dama- ligen Urteil klar unterstrichen, dass eine Erhöhung der Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Obergrenze möglich ist, wenn die bestehenden Verhält- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz nisse eine – Zitat – „einschneidende Veränderung“ erfah- Haushaltsausschuss gemäß § 96 der GO ren. Diese absolute Obergrenze ist seit 1992 mehrfach Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3563

Dr. Stephan Harbarth (A) und zuletzt durch ein Gesetz aus dem Jahr 2011 ange- obskures Finanzierungsnetzwerk. Aber auch dem werden (C) hoben worden. Seit 2013 erfolgt ein Infationsausgleich wir uns in dieser Legislaturperiode noch widmen. gemäß dem Preisindex der für eine Partei typischen Aus- gaben. Wenn wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) die absolute Obergrenze von derzeit 165 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro anheben, werden die Grundsät- Nach unserer Überzeugung rechtfertigen vor allem ze der Parteienfnanzierung nicht infrage gestellt. Es gibt zwei Entwicklungen eine Anhebung der Obergrenze. keinen Systemwechsel, es bleibt bei der Teilfnanzierung. Zum einen betrift das die Digitalisierung der Kommu- Allen in der Opposition, die sich über diese Erhöhung nikation. In den sozialen Medien hat sich eine Vielzahl empören, will ich sagen: Gesetze zur Parteienfnanzie- neuer Foren entwickelt, in denen die Parteien präsent rung gehören einer ganz besonderen Kategorie an. sein müssen und die hohe Einstiegs- und Betriebsin- vestitionen erfordern. Die Dauer der durchschnittlichen (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- täglichen Nutzung sozialer Medien hat sich im letzten NEN]: Ja!) Jahrzehnt um rund 50 Prozent erhöht. Die Anzahl der Keine anderen Gesetze lösen bei der Opposition so viel monatlich aktiven Nutzer, etwa bei Facebook, hat sich Entrüstung aus seit 2011 verdreifacht. Die Anzahl der monatlich aktiven Nutzer bei Twitter hat sich ebenfalls verdreifacht. Der (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- durchschnittliche Upload von Videomaterial pro Minute NEN]: Wieso haben Sie eigentlich nicht mit bei YouTube hat sich im selben Zeitraum verzehnfacht. uns gesprochen?) Ich glaube, die wenigsten von uns hatten im Jahr 2011, als die letzte Reform beschlossen wurde, bereits etwas und fnden doch zugleich bei vielen in der Opposition so von Instagram oder Snapchat gehört. Trotz ihrer rasant viel Zustimmung in der Sache. wachsenden Bedeutung haben das Internet und die sozi- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – alen Medien die klassischen Medien und die bewährten Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Kommunikationsmittel im politischen Informationsfuss NEN]: Nee, nee, mit der Linie kommen Sie nicht verdrängt. Parteien müssen deshalb im Wesentli- nicht durch! Damit kommen Sie nicht durch!) chen eine kostenintensive Doppelstruktur unterhalten. Sie haben uns vorgeworfen, diese Debatte sei uns un- Zum anderen treten neue Formen der innerparteilichen angenehm. Ich sage Ihnen: Vielen in der Opposition ist Partizipation hinzu: Mitgliederbefragungen, Mitglieder- der Inhalt unseres Gesetzentwurfs jedenfalls nicht unan- parteitage, Mitgliederforen oder Beteiligungsformate für (B) genehm. Bürger, die noch nicht Mitglied einer Partei sind. Die in- (D) nerparteiliche Willensbildung und die Kommunikation (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) stehen heute auf einer sehr viel breiteren Grundlage als Ich folgere dies aus dem Umstand, dass all die Geset- noch vor einem Jahrzehnt. ze zur Parteienfnanzierung, die in den vergangenen All dies rechtfertigt in unseren Augen eine maßvolle Jahrzehnten immer wieder bekämpft wurden, nach Re- Anhebung der absoluten Obergrenze. Wir werden zu- gierungswechseln nie rückgängig gemacht wurden. Ich gleich die Staatsleistungen für Wahlkreisbewerber nach prognostiziere Ihnen auch heute: Diejenigen Parteien, die dem Bundeswahlgesetz, aber auch für politische Verei- sich hier entrüsten, werden dann, wenn sie eines Tages nigungen im Rahmen von Europawahlen entsprechend politische Verantwortung in unserem Land übernehmen, anpassen. das, was der Deutsche Bundestag im Jahr 2018 beschlie- ßen wird, nicht rückgängig machen. Ich möchte abschließend noch einmal auf jenen ein- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – gangs zitierten Kommentar aus der „Frankfurter Allge- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: meinen Zeitung“ zurückkommen. Er endet mit den Wor- Das ist doch scheinheilig!) ten: An die Adresse der AfD: Dass Sie kein Interesse an Geld allein wird Parteien nicht besser machen. Aber einer staatlichen Teilfnanzierung haben, liegt auf der kein Geld dieser Welt kann sie aufwiegen. Hand. Sie lassen Ihren Wahlkampf zu einem nicht unwe- sentlichen Teil von anonymen Gönnern fnanzieren. Dem ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Herzlichen Dank. Jürgen Braun [AfD]: Das sind Fake News von Ihnen, Herr Harbarth! – Weiterer Zuruf von (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- der AfD: Das ist doch Unsinn!) ordneten der SPD) Diese geben Millionen von Euro in einen Verein, der sich – tatsächlich so formuliert – „Verein zur Erhaltung Vizepräsidentin Claudia Roth: der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheit“ nennt Vielen Dank, Dr. Harbarth. – Nächster Redner: und von dem niemand weiß, welche Interessen dahin- Thomas Seitz für die AfD-Fraktion. terstehen oder welche Ziele er verfolgt. Sie geißeln die staatliche Parteienfnanzierung und kultivieren selbst ein (Beifall bei der AfD) 3564 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

(A) Thomas Seitz (AfD): Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen (C) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen der Parteienfnanzierung auf Drucksache 14/6710 vom und Herren Kollegen! Die AfD sollte den Antragstellern 19. Juli 2001. eigentlich dankbar sein. Denn Union und SPD treiben (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die uns heute jede Menge neue Wähler zu, die sich von Ihnen ist ja 17 Jahre alt!) mit Grausen abwenden. Die Koalition möchte mit die- sem Gesetzentwurf die absolute Obergrenze für die staat- Dort können Sie nachlesen, dass die Obergrenze von liche Teilfnanzierung trotz der seit 2013 bewährten In- 1995 bis 1997 sogar um 40 Prozent und in den Jahren ab dexierung zusätzlich erhöhen: von 165 Millionen Euro in 1999 immer noch um mehr als ein Drittel überschritten diesem Jahr auf satte 190 Millionen Euro im Jahre 2019. wurde. Dies wurde zwar von den Sachverständigen als Die weiteren vorgesehenen Änderungen sind nichts als intransparent beanstandet, aber nicht etwa mit dem Vor- reine Nebelkerzen. schlag einer Erhöhung der absoluten Obergrenze beant- wortet, vielmehr wurde verlangt, die Zuwendungen für (Beifall bei der AfD) die einzelnen erzielten Stimmen herabzusetzen. Die höchste Veränderungsrate des Parteienindex lag Im Parteienfnanzierungsurteil von 1992 – unver- in den letzten fünf Jahren bei 2,28 Prozent. Eine Steige- ändert gültig – hat das Bundesverfassungsgericht die rung um 15 Prozent in einem Jahr ist damit eine durch Staatsfreiheit der Parteien verlangt und dazu ausgeführt: nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigende Erhöhung um mehr als das 6,5-Fache einer regulären Anpassung an Die Parteien müssen nicht nur politisch, sondern die Preisentwicklung. auch wirtschaftlich und organisatorisch auf die Zustimmung und Unterstützung der Bürger ange- (Beifall bei der AfD) wiesen bleiben. Durch öfentliche Mittel darf den Im Vergleich dazu müsste die IG Metall anstatt der üb- einzelnen Parteien daher das Risiko des Fehlschla- lichen Forderung von 6 Prozent Lohnerhöhung einmal gens ihrer Bemühungen um eine hinreichende Un- eine Forderung von fetten 40 Prozent erheben. terstützung in der Wählerschaft nicht abgenommen werden. (Heiterkeit der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD] Meine Prognose lautet: Im nächsten Urteil des Bun- Nur: Einen Gewerkschaftsfunktionär, der so wahnsinnig desverfassungsgerichts wird stehen, dass vom Wähler ist, gibt es in Deutschland einfach nicht. abgestrafte Parteien, wie hier in der „Großkotz“ versam- melt, die fnanziellen Folgen selber tragen müssen und (B) (Zuruf von der AfD: Zum Glück!) sich nicht durch eine maßlose Erhöhung der Gesamtmit- (D) Bei der SPD liegen die Dinge anscheinend aber ganz an- tel auf Kosten des Steuerzahlers sanieren dürfen. ders. Da sind die Kassen leer. Da gönnt man sich jetzt (Beifall bei der AfD) nicht nur einen großen Schluck aus der sprichwörtlichen Pulle, sondern will auch gleich das ganze Fass klauen. Liebe Kollegen von Union und SPD hier im Hause, bitte machen Sie sich ehrlich! Sagen Sie den Wählern, (Beifall bei der AfD) worum es wirklich geht! Es geht darum, dass die soge- Die Begründung für dieses schlichtweg unverschämte nannte GroKo in Wahrheit eine gar nicht mehr so große Ansinnen ist nur ein schlechter Witz. Da lesen wir: Digi- Koalition ist. Es geht nicht darum, dass der Kuchen zu talisierung der Kommunikationswege und Medien, Inter- klein wäre, sondern darum, dass aufgrund Ihrer schlech- netauftritte und Social-Media-Plattformen. Das zählt die ten Politik Ihre Stücke vom Kuchen jeden Tag kleiner Koalition tatsächlich auf, um diesen Grif in den Geld- werden. beutel des Steuerzahlers – dazu gehören auch integrier- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) te Migranten, die hier arbeiten und Steuern zahlen – zu rechtfertigen. Hat man denn in Ihrem Elfenbeinturm der Sie machen Politik gegen das deutsche Volk und wollen Arroganz und Borniertheit eigentlich schon einmal be- ihm dann auch noch das Geld aus der Tasche ziehen, um merkt, dass es in der nicht am Subventionstropf des Steu- Ihre Politik auf Facebook und Twitter von überteuerten erzahlers hängenden Welt auch Wirtschaftsunternehmen Mediensöldnern als Wohltat verkaufen zu lassen. geben soll, die aufgrund der Möglichkeiten der digitalen Welt Kosten einsparen und gerade nicht mehr Geld aus- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) geben? Die Folge Ihrer Selbstbedienungsmentalität ist aber eine Sie jammern weiter darüber, dass im Anspruchs- weiter steigende Politikverdrossenheit. jahr 2017 aufgrund der Auswirkungen der absoluten Obergrenze von rund 162 Millionen Euro die rechneri- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Und schen Ansprüche von knapp 189 Millionen Euro nicht Sie fnanzieren sich aus dubiosen Quellen!) erfüllt werden konnten. Die rechnerischen Ansprüche Nochmals das Bundesverfassungsgericht: überstiegen die Obergrenze also um knapp 17 Prozent. Was sich nach Handlungsbedarf anhört, ist allerdings nur Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien billige Rosstäuscherei. Werfen Sie zum Beispiel einen „bedienten“ sich aus der Staatskasse, so führte dies Blick in die Unterrichtung des Bundestages durch die notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3565

Thomas Seitz (A) und würde letztlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, richtungen und Infrastrukturen geht. So sehen es das (C) die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufga- Grundgesetz und unser Parteiengesetz nun mal vor. ben zu erfüllen. Diese vielfältigen gesellschaftlichen Interessen sind (Zuruf von der AfD: Längst geschehen!) für mich und die SPD niemals zu klein oder zu unbedeu- Einer Überweisung dieses Antrags an den Innenaus- tend. Jedes Anliegen verdient eine Würdigung und – viel schuss stimmen wir zu. Inhaltlich rufen wir Ihnen jetzt wichtiger – eine Positionierung einer jeden Partei, damit und auch dann, wenn in Russland schon Fußball gespielt sich die Menschen im Land bei der nächsten Wahl sicher wird, aber ganz klar und laut zu: Nein! sein können, wer sie vertritt und wer nicht und wer die- sen Ort für schäbige Instrumentalisierungen missbraucht. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg. Dr. [AfD]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Nächster Redner für die SPD-Fraktion: Mahmut Nicht jede gesellschaftliche Bewegung oder Nachbar- Özdemir. schaft organisiert sich heutzutage ausschließlich durch Flugblätter oder Zeitungsanzeigen. Im Gegenteil: Die (Beifall bei der SPD) Rahmenbedingungen der Öfentlichkeitsarbeit von Par- teien und die Parteienlandschaft haben sich insgesamt Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD): verändert. Die Wählerinnen und Wähler erwarten ebenso Herr Seitz, ich fasse Ihre Rede mal zusammen: Sie wie die Mitglieder der Parteien, dass die Parteien die per- haben an der staatlichen Parteienfnanzierung überhaupt sönlichen Verhaltensweisen der Menschen in Bezug auf kein Interesse, weil die AfD aufgrund von Goldgeschäf- Informationsbeschafung und Meinungsbildung spiegel- ten und russischen Kofnanzierungen anscheinend zufrie- bildlich in ihre Arbeitsweisen einbringen. den ist. Das Flugblatt auf dem Wochenmarkt muss dabei ge- (Zurufe von der AfD: Oh!) nauso respektiert werden wie das Angebot der Willens- Als Nächstes fordern Sie wahrscheinlich auch noch die bildung über Twitter, Instagram, Facebook – von Whats- Abschafung der Rechenschaftsberichte hier beim Bun- App-Gruppen, Messenger-Diensten und Apps ganz zu destagspräsidium. Das ist schäbig. schweigen. Die Parteien sind daher verpfichtet, sich auf diese Begehren im Rahmen der politischen Willensbil- (Beifall bei der SPD – Lachen bei der AfD – dung einzulassen. Nicht nur die Umstellung auf die di- Thomas Seitz [AfD]: Zur Sache!) gitale Welt treibt hier die Kosten, sondern auch das Vor- (B) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen halten paralleler Strukturen, indem man die Druckerei im (D) und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keller genauso wie den Newsroom direkt bei der Frakti- Unsere Demokratie lebt davon, dass sich die Menschen on vorhalten muss. im Land in Vereinigungen zusammenschließen und Zur Erfüllung dieser Anforderungen ist es unerläss- Mehrheiten hinter ihren Forderungen versammeln. lich, mit dem Anspruch voranzugehen, eine vorbildliche (Jürgen Braun [AfD]: Sie betreiben illegale Einhaltung des Datenschutzes zugunsten der Betrofenen Medien! Die SPD ist ein illegaler Medienkon- sicherzustellen. Dasselbe gilt für den Schutz von Daten zern! Nichts anderes!) vor unberechtigtem Zugrif bei den Parteien. Dies setzt eine angemessene Technik voraus, und eben deren Be- Das Grundgesetz gibt einer Vereinigung – den politi- trieb und Pfege dürfen keineswegs Kostenzwängen un- schen Parteien – in seinem Artikel 21 die Aufgabe, bei terworfen werden. der Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Es ist zu- vörderst die Pficht der Parteien, ihre Arbeitsweise und Jüngste Hackerangrife zeigen uns, dass sich die Fein- öfentlichen Verlautbarungen auf dieses Ziel auszurich- de der Demokratie schon längst digital formiert haben. ten. Folglich ist eine staatliche Beobachtung bis hin zum Wir müssen die Parteien schnellstens ertüchtigen, diesen Verbot, aber auch eine Finanzierung von Parteien durch Feinden Paroli zu bieten. den Staat zur Erfüllung des Verfassungsauftrages richtig und notwendig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen der Abg. Dr. Alice Zu Recht hat daher das Bundesverfassungsgericht an Weidel [AfD]) der hier gegenständlichen Erhöhung der absoluten Gren- ze hohe Begründungserfordernisse geknüpft. Parteien Daneben gibt es eine Fülle von direktdemokratischen müssen neue gesellschaftliche Bewegungen aufnehmen. Entwicklungen, die zu begrüßen ist. Parteien müssen deshalb in der Lage sein, auch bei diesen Entscheidun- Die Nachbarschaft, die sich gegen ein Bauvorhaben gen mitzuwirken und sich an den Verfahren zu beteiligen, wenden möchte, braucht eine Partei, die sich ihres An- ohne die Verfahrensführung zu beanspruchen. liegens annimmt. Die Bürgerinitiative, die den Erhalt des Freibades fordert, muss sich in diesem Land einer Partei Das Begehren von Nichtmitgliedern, auch an der Wil- versichert wissen, die sie dabei unterstützt, anschließend lensbildung einer Partei teilzuhaben, ist für die Parteien im Stadtrat bei der konkreten Entscheidung die Hand eine große Chance, gleichsam das Vertrauen in die Par- hebt und sich gleichsam im Bundestag für Fördergelder teien zu stärken, ohne den Wert ihrer eigenen Mitglied- einsetzt, wenn es um den Erhalt der kommunalen Ein- schaft dabei herabzusetzen. 3566 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Mahmut Özdemir (Duisburg) (A) Alleine diese Aufgaben zu erfüllen und die neuen Dr. Hermann Otto Solms (FDP): (C) Schwierigkeiten und Herausforderungen zu meistern, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegin- rechtfertigen schon die staatliche Finanzierung von Par- nen und Kollegen! Der Kollege Marco Buschmann hat teien und folgerichtig erst recht den Mehrbedarf. Dieser schon darauf hingewiesen, dass dies ein sehr ungewöhn- Mehrbedarf ist nicht willkürlich, sondern maßvoll be- liches Verfahren ist. Ich kann das bestätigen: Ich bin seit gründet. Seit 2011 wurden die Höchstgrenzen schließlich 1987 wiederholt Schatzmeister meiner Partei gewesen nicht angehoben. und bin es auch heute. In dieser Zeit hat es ein solches Das Parteiengesetz hat eine mittelbezogene Grenze Verfahren nicht gegeben. Wir haben über eine Änderung und eine parteibezogene Grenze. Keiner Partei werden des Parteiengesetzes zwischen den Parteien immer vor- mehr staatliche Mittel gewährt, als sie selber tatsächlich bereitend gesprochen. erwirtschaftet hat. Entsprechend dieser Grenze hätten alle (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Parteien bei Ausschöpfung einen gesetzlichen Anspruch des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) von tatsächlich 188 Millionen Euro gehabt. Dem liegen – bei allen Parteien, wohlgemerkt – 300 Millionen Euro an Der zweite Punkt, meine sehr verehrten Damen und selbst erwirtschafteten Mitteln zugrunde. Gleichzeitig Herren: Wir als FDP-Fraktion werden der Überwei- steht allen Parteien – allen Parteien! – gemeinsam nicht sung in den Ausschuss zustimmen, weil wir immer noch mehr zu, als ihnen die mittelbezogene Grenze absolut die Hofnung haben, dass die Koalitionsfraktionen zur gedeckelt gewährt. Diese beträgt für das Jahr 2018 im Vernunft kommen und sich einer breiteren Diskussion Übrigen 165 Millionen Euro. über das Parteiengesetz öfnen; denn das Parteiengesetz braucht eine totale Renovierung und Erneuerung. Das heißt – verständlich für alle –: Innerhalb des ge- setzlichen Aufbaus übertrift die relative, parteibezogene Ich möchte nur ein paar Stichworte nennen: Umgang Grenze, gemessen an den Beträgen, die absolute Grenze. mit Mikrospenden, die heute sehr verwaltungsaufwendig Umgangssprachlich formuliert bedeutet das: Es ist nicht sind; Überprüfung der bestehenden Transparenzregelun- genug Geld im Topf, um die Ansprüche der Parteien zu gen, beispielsweise auch Klarstellung und Veröfentli- bedienen, da sie auch Eigenmittel erwirtschaftet haben. chung von Sponsoring-Einnahmen der Parteien, die ja Deshalb wurden allen Parteien in den letzten Jahren die sowieso öfentlich sind, oder einfach viele Fragen zur Ansprüche gleich gerecht durch die absolute Grenze ge- Vereinfachung, mit denen heute die vielfältig ehrenamt- kappt. Folglich wurden seit 2011 jährlich jeweils etwa lich tätigen Schatzmeister überfordert sind und die auch 30 Millionen Euro nicht zur Auszahlung gebracht. In die Bundestagsverwaltung vor teilweise unlösbare Pro- diesem Aufbau der Parteienfnanzierung sehe ich eine bleme stellt. wechselseitige Verantwortungs- und Treuebekundung (B) (D) des deutschen Staates gegenüber den Parteien. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die SPD-Bundestagsfraktion sieht es daher als ver- hältnismäßige Lösung an, die absolute Höchstgrenze für Eine Änderung ist hier dringend erforderlich. Das bedarf alle Parteien im Land vertretbar auf den tatsächlich be- aber auch mehr Zeit. Das geht natürlich nicht, wenn das stehenden Bedarf von aufgerundet 190 Millionen Euro Gesetz in der nächsten Woche verabschiedet werden soll. anzuheben, der den Parteien rechnerisch zusteht. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, was ist denn (Beifall bei der SPD) der Sinn der staatlichen Teilfnanzierung? Sie soll die Verankerung der Parteien in der Bevölkerung und die Die Selbstfnanzierung der Parteien bleibt davon unbe- Zustimmung der Wähler für die Parteien zum Ausdruck rührt. bringen. Deswegen gibt es einen Zuschlag für jede Wäh- Parteien haben den verfassungsgemäßen Auftrag, al- lerstimme, und deswegen gibt es einen Zuschlag für för- len Menschen im Land, analog und digital, Stadt und derungsfähige Spenden und Beiträge an die Parteien. Land, deutscher Staatsbürger oder nicht deutscher Staats- Das heißt, wenn die Einnahmen aufgrund dieses Ge- bürger, als Verfassungsorgan und als Chance zu dienen setzes sinken, dann ist das ein Zeichen, dass die Parteien und so Mehrheiten für die Sache zu gewinnen. Deshalb Vertrauen und Zustimmung in der Bevölkerung verloren ist aus meiner Sicht jeder Cent, den wir in die Parteienf- haben. Deswegen ist es auch richtig, dass sie dann weni- nanzierung investieren, ein Cent in die Demokratieförde- ger Geld aus staatlichen Kassen bekommen. rung unseres Landes. (Lachen bei Abgeordneten der AfD) (Beifall bei der FDP) Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Sie können sich nicht darüber beklagen, dass Sie jetzt mit Ihrem Geld nicht zurechtkommen. Damit hätten Sie (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rechnen müssen. der CDU/CSU) Ich erinnere an das Jahr 2013: Die FDP ist aus dem Bundestag ausgeschieden, Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Mahmut Özdemir. – Nächster Redner: (Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Zu Recht!) Dr. Hermann Otto Solms für die Fraktion der FDP. und wir standen vor tiefgreifenden, auch fnanziellen (Beifall bei der FDP) Problemen. Aber wir haben nicht gefragt: „Wer kann uns Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3567

Dr. Hermann Otto Solms (A) helfen? Sollte die Gesetzgebung geändert werden?“, son- Ich will es ganz deutlich sagen: Das gesamte Verfah- (C) dern wir haben gesagt: Wir schafen das selber. ren ist eine einzige Provokation. Wir haben unsere Ausgaben um 40 Prozent gesenkt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Was aber noch wichtiger ist: Wir haben uns neu aufge- neten der AfD) stellt. Wir haben eine bessere Politik gemacht und sind Bisher galt der Grundsatz, dass in Angelegenheiten der bei der letzten Bundestagswahl dafür belohnt worden. Parteienfnanzierung in der informellen Runde der Parla- (Beifall bei der FDP) mentarischen Geschäftsführung dies in Ruhe vorbespro- chen und nach außen transparent beraten werden kann. Und was haben die Koalitionsfraktionen gemacht? Sie (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie wa- sind in der letzten Legislaturperiode im Geld geschwom- ren doch gar nicht dabei bei dieser Runde!) men. Sie waren sogar Nutznießer des Ausscheidens der FDP, weil sie dadurch höhere Zuschläge bekommen ha- Das Verfahren haben Sie von der CDU/CSU und SPD ben. Wie sind sie mit dem Geld umgegangen? Sie sind ohne Not aufgegeben, und Sie agieren hier mit der Ar- damit nicht zurechtgekommen, bis heute nicht. roganz der Macht. Das will ich Ihnen so deutlich sagen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wieso (Beifall bei der LINKEN) nicht?) Unsere Fraktion und unserem Parlamentarischen Ge- schäftsführer ist erst nach der sehr späten abendlichen Das Gleiche, was für die Parteien gilt, gilt ja auch für Vorlage des Gesetzentwurfs die volle Tragweite Ihres den staatlichen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler. Vorhabens bekannt geworden. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Er AfD) wurde Dienstagmorgen informiert, und Sie waren gar nicht dabei! Wovon reden Sie Sie haben ungeheure Steuereinnahmen erzielt und die- denn? – Gegenruf des Abg. Matthias W. se durch falsche Konsumausgaben verprasst. Deswegen Birkwald [DIE LINKE]: Darum geht es doch kommen Sie immer wieder mit dem Geld nicht zurecht. gar nicht!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten – Der getretene Hund bellt. Sie wissen das. – Das ist ein der AfD – [CDU/CSU]: gutes Beispiel dafür, dass sogenannte Große Koalitionen Von was reden Sie denn eigentlich gerade? – der Demokratie abträglich sind. Die Macht wird genutzt, (B) Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist um unliebsamen Diskussionen im Vorfeld aus dem Weg (D) jetzt aber nicht Mehrheitsmeinung!) zu gehen. Machen Sie bessere Politik! Dann bekommen Sie auch (Beifall bei der LINKEN) wieder mehr Zustimmung, und dann werden Sie Ihre Fi- nanzprobleme lösen. Aber von diesem Zusammenhang Bei Ihnen gilt das Prinzip „Wir machen es, weil wir es dürfen wir auf gar keinen Fall abgehen. Ich kann Ihnen machen können“. Verantwortung gegenüber der demo- das nur empfehlen. Das ist die einzige Möglichkeit. kratischen Gesellschaft sieht anders aus. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Die FDP wird jedenfalls in der Sache der Erhöhung neten der AfD, der FDP und des BÜNDNIS- der absoluten Obergrenze nicht zustimmen. Wir sind SES 90/DIE GRÜNEN) stark genug, uns selbst zu helfen, und brauchen diese zu- sätzliche Unterstützung nicht. Haben Sie sich überhaupt Gedanken gemacht, wie das da draußen ankommt? Sie beabsichtigen, den Betrag der Vielen Dank. staatlichen Parteienfnanzierung von zurzeit 165 Millio- nen Euro ab 2019 auf 190 Millionen Euro anzuheben. (Beifall bei der FDP und der AfD) Die Vorredner haben es angesprochen. Das kritisieren wir, nicht weil wir den grundgesetz- Vizepräsidentin Claudia Roth: lichen Auftrag der staatlichen Unterstützung der Partei- Vielen Dank, Dr. Solms. – Nächster Redner: Friedrich en infrage stellen, sondern weil es hier um Steuermittel Straetmanns für die Fraktion Die Linke. geht. Da hier das Parlament selbst entscheidet, stehen wir als Abgeordnete bei unseren Wählerinnen und Wählern – (Beifall bei der LINKEN) auch ich in Bielefeld – immer in der Pficht der Rechtfer- tigung und Begründung. Friedrich Straetmanns (DIE LINKE): (Beifall bei der LINKEN) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- Bei der Höhe von Sozialleistungen und Altersrenten nen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zu- legen Sie eine enorme Zurückhaltung an den Tag. Da hörer! Heute beraten wir den Gesetzentwurf von CDU/ könnte man doch wohl erwarten, dass Sie dies auch bei CSU und SPD zur Änderung des Parteiengesetzes, der der Parteienfnanzierung tun. ganz kurzfristig auf der Tagesordnung gelandet ist. Ich verweise auf die Geschäftsordnungsdebatte. (Beifall bei der LINKEN) 3568 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Friedrich Straetmanns (A) Genau das tun Sie aber nicht. Das ist eine politische Un- ich weiß, dass wir uns in unserer Fraktion – jede und je- (C) verschämtheit – um das deutlich zu sagen. der Einzelne von uns – so bemühen, dass das Ansehen von Parteien, dass die Arbeit von Politikerinnen und Po- Als Grund für die Steigerung nennen Sie die Anfor- litikern nicht so durch den Kakao gezogen wird, sondern derungen der Digitalisierung. Nach diesem Vorgehen dass das Ansehen demokratischer Parteien in dieser le- nimmt Ihnen das da draußen doch keiner mehr ab. Man bendigen Demokratie gut und wichtig und richtig ist – könnte diesen Entwurf auch ein Gesetz zur Steigerung dafür streiten wir, jeder Einzelne von uns, in den Wahl- der Politikverdrossenheit nennen. kreisen und hier im Parlament –, ärgert es mich so und (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abge- fnde ich es unmöglich, welches Verfahren Sie für dieses ordneten der AfD und des Abg. Dr. Anton Parteiengesetz an den Tag legen. Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dass Sie mich nicht falsch verstehen: Wenn man über sowie bei Abgeordneten der FDP und der LIN- Parteienfnanzierung spricht, müssen auch die Partei- KEN) spenden auf den Tisch und transparent gemacht werden. Das Verfahren, das Sie hier machen, ist einfach dreist. (Beifall bei der LINKEN) Sie schaden damit dem Ansehen der Parteien insgesamt und das ist ja das Schlimme. Nur dann können wir unseren Wählerinnen und Wählern über unser Tun und Handeln hier in Berlin ofen und ehr- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn lich Rechenschaft ablegen, ohne uns schämen zu müs- man keine rechtlichen Argumente hat, muss sen. Ich fühle mich da sehr in der Pficht. Wir fordern als man moralisch werden!) Partei seit langem nicht nur mehr Transparenz, sondern Sie beide, CDU/CSU und SPD, tragen die Verantwortung auch ein Verbot von Firmen- und Verbandsspenden an für dieses Verfahren. Aber letztlich trift die negative Be- Parteien. wertung im Kern alle demokratischen Parteien. Ich bin so (Beifall bei der LINKEN) sauer auf Sie, weil Sie es eigentlich hätten wissen müs- sen. Um noch ein paar Dinge deutlich und klar beim Na- men zu nennen – Herr Grosse-Brömer, Sie dürfen durch- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Keine aus aufpassen –: Im Jahr 2016 fossen von den größten rechtlichen Argumente! Deshalb muss man sechs Unternehmensspendern 2,4 Millionen Euro an die moralisieren!) Parteien, darunter über 300 000 Euro von der Deutschen Sie tun es, weil Sie denken, dass Sie es mit der Mehrheit Vermögensberatung AG und einer ihrer Tochterfrmen. einer Großen Koalition einfach durchkriegen. So ein Vor- (B) Hauptempfängerin war Ihre CDU, Herr Grosse-Brömer. (D) gang ist nur in Zeiten einer Großen Koalition möglich, Ein windiger und undurchsichtiger Strukturvertrieb – meine Damen und Herren. wohlgemerkt: die Deutsche Vermögensberatung AG –, der nach der Wende im Osten die Leute ausgenommen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat, teilt hier wahrscheinlich Provisionen aus. Wir, Die und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Linke, dagegen haben eine klare Beschlusslage, nach der der FDP) wir solche Spenden nicht annehmen. Damit sind wir un- abhängig und handeln gegenüber Konzernen auch deut- Auch das ist ein Beleg für mich, dass die parlamenta- lich unabhängig. rische Zusammensetzung dringend geändert werden muss. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt zum Kern. Die Botschaft, die hier mitschwingt, Ich möchte nun die Gelegenheit nutzen, noch einmal lautet: Die Oppositionsfraktionen ruhen sich aus. Wir an Sie zu appellieren: Beenden Sie dieses beschleunigte große Volksparteien müssen die Karre immer aus dem Verfahren! Lassen Sie Ruhe einkehren! Wir haben hier Dreck ziehen. Wir müssen für die Erhöhung kämpfen, viele Beiträge gehört. Lassen Sie uns in Ruhe darüber und dann proftieren doch alle davon. – Soll ich Ihnen reden! Im Übrigen grüße ich alle Delegierten und Gäste mal was sagen? Mit dieser Nummer kommen Sie hier unseres Bundesparteitages in Leipzig. nicht durch. 2011 hatten wir die Obergrenze und die Dy- namisierung beschlossen, meine Damen und Herren. Sie (Beifall bei der LINKEN) hätten sich vorher einmal ein bisschen erkundigen sollen, Herr Harbarth und der Redner von der SPD. 2011 haben Vizepräsidentin Claudia Roth: FDP, Union, Grüne und auch die SPD zusammen genau Den Gruß können sie wahrscheinlich gebrauchen. dieses Prinzip der Parteienfnanzierung hier im Deut- Danke, Herr Straetmanns. – Nächste Rednerin: Britta schen Bundestag beschlossen. Haßelmann für Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie bei Abgeordneten der FDP) Wir haben gesagt: Wir stehen dazu nach den verfas- Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sungsrechtlichen Entscheidungen, die erfolgt waren. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- Und das Bundesverfassungsgericht hat genau auf diese nen und Kollegen! Gerade weil ich eine so überzeugte Problematik hingewiesen: dass die Gefahr besteht, dass Parlamentarierin und Demokratin bin und gerade weil das Ansehen der Parteien schlecht ist, weil der Eindruck Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3569

Britta Haßelmann (A) entsteht, es passiere etwas nicht Transparentes, Parteien Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) würden sich bedienen. Deshalb waren wir durch den ver- Mit der Nummer kommen Sie nicht durch. Es ist ein- fassungsrechtlichen Rahmen gehalten, zu sagen: so viel fach nur dreist, was Sie sich hier leisten. Transparenz wie möglich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Und das Bundesverfassungsgericht hat genau auf diese und bei der LINKEN) Problematik hingewiesen: dass die Gefahr besteht, dass das Ansehen der Parteien schlecht ist, weil der Eindruck Vizepräsidentin Claudia Roth: entsteht, es passiere etwas nicht Transparentes, Parteien Vielen Dank, Britta Haßelmann. – Der letzte Redner würden sich bedienen. Deshalb waren wir durch den ver- in der Debatte: Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion, fassungsrechtlichen Rahmen gehalten, zu sagen: So viel Augsburg. Transparenz wie möglich. (Beifall bei der CDU/CSU) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Des- halb auch diese Debatte!) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Damals haben die Fraktionen gemeinsam gesagt: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Dann legen wir eine Obergrenze fest; diese Obergrenze Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss der Debatte bit- ist dynamisch, indem sie an einen Index gekoppelt wird; te noch einmal die Sachlage korrekt einordnen. das heißt, die Summe steigt jährlich – um das auch mal zu sagen. Und sie haben gesagt: Das machen wir gemein- Zunächst einmal ist zu sagen, dass die Parteien nach sam, weil wir gemeinsam für die Bedeutung der Parteien Artikel 21 des Grundgesetzes einen verfassungsmäßigen in unserer lebendigen Demokratie kämpfen. Auftrag haben, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Meine Damen und Herren, mit Ihrer Vorgehenswei- se, mit Ihrer Initiative rahmen Sie das alles ein; und das (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist macht mich so fassungslos. es!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aus diesem Auftrag heraus haben wir, wie ich meine, ein sowie bei Abgeordneten der FDP und der LIN- sehr kluges System der Parteienfnanzierung etabliert, wel- KEN) ches zum einen auf einer staatlichen Teilfnanzierung fußt und zum anderen auf der Beibringung der Mittel durch die Wie weit wollen Sie eigentlich noch runtergehen, ver- Parteien über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Im Rahmen dammt noch mal? Können Sie in so einer Situation nicht dieser Parteienfnanzierung gibt es übrigens eine doppelte (B) einfach mal sagen: „So was beraten wir gemeinsam“? Grenze: Die Zuwendungen der Parteien können staatli- (D) Das schlägt dem Fass ja den Boden aus, meine Da- cherseits nur so hoch sein, wie die Parteien selbst Eigen- men und Herren: 2015 haben die Koalitionsfraktionen mittel erwirtschafteten, und die Gesamtsumme für die Par- den Zuwendungsanteil der staatlichen Mittel pro Stimme teien darf eine Obergrenze nicht übersteigen. erhöhen wollen, und zwar um 20 Prozent. Das haben sie Dieses System führt dazu, dass zum einen eine zu star- ja dann auch mit ihrer Mehrheit getan. Wissen Sie, was ke Abhängigkeit der Parteien von großen Spendern und die Begründung für die Erhöhung um 20 Prozent war, damit von Monostrukturen verhindert wird, und es wahrt als es Kritik gab? „Wir haben doch die Obergrenze. Kei- auf der anderen Seite auch die Chancengleichheit der ne Sorge, die Summe steigt nicht.“ Also auch in sich ein Parteien bei der Wahrnehmung ihres verfassungsgemä- wirklich problematischer Vorgang, meine Damen und ßen Auftrags, weil die Parteien Gelder auch entsprechend Herren. der Anzahl ihrer jeweiligen Wählerstimmen bekommen. Und dann – das sage ich Ihnen auch noch mal; das Wir wollen an diesem bewährten System festhalten, nehme ich Ihnen wirklich übel –: Ich habe mit Einzelnen weil es dazu geführt hat, dass wir eine stabile demokra- von Ihnen – ich spreche sie jetzt hier nicht persönlich tische Kultur haben und sich unsere Parteienlandschaft an – in den letzten Wochen geredet, als es nämlich um so etabliert hat, dass wir seit über 70 Jahren eine starke die skandalösen, dubiosen Finanzierungsvorgänge der Demokratie haben. Ich glaube, es ist wert, dass wir auch AfD ging. Ich habe Einzelne aus Ihren Fraktionen ange- das heute mal betonen. sprochen und gefragt: Sollen wir nicht als demokratische (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist Parteien wieder grundsätzlich über die vielen Fragen re- es!) den, die es bei der Parteienfnanzierung zu regeln gäbe, nämlich dubiose Vereinsfnanzierungen oder Sponso- Viele andere europäische Staaten, gerade solche mit ei- ring-Regelungen, andere Transparenzregeln? Sollen wir nem Verhältniswahlrecht, haben wesentlich instabilere nicht mal ins Gespräch kommen? – Kein Wort über die- Verhältnisse. Viele Menschen in demokratischen Staaten sen Gesetzentwurf! Und jetzt ziehen Sie das hier durch wären froh, wenn sie diese stabilen Verhältnisse hätten. und versuchen, die Nummer aufzumachen: Die anderen Verhältnisse sind immer auch ein Abbild der jeweiligen proftieren davon, und wir sind hier die großen Parteien, Struktur. die staatstragend die Position halten. Hier geht es um die Frage: Wie gehen wir mit der Struktur der Parteienfnanzierung um, und wie diskutie- Vizepräsidentin Claudia Roth: ren wir auch darüber? Ich glaube, es ist nicht in Ordnung, Denken Sie an Ihre Redezeit. dass Vertreter von Parteien selbst das Ansehen der Partei- 3570 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Volker Ullrich (A) en beschädigen und sie delegitimieren, indem sie einfach Meine Damen und Herren, wir werden im Parteienge- (C) holzschnittartige Kritik anbringen, indem sie so tun, als setz weitere Änderungen vornehmen. Wir werden in der ob die Parteien die Gierigen wären. Dabei sind wir die- Tat über die Fragen sprechen müssen, wie wir Zuwendun- jenigen, die die demokratische Kultur in unserem Land gen von dritter Seite, insbesondere in Wahlkämpfen, ein- voranbringen, sich der Kritik stellen, sich dem Wähler dämmen, wie wir die Rechenschaftspficht gerade auch in stellen und dafür sorgen, dass parlamentarische Demo- Bezug auf die Stückelung von Parteispenden verschärfen. kratie auch funktionieren kann. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Meine Damen und Herren, es geht jetzt um die Fra- NEN]: Wann machen wir das denn alles?) ge, wie wir vor dem Hintergrund sich wandelnder Ver- Wir werden über Fragen im Zusammenhang mit den Re- hältnisse die Parteifnanzen neu ordnen. Maßstab ist für chenschaftsberichten sprechen müssen. uns das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1992. Darin fordert das Bundesverfassungsgericht (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eine sogenannte absolute Obergrenze. NEN]: Wann reden wir denn darüber? Da war- ten wir seit Jahren drauf!) (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Die haben wir!) Wir werden über die Frage sprechen, wie die Finanzie- rung von Wahlwerbung Es sagt aber auch, dass diese Obergrenze, wenn die be- stehenden Verhältnisse einschneidende Veränderungen (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wann denn?) erfahren, auch verändert werden kann. Ich füge hinzu: Es aus dem Ausland geregelt werden kann, ist eine Frage der Einschätzung des Gesetzgebers, ob sich die Verhältnisse geändert haben. Es sind in der Tat Ver- (Thomas Seitz [AfD]: Nebelkerze!) hältnisse angesprochen worden, die eine Neujustierung weil es nicht sein kann, dass aus dem Ausland Werbung dieser Grenze notwendig erscheinen lassen. für deutsche Parteien geschaltet wird. Das ist eine unzu- Es geht einmal um die Frage, wie wir mit der Dis- lässige Beeinfussung der Wahl, kussion mit Bürgern in sozialen Netzwerken umgehen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) mit starker Kritik, mit Fake News, mit dem Ansinnen der Parteien, auch direkt mit dem Bürger zu kommunizieren. und da machen wir nicht mit. Das kostet Geld und braucht Ressourcen. Wir müssen über neue Formen der Teilnahme und Partizipation in- Meine Damen und Herren, wir werden nächste Woche nerhalb der Parteien sprechen: im Innenausschuss eine Anhörung zu dem Thema haben (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (B) (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (D) NEN]: Dann fangen Sie damit mal an!) NEN]: Am Montag!) Mitgliederentscheide zu fachlichen und zu sachlichen und es noch mal groß und breit im Deutschen Bundestag Themen. diskutieren. Die Kritik bzw. der Vorwurf, es würde hier nicht öfentlich darüber gesprochen, ist also nicht haltbar. Wir müssen auch darüber sprechen, dass die Parteien Lassen Sie uns gemeinsam über diese Fragen diskutieren. gerade auch bei Veranstaltungen im öfentlichen Raum wesentlich höhere Kosten haben, gerade auch aufgrund Vielen Dank. von Aufagen der Ordnungsämter. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- All das ist notwendig, und so sage ich: Ja, die Parteien ordneten der SPD) brauchen ein Stück weit mehr Geld, um ihre verfassungs- rechtlichen Aufgaben zu erfüllen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Volker Ullrich. – Damit schließe ich die Aus- Übrigens geht es um einen Betrag, der den Parteien sprache. ohnehin zustehen würde. Wenn man nämlich die An- sprüche der Parteien nach dem Ergebnis der Bundestags- Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs wahl 2017 – mit einer höheren Partizipation – addieren auf Drucksache 19/2509 an die in der Tagesordnung auf- würde, lägen die Ansprüche der Parteien ohnehin bereits geführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Es gibt dazu kei- bei knapp 190 Millionen Euro. Das heißt also, mit die- ne anderweitigen Vorschläge. Dann ist die Überweisung sem Gesetzentwurf wird den Parteien das zugestanden, so beschlossen. was sie aufgrund des Wahlergebnisses und ihrer eigenen Ich rufe jetzt den vorhin aufgesetzten Zusatzpunkt 6 Bemühungen ohnehin bekommen müssten. auf: (Zuruf des Abg. Stefan Schmidt [BÜND- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat NIS 90/DIE GRÜNEN]) eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur So muss man also im Endefekt sagen: Die Kritik ist sehr Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wohlfeil, sie geht an der Sache vorbei. Drucksache 19/1320 (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ ses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) DIE GRÜNEN]: Sie delegitimieren sich sel- ber!) Drucksache 19/2581 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3571

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) Wir haben vorhin für diese Aussprache 18 Minuten für Anlagen erteilt, die a) keine Bürgerenergieanlagen (C) beschlossen. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, sich waren und b) nach Bezuschlagung doch nicht umgesetzt an die dreiminütige Redezeit zu halten. Ich habe es schon wurden. Diesen Missbrauch haben wir in der letzten Le- mal gesagt: Wir haben eine extrem lange Tagesordnung gislatur schnellstmöglich unterbunden. Die Regelung, heute, und es gibt Veranstaltungen, beispielsweise Par- dass auch Bürgerenergiegesellschaften eine solche BIm- teitage, zu denen die Kollegen tatsächlich rechtzeitig ab- SchG-Genehmigung brauchen, lief befristet bis zum Mai reisen müssen. dieses Jahres. Wir verlängern diese Regelung jetzt vor- erst noch einmal um zwei Jahre bis zum Juni 2020. Somit (Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland kann der Zubau im ursprünglichen Korridor weiter er- [AfD]) folgen. Es wird also keinen Fadenriss geben. Das ist ein – Das freut Herrn Gauland. wichtiges Zeichen auch für die Branche und die damit verbundenen Arbeitsplätze. (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja, das freut mich!) Wir werden außerdem schauen, wie wir Bürgerener- giegesellschaften weiterhin innerhalb des Wettbewerbs Dann freut es mich auch. zielgerichtet fördern können. Wir werden auch das EEG (Dr. Alice Weidel [AfD]: Wir haben auch zusammen weiterentwickeln. bald Parteitag!) Ich bedanke mich jetzt bei allen Fraktionen, die diese – Es wird ja darauf geachtet, auch das zu respektieren. – Gesetzesinitiative unterstützen, die ja ursprünglich vom Kolleginnen und Kollegen, bitte nehmen Sie Platz; dann Bundesrat kam und jetzt noch mal geändert wurde. Die können wir anfangen. besondere Eilbedürftigkeit war in diesem Fall gegeben, aber sie soll natürlich nicht zur Gewohnheit werden. Ich Ich eröfne die Aussprache. Der erste Redner in der hofe, dass wir im Anschluss an die Debatte den Boten Debatte ist Dr. Andreas Lenz für die CDU/CSU-Fraktion. noch rechtzeitig zum Bundesrat losschicken können, un- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ter Umständen auch umweltfreundlich mit dem Fahrrad. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung und bedan- Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): ke mich für die Aufmerksamkeit. – Danke. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ordneten der SPD) vorhin schon gesagt: Vielleicht sollten wir es einbürgern, bei jedem Tagesordnungspunkt die Redezeit auf drei Mi-

(B) nuten zu beschränken; denn wenn man in drei Minuten Vizepräsidentin Claudia Roth: (D) nicht sagen kann, was man will, dann reichen meist auch Vielen Dank, Dr. Lenz. – Nächster Redner: Leif-Erik zehn Minuten nicht. Holm für die AfD-Fraktion. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der AfD) NEN]: Ja!) Leif-Erik Holm (AfD): Ich möchte bei der Debatte betonen, dass die Aus- Liebe Bürger! Frau Präsidentin! Meine Damen und schreibungen, die wir im Rahmen des Erneuerbare-Ener- Herren! Es fällt mir schwer, heute zum EEG hier zu spre- gien-Gesetzes 2016 eingeführt haben, ein großer Erfolg chen, während ganz Deutschland über den entsetzlichen sind. Wir konnten dank dieser Ausschreibungen die Mord an Susanna diskutiert. Diese Tat macht uns alle si- Kosten im Bereich von Windenergie an Land bei der cherlich sprachlos; sprachlos macht aber auch das ekla- letzten Ausschreibung beispielsweise auf 5,73 Cent pro tante Versagen der Bundesregierung, das exemplarisch in Kilowattstunde senken und im Bereich der Photovoltaik diesem Fall zum Vorschein kommt. sogar auf 4,33 Cent pro Kilowattstunde, und das ist ein enormer Erfolg mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit (Beifall bei der AfD) der Erneuerbaren, gerade wenn man schaut, woher wir da kommen. Wir sehen also insgesamt: Wettbewerb ist Es ist wichtig, dass wir in diesem Hohen Hause über die- nichts Schlechtes. sen Fall und das Versagen noch einmal diskutieren. Dafür wird die AfD-Fraktion sorgen. Es war damals bei der Umsetzung so, dass einige be- fürchteten, die Bürgerenergie komme bei der Ausschrei- Kommen wir zu Ihrem Versagen beim Erneuerba- bung nicht mehr zum Zug. Daraufhin wurden Ausnah- re-Energien-Gesetz: Der Gesetzentwurf zur erneuten meregelungen geschafen, beispielsweise die, dass bei Änderung der Änderung des EEG zeigt einmal mehr, wie Bürgerenergiegesellschaften auf die bundesimmissions- Ihre Energiewende funktioniert, nämlich gar nicht. Nach schutzrechtliche Genehmigung bei Teilnahme an der nur einem Jahr zeigt sich, dass Ihre fxe Idee der Bür- Ausschreibung verzichtet werden kann. Der Vorschlag gerenergieanlagen ein famoser Schuss in den Ofen war. zu dieser Ausnahmeregelung kam übrigens aus dem Man muss sich das mal vorstellen! Haben Sie ernsthaft Bundeswirtschaftsministerium selbst, und auch die Grü- geglaubt, dass sich Otto Normalbürger bei solch kom- nen forderten diese Regelung ein. plexen Projekten ins Abenteuer stürzt? Natürlich sind es die fndigen Ökounternehmer, die es verstehen, den Mer- Nun hat sich gezeigt, dass es Missbrauch in erhebli- kel-Unsinn auszunutzen. Man kann es ihnen nicht ver- chem Umfang gegeben hat. Es wurden häufg Zuschläge denken. Wer nimmt nicht gerne Geld geschenkt? 3572 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Leif-Erik Holm (A) Ihr Plan, mit der Gesetzesänderung von 2017 die Ak- Vizepräsidentin Claudia Roth: (C) zeptanz für Windkraftanlagen zu erhöhen, ist damit kra- Danke schön. – Nächster Redner: Johann Saathof für chend und zu Recht gescheitert. Die Bürger wollen sich die SPD-Fraktion. nämlich nicht durch tolle Renditeversprechen ködern und bestechen lassen, sondern sie wollen morgens vor (Beifall bei der SPD) ihre Haustür treten und in eine intakte Natur blicken und nicht auf 200 Meter hohe Windanlagen. Johann Saathof (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten (Beifall bei der AfD) Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie kommen immer mit der angeblich so tollen Zu- Wir debattieren heute über eine Bundesratsinitiative zum stimmung in der Bevölkerung. Die Akzeptanz endet aber Thema Bürgerenergie. Es gibt dazu Regeln im § 36g des genau dann, wenn jemandem solche Anlagen vors Fens- Erneuerbare-Energien-Gesetzes – das ist etwas für Fein- ter gesetzt werden. Machen Sie doch mal eine Umfrage schmecker –, mit denen wir Bürgerenergieanlagen haben bei mir in der Heimat, in Altentreptow bei Neubranden- regeln und vernünftig behandeln wollen. Die SPD weiß burg, oder auf Rügen, nämlich – damals genauso wie jetzt –, dass die eigentli- chen Pioniere und Vordenker der Energiewende die ein- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da, fachen Bürgerinnen und Bürger sind. wo die Kanzlerin gewählt wird, nicht?) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) da sind Sie mittlerweile teilweise umzingelt von Riesen- Die SPD weiß auch, dass die erneuerbaren Energien und windparks. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie Befür- die ländlichen Räume untrennbar miteinander verbunden worter für diesen Irrsinn dort mit der Lupe suchen müs- sind, und zwar sowohl, was die Produktion der Anlagen sen. betrift, als auch, was den Betrieb der Anlagen betrift, (Beifall bei der AfD) und damit eine enorme Wertschöpfung in die ländlichen Räume gelangt. Auch wenn man sich die Kosten anschaut, kann einem ganz schwindlig werden. Seit Einführung der EEG-Um- Mit dem EEG 2017 und dem Einstieg in das Aus- lage sind über 150 Milliarden Euro an die Ökostromer- schreibungsregime hat es eine Systemveränderung gege- zeuger gefossen. Das ist ein halber Bundeshaushalt. ben, die einen Regelungsbedarf nach sich gezogen hat. Seit 2007 hat sich die EEG-Umlage versiebenfacht. Ein Die Bürger konkurrierten plötzlich mit großen Energie- Ende ist nicht in Sicht. Jeder muss das bezahlen, jeder, konzernen oder mit großen Unternehmen, die projektie- ren wollten. Es musste ein Level Playing Field geschaf- (B) natürlich nicht die energieintensive Industrie, aber sonst (D) jeder, auch die arme Seniorin mit Grundrente muss voll fen werden. Es ging um das, was uns große Unternehmen blechen. Auch mit Sozialpolitik hat das alles überhaupt heute immer wieder sagen: Schaft ein Level Playing nichts zu tun. Field, sorgt für ausgleichende Gerechtigkeit. Die Vorteile, die für die Bürgerenergiegesellschaften (Beifall bei der AfD) geschafen werden sollten, waren längere Realisierungs- Nur am Rande: Dem Klima helfen Sie mit Ihrer öko- fristen, weil es einfach schwieriger ist, mit wenig Man- power so etwas umzusetzen, und die Befreiung von der populistischen Politik auch nicht. Der CO2-Ausstoß ist in den letzten Jahren nicht gesunken, sondern gestie- Genehmigung gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz gen, und er wird weiter steigen, unter anderem, weil Sie bei der Auktion. Ausgenutzt wurden diese Regelungen den Leuten die Dieselautos vermiesen, die wesentlich von Scheinbürgerenergiegesellschaften, obwohl wir be- CO -freundlicher als Benziner sind. sondere Sicherheiten eingebaut hatten, zum Beispiel, 2 dass so eine Gesellschaft zehn natürliche Personen aus (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dem Landkreis als Mitglieder haben muss, zum Beispiel, NEN]: Was?) dass es eine Frist gibt zur erneuten Teilnahme an Aus- schreibungen, zum Beispiel, dass es ein verpfichtendes Meine Damen und Herren, Ihr EEG ist Murks. Wir Beteiligungsangebot an die Standortgemeinde gibt. Die werden Ihre geplante Gesetzesänderung ablehnen, weil Regelungen sind trotzdem ausgenutzt und auch ein Stück das ewige Herumdoktern an einem ohnehin gescheiterten weit missbraucht worden. Moloch keinen Sinn macht. Im Übrigen hat die aktuelle Regelung einen Vorteil: Wegen der verlängerten Baufris- Als § 36g EEG in Kraft getreten ist, hat man sofort ten für die Bürgeranlagen werden die nächsten Jahre we- bei den ersten Ausschreibungen Erfahrungen gemacht, niger Windräder aufgestellt als geplant und Bürger damit die – ich sage es mal vorsichtig –, ernüchternd waren. länger verschont. Vielleicht bekommen wir dann 2021 – Allen Beteiligten im Deutschen Bundestag in der dama- ich komme zum Schluss – eine vernunftbegabte Regie- ligen Zusammensetzung war klar, dass Handlungsbedarf rung, die Schluss macht mit dem Energiesozialismus von besteht. Wir haben sehr schnell, auch interfraktionell, Schwarz, Rot, Links und Grün. Das EEG ist und bleibt entschieden, dass erst einmal die Aussetzung der Befrei- ein planwirtschaftliches Monster, das keine Probleme ung von der BImSchG-Genehmigung für Bürgerenergie- löst, sondern immer nur neue schaft, und da machen wir gesellschaften erfolgen muss. Das war in den Ausschrei- selbstverständlich nicht mit. bungen sofort wirksam. Wir haben es allerdings zunächst nur bis 2018 gemacht, um einen neuen Paragrafen für (Beifall bei der AfD) Bürgerenergiedefnitionen zu fnden. Jetzt werden wir Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3573

Johann Saathof (A) diese Aussetzung um zwei weitere Jahre verlängern. Da- eigenständig zu lösen. Nein, man bedient sich jetzt ei- (C) mit wissen alle Beteiligten, woran sie sind oder, wie es nes Gesetzentwurfs aus dem Bundesrat und eines Ände- die Freunde des gepfegten ostfriesischen Plattdeutsch rungsantrags der Koalition. sagen würden: So steiht Haak in’t Steel. Ich möchte Ihnen aber schon einmal die Schweißper- Das Gesetzgebungsverfahren ist sehr knapp; das gebe len von der Stirn nehmen: Wir werden dem zustimmen, ich zu. Aber wir schafen das noch. Ich möchte mich an und zwar aus dem ganz einfachen Grund, dass wir nicht dieser Stelle bei den Linken, bei den Grünen und bei der wollen, dass diese Privilegien weiter um sich greifen. FDP für das zeitliche Entgegenkommen bedanken. Wir Deswegen liegt uns an einem Aussetzen dieser Sonder- werden neue Regelungen für die Bürgerenergie fnden regelungen. müssen in den zwei Jahren. Für mich bedeutet das kom- munale Beteiligung, wie wir das im Koalitionsvertrag (Beifall bei der FDP) schon festgelegt haben. Ich möchte eine Regelung, von der alle Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde Mir stellen sich hier allerdings zwei persönliche Fragen. proftieren, in der zum Beispiel Windenergieanlagen ste- Erstens. Warum machen wir es in diesem Hauruckver- hen, und nicht nur wenige Mitglieder einer Gesellschaft. fahren, warum machen wir dieses Eilverfahren? Nur so wird es bei den Bürgerinnen und Bürgern Akzep- tanz für die Energiewende geben. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Es hat Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. so lange gedauert, weil die FDP sich bei der Übernahme von Regierungsverantwortung (Beifall bei der SPD) geziert hat! So ist das!) Bis jetzt sind EEG-Reformen permanent durch den Bun-

Vizepräsidentin Claudia Roth: destag durchgetrieben worden. Das scheint Methode zu Herr Saathof, Sekunde bitte! Wie immer für Nicht- haben und zur Gewohnheit zu werden. Das Problem war kundige Ihrer Muttersprache bitte die Übersetzung. ja schon lange bekannt. Nordrhein-Westfalen hat doch schon im Januar den Antrag in den Bundesrat einge- Johann Saathof (SPD): bracht. Also hätte man schon längst reagieren können. Ich dachte, wir hätten keine Zeit. – „So steiht Haak (Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD) in’t Steel“ heißt so viel wie: So sitzt die Hacke im Stil. Und Ihr Änderungsantrag beweist, wie uneinig Sie sich in der Koalition darüber sind, zu defnieren, wie ein wei- (B) Vizepräsidentin Claudia Roth: (D) Vielen herzlichen Dank. Wir haben schon damit ge- terer Ausbau erfolgen soll. Wir haben hier auch unter- rechnet, dass das kommen wird. Danke schön, Herr schiedliche Ansichten über den künftigen Ausbaupfad. Saathof. – Nächste Rednerin: Sandra Weeser für die Es herrscht ofensichtlich auch Uneinigkeit über die De- FDP-Fraktion. fnition eines netzsynchronisierten Ausbaus. Sonst hätten Sie es ja anders gelöst. Ich sage Ihnen nur eins: Wenn (Beifall bei der FDP) vor der Sommerpause noch weitere Gesetzentwürfe in diesem Hauruckverfahren durchs Parlament getrieben Sandra Weeser (FDP): werden sollen, dann können wir das auf Dauer nicht mit- tragen; denn so darf eine Regierung nicht mit dem Parla- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen ment umgehen. und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja hinreichend bekannt, dass die 2017 im EEG eingeführ- (Beifall bei der FDP) ten Privilegien für Bürgerenergiegesellschaften krachend gescheitert sind und deswegen auch zurückgenommen Die zweite Frage, die sich mir stellt, bezieht sich auf werden mussten. Sie waren zu weit gegrifen. Man konn- Ihren Antragstext. Im Juni 2020 wollen Sie eine aus- te ohne BImSchG-Genehmigung und mit einer Verlän- gewogene und dauerhafte Lösung für die Aussetzung gerung der Umsetzungsfrist um zwei Jahre an den Aus- schafen. Meine Frage ist: Warum machen wir das denn schreibungen teilnehmen. Das wurde, wie eben schon nicht sofort? Lassen Sie uns doch diesen Unsinn endlich ausgeführt, entsprechend zweckentfremdet. Proftiert abschafen! Wir beschließen hier heute einen kleinen haben vor allem als Bürgerenergiegesellschaft getarnte Baustein, ein Mosaiksteinchen in einem großen Mosa- Großunternehmen und nicht Bürgerenergiegesellschaf- ik, das Energiewende heißt. Doch die Konturen sind für ten in der Form, wie sie eigentlich angedacht waren, also den Betrachter völlig verzerrt. Niemand kann das mehr solche, in denen sich Bürger in kleinen Gesellschaften nachvollziehen. Wie oft haben wir die Energiewende zusammenschließen. nachjustiert? Wie oft sind Fehlentscheidungen korrigiert worden? Jetzt stehen wir heute leider wieder hier, allerdings unter Zeitdruck; das wurde eben schon mehrfach bemän- ( [SPD]: Vor allem die Ihrer gelt. Wir überlegen uns: Wie machen wir das jetzt? Denn Fraktion!) schon im August 2018 stehen die nächsten Ausschrei- bungen an, und wir müssen heute hier im Hauruckver- Ständiges Herumdoktern führt zu Unsicherheiten auf fahren darüber entscheiden, wie wir damit umgehen. Die beiden Seiten. Deswegen plädiere ich dafür: Lassen Sie Koalition hat es leider nicht geschaft, dieses Problem uns dieses System grundlegend reformieren! Lassen 3574 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Sandra Weeser (A) Sie uns endlich aus der Kosten- und Subventionsspirale 3 Gigawatt. Davon ist bei Ihnen keine Rede. Wir als Lin- (C) aussteigen! ke schlagen aber genau diesen Weg als Alternative vor. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der FDP) NEN]) Zweitens müssen wir den Weg gehen, die echte Bür- Vizepräsidentin Claudia Roth: gerenergie zu retten. Ich weiß nicht, wie es in Ihren Danke schön, Sandra Weeser. – Nächster Redner für Wahlkreisen aussieht, aber auch dort werden Sie wohl die Fraktion Die Linke: Lorenz Gösta Beutin. konfrontiert mit Zweifeln von Bürgerinnen und Bürgern, die mit dem Bau von Windkraftanlagen zu tun haben. (Beifall bei der LINKEN) Hier müssen wir doch gucken: Wie können wir die Iden- tifkation mit Windenergie, wie können wir die Identif- kation mit den erneuerbaren Energien stärken? Also: Wir Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE): brauchen eine Regelung zur Rettung der echten Bürger- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen energie, der Identifkation mit der Energiewende und mit und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Im den erneuerbaren Energien. Haben Sie endlich den Mut Sommer 2016 hat dieses Parlament an dieser Stelle den und reißen Sie das Steuer herum! Paragrafen zur Bürgerenergie im Erneuerbare-Energi- en-Gesetz mit heißer Nadel gestrickt. Vielen Dank. Die Linke hat damals schon auf das Missbrauchspro- (Beifall bei der LINKEN) blem bei der Bürgerenergie hingewiesen; und so ist es dann ja auch tatsächlich gekommen. Über 90 Prozent Vizepräsidentin Claudia Roth: der Zuschläge für Windenergie an Land gingen an so- Vielen Dank, Kollege Beutin. – Letzte Rednerin: genannte Bürgerenergiegesellschaften, die trickreich von Ingrid Nestle für Bündnis 90/Die Grünen. Großprojektierern in größerer Anzahl allein für diesen Zweck gegründet worden waren. Damit hat die GroKo (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Bürgerenergie letztlich ausgebremst. Die Reform ging damals in die vollkommen falsche Richtung. Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der LINKEN) Das Bemerkenswerteste an dieser Vorlage ist das, was (B) (D) Deswegen stimmen wir zu, dass für alle Windprojekte nicht drinsteht. Sie von der Koalition haben die vom künftig mit den Geboten eine Bundes-Immissionsschutz- Bundesrat gewünschten Sonderausschreibungen sogar genehmigung vorzulegen ist und dass sie die gleichen aktiv gestrichen. Ich habe die Bundesregierung gefragt: Realisierungsfristen wie alle Projekte haben sollten. Wann und wie wollen Sie denn mal anfangen, Ihre erneu- erbaren Ziele zu erreichen? Die Antwort Anfang dieser (Beifall bei der LINKEN) Woche lautete – kurz gesagt –: Alles hängt vom Strom- netz ab. Aber wo wir als Linke keinesfalls zustimmen können, ist erstens beim zu niedrigen Ausschreibungsvolumen. Hängt wirklich alles vom Stromnetz ab? Ich will das Sie haben ja bereits zugegeben: Die Klimaziele 2020 mit einer Geschichte illustrieren. Sagen wir mal, die er- werden Sie verfehlen. Im Koalitionsvertrag steht jedoch: neuerbaren Energien sind die Kornfelder; da wird die 2030 werden sie auf jeden Fall erreicht. Aber wie wollen Nahrung produziert. Die brauchen wir für den Klima- Sie die Ziele 2030 erreichen? Ich erinnere daran, dass in schutz; das sind in der Geschichte die Kinder. Ihrem Koalitionsvertrag Sonderausschreibungen vorge- (Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das ist sehen sind. Möglicherweise liegt es an der Blockade im „Sendung mit der Maus“!) Bundeswirtschaftsministerium von Herrn Altmaier, dass das nicht zustande kommt. Wie in vielen anderen Fällen Im Moment haben wir einen Anteil an erneuerbarer Ener- drängt sich auch hier der Eindruck auf, dass wir es bei gie in Höhe von 38 Prozent, also brauchen wir 38 Kinder dieser Großen Koalition nur noch mit einer Chaostrup- für den Klimaschutz. Wir wissen: Im Jahre 2030 brau- pe zu tun haben, die zu zukunftsfähigen Entscheidungen chen wir 65 Kinder, sonst können wir die Ziele nicht er- nicht mehr in der Lage ist. reichen, die auch Sie erreichen wollen. Wir brauchen also mehr Kornfelder. Jetzt sagen Sie: Alles hängt an den Net- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- zen. – Das sind in unserer Geschichte die Förderbänder neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) zwischen den Kornfeldern und den Kindern. Ja, da fällt ab und zu was runter. Im Jahr fällt etwa 1 Prozent vom Kurz und gut: Wir brauchen noch in diesem Jahr den Korn herunter; 1 Prozent des Stromverbrauches wird zur- Beschluss zu Sonderausschreibungen. Wenn wir über- zeit abgeregelt. haupt annähernd an die Klimaziele 2030 herankommen wollen, wenn wir diese Lücke tatsächlich schließen wol- Sie könnten viele verschiedene Lösungsansätze wäh- len, müsste man 2018, also noch in diesem Jahr, zusätz- len. Sie könnten zum Beispiel mehr Korn auf die Förder- liche 5 Gigawatt für Photovoltaik und Windenergie auf- bänder packen; das nennt man in der Stromwelt Phasen- setzen und in den kommenden Jahren weitere zusätzliche schieber, Smart Grids, Temperaturmonitoring. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3575

Ingrid Nestle (A) Sie könnten sich vor Ort dafür einsetzen, dass die neu- Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung ange- (C) en Förderbänder, die wir brauchen, schneller kommen, nommen. Zugestimmt haben SPD, CDU/CSU und FDP, anstatt hier in Berlin zu beklagen, dass sie nicht da sind. dagegen waren die Fraktion Die Linke und die Fraktion Sie könnten sagen: Wenn auf das Förderband nichts mehr der AfD. Enthalten haben sich Bündnis 90/Die Grünen. draufpasst, dann machen wir mit dem Korn etwas Nütz- liches. Wir geben es anderen Kindern – ich nenne sie mal Dritte Beratung die Wärme- oder Verkehrskinder –, die dringend mehr Klimaschutz brauchen. Hier stehen jede Menge Akteu- und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem re bereit, die Innovationen machen wollen, zum Beispiel Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer Power to Heat. Wir könnten es in der Industrie verwen- stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzent- den, in den unterschiedlichsten Bereichen. Das alles kön- wurf ist angenommen bei Zustimmung von CDU/CSU, nen Sie machen. Sie können noch viel mehr machen, zum SPD und FDP, Gegenstimmen von AfD und der Linken Beispiel weniger Kohle- oder Atomstrom einspeisen. sowie Enthaltungen von Bündnis 90/Die Grünen. (Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Der Plenar- Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 21 a bis 21 c saal ist kein Schulsaal!) auf: All das können Sie machen. Aber eins können Sie a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christian nicht machen, nämlich sagen: Ja, dann legen wir eben Dürr, Dr. Florian Toncar, Frank Schäfer, weite- keine neuen Kornfelder an, dann lassen wir die Klima- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP schutzkinder eben verhungern. – Das sind nämlich tat- sächlich unsere Kinder. Ich fnde, da kommen wir wieder zu dem Vorschlag für eine Verordnung des in die echte Welt zurück; denn auch die Ernährungssi- Europäischen Parlaments und des Rates zur cherheit unserer Kinder hängt vom Klimaschutz ab. – Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 Herr Nüßlein, nur weil Sie Geschichte vielleicht nicht im Hinblick auf die Schafung eines euro- verstehen, müssen Sie nicht darüber lachen. päischen Einlagenversicherungssystems KOM(2015) 586 endg.; Ratsdok. 14649/15 (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist eine sehr, sehr ernste Geschichte. hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung nach Artikel 23 Absatz 3 des Deshalb ist wichtig: Legen Sie jetzt nach. Das, was Grundgesetzes Sie hier auf den Tisch gelegt haben, ist nicht genug. Sie müssen nachlegen und den Ausbau der Erneuerbaren be- Eigenverantwortung von Staaten und Banken (B) schleunigen. Schon jetzt müssen Sie ihn verdoppeln, um stärken ‒ Vergemeinschaftung von Einlagen- (D) die Klimaziele zu erreichen. Wenn Sie fünf Jahre war- risiken verhindern ten, müssen Sie ihn vervierfachen. Nicht mal ich glaube ernsthaft, dass das zu erreichen ist. Drucksache 19/2525 Im Moment passiert das Gegenteil: Man sieht die b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Folgen Ihrer ungeplanten Politik, die keine Investiti- Dr. Florian Toncar, Frank Schäfer, Bettina onssicherheit schaft, schon daran, dass bei der letzten Stark-Watzinger, weiterer Abgeordneter und der Ausschreibung noch nicht mal genug Gebote abgeliefert Fraktion der FDP worden sind. Sie machen den Ausbau der Erneuerbaren kaputt, anstatt ihn voranzubringen. Bitte gehen Sie bei Vollendung der Bankenunion – Stabil und dem mit, was Kanzlerin Merkel gestern gesagt hat: Das marktwirtschaftlich Klimaabkommen ist „lebenswichtig“ für diesen Planeten. Deshalb müssen die Erneuerbaren ausgebaut werden. Für Drucksache 19/2527 das Stromnetz gibt es jede Menge Lösungen. Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Herzlichen Dank. Ausschuss für Wirtschaft und Energie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Haushaltsausschuss c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Bru- Vizepräsidentin Claudia Roth: no Hollnagel, Albrecht Glaser, Franziska Gmin- Vielen Dank, Ingrid Nestle. – Ich schließe die Aus- der, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der sprache. AfD Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetz- Erhalt der nationalen Einlagensicherung – entwurf des Bundesrats zur Änderung des Erneuerba- Keine Transfer- und Haftungsunion in Europa re-Energien-Gesetzes. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie empfehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/2573 Drucksache 19/2581, den Gesetzentwurf des Bundesrats auf Drucksache 19/1320 in der Ausschussfassung anzu- Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in Ausschuss für Wirtschaft und Energie der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Haushaltsausschuss 3576 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) Es handelt sich unter anderem um Vorlagen betrefend Aufsicht. Die kleinen, nicht systemrelevanten Institute (C) die Schafung eines europäischen Einlagerungssiche- werden eben gerade nicht von der EZB überwacht. Ban- rungssystems. kenunion bedeutet also nicht Zentralisierung von allem und jedem, sondern Zentralisierung von den Dingen, die (Dr . Florian Toncar [FDP]: Einlagensiche- europäisch gelöst werden müssen. rung!) – Einlagerung, das war etwas anderes, Entschuldigung. (Beifall bei der FDP) Es heißt Einlagensicherungssystem. So ähnlich ist es auch bei der zweiten Säule, bei der Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Abwicklung von Banken. Auch da haben wir für die gro- die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. Sie sind damit ßen, grenzüberschreitenden Gruppen ein zentrales Re- einverstanden. – Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, gime, auch einen Fonds eingerichtet, in den die Banken zügig Platz zu nehmen, damit der erste Redner entspre- Beiträge einzahlen, um Abwicklungskosten im Notfall chend Aufmerksamkeit bekommt. abdecken zu können. Aber auch das ist keine völlige Ich eröfne die Aussprache. Erster Redner in der De- Zentralisierung der Abwicklungskompetenz auf europäi- batte: Dr. Florian Toncar für die FDP-Fraktion. scher Ebene, sondern eine sehr diferenzierte Lösung, die zwischen großen und kleinen Banken unterscheidet. (Beifall bei der FDP) Damit komme ich zu den zwei Themen, die auf dem Dr. Florian Toncar (FDP): Europäischen Rat am 28. und 29. Juni kontrovers dis- Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen kutiert werden und die wir in unseren Anträgen, die wir und Kollegen! Die Einlagensicherung hat mit der Einla- heute einbringen, ansprechen. Das ist – erstens – die Idee gerungssicherung zumindest gemeinsam, Frau Präsiden- einer zentralen Einlagensicherung für die Euro-Zone tin, dass es um Risiken geht, die unter Kontrolle gebracht und – zweitens – die Idee einer sogenannten Letztsiche- werden müssen. Insofern war unser beider Versprecher rung, was übersetzt nichts anderes bedeutet, als dass als vielleicht gar nicht so verkehrt. letzte Stufe auch Steuergelder, Gelder des Europäischen Stabilitätsmechanismus, öfentliche Gelder herangezo- Aber zur Sache selbst: Liebe Kolleginnen und Kolle- gen werden können, um die Abwicklung von Banken gen, die Euro-Krise, die großen Schwierigkeiten vieler fnanziell zu fankieren. Mitgliedsstaaten, sich zu fnanzieren, vor allem zwischen 2010 und 2012, hat zu der Erkenntnis geführt, dass man Die Bundesregierung hat bisher – und wir haben uns die Währungsunion auch um eine Bankenunion, um ein das mehrere Monate lang angeschaut – beides nicht ex- (B) gemeinsames Regelwerk für die Banken in den Mitglied- plizit ausgeschlossen. Bei der Einlagensicherung spielt (D) staaten des Euro ergänzen muss. sie auf Zeit und sagt: Das dauert noch, bis die Risiken Hintergrund war der sogenannte Staaten-Banken-Ne- entsprechend reduziert sind. xus, also die Erkenntnis: Wenn ein Staat pleitegeht, dann reißt er wegen der Staatsanleihen und anderer Faktoren (Dr. h. c. [CDU/CSU]: Ja, die Banken in seinem Bereich gleich mit sich, die ganze selbstverständlich!) Volkswirtschaft wird schwer geschädigt und kann sich Und in Bezug auf die Kredite für die Bankenabwicklung nicht so schnell wieder erholen. Und umgekehrt: Wenn aus öfentlicher Hand, aus dem ESM hat sowohl der Bun- große Banken in die Pleite gehen und der Staat zu teu- ren Rettungsaktionen auf Steuerzahlerkosten gezwun- desfnanzminister in der Haushaltswoche vor knapp drei gen wird, kommt er möglicherweise selber in fnanzielle Wochen als auch die Bundeskanzlerin einen Tag später Schwierigkeiten. hier angekündigt, dass die Bundesregierung bereit ist, einer Bankenabwicklung mithilfe öfentlicher Gelder Der Grundgedanke unserer Bankenunion, wie wir sie und dieser Kredite zuzustimmen. Sie gehen damit letz- heute haben, war es – das will ich zu Beginn dieser De- ten Endes wieder den Weg dahin zurück, dass der Staat, batte in Erinnerung rufen –, diese Verbindung von Staats- die Steuerzahler, die öfentliche Hand für Bankrisiken fnanzen und Banken zu durchbrechen und beides unab- geradestehen müssen. Das halten wir für falsch, und das hängiger voneinander zu machen. sagen wir in unserem Antrag mit Blick auf den 28. und Dabei wurden zwei Maßnahmen getrofen: Unter dem 29. Juni auch sehr, sehr klar. Dach der EZB wurde eine einheitliche Aufsicht mit dem (Beifall bei der FDP) Ziel geschafen, dass Banken unabhängiger beaufsichtigt werden, dass die Regierung, die vielleicht ein Interesse Wichtig ist aber auch: Die Kanzlerin hat vor einigen daran hat, weiterhin Staatsanleihen an Banken auszu- Tagen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ geben, diese Banken bei der Aufsicht nicht schonender ein sehr langes Interview gegeben und darin vieles ge- behandelt. Heute haben wir unter dem Dach der EZB sagt; zur Bankenunion hat sie aber keinen einzigen Vor- 118 Bankengruppen, die direkt beaufsichtigt werden und schlag gemacht. Außer den Ankündigungen zur Letztsi- 85 Prozent der Bilanzsumme des europäischen Banken- cherung von Herrn Scholz und Frau Merkel gab es kein sektors in der Europäischen Union ausmachen. einziges Wort, keinen weiteren Vorschlag, kein eigenes Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die ein- Konzept dazu, wie es mit der Bankenunion weitergeht. heitliche Aufsicht ist keine totale Zentralisierung von Deutschland ist auch hier ein Ausfall. Deshalb muss sich Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3577

Dr. Florian Toncar (A) der Bundestag damit befassen und muss einen Beschluss besser machen, sondern die Konfikte, die Auseinander- (C) fassen, um der Bundesregierung eine konkrete Position setzungen, die es gibt, immer weiter fortschreiben. vorzugeben. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Albrecht (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Lothar Glaser [AfD]) Binding [Heidelberg] [SPD]: Die anderen Wir wollen, dass der Gedanke der Haftung wieder Länder fnden uns eigentlich ganz gut in die- im Vordergrund steht und dass die Bundesregierung das ser Hinsicht!) auch aktiv vertritt. Eigenkapitalunterlegung für Staatsan- Die zentrale Einlagensicherung ist nicht notwendig; leihen: Sie reden von Risikoreduzierung, aber das aller- denn die neuen europäischen Abwicklungsregeln sehen größte Risiko, nämlich die Staatsanleihen in den Bestän- gerade für Großbanken eigene Regeln vor. Es ist sehr un- den der Banken, blenden Sie komplett aus. So wird das wahrscheinlich – sogar extrem unwahrscheinlich –, dass nichts mit der Risikoreduzierung, liebe Kolleginnen und die Einlagensicherung im Krisenfall überhaupt noch eine Kollegen. Rolle spielen wird. Die Einlagensicherung wird weiter- (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Albrecht hin eine Bedeutung haben, wenn eine kleine Bank in die Glaser [AfD]) Insolvenz geht und nicht nach den neuen Regeln abge- wickelt wird. Wir brauchen mehr Haftung von privaten Investoren, bevor eine Bank abgewickelt wird, bevor möglicherwei- Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, läge es se auch der Abwicklungsfonds ins Spiel kommt, damit gerade in der Logik der Bankenunion, zu sagen: Gera- diese wieder Verantwortung für ihre Investitionen tra- de weil es eigentlich nur kleine Banken betrefen kann, gen. Wir brauchen eine Abwicklungsbehörde mit mehr muss das dezentral bleiben. Das ist geradezu die Fort- Durchschlagskraft, mit mehr Biss, die in einfacheren schreibung dessen, was wir zur ersten und zweiten Säu- Verfahren schneller entscheiden kann. le gesagt haben. Beschließen Sie es doch! Sagen Sie es auch der Bundesregierung in der nötigen Klarheit! Frau Präsidentin, mein letzter Punkt. (Beifall bei der FDP) Vizepräsidentin Claudia Roth: Zahlen werden am Ende für jedes zentrale System Letzter Satz. natürlich die Bankkunden, und sie bekommen dafür in vielen Teilen der Union schlechte Qualität. Wir haben in Dr. Florian Toncar (FDP): Deutschland eine dezentrale Einlagensicherung, die aber Da muss ich aber einen sehr langen Satz machen, Frau (B) für die meisten Bankkunden einen Schutz in unbegrenz- Präsidentin. (D) ter Höhe anbietet. Die Bankkunden bekommen einen hö- heren Schutz, als das europäische Recht von Deutschland (Heiterkeit) verlangt. Wenn man das zentralisiert, dann bedeutet das nicht nur höhere Kosten, die die Kunden tragen müssen, Vizepräsidentin Claudia Roth: sondern am Ende wahrscheinlich auch weniger Schutz. Machen Sie nicht. Das ist doch ein Ergebnis, das wir nicht befürworten kön- nen, das auch den Finanzmarkt in keiner Weise voran- bringen wird, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dr. Florian Toncar (FDP): Ich habe Sie schon verstanden. – Wir brauchen einen (Beifall bei der FDP – Dr. Franziska Brantner echten europäischen Binnenmarkt für Bankdienstleistun- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Toncar, gen, damit Banken auch ersetzt werden können, damit das wissen Sie besser!) ein Staat nicht von einigen wenigen Banken abhängig ist, Was die Kredite für die Bankenabwicklung angeht, sondern grenzüberschreitendes Bankgeschäft einfacher sage ich: Kein öfentliches Geld für Risiken des Finanz- wird. Das ist die Richtung. Mehr Haftung für Risiko, sektors! weniger gemeinsame Töpfe: In diese Richtung sollte die Bundesregierung am 28./29. Juni verhandeln, liebe Kol- (Metin Hakverdi [SPD]: Genau!) leginnen und Kollegen. Wir müssen wieder dazu kommen, dass private Risiken (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Albrecht auch privat getragen werden. Je größer der Topf ist und Glaser [AfD]) je eher ein Investor weiß: „Am Ende werde ich vielleicht wieder mit öfentlichen Geldern rausgehauen“ – denn da- Vizepräsidentin Claudia Roth: von proftieren ja alle Investoren, nicht nur die Banken –, Vielen Dank, Herr Toncar. Sie haben Glück, dass Herr desto eher wird er das einkalkulieren und wieder Risiken Kubicki nicht präsidiert. eingehen, die wir nicht wollen. Das heißt: Wenn es die- sen großen Topf gibt, den Olaf Scholz und Frau Merkel (Christian Dürr [FDP]: Das haben wir beob- wollen, dann werden auch die Risiken steigen, weil die achtet!) Investoren wieder darauf spekulieren werden, dass sie Nächste Rednerin: Antje Tillmann für die CDU/ gerettet werden. Genau das, liebe Kolleginnen und Kol- CSU-Fraktion. legen, führt zu den falschen Ergebnissen und wird Eu- ropa übrigens auch nicht friedlicher, harmonischer und (Beifall bei der CDU/CSU) 3578 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

(A) Antje Tillmann (CDU/CSU): Ein bisschen anders ist das bei dem Antrag der FDP (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! zum Thema Bankenunion, lieber Herr Toncar. In Ihrem Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir haben schon im Antrag stehen eine ganze Reihe Punkte, die wir teilen. Januar das Thema „Bankenunion und Einlagensiche- Ich erwähne hier noch einmal die Gläubigerbeteiligung. rung“ im Rahmen einer Aktuellen Stunde hier im Bun- Leider konnte auch die Diskussion im Finanzausschuss destag debattiert, und ich hatte Ihnen damals sehr gera- Sie nicht davon überzeugen, dass es eine Gläubigerbetei- ten, sich die Beschlüsse des Deutschen Bundestags von ligung von 8 Prozent gibt. 2015 und 2016 anzusehen, als nämlich auf Initiative von (Dr . Florian Toncar [FDP]: Doch! Unstrittig! CDU/CSU und SPD dieses Thema schon sehr intensiv Lesen Sie doch den Antrag!) diskutiert wurde und festgelegt worden ist. Bail-in mit mindestens 8 Prozent ist festgelegt. Wir haben (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Da diese Gläubigerbeteiligung im Finanzausschuss und üb- waren die nicht da!) rigens auch gestern bei der Beratung des Gesetzentwurfs zur EU-Prospektverordnung noch einmal sichergestellt. Ich freue mich, dass Sie meinem Rat gefolgt sind; denn in allen drei Anträgen werden diese Beschlüsse zitiert. (Dr . Florian Toncar [FDP]: Aber wir wollen Deshalb sage ich auch ganz klar: Nicht alles, was in den das verschärfen!) drei Anträgen drinsteht, ist falsch. Vieles davon unter- Auch da geht Ihr Antrag über die Voraussetzungen hi- stützen wir, nämlich wenn es um die Passagen geht, die naus. Wir haben diese Gläubigerbeteiligung, wir müssen Sie aus unseren Anträgen abgeschrieben haben. Die sind sie durchsetzen, und wir werden darauf bestehen. immer noch richtig, und wir werden diese Linie nach wie vor beibehalten. (Dr . Florian Toncar [FDP]: Da gibt es noch Schlupföcher!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Das ist ein Vorgang, der in den nächsten Wochen immer ordneten der SPD) wieder diskutiert wird. Aber die gesetzlichen Grundlagen Ich nenne dazu Beispiele. Sie schreiben, dass das Ver- sind völlig klar. Auch deswegen brauchen wir Ihren An- trauen der europäischen Anleger in die Einlagensiche- trag nicht. rung gestört werden könnte, wenn wir eine europäische (Beifall bei der CDU/CSU) Einlagensicherung einführen, bevor die Risiken reduziert werden. Genau das haben wir in unserem damaligen An- Wir haben noch Probleme damit – das spreche ich trag auch geschrieben. Wir haben gesagt: Der Zeitpunkt ganz ofen an –, dass das die beihilferechtliche Banken- (B) ist noch nicht reif für eine europäische Einlagensiche- mitteilung der Europäischen Union eingeführt wurde, be- (D) rung. – Wir haben ausgeführt, dass die Rückführung von vor wir die Bankenunion hatten; denn diese Regelungen Risiken in den Bankbilanzen auf jeden Fall kommen passen nicht immer mit der Bankenunion zusammen. Ich muss. Auch das haben Sie in Ihren Anträgen übernom- nenne als Beispiel die vorsorgliche Rekapitalisierung, die men. Das ist nach wie vor richtig, und wir sind auf dem in Italien angewandt worden ist. Wir müssen uns dafür Weg, diese Risiken zu reduzieren. starkmachen, dass das Beihilferecht und die Haftungs- kaskade zusammenpassen. Auf dem Weg sind wir. Auch Sie pochen in Ihrem Antrag darauf, dass die Regelun- das haben wir schon im Finanzausschuss besprochen. gen zur Abwicklung und zum Bail-in, also zur Gläubi- Sie sagen, die notleidenden Kredite müssen abgebaut gerbeteiligung, eingehalten werden müssen. Auch das werden. Das ist Beschlusslage seit 2015. Die Europäi- stand in unserem damaligen Antrag von 2016: Die Bun- sche Kommission legt regelmäßig Berichte vor, dass desregierung muss sicherstellen, dass die Gläubigerhaf- diese notleidenden Kredite abgebaut werden müssen. tung durchgesetzt wird. – Auch das wird nach wie vor Wir setzen uns darüber hinaus dafür ein, dass es für not- von uns so gesehen. Der Antrag ist also noch aktuell. leidende Kredite in einer Bankbilanz Benchmarks, also Sie haben außerdem die Bundesregierung aufgefor- feste Prozentsätze, gibt. Das ist auf dem Weg. Auch dazu dert, den Vorschlag der Kommission zur europäischen brauchen wir Ihren Service nicht, den Sie als Opposition Einlagensicherung abzulehnen. Auch das ist O-Ton ein immer anbieten. Das haben wir schon auf den Weg ge- Satz unseres Antrags. Wir haben damals deutlich gesagt: bracht und machen es auch. Die Zeit ist nicht reif, die europäische Einlagensicherung Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsrecht – auch das kann noch nicht kommen, und die Bundesregierung soll ist wichtig, um die notleidenden Kredite zu verwerten. sich dafür einsetzen, dass sie nicht kommt. – Ich sehe Das ist erkannt. Auch da gibt es in der Europäischen Uni- überhaupt nicht, dass nach Wolfgang Schäuble der heuti- on eine Diskussion. Die Kommission hat einen ersten ge Finanzminister Scholz von diesem Weg abweicht. Er Entwurf vorgelegt, der uns noch nicht weit genug geht. hat in mehreren Reden deutlich signalisiert, dass er die Aber auch hier sehe ich, dass wir Kompromisse fnden Risikoreduzierung in den Bankbilanzen für eine zwin- werden. gende Voraussetzung einer europäischen Einlagensiche- rung hält. Da sind wir dicht beieinander. Auch dazu be- Staatsanleihen mit Eigenkapital zu untersetzen, ist darf es nicht Ihrer Anträge. eine weitere Forderung. Dass der nationale Abwick- lungsfonds und die nationalen Einlagensicherungssyste- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- me bis 2024 mit 0,8 Prozent der Einlagen abgedeckt wer- ordneten der SPD) den müssen, ist beschlossen. Wir müssen sicherstellen, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3579

Antje Tillmann (A) dass das auch passiert. Das tun wir. Hier sind wir auf eu- Nun wird behauptet, dass es sich bei den europäischen (C) ropäischer Seite immer im Gespräch, damit das, was wir Sicherungsfonds quasi um eine Versicherung handeln beschlossen haben, auch tatsächlich durchgesetzt wird. würde. Aber jeder von uns weiß doch, dass sich eine Versicherungsprämie an der Höhe der Risiken orientiert, Das sind also neun Punkte, die wir für richtig halten, und das ist hier eben nicht der Fall. Das würde nämlich die teilweise in Ihrem Antrag erwähnt werden, die aber bedeuten, dass griechische Banken eine 20-mal höhere alle 2016 schon in diesem Haus beschlossen wurden. Die Prämie zahlen müssten als deutsche Banken. Beschlüsse des Deutschen Bundestages unterliegen nicht der Diskontinuität. Das heißt, der Antrag ist aktueller (Beifall des Abg. Dr. Alexander Gauland denn je. Ich sehe nicht, dass es eines zusätzlichen An- [AfD]) trages bedarf. Ich sehe auch nicht, dass Finanzminister Scholz von diesen Beschlüssen abweicht. Von daher blei- Ist das geplant? Nein, es ist nicht geplant, und das ver- ben wir bei den Beschlüssen von damals. Setzen wir sie stößt gegen die ökonomische Vernunft. richtig durch! Forcieren wir in der Europäischen Union, dass die Beschlüsse auch umgesetzt werden! Dann kann (Beifall bei der AfD) eine Europäische Bankenunion auf Dauer gelingen. Denn unabhängig von den tatsächlichen Risiken sollen Herzlichen Dank. in der Bankenunion die Banken gleichermaßen, wie wir gehört haben, 0,8 Prozent der gedeckten Spareinlagen in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- die nationalen Sicherungsfonds einzahlen, die dann in ordneten der SPD) den internationalen Sicherungsfonds übertragen werden. Was bedeutet denn das im Klartext? Das bedeutet im Vizepräsidentin Claudia Roth: Klartext, dass solides Handeln durch überhöhte Abgaben Vielen Dank, Frau Kollegin Tillmann. – Nächster bestraft wird, während unsolides Handeln subventioniert Redner für die AfD-Fraktion: Dr. Bruno Hollnagel. wird. Das ist gegen jede ökonomische Vernunft. Wir leh- nen das ab. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Dr. Bruno Hollnagel (AfD): Kommen wir zur ersten Säule der Bankenunion. Da Verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- war doch zu lesen: Erforderlich ist, die Risiken ausrei- legen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich chend abzubauen. – Ja entschuldigen Sie, wenn Sie Ri- möchte zunächst einmal etwas Grundsätzliches sagen: siken ausreichend abgebaut haben, dann brauchen Sie (B) Wer glaubt, die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten außer nichts weiter. Das heißt, Sie trauen Ihren eigenen Buch- (D) Kraft setzen zu können, der wird sein absolutes Scheitern staben nicht, und Sie trauen Ihren eigenen politischen erleben. Kollegen nicht. Sie trauen denen nicht zu, dass die Ri- (Beifall bei der AfD) siken defnitiv abgebaut werden, und sie sind auch nicht ausreichend abgebaut worden. Das ist eines der Proble- Wer eine Nullzinspolitik betreibt und damit Kapitalbla- me. sen aufpumpt, der sollte sich nicht wundern, wenn ihm diese Blasen mit lautem Knall um die Ohren fiegen. Kommen wir zur EZB. Die EZB ist das Dach, un- ter dem die Kontrolle der Banken durchgeführt werden (Beifall bei der AfD) soll. Was ist erforderlich, um eine solche Aufgabe aus- Wer Risiken bei Staatsanleihen nicht sachgerecht bewer- füllen zu können? Sachkompetenz und Unabhängigkeit. tet, steuert sein Kapitalschif direkt auf die Klippen, an Ist denn die EZB unabhängig? Ist die EZB unabhängig denen es zerschellen wird. dann, wenn sie den Banken Geld gibt und in die Geschäf- te involviert ist? Ich bin doch nicht unabhängig, wenn (Beifall des Abg. Jürgen Braun [AfD] – ich in ein Geschäft involviert bin. Deswegen sagen wir: Christian Petry [SPD]: So ein Quatsch!) Die EZB hat die Bankenaufsicht nicht zu führen, weil sie nicht unabhängig ist. Wer glaubt, Europa stärken zu können, indem er Deutsch- land schwächt, der wird sich irren. Meine Damen und (Beifall bei der AfD) Herren, wer glaubt, Wenn jemand in ein Geschäft geht und etwas einkauft, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Noch dann erhält er ein Produkt oder eine Dienstleistung, für ein paar Merksätze für das Wochenende!) die er bezahlt hat. Niemand käme auf die Idee, dass Sie, dass durch verordnete Haftungsgemeinschaften wenn Sie in einem Geschäft einkaufen, für die Tätigkei- ten des Geschäftsführers haften müssen. Bei der Bank (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: ist das so. Bei der Bank haften nämlich die Kunden mit 5 Euro für das Phrasenschwein!) ihren Bankeinlagen. Meine Damen und Herren, eine Mit- Risiken und ihre Ursachen aus der Welt geschafen wer- haftung der Kunden für die Geschäfte der Banken wider- den, der spielt noch heute im Sandkasten und sollte lieber spricht dem Verursacherprinzip und der ökonomischen erwachsen werden. Vernunft. Selbst wenn es schon Jahrhunderte praktiziert wird, ist es nicht vernünftig, weil die Kunden mithaften, (Beifall bei der AfD) aber nicht gleichermaßen am Gewinn partizipieren, den 3580 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Bruno Hollnagel (A) diese Bank macht. Mit anderen Worten: Es ist ökonomi- Wir müssen die Ketten der Gemeinschaftshaftungen (C) scher Unfug, der da seit vielen, vielen Jahren betrieben sprengen; sonst werden sie uns in den Abgrund reißen. worden ist. Das ist der Punkt, den wir beachten müssen. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Wir wollen einen 100-prozentigen Schutz der Bank­ Eigenverantwortlichkeit, das ist der Punkt – nicht das, einlagen durch die Banken selbst, nicht durch den Staat; was Macron erzählt. denn der Staat sind wir selber, und wir können doch nicht für uns selbst haften. Das haut so nicht hin. Wir wollen, Vizepräsidentin Claudia Roth: dass der Staat voll und ganz, zu 100 Prozent, aus der Haf- Denken Sie bitte an Ihre Redezeit? tung herausgenommen wird, genauso wie der Bürger, der die Gelder eingelegt hat. Das ist eine klare Aussage, von der wir nicht abrücken. Dr. Bruno Hollnagel (AfD): Ja. – Macron redet doch vom Budgetfetischismus. (Beifall bei der AfD) Wissen Sie, dieser Mann möchte keine ausgeglichenen Haushalte. Es ist also nicht nachhaltig, was er macht. Wir Es ist zwar Aufgabe des Staates, Rahmenbedingungen wollen eine nachhaltige Politik. Deswegen lehnen wir für eine Bankenabwicklung zu schafen, es ist aber nicht die Bankenunion in der vorliegenden Form ab. die Aufgabe des Staates, Banken zu retten. Wer in einem marktwirtschaftlichen System versagt hat, hat verdammt Danke schön. noch mal den Markt zu verlassen, und zwar ohne Konse- (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer­ quenzen für die Einleger oder andere Leute. Raus damit! [CDU/CSU]: Hat das jetzt irgendwer verstan- (Beifall bei der AfD – Dr. h. c. Hans den?) Michelbach [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Nun sagen Sie: Ja, aber wir haben doch diese system- relevanten Institute. Meine Damen und Herren, das ist ja Vielen Dank. – Nächster Redner: Metin Hakverdi für gerade der politische Fehler. In einem marktwirtschaft- die SPD-Fraktion. lichen System ist ein systemrelevantes Unternehmen de (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten facto eigentlich nicht zulässig. Da hat die Politik schon der CDU/CSU) lange vorher versagt. Sie hätte längst eingreifen müssen. (B) (Beifall bei der AfD) Metin Hakverdi (SPD): (D) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Das Zweite ist ein demokratisches Problem. Meine Präsidentin! Wenn in diesem Haus über Europa gespro- Damen und Herren, was passiert denn in Wirklichkeit? chen wird, dann häufg mit einem pessimistischen Blick. Wenn ein einzelnes Unternehmen in der Lage ist, uns Ich fnde jedoch, wir haben guten Grund zur Zuversicht. Bürger und den Staat zu erpressen, ihm Geld zu geben, Ich jedenfalls bin optimistisch, weil ich den Eindruck wo ist denn dann die Unabhängigkeit des Souveräns? habe, dass sich in der Euro-Debatte der Wind gedreht hat. Das ist eine Untergrabung der demokratischen Rech- Die Zeit derer, die Sicherungsmaßnahmen für den Euro te und eine Untergrabung des Souveräns des deutschen als Geldpipeline nach Brüssel beschimpft haben, scheint Staates. Das ist abzulehnen. zu Ende zu gehen. Die Kanzlerin hat in ihrem Interview (Beifall bei der AfD) in der „FAS“ eine Wende für die CDU/CSU eingeleitet. Das ist gut und längst überfällig. Als Sozialdemokratin- Kapitalverfechtungen sind deswegen auf das Notwen- nen und Sozialdemokraten haben wir auf diese Wende digste zu begrenzen. gedrängt. Wir haben einen neuen Aufbruch für Europa gleich zu Beginn im Koalitionsvertrag verankert. Die (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ge- Umsetzung des Koalitionsvertrages nimmt nun Gestalt nau! Wir schreiben den Banken vor, mit wem an. sie Geschäfte machen!) Der Wind hat sich gedreht, Kolleginnen und Kollegen. Liebe Frau Tillmann, Sie haben das vorhin leider nicht Dr . Jens Weidmann, der Präsident der Bundesbank, hat zu vollständig angegeben. Ich habe das ja aus dem Antrag Beginn der Woche eine, wie ich fnde, beachtliche Rede von 2016. Darin steht nämlich – Große Koalition –, man gehalten. Jens Weidmann sagte, dass die Bundesbank per dürfe es Mitgliedstaaten nicht ermöglichen, Bankenrisi- se nicht gegen eine gemeinsame Einlagensicherung sei. ken auf einen gemeinschaftlichen Fonds zu verlagern. Ja, tun Sie es doch! Stehen Sie zu Ihrem Wort! Machen Sie (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Er ist das! Bleiben Sie ein einziges Mal auf Linie, stehen Sie klug!) zu Ihrem Wort und sagen Sie: Wir machen diese Sache Er sagte außerdem – das möchte ich hier wörtlich zitie- so nicht mit. – Die Bankenunion ist ein künstliches poli- ren –: tisches und ökonomisches Konstrukt. Im Gegenteil: Eine solche wäre zweifellos ein Bei- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ein trag zu einem stabilen Finanzsystem, da das Risiko was?) einer Einlegerpanik sänke. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3581

Metin Hakverdi (A) Er führt weiter aus: eindringlich angemahnt. Wir sind zuversichtlich, dass (C) auch hier noch in diesem Jahr Erfolge erreicht werden Und auch hier liefert die gemeinsame ... Aufsicht können. gute Argumente für eine gemeinsame Haftung. Wie die dritte Säule der Bankenunion, die gemeinsame (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Einlagensicherung, aussehen könnte, sollten wir erst dis- Abg. Antje Tillmann [CDU/CSU]) kutieren, wenn wir zuvor unsere Hausaufgaben gemacht Das sind doch ganz andere, ganz neue Töne aus Frank- haben. Das bedeutet, dass Risikopositionen aus notlei- furt. Das müssen auch die Gegner der Einlagensicherung denden Krediten in den Bilanzen teilnehmender Banken zur Kenntnis nehmen. zuvor signifkant abgebaut sein müssen. Das sollte heute der Schwerpunkt unserer Aufmerksamkeit sein. Zu den Kolleginnen und Kollegen, die Finanzkrise, die vor notwendigen Rahmenbedingungen kann auch die Har- über zehn Jahren begonnen hat, hat gezeigt, welche Kon- monisierung des Insolvenzrechts in den Mitgliedstaaten struktionsmängel unsere Währungsunion aufweist und gehören. welche Probleme vor einer nächsten Krise gelöst sein sollten. Natürlich ist noch längst nicht alles in Butter. Wir Die Europäische Kommission hat schon heute Maß- müssen in drei Bereichen besser werden. Ich nenne diese nahmen und Instrumente vorgelegt, die den Abbau dieser drei Bereiche die drei Sicherungspfeiler des Euro. Non-performing Loans unterstützen sollen. Das steht ak- tuell im Vordergrund. Der erste Pfeiler betrift die Haushalts- und Wirt- schaftspolitik. Wir haben gelernt, dass ein Währungsraum ohne Koordinierung der Haushalts- und Wirtschaftspoli- Vizepräsident : tik der Euro-Mitgliedstaaten nicht funktioniert. Das Eu- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus ropäische Semester ist schon heute ein gutes Instrument. der AfD-Fraktion? Wir sollten zusätzlich den Fiskalpakt in seinen Kernele- menten ins EU-Recht überführen. Metin Hakverdi (SPD): (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Nein, danke. – Danke, Lothar. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) Der zweite Stabilitätspfeiler des Euro ist die Unter- stützung von Euro-Mitgliedstaaten, die durch makro­ Liebe Kollegen von der FDP, vor diesem Hintergrund ökonomische bzw. asymmetrische Schocks besonders lehnen wir Ihren Antrag heute natürlich ab. Wie lange schwer getrofen werden. Mit dem Europäischen Sicher- wollen Sie noch zögern? Kommen Sie zurück, und las- (B) heitsmechanismus haben wir ein gutes Instrument, das sen Sie uns darüber sprechen, wie wir unser Land stark (D) wir zu einem Währungsfonds weiterentwickeln wollen. machen können. Er soll Mitgliedstaaten schon dann unterstützen können, 1950 hatte der damalige französische Außenminister wenn diese in die Krise zu schlittern drohen. Das ist der Robert Schuman einen ebenso kühnen wie weisen Plan. günstigere Weg für alle Mitgliedstaaten. Ich zitiere den Außenminister Frankreichs: Der dritte Stabilitätspfeiler des Euro ist schließlich die Die französische Regierung schlägt vor, die Ge- Banken- und Kapitalmarktunion. Mit der Bankenunion samtheit der französisch-deutschen Kohle- und wollen wir verhindern, dass auf den Finanzmärkten ohne Stahlproduktion einer gemeinsamen Hohen Behör- Rücksicht auf die Steuerzahler wild spekuliert wird, dass de zu unterstellen, in einer Organisation, die den an- Gewinne privatisiert, Verluste aber dem Steuerzahler auf- deren europäischen Ländern zum Beitritt ofensteht. erlegt werden. Daher war es richtig, die systemrelevanten Banken der Euro-Zone mit einer einheitlichen Aufsicht Die deutsche Bundesregierung wurde nur wenige Stun- und einer einheitlichen Abwicklung – den ersten beiden den zuvor über das Vorhaben informiert, stimmte aber – Säulen der Bankenunion – an die Leine zu nehmen. ebenso kühn und weise – zu, und das nur fünf Jahre nach Kriegsende. An diese Stelle gehört auch der Verhandlungserfolg unseres Finanzministers Olaf Scholz. Im Ecofn-Rat gab Der Rest ist Geschichte: Die Montanunion wurde es vor 14 Tagen eine Einigung darauf, dass Banken noch eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Sie machte wirt- mehr Kapital für den Fall einer Krise vorhalten müssen. schaftlich Sinn und trug zum Wirtschaftswunder bei, sie Mit diesen Pufern wird die Wahrscheinlichkeit, dass der sicherte den Frieden, indem sie die Grundlagen der Rüs- Steuerzahler einspringen muss, weil Banker sich verspe- tung teilte, und das vielleicht Wichtigste ist: Sie schuf kuliert oder Fehler gemacht haben, signifkant reduziert. dauerhaft Vertrauen. Aus Feinden wurden Freunde. Die Wir hofen und erwarten, dass diese Einigung auch am Montanunion legte das Fundament für die europäische Ende des Trilogverfahrens stehen wird. Einigung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich frage mich heute manchmal, wie wir alle hier an- stelle der deutschen Regierung Robert Schuman damals Um den Schutz des Steuerzahlers zu erhöhen, brau- geantwortet hätten. Wir alle sollten uns diese Frage stel- chen wir noch eine Letztsicherung für den Abwicklungs- len: Hätten wir den nötigen Mut aufgebracht? fonds. Elke König, ehemalige Chefn der BaFin und heu- te Chefn der europäischen Bankenabwicklungsbehörde Liebe Kolleginnen und Kollegen, was im 20. Jahrhun- in Brüssel, hat dies in dieser Woche im Finanzausschuss dert Stahl und Kohle waren, sind heute die Finanzmärkte 3582 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Metin Hakverdi (A) in ihrer grundlegenden Bedeutung für unsere Wirtschaft. Koalition den vorliegenden Vorschlag der Kommission (C) Was damals die Montanunion schafte, muss im 21. Jahr- aufgreift, die Einlagensicherung zu vergemeinschaften? hundert die Bankenunion leisten. (Antje Tillmann [CDU/CSU]: Die Frage hätte (Beifall bei der SPD) ich gern beantwortet!) Sie wird unseren Wohlstand und Frieden sichern und Auch heute kam dies wieder bei Frau Tillmann und das Vertrauen schafen, das wir für eine dauerhafte Sta- eben auch bei dem Kollegen aus ; hier habe ich bilität der Europäischen Union brauchen. Seien Sie so eigentlich auf sein Insiderwissen als Hamburger speku- kühn und weise wie die Gründungsväter der Europäi- liert, deshalb kommt diese Intervention erst jetzt: Um wie schen Union! viel Prozent müssen die 800 Milliarden Euro notleiden- der Kredite reduziert sein, damit in diesem Haus ernst- Vielen Dank. haft dieses Wahnsinnsvorhaben der Vergemeinschaftung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE der CDU/CSU) GRÜNEN]: Sie hatten angekündigt: kurz!) dieser bereits abschreibungswürdigen Kredite angegan- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: gen wird? Herzlichen Dank, Herr Kollege Hakverdi. – Bevor ich Vielen Dank. den nächsten Redner aufrufe, hat die AfD-Fraktion um eine Kurzinvention des Kollegen Boehringer gebeten. – (Beifall bei der AfD) Einen kleinen Moment, bitte, Herr Boehringer.

Ich habe vernommen, dass meine sehr geschätzte Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Kollegin Claudia Roth Sie gebeten hat, auf Kurzinter- Herr Kollege Hakverdi, möchten Sie antworten? ventionen möglichst zu verzichten und sich auch mit Zwischenfragen zurückzuhalten. Es hat sich gestern Metin Hakverdi (SPD): Nacht bewährt, dass wir von den Regelungen des § 35 Herr Kollege, wenn das die kurze Version Ihrer Kurz- der Geschäftsordnung Gebrauch gemacht haben, sonst intervention war, dann möchte ich nicht die lange Versi- hätten wir bis 3 Uhr getagt. Wir haben es geschaft, die on hören. Sitzung vor 2 Uhr zu beenden. Da heute sehr viel auf der Tagesordnung steht, bitte ich tatsächlich alle Beteiligten, (Zuruf von der AfD: Eine Minute!) sich möglichst zurückzuhalten, was kein Eingrif in die Ganz kurz: Das ist ein Grundproblem. In der öfent- (B) Debattenkultur sein soll. lichen Anhörung am Anfang dieser Woche, bei der Sie (D) nicht dabei waren, sonst hätten Sie das gehört – das ist Ich erteile nunmehr für eine Kurzintervention dem keine Geheiminformation –, haben wir darüber gespro- Kollegen Boehringer das Wort. chen, auf welches Niveau diese Kredite fallen müssten. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Da war bei allen Sachverständigen die einhellige Mei- Keine Redezeit bekommen, oder wie?) nung, dass es kein formelles Kriterium, nach dem Sie ständig fragen, geben kann. Peter Boehringer (AfD): Es geht nicht darum, ob eine bestimmte Prozentzahl Danke, Herr Präsident. – Die Kurzintervention wird erreicht wird, sondern es geht insgesamt um die öko- in der Tat kurz. Ich spare sogar Zeit, denn ich hätte diese nomische Situation der kreditausgebenden Institute, die Frage auch schon einmal bei der Frau Kollegin Tillmann betrofen sind. Es geht nicht nur nach Ländern, sondern stellen können. auch nach Kreditinstituten. Wir müssen uns sehr viel Mühe geben, uns das alles sehr genau anschauen. Dann (Antje Tillmann [CDU/CSU]: Hätten Sie es muss man am Ende eine sachlich-vernünftige Entschei- mal besser gemacht!) dung trefen. Konkret: Es ist immer der gleiche Textbaustein, der an Wer heute schon Nein sagt, Njet, egal, was kommt, dieser Stelle kommt: EDIS und die Einlagensicherung. dem ist es egal, wie sich die Kredite und die Kapitalisie- rung italienischer Banken entwickeln. Wer aber weise ist Wir haben wirklich alles versucht, auf allen parlamen- und der Meinung der Sachverständigen und der der Fach- tarischen Ebenen, in den Ausschüssen, etwa im EU-Aus- leute folgt, der wird in Zukunft ganz genau schauen, wie schuss und im Unterausschuss Europa, in parlamentari- sich der Börsenkurs von verschiedenen Kreditinstituten schen Befragungen, von Staatssekretären bis hinauf zum entwickelt, der wird schauen, wie sich die notleidenden Minister, hier im Plenum, Kredite entwickeln. Er wird am Ende in der Gesamtschau (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE eine verantwortungsvolle Entscheidung trefen müssen, GRÜNEN]: Kurz!) so wie das in den letzten Jahrzehnten in der Europäischen Union der Fall war. um die Frage beantwortet zu bekommen – sie ist immer Vielen Dank. gleich –: Um wie viel Prozent müssen die sogenannten notleidenden Kredite der Euro-Südländer und deren Ban- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ken abgebaut sein, bevor die Bundesregierung und die der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3583

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Maßnahmen, die eine weitere Aufblähung der Finanz- (C) Herzlichen Dank. – Als Nächstes erteile ich dem Kol- märkte dämpfen könnten, wie die Wiedererhebung einer legen Jörg Cezanne das Wort für die Fraktion Die Linke. Steuer auf große Vermögen, höhere Löhne und Gehälter oder die Stärkung der umlagefnanzierten Renten- und (Beifall bei der LINKEN) Krankenversicherungen haben nicht oder nur unzurei- chend stattgefunden. Die Linke wird nicht nachlassen, Jörg Cezanne (DIE LINKE): sich hierfür einzusetzen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- ren! Die Dimension der Diskussion, die wir heute führen, (Beifall bei der LINKEN) erhellt sich aus meiner Sicht erst vor dem Hintergrund eines Ereignisses, das jetzt gut zehn Jahre zurückliegt. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, Am 15. September vor zehn Jahren wurde mit dem Zu- ist es höchst problematisch, die Einlagensicherung mit sammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers neuen Aufgaben zu betrauen. Grundsätzlich ist es natür- der Höhepunkt der Finanzmarktkrise, einer der tiefsten lich richtig, dass mehr Versicherte gemeinsam größere Wirtschaftskrisen in der Geschichte des Kapitalismus, Risiken schultern können. Das gilt auch für die Europä- erreicht. ische Union und für die europäische Ebene. Noch wich- tiger aber wäre es, die Risiken, die zum Beinahezusam- Diese Finanzmarktkrise hat schonungslos die Unhalt- menbruch des Finanzsystems geführt haben, wirksam barkeit des herrschenden Finanzsystems ofengelegt. zu verringern. Und genau hieran hapert es, nicht nur in Nach diesem Beinahezusammenbruch wurden Debatten anderen Ländern, sondern auch in Deutschland. über unterschiedlichste Maßnahmen geführt und darüber, wie man ihm entkommen kann. Eine dieser Maßnahmen (Beifall bei der LINKEN) ist die Ausweitung der Einlagensicherung auf die europä- ische Ebene. Damit sollen die Bankkunden in der gesam- Bei der Einlagensicherung geht es auch um Größen- ten EU vor dem Verlust ihrer Spareinnahmen auch dann ordnungen, und aus unserer Sicht sogar mehr als um die geschützt werden, wenn die Reserven der jeweiligen na- Frage, ob für deutsche oder für ausländische Banken. Die tionalen Einlagensicherungssysteme nicht ausreichen. So Bilanzsumme einer durchschnittlichen Sparkasse beträgt weit, so gut. ungefähr 3 Milliarden Euro, die einer durchschnittlichen Volksbank sogar nur 1 Milliarde Euro. Die Bilanzsumme Unser Hauptkritikpunkt ist, dass es durch die euro- der Deutschen Bank hingegen betrug 2017 1 500 Milli- päischen Regierungen und die Europäische Union ver- arden Euro. Das ist annähernd die Hälfte der gesamten säumt wurde, die weiter gehenden Lehren aus dieser Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik Deutschland. (B) Krise umzusetzen. Bis heute gibt es keine Steuer auf (D) Finanztransaktionen, mit der kurzfristige Spekulationen Während das Bankgeschäft der Sparkassen und Volks- zurückgedrängt werden, ohne langfristige Investitionen banken seriös ist und sich an den Bedürfnissen der Men- zu belasten. Die Gespräche in der Verstärkten Zusam- schen, der Städte und Gemeinden und der Realwirtschaft menarbeit müssen vom neuen Bundesfnanzminister orientiert, ist das bei börsennotierten Großbanken im dringend wieder angeschoben werden. Inland wie im Ausland nicht unbedingt immer der Fall. (Beifall bei der LINKEN) Beide Bankenklassen in einen Topf zu werfen, ist höchst problematisch. Das ist dann kein solidarisches Teilen von Nach wie vor gibt es keinen Finanz-TÜV, der neue Risiken. Dann nutzen globale Finanzkonzerne wie BNP Finanzprodukte vor deren Einführung prüft. Das ist drin- Paribas oder die Banco Santander quasi als Trittbrettfah- gend geboten; bei Toastern geht es ja auch. rer die Stabilität der Sparkassen und Genossenschafts- (Beifall bei der LINKEN) banken aus. Der weitgehend unregulierte Schattenbanksektor Meine Damen und Herren, nicht nur aus unserer wächst mit erhöhtem Tempo weiter: Allein der Vermö- Sicht darf es eine Europäisierung der Einlagensiche- gensverwalter BlackRock hat seit der Krise sein ver- rung zwischen Banken nur für Kreditinstitute mit ähn- waltetes Vermögen von 1 300 Milliarden US-Dollar auf lichem Risikoprofl und Geschäftsmodell geben, so wie 6 300 Milliarden US-Dollar fast verfünfacht. Hier muss es in Deutschland traditionell gehandhabt wird: Öfent- die Aufsicht ausgeweitet und vertieft werden. lich-rechtliche Sparkassen, genossenschaftliche Volks- (Beifall bei der LINKEN) banken und private Geschäftsbanken – die drei Säulen – haben ihre eigenen Einlagensicherungssysteme. Im Kern der Finanzkrise von 2007 standen soge- nannte Derivate. Das sind, sehr verkürzt ausgedrückt, Eine Europäisierung der Einlagensicherung ist prinzi- Finanzprodukte, die aus anderen Geschäften abgeleitet piell sinnvoll und kann helfen. Eine Einlagensicherung, werden. Sie sind häufg schwer durchschaubar und oft die die ungebremsten Risiken des heutigen Kasino-Kapi- hoch spekulativ. Dieser Bereich hat ebenfalls weiter an talismus für die ganze EU zusammenfassen will, lehnen Umfang zugenommen. Nur um einmal die Größenord- wir ab. nung deutlich zu machen: Während in Deutschland 2015 Aktien im Wert von 9 600 Milliarden Euro gehandelt Ich danke Ihnen. wurden, erreichten Derivatgeschäfte einen Umfang von 229 000 Milliarden Euro. (Beifall bei der LINKEN) 3584 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Wir müssen uns deswegen weiterhin viel Mühe mit der (C) Herzlichen Dank, Herr Kollege Cezanne. – Als Nächs- Bankenaufsicht geben. Wir brauchen weiterhin die gute, tes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin europäische Bankenabwicklung, aber am Ende auch eine Dr. Franziska Brantner. Einlagensicherung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ja, die Europäische Kommission macht auch unse- rer Meinung nach einen Fehler, indem sie die komplette Vergemeinschaftung der nationalen Einlagensicherungs- (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Franziska Brantner systeme fordert. Klüger wäre nach unserer Meinung eine NEN): europäische Rückversicherung der nationalen Töpfe, die Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen nur im Fall einer nationalen Überforderung greift. Da und Herren! Die europäische Bankenunion muss end- sind wir bei Ihnen. Wir wollen keine Gesamtversiche- lich auf eine nachhaltige und stabile Grundlage gestellt rung im Sinne des Vorschlags der Kommission, sondern werden. Mit dieser Forderung stehen wir Grünen nicht eine Rückversicherung. Eine solche europäische Rück- allein. Elke König, die deutsche Chefn der europäischen versicherung würde auch den Gestaltungsspielraum bie- Bankenabwicklungsbehörde, weist immer wieder darauf ten, um nationale Sicherungssysteme wie die der Spar- hin, wie wichtig eine gemeinsame Einlagensicherung für kassen und Genossenschaftsbanken zu integrieren und die Finanzstabilität in Europa ist. Sie hat das auch hier im Unterschiedlichkeit zu ermöglichen. Finanzausschuss getan, und sie ist beileibe keine grüne Radikale. Herr Toncar, ein Satz zu Ihrem Argument zur Letztsi- cherung. Sie selber haben gesagt, es gehe um Kredite. Es (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Mit geht also nicht um Geschenke. Sicherheit nicht!) (Dr . Florian Toncar [FDP]: Aber um Geld!) Herr Toncar, Sie haben es vorhin selber gesagt: Es ist so gut wie unmöglich, dass die aktuellen Regelungen Kredite bedeuten aber, dass man sie zurückzahlt. Das ist nicht ausreichen, wenn eine Bank pleitegeht. Aber „so auch der große Unterschied. Wir wollen nicht, dass das gut wie unmöglich“ ist halt nicht nie. Herr Toncar, für Geld de facto vom Steuerzahler kommt, sondern dass es den Fall, dass es doch einmal passieren sollte – wir wün- einen Kredit gibt, der bitte schön zurückgezahlt wird. schen uns das alle nicht, keiner von uns, aber Sie haben (Dr. Florian Toncar [FDP]: Ja, hofentlich!) selber gesagt, ausschließen kann man es nicht –: Was ist darauf Ihre Antwort? Darauf haben Sie in Ihren Anträgen Herr Toncar, das macht einen wesentlichen Unterschied keine Antwort geliefert. in der Debatte aus. (B) (Dr . Florian Toncar [FDP]: Doch, einzelne (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (D) Sicherungssysteme überall in ganz Europa!) sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) Das ist das Risiko, das Sie als FDP bereit sind einzuge- hen, Herr Toncar. Der Status quo bedeutet: Der Steuerzahler zahlt es. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Dr . Florian Toncar [FDP]: Nein!) Wir haben in Deutschland auch erlebt, dass eine Ein- Und hier gibt es einen Vorschlag, der sagt: Es gibt Kredi- lagensicherung im Bereich der Privatbanken nicht aus- te, die zurückgezahlt werden müssen. – Da weiß ich, wo gereicht hat und der Steuerzahler einspringen musste. meine Präferenz liegt. Es ist traurig, dass die FDP eine Auch die so viel gelobte Institutssicherung bei den Spar- andere hat. kassen hat im Fall der Landesbanken nicht ausgereicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Nur in Irland und Griechenland wurde mehr Steuergeld sowie bei Abgeordneten der SPD) für die Rettung strauchelnder Banken ausgegeben als in Deutschland. Wenn man die Überforderung nationaler Herr Toncar, wenn Sie in Ihrem Antrag – wie es Tei- Sicherungssysteme vermeiden will, muss man das Risiko le der CDU/CSU tun – wenigstens sagen würden: „Wir auf mehrere Schultern verteilen. Wir haben europaweit brauchen noch weitere Risikovermeidung“, dann könn- eine Garantie für 100 000 Euro gegeben. Wir haben nun ten wir darüber sprechen. Aber in Ihrem Antrag sagen die Kontrolle zwar nicht zentralisiert, wohl aber europä- Sie: Selbst wenn es weitere Risikovermeidung gibt, isiert. Wir haben eine Abwicklung mit Gläubigerbeteili- selbst wenn wir da bis an das Ende gehen, wollen wir gung. Für uns gehören – das ist eines der Prinzipien der gar keine Form einer gemeinsamen Einlagensicherung. marktwirtschaftlichen Ordnung – Kontrolle und Haftung Diese Totalblockade, Herr Toncar, ist eigentlich Aufgabe zusammen. der anderen Oppositionsfraktion, die noch weiter rechts sitzt. Uns wundert es, dass Sie sich dieser Totalblockade (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anschließen. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Florian Das ist ein Prinzip, das die FDP immer wieder propa- Toncar [FDP]: Das ist kein sachliches Argu- giert, aber in dieser Debatte komplett ignoriert. ment!) Wenn Kosten und Nutzen, Kontrolle und Haftung Wir können gerne darüber diskutieren, welche weite- nicht beisammen sind, kommt nichts Gutes dabei heraus. ren Risikovermeidungen wir brauchen, welche Risiko- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3585

Dr. Franziska Brantner (A) bewertungen bei der Einlagensicherung notwendig sind, ritätsrüge, nach dem Motto: Das geht Europa nichts an. (C) wie wir die Rückversicherung ausgestalten, dass es für Sie wollen die Risiken in anderen Ländern gar nicht ent- die Sparkassen klappt. Aber Ihre Argumentation in Ih- sprechend minimieren. – Das ist ein wahres Kunststück. rem Antrag: „Nie und nimmer eine Einlagensicherung, egal in welcher Form“, das ist keine seriöse Politik und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gibt keine Antwort auf die Frage, wie wir uns in einer neten der SPD, der LINKEN und des BÜND- gemeinsamen Währungsunion stabil und krisenfest auf- NISSES 90/DIE GRÜNEN) stellen. Die Kanzlerin hat bei ihrer Befragung klipp und klar (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) das Prinzip „Eigenverantwortung und Solidarität“ her- Und wir haben die Aufgabe, dieses gemeinsame europä- vorgehoben. Lassen Sie mich – inzwischen ist ja alles ische Haus wetterfest zu machen, weil: Ein zweites Haus kalkulierbar, zumindest heute – kurz auf die entsprechen- haben wir nicht. den Zeitungsartikel, die immer zitiert werden – ich habe sie dabei –, eingehen. Ich danke Ihnen und hofe, dass wir noch weitere gute Gespräche in dieser Legislaturperiode haben und wir Die Rechtsgrundlage ist aus unserer Sicht klar: Es das nächste Mal wirklich im Detail über Ausgestaltung muss national bleiben. Wir müssen als nationales Parla- diskutieren können und nicht über eine Blockade reden ment bei der Weiterentwicklung als nationale demokrati- müssen. sche Kontrolle weiterhin dabei sein. Den Abbau der NPLs usw. hat die Kollegin Tillmann dargelegt. Herr Hakverdi, Ich danke Ihnen. ich habe damit gerechnet, dass Sie Herrn Weidmann zi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tieren werden; ich habe seine Pressemitteilung da. Bis zu sowie bei Abgeordneten der SPD) einem gewissen Teil besteht zwischen Ihnen anscheinend Konsens. Bloß zum Schluss sagt er:

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vor der Schafung einer Einlagensicherung müssten Herzlichen Dank, Frau Kollegin Dr. Brantner. – die resultierenden staatlichen Ausfallrisiken in den Als Nächstes für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Bankbilanzen ebenso verringert werden wie die not- Alexander Radwan. leidenden Kredite. (Beifall bei der CDU/CSU) Also, er hat klipp und klar unsere Position, die der Union, klipp und klar die von Herrn Schäuble und klipp Alexander Radwan (CDU/CSU): und klar die des Finanzministers Scholz vertreten. Das ist (B) (D) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und die Voraussetzung dafür, dass wir darüber reden. Herren! Wir diskutieren heute wieder die europäische Einlagensicherung unter verschiedensten Aspekten. Aber (Zustimmung des Abg. Metin Hakverdi lassen Sie mich eins vorwegsagen: Ich habe noch nie ei- [SPD]) nen Redebeitrag in diesem Haus gehört, in dem das Wort „ökonomische Vernunft“ so oft vorkam und dabei gar – Wenn Sie jetzt nicken, nehme ich das freudig zur nicht von selbiger geprägt war. Kenntnis. Denn teilweise habe ich in den Redebeiträgen einen anderen Eindruck gewonnen. Aber ich nehme ein- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU so- fach mit: Sie nicken, und Sie sagen: Das sind die Voraus- wie bei Abgeordneten der SPD und der FDP) setzungen dafür, dass wir über eine Einlagensicherung Es war ein absolutes Kunststück, dies hier so vorzufüh- reden. ren. Letztendlich ist man der Meinung: Finanzmärkte sind ein nationales, regionales Thema, dem man am bes- (Beifall bei der CDU/CSU – Lothar Binding ten in den Länderparlamenten begegnen sollte. Da brau- [Heidelberg] [SPD]: Reden tun wir schon vor- che ich gar nicht über die Zukunft Europas zu reden. her darüber!) Einer der Vorredner hat ja die internationale Finanz- Das ist der richtige Weg: Erst muss abgebaut werden, und krise angesprochen. Ich denke, Deutschland hat hier her- dann muss der nächste Schritt gegangen werden. vorragend reagiert; Europa hat hier reagiert und hat auch entsprechende Konsequenzen daraus gezogen. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Genau so!) Aber hier so zu tun, als wenn man durch Nichtstun die internationalen Finanzmärkte beiseiteschieben könnte Herr Toncar, Sie haben, wie so oft in dieser Woche, und die Auswirkungen selbiger auf Deutschland und Eu- die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ zitiert. ropa damit negieren könnte, bringt mich dazu, Ihnen zu Ihre Wiedergabe war, soweit ich es verstanden habe: Da sagen: Gehen Sie in Ihr Schneckenhaus zurück! Machen war eigentlich gar nichts zur Bankenunion außer die- Sie dort Politik! Die Krönung war die Kurzintervention sem einen Punkt. – Vielleicht habe ich einen anderen des Kollegen Boehringer, der jetzt die Flucht ergrifen Teil bekommen. Es stand relativ viel drin. Es gibt einen oder Wichtigeres zu tun hat: Ausgerechnet dort, wo es Punkt, der mir hier in der Diskussion völlig untergeht: im Finanzausschuss im Zusammenhang mit der europä- Die Kanzlerin hat hier wie auch sonst klipp und klar ischen Gesetzgebung um die Risikominimierung in den gesagt – unsere Position ist es auch –: Der ESM muss europäischen Banken ging, erteilt die AfD eine Subsidia- zukünftig generell – nicht nur bei langfristigen, sondern 3586 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Alexander Radwan (A) auch bei kurzfristigen Krediten – schauen, ob die Regeln Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): (C) des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes ein- Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! gehalten werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wer Europa, (Dr . Florian Toncar [FDP]: Das hat aber wer die Europäische Union will, der wird in der heutigen nichts mit der Bankenunion zu tun!) Debatte viele Dinge anders beurteilen als jemand, der glaubt, Deutschland käme auf alle Zukunft ganz alleine Ist das ein wichtiger Beitrag, Herr Toncar, zur Stabilisie- zurecht. Diesen Unterschied kann man ganz deutlich hö- rung der Finanzmärkte in Europa, oder nicht? ren; danach wird alles beurteilt. Ich habe immer gedacht, die Zeit wäre vorbei, in der wir gedacht haben, Deutsch- (Dr. Florian Toncar [FDP]: Währungsunion!) land käme alleine zurecht. Wenn es das ist, dann würde ich es gerne mal hier von (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ja, Ihrer Seite zitiert haben; denn es ist ein wichtiger Beitrag das ist Schnee von gestern! Rückwärtsge- zur Unabhängigkeit von der Kommission. Die Entpoliti- wandt!) sierung der Regeln ist ein wichtiger Schritt. Es ist klug, sich auf die Seite zu schlagen, die sagt: Wir (Dr . Florian Toncar [FDP]: Ja, richtig!) brauchen Europa; es ist klug, sich in diesem Verbund zu Wenn in Ihren Anträgen Entsprechendes auftaucht, dann bewegen. würde ich mir wünschen, dass zum Ausdruck kommt, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ dass man das will und in diese Richtung geht. DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Heribert (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hirte [CDU/CSU]) Dr . Florian Toncar [FDP]: Aber das ist nichts Beide Antragsteller lehnen die europäische Einlagen- zur Bankenunion!) sicherung apodiktisch, also auf alle Ewigkeit und grund- – Aber es dient der Stabilisierung des Wirtschaftsraumes sätzlich, ab. Daran merkt man: Da ist wenig Europa drin, in diesem Bereich. da ist aber auch wenig für die Bürger drin. Denn wer glaubt, dass exogene oder asymmetrische Schocks, also (Dr . Florian Toncar [FDP]: Ja, klar! Einver- Dinge, auf die wir überhaupt keinen Einfuss haben, auf standen!) alle Ewigkeit auszuschließen sind, der geht leichtfertig – Ich deute Ihre Äußerung jetzt so, dass Sie diesen Punkt mit unserer Zukunft um. der Kanzlerin ausdrücklich unterstützen. Die Frage ist: Was passiert eigentlich mit unserem (B) (Dr . Florian Toncar [FDP]: Absolut!) Geld? Wir haben heute von Eigenverantwortung gehört, (D) wenn wir es der Bank geben. Die Antwort ist einfach: Darüber freuen wir uns. Damit kommen wir ein Stück Wenn Sie als Zuschauer Ihrer Bank Geld geben, dann ha- weit voran. Sie wissen ja: So langsam kommen wir damit ben Sie das Risiko, dass Sie es nicht zurückkriegen – ganz im Dialog voran. Wichtig ist, wie gesagt, dass wir hier klar. Das fanden wir Politiker aber nicht gut. Deshalb ha- die Ziele erreichen. ben wir gesagt: Die Bank hat auch eine Verantwortung für Ihr Geld. – Da das aber nicht so total geht, haben wir Ich möchte noch ganz kurz auf die 8 Prozent eingehen, gesagt – europäisch einheitlich –: Wenn Sie als Kunde ei- weil mir das wichtig ist. Die 8 Prozent sind zwar festge- ner Bank bis zu 100 000 Euro geben – 100 000 Euro pro schrieben – das hat Frau König gesagt –, aber wir müssen Bank und pro Kunde –, dann sind Ihnen 100 000 Euro alles daransetzen, dass die 8 Prozent in den Mitgliedstaa- sicher; sie werden europäisch abgesichert. Geben Sie ten der Europäischen Union in diesem Sinne implemen- der Bank mehr – die meisten von Ihnen haben bestimmt tiert und eingehalten werden. Dann ist es erst möglich, jederzeit mehr als 100 000 Euro abzugeben; wir haben den nächsten Schritt zu gehen. ja viele reiche Leute im Land –, dann ist es nicht mehr Lassen Sie mich noch mal sagen: Finanzminister ohne Weiteres gesichert. Dann nennen wir es anders: Wir Scholz hat in der Tradition von Wolfgang Schäuble unse- nennen es Wertberichtigung oder Wandlung. Das heißt re volle Unterstützung. Ich würde mich freuen, wenn alle auf gut Deutsch: Wenn Sie eine Einlage bei Ihrer Bank hier im Deutschen Bundestag, insbesondere die, die mit haben, wird sie in Eigenkapital der Bank gewandelt, ihm regelmäßig reden, ihn dabei unterstützen, so wie es das heißt, wenn es der Bank schlecht geht, gehört die die Unionsfraktion macht. Überbieten Sie uns noch da- Anleihe Ihnen gar nicht mehr – aber nur oberhalb von bei; dann wäre es noch besser. 100 000 Euro. Jetzt sieht man: Wir geben den Banken Verantwortung, und Sie als Kunden tragen für Beträge Besten Dank. oberhalb von 100 000 Euro selbst eine Verantwortung. (Beifall bei der CDU/CSU) Bis zu diesem Betrag sichert die Politik ab, dass da nichts passiert.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Diesen Prozess hinzubekommen, dass nichts passiert, Herzlichen Dank, Herr Kollege Radwan. – Als Nächs- wenn eine Bank in Schiefage kommt, ist das große Pro- tes für die SPD-Fraktion der Kollege Lothar Binding. blem. Was machen Sie als Kunden, wenn eine Bank in Schiefage kommt? Sie lesen davon, Sie hören davon, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Sie gehen dahin. Wir nennen es Bank Run. Sie sagen: der CDU/CSU) Ich will dahin und mein Geld zurück. – Es ist aber so: Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3587

Lothar Binding (Heidelberg) (A) Das Geld, das Sie dort abgegeben haben, hat die Bank seriöse Basis stellen. Auf gut Deutsch: Wir wollen, dass (C) ja gar nicht im Tresor. Nur etwa 10 Prozent des Geldes die, die die Probleme gemacht haben, sie lösen, und dann liegt überhaupt dort; alles andere liegt ganz woanders. kümmern wir uns gemeinsam um die Zukunft und tragen Wir nennen es Giralgeld. Das ist Geld, das man nicht an- Sorge, um exogene und sonstige Schocks abzuwehren. fassen kann. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wenn es jetzt plötzlich – Kollege Hakverdi hat es an- gedeutet – einen Bank Run in Spanien gibt und der Euro, Insofern: Eine klare Basis, dann eine gute Einlagensiche- weil in Spanien etwas passiert, möglicherweise unter rung für Europa, und dann sind wir für die Zukunft gut Druck gerät, dann sagen wir, weil Deutschland zu Europa aufgestellt. gehört: Wir müssen uns um alles kümmern. – Deshalb ist Deshalb glaube ich: Es ist ganz klug, Ihre noch nicht es so wichtig, dass wir den europäischen Blick schärfen, so gut überlegten Anträge, die aber im Einzelfall mit gu- uns breiter aufstellen, um Ihr Geld besser zu schützen, als ten Vorschlägen versehen sind – deshalb müssen wir die wenn man einfach für sich bliebe. auch mitaufnehmen –, abzulehnen. Ich denke, Sie haben (Beifall bei Abgeordneten der SPD) nach dem, was Sie heute gehört haben, auch gelernt, dass das klug ist. Die Finanzkrise hat uns diese Schlussfolgerung nahege- legt; die Bankenunion wurde geschafen, um genau sol- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) che Schocks abzuwehren, um uns abzusichern. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Es ist ganz einfach: Wenn eine Bank in Schiefage kommt, dann geht es erst mal um die Einlagen, die ge- Herzlichen Dank, Herr Kollege Binding. – Als Nächs- wandelt werden; das habe ich schon erzählt. Dann gibt tes erteile ich für die CDU/CSU-Fraktion das Wort dem es einen Bankensicherungsfonds, in dem 55 Milliarden Kollegen Sepp Müller. Euro drin sein sollen – er ist noch nicht ganz voll –, der (Beifall bei der CDU/CSU) dann auch zur Verfügung steht. Und jetzt gibt es etwas, was Backstop heißt, nämlich die letzte Rettung, wenn es ein großes Problem gibt. Da gibt es jetzt den gro- Sepp Müller (CDU/CSU): ßen Europäischen Stabilitätsmechanismus, und da sind Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Steuergelder drin. Mit diesen Steuergeldern – das wurde und Herren! Mit Erlaubnis des Präsidenten nutze ich mal schon erwähnt – wird der Backstop gebildet. Da werden dieses Ei als kleines anschauliches Beispiel. sozusagen die letzten Mittel aktiviert, um das System (B) zu retten. Das Schöne ist: Dieses Geld fießt dann aus Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (D) dem Bankensystem zurück; das hat Franziska Brantner Wenn Sie es nicht schmeißen, ist das in Ordnung. eben auch erklärt. Es ist ganz wichtig, zu sagen, dass die Banken das zurückzahlen müssen. Diese Kreditlinie der (Heiterkeit) Öfentlichkeit zur Rettung des Systems für die Öfent- lichkeit – und das sind wir alle – ist eine ganz gute Idee, (CDU/CSU): die wir verfolgen. Sepp Müller Vor allem nicht nach hinten; ich passe auf. – Was hat (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ das Ei aus Mark Zwuschen mit Europa zu tun? Was hat DIE GRÜNEN) dieses Ei mit der Wirtschafts- und Währungsunion zu Und wir müssen aufpassen. Die Experten erklären uns tun? immer viel, aber es ist schon so: Die Krisen haben die Zu den vorliegenden Anträgen. Ja, Europa ist aktuell Experten gemacht, nicht die Laien; die Laien haben da- so fragil wie ein rohes Ei. Ja, gerade wir in der Politik runter zu leiden gehabt. Deshalb bin ich immer vorsich- müssen Europa als ganzes Ei betrachten: mit Schale, mit tig, wenn die Experten mir zu viel erzählen. Ich bin ganz weißem Bestandteil und gelbem Bestandteil. Übrigens, stolz darauf, dass die Aufsicht so gut ist. Natürlich ist das liebe Opposition: Das Gelbe vom Ei sind Ihre Anträge alles – Florian Toncar hat es erwähnt – diferenziert und nicht. nicht total. Total ist immer schlecht; es muss diferenziert und angepasst sein. Die Abwicklung muss europäisch ( [AfD]: Hui, das war jetzt einheitlich angepasst sein. lustig!) Last, but not least: Die gemeinsame Einlagensiche- – Ich freue mich, dass Sie sich darüber freuen. Das In- rung fehlt noch. Natürlich kann man die heute nicht ma- teressante daran ist, dass Ihr Redner, der Ihren Antrag chen, weil die Ausgangsbasis schlecht ist. Die SPD – das eingebracht hat, gar nicht mehr da ist. Anscheinend inte- wurde schon zitiert – hat sogar zweimal beschlossen, ressieren Sie sich nicht mal für Ihre eigenen Anträge. Das sie jetzt nicht zu machen. Logisch! Im Moment haben ist schon ganz schön traurig. wir nicht bediente Kredite im Umfang von ungefähr 700 ( [DIE LINKE]: Das ist oder 800 Milliarden Euro im Markt. Es gibt in so einem wirklich peinlich!) europäischen Austauschsystem noch ungefähr 700 oder 800 Milliarden Euro, die ein Problem machen. Da merkt Wir müssen uns in diesem Hohen Haus eigentlich die man schon: Es gibt noch Probleme im Markt. Wir wol- Frage stellen: „Wollen wir überhaupt über diese Anträ- len erst die Probleme lösen und das Ganze dann auf eine ge reden?“, weil es zwei Fraktionen gibt, die gar nicht 3588 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Sepp Müller (A) miteinander reden wollen. Die einen wollen gleich alles erfüllt sind. Dafür gibt es Anträge, die Anträge gelten, (C) beenden. Ich zitiere aus Ihrem Antrag: und deswegen lehnen wir die europäische Einlagensiche- rung ab. Beendigung der Aufsichtsfunktion der EZB über europäische Großbanken. (Beifall bei der CDU/CSU) Und: Ich sage es klar und deutlich: Das Sparkassen- und Volksbankensystem muss weiterhin Berücksichtigung Beendigung des Prinzips gegenseitiger Bankenhaf- fnden, die faulen Kredite müssen auf deutsches Niveau tungen. reduziert werden, Staatsanleihen müssen zukünftig auf- Was heißt das? Die AfD fordert die Abschafung des wachsend mit Eigenkapital hinterlegt werden, und – für Sparkassen- und Volksbankensystems in Deutschland, uns als Unionsfraktion ist das klar – ein einheitliches eu- und das werden wir nicht zulassen. Das solidarische ropäisches Insolvenzrecht muss geschafen werden. Sparkassensystem und das solidarische Volksbankensys- tem werden wir hier verteidigen, und Sie fordern die Ab- (Beifall bei der CDU/CSU) schafung mit der Beendigung des Prinzips gegenseitiger Wir freuen uns, dass der Bundesfnanzminister nicht Bankenhaftungen. nur das Geld in der Hand hat, sondern auch – nachhaltig – (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- das Gelbe vom Ei. Wir freuen uns, dass er sich den Aus- ordneten der SPD) führungen seines Amtsvorgängers Wolfgang Schäuble, anschließt und genau dieser Argumentation folgt: Es ist Demokratie lebt vom Miteinanderringen um die rich- Zeit, dass die Risiken reduziert werden. – Dazu stehen tigen Lösungen. Das Besondere daran ist, dass anschei- wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir wollen gemeinsam nend die Liberalen besonders mit sich gerungen haben, Europa stark machen, gemeinsam das Ei ganzhalten. Da- den Antrag einzubringen; denn erst vor 48 Stunden haben für kämpfen wir. wir den Antrag erhalten. – Das zum Thema, wie man sich auf solche Anträge vorbereitet. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wir Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte. sind ja großzügig!) – Genau. Sepp Müller (CDU/CSU): (Dr . Florian Toncar [FDP]: Wir werden Sie Dafür ergreife ich persönlich für meine Generation daran messen!) Partei. Bis zum letzten Wimpernschlag werde ich hier (B) vorne kämpfen für die Prinzipien von Europa: Frieden, (D) Meinen Sie, dass zwei Tage Vorbereitung ausreichend Freiheit und wirtschaftlicher Wohlstand. sind, um über die Zukunft von Europa zu beraten? (Beifall bei der CDU/CSU) (Dr . Florian Toncar [FDP]: Wir haben das Parteiengesetz auch sehr kurzfristig erhalten!) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Ich meine, wir müssen Europa als ganzes Ei betrach- Herzlichen Dank, Herr Kollege. Die Tatsache, dass ten. Warum? Kennen Sie Wikana? Wikana ist eines der Sie das Ei eingesteckt haben, deutet darauf hin, dass es letzten verbliebenen Familienunternehmen im Bereich gekocht ist, und nicht roh. der Keksherstellung im Osten Deutschlands, in meiner Heimat, aus der Lutherstadt Wittenberg. Mit Wikana sind Als Nächstes erteile ich Dr. Frauke Petry, fraktionslo- der Hansa Keks und der Othello Keks jetzt querfeldein se Abgeordnete, das Wort. durch die ganze Welt unterwegs. Bereits 14 Prozent des Umsatzes werden durch den Export erwirtschaftet, davon Dr. Frauke Petry (fraktionslos): 64 Prozent in Frankreich. Warum erzähle ich Ihnen das? Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Weil Europa 22 Arbeitsplätze in meiner Heimat sichert. Herren! Ich nehme mir die Freiheit, keine Eierdiskussion Kennen Sie einen der größten Impfstofhersteller in zu führen, Herr Müller, sondern eine Sachdiskussion. Die Deutschland, ja, in meiner Heimat, in Dessau-Roßlau, Frage, die Sie den Bürgern beantworten müssen, die die das Impfstofwerk Dessau-Tornau? 42 Prozent der dort FDP aber leider mal wieder nur halbherzig angeht, lautet: erzeugten Produkte werden innerhalb der Europäischen Ist eine europäische Einlagensicherung besser als die, die Union verschickt. Jeder zweite Arbeitsplatz dort – es gibt wir bereits haben? Werden die Einlagen dadurch sicherer, knapp 2 000 gutbezahlte Beschäftigte – proftiert von Eu- ja oder nein? Die Frage lautet nicht, wie die SPD gerne ropa. Die europäische Wirtschafts- und Währungsunion glauben machen will: „Wollen wir mehr oder weniger ist also ein Segen für uns in Deutschland. Europa?“, sondern: Ist das, was Sie unter mehr Europa verstehen – eigentlich müsste es heißen: mehr Steuern, Wenn der Impfstofhersteller und der Kekshersteller, mehr Abgaben, mehr Zentralisierung, mehr Sozialis- also die deutsche Wirtschaft, von Europa proftieren, mus –, für die Bürger wirklich besser? Die klare Antwort warum soll dann nicht auch die europäische Finanzwirt- von uns von der Blauen Partei schaft von unseren Bedingungen proftieren? Es kann eine europäische Einlagensicherung zum aktuellen Zeit- (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wer punkt nicht geben, weil die deutschen Prämissen nicht ist das denn?) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3589

Dr. Frauke Petry (A) lautet: Nein, das ist nicht besser; denn die Krisen der Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (C) vergangenen Jahre zeigen, dass die europäischen Si- Vielen Dank, Frau Dr. Petry. – Nun zum Schluss der cherungsmechanismen allesamt versagt haben. Wer hat Kollege Professor Dr. Heribert Hirte – ausgeschlafen, am Ende gezahlt? Die Bürger, allen voran die Bürger in wie ich sehe. Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU) CDU und SPD geben es ja zu – Herr Hakverdi hat es gesagt –: Es gibt keine harten Kriterien. 800 Milli- Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): arden Euro Kredite europäischer Banken, davon allein Guten Morgen, Herr Präsident! Sie hatten eine Stun- 251 Milliarden Euro im krisenbehafteten Italien, sind im- de weniger Schlaf als ich. Insofern können wir uns ver- mer noch nicht Grund genug, um einzusehen, dass die gleichen. Aber ich glaube, wir können uns noch ganz gut Idee der gemeinsamen Einlagensicherung keine gute war. sehen lassen.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sie Vizepräsident Wolfgang Kubicki: haben vielleicht nicht zugehört!) Ich bin auch jünger als Sie. Sie machen es beim Euro und bei der Einlagensicherung (Heiterkeit) genauso wie bei allen anderen Politikfeldern: Sie machen weiter, obwohl die Krise bereits da ist. Sie lernen nicht Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): aus den Erfahrungen, und Sie sind unfähig, vorausschau- Wir arbeiten ja daran, dass die Debatten ein bisschen ende Konzepte für die Bürger zu liefern. Das ist schlimm beschleunigt werden. für die Steuerzahler, im Übrigen in ganz Europa, nicht nur in Deutschland. Ich möchte zunächst einmal wissen: Wo ist eigentlich der Kollege Hollnagel? Den sehe ich noch nicht oder Zu den Linken und Grünen: Wenn man dem Dogma nicht mehr. folgt, dass eine gemeinsame, eine viel breitere Basis (Niema Movassat [DIE LINKE]: Der ist im grundsätzlich immer besser ist als eigenverantwortli- Wochenende!) ches Handeln, dann sind Ihre Schlussfolgerungen, Frau Brantner, natürlich logisch. Aber machen Sie den Bür- Dem wollte ich eigentlich eine Antwort geben auf seine gern doch nicht vor, dass diese Kredite, von denen Sie Anmerkung, die Europäische Zentralbank sei nicht un- reden, jemals zurückgezahlt würden. Sagen Sie den abhängig. Vielleicht geben Sie es ihm weiter. Die Un- abhängigkeit der Europäischen Zentralbank richtet sich Bürgern doch, wie Griechenland, um bei einem aktu- (B) nämlich nach europäischem Recht, und der Europäische (D) ellen Beispiel zu bleiben, jemals in der Lage sein soll, Gerichtshof hat diese Unabhängigkeit zu beurteilen. Er die gewährten Kredite zurückzuzahlen. Wir wissen, die hat sie in einem ganz zentralen Verfahren bestätigt. Ich Griechen können das nicht. Und das ist keine Schuldzu- glaube, daran müssen wir unsere Unabhängigkeitsdis- weisung an die Griechen, sondern das zeigt nur, dass Ihr kussion messen. Wir haben unsere Kriterien in gemein- System nicht funktioniert. Am Ende ist der Steuerzahler samer Überzeugung auf Europa und auf die europäischen wieder dran. Institutionen übertragen. Insofern, liebe Kollegen von der FDP, gilt Ihnen ein (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Dank dafür, dass Sie das Thema auf die Tagesordnung ge- SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- bracht haben. Aber Sie sind nicht konsequent. Das zeigt NEN) sich zum Beispiel daran, dass heute nicht Herr Schäfer Ich bin dann doch etwas überrascht gewesen, mit wel- hier vorne gestanden hat, der schon vor langer Zeit er- cher Radikalität er gesagt hat: Die Banken können pleite- kannt hat – und das parteiintern auch gesagt hat –, dass gehen; das ist sozusagen ordnungspolitisch richtig; dann die Zustimmung der FDP und die damit verbundene Ent- müssen eben die Kunden der Banken schauen, wo sie machtung der Euro-Kritiker in den eigenen Reihen dazu bleiben. – Das ist wirklich eine Ohrfeige für Einleger, für geführt hat, dass Sie heute zwischen den Fronten hin und Anleger, für Sparer vor allen Dingen und für die Arbeit- her lavieren müssen und keine klare Position haben. Des- nehmer, die Vertrauen in uns und in das Bankensystem wegen: Machen Sie Ihre Hausaufgaben. Rufen Sie die haben, dass sie dort, wo sie etwas deponieren, auch ab- sozialistischen und zentralistischen Geister zurück, die gesichert sind. Diese radikale marktwirtschaftliche These Sie in der Koalition mit der CDU/CSU seit 2009 gerufen hatte ich in dieser Weise allenfalls vom Wilden Westen haben, und kommen Sie zu einem proeuropäischen, aber her erwartet. Aber dass es von Ihnen kommt, überrascht, EU-kritischen und Euro-kritischen Kurs zurück. ehrlich gesagt, auch nicht mehr. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Danke. SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- (Beifall des Abg. Mario Mieruch [fraktions- NEN) los] – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sie von der FDP fordern in Ihrem Antrag, wir müss- Aber Falsches bleibt auch in der Wiederho- ten zunächst Risikoreduzierung machen, bevor wir zur lung falsch! – Gegenruf der Abg. Dr. Frauke Risikoteilung kommen. Sie wollen uns glauben machen, Petry [fraktionslos]: Dito!) Herr Toncar, dass das etwas Neues sei. Nein, das haben 3590 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Heribert Hirte (A) wir hier schon – die Kollegin Tillmann hat es mit großer terlegung. Zusätzlich brauchen wir den Abbau bzw. das (C) Deutlichkeit gesagt – x-mal beschlossen. Verbot von Klumpenrisiken. Banken dürfen nicht über- proportional in Staatsanleihen, vor allen Dingen in die (Dr . Florian Toncar [FDP]: Nein! Aber nicht Anleihen ihres eigenen Staates, investieren. so!) Der Kollege von den Linken hat das Thema Finanz- Und wenn Sie gehört haben, was Herr Hakverdi gesagt transaktionsteuer angesprochen. Dazu möchte ich nur sa- hat, was Herr Binding gesagt hat, erkennen Sie: Unser gen: Alle diese Vorschläge passen unter diesem Gesichts- Koalitionspartner sieht das genauso. Schäuble, Scholz – punkt in einem Punkte nicht: Es sind immer die Staaten, einhellige Meinung: erst Risikoreduzierung und dann die sich hier von der Steuer ausnehmen. Auch das ist eine Risikoteilung. indirekte Staatsfnanzierung. Ich kann für mich nur sa- Auf der anderen Seite: Dass es ökonomische Gründe gen: Das würde ich und das werden wir nicht mitmachen. für eine gemeinsame Einlagensicherung auf europäischer Vielen Dank. Ebene gibt, hat Frau Tillmann sehr richtig ausgeführt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (Beifall des Abg. Metin Hakverdi [SPD]) Metin Hakverdi [SPD]) Worum geht es? Wir machen unsere Hausaufgaben. Wir haben sie zu einem erheblichen Teil schon gemacht. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Und wir müssen vor allen Dingen auf das gucken, was Herzlichen Dank, Herr Professor Hirte. – Damit passieren muss, bevor wir zu einer Einlagensicherung schließe ich die Aussprache. auf europäischer Ebene kommen. Das bedeutet, wir müs- sen auf ein funktionierendes Insolvenzrecht achten. Wir Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungs- wissen, dass die Non-performing Loans, die ausfallen- punkt 21 a, den Antrag der Fraktion der FDP auf Druck- den Kredite, bei uns in Deutschland 3 Prozent betragen; sache 19/2525 mit dem Titel „Eigenverantwortung von in manchen südeuropäischen Ländern betragen sie über Staaten und Banken stärken – Vergemeinschaftung von 30 Prozent. Das ist intolerabel mit Blick auf eine gemein- Einlagenrisiken verhindern“. Wer stimmt für den An- same Einlagensicherung. Deshalb steht die Angleichung trag? – Wer stimmt gegen den Antrag? – Wer enthält des Insolvenzrechts ganz oben auf der Agenda der Euro- sich? – Dann ist der Antrag mit den Stimmen von CDU/ päischen Union. Auch das Justizministerium unterstützt CSU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Linke gegen die uns bei diesem Punkt. Wir haben gestern Nacht hier Stimmen der Freien Demokraten und der Fraktion der darüber gesprochen, dass in der deutsch-französischen AfD abgelehnt. Partnerschaft die Angleichung des Insolvenzrechts, und Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 21 b und (B) zwar weit über die europäischen Vorgaben hinaus, eine 21 c. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen (D) der zentralen Baustellen ist. Unterstützen Sie uns dabei! auf den Drucksachen 19/2527 und 19/2573 an die in der Dann kommen wir hier auch weiter. Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Dazu gehört der präventive Restrukturierungsrahmen, über den wir in den nächsten Tagen zu beraten haben Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf: werden; denn er wird Insolvenzen zu vermeiden helfen. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ Auch das ist eine wichtige Baustelle. CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge- Dazu gehört andererseits auch, deutlich zu machen, setzes zur Einführung einer zivilprozessualen dass es, wie wir das auf Initiative der Union im Koaliti- Musterfeststellungsklage onsvertrag niedergelegt haben, kein Fiskusprivileg, kei- Drucksache 19/2507 nen Zugrif des Fiskus bei privaten Insolvenzen geben darf, damit auch an dieser Stelle der Nexus zwischen Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Staat und Privat, zwischen Staat und Banken durchbro- Ausschuss für Wirtschaft und Energie chen wird. Hier können wir gemeinsam weiter voran- Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur schreiten. Ausschuss für Tourismus Ein anderer Punkt, wenn wir über Insolvenzvermei- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für dung reden: Wir brauchen meines Erachtens auf eu- die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- ropäischer Ebene keine Arbeitslosenversicherung, die nen Widerspruch. Damit ist das so beschlossen. europäisch administriert wird. Was wir aber brauchen, ist europäische Insolvenzgeldvorfnanzierung; denn wir Ich eröfne die Aussprache und erteile zunächst für die haben in Deutschland gemerkt, dass sie zur Vermeidung Bundesregierung der Ministerin Dr. Katarina Barley das von Insolvenzen wichtig ist. Wort. Der zweite große Punkt: die regulatorische Privilegie- (Beifall bei der SPD) rung von Staatsanleihen. Ja, in der Tat – wir haben es schon mehrfach gehört –: Der Nexus zwischen Banken Dr. Katarina Barley, Bundesministerin der Justiz und und Staat muss durchbrochen werden. Deshalb brauchen für Verbraucherschutz: wir – da sind wir einer Meinung – eine Risikogewich- Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehr- tung von Staatsanleihen und/oder deren Eigenkapitalun- ten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3591

Bundesministerin Dr. Katarina Barley (A) Wenn man fragt: „Was macht einen starken Rechtsstaat Wenn von einem Fall mindestens 50 Verbraucherin- (C) aus?“, dann bekommt man immer wieder die Antwort: nen und Verbraucher in vergleichbarer Weise betrofen Wer recht hat, soll auch recht bekommen. Das gilt ins- sind, dann kann so ein klagebefugter Verband die zen- besondere für Verbraucherrechte. Wenn sie nur auf dem tralen Rechts- und Sachfragen, die all diese Verbrauche- Papier stehen, dann sind sie nutzlos. Verbraucherinnen rinnen und Verbraucher in gleichem Maße betrefen, in und Verbraucher müssen schnell, unbürokratisch und der neuen „Eine-für-alle-Klage“ gebündelt durch das Ge- kostengünstig gegen rechtswidriges Verhalten und Täu- richt verbindlich klären lassen. Individuelle Aspekte, die schungen, vor allen Dingen von großen Konzernen, vor- nur einzelne Klägerinnen und Kläger betrefen, werden gehen können. bewusst nicht betrachtet, da diese für die anderen Ver- braucherinnen und Verbraucher irrelevant sind und das (Beifall bei der SPD) ganze Verfahren in die Länge ziehen und verkomplizie- Ich denke zum Beispiel an unzulässige Bearbeitungsge- ren würden. bühren bei Kreditinstituten, an unwirksame Preisklau- Hier liegt auch die Schwäche der Alternativvorschlä- seln von Energie- und Telekommunikationsanbietern ge – die Sammelklage von Bündnis 90/Die Grünen bei- oder auch an mangelhafte Produkte. spielsweise oder auch der Vorschlag, der jetzt von den Ein großes Problem ist, dass bisher jeder und jede Präsidenten und Präsidentinnen der Oberlandesgerichte Einzelne seine Rechte vor Gericht von Anfang bis Ende gemacht wurde –; denn immer da, wo man die einzelnen allein durchfechten muss. Das kostet viel Geld, das kos- Aspekte verschiedener Verfahren in eine Klage hinein- tet viel Zeit, und es ist in manchen Fällen frustrierend. nimmt, oder da, wo jemand erst mal eine Klage erheben Selbst dann, wenn eine Vielzahl von Verbraucherinnen muss, entstehen Kosten und zeitliche Verzögerungen. und Verbrauchern in gleicher Weise betrofen ist, gibt es Nur mit der „Eine-für-alle-Klage“ ist es möglich, dass bisher wenige Möglichkeiten, Kräfte zu bündeln. diese Vorfragen, die ja für den nachher in Rede stehenden Erfolg der eigentlichen Klage entscheidend sind, kosten- Das bedeutet, dass die Macht derzeit zugunsten der frei und schnell geklärt werden können. Unternehmen verschoben ist. Sie haben in der Regel ein deutlich höheres Durchhaltevermögen, auch aufgrund (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth der größeren fnanziellen Mittel. Das schreckt viele Ver- Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]) braucherinnen und Verbraucher ab. Manche resignieren Mit der Anmeldung im Klageregister wird die Verjäh- und verzichten faktisch auf ihre Rechte. Ich will, dass rung der Ansprüche gehemmt. Das heißt, die Verbrau- der Satz „Wer recht hat, soll recht bekommen“ für die cherinnen und Verbraucher können den Ausgang dieses Kleinen wie für die Großen gilt. Musterfeststellungsverfahrens abwarten, ohne in ein (B) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Kostenrisiko zu gehen und ohne dass Verjährung droht. (D) Das Ergebnis ist sowohl für die Verbraucherinnen und Hier setzt unser Gesetzentwurf zu Musterfeststel- Verbraucher als auch für die Unternehmen bindend. War lungsklagen an; ich nenne sie gerne „Eine-für-alle-Kla- die Frage beispielsweise, ob eine Preiserhöhung unwirk- gen“. Statt wie bisher teure und langwierige Einzelver- sam oder der Einbau eines Motors mit Abschalteinrich- fahren führen zu müssen, können sich Verbraucherinnen tung rechtswidrig war, steht das Ergebnis nach dem Mus- und Verbraucher künftig zusammenschließen und müs- terfeststellungsverfahren für die Klägerinnen und Kläger sen die Klage nicht einmal selber führen. und das Unternehmen verbindlich fest. (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Auf diese Weise weiß der Verbraucher, die Verbrau- NEN]: Das geht nicht!) cherin relativ schnell, wie es um die Erfolgsaussichten in Anerkannte und besonders qualifzierte Verbraucher- dem eigenen Fall steht, und kann dann den individuellen verbände können gegenüber einem Unternehmen zen- Anspruch gerichtlich oder eben auch außergerichtlich trale Haftungsvoraussetzungen für alle vergleichbar be- viel leichter durchsetzen. Die „Eine-für-alle-Klage“ ist trofenen Verbraucherinnen und Verbraucher in einem für alle Beteiligten, für die Verbraucherinnen und Ver- einzigen Gerichtsverfahren verbindlich klären lassen. braucher, aber auch für die Unternehmen und die Gerich- te deutlich efzienter und kostengünstiger als unzählige Die klagebefugten Verbände müssen dabei strenge Parallelverfahren. Anforderungen erfüllen, unabhängig davon, ob es sich um nationale Verbände oder Verbände aus einem ande- (Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE ren EU-Mitgliedstaat handelt. Das ist wichtig, damit die GRÜNEN]: Nur die OLG-Präsidenten haben Musterfeststellungsklage wirklich alleine im Sinne der es noch nicht verstanden!) Verbraucherinnen und Verbraucher erhoben wird und Ich habe den Eindruck, dass dieser Charakter teilweise nicht zu anderen Zwecken missbraucht wird. noch nicht richtig verstanden worden ist. Deshalb haben wir ganz konkret in den Entwurf des (Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE Gesetzes geschrieben, dass nur solche Verbände klage- GRÜNEN]: Ja! Selbst das OLG hat es noch befugt sind, die sich schon jahrelang mit der Vertretung nicht verstanden!) von Verbraucherinteressen beschäftigen, die keine Un- ternehmenszuwendungen in größerem Umfang erhalten Es geht im Grunde genommen um eine Art vorgeschalte- und die eine gewisse Mitgliederstärke hinter sich wissen. tes Verfahren. Es sind nicht zwei Klageverfahren, die der Prozessfnanzierer und Kanzleien sollen bewusst nicht eine Verbraucher, die eine Verbraucherin führen muss. Kläger sein können. Vielmehr kann er sich für dieses Klageregister anmelden 3592 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Bundesministerin Dr. Katarina Barley (A) und kann ganz in Ruhe, ohne Zeitdruck, ohne eigene Mü- Einbringen eines eigenen Gesetzentwurfes so lange ge- (C) hen, ohne nervenaufreibende Schriftsätze und vor allen wartet hat, bis die Europäische Union ankündigte, dass Dingen ohne jegliches Kostenrisiko erst mal abwarten, sie in Kürze einen eigenen vorlegen wird und man De- wie diese Musterfeststellungsklage ausgeht. tails dieses Entwurfs auch schon kennt. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Es ist auch nicht so, dass die Individualklage als Re- NEN]: Wie soll das denn gehen? – Renate gelklage erst jetzt nicht mehr den veränderten Bedingun- Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer gen entspricht. Wir sprechen schon seit Jahrzehnten von bezahlt das?) einer bedrohlichen Konzentration von Marktmacht, vor Dann hat er die klagebegründeten Tatsachen und weiß allem im Einzelhandel. Wir sprechen seit nicht so langer ziemlich genau, ob er mit der individuellen Klage am Zeit von einem boomenden Onlinehandel, von der Aus- Ende Erfolg haben wird. Die Frage, ob es sich also über- weitung der digitalen Kommunikation, von neuartigen haupt lohnt, in dieses individuelle Verfahren zu gehen, Finanzdienstleistungen, die alle dazu tendieren, gleichar- wird danach ganz klar beantwortet sein. tige Schäden für viele Verbraucher bis hin zu Massen- schäden hervorzurufen. Es ist viel die Rede – das ist viel- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – leicht nicht das beste Beispiel – von dem sogenannten Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE Dieselskandal, bei dem, wenn es in Europa zu Klagen GRÜNEN]: Passen Sie auf, was Sie den Leu- kommen sollte, Hunderttausende betrofen sein könnten. ten versprechen! Das kommt alles auf Sie zu!) Tatsächlich resignieren die Verbraucher viel zu oft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich setze auf eine Man sagt sich: Wenn ich den Klageweg beschreite, dann zügige und konstruktive parlamentarische Beratung, da- habe ich am Ende mehr Kosten zu tragen, und zwar nicht mit das Gesetz wie geplant zum 1. November 2018 in nur an Geld, sondern auch an Zeit, an Ärger und allem, Kraft treten kann. Ich weiß, die Grünen sind wie immer was noch damit zusammenhängt, als ich am Ende, selbst konstruktiv dabei. Wir wollen die Verjährungen zum Jah- wenn ich das Verfahren gewinnen würde, wieder he- resende verhindern. Ich hofe, da sind wir uns alle einig. rausbekommen würde. Die Streitwerte – wir wissen das Als Justizministerin kann ich keine Nachrüstung und alle – sind ja oft auch relativ gering. Dieses Verhalten auch keinen Schadensersatz für die Verbraucherinnen mit der schönen Bezeichnung „rationales Desinteresse“, und Verbraucher erreichen. Aber ich kann den Verbrau- nämlich Verzicht auf die Durchsetzung der eigenen Inte- cherinnen und Verbrauchern einen Weg eröfnen, dass ressen, stellt am Ende nichts anderes dar als eine fakti- Gerichte ihre Anliegen schnell, kostengünstig und ef- sche Belohnung für unlautere Geschäftspraktiken. zient überprüfen können. Das möchte ich gerne tun. Ich hofe dabei auf Ihre Unterstützung. (B) Obendrein ist die Neigung der Verbraucher, in Ge- (D) Vielen Dank. richtsverfahren einzutreten, immer noch recht gering. Die Scheu, vor Gericht zu stehen – und sei es als Kläger (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten im Zivilprozess –, ist bei vielen Menschen ausgebildet. der CDU/CSU) Die Erfahrungen, auch die internationalen Erfahrungen, zeigen, dass das bei Kollektivklagen viel weniger der Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Fall ist. Obwohl viele Verbraucher darauf verzichten, auf Frau Ministerin Barley, herzlichen Dank. – Als nächs- die Durchsetzung ihrer Ansprüche zu bestehen, ist eine ter Redner hat das Wort der Kollege Professor Dr. Lothar Entlastung der Gerichte nicht zu beobachten, ganz im Maier für die AfD-Fraktion. Gegenteil. (Beifall bei der AfD) Wir meinen, dass der vorgelegte Gesetzentwurf einige Forderungen erfüllen muss, wenn er wirksam sein soll. Dr. Lothar Maier (AfD): Ich möchte vier solcher Forderungen benennen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Die erste davon – da kann ich mich kurzfassen, weil Herren! Der Deutsche Bundestag unternimmt heute den Frau Ministerin Barley bereits darüber gesprochen hat – ich weiß nicht wievielten Anlauf, um zu entscheiden, ob ist, dass die Durchsetzung von Interessen wirksam sein denn die Kollektivklage für Deutschland reif sein könnte. und rasch gelingen muss. Es kann nicht sein, dass man Diese Frucht, meine Damen und Herren, ist überreif, und bei einer Klage mit geringem Streitwert jahrelang auf die sie muss jetzt gepfückt werden, bevor sie in den Zustand Entscheidung warten muss. der Fäulnis übergeht. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Es ist kein Ruhmesblatt für den Deutschen Bundes- Es muss – zweitens – eine Entlastung der Gerichte ge- tag, dass es so viele Jahre gedauert hat, bis man zu der ben, die durch solche Massenschäden schon längst über- Erkenntnis kommt – hofentlich kommen wir heute zu fordert sind. dieser Erkenntnis –, dass die Kollektivklage, so wie sie Drittens muss man darauf hofen – das ist vielleicht in vielen Ländern der Welt längst eingeführt ist, unaus- der schwierigste Aspekt –, dass die Kollektivklage eine weichlich ist. disziplinierende Wirkung auf das Anbieterverhalten ent- Es ist auch kein Ruhmesblatt für die Regierung, ins- wickelt und durch ihr bloßes Vorhandensein abschreckt, besondere für die vorausgegangenen, dass man mit dem unlautere Geschäftspraktiken anzuwenden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3593

Dr. Lothar Maier (A) Viertens, meine ich, muss unter allen Umständen ver- die Bekanntmachung von Terminen, sind grotesk gering. (C) hindert werden – da sehe ich keine großen Meinungsver- 14 Tage für die Bekanntmachung der Klage und eine schiedenheiten hier im Haus –, dass eine Klageindustrie Woche für die Ansetzung eines Termins: Das sieht ein nach amerikanischem Muster bei uns entsteht, die ein Mil- bisschen so aus, als ob man verhindern wollte, dass zu liardengeschäft darstellt, das viele Unternehmen in exis- diesem Termin überhaupt jemand kommt. tenzielle Schwierigkeiten geführt hat und dessen Kosten die Unternehmen ja gar nicht selber, sondern die Verbrau- Das Fazit insgesamt: cher über die Preise tragen. Die Klageindustrie ist ein im vollen Sinne sozialschädliches Geschäftsmodell. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall bei der AfD) Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Der vorgelegte Gesetzentwurf scheint uns im Prin- zip geeignet, diese Forderungen zu erfüllen. Sie werden Dr. Lothar Maier (AfD): vielleicht schockiert sein, das von mir zu hören. Wenn Das kann ein bedeutender Fortschritt im Interesse der die AfD dem Gesetzentwurf zustimmt, haben Sie ja die Verbraucher und der Bürger sein, und deswegen werden Möglichkeit, ihn wieder zurückzuziehen. wir das sehr positiv im Ausschuss behandeln. (Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Dazu ist er Ich danke Ihnen. doch viel zu gut! – Dr. Jürgen Martens [FDP]: So wichtig sind die doch auch nicht!) (Beifall bei der AfD) Dann wäre die Frucht vom Reifezustand tatsächlich in

die Fäulnis übergegangen. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank, Herr Professor Maier. – Als ­Nächstes Aber um seine Wirkung voll zu entfalten – und das für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Elisabeth ist nicht nur an die Adresse des Hohen Hauses, sondern Winkelmeier-­Becker. auch an die Ministerin gerichtet –, bedarf es nach unserer Aufassung noch einiger Korrekturen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir halten die Parallelität von Individualklagen und Musterklagen nicht für wünschenswert. Hier sollte ver- Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): fahren werden wie beim Kapitalanleger-Musterverfah- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- rensgesetz. Wenn eine Kollektivklage auf dem Weg ist, be Verbraucher und Verbraucherinnen im Land! Recht (B) sollten keine Individualklagen mehr angenommen wer- haben ist nicht immer gleich recht bekommen. Das ge- (D) den. Das setzt natürlich voraus, dass auch nach Beginn hört zu den ersten Erfahrungen, die man, meistens schon des Verfahrens noch Klagen angenommen werden kön- in der Kindheit, macht. Unsere Aufgabe, unser Anliegen nen. Es sollte ein Wettlauf der Kläger vermieden werden. ist es heute, das noch deckungsgleicher hinzubekom- Diese Forderung erfüllt das Gesetz ganz ofensichtlich; men. Das ist eine ganz wesentliche, zentrale Aufgabe des denn das zuständige Gericht entscheidet, welcher von Rechtsstaats. Dazu gehören efektive Verfahren. Das ist den bereitstehenden Klägern derjenige sein soll, der aus- im Moment unser Dauerthema. Darüber haben wir bis gewählt wird. nach Mitternacht noch diskutiert. Da ging es auch um den Zugang zum BGH. Und das nächste Kapitel steht Für die Feststellung der Klageberechtigung braucht auch auf der Tagesordnung: Wir wollen uns ja auch um man sich auch nicht viel Neues einfallen zu lassen. Da die Efzienz der Prozesse im Strafverfahren kümmern. gibt es die bewährte Liste nach dem Unterlassungskla- All das gehört zum „Pakt für den Rechtsstaat“, an dem gengesetz, die auch hier angewendet werden kann. Die wir insgesamt arbeiten. Eintragung ins Klageregister ist eine schwieriger zu er- füllende Voraussetzung. Ich weiß aus meiner eigenen Er- Im Zivilprozess wird das vor allem dadurch gewähr- fahrung als früherer Geschäftsführer einer Verbraucher- leistet, dass den Bürgern individueller Zugang zu den zentrale, dass sehr viele Verbraucher sich sehr schwertun, Gerichten ofensteht, zur Not auch mit Prozesskos- präzise zu benennen, was eigentlich ihr rechtliches An- tenhilfe; das ist aber in aller Regel eben doch auch mit liegen ist, und insbesondere, wie hoch der Schadensersat- hohem Aufwand, mit eigenem persönlichem Kostenri- zanspruch ist, den sie anzumelden hätten. Hier sollte das siko verbunden. Das führt dazu, dass man sich das gut Bundesministerium entsprechende Hilfen bereitstellen überlegt. Wenn der Anspruch klein erscheint, das Risiko in Form von Formularen mit den entsprechenden Erläu- groß, dann bleibt doch eben auch der eine oder andere terungen, wie das auszufüllen ist. Es kann nicht dahin Anspruch liegen, der es eigentlich wert gewesen wäre, kommen, dass man, um diese Formulare auszufüllen, am durchgesetzt zu werden. Da gibt es Fälle, in denen viele Ende wieder einen Rechtsanwalt braucht. Menschen in gleichartiger Art und Weise betrofen sind. (Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE Da führt dann jeder seinen eigenen Prozess. Das könnte GRÜNEN]: Der dafür noch nicht einmal ver- man deutlich efzienter machen, indem man diese Pro- gütet wird!) zesse zusammenfasst. So wie es jetzt ist, werden viele Kosten verpulvert. Es macht es auch nicht besser, dass Und schließlich und endlich: Die Meldefristen, die dann auch häufg die Ergebnisse noch nicht einmal über- das Gesetz vorsieht, nämlich für die Bekanntmachung einstimmen und das eine Gericht so entscheidet und ein der Einleitung einer Musterfeststellungsklage und für anderes anders. 3594 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Elisabeth Winkelmeier-Becker (A) Fälle, die dafür gute Beispiele sind, wurden schon Deshalb sind wir uns einig, dass wir nicht ein Verfahren (C) genannt: Digitalisierung, Onlinehandel, Massenproduk- nach US-Vorbild wollen. Wir haben schon einige Brem- tion, große Schadensereignisse. Das sind typische Fälle, sen eingezogen, die genau das verhindern. Wir haben im die in Zukunft eher an Bedeutung gewinnen. Das Parade- Koalitionsvertrag – das wurde schon gesagt – die soge- beispiel, die VW-Fahrer und ‑Käufer, wurde auch schon nannte Klageindustrie ausgeschlossen, bzw. wir haben genannt. Sie exerzieren das im Moment durch. Viele von uns vorgenommen, das Entstehen einer Klageindustrie ihnen führen ihre individuellen Prozesse mit hohem Ri- zu verhindern. Materielle Unterschiede sind da schon siko und vor dem Hintergrund einer sich verfestigenden mal ganz wesentlich, aber auch die Frage: Wer ist hier Rechtsprechung, die ihnen recht gibt. Da muss man sa- klagebefugt? gen: Das hätte VW auch einfacher haben können. Wenn man den berechtigten Ansprüchen früher abgeholfen hät- Diese Klagebefugnis bezieht sich auf eine ganz we- te, dann hätte man dazu noch einen Imagegewinn gehabt sentliche Schaltstelle in diesem Verfahren: Der Verband und sich einigen Aufwand erspart. muss professionell agieren. Er muss zuverlässig sein; denn es stehen die Verbraucherrechte auf dem Spiel. Er (Beifall der Abg. [SPD]) darf kein eigenes wirtschaftliches Interesse haben, und er muss auch unabhängig sein. Das ist mir auch ganz wich- Nun gehen wir es an. Wir wollen für solche Fälle ein tig. Die Musterfeststellungsklage darf nicht zu einem einheitliches gebündeltes Verfahren implementieren, in Vehikel werden, mit dem ein Konkurrent gegen seinen dem solche Fragen verbindlich geklärt werden können: Gegner am Markt vorgehen kann. Es müssen volle Trans- die kollektive Musterfeststellungsklage in der Form, wie parenz und Unabhängigkeit gegeben sein. sie die Ministerin vorgestellt hat. Wir versprechen uns davon, dass Ressourcen geschont werden können, dass (Beifall bei der CDU/CSU) Kosten gespart werden können. Wenn zunächst einmal zehn Verbraucher zusammenkommen, die ihren An- Die ursprünglichen Vorschläge aus dem Justizministeri- spruch plausibel machen müssen, und sich dann insge- um waren uns in dieser Hinsicht zu weitgehend, zu weit samt 50 fnden, die sich in das Klageregister eintragen gefasst. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Klage- lassen, dann soll ein Verbraucherverband berechtigt sein, befugnis enger gefasst wird. Bestes Modell wäre nach das Verfahren zu führen. Davon proftieren – darauf ist unserer Ansicht die konkrete Beleihung von Verbänden, das Ganze explizit gerichtet; das steht im Mittelpunkt – die diese Voraussetzungen mitbringen. Das, was jetzt im die Verbraucher, die verbindlich geklärt bekommen, ob Entwurf vorgeschlagen wird, schaft immerhin höhere sie Rechte haben, ob sie ihren Anspruch nachweisen kön- Voraussetzungen, die absichern, dass möglichst seriöse nen und für die vor allem auch, ganz unkompliziert, die Verbände agieren. Wir werden uns in den Beratungen noch einmal genau anschauen, ob wir hier zielgenaue (B) Verjährung ihres Anspruchs gehemmt wird. Es nützt aber (D) auch den Unternehmen, wenn sie nicht mehr 10, 50 oder Kriterien formuliert haben. 100 Prozesse führen müssen, sondern sich auf einen kon- Es sind noch viele Fragen zu klären. Obwohl die Dis- zentrieren können. Dann wird das auch billiger, selbst kussion schon länger geführt wird, sind noch nicht alle dann, wenn man unterliegt. Punkte ausdiskutiert: Welche Anforderungen sind an die Ob das den Gerichten hilft, muss man noch abwar- Anmeldung zu stellen? Gibt es Regressansprüche? Wird ten. Der Richterbund ist da eher skeptisch. Man muss dem Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan? Soll schauen, ob es mehr Leute dazu bringt, zu klagen, oder das Windhundprinzip gelten, oder soll es ein Auswahler- ob es den Efekt hat, Verfahren zusammenzuführen und messen geben? Es gibt etliche Punkte, die zu klären sind. dadurch Aufwand zu sparen. (Dr . Jürgen Martens [FDP]: Ja, warum haben Wir haben uns vorgenommen, dieses Musterverfah- Sie es nicht gemacht? Wer legt denn den Ge- ren einzuführen, und zwar so schnell, dass auf jeden Fall setzentwurf vor?) auch diejenigen davon proftieren, deren Ansprüche sonst – Einige Punkte sind jetzt erst von den Fachverbänden Ende dieses Jahres verjähren würden. Auch davon wären genannt worden. Diese werden wir im Zuge der Beratun- Dieselfahrer und ‑käufer betrofen. Aber es bezieht sich gen bzw. der Sachverständigenanhörung klären. nicht ausschließlich auf sie. Ich möchte noch kurz einen Punkt ansprechen. Das Wir müssen uns aber auch klarmachen, dass ein sol- Thema Abmahnungen zeigt uns derzeit, dass man sehr ches neues Verfahren schon ein scharfes Schwert ist, das gut aufpassen muss, wem man das Prozessrecht in die gegenüber betrofenen Unternehmen eingesetzt werden Hand gibt. kann. Wir dürfen die Diskussion nicht so führen, als sei immer gesetzt, dass das Unternehmen unterliegt, son-

dern es kann auch mal sein, dass das Unternehmen ge- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: winnt, dass sich eine vermutete Kausalität nicht heraus- Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte. stellt oder die Argumente nicht tragen. Deshalb wollen wir verhindern, dass allein das Verfahren schon zu einer Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): unnötigen Belastung wird. Wir müssen auch betrachten, Ich komme gleich zum Schluss. dass das Prozessrisiko, der Imageverlust, der mit einem solchen Verfahren für das Unternehmen verbunden ist, nicht zur selbstständigen Verhandlungsmasse in Ver- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: gleichsverhandlungen, die dann stattfnden, werden darf. Nein, nicht gleich, sondern sofort. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3595

(A) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): feststellungsklageverbraucher nach § 29c ZPO. Das ist (C) Das Problem ist, dass nicht immer die Abmahner so weder schlau noch gute Gesetzgebung. mit der Situation umgehen, wie sich das der Gesetzgeber gedacht hat. Ich würde gerne dieses Verfahren hier nut- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten zen, um noch eine Ergänzung einzubringen. der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Auch zweifelhaft ist weiterhin die Rechtsnatur mög- Nein. Bitte, Frau Kollegin, kommen zu Ihrem letzten licher Kläger; das ist nicht völlig ausgeräumt. Der Kreis Satz. der Anspruchsteller wird auf Verbraucher begrenzt; das sind nicht gewerblich Tätige. Aber jetzt meine Frage: Warum diese Beschränkung? Was ist mit dem Maler- Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): meister und dem Bäcker, die ein Geschäftsfahrzeug ge- Sie soll ermöglichen, vor allem Abmahnungen im kauft haben, in das eine unzulässige Abschaltvorrichtung Zusammenhang mit der Datenschutz-Grundverordnung eingebaut wurde? Warum darf dieser Bäcker und warum besser zu handhaben bzw. auszuschließen. darf dieser Maler nicht auch an der Musterfeststellungs- Danke schön, Herr Präsident. klage teilnehmen? Diese Frage hat mir von Ihnen bisher noch keiner beantworten können. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Vizepräsident Wolfgang Kubicki: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tabea Herzlichen Dank. – Ich weise noch einmal auf § 35 Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Absatz 3 der Geschäftsordnung hin, zu deren Einhaltung fragen wir uns auch!) ich verpfichtet bin. Das ist keine Frage von Gnadenak- Die Verfahren können an verschiedenen Gerichten ten, die ich hier mache, sondern es geht um Fairness ge- geführt werden. Hier brauchen wir eine Bestimmung genüber allen Rednerinnen und Rednern. des Gerichtsstandes. Die Begrenzung auf Verbraucher- Als Nächstes für die FDP-Fraktion der Kollege schutzverbände aus Angst vor einer Klageindustrie ist Dr . Jürgen Martens. meiner Ansicht nach auch unnötig. Unser Rechtssystem hat genügend Bremsen gegen eine solche Klageindustrie. (Beifall bei der FDP) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Jürgen Martens (FDP): NEN]: Genau!) (B) (D) Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- Wenn dann hier auch noch von einer Beleihung, einer ren! Zu den Ausführungen meiner Vorrednerin muss weiteren Begrenzung der Verbraucherschutzverbände ich feststellen: Es ist schon beeindruckend, mit welcher gesprochen wird, dann wird das Ganze eher absurd, mei- Gelassenheit die Große Koalition hier noch über Verbes- ne Damen und Herren. serungsvorschläge des ja von ihr vorgelegten Gesetzent- wurfes spricht, nachdem es höchste Eisenbahn geworden (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ ist, wie ja auch die Frau Justizministerin feststellen muss- DIE GRÜNEN) te. Denn das Gesetz soll seine segensreichen Rechtswir- kungen schon zum Ende dieses Jahres entfalten. Und da Schließlich: Die Verfahren sind kompliziert und lang- ist die Gelassenheit, mit der das Ganze hier vonseiten der wierig. Die Verbraucher brauchen Jahre für die Fest- Großen Koalition passiert, doch erstaunlich. stellung, und anschließend dürfen sie noch ein zweites Verfahren führen, um ihre Zahlungen zu erreichen. Da Zahlenmäßig wird das Musterfeststellungsklagegesetz braucht man einen langen Atem. eine geringe Bedeutung haben, aber in der Rechtswahr- nehmung durch die Bürger dürfte sich das umgekehrt Die Große Koalition hat ja angekündigt, das Verbot verhalten. Die Verfahren nach dem 6. Buch der Zivilpro- von Abtretungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zessordnung werden in der Regel von einer breiten Öf- regeln zu wollen. Hier wäre der Punkt gewesen, wo man fentlichkeit verfolgt. Aus diesem Grund hätte der Gesetz- das hätte machen können. Auch hier die Frage: Warum geber besondere Sorgfalt walten lassen sollen. Das war haben Sie es denn nicht getan, wenn Sie es schon in den hier allerdings nur bedingt der Fall, etwa bei der Frage, Koalitionsverhandlungen angekündigt haben? Es wäre welche Art von Ansprüchen mit der Musterfeststellungs- jederzeit möglich gewesen, und es wäre ein wirklicher klage verfolgt werden können. Schritt, den Verbrauchern zu helfen. Das Gesetz lässt als Anspruchsteller nur Verbraucher Meine Damen und Herren, ob wir mit dem Muster- zu. Verbraucher im Sinne des § 13 BGB wird man aber feststellungsklagegesetz eine sinnvolle und praktikable nur durch Abschluss eines Vertrages, also ist streitig, ob Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung erhalten, erscheint deliktische Ansprüche hier vom Gesetz ausgenommen gegenwärtig zumindest fraglich. Aber: Schnell und un- wurden. Die Antragsteller haben das erkannt. Aber man bürokratisch, wie Sie sagen, Frau Dr. Barley, ist dieses geht nicht den einfachen Schritt und streicht diese Be- Gesetz mit Sicherheit nicht. grenzung auf Verbraucher, sondern man erfndet einen neuen, gesonderten Verbraucherbegrif nur für den Be- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten reich der Musterfeststellungsklage, nämlich den Muster- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 3596 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: sprüche sind schon verjährt. – Das ist inakzeptabel. Eine (C) Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Martens. – Als Anmeldung zum Verfahren muss länger möglich sein. Nächstes erteile ich für die Fraktion Die Linke der Kolle- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- gin Amira Mohamed Ali das Wort. NIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN) Zweitens: zu hohe und unnötige Formerfordernisse. Nur ein Beispiel: Die Antragsteller müssen die Rich- Amira Mohamed Ali (DIE LINKE): tigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben erklären. Das mag erst einmal harmlos klingen. Aber ich kenne es aus Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kol- meiner Praxis als Rechtsanwältin so, dass Mandanten legen! Liebe Gäste! Die Dieselfahrerinnen und Diesel- mir oft allerhand Details schildern, die juristisch nicht fahrer in Deutschland sind von Fahrverboten bedroht, in so relevant sind, und relevante Dinge von sich aus nicht Hamburg sogar schon davon betrofen. Fahrverbote er- erzählen, weil sie die Bedeutung falsch einschätzen. Wa- schweren den Alltag, und die Autos verlieren an Wert. rum sollen hier juristische Laien versichern, alle relevan- Viele setzen ihre Hofnung nun in die Musterfeststel- ten Details genannt zu haben? Das verunsichert unnötig, lungsklage, um eine Entschädigung zu bekommen. Sie und es schreckt auch ab. Ganz entscheidend bei den For- ist die Antwort der Bundesregierung auf den Dieselskan- malien ist aber: Ein Formfehler im Antrag von einem der dal. 50 Antragsteller kann zur Unzulässigkeit der ganzen Kla- (Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Was? Nein!) ge führen, und ein Formfehler kann nicht geheilt werden. Das ist völlig inakzeptabel. Formfehler müssen natürlich Diesen Menschen muss man nun leider sagen: Ihre Rech- heilbar sein. te mit der Musterfeststellungsklage zu verfolgen, ist ein langer und schwieriger Weg. Zwar kann in diesem Ver- (Beifall bei der LINKEN) fahren ein Verband stellvertretend für viele Menschen Drittens. Der Zeitpunkt der Verjährungshemmung ist klagen, und es ist für die Betrofenen kostenlos. Aber es nicht, wie bei anderen Klagen, der Zeitpunkt der Klage- ist unnötig kompliziert und nur eine Zwischenetappe auf erhebung – hier also dann, wenn der Verband die Klage dem Weg zu einer Entschädigung. bei Gericht einreicht –, sondern erst, wenn sich alle An- tragsteller formfehlerfrei registriert haben. Was heißt das (Beifall bei der LINKEN) für den Dieselskandal? Das Gesetz soll ja im November Wir als Linke sagen: Verbraucherinnen und Verbrau- dieses Jahres in Kraft treten. Die Betrofenen müssen die cher sollen möglichst wenig Hemmungen haben, sich an Beine in die Hand nehmen, und die Verbände, die kla- (B) einer solchen Klage zu beteiligen, und sie muss efekti- gen, haben genau einen Versuch, und das bei einem neu- (D) ven Rechtsschutz bieten. Beides ist nach Ihrem Gesetz- en Rechtsinstrument, bei dem ein Formfehler die ganze entwurf nicht der Fall. In Bezug auf die geschädigten Klage unwirksam machen kann. Ich fnde es schier un- Dieselbesitzerinnen und -besitzer fordert die Linke au- glaublich, wie schwer Sie es den klagenden Verbänden ßerdem, dass die am Ende dieses Jahres drohende Ver- machen. Das ist nicht akzeptabel. jährung der Ansprüche efektiv gehemmt wird. Geschieht (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- das nicht, sind viele Ansprüche am 1. Januar 2019 verlo- NIS 90/DIE GRÜNEN) ren. Der Gesetzgeber muss die Geschädigten aber schüt- zen. Und viertens. Das Konzept als reine Feststellungs- klage ist nicht ausreichend. Wenn mich ein Verbraucher (Beifall bei der LINKEN) jetzt fragt: „Was kommt denn raus bei der Musterfest- Ich möchte einige Schwächen des Gesetzentwurfes stellungsklage? Wenn ich gewinne: Bekomme ich dann etwas ausführlicher darstellen: eine Entschädigung?“, dann muss ich sagen: Nein; denn es wird nur etwas festgestellt. Auf Zahlung muss noch Erstens. Die Zeit zur Anmeldung zum Verfahren ist mal geklagt werden – und dann wieder jeder für sich. – zu kurz. Wie soll das Verfahren ablaufen? Ein Verband Das ist kein efektiver Rechtsschutz, und die Gerichte reicht zusammen mit zehn Verbraucherinnen und Ver- erwartet eine Flut von Leistungsklagen. Kolleginnen und brauchern Klage bei Gericht ein. Innerhalb von nur zwei Kollegen von der Regierung, meinen Sie das mit „Ent- Monaten müssen sich dann 40 weitere Betrofene mit ei- lastung unserer Gerichte“ oder mit „Vermeidung einer nem formwirksamen Antrag registrieren. Warum so we- Klageindustrie“? Also, ich bitte Sie! Die Linke fordert, nig Zeit? Sie machen es den Verbraucherverbänden und dass die Betrofenen direkt aus dem Verfahren entschä- den Geschädigten unnötig schwer. digt werden. Dem Verfahren kann man ab dem ersten Tag der münd- (Beifall bei der LINKEN) lichen Verhandlung nicht mehr beitreten. Was ist mit den Das wäre efektiver Rechtsschutz, und nur das wäre eine Betrofenen, die erst während des Verfahrens überhaupt efektive Entlastung unserer Gerichte. davon erfahren, zum Beispiel aus der Presse? Ich weiß jetzt schon, dass sich viele Betrofene genau das fragen Im Zusammenhang mit der Musterfeststellungsklage werden. Ich muss ihnen dann sagen: Nein, tut mir leid; ist immer wieder die Rede davon, dass man keine ame- da kannst du nicht mehr rein. – Im Falle des Dieselskan- rikanischen Verhältnisse schafen will – mit Referenz dals wird man vielen dann auch noch sagen müssen: Und auf das teilweise ausufernde Schadensersatzrecht in den alleine klagen kannst du auch nicht mehr; denn deine An- USA. Auch wir wollen solche Verhältnisse nicht. Aber in Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3597

Amira Mohamed Ali (A) den USA sind die Dieselbesitzer von den Autoherstellern auf der anderen Seite einen Weltkonzern, der Himmel, (C) immerhin entschädigt worden. In Deutschland bekom- Hölle und Alexander Dobrindt in Bewegung setzen kann, men die Betrofenen die Musterfeststellungsklage. um seine auf Manipulationen beruhenden Gewinne ins Trockene zu bringen. Kolleginnen und Kollegen von der Regierung, auf Seite 13 Ihres Gesetzentwurfes heißt es, die Musterfest- (Heiterkeit der Abg. Katharina Dröge [BÜND- stellungsklage solle ein einfacher Weg der kollektiven NIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Volker Ullrich Rechtsverfolgung sein. Das ist er, wie gerade erklärt, [CDU/CSU]: Finden Sie das jetzt sachlich, nicht. „Himmel, Hölle und Dobrindt“? – Gegenruf des Abg. Dr. Jürgen Martens [FDP]: In dieser Weiter heißt es dort, dass sie nicht den „berechtigten Reihenfolge!) Interessen der Wirtschaft“ zuwiderlaufen soll. Sie soll die Wirtschaft also nicht unnötig belasten. Wir haben auf der einen Seite den nach RVG fnanzierten Einzelanwalt, der für einen überschaubaren Streitwert (Sebastian Steineke [CDU/CSU]: „Unnö- einen individuellen Sachverhalt ermitteln und darlegen tig“!) muss, und auf der anderen Seite Großkanzleien, die sich Ich glaube, das ist der springende Punkt. Das ist das ei- mit ein und derselben Argumentation gegen eine Vielzahl gentliche Ziel dieses Gesetzentwurfes. Sie stellen die In- von Klagen wappnen und dafür hohe Honorare geltend teressen der Wirtschaft wieder einmal über die Interessen machen können. Schließlich haben wir eine Justiz, die der Verbraucherinnen und Verbraucher. angesichts dieser massenhaften Verfahren in die Knie geht. (Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Zu holz- schnittartig!) Wir Grüne wollen mit der Gruppenklage Bürgern und Gewerbetreibenden, wirklich allen – Sie reden von al- Eigentlich wollte ich Sie an dieser Stelle dazu aufor- len, meinen aber nicht alle –, einen wirksamen und über- dern, den Gesetzentwurf nachzubessern, damit er seinen schaubaren Rechtsschutz ermöglichen. eigentlichen Zweck erfüllt; aber dann habe ich erfahren, dass Sie ihn schon in der nächsten Woche in die zweite (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und dritte Lesung peitschen wollen. Auf mich wirkt das Wir wollen den Geschädigten die Möglichkeit eröf- so, als hätten Sie gar nicht mehr vor, Ihren Entwurf noch nen, sich selbst zusammenzuschließen, wenn sie keinen zu verbessern. Aber genau dafür wird die Linke kämpfen. Verband fnden, der sie vertreten will. Wir wollen das Wir wollen ein Gesetz, das den Menschen wirklich hilft. Verfahren mit einer starken Rolle für die Gerichte bei der Vielen Dank. Gestaltung der Verfahren efzienter machen. Wir wollen (B) die Verurteilung auch zur Zahlung im Gruppenverfahren (D) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- ermöglichen. Denn warum, um Himmels willen, sollte neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) irgendjemand einen Vergleich schließen wollen, wenn er noch nicht einmal damit rechnen muss, dass er einen Ti- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: tel erhält? Wir wollen ein Instrument schafen, das auch Herzlichen Dank, Frau Kollegin Mohamed Ali. – Als Reinigungskräfte, die um ihren Lohn geprellt werden, Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die nutzen können, um sich gemeinsam zur Wehr zu setzen, Kollegin Dr. Manuela Rottmann. genauso wie geschädigte Patientinnen und Patienten oder Käufer von fehlerhaften Produkten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) All das wollen Sie nicht. Sie versprechen den Leuten Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- jetzt eine „Eine-für-alle-Klage“. Ich zitiere noch mal die NEN): „FAZ“ von gestern. Frau Justizministerin Barley sagte: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Die Musterfeststellungsklage ist deshalb gerade für und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Barley, Sie ha- kleine Schäden ein gutes Instrument. Denn ich muss ben jetzt viel von „recht haben“ und „recht bekommen“ mich als Geschädigter nur melden und dafür noch geredet. Sie haben gesagt: Der große Erfolg der Muster- nicht einmal Geld investieren. Ich kann erst einmal feststellungsklage ist, dass man recht bekommt. gucken, wie meine Erfolgsaussichten sind. Was Sie übersehen und was das Problem im deutschen Frau Barley, ich werde mir diesen Text einrahmen; denn Zivilprozessrecht ist: Unrechtserträge bleiben beim das ist der drastischste Fall von irreführender Produkt- Schädiger. Derjenige, der geschädigt ist, hat einen viel zu werbung, den ich in den letzten Jahren gesehen habe. hohen Aufwand, um sich sein Geld zurückzuholen, und (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ daran ändert Ihre Musterfeststellungsklage überhaupt DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der nichts. FDP) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dass die Verjährung von Ansprüchen zum Jahresen- sowie bei Abgeordneten der LINKEN – de 2018 auf jeden Fall verhindert wird, versprechen Sie [CDU/CSU]: Doch, natür- auch. Was Sie da tun, ist unverantwortlich. Ihre Verjäh- lich!) rungsregelung, das Kernstück der ganzen Veranstaltung, Wir haben hier auf der einen Seite die einzelnen Au- versteht kein Mensch. Sie erfnden etwas Neues, einen tokäufer mit einem Schaden von ein paar 1 000 Euro und Zombie, das Wiederaufeben einer bereits verjährten For- 3598 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Manuela Rottmann (A) derung. Ich bin gespannt, wie viele Instanzen wir brau- bitte Sie: Ersparen Sie uns diesen Totalschaden für den (C) chen, um allein diese Verjährungsregelung vom BGH Rechtsstaat. klären zu lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Voraussetzungen für die Anmeldung sind zu sowie bei Abgeordneten der FDP und der LIN- schwierig; das haben wir besprochen. Parallel zur Mus- KEN) terfeststellungsklage kann ich keine Leistungsklage mehr erheben. Diese Möglichkeit ist gesperrt worden. Wäh- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: rend die beklagten Unternehmen den Prozess natürlich Frau Kollegin Dr. Rottmann, herzlichen Dank. – mit Gewinninteresse, mit viel Geld und mit hochspeziali- Als Nächstes für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege sierten Kanzleien ihrer Wahl weiterhin betreiben dürfen, Sebastian Steineke. darf auf Verbraucherseite nur noch ein Verband antreten. Und der muss das aus karitativem Interesse machen oder (Beifall bei der CDU/CSU) beim Staat um das Geld für diesen Prozess betteln. Sebastian Steineke (CDU/CSU): Sie sagen, Sie bekämpfen die Klageindustrie. Wozu führt das? Sie verlagern noch mehr Risiken auf die Be- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den trofenen, auf die Geschädigten. Wenn die Voraussetzun- Gesetzentwurf, den wir in erster Lesung beraten, begrü- gen, die Sie für die Klagebefugnis noch einmal zugespitzt ßen wir ausdrücklich. Für uns ist das Glas nicht immer haben, nicht gegeben sind, dann ist die Klage unzulässig, automatisch komplett leer, sondern für uns ist das Glas – obwohl das mit dem Anspruch des Geschädigten nichts ich meine den Gesetzentwurf – schon relativ voll. Ich zu tun hat, obwohl er keinen Einfuss darauf hat, welcher glaube, das kann man voranstellen. Verband überhaupt zum Zuge kommt. Das machen Sie! (Dr . Jürgen Martens [FDP]: Relativ!) Sie senken die Kostenrisiken für die ohnehin über- – Ja, man kann immer noch über Verbesserungen reden. mächtigen Schadensverursacher. Den Aufwand für die Das machen wir jederzeit. Prozessführung soll nämlich der Staat zahlen. Das ma- Ein Teilaspekt sollte schon hervorgehoben werden. chen Sie! Also, es wird für VW billiger. Super! Wir reden über das Thema Musterfeststellungsklage Was mich wirklich fast rührt, ist, dass Sie sagen, Sie nicht erst seit gestern, sondern schon seit 2015. wollen ernsthaft professionell aufgestellten Klageanbie- (Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE tern mit hochefzienter Legal Tech und starken Prozessf- GRÜNEN]: Ja! – Dr. Jürgen Martens [FDP]: nanzierern im Hintergrund mit einem händisch geführten Umso schlimmer!) (B) Klageregister und einer rein karitativen Prozessführung (D) entgegentreten. Das rührt mich wirklich. Sie werden das Nachdem wir relativ lange auf Entwürfe gewartet haben, Gegenteil erreichen: Sie werden einen Boom solcher An- sind wir als Fraktion selber tätig geworden und haben gebote auslösen. unsere Eckpunkte 2016 vorgestellt. Einer für alle, das heißt bei Ihnen: einer zu Fuß mit (Räuspern des Abg. [SPD]) Holzschwert gegen die Kavallerie der Unternehmen in – Genau. Herr Kelber weiß, wovon ich rede und wie lan- voller Rüstung. Wenn dieser eine Mensch den Kampf ge wir gewartet haben. gewinnt, dann bekommt er nicht einmal einen Pfennig Geld, sondern er kann mit allen anderen Geschädigten (Ulrich Kelber [SPD]: Ich weiß, dass Sie das noch einmal von vorne loslegen. Sie richten mit dieser reden!) Karikatur kollektiven Rechtsschutzes einen Schaden im – Ja, genau. – Deswegen haben wir das Thema jetzt ins Vertrauen der Menschen an, der kaum zu reparieren sein Rollen gebracht. Warum sage ich das? Weil das wichtig wird. ist, um festzustellen, dass die allgemeine Behauptung, die Union wolle das alles gar nicht und wir hätten gar (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kein Interesse, den Dieselkunden zu helfen, schlichtweg sowie des Abg. [FDP]) nicht richtig ist. Deswegen kann man das vielleicht vo- Die Präsidenten der Oberlandesgerichte haben in der ranstellen. vergangenen Woche einhellig für kollektiven Rechts- Dass wir das Gesetz aber von Anfang an nur unter schutz geworben. Ebenso einhellig haben sie vor dieser bestimmten Voraussetzungen einbringen wollten, war Musterfeststellungsklage gewarnt. Hören Sie wenigstens klar. Das haben wir auch deutlich gesagt. Ein wichtiger einmal auf die Leute, die Ahnung vom Thema haben! Punkt – Kollegin Winkelmeier-Becker hat schon darauf Verlängern Sie die Verjährungsfrist für die Geschädigten hingewiesen – war für uns das Thema Klagebefugnis. des Abgasskandals! Machen Sie ein vernünftiges Gesetz! Das ist heute schon angeklungen; auch die Ministerin hat darauf hingewiesen. Zum Schluss. Ja, es geht im Zivilprozess um Geld. Das ist legitim. Es ist aber nicht nur legitim für VW & Der Verbraucherschutz ist uns sehr wichtig. Das sage Co., sondern es ist genauso legitim für die, die von die- ich so deutlich. Auf der anderen Seite müssen auch Se- sen Unternehmen übers Ohr gehauen wurden. Wer das riosität und Sachkunde der klagebefugten Verbände diskreditiert, der muss sich schon fragen lassen, was er gewährleistet werden – das ist eine Selbstverständlich- von der freien Marktwirtschaft überhaupt noch hält. Ich keit –, um die Unternehmen und letzten Endes auch die Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3599

Sebastian Steineke (A) Verbraucherschutzverbände selber vor unseriösen Kla- Sebastian Steineke (CDU/CSU): (C) gen zu schützen. Das ist es doch. Das steht doch im Gesetzentwurf drin. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Der ursprüngliche Entwurf, Herr Kollege, sah das nicht NEN]: Es ist das Recht der Menschen, zu kla- vor. gen!) (Dr . Jürgen Martens [FDP]: Das heißt also, – Sie haben selber ein Interesse daran, dass eine ordent- dass es trotzdem Verbände gibt aus der Euro- liche Klage durchgeführt wird, und deswegen lobt die päischen Union!) Verbraucherzentrale diesen Entwurf grundsätzlich. Auch darauf kann man einmal hinweisen. – Es ist auch deswe- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: gen für uns ein wichtiger Entwurf, um den sogenannten Abmahnverbänden – wir haben darüber gesprochen – Herr Kollege, es gibt die Möglichkeit einer Zwischen- und Anwaltskanzleien kein neues Geschäftsmodell zu frage, aber keine des Gesprächs zwischen Ihnen. Die Fra- liefern. ge ist beantwortet, und dann darf der Redner weiterreden. Wir sollten noch ein paar Punkte zur Klagebefugnis sagen. Die ursprünglichen Überlegungen sahen vor, dass Sebastian Steineke (CDU/CSU): alle Verbände, ob sie im Bundesamt für Justiz oder nach Wir machen das bilateral. – Eine weitere Vorausset- EU-Recht als solche registriert sind, hätten klagen kön- zung, die uns wichtig war, ist, dass der Verbraucherver- nen. Das war für uns in dieser Form nicht machbar, und band im Wesentlichen und ganz deutlich im Verbrauche- wir haben deutlich auf die Missbrauchsrisiken hingewie- rinteresse und nicht gewerbsmäßig tätig ist und deswegen sen. Die einfachsten Beispiele sind die Gründung eines seine Tätigkeit im Wesentlichen in der Beratung von Ver- Verbraucherschutzverbandes durch eine größere Kanzlei brauchern besteht. in einem anderen europäischen Land, das praktisch kei- nerlei Voraussetzung an die Gründung knüpft, und dieser (Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE Verbraucherschutzverband hätte dann auch hier klagen GRÜNEN]: Anders als Freshfelds für VW!) können. Dies wollten wir von Anfang an ausschließen Die weitere Voraussetzung, die uns wichtig war, ist, und sind, glaube ich, mit dem vorliegenden Entwurf da dass die Musterfeststellungsklage nicht zum Zweck der einen wesentlichen Schritt weitergekommen. Gewinnerzielung betrieben wird. Ich glaube, das ist auch Was haben wir gemacht? Worauf haben wir hinge- eine Selbstverständlichkeit. wirkt? Was war uns wichtig? Wir haben gesagt: Die Ver- Des Weiteren dürfen Verbände nicht mehr als 5 Pro- (B) bände brauchen als Mitglieder mindestens 350 natürliche zent ihrer fnanziellen Mittel als Zuwendung von Un- (D) Personen oder mindestens 10 Verbände, die im gleichen ternehmen beziehen. Das Gericht kann sogar verlangen, Aufgabenbereich tätig sind. Sie müssen seit mindes- dass ofengelegt wird, wie die konkrete Finanzierung des tens vier Jahren in der im Unterlassungsklagengesetz Musterverfahrens ist. Ich glaube, dass hiermit die Kol- vorgesehenen Liste oder im Verzeichnis der Europäi- lision von Verbraucher- und Unternehmensinteressen schen Kommission registriert sein, damit die Dauer der deutlich ausgeschlossen wurde. Ich glaube, das ist ein Eintragung länger ist als die Regelverjährungsfrist und entscheidender Fortschritt gegenüber den ursprünglichen Ad-hoc-Gründungen verhindert werden. Entwürfen und auch ein deutlicher Fortschritt gegenüber Der Kollege möchte eine Zwischenfrage stellen, ob- dem, was die Europäische Union bisher vorgeschlagen wohl Präsident Kubicki darum gebeten hatte, das nicht hat. Dort ist das nämlich nicht ausgeschlossen. Auch da- zu tun. Aber ich beantworte sie gerne. rauf muss man vielleicht mal deutlich hinweisen. Da sind wir aus unserer Sicht deutlich weiter. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Mit diesen ganzen Voraussetzungen haben wir unserer Zunächst einmal muss ich das zulassen, Herr Kollege. Aufassung nach wesentliche Schritte gemacht, um dem Missbrauch vorzubeugen. Über einzelne Punkte kann Sebastian Steineke (CDU/CSU): man noch weiter reden. Ich mache es gerne. Ein wesentlicher Punkt – darüber ist noch gar nicht in dieser Deutlichkeit geredet worden – ist, dass wir das Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Prozesskostenrisiko für die Verbraucherinnen und Ver- Herr Kollege Dr. Martens, Sie wollen eine Zwischen- braucher massiv reduzieren. Hierauf hat der ADAC in frage stellen. Bitte schön. seiner letzten Stellungnahme deutlich hingewiesen. Er hat eine kleine Musterrechnung gemacht. Wenn wir da- von ausgehen, dass beim Dieselskandal zurzeit 2,5 Mil- Dr. Jürgen Martens (FDP): lionen Fahrzeuge betrofen sind und dass 5 Prozent der Vielen Dank, Herr Präsident. – Nur eine Frage: Sie Betrofenen bereit wären, ihre Rechte im Individual- haben die Kriterien aufgezählt, nach denen Klagebefug- verfahren einzuklagen, dann würden wir bei einem ge- nis für Verbände erteilt werden soll. Warum soll es nicht schätzten Fahrzeugwert von 30 000 Euro im Falle einer möglich sein, solche Kriterien für die Klagebefugnis Rückgabe und einem Streitwert von fast 3,75 Milliarden auch auf Verbände aus anderen Mitgliedstaaten der Eu- Euro ein entsprechend hohes Prozesskostenrisiko erspa- ropäischen Union anzuwenden? ren, und zwar für die Verbraucherinnen und Verbraucher 3600 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Sebastian Steineke (A) und für die Unternehmen. Ich glaube, das ist ein deutli- das Richtige. Sie ist stets bemüht. Aber gut gemeint ist (C) cher Fortschritt gegenüber anderen Ideen. nicht gut gemacht. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Oliver NEN]: Wer trägt es jetzt, das Risiko?) Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Och, Frau Künast, das machen wir gemeinsam. Lassen Sie uns mal die Klagebefugnis betrachten. Es ist schon grundsätzlich nicht einzusehen, dass die Bun- (Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE desregierung Verbänden das Vertrauen schenkt, Ver- GRÜNEN]: Ja, als Steuerzahler!) braucherrechte wahrzunehmen und Dritte vor Gericht zu vertreten, den betrofenen Bürgern selbst aber nicht. Wa- – Nein, eben nicht. Bisher musste jeder individuell kla- rum darf der selbstbestimmte Verbraucher sich nicht mit gen. Also zahlt jeder seine Kosten selber. Und wenn er anderen zusammentun, einen Anwalt nehmen und eine keine Rechtsschutzversicherung hat, muss er es selber Musterfeststellungsklage einreichen, bezahlen. Und jetzt trägt es der Verbraucherschutzver- band. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein, der Steuerzahler!) und das, obwohl er juristisch ganz komplexe Fragen beantworten muss, damit seine Klage überhaupt dabei Er führt dieses Verfahren für ihn und erspart ihm die Pro- ist bei der Musterfeststellungsklage? Stichwort ist das zesskostenrisiken. Ich glaube, das ist ein deutlicher Fort- „Feststellungsziel“. Warum haben Verbraucher keinerlei schritt. Was Sie sagen, Frau Künast, ist schlicht falsch. Prozessrechte im Musterverfahren? Was ist hier mit dem (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) leichten Zugang zum Recht, der doch Qualitätsmerkmal des deutschen Rechts sein soll? Wir geben damit den durch VW geschädigten Die- (Beifall bei der FDP) selfahrern ein deutlich besseres Prozessinstrument zur Durchsetzung ihrer Rechte an die Hand, gerade wenn Akzeptieren wir für einen Augenblick, dass nur Ver- sie nicht über die fnanziellen Voraussetzungen verfügen. bände eine Musterfeststellungsklage führen dürfen. Die Die zum Jahresende drohende Verjährung kann auch nächste Frage: Wer ist da eigentlich dieser Verband? Der ohne irgendwelche Sonderregelungen, die rechtlich ver- Regierungsentwurf geht von schätzungsweise 450 Mus- mutlich gar nicht möglich sind, gehemmt werden. Es gibt terfeststellungsklagen jährlich aus. Wer reicht die alle sicherlich den einen oder anderen Gesprächsbedarf; da- ein? Alle der vzbv? Ich habe die Bundesregierung (B) rüber haben wir geredet. Man kann über das Thema Be- schriftlich gefragt, welche Verbände derzeit den Kriteri- (D) fristung reden. Man kann über das Thema Streuschäden enkatalog im Regierungsentwurf erfüllen. Denn wir alle reden. Ich glaube, das ist selbstverständlich. Dazu haben wollen eine Politik, die in der Praxis funktioniert. Die wir am Montag auch eine Anhörung, und wir werden den schriftliche Antwort: Der Bundesregierung liegen hierzu entsprechenden Input mitnehmen. Ich glaube, wir wer- keine Erkenntnisse vor. den am Ende des Tages einen sehr guten Gesetzentwurf in die zweite und dritte Lesung bringen. (Beifall bei der FDP) Vielen Dank. Die Musterfeststellungsklage schützt also Verbraucher. Geklärt werden muss noch, durch wen genau. Nicht ge- (Beifall bei der CDU/CSU) schützt werden jedenfalls kleine Handwerker, Dienstleis- ter, Schreinermeister. Dabei sind sie wichtige Stützen un- seres Wohlstands. Anbieter Tausender Arbeitsplätze, die Vizepräsident Wolfgang Kubicki: können gucken, wo sie jetzt mit ihrem Diesel bleiben. Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes für die Der rechtspolitische Sprecher der SPD hat via „Spiegel“ FDP-Fraktion die Kollegin Katharina Kloke. schon beigedreht. Lieber Herr Kollege Fechner, bitte nehmen Sie auch Ihren Koalitionspartner mit. (Beifall bei der FDP) (Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das sagen Sie immer so einfach!) Katharina Kloke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen Es gibt noch weitere Baustellen. Nach dem Regie- und Kollegen! Wie sollen die Verbraucherinnen und rungsentwurf führt nicht etwa die bestgeeignete, quali- Verbraucher in Deutschland zu ihrem Recht kommen? fzierte Einrichtung die Klage. Es reicht, die schnellste Was braucht es, damit anständige Unternehmen nicht gewesen zu sein; denn das Gericht darf nur eine einzige den Glauben an einen fairen Wettbewerb verlieren? Wie Musterfeststellungsklage zulassen. Das hier beschriebe- verbessern wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bür- ne Windhundprinzip hilft weder dem betrofenen Ver- ger in den Rechtsstaat und unser Gemeinwesen? Unter braucher noch dem redlichen Unternehmer. anderem, indem wir den Rechtsstaat so handlungs- und (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- durchsetzungsfähig gestalten, dass er sich auch im All- SES 90/DIE GRÜNEN) tag der Verbraucherinnen und Verbraucher beweist. Das übergeordnete Ziel der Musterfeststellungsklage steht Besser wäre es, wenn das Gericht innerhalb einer Frist damit außer Frage. Die Bundesregierung will das Gute, den bestgeeigneten Klageführer unter mehreren auswäh- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3601

Katharina Kloke (A) len würde. Das wäre ein Beitrag zur Qualitätssicherung Es geht bei diesem Gesetz nicht nur um den Verbrau- (C) im Klageverfahren. cherschutz – das will ich ausdrücklich sagen –, sondern es geht auch um die Frage, ob unser Rechtsstaat alles (Beifall bei der FDP) dafür tut, dass Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Recht kommen. Auch deswegen müssen wir den kollektiven Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Rechtsschutz in Deutschland, wie wir es hier vorschla- gen, ausbauen. Frau Kollegin, so leid es mir tut, aber ich muss Sie bitten, zum Schluss zu kommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Nach unserem Konzept der „Einer-für-alle-Klage“ (FDP): Katharina Kloke kann sich ein Verbraucher ganz einfach und vor allem Sie wollen bis zur Sommerpause fertig sein. Der Ent- kostenlos ins Register eintragen lassen und so über eine wurf ist es noch lange nicht. Musterklage klären lassen, ob die Voraussetzungen für seinen Anspruch gegeben sind. Das ist der große Vorteil Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. der Musterfeststellungsklage. Ohne Kostenrisiko kann (Beifall bei der FDP) etwa ein getäuschter Autokäufer kostenlos über einen Musterprozess klären lassen, ob die Voraussetzungen für seinen Schadensersatzanspruch gegeben sind, ob also die Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Abgaswerte seines Autos manipuliert wurden. Wenn das Herzlichen Dank, Frau Kollegin Kloke. – Als Nächstes feststeht, dann kann er selber klagen – wobei ich davon für die SPD-Fraktion der Kollege Dr. Johannes Fechner. ausgehe, dass es gar nicht immer zum Klageverfahren kommen muss, weil ein ökonomisch vernünftiges Unter- (Beifall bei der SPD) nehmen, das den Musterprozess verloren hat, von sich aus akzeptable Vergleiche schließen wird. Dr. Johannes Fechner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: be Zuhörerinnen und Zuhörer! Wer recht hat, muss recht Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der bekommen, und das schnell und kostengünstig. Weil Kollegin Dr. Rottmann? dieser Gesetzentwurf – herzlichen Dank an das Bundes- justizministerium und an Frau Ministerin Barley – genau dies vorsieht, ist das heute ein sehr guter Tag für den Ver- Dr. Johannes Fechner (SPD): (B) (D) braucherschutz in Deutschland. Ja, na logo. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Nach jahrelangen Diskussionen – Kollege Steineke, aus rechtshistorischen Gründen möchte ich anfügen: auf- Frau Dr. Rottmann, Sie haben das Wort. grund der Dauerblockade der Union – Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: NEN): Das ist doch Blödsinn! – Gegenruf der Abg. Andrea Nahles [SPD]: Das ist kein Blödsinn! Sie sind ein bisschen im Vorteil; denn Sie sind Jurist. Das ist die Wahrheit!) Ich würde es lieber mit der Herangehensweise eines Lai- en probieren. starten wir heute endlich in die Beratung der Einführung einer Musterfeststellungsklage, und das ist gut so; denn Wie würden Sie als Laie zum Beispiel die geforderte Tausende Autokäufer sind in Deutschland von Autokon- Angabe der Forderungshöhe bei einem durchschnittlich zernen betrogen worden. Wir als Gesetzgeber stehen hier manipulierten Diesel von VW bezifern? Wie ist die For- in der Pficht, alles dafür zu tun, dass die Opfer von Ab- derungshöhe? Ist es derselbe Lebenssachverhalt? Wie gasmanipulationen ihre Schäden ersetzt bekommen, liebe machen Sie das? Kolleginnen und Kollegen, und zwar vom Verursacher. Wir haben das Ministerium gefragt, ob es Informa- (Beifall bei der SPD) tionen dazu geben wird, wie man diese Anmeldungen vornimmt. Das Ministerium hat gestern unsere Kleine Wir können jetzt nicht gesetzlich anordnen, dass Anfrage beantwortet und hat gesagt: Das ist Sache der Nachrüstungen vorzunehmen sind, und wir können jetzt Verbände. Das hat mit uns nichts zu tun. – Also, wie soll kein Gesetz verabschieden, das vorsieht, dass die Prei- der Laie diese Anmeldung ordnungsgemäß ohne Anwalt se der gekauften Fahrzeuge zwingend zurückzubezahlen über die Bühne bringen? sind. Aber wir können dafür sorgen – und das tun wir mit dieser „Einer-für-alle-Klage“ –, dass Autokäufer schnell und ohne Kostenrisiko ihre Schadensersatzansprüche Dr. Johannes Fechner (SPD): geltend machen können. Damit gilt eben, dass derjenige, Da sollten wir mehr Vertrauen in unsere Bürgerinnen der recht hat, auch recht bekommt, liebe Kolleginnen und und Bürger haben, dass sie durchaus in der Lage sind, Kollegen. den Schaden zu bezifern. 3602 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Johannes Fechner (A) (Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE nur klagen, ist also Unsinn. Davon kann überhaupt keine (C) GRÜNEN]: Wie hoch? – Katharina Dröge Rede sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Schon gar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie nicht werden die immer wieder genannten ausländischen doch mal eine Zahl!) Großkanzleien befugt sein. Immer wieder wird ja ge- Es gibt den Kaufvertrag. Das wird alles darstellbar sein. sagt: Dann gibt es Klagen wie in den USA. – Ich fnde, allzu oft wird das böse Wort der „Klageindustrie“ dazu Frau Kollegin Rottmann, wenn ich dazu ergänzend missbraucht, um Möglichkeiten zur Durchsetzung des antworten darf: Dass Sie dieses Gesetz als „Zombie“ und Verbraucherschutzes und der Verbraucherrechte klein- „Totalschaden für den Rechtsstaat“ bezeichnet haben, zuhalten. Deswegen schließe ich mich dem ausdrücklich (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht an. NEN]: Sie beantworten die Frage nicht!) Schließlich wird ja auch den Anwaltskanzleien nichts obwohl Leute wie Herr Billen, grünes Parteibuch, oder weggenommen. Wir haben in Deutschland gute, speziali- Herr Müller mit einem grünen Parteibuch mitgewirkt ha- sierte Kanzleien, die auch in den VW-Fällen erfolgreich ben, obwohl es seit dem Ende der rot-grünen Koalition und efektiv tätig waren. Denen nehmen wir nichts weg. kaum ein Gesetz gab, auf das so viele Menschen mit grü- Wer es sich leisten kann und will, der soll ruhig gerne nem Parteibuch Einfuss genommen haben, weiterhin zu diesen spezialisierten Kanzleien gehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Aber das führt zu Gerichtskosten und Anwaltsgebühren, der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜND- und nicht jeder hat eine Rechtsschutzversicherung oder NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wär’s, wenn Sie ist prozesskostenhilfeberechtigt. Genau um diese norma- einfach mal die Frage beantworten!) len Verbraucher geht es uns. Sie können sich nach diesem Gesetz kostenlos ins Register eintragen lassen, und im vor allem, obwohl Sie selber die Einführung einer Mus- Musterverfahren wird dann rechtsverbindlich geklärt, ob terfeststellungsklage im Jamaika-Sondierungspapier, ihr Anspruch gegeben ist, und das ist das Ziel. Es ist eine Zeile 986, vorgesehen haben, dass Sie in diesen heftigen sehr gute Lösung, die wir hier präsentieren. und völlig überzogenen Tönen darauf eingehen – „Zom- bie“ und „Totalschaden“ –, dafür habe ich überhaupt kein Und es geht uns um eine zweite Gruppe, nämlich die Verständnis, Frau Kollegin. Verbraucher, die nur geringe Schäden erlitten haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Diese Schäden sind aber oft besonders ärgerlich, weil ten der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE sie zum Beispiel durch eine besonders dreiste Täuschung LINKE]: Aber die Antwort auf die Frage hätte oder durch ofensichtlich unwirksame Allgemeine Ge- (B) mich wirklich interessiert!) schäftsbedingungen entstanden sind. Wegen einer klei- (D) nen Summe wird aber in der Regel nicht geklagt – ratio- Der entscheidende Vorteil besteht darin, dass ein nales Desinteresse ist hier der entsprechende Fachbegrif. Richter nicht in einem Verfahren Tausende von Ansprü- Wenn es aber dann die Möglichkeit gibt, sich kostenlos chen klären muss, nicht tausendmal individuell klären in ein Register eintragen zu lassen und dann so über eine muss: „Wie hoch ist die Anspruchshöhe?“, sondern dass Einrichtung die Ansprüche verfolgen zu lassen, dann ist in einem Verfahren geklärt wird, ob der Anspruch an sich das eine einfache Möglichkeit, auch geringere Ansprüche besteht. Dann kann der Verbraucher, wenn er kein ver- zeitsparend – ohne großen Zeitaufwand – geltend zu ma- nünftiges Angebot bekommt, ohne Kostenrisiko – denn chen. Deshalb ist auch für solche Fälle, in denen es nicht er weiß ja, dass er gewinnen wird – das Verfahren selber um viel Geld geht, die Musterfeststellungsklage ein sehr für sich führen. Es ist also eine absolut vernünftige Lö- geeignetes Mittel des Rechtsschutzes, liebe Kolleginnen sung, die wir hier gefunden haben. und Kollegen. Ich möchte hier auch mit einigen Märchen aufräumen: Wer eine Musterfeststellungsklage führen darf, das ist Ich danke dem Justizministerium für die schnelle Er- ganz transparent und nach objektiven Kriterien geregelt. stellung dieses Gesetzentwurfs. Wir sollten ihn gründlich, Es ist garantiert, dass nur vertrauenswürdige und dem aber auch zügig diskutieren, damit er verjährungsunter- Verbraucherschutz verpfichtete Einrichtungen klage- brechend zum 1. November 2018 in Kraft treten kann. Er befugt sind. Die Einrichtung muss eine gewisse Größe ist gut. Dennoch werden wir uns sicherlich noch einige haben: mindestens 10 Mitgliedsverbände oder 350 Mit- Punkte in der Diskussion vornehmen, etwa die Frage des glieder. Es muss sie seit vier Jahren geben, und zwar ein- Windhundprinzips, Haftungsfragen oder in der Tat auch getragen in eine seit langem beim Bundesamt für Justiz die Frage, ob denn nicht auch Unternehmen an diesem bestehende Liste zum Unterlassungsklagegesetz. Und: Instrument teilnehmen sollten. Wenn ein Skandal auftaucht, dann kann nicht sofort eine Einrichtung gegründet werden und Musterfeststellungs- klagen eingeleitet werden. Schließlich muss die qualif- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: zierte Einrichtung von Unternehmensfnanzierungen un- Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte. abhängig sein. Auch das ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir hier geregelt haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dr. Johannes Fechner (SPD): Wir haben also objektive, klare, transparente Kriterien geschafen, wer klagen darf. Zu sagen, eine handverlese- Alles in allem – ich komme zum Schluss – ist es ein ne, industriefreundliche Schar von Einrichtungen dürfe guter Tag für den Verbraucherschutz, weil wir hier eine Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3603

Dr. Johannes Fechner (A) sehr efektive Rechtsschutzmöglichkeit für die Bürger Wenn wir den Verbrauchern also wirksame Instru- (C) präsentieren. mente an die Hand geben wollen, was selbstverständlich ist, dann braucht es halt klare und verbindliche Regeln, Vielen Dank. die Missbrauch zum Selbstzweck efektiv verhindern. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Da geht der Entwurf einfach nicht weit genug und muss Sebastian Steineke [CDU/CSU]) nachgebessert werden. Wie man das in einer Woche hin- bekommen will, da bin ich sehr gespannt. Aber ich sehe dem positiv entgegen. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Fechner. – Als Nächs- tes erteile ich dem fraktionslosen Abgeordneten Mario Mieruch das Wort. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Herzlichen Dank, Herr Kollege Mieruch. – Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erhält das Wort (fraktionslos): Mario Mieruch der Kollege Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei diesem Thema stehen wir in einem Span- (Beifall bei der CDU/CSU) nungsverhältnis zwischen Verbraucherschutz und Unter- nehmensinteressen im Hinblick auf ihren Wettbewerb. Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Nicht umsonst wird das Thema Sammelklage schon sehr Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und lange diskutiert. Natürlich ist es längst überfällig, dass Herren! Wir schafen mit der zivilprozessualen Muster- den Verbrauchern, die – jeder für sich individuell – vom feststellungsklage eine neue Verfahrensform in der Zi- Gleichen geschädigt wurden, eine Möglichkeit erhalten, vilprozessordnung. Sie wird die Rechtsdurchsetzung für sich zusammenzuschließen und ihre Rechte gemeinsam Verbraucherinnen und Verbraucher erheblich verbessern, geltend zu machen. Die Frage, die jetzt bleibt, ist nur: weil wir zur Feststellung eines Sachverhalts auf eine Wird dem Verbraucher auch wirklich geholfen, wenn le- neue Form des kollektiven Rechtsschutzes setzen. diglich die Feststellung der Rechtsverletzung erfolgt und weitere Schritte erforderlich sind? Die Dieselthematik ist Die Frage der kollektiven Rechtsdurchsetzung ist im natürlich gerade ein willkommener Aufhänger, um die- Übrigen nichts vollkommen Neues. Bereits jetzt gibt es ses Thema voranzutreiben. Aber wenn das Thema einmal im Unterlassungsklagengesetz die Möglichkeit für aner- abgeschlossen ist, dann hört das Ganze ja nicht auf, dann kannte Verbände, wettbewerbswidrige Gestaltungsmög- wird es ja weitergehen. lichkeiten auf dem Weg der Abmahnung zu beseitigen. (B) Wir wollen heute im Sinne der Verbraucher einen Schritt (D) Der vorgelegte Entwurf sieht vor, dass die klagebe- weitergehen und Rechtssicherheit für Unternehmen und rechtigten Organisationen ihre Finanzierung nur zu ma- für Verbraucher gleichermaßen schafen. ximal 5 Prozent von Unternehmen erhalten dürfen. Aber dieser Punkt verhindert mitnichten, dass die Verbände (Beifall bei der CDU/CSU) im Sinne dieses Gesetzentwurfes keinerlei wirtschaftli- Gerade im alltäglichen Geschäftsverkehr, bei Bankge- che Interessen verfolgen würden. Denn die Finanzierung bühren, Telefongebühren, Medizinprodukten beispiels- solcher Verbände, die auch jetzt teilweise schon klagebe- weise, kann oftmals die Fallkonstellation auftreten, dass rechtigt sind oder zum Beispiel ein Verbandsklagerecht aufseiten des Verbrauchers relativ geringe Schäden ent- haben, erfolgt in höherem Maße zum Beispiel über an- stehen, diese Schäden aber durch das tausendfache Wie- dere Vereine, über Stiftungen oder sogar auch über die derholen bei vielen Betrofenen zu erheblichen Gewin- Ministerien. Auf diese Weise können weiterhin sehr wohl nen bei den Unternehmen führen. Aber der Verbraucher wirtschaftliche Interessen verfolgt werden und kann Lob- fühlt sich durch die Hürden des Zivilprozesses ein Stück byarbeit betrieben werden. Die Realität wird daher zei- weit gehemmt, seine Rechte wahrzunehmen. gen, dass das von einigen Großen verursachte Problem dazu führen wird, dass die Unternehmer in Deutschland Wir wollen durch die Musterfeststellungsklage dem generell der Gefahr einer Musterfeststellungsklage aus- Verbraucher ein weiteres Instrument geben, auf rechts- gesetzt sein werden. Und am Ende trift es natürlich mal sichere Art und Weise seine Rechte wahrzunehmen. Das wieder die vielen kleinen Unternehmen, insbesondere kann doch nicht falsch sein, sondern das ist etwas, was unseren Mittelstand, die sich keine eigene Rechtsabtei- notwendig ist. lung leisten können. (Beifall der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Be- cker [CDU/CSU]) Ein prima Beispiel dafür liefert die von den Ministe- rien bestens mit Fördergeldern versorgte Deutsche Um- Es ist im Übrigen auch nicht vergleichbar mit einer welthilfe, die ja schon in der Vergangenheit extra ihre Klageindustrie in den Vereinigten Staaten, weil es näm- Mitarbeiter in die Welt entsandt hat, um nach Verstö- lich weder ein Erfolgshonorar für Rechtsanwälte gibt ßen zu fahnden, die sie dann rechtswirksam abmahnen noch sogenannte Strafschäden bei der Musterfeststel- konnte. Wendet man den vorliegenden Entwurf jetzt mal lungsklage festgestellt werden, sondern es geht zunächst exemplarisch auf diese Organisation an, dann muss sie einmal nur um die Feststellung eines Sachverhalts. Wer ihre Mitgliederzahl nur etwas erhöhen, und schon erfüllt sich mit dem Zivilverfahren auskennt, der stellt fest, dass sie wieder alle Voraussetzungen, kann weiterarbeiten wie oftmals die Frage der Feststellung eines Rechtsverhält- bisher. nisses – was ist denn überhaupt geschuldet, was sind die 3604 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Volker Ullrich (A) rechtlichen Parameter? – das ist, was die Verfahren ent- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (C) sprechend in die Länge zieht. Deswegen ist es gut, dass Herr Kollege Ullrich, herzlichen Dank. – Damit ist die anerkannte Verbände, die wir aus dem Unterlassungskla- Aussprache geschlossen. gengesetz bereits kennen, die eine gewisse organisatori- sche Verfasstheit haben, die auch die fnanziellen Mittel Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- und das juristische Know-how haben, um eine solche wurfs auf Drucksache 19/2507 an die in der Tagesord- Klage stemmen zu können, für die Verbraucher einen nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es Sachverhalt feststellen können. dazu andere Vorschläge? – Das sehe ich nicht. Dann ist die Überweisung somit beschlossen. Ja, es ist richtig, dass durch die Feststellung des Sach- verhalts allein noch keine Zahlung an die Verbraucher Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a und 23 b sowie erfolgt. Das müsste jeder Verbraucher selbst erreichen. Zusatzpunkt 7 auf: Aber Sie dürfen die Dynamik dieses neuen Instruments 23 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten nicht unterschätzen. Gerade wenn ein Verband eine Mus- Dr . Julia Verlinden, Oliver Krischer, Lisa terfeststellungsklage erfolgreich durchfcht, wird doch Badum, weiteren Abgeordneten und der die Vergleichsbereitschaft ziemlich hoch sein, weil das Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- unterlegene Unternehmen nicht neue Prozesse eingehen gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur wird, weil es sicher weiß, dass es verlieren wird. Diese Änderung des Erneuerbare-Energien-Ge- Musterfeststellungsklage wird Schlichtungen und Streit- setzes – Erhöhung der Ausbaumengen für beilegungen fördern, und deswegen ist das ein gutes Ge- Windenergie an Land und Solarenergie setz. Drucksache 19/2108 (Beifall bei der CDU/CSU) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Wir müssen auch darüber sprechen, dass gerade die Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Si- sehr niederschwellige Art und Weise der Anmeldung cherheit zum Klageregister für die Verbraucher einen großen Fortschritt bedeutet. Genau bei dem Punkt müssen wir b) Beratung des Antrags der Abgeordneten im Gesetzgebungsverfahren vielleicht noch ein bisschen Lorenz Gösta Beutin, Ralph Lenkert, Hubertus nachsteuern. Die Anmeldung zum Klageregister und die Zdebel, weiterer Abgeordneter und der Frakti- Teilnahme an der Klage dürfen nicht so ausgestaltet sein, on DIE LINKE dass die Hürde für die Verbraucher so hoch ist, dass sie Bürgerenergie retten selbst wieder einen Anwalt benötigen. (B) Drucksache 19/1006 (D) (Dr . Jürgen Martens [FDP]: Ja!) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Das muss einfach und praktisch gehen. Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicher- Wir müssen uns auch über die Frage unterhalten, heit welches Gericht zuständig ist. Es gibt den Vorschlag Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und des Freistaats Bayern, die Oberlandesgerichte zu beauf- Kommunen tragen. Ich glaube, das wäre vor dem Hintergrund der ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rechtseinheit ein nachdenkenswerter Vorschlag. Ingrid Nestle, Dr. Julia Verlinden, Oliver Wir müssen uns auch überlegen: Was passiert, wenn Krischer, weiterer Abgeordneter und der Frak- mehrere Musterfeststellungsklagen gleichzeitig einge- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN reicht werden? Ich fnde das Windhundprinzip allein Stromstau aufösen anstatt erneuerbare nicht ganz glücklich. Vielleicht kann man bei der Rei- Energien zu bremsen henfolge und Rangfolge der Klagen noch eine Verbesse- rung erzielen. Und wir müssen uns auch über die Frage Drucksache 19/2109 der Haftung des Klageführers gegenüber den Eintragen- Überweisungsvorschlag: den unterhalten, weil die reinen gesetzlichen Vorschrif- Ausschuss für Wirtschaft und Energie ten dort möglicherweise nicht ausreichen. – Aber diese Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Fragen können wir in der Anhörung und in der nächsten die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre hierzu Sitzungswoche klären. keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Insgesamt ist zu sagen, dass wir damit einen weiteren Ich eröfne die Aussprache und erteile zunächst der Schritt gehen in Richtung mehr Rechte für Verbraucher, Kollegin Dr. Julia Verlinden von Bündnis 90/Die Grünen eine schnellere und günstigere Rechtsdurchsetzung. Ich das Wort. glaube, dorthin sollten wir uns insgesamt – auch im Inte- resse eines gütlichen Streitbeilegungsmechanismus – auf (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) den Weg machen. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. Dr. Julia Verlinden Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen (Beifall bei der CDU/CSU) und Herren! Im September 2016 hat der Bundestag die Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3605

Dr. Julia Verlinden (A) Ratifzierung des Pariser Klimaabkommens beschlossen, ist es viel zu trocken. Die Landwirtschaft spürt die mas- (C) eines völkerrechtsverbindlichen Vertrages. Denen, die siven Auswirkungen jetzt. Hören Sie sich mal an, was damals nicht dabei waren, kann ich verraten: Wir haben der weltweit größte Rückversicherer aus München, die das hier einstimmig beschlossen. Munich Re, zu sagen hat; denn sie muss ja einen Teil der Klimafolgen bezahlen – sofern diese Schäden über- Aber was folgt nun daraus? Klimaschutzziele – das haupt versichert sind –, und sie hat deswegen sehr genau klingt so theoretisch. Die sind für viele von Ihnen viel- kalkuliert. Die Munich Re sagt, die schweren Unwetter leicht nur ein Stück Papier, aber sie sind überlebensnot- der vergangenen Wochen sind nur Vorboten der Zukunft. wendig, und die Klimakrise ist harte Realität für viele Es werde künftig noch häufger Starkniederschläge und Millionen Menschen. mehr Hitze- und Trockenperioden geben, sagt deren For- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schungsleiter für Klimarisiken und Naturgefahren, wie heute im „Tagesspiegel Background“ nachzulesen. Aber für den einen oder anderen von Ihnen ist das ofen- bar nicht Argument genug, jetzt politische Konsequenzen Also: Es gibt viel zu tun. Mit Ihrer GroKo-Entschei- zu ziehen. Und dieses Zögern von Ihnen ist fatal; denn es dung der letzten Jahre wollen Sie die Zukunftstechnolo- ist Insolvenzverschleppung auf Kosten der zukünftigen gien der Erneuerbaren begrenzen. Was für eine absurde Generationen. Entscheidung angesichts der Herausforderung, vor der wir stehen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Oft diskutieren wir hier im Bundestag über energiepo- Sie haben mit dieser Entscheidung in der letzten Legis- litische Details und manchmal auch technische Einzel- laturperiode eine ganz wichtige Exportindustrie zum heiten, aber im Grunde geht es um eine Grundsatzent- Trudeln gebracht, Sie haben zahlreiche Bürgerinnen und scheidung, zu der die GroKo ofenbar nicht bereit ist, Kommunen vor den Kopf gestoßen, Sie haben Investoren nämlich konsequent die alten Energieformen abzulösen abgeschreckt, und Sie haben einen Platz auf dem Trepp- durch neue. Deswegen möchte ich heute mal daran er- chen bei der Weltmeisterschaft aufgegeben. innern, was eine fossile und atomare Energieversorgung Mit dieser Planwirtschaft, die Sie eingeführt haben, eigentlich ganz real und Tag für Tag bedeutet. haben Sie sich kräftig verzockt. Das hat die SPD inzwi- Gefährlicher Atommüll strahlt Millionen Jahre, und schen erkannt. Deswegen haben Sie im neuen Koaliti- wir wissen immer noch nicht, wohin damit. Dazu das onsvertrag festgehalten, dass Sie doch noch ein bisschen Risiko eines atomaren Unfalls oder Flugzeugabsturzes, mehr Erneuerbare wollen. Da versprechen Sie Sonder- jederzeit, mitten in Europa und über anderen dicht be- ausschreibungen für Wind- und Solarenergie, die einen (B) siedelten Regionen. – Ich fnde es traurig, dass die FDP Beitrag zum Klimaschutz leisten sollen. Der Anteil der (D) darüber lachen kann. Erneuerbaren soll bis 2030 auf 65 Prozent steigen. Ja, das bedeutet, dass hier in Deutschland Atom- und Koh- Riesige Löcher bis zum Horizont, weggebaggerte lekraftwerke abgeschaltet werden müssen, während die Dörfer mitsamt denkmalgeschützten Kirchen und allem Erneuerbaren ausgebaut werden und ins Energiesparen Drum und Dran komplett der Braunkohle zum Opfer investiert wird. gefallen – in der Lausitz und im Rheinischen Revier! Führen Sie mit diesen Menschen doch mal einen Diskurs Die Punkte aus Ihrem Koalitionsvertrag wären Trip- über Heimat! pelschritte in die richtige Richtung; dennoch bei weitem nicht genug, um die globale Erhitzung auf 1,5 Grad zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrenzen. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Explodierende Ölplattformen im Meer und Tankerun- Das lösen wir aber nicht allein in Deutsch- fälle, die ölverschmierte Küsten zurücklassen und dahin- land!) siechende Meerestiere und Vögel! Lukrative Ölquellen, die als Grund genommen werden, Kriege anzuzetteln! – Dazu komme ich noch, Carsten. – Unser Planet hat Erdbeben und ungeklärte Krankheitshäufungen wie Fieber, und ich fnde es eine Unglaublichkeit, dass hier Krebsfälle in den Erdgasregionen in Niedersachsen und im Bundestag eine Mehrheit sitzt, die das nur schulter- auf der ganzen Welt! zuckend zur Kenntnis nimmt, die Ausfüchte sucht und behauptet, das ginge nun mal alles nicht so schnell, oder, Und nachdem Kohle, Öl und Gas aus dem Boden geholt die anderen sollten erst mal anfangen. wurden, wenn sie verbrannt werden in den Kraftwerken, in Autos, in Heizungen, dann sind sie mitverantwortlich Ich glaube, Sie haben echt den Anschluss an die für Zigtausende Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkran- Debatte verpasst. Sie hören gar nicht mehr zu, was die kungen allein in Deutschland. Diese dreckigen fossilen Mehrheit der Menschen fordert, was Wissenschaftler Energien, die sind nicht modern, sondern so was von empfehlen und zusätzlich auch eine stetig wachsende letztes Jahrhundert! Zahl von Vertretern aus der Wirtschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Denn die Union will sich selbst diesen kleinen Trippel- Die Klimakrise passiert jetzt, auch hier. Letztes Jahr schritten aus dem Koalitionsvertrag verweigern. Wollen verfaulten die Kartofeln auf den Äckern. Dieses Jahr Sie sich eigentlich nun auch in der Energie- und Kli- 3606 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Julia Verlinden (A) mapolitik nach rechts außen anbiedern? Fehlt Ihnen nur bringt die Energiewende nicht voran, sondern schadet ihr. (C) der Mut oder gar die Kompetenz, eine wirksame Kli- (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE mapolitik zu machen? GRÜNEN]: Aha!) (Björn Simon [CDU/CSU]: Wir wollen es mit Mit dieser ideologischen, weltfremden und realitätsfer- Sachverstand machen!) nen Forderung schütten Sie letztendlich das Kind mit Wir Grüne haben hier einen Gesetzentwurf vorgelegt, dem Bade aus. mit dem ein Ausbau der Erneuerbaren geschaft wer- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – den soll, der auch nur in Kombination mit zahlreichen Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- weiteren Maßnahmen, insbesondere im Wärme- und NEN]: Haben Sie eigentlich zugehört?) Verkehrssektor, gerade eben dazu ausreicht, die Pariser Klimaziele zu erreichen. Dazu brauchen wir gleichzeitig Für Sie ist der reine Zubau der Erzeugungsanlagen der massive Anstrengungen bei der Energieeinsparung und Maßstab des Erfolges. Es geht Ihnen eben nicht um eine dabei endlich auch messbare Erfolge. Das können Sie in sichere und verlässliche Energieversorgung in Deutsch- zahlreichen Energieszenarien lesen, jüngst in denen des land, sondern für Sie zählen nur – rein theoretische übri- BDI und der dena. Die sind es nämlich, die Ihnen inzwi- gens und auf dem Papier stehende – CO2-Einsparungen. schen ausrechnen, wie stark wir in den kommenden Jah- Das hat mit dem Klimaschutz nun wirklich sehr wenig ren in den Ausbau investieren müssen, die sagen, dass sie zu tun. mehr von Ihnen erwarten, und die klipp und klar sagen: (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Versetzung gefährdet, Herr Wirtschaftsminister. GRÜNEN]: CO2-Einsparung hat nichts mit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Klimaschutz zu tun? Hallo?!) Sie fordern zum Beispiel für das Jahr 2018 zusätzlich Statt nur auf den Netzausbau zu warten und in der Zwi- 1,5 Gigawatt Wind an Land und 800 MW in PV-Anlagen. schenzeit Windenergieanlagen abzuschalten, können wir 2019 fortfolgend sollen es insgesamt 8 Gigawatt sein. den Ökostrom auch direkt vor Ort sinnvoll für Anwen- Das ist eine reine Ausbauleistung, ein Weiter-so ohne dung in der Wärme oder Mobilität nutzen. Wir müssen Bedingung, meine Damen und Herren; das ist ein reiner uns endlich darum kümmern, die fossilen Must-run-Ka- Zubau, wohl wissend, dass der Großteil davon nicht ge- pazitäten zu reduzieren. Unser vorliegender Antrag zum nutzt werden kann. Stromnetz enthält diese und weitere für die Verbesserung der Netzsituation wichtige Punkte. (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Die Bedingung heißt Kohleausstieg!) (B) Wir können die Atomgesetznovelle, die wir hier auch (D) gleich noch diskutieren werden, dazu nutzen, die netz- Das Ergebnis: Die Anlagen werden abgeregelt, und trotz- verstopfenden Atomkraftwerke Emsland und Brokdorf dem werden sie vergütet. Wenn sie nicht abgeregelt wer- im Netzengpassgebiet in Norddeutschland früher abzu- den, muss mit Kohlestrom aus dem Süden nachgeregelt schalten und damit Platz für Ökostrom zu schafen. werden, um die Netze stabil zu halten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: des Abg. [FDP]) Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von der Fraktion der Grünen? Übernehmen Sie doch endlich Verantwortung! Lassen Sie uns unseren Gesetzentwurf im Ausschuss vernünftig Jens Koeppen (CDU/CSU): diskutieren und Ihre wahnsinnige GroKo-Vollbremsung Ja. bei der Energiewende korrigieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, dass ich die Frage stellen darf. – Sie Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: haben gerade gesagt: Wir wissen, dass ein Großteil des erneuerbaren Stroms nicht genutzt werden kann. Jenseits Der nächste Redner ist der Kollege Jens Koeppen, dessen, dass derzeit 1 Prozent des deutschen Stromver- CDU/CSU-Fraktion. brauches an erneuerbaren Energien abgeregelt wird, (Beifall bei der CDU/CSU) haben wir extra, weil dieses Argument immer wieder kommt, den Stromnetzeantrag heute mit in die Debatte eingebracht. Wir haben ein ganzes Portfolio an Möglich- Jens Koeppen (CDU/CSU): keiten, wie wir dafür sorgen können, dass der Strom ge- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- nutzt wird: von besserer Nutzung der Bestandnetze über be Frau Kollegin Verlinden, die immer und immer wieder Beschleunigung des Netzausbaus, über Strom nutzen vor vorgetragene Forderung nach dem massiven und bedin- dem Netzengpass, Redispatch, fossile Must-run rausneh- gungslosen und daher nutzlosen Ausbau der erneuerba- men und dadurch Plätze in den Netzen schafen. Also ren Energien wirklich eine große Menge an Möglichkeiten. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Haben Sie diesen Antrag zur Kenntnis genommen? NEN]: Nutzlos?) Warum meinen Sie, dass diese Maßnahmen nicht wirken Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3607

Ingrid Nestle (A) können? Oder wie kommen Sie sonst zu der Schlussfol- Sie nehmen in Kauf, dass fossile Kraftwerke hoch- (C) gerung, dieser Strom könne nicht genutzt werden? Er gefahren werden müssen, um die Netzstabilität abzusi- wird zum allergrößten Teil genutzt, und auch den Rest chern, statt dort – das hat Ihre Vorsitzende gerade wieder kann man mit einigen Maßnahmen leicht nutzen. in einem Interview gesagt – Windanlagen abzuregeln, wo ein Netzproblem aufgrund der sehr hohen Windenergie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einspeisung besteht. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) An dieser Stelle kommen Sie immer mit dem Mär- chen – das fnde ich putzig –, dass der böse, böse Koh- Jens Koeppen (CDU/CSU): lestrom die Netze verstopft. Das müssen Sie mal einem Sie wissen sehr gut, dass ich dem sehr ofen gegen- Techniker erklären. Das ist völlig absurd. überstehe und grundsätzlich – das haben wir uns auf der Veranstaltung gegenseitig unterstellt – der Meinung bin, (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE dass das ein richtiger und sinnvoller Weg ist. GRÜNEN]: Sie haben es doch gerade gesagt! Sie haben doch gerade gesagt, die Windräder Bloß: Wir reden hier über ein Substitut der fossilen werden abgeschaft!) Energien. Es geht zunächst einmal in allererster Linie um die Stromversorgung der Industrie und der Haushalte Der Kohlestrom sichert doch erst eine Stabilität der Net- in Deutschland und nicht um die Wasserstofversorgung ze ab. Mit jedem zusätzlichen Windrad, das ich im Nor- von Industrieparks usw. usf. den aufstelle, verschärft sich die Netzsituation und somit die Notwendigkeit für das Vorhalten von Kohlestrom. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Antworten Sie auf die Frage der Kol- Wie viel CO2 sparen Sie damit ein? Null Komma null. legin!) Sie streben mit solchen Forderungen gar nicht an, dass die erneuerbaren Energien eine verlässliche Kraft im Wenn die Stromversorgung wirklich mit einer zuverläs- Energiesystem werden, weil sie jede Anforderung an die sigen Energieversorgung durch erneuerbare Energien System- und Netzdienlichkeit verhindern wollen. Somit gesichert ist, wenn noch überschüssiger Windstrom aus können erneuerbare Energien in Ihrer energiepolitischen erneuerbarer Energie da ist und wenn Traumwelt niemals die Rolle eines zuverlässigen Ener- gieversorgers erfüllen. (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Frage gar nicht ver- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- standen!) NEN]: Das ist das Problem! Sehr schöner Satz! Das sagt alles!) (B) wir daraus Wasserstof herstellen können, bin ich na- (D) türlich sofort dabei. Aber jetzt geht es erst mal um die Ist es da nicht besser und klüger, lieber Herr Krischer, Stromversorgung. Wenn Sie gleichzeitig aus dem Atom- mal innezuhalten und – das geht insbesondere an die strom und dem Kohlestrom aussteigen wollen, ist die Adresse unseres Koalitionspartners – den Zubau der Versorgungssicherheit nicht gewährleistet. Nur darum Anlagen an klare Kriterien zu knüpfen, anstatt die Men- geht es. schen immer und immer wieder mit neuen, ungenutzten Anlagen, mit immer höheren Kosten zu beglücken. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE NEN]: Es wird nicht wahrer, je öfter Sie es GRÜNEN]: Planwirtschaft wollen Sie!) sagen! Lesen Sie doch die Studien!) Ich schaue mir den Koalitionsvertrag an. Darin haben Meine Damen und Herren, ich habe gesagt: Die An- wir uns, lieber Herr Saathof, einiges in die Arbeitsauf- lagen werden abgeregelt, mit fossilen Energien muss träge geschrieben. Erstens – ich zitiere aus dem Koaliti- gegengesteuert werden, und die Windmüller bekommen onsvertrag, Seite 72 –: Voraussetzung für den Zubau von trotzdem ihre Vergütung. Das treibt die EEG-Vergütung Anlagen „ist die Aufnahmefähigkeit der entsprechenden in die Höhe, und die Stromkunden bezahlen letztendlich Netze“. das Ticket. Also, es ist wie immer: blinder Zubau, wenig (Johann Saathof [SPD]: Südquote steht auch Nutzen, hohe Kosten. Alles das unter dem Deckmantel drin!) der CO2-Einsparung. Das ist so selbstverständlich; aber das mussten wir in den Aber wie viel CO2 spare ich denn ein, wenn ich blind Koalitionsvertrag reinschreiben. zubaue, leistungsbezogen zubaue? Ist es denn da nicht klüger, mal über eine arbeitsbezogene Einspeisung – also Zweitens: stärkere Marktorientierung und Investitio- Kilowattstunden – nachzudenken und all das, was durch nen in Speichertechnologie. Das sollten wir deutschen den Zähler fießt, zu vergüten? Ingenieuren überlassen. Die brauchen keine Härtefallre- gelungen, die machen das sicher alleine. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Kilowattstunden werden immer einge- (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE speist!) GRÜNEN]: Dann lassen Sie sie aber auch ma- chen! Sie blockieren doch die Energiewende!) Dann kommen wir der Sache doch viel näher. Drittens: Digitalisierung und Netzoptimierung – Sei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) te 72 –, „bundesweit einheitliche Übertragungsnetzent- 3608 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Jens Koeppen (A) gelte“, das für mich entscheidendste Kriterium – Sei- wo anders. Sie dürfen nicht in irgendeinem Fonds – wie (C) te 73 – lese ich vor: Wir werden in Brandenburg – versickern. … beim weiteren Ausbau der Windenergie an Land Wer nämlich möchte, dass die erneuerbaren Energi- einen besseren Interessenausgleich zwischen Erneu- en eine wachsende Bedeutung bei der Energieversorgung erbaren-Branche einerseits und Naturschutz- und übernehmen, darf sie nicht weiterhin für Netz- und Sys- Anwohneranliegen andererseits gewährleisten; … temdienste ausnehmen. Innovationen sind für das Gelin- Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Denn, wenn wir die gen der Energiewende entscheidend und nicht die Anzahl Akzeptanz der Menschen nicht ernst nehmen – damit von Anlagen. Wir – damit meine ich uns alle – müssen bei meine ich alle politisch Handelnden in Bund, Ländern der Überarbeitung des EEG genau hier ansetzen. Blinder und Kommunen –, dann wird uns unsere wunderschöne Zubau und blinde volatile Einspeisung müssen und, ich Energiewende um die Ohren fiegen. glaube, werden in diesem Jahrzehnt ein Ende haben. (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer GRÜNEN]: Sie wollen das ja, dass es uns um [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn die Ohren fiegt!) „blinder Zubau“?) Hier müssen wir ein deutliches Zeichen setzen: Wir brau- chen wieder eine Länderöfnungsklausel oder etwas Ad- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: äquates. Das heißt, wir müssen den Menschen Abstände Für die AfD-Fraktion hat das Wort nun der Kollege geben. Stefen Kotré. (Timon Gremmels [SPD]: Das steht aber (Beifall bei der AfD) nicht im Koalitionsvertrag!) – Das habe ich doch gerade vorgelesen. – Stefen Kotré (AfD): (Timon Gremmels [SPD]: Nein!) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine führende Unternehmensberatung unter- Die nächste Anlagengeneration wird eine Höhe von sucht die Energiewende. Sie zieht Bilanz. Sie hat 14 Kri- annähernd 250 Metern haben. Ich darf darauf hinweisen: terien zur Zielerreichung der Energiewende formuliert, Das Restaurant im Berliner Fernsehturm in der Kugel und sie sagt, dass lediglich fünf Ziele realistisch zu errei- liegt in einer Höhe von 207 Metern. Jetzt stellen Sie sich chen sind. Sie sagt weiterhin, dass acht von diesen Zielen mal das Szenario vor, dass eine Gemeinde von solchen realistisch nicht zu erreichen sind; das ist mehr als die Türmen umzingelt ist. Ich sage Ihnen: 800 Meter oder (B) Hälfte. Zu diesen nicht realistisch zu erreichenden Zielen (D) 1 000 Meter Abstand sind einfach zu wenig für Wohnge- gehört, dass CO -Ausstoß eingespart wird. bäude. Diese Anlagen gehören dort nicht hin. 2 (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Wir erinnern uns ganz kurz: Warum wurde denn die AfD und der FDP) Energiewende ins Leben gerufen? Genau aus diesem Grund, weil der Ausstoß gemindert werden soll. Es ist In unserer Planungsgemeinschaft übrigens bekommt also nicht realistisch, dass wir bei ihm einsparen. Wir der Kranich eine Abstandsregelung mit 3 000 Meter und geben also 30 Milliarden Euro pro Jahr aus – wofür ei- der Schreiadler mit 5 000 Metern. Hingegen fndet Re- gentlich? powering mit Anlagen – auch Bestandsanlagen – in Grö- ßen, die ich eben genannt habe, in einer Entfernung von (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 800 Metern zur Wohnraumbebauung statt. Wie wollen NEN]: Dafür, dass wir Strom produzieren!) Sie das den Menschen erklären? Ich kann das nicht mehr. Für nichts und wieder nichts. (Timon Gremmels [SPD]: Laden Sie mich (Beifall bei der AfD) einmal ein! Ich komme gerne zu Ihnen in den Wahlkreis!) 30 Milliarden Euro! An dieser Stelle vergegenwärtigen Meine Damen und Herren, ich sage jedes Mal und im- wir uns mal den Bundeshaushalt für Arbeit und Sozia- mer wieder sehr gerne, dass Windenergieanlagen nicht in les. 30 Milliarden Euro sind davon etwa 20 Prozent. Was könnten wir damit machen? Wir könnten damit Kinder- den Wald gehören. Der größte CO2-Speicher muss unter Ihrem Deckmantel der CO -Einsparung gerodet werden, armut und Altersarmut bekämpfen. Aus meiner Sicht ist 2 das Geld dort viel besser angelegt. um dann eine CO2-arme Energieform in den Wald zu stellen. Das ist doch völlig absurd. Deswegen gehören (Beifall bei der AfD) auch CO2-Energieanlagen nicht in den Wald. Betrachten wir einmal die Windenergieanlagen. Sie (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE sind nicht nur ökonomischer Unsinn; sie sind auch öko- GRÜNEN]: Erzählen Sie uns mal, was Sie logischer Unsinn, ja sogar schädlich. Der TÜV hat uns nicht absurd fnden! Wie sieht denn Ihre Ener- ja jetzt bescheinigt: Ältere Windanlagen sind „tickende giepolitik aus?) Zeitbomben“. Wenn eine Gondel brennt, dann brennt sie; Zu den Ausgleichsmaßnahmen: Ausgleichsmaßnah- man kann sie nicht löschen. Türme knicken ab. Es ist men müssen dort stattfnden – wenn überhaupt –, wo wohl auch schon vorgekommen, dass sich die Rotorblät- Menschen und Landschaft belastet werden und nirgend- ter so aufgespalten haben, dass sie die ganze Umgebung Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3609

Stefen Kotré (A) verseucht haben, sodass sie für die Landwirtschaft nicht ausbleibt, was bleibt uns dann übrig? Atomstrom aus (C) mehr nutzbar war. dem Ausland zu importieren. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Niema Movassat [DIE LINKE]: Wollen Sie Timon Gremmels [SPD]: Was? Fake News!) die Sonne abschalten?) Zu dieser Umweltschädlichkeit gehört auch, dass Ro- Merken Sie an dieser Stelle was, meine Damen und Her- torblätter schlicht nicht wiederverwendet werden kön- ren von den Linksgrünen? nen; sie sind Sondermüll. (Beifall bei der AfD) (Dr. Joachim Pfeifer [CDU/CSU]: Das ist sonderbar!) Ökologisch und moralisch ist es natürlich bedenklich, dass Windräder töten. Sie töten Vögel. Greifvögel, Stör- Überhaupt ist der Rückbau nicht geklärt. che und Fledermäuse sind gefährdet. Wollen Sie wirklich (Timon Gremmels [SPD]: Natürlich!) den Lebensraum der Vögel weiter einschränken? Wollen Sie das? Also ich will es nicht, und die AfD will es nicht. Wir denken an die familienhausgroßen Fundamente, die Die AfD steht hier ganz klar für den Umweltschutz, mei- sich im Erdreich befnden. Wenn eine kleine Betreiber- ne Damen und Herren. gesellschaft insolvent geht: Wer haftet dafür? Richtig! Leider wieder der Steuerzahler. (Beifall bei der AfD – Timon Gremmels [SPD]: Dann müssen Sie alle Autobahnen ab- (Timon Gremmels [SPD]: Sie müssen dafür schafen! So ein Blödsinn! Dann machen wir Rückstellungen bilden!) alle Autobahnen zu!) – Ja, natürlich muss eine Rückstellung gebildet werden. Wenn wir weiter in die physikalisch-wissenschaftliche Das ist aber in den Anfangsjahren nicht gemacht worden; Untersuchung von Sonnen- und Windstrom einsteigen, das ist versäumt worden. Da muss wahrscheinlich wieder dann sehen wir ganz klar, dass Sonnenenergie und Wind- der Steuerzahler ran. energie natürlich eine viel zu geringe Energiedichte ha- (Timon Gremmels [SPD]: Quatsch!) ben. Machen Sie sich an dem Punkt bitte ehrlich! Sagen Sie bitte, dass wir das ökonomisch sinnvoll nur nutzen Und, wie mein Vorredner schon sagte, der allergrößte können, wenn wir Energie im Überfuss haben. Nur dann Kokolores ist wohl, dass Windenergieanlagen in Wäldern macht es ökonomisch Sinn. Wind und Sonne – Sie wis- errichtet werden. Es werden also CO2-speicherende Bäu- sen es – erzeugen wetterabhängigen Zufallsstrom. Die me abgeholzt, um dort Industrieanlagen zu errichten – Netzstabilität wird unsicherer. Wir müssen ein doppeltes mit dem Hinweis, dass man ja CO einsparen möchte. (B) 2 Stromversorgungssystem vorhalten. Wenn also die Son- (D) Das ist ein kompletter Schildbürgerstreich. ne nicht scheint und der Wind nicht weht, haben wir die (Beifall bei der AfD – Timon Gremmels konventionellen Kraftwerke, die das abdecken müssen. [SPD]: Es gibt ein Auforstungsgebot!) Aber leider werden diese in ihrer Betriebsfähigkeit ein- geschränkt und sind dadurch nicht mehr ökonomisch. Wir haben Windräder, die das Grundwasser beein- trächtigen, wir haben Infraschall – die Problematik ken- Der Nutzungsgrad von erneuerbaren Energien beträgt nen Sie –, und natürlich zerstören Windräder die Land- 10 bis 20 Prozent. Das ist ökonomisch nicht mehr zu ver- schaft in ihrem Erholungswert. treten und spottet jeder ökonomischen Beschreibung. (Timon Gremmels [SPD]: Quatsch!) (Beifall bei der AfD) Aber machen wir weiter mit dem Irrsinn. Aufgrund die- Dieser Strom – auch Sie wissen es – ist nicht spei- ser Politik zahlen wir dafür, dass das Ausland Strom von cherbar . Auch über den Umweg einer chemischen Spei- uns abnimmt. Am 1. Januar 2018 haben wir zum Beispiel cherung funktioniert das ökonomisch nicht sinnvoll. Das 8 Cent pro Kilowattstunde bezahlt, damit unser Strom im heißt, wenn wir aus Strom Methan produzieren und aus Ausland abgenommen wird. 8 Cent pro Kilowattstunde – Methan wieder Strom, dann haben wir einen Nutzungs- das ist doppelt so hoch wie der Marktpreis und hat uns an grad, der unterirdisch ist. Das funktioniert doch nur, wenn diesem Tag 23 Millionen Euro gekostet. wir Energie im Überfuss haben; aber das haben wir eben nicht. Das funktioniert nicht. Das habe ich schon als Stu- (Dr. Alice Weidel [AfD]: Die verstehen doch dent in der ersten Vorlesung Thermodynamik gehört und gar nicht, was ein Marktpreis ist! Vergiss es!) beigebracht bekommen, dass das so nicht funktionieren Das kann ich nicht verstehen. kann. (Beifall bei der AfD) (Dr. Alice Weidel [AfD]: Das haben die noch nie gehört!) Diejenigen, die diesen Strom von uns bezogen haben, werden sich wahrscheinlich ins Fäustchen gelacht haben Wie gesagt, ich habe es schon angedeutet: Erneuerba- über so viel Dummheit hier bei uns. re vernichten die Wirtschaftlichkeit der konventionellen Kraftwerke. Bestes und prominentestes Beispiel – sicher- (Beifall bei der AfD) lich bekannt –: Gaskraftwerk Irsching. Die konventionel- Wenn wir uns mit dem Ausbau der erneuerbaren Ener- len Kraftwerke sollen abgeschaltet oder in der Reserve gien energiepolitisch demnächst wohl selbst kastriert ha- gehalten werden. Das alles können wir uns aus meiner ben, wenn die Sonne nicht mehr scheint, wenn der Wind Sicht so nicht leisten. das alles, woran ich hier anknüpfe, 3610 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Stefen Kotré (A) sind Naturgesetze. Es scheint mir, dass es hier Fanatiker haben das nicht unbedingt 98 Prozent auch tatsächlich (C) der Ökoindustrie gibt, verstanden. (Timon Gremmels [SPD]: Der Fanatiker steht (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem vor uns!) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die diese Sache quasireligiös angehen. Aber das Problem Dafür haben wir zwei Jahre Zeit, und die werden wir ist, dass Sie damit die ganze Nation in Haft nehmen. Die uns nehmen. Uns liegen Anträge der Grünen vor, die sich Energiewende ist ein riesiges Verlustgeschäft. sehr weit mit meinen und – ich glaube, ich kann auch für meine Fraktion sprechen – mit unseren Ansichten zur (Beifall bei der AfD) Energiewende decken. Wir haben ein gemeinsames Ver- Da stehen Zahlen von 1 Billion, wohl als untere ständnis – das ist erkennbar –, was um uns herum passiert, Schwelle, bis 7 Billionen Euro im Raum. Das entzieht was der Mensch zum Besseren beeinfussen kann und vor sich jeder Logik – meiner jedenfalls –, und das kann ich allen Dingen wie die Energiewende sinnvoll organisiert nicht mehr verstehen. Hier wird Volksvermögen ver- werden kann. Leider müssen wir hier wieder grundsätz- schwendet. Diese Quasireligiosität, die ich hier gerade lich diskutieren – wir haben das gerade gehört –, ob es so ein bisschen angedeutet habe, kann man auch daran überhaupt einen Klimawandel gibt. erkennen, dass es kein schlüssiges Konzept für die Ener- (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE giewende gibt. Es gibt kein schlüssiges Kostenkonzept. GRÜNEN]: Nein, das müssen wir nicht!) Wo, bitte schön, sind Gutachten, dass Windenergiean- lagen und Solarenergieanlagen ökonomisch und ökolo- Es gibt tausend sogenannte Fakten, die hier vorgetra- gisch sinnvoll sind? Wo sind diese Gutachten? Wir haben gen werden, aufgrund derer man die Grundlagen sozusa- überall diese Gutachten, nur hier nicht. gen einfach negiert. Einige glauben, indem sie persönlich mit fadenscheinigen Belegen und mit alternativen Fakten (Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- den Klimawandel ablehnen, habe sich alles schon erle- NEN], ein Buch hochhaltend: Hier zum Bei- digt. spiel!) (Beatrix von Storch [AfD]: Nein! Mit Wis- Liebe Kollegen von den Linken und den Grünen, ich senschaft!) bitte Sie: Wenn Sie denn an etwas glauben wollen, dann gehen Sie besser in die Kirche. Aber lassen Sie bitte die Es ist manchmal sehr mühsam, diese Diskussion jedes Finger von Naturwissenschaft und Technik und von un- Mal wieder bei Adam und Eva anfangen zu müssen. serer Stromversorgung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (B) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (D) Vielen Dank. Eindeutige Fakten, liebe Kolleginnen und Kolle- (Beifall bei der AfD) gen, liegen vor. Fragen Sie die Landwirte: die Blüte im Schnitt zwölf Tage früher als vor 30 Jahren, viel mehr Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Frostschäden als noch vor einigen Jahrzehnten, lange Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Johann Frühjahrstrockenperioden. Das ist nicht gefühlt, son- Saathof. dern das sind echte Fakten, die man aber auch nur er- fährt, wenn man einmal mit den Menschen tatsächlich in (Beifall bei der SPD) Kontakt kommt. Als Kind von der Küste darf ich sagen: Es gibt Menschen, die haben Angst vor Hochwasser, die Johann Saathof (SPD): haben Sorge, dass der Küstenschutz nicht gewährleistet Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ist, die haben Sorge vor einem steigenden Meeresspie- Kollegen! Angesichts des Antrags der Linken zur Bür- gel und vor zunehmenden Stürmen. All diese Menschen gerenergie, den wir hier ja auch debattieren, glaube ich, lassen Sie alleine, wenn Sie sagen: Wir wollen das EEG dass wir in der inhaltlichen Ausgestaltung gar nicht so abschafen und einfach so mit Fossilen weiterproduzie- weit voneinander entfernt sind. Wir sind miteinander ren wie bisher. gleicher Meinung, dass wir eine bürgergetragene Ener- (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem giewende brauchen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Das regt mich schon auf, das muss ich an dieser Stelle des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sagen – trotz der sonst üblichen ostfriesischen Gelassen- heit. Es ist richtig, dass der bisherige Versuch, die Bürger- energie zu sichern, ausgenutzt worden ist und dass ein Gut fnde ich es, wenn durch die Anträge, die hier neuer Ansatz gefunden werden muss. Dazu ist Ihr An- vorliegen, ein gemeinsames Verständnis von der Hand- trag ein hilfreicher Diskussionsbeitrag. In meinen Augen lungsbedürftigkeit aufgrund des Klimawandels besteht. ist eine Beteiligung der Kommunen dabei unerlässlich. Ich will gerne mit Ihnen gemeinsam daran arbeiten, dass Wir müssen nämlich alle Bürgerinnen und Bürger be- wir unseren Kindern und Enkelkindern eine bessere Welt teiligen, damit wir Akzeptanz bei fast allen Bürgerinnen hinterlassen, eine Welt, in der die Kinder unsere Rech- und Bürgern erreichen; denn 98 Prozent der Menschen in nungen, die wir mit unserem Stromverbrauch erzeugt ha- Deutschland wollen die Energiewende. Nur hier im Haus ben, nicht noch einmal bezahlen müssen, und in der sich Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3611

Johann Saathof (A) unsere Kinder und Enkelkinder über ungelöste Fragen Wir brauchen mehr Fläche in Deutschland für die er- (C) bezüglich der Altlasten keine Sorgen machen müssen. neuerbaren Energien, nicht weniger. Das ist kontrapro- Das war meine ganz persönliche Motivation, Abgeord- duktiv. Wer das fordert, den möchte ich aufordern, zu neter hier im Hause zu werden. erklären, wie das 65-Prozent-Ziel bis 2030 tatsächlich erreicht werden soll. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Gut, dass wir im Ausschuss darüber debattieren kön- nen und eine Anhörung dazu haben werden. Ich hofe, Das ist nicht im Koalitionsvertrag vereinbart. Deswegen dass wir es in dieser Anhörung auch schafen, Fakten von wird es das auch nicht geben, liebe Kolleginnen und Kol- alternativen Fakten und Unwahrheiten zu trennen. Es legen. wird um Akzeptanz gehen, liebe Kolleginnen und Kol- (Beifall bei der SPD) legen. Die Strompreise spielen dabei eine entscheidende Rolle. Energie muss trotz Energiewende für alle bezahl- Im Koalitionsvertrag haben wir den Zubau der Wind- bar bleiben. energie verstärkt im Süden der Republik vereinbart. Also herzliche Grüße an unsere bayerischen Freunde: Das ist (Beifall bei der SPD) im Koalitionsvertrag verhandelt. Diese Südquote wäre auch netzentlastend, außerdem wäre sie ein Stück vertei- Aber bei der Akzeptanz geht es auch noch um mehr. lungsgerecht, verteilungsgerecht bei der Frage der Ver- Menschen verstehen auch nicht, wenn beispielsweise änderung des Landschaftsbildes, aber auch bei der Frage Windenergieanlagen errichtet werden, aber stillstehen der Möglichkeit der Wertschöpfung. Mancher Landwirt wegen fehlender Netzkapazitäten. Wir brauchen also ei- in Norddeutschland hätte ohne diese dritte Ernte aus nen beschleunigten einfacheren Netzausbau; keine Fra- Windenergie nicht überlebt. Ich frage mich, warum sich ge. Aber wir brauchen auch Netzoptimierung. Hier gibt beispielsweise bayerische Landwirte dieses Stück wirt- es gute Vorschläge, die uns von den Grünen vorgelegt schaftliche Sicherheit nehmen lassen, von den Kommu- werden. Aus meiner Sicht reichen sie aber nicht weit ge- nen ganz zu schweigen, die nicht unerhebliche Gewerbe- nug. steuereinnahmen aus Windenergie haben, wenn sie diese Ich habe in meiner letzten Rede schon gesagt: Ich Anlagen nicht selber betreiben. Es ist also auch enormes glaube, wir brauchen im Herbst unbedingt ein Netzbe- Potenzial da, was für die Allgemeinheit wichtig ist und triebsoptimierungsgesetz. Warum? Die Ausnutzungsgra- zur Verfügung steht und nicht einfach negiert werden de im Übertragungsnetz von durchschnittlich 27 Prozent soll. (B) sprechen Bände. In der Digitalisierung sind wir in dem (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (D) Punkt, wenn man es einmal euphorisch ausdrücken will, DIE GRÜNEN) noch nicht weit gekommen. Die Netze könnten viel ef- fzienter betrieben werden. Wir haben die falschen An- Es geht jetzt darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, reize in der Anreizregulierungsverordnung formuliert. Verantwortung zu übernehmen, um Akzeptanz herzu- Wir sprechen überall von Industrie 4.0. Wir sollten uns stellen, aber nicht, nur darüber zu reden. Dazu bedarf es daran gewöhnen, auch einmal von Netz 4.0 zu sprechen. Gestaltungswillen, nicht des Rückzugs auf eine Mode- Vor uns liegen Aufgaben, was die Netzthematik angeht. ratorenrolle, wie ich es in den letzten Tagen des Öfteren Das letzte Atomkraftwerk wird in vier Jahren vom Netz in Besprechungen erlebt habe. Mit Mut zur Gestaltung gehen. Die Strukturwandelkommission wird einen Vor- der Energiewende und mit erkennbar gemeinsamer Stoß- schlag machen. Am Ende wird auf jeden Fall dabei he­ richtung in der Politik gegen den Klimawandel freue ich rauskommen, dass weniger fossiler Strom in den Netzen mich darauf, die Energiewende weiter gestalten zu kön- sein wird. nen. Daar kummt uns nix dwars för’t Buuk. Preise und Netze hängen also direkt mit der Akzeptanz Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit. der Bürgerinnen und Bürger zur Energiewende einerseits (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ und der Beteiligung der Gemeinden und damit der Bür- DIE GRÜNEN) gerinnen und Bürger andererseits zusammen. Neue – das will ich an dieser Stelle deutlich sagen –, alte, überkom- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: mene Abstandsregelungen für Windenergie, wie sie zum Beispiel in Bayern eingerichtet werden mussten, haben Für die FDP-Fraktion spricht als Nächster der Kollege mit Akzeptanz gar nichts zu tun. Dr. Martin Neumann. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Martin Neumann (FDP): Sie gehören in die politische Mottenkiste. Das sind ver- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und hinderungspolitische Elemente, die zu nichts anderem Kollegen! Liebe Frau Verlinden, kommen wir zur Reali- dienen, als die Energiewende zu blockieren. Das will ich tät zurück. Ich will an verschiedenen Beispielen darstel- an dieser Stelle ganz deutlich sagen. len, was ich damit meine. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf für 2018 eine DIE GRÜNEN) Sonderausschreibung für 1 500 MW Onshorewind und 3612 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Martin Neumann (A) 800 MW Photovoltaik vorgesehen. Ich will das einmal Liebe Frau Verlinden, Sie haben sicherlich von der (C) praktisch beleuchten. Wenn Sie also davon ausgehen, Umfrage im letzten Monat in der „FAZ“ gehört. Jeder dass wir durchschnittlich 900 Sonnenstunden und circa fünfte Bundesbürger – das müsste Ihnen zu denken ge- 1 700 Windstunden im Jahr haben, dann käme mathe- ben – ist bereit, für günstigen Strom das Festhalten an der matisch eine Strommenge zustande, mit der man circa Atomkraft zu befürworten. Das ist interessant. 900 000 Haushalte versorgen könnte. Mathematisch! (Timon Gremmels [SPD]: 80 Prozent dage- Aber – und das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich – gen!) Strom kann man leider nicht auf Halde parken. Das ist das Problem. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Sie haben auch einen Antrag vorgelegt, der dem so- Gestatten Sie eine Zwischenfrage? genannten Stromstau den Kampf ansagt. Leider bezeich- nen Sie in diesem Antrag den schleppenden Ausbau der Stromnetze als „schlechte Ausrede“, um den Ausbau der Dr. Martin Neumann (FDP): erneuerbaren Energien zu bremsen. Nein, meine Damen Bitte schön. und Herren, wir brauchen dringend und aktuell vor allen Dingen eine technische und wirtschaftliche Integration Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der heutigen regenerativen Stromspitzen und bis dahin Vielen Dank, Herr Neumann, dass Sie die Zwischen- deutlich ein Moratorium für den weiteren Windausbau. frage zulassen. – Sie sprechen hier von Umfragen. Sie (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des haben eine Umfrage aus dem letzten Monat zitiert. Abg. Jens Koeppen [CDU/CSU] – Zuruf der Abg. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Martin Neumann (FDP): NEN] Ja, vom Mai. – Sicher. Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Ich kenne auch eine Umfrage vom letzten Monat, die GRÜNEN]: Dann stimmen Sie unserem An- von Emnid durchgeführt wurde. Es wurde gefragt, ob die trag sicherlich zu!) Menschen in Deutschland bereit wären, die Atomkraft- Wenn Sie die fehlenden Netze, Speicher, aber auch in- werke früher abzuschalten, selbst wenn das zu Entschä- telligente Netze und die notwendige wirtschaftliche Inte- digungszahlungen führt, die dann natürlich vom Steuer- zahler übernommen werden müssen. Und siehe da: Eine (B) gration nicht als das wahrnehmen, was sie sind, nämlich (D) ein zentrales Hindernis für das Gelingen der Energiewen- Mehrheit der Menschen in Deutschland ist dafür. de, dann werden Sie in Sachen Realitätsverweigerung kaum noch zu übertrefen sein. Dr. Martin Neumann (FDP): Ja, aber Sie haben den Kommentar dazu nicht gelesen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Hinterher war nämlich angeführt, dass die Menschen nur Die Realität der Energiewende ist nach jetzigem Stand dazu bereit sind, wenn sie die Kosten nicht tragen müs- vor allem eines: unnötig teuer. Der Grund ist der fehlende sen, nach dem Motto: Der andere kann es bezahlen. Netzausbau, (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE (Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- GRÜNEN]: Ich weiß nicht, was für einen NEN]: Haben Sie unseren Antrag gelesen?) Kommentar Sie jetzt meinen!)

den Sie ja auch als schlechte Ausrede abtun. Fakt ist aber: Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Fehlende Leitungen treiben die Kosten für die Sicherung Frau Kollegin, Sie haben Ihre Frage gestellt. der Systemstabilität immer weiter in die Höhe. Für 2017 rechnet die Bundesnetzagentur wiederum mit neuen Re- korden bei den Kosten von weit mehr als 1 Milliarde Dr. Martin Neumann (FDP): Euro. Diese Kosten tragen in letzter Konsequenz Ver- Laut Eurostat hat Deutschland Dänemark nun über- braucher und Unternehmen, von deren Akzeptanz aber holt, und wir sind jetzt bei den Strompreisen – und das das Gelingen der Energiewende abhängt. kurz vor der Fußball-WM – Europameister. (Beifall bei der FDP) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Um sich die Last einmal auf der Zunge zergehen Herr Kollege, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu? zu lassen: Wenn Sie den Betrag von 1 Milliarde Euro in 10-Euro-Noten aufteilen, dann kommt man auf ein Dr. Martin Neumann (FDP): Gewicht von 72 Tonnen. 72 Tonnen! Das entspricht in Ja, bitte. Deutschland dem Gewicht von zwei Sattelzugmaschinen mit je zwei Doppelachsen. Diese gewaltige Summe ver- schlingt allein das Management von Netzengpässen, von Ralph Lenkert (DIE LINKE): Redispatch und Abregeln von Alternative-Energie-Anla- Herr Kollege Neumann, ich war in den 2000er-Jahren gen, Tendenz steigend. in der Tschechischen Republik beschäftigt. Damals ver- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3613

Ralph Lenkert (A) sprach man den Bürgerinnen und Bürgern in der Tsche- Die Akzeptanz der Menschen bekommen Sie aber (C) chischen Republik: Wenn Temelin erweitert wird, würde nur, wenn die Energiewende schlicht darauf ausgelegt der Strompreis um 30 Prozent sinken. Daraufhin war eine ist, dass sie funktioniert – nichts anderes. Laut Experten Mehrheit dafür. Als dann das Kraftwerk in Betrieb ging, brauchen Sie, was Ihren Koalitionsvertrag und die Son- wurden die Strompreise um 25 bis 40 Prozent erhöht mit derausschreibungen, die Sie nun vehement einfordern, der Begründung: Weil es so hohe Sicherheitsanforderun- angeht, zwei zusätzliche Nord-Süd-Trassen bis 2030. Ich gen an das Atomkraftwerk gegeben hat, wäre jetzt der hofe, das wissen Sie, und ich hofe, Sie wissen auch, was Atomstrom teurer. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu neh- das bedeutet. men. Ich versuche es einmal mit einem anderen Beispiel: Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass das Atom- Stellen Sie sich bitte vor, Sie wollen mit Ihrer Familie in kraftwerk Hinkley Point C mit 12,6 Cent garantierter eine andere Stadt ziehen, fnden aber dort partout keinen Einspeisevergütung für 35 Jahre inklusive Infations- bezahlbaren Wohnraum. Jemand baut dann für sehr viel ausgleich bezuschusst werden soll. Das ist ein wesent- Geld sehr schöne, moderne Wohnungen auf einer grünen lich höherer Beitrag als für Windstrom, der zurzeit mit Wiese, vielleicht auch im Wald. Die Wohnungen sind be- 5 Cent für 20 Jahre ohne Infationsausgleich auf den zahlbar, aber das Ganze hat einen Haken: Sie haben keine Markt kommt. Nehmen Sie also zur Kenntnis: Schon die Straße. Sie kommen also nicht zu dieser Wohnung. Was Fragestellung „Seid ihr dafür, wenn es billiger wird?“ ist nutzt das dann? Diese Politik können Sie den Menschen falsch, weil Atomstrom gar nicht billiger sein kann. Er ist nicht erklären. immer teurer. (Beifall bei der FDP – Oliver Krischer Deswegen die Frage an Sie: Weshalb zitieren Sie Aus- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Beer sagen zu Umfragen, die defnitiv einen falschen Hinter- hat da eine Antwort drauf!) grund haben? Ökologisch verantwortungsbewusst ist eben nicht (Beifall bei der LINKEN) nur der Klimaschutz, für den Ihnen ofensichtlich alle Mittel heilig sind. Es geht meiner Ansicht nach auch da- rum, Flora und Fauna vor dem Eingrif des Menschen zu Dr. Martin Neumann (FDP): schützen. Auch das ist eine Frage ökologischer Verant- Sie beschreiben nur eines, lieber Herr Kollege: dass wortung. die Dinge sehr komplex sind und dass es sicherlich da- (Beifall bei der FDP – [BÜND- rauf ankommt, im Detail hinzusehen. Aber es geht da- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind die Um- rum – diese Frage bleibt bestehen –, was das für den Bür- (B) weltpartei! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ (D) ger letztendlich an Kosten ausmacht. Das ist die Frage, DIE GRÜNEN]: Wenn die FDP für Flora und die wir beantworten müssen. Wir haben sie noch nicht zu Fauna ist, dann wird es immer komisch! – Ende beantwortet. Ich komme im weiteren Verlauf dann Timon Gremmels [SPD]: Wollen Sie die auf noch auf einige Punkte, die Sie gerade angesprochen ha- den Autobahnen denn auch schützen?) ben. So wie die Netzengpässe für Sie nur schlechte Ausre- Ich habe vorhin festgestellt, dass wir Europameister den sind, begreifen Sie möglicherweise analog hierzu die bei den Preisen sind, was den Strom betrift. Ich habe Natur- und Tierschützer als Wutbürger, die gegen Wind- über 20 Jahre beim Verbraucherzentrale Bundesverband räder demonstrieren, welche ganze Landstriche zerstö- gearbeitet, und ich habe in Gesprächen immer wieder ren. mitbekommen, dass es den Leuten tatsächlich darauf an- kommt: Was kostet das Ganze? (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie wollen denen doch sogar die Ge- (Timon Gremmels [SPD]: Was ist mit den meinnützigkeit aberkennen!) Folgekosten der Atomenergie?) Doch ofenbar treten Sie nicht nur Ihre eigenen Überzeu- Ich frage die Antragsteller ganz besorgt, ob es Ihnen tat- gungen mit Füßen, sondern auch die Gesetze der Markt- sächlich um das Gelingen der Energiewende geht. Geht wirtschaft und sämtliche Naturgesetze. Wie bewerten Sie es wirklich darum, dass Sie die Energiewende erfolg- denn die in dieser Woche veröfentlichte Leitstudie der reich durchführen wollen, ober geht es um das poten- dena, die besagt, dass die Energiewende ohne Netz- und zielle Zusammenbrechen von Träumen? Meiner Ansicht Speicherausbau niemals gelingen wird? Frage: Auch eine nach muss es um eine bezahlbare, versorgungssichere schlechte Ausrede? Nein. Denn einfach blind die alterna- und ökologische Energieversorgung gehen, tiven Energien auszubauen, reicht eben nicht, wenn der Ausbau von intelligenten Leitungen und Netzen nicht (Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hinterherkommt. NEN]: Genau das wollen wir!) (Beifall bei der FDP) die in der Summe die Akzeptanz der Menschen in diesem Land fndet. Unrealistische und ideologiegetriebene Forderungen sind insgesamt nicht nur wenig zielführend, sondern sie (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten lähmen auch die gesamte politische Debatte. Wenn ge- der CDU/CSU – Timon Gremmels [SPD]: Da- nerell ein Einbruch der Zubauzahlen ab 2019 befürchtet rum geht es! Da haben Sie recht!) wird, so ist dies lediglich das Ergebnis einer verfehlten 3614 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Martin Neumann (A) Korrektur des EEG; Sie haben die Bürgergesellschaften Ich habe jetzt an dieser Stelle nicht die Gelegenheit, (C) ja vorhin schon erwähnt. Dass der Einbruch in der Reali- jegliche dieser Fehlinformationen auszuräumen, und will tät tatsächlich erfolgt, ist noch nicht gesichert. Wir müs- nur in aller Kürze auf ein Argument eingehen, nämlich sen uns das sicherlich noch einmal genau ansehen. Ich auf das Kostenargument. Das wird immer vor sich her- sage zusammenfassend – auch mit Blick auf die Uhr –: getragen; der Kollege der FDP hat das eben auch ge- Augenmaß ist hier gefordert, nicht Ideologie. Für eine macht. Es wird gefragt: „Wie viel kostet uns denn die funktionierende Energiewende müssen wir den Wettlauf Energiewende?“, und gesagt: Die Verbraucherinnen und der Lobbyisten um den besten Platz an der Freibiertheke Verbraucher werden belastet. unterbinden. Schauen wir uns das doch mal genau an: (Beifall bei der FDP – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Das ist SPD und Union haben sich auf europäischer Ebene doch jetzt eine Unverschämtheit!) gegen Sozialtarife und ein Monitoring von Energiearmut ausgesprochen. Noch ein Satz zu den Ausschreibungen, um das ein- mal praktisch zu machen. Die letzte Ausschreibung für Hinzu kommt: Wir müssen uns alles zusammen angu- Windenergie an Land war erstmalig deutlich unterzeich- cken. Was bedeutet denn dann Braunkohleverstromung? net. Das heißt, es gab zu wenige Punkte. Eine starke Braunkohleverstromung bedeutet, dass wir nicht nur Ausweitung der Ausschreibungsmengen würde aber Feinstaub, sondern auch Quecksilber, Cadmium, Arsen, dazu führen, dass alle Betreiber nur noch Höchstgebo- Blei, Zink und Schwefeldioxid in unsere Umwelt blasen. te abgeben würden. Das schadet letztendlich auch dem Das heißt, all das kommt in unsere Atemluft und in unse- Gesamtsystem. re Nahrungskreisläufe. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE AfD) GRÜNEN]: Genau!) Ich fasse zusammen: Bei der Gestaltung der Energie- Wer wohnt denn in der Nähe von Braunkohlekraft- wende müssen die Ziele lauten: Bezahlbarkeit, Versor- werken? Das sind nicht die Reichen, sondern häufg die gungssicherheit, Ökologie und Akzeptanz. Mein schnel- einkommensschwachen Bevölkerungsschichten. Das ist les Vehikel ist dabei die Marktwirtschaft, während Sie zu genau wie beim starken Straßenverkehr. Fuß durch die Planwirtschaft irren. Ich darf hinzufügen: Wer leidet noch darunter? Es (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE sind, global gesehen, die Einkommensschwachen, die (B) GRÜNEN]: Dann lassen Sie die doch inves- Armen dieser Welt. National gesehen gilt das genauso. (D) tieren, die investieren wollen!) Durch Überschwemmungen und durch Dürren leiden auch unsere Landwirte darunter. Man muss das doch mal Wir werden der Überweisung zustimmen, weil wir im- klar sagen. mer noch hofen, dass die Überzeugung von der Markt- verantwortung gewinnen wird. Diese Energiewende nützt uns allen, der gesamten Menschheit, also auch den Einkommensschwachen. Wir Herzlichen Dank. müssen eben etwas gegen Energiearmut tun, aber nicht (Beifall bei der FDP) die Energiewende infrage stellen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der nächste Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Lorenz Beutin. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Beifall bei der LINKEN) Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Kraft von der AfD-Fraktion? Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE): be Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich muss sagen, zu- Nein. – Wissen Sie, warum ich zu dieser Energiewen- mindest bei diesem Tagesordnungspunkt ist es ein wenig de stehe und warum ich dafür kämpfe, dass wir sie ver- ein Trauerspiel, weil wir hier ein Feuerwerk an Phrasen, teidigen müssen? Das tue ich, weil diese Energiewende Populismus und Fake News erleben. im Kern ein demokratisches Projekt ist. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und Wir wissen, die Produktion von Kohle- und Atom- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) strom ist extrem stark subventioniert und – das kommt Das reicht von der AfD über die FDP bis zum Redner der hinzu – bei den großen Energiekonzernen zentralisiert. CDU. Es ist erbärmlich. Bei der Energiewende ist das etwas anders. Über 40 Pro- zent der Anlagen für erneuerbare Energien befnden sich (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- in der Hand von Bürgerinnen und Bürgern. Das bedeutet, neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE diese Anlagen werden von Genossenschaften, Kommu- GRÜNEN) nen, Landwirten und, ja, auch von Privatpersonen betrie- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3615

Lorenz Gösta Beutin (A) ben. Wir Linke sagen: Wir wollen diesen demokratischen Mit den heutigen Zielvorgaben aus dem Erneuerba- (C) Charakter der Energiewende erhalten und ausbauen. re-Energien-Gesetz besteht keinerlei Möglichkeit, die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen. Das ist (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- den politischen Verantwortlichen entweder nicht neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ bewusst oder sie nehmen ein Verletzen der Klima- DIE GRÜNEN – Dr. Julia Verlinden [BÜND- schutzverpfichtungen bewusst in Kauf ... NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir auch!) Dieser Satz stammt nicht von mir. Ihn hat Volker In Zeiten wachsender Ungleichheit, in denen der Pri- ­Quaschning, einer der renommiertesten Professoren, der vatisierungswahn immer noch wütet, müssen wir uns sich mit der Energiewende in Deutschland beschäftigt, doch die Frage stellen: Wem gehören die Windräder, gesagt. Wir stimmen ihm zu. die Solaranlagen und die Biogasanlagen, die wir für die Energiewende benötigen? Wem gehören die Stromnetze (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. und die Stromspeicher? Das und nicht solche Fragen, die Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) hier aufgeworfen wurden, sind die Fragen, die uns hier in Zukunft gemeinsam bewegen werden. Deswegen sagen wir: Kommen Sie in die Hufe! Wir Linke werden Ihnen auf allen Ebenen Druck machen: Wir sagen: Die Energieversorgung gehört in die Hand Wir werden Ihnen im Parlament Druck und wir werden von Bürgerinnen und Bürgern und in die öfentliche auch auf der Straße Druck machen. Wir Linke werden Hand. am 24. Juni dieses Jahres hier in Berlin für einen raschen (Beifall bei der LINKEN) Kohleausstieg demonstrieren. Nur das ist demokratisch, sozial und ökologisch glei- (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE chermaßen. Wir wissen, Energieversorgung ist genau wie GRÜNEN]: Wir auch!) Wohnen, Nahrung und Bildung ein Grundrecht, das wir Wir werden im Oktober bei „Ende Gelände“ im Ham- verteidigen müssen. bacher Forst sein und dort diejenigen unterstützen, die (Beifall bei der LINKEN) sich für Klimagerechtigkeit einsetzen; denn das ist un- sere Perspektive, nicht das, was wir hier vorher von der Wir wollen, dass die ökologische Stromerzeugung Fake-News-Fraktion gehört haben. eine demokratische Stromerzeugung der vielen ist. Des- halb haben wir heute den Antrag mit dem Titel „Bür- Danke schön. gerenergie retten“ eingebracht. Herr Saathof, ich fand (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- es sehr schön, dass Sie gesagt haben, dass das eine gute neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (B) Grundlage bildet. Auf dieser Grundlage können wir si- (D) cher weiter diskutieren. Deswegen müssen wir uns eben diese Eigentumsfrage stellen. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Wir Linke wollen den Niedergang der demokratischen Kollegen Dr. Rainer Kraft, AfD-Fraktion. Energiewende aufhalten. Wir Linke wollen eine Energie- wende von unten, an der die Menschen und die Kom- munen beteiligt sind und die in demokratischer Hand ist. Dr. Rainer Kraft (AfD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Beutin, wir haben (Beifall bei der LINKEN) zur Kenntnis genommen – das fnden wir sehr gut –, dass Was macht aber die Bundesregierung? Ihr System der Sie sich Sorgen um die Menschen in den Braunkohlere- Ausschreibung ist für uns ein Verstoß gegen den demo- vieren machen, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht. kratischen Charakter der Energiewende. Denn wer setzt Daher möchten wir Sie fragen: Warum haben Sie als Lin- sich bei marktwirtschaftlichen Ausschreibungen in letz- ke den Antrag gestellt, diese Braunkohlekraftwerke, von ter Konsequenz durch? Die, die am Markt am stärksten denen die Existenz der Menschen und die ihrer Familien sind. in den Revieren abhängt, etwa im Rheinland, in Mittel- deutschland und in der Lausitz, stillzulegen? Damit wird (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Das ist das Sys- diesen Menschen die wirtschaftliche Existenzgrundlage tem! Er hat das System verstanden!) entzogen. Nutzen wir die De-minimis-Regelung, die es auf eu- (Beifall bei der AfD – Johann Saathof [SPD]: ropäischer Ebene gibt, damit kleine Windenergieprojekte Schon mal was von Strukturwandel gehört?) von den Ausschreibungen ausgenommen werden, dass die Bürgerinnen und Bürger endlich wieder die Möglich- keit bekommen, sich mit der Energiewende und den er- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: neuerbaren Energien zu identifzieren. Herr Kollege Beutin. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE): NEN]) Ich will es kurz machen, ich habe hierzu schon gere- det. Ich habe erwähnt, dass wir für diese Regionen einen Ich muss langsam zum Schluss kommen. Strukturwandelfonds in Höhe von 500 Millionen Euro (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Ja!) jährlich aufegen wollen. 3616 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Lorenz Gösta Beutin (A) Sehen wir uns die Altersstruktur der Menschen in Auf der anderen Seite des Parlaments wird eine kopfose (C) der Braunkohle an: 60 Prozent der in der Braunkohle Politik vorgeschlagen. Beschäftigten – wir wollen die 20 dreckigsten Braun- kohlekraftwerke dichtmachen – sind über 50 Jahre alt. (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das heißt, wir können tatsächlich hier sozialverträgliche NEN]: Sie haben die Industrie verprellt!) Konzepte entwickeln. Was wir selbstverständlich machen Sie schreiben außerdem: müssen, ist, in den Strukturwandel und in Forschungsein- richtungen in den Regionen zu investieren. Denn nur wenn die erneuerbaren Energien kontinu- ierlich auf hohem Niveau ausgebaut werden, ist die Wissen Sie, was? Es ist Ihnen wahrscheinlich noch Einhaltung der Klima- und Energieziele 2030 rea- nicht bekannt; ich bin glücklicherweise etwas besser in- listisch. formiert: In den Regionen haben wir mittlerweile die Si- Auch das ist zu einseitig. Wir haben auch noch andere tuation, dass der Strukturwandel bereits stattfndet, Möglichkeiten, um CO2 einzusparen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE NEN]: Der Kollege kommt aus Bayern!) GRÜNEN]: Da bin ich gespannt!) dass sich die Zulieferbetriebe umstellen, dass sie nach Wir müssen und wir werden auch andere Möglichkeiten, Alternativen suchen. Genau diese Betriebe müssen wir die übrigens oftmals efzienter sind, nutzen. gemeinsam unterstützen. Wir müssen dorthin und ge- meinsam mit diesen Menschen reden. (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nämlich?) Wir müssen ihnen reinen Wein einschenken und ihnen Wir wollen technische innovative Lösungen fördern und sagen: Leute, die Bekämpfung des Klimawandels ist eine uns eben nicht nur auf einen Sektor konzentrieren. Zukunftsfrage. Wir müssen sie jetzt angehen. Wir brau- chen einen Kohleausstieg. Aber wir wollen euch dabei Es gilt, zu betonen: Wir können noch so viele Erneu- mitnehmen. Wir wollen euch soziale Alternativen auf- erbare zubauen, aber wir müssen den Strom auch nut- zeigen und diese gemeinsam mit euch diskutieren und zen und abtransportieren können. Ich will jetzt gar keine verhandeln. Nur so kann es auf demokratischem Wege weiteren Bilder bemühen, aber ich stelle fest, dass auch gehen. – Vielen Dank. die Grünen dieses Problem mittlerweile erkennen. Wenn Sie Ihrem Antrag die Überschrift „Stromstau aufösen“ (Beifall bei der LINKEN) geben, dann erkennen Sie ja, dass es hier zumindest ein Problem gibt. (B) (D) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Der nächste Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der NEN]: Wir haben schon Anträge zum Netz ge- Kollege Dr. Andreas Lenz. stellt, da wussten Sie noch nicht, was das ist!) Bei den Lösungen sieht es dann schon wieder dife- (Beifall bei der CDU/CSU) renzierter aus. Wenn Sie bei den Redispatchkosten der Bundesregierung vorwerfen, dass diese nicht bereit ist, Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Deutschland in zwei Strompreiszonen aufzuteilen, dann legen Sie mit dieser Kritik die Axt an den Wirtschafts- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen standort Deutschland insgesamt an. und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Grü- nen fordern in verschiedenen Anträgen einen zusätzlich Auch die Sektorkopplung ist nicht der einzige Weg, beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien; ganz um das Problem zu lösen. Wir brauchen beispielsweise nach dem Motto: Viel hilft viel. – Sie fordern noch für mehr Speicher und wollen diese auch stärker fördern. dieses Jahr eine Sonderausschreibung und dann jährliche Das wird auch im Koalitionsvertrag betont. Hier heißt es: Ausschreibungen in einer Größenordnung von 5 Giga- Wir wollen durch eine stärkere Marktorientierung watt für Windenergieleistung an Land und 3 Gigawatt für der Erneuerbaren Energien Investitionen in Spei- Leistungen aus der Photovoltaik. chertechnologien und intelligente Vermarktungs- Dazu muss man betonen, dass uns die genehmigten konzepte fördern. Projekte hierfür im Moment gar nicht vorliegen. Eine (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Ausschreibung macht eben nur dann Sinn, wenn tatsäch- GRÜNEN]: Was macht denn der CO2-Preis lich ein Wettbewerb vorhanden ist. eigentlich?) (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir brauchen netzverträgliche und intelligente Lösun- NEN) gen. Deshalb wollen wir zukünftig Innovationsausschrei- bungen, die beispielsweise unterschiedliche Formen der Das verkennen Sie vollkommen. Das ist einfach der Un- Erneuerbaren koppeln. terschied: Wir machen eine Energiewende mit Verstand. (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE (Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- GRÜNEN]: Damit werden Sie die Ziele nicht NEN]: Ach so!) erreichen!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3617

Dr. Andreas Lenz (A) Wir wollen beispielsweise Arbeit ausschreiben. Wir Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (C) wollen die Härtefallregelungen angehen, und wir wollen Der nächste Redner ist der Kollege Timon Gremmels die Netzanbindung insgesamt stärker berücksichtigen. von der SPD-Fraktion. Und wir werden natürlich den Netzausbau beschleuni- gen. Auch das haben wir im Koalitionsvertrag beschlos- (Beifall bei der SPD) sen. Der Minister wird sich dafür persönlich einsetzen, und er wird natürlich auch daran gemessen werden. Timon Gremmels (SPD): Wenn Sie auf der einen Seite beim Ausbau der Er- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und neuerbaren die Akzeptanz durch Beteiligungen – auch Herren! Ein großer Interessenverband hat unlängst be- durch fnanzielle Beteiligungen – fördern wollen, dann rechnet, wie viel Leistung an erneuerbaren Energien wir verstehe ich nicht, warum Sie das beim Leitungsausbau jährlich zubauen müssten, damit wir die Pariser Klima- so apodiktisch ausschließen. Das passt auch wieder nicht schutzziele erreichen. Je nachdem, ob das ein 80- oder zusammen. 95-Prozent-Ziel ist, wären das pro Jahr 8,5 Gigawatt bis Die Linke befürchtet das Ende der Bürgerenergie. Sie 10 Gigawatt Zubau: Jahr für Jahr bis 2050. nennen im Antrag Missbrauchsfälle, übrigens zu Recht. Aber wir haben heute Vormittag genau deshalb die Die Zahlen selbst überraschen einen nicht, wenn man ­BImSchG-Genehmigungspficht verlängert. Sie hätten sich damit auskennt. Überrascht hat mich, dass das kei- dem zustimmen können. ne Studie von Greenpeace oder vom Bundesverband Er- neuerbare Energien war. Diese Zahlen entstammen der (Lorenz Gösta Beutin [DIE LINKE]: Ich habe Studie „Klimapfade für Deutschland“, die der Bundes- etwas dazu gesagt!) verband der Deutschen Industrie in Auftrag gegeben hat, meine sehr verehrten Damen und Herren. Schauen Sie Dann hätten wir Ihren Antrag heute Nachmittag gar nicht sich das einmal genau an! Der Verband steht eigentlich mehr diskutieren müssen. den Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP näher. Dieser Verband schreibt Ihnen einiges ins Stamm- Jetzt heißt es immer, der Branche drohe der Zusam- buch. Wenn Sie schon nicht uns glauben, dann glauben menbruch. Es werden Weltuntergangsszenarien ge- Sie doch diesem Verband, meine sehr verehrten Damen zeichnet. Diese werden und wurden übrigens bei jeder und Herren. Änderung des EEG aufgezeigt. Aber sie werden nicht eintreten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Wir werden die Bürgerenergie natürlich weiter unter- (B) GRÜNEN) (D) stützen, im Rahmen des Wettbewerbs. Auch dazu beken- nen wir uns im Koalitionsvertrag. Trotz der damit verbundenen Kosten sieht die Studie Wir werden die Akteursvielfalt auch künftig sicher- die Energiewende vor allem als wirtschaftliche Chan- stellen. Wir werden die Möglichkeiten einer Projektbe- ce. Der BDI sagt: Das ist eine wirtschaftliche Chance teiligung von Bürgerinnen und Bürgern verbessern, und für die Volkswirtschaft in Deutschland. – Herr Kollege zwar ohne dass dies insgesamt zu mehr Kosten im Sys- Dr. Neumann, das entspricht dem, was Sie vorhin über tem führt. die Marktwirtschaft gesagt haben. Hören Sie also auf den BDI! Dieser sagt: Bei allen durchgerechneten Szenari- Und ja, die Koalition arbeitet an der Umsetzung des en im Hinblick auf die Einhaltung der Klimaschutzziele Koalitionsvertrages. Minister hat neu- wird für ein höheres Bruttoinlandsprodukt gesorgt. Das lich in einer Runde gesagt: Wir müssen in der Koalition ist Wertschöpfung pur, Made in . So werden wir lernen, uns liebzuhaben. – Ganz ehrlich, das haben wir die Energiewende schafen. Lassen Sie sich das gesagt schon die letzten vier Jahre nicht immer ganz geschaft. sein! (Johann Saathof [SPD]: Das stimmt!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber man kann an die SPD gerichtet einmal betonen, wer Ihr Koalitionspartner ist und wer nicht. An dieser Stelle haben wir ein paar Verschwörungs- theorien der AfD. Aber, ehrlich gesagt, ist mir meine Aber wir haben es auch in der letzten Legislatur ge- Energie zu schade, um mich mit Ihnen zu beschäftigen. schaft, dass am Ende gute Ergebnisse für das Land he- Da habe ich keine Hofnung, dass wir Sie noch überzeu- rausgekommen sind. Das muss uns natürlich auch jetzt gen. Ich konzentriere mich auf die FDP und die CDU/ wieder gelingen. Wenn es dazu einmal mehr Zeit bedarf, CSU. Ehrlich gesagt, müssen wir unseren Koalitions- dann ist es eben so. In diesem Sinne: Ihre Anträge helfen partner im Zusammenhang mit dem Koalitionsvertrag an uns nicht weiter, und unsere Lösungen kommen dem- die Vertragstreue erinnern. Kollege Lenz hat gerade den nächst. Minister zitiert, der von Liebe gesprochen hat. Mir würde Herzlichen Dank. schon reichen, wenn der Ehevertrag, der Koalitionsver- trag, eingehalten würde. Da steht klar und deutlich drin: (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Julia Verlinden Wir wollen Sonderausschreibungen für die Bereiche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich Photovoltaik und Windkraft. Das muss umgesetzt wer- nicht verstanden! Keine Antworten!) den, und zwar zügig. Hier stehen Sie im Wort. Bitte seien 3618 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Timon Gremmels (A) Sie da vertragstreu, liebe Kolleginnen und Kollegen der Also: Das wären die richtigen Maßnahmen und nicht (C) CDU und der CSU! irgendwelche Länderöfnungsklauseln, die ein Instru- ment der Verhinderungsplanung sind. Wir wollen die (Beifall bei der SPD – Dr. Joachim Pfeifer Energiewende ermöglichen und sie nicht verhindern. [CDU/CSU]: Gleichfalls!) Sie reden netzentlastenden Maßnahmen ständig das (Beifall bei der SPD) Wort. Ja, auch wir sind dafür. Im Koalitionsvertrag steht Herr Koeppen, die Einladung steht. Bringen Sie gleich aber auch etwas zur Südquote. Aber ich habe nichts ge- Herrn Dr. Neumann mit. Sie sind herzlich eingeladen, hört – auch nicht von dem Kollegen der CSU –, was Sie vorbeizukommen. tun, damit Bayern unsere Ziele erreicht. Das wäre aus unserer Sicht sinnvoll. Auch Süddeutschland kann und Lassen Sie uns konkret darüber diskutieren, wie wir muss etwas mehr tun im Bereich des Windkraftausbaus. die Energiewende beschleunigen können, anstatt hier Das größte Hemmnis ist die sogenannte 10H-Regelung, solche Scheindebatten zu führen. Wir möchten hier end- die Länderöfnungsklausel, die wir schon mal hatten. Die lich etwas tun. Wir möchten bei der KWK vorankom- hat doch dazu geführt, dass Bayern die Karte gezogen hat men; da besteht Handlungsbedarf. Wir wollen möglichst und den maximalen Abstand zwischen Windkraftanlagen zeitnah die beihilfichen Vorgaben der EU-Kommission und Bebauung gewählt hat. Das hat dazu geführt, dass umsetzen. Sie stehen da auf der Bremse. Es tut mir leid, der Windkraftausbau in Bayern nahezu zum Erliegen ge- dass ich heute meinem Koalitionspartner sagen muss, kommen ist. Jetzt fordern Sie, Herr Koeppen, das wieder dass er dort etwas bremst und dass aus dem 100-Tage-Er- zu machen und ein höheres Abstandsziel festzulegen. neuerbare-Energien-Gesetz nichts wird. Ich glaube, das ist klar, wenn man den Zeitplan sieht. Aber ich bin zuver- (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Ich will das sichtlich – die Hofnung stirbt bekanntlich zuletzt –, dass auch in Brandenburg haben!) wir wenigstens ein 200-Tage-Erneuerbare-Energien-Ge- Da frage ich mich doch: Wie wollen wir unsere Klima- setz hinbekommen, wenn wir alle das bevorstehende Wo- schutzziele und Ausbauziele von 65 Prozent bis 2030 er- chenende nutzen, um zu uns zu kommen, und uns dann reichen? Sagen Sie mir, wie das gehen soll? Ich glaube, auf das verständigen, was im Koalitionsvertrag steht. dass das eine Milchmädchenrechnung ist. Wenn wir das konsequent und nachhaltig umsetzen, dann gelingt uns die Energiewende. Und dafür steht die SPD. (Beifall bei der SPD – Jens Koeppen [CDU/ CSU]: Das kann ich Ihnen sagen!) Vielen Dank und Glück auf! Natürlich gibt es zahlreiche Studien, die belegen, (Beifall bei der SPD) dass es eben nicht so ist, dass ein höherer Abstand der (B) Windkraft zur Bevölkerung zu mehr Akzeptanz führt. Ich (D) sage Ihnen mal, was wirklich zu mehr Akzeptanz führt. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Herr Koeppen, ich lade Sie als meinen Koalitionspartner Ich erteile das Wort dem Kollegen Mario Mieruch. gern zu mir in den Wahlkreis ein. Wie haben wir das in Kassel gemacht? Bei mir im Wahlkreis haben wir um die 40 Windkraftanlagen. Mario Mieruch (fraktionslos): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen (Jens Koeppen [CDU/CSU]: 40?! Ich habe und Herren! Skepsis gegenüber der Energiewende ist 800 bei mir!) doch nicht undemokratisch. Wir haben hier gerade ge- – Kommen Sie mal zu mir, Herr Koeppen, und hören Sie hört, dass von demokratischer Energiewende bzw. demo- jetzt vor allem mal zu! Dann können Sie noch was ler- kratischer Bürgerenergie die Rede war. Das suggeriert ja nen. – Wir haben diese Anlagen gebaut zusammen mit sofort, dass jeder, der da an irgendeiner Stelle Einwände den städtischen Werken, den Bürgerenergiegenossen- hat, per se undemokratisch sei. schaften, den Kommunen sowie den Bürgerinnen und Bürgern. Wir haben sie einbezogen in die Planung und (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- in die Finanzierung. Sie sind am Gewinn beteiligt. Das NEN]: Quatsch!) führt dazu, dass manche Gemeinden durch zusätzliche Das zieht die Diskussion auf ein Niveau, auf das sie ei- Einnahmen das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei stel- gentlich nicht gehört. Wenn wir das Ganze versachlichen len können. Das ist Sozialpolitik, auch mit der Windkraft. wollen, sollten wir so was vielleicht unterlassen. Das führt zu Akzeptanz. Woran hängt es denn jetzt aktuell? Wir haben gehört, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dass es beim Netzausbau klemmt. Aber es gibt sicherlich des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) noch drei weitere Ursachen, die ziemlich relevant sind: Ich lebe in einer Wanderregion. Wir wandern sehr viel zum einen den Mangel an geeigneten Standorten, zum in Nordhessen. Tolle Landschaft! Kommen Sie mal vor- Zweiten zunehmenden Widerstand in der Bevölkerung, bei! Was hat denn die Wanderschule in Nieste bei mir weil die Leute eben nicht diese Industrieanlagen in ih- im Wahlkreis gemacht? Sie hat einen Energielehrpfad rer unmittelbaren Umgebung stehen haben wollen. Und angelegt. Sie können mittlerweile durch die Söhre oder ein dritter Punkt, der sehr wesentlich ist, ist die schlichte durch den Kaufunger Wald wandern und lernen, wie Unrentabilität für die Betreiber, wenn die Anlagen von die Energiewende funktioniert und welchen Beitrag die alleine laufen sollen und eben nicht über Subventionen Windkraft dazu leistet. Das führt zu mehr Akzeptanz. gefördert werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3619

Mario Mieruch (A) Wenn hier dargestellt wird, wie an manchen Stellen die die übelsten Atomgrotten und Braunkohlegrotten in (C) alle mit einbezogen werden und wie gut das funktioniert diesem Land, mit denen wir heute noch schwer belastet und dass die Energiewende den kleinen Bürgern zugute- sind, zu verantworten hat. kommt, die ja, wenn sie in der Nähe von Braunkohlean- lagen leben, so schwer benachteiligt sind, muss man sich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- doch fragen: Wer hält denn tatsächlich diese Genossen- ordneten der AfD und der FDP) schaftsanteile? Das ist nicht Lieschen Müller, die vom Ehrlich gesagt, die Leute, die damals das Wort „Demo- Hartz-IV-Satz lebt, sondern das sind diejenigen, die es kratie“ ausgesprochen haben, wurden von den Schergen sich leisten können, sich solche Anteile zuzulegen, und Ihrer Vorgängerpartei eingesperrt. Also, das ist schon die parallel dazu wahrscheinlich gerade einen frischen eine scharfe Nummer. Holzofen, auch wieder subventioniert, installiert haben, mit dem sie neuen Feinstaub in die Atmosphäre blasen. (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Wider- spruch bei der LINKEN) Wir können so viel Windenergieleistung ausschreiben, wie wir wollen: Wenn die Technik von alleine nicht wett- – Das tut ein bisschen weh. Das müssen Sie aushalten. bewerbsfähig ist, dann gibt es eben einfach keine neuen Meine Damen und Herren, wir haben heute schon an Investments. Das vorschreiben zu wollen, ist Planwirt- anderer Stelle verschiedene wichtige Aspekte – das The- schaft, und wir wissen, wo das Ganze endet. ma Bürgerenergiegesellschaften behandeln wir Gott sei Heute ist auch schon das ganze Thema „Rückbau, Dank jetzt – geregelt. Die Energiewende ist eben auch ein Recycling usw.“ angesprochen worden. Das ist ein Rie- Prozess des dauernden Nachsteuerns. Es war tatsächlich senthema, und dazu fndet keine ehrliche Diskussion nicht hinnehmbar, dass etwa 95 Prozent des Zuschlagvo- statt. Ein Blick in die USA zeigt das ganz deutlich: Da lumens insofern nicht realisiert werden kann, jedenfalls stehen quadratkilometergroße Windparks herum, in de- nicht kurzfristig realisiert wird, weil die entsprechenden nen sich kein einziger Rotor dreht. Die gammeln da vor Genehmigungen beim Zuschlag nicht als Voraussetzung sich hin. Sie werden nicht mehr betrieben, weil sie un- angesagt waren. Das haben wir geändert; das ist wichtig. rentabel sind. Das trägt zur Akzeptanz bei. Wir haben längere Realisie- rungsfristen bei den Vorhaben, die dazu führen können, Über das Problem mit den Rotorblättern ist vorhin dass womöglich erst nach 2020/2021 der Hauptteil der gelacht worden. Aber es ist tatsächlich so: Es gab erst bezuschlagten Projekte realisiert wird. Das ist durchaus unlängst einen Fall, dass ein Rotorblatt geborsten ist, ein Problem; das haben wir jetzt leider nicht mehr lösen und man hat die GFK-Splitter, die Glasfaserverbund- können. Wir müssen auch darauf achten, dass der Markt werkstofsplitter, 800 Meter weit entfernt in den Feldern der Windenergiebranche nicht einbricht. (B) gefunden. Dort werden sie dann eben über die Ernte auf- (D) genommen oder auf der Weide durch Vieh gefressen usw. Gleichwohl müssen wir den Ausbau mit Augenmaß Das ist nicht so richtig gesund, und da müssen wir ein- erfolgen lassen. Meine Damen und Herren, dazu haben fach ehrlich sein. wir eine Reihe von Maßnahmen ergrifen: Wir haben das Privileg der Genehmigungsfreiheit nunmehr bis zum Als Blaue Partei setzen wir uns dafür ein, dass diese „Geburtstermin“ 1. Juni 2020 ausgesetzt, wir haben die ganzen Themen ofen und sachorientiert besprochen wer- Bedingungen für Bürgerenergiegesellschaften intensiv den; denn gegen eine Energiewende und saubere Energie beobachtet und werden das als Daueraufgabe weiterhin kann eigentlich keiner was haben. machen müssen, und wir werden Sonderausschreibungen (Johann Saathof [SPD]: Was denn jetzt?) auf den Weg bringen. Es ist kein Geheimnis, dass wir über das genaue Wann und das ganz exakte Wie im Mo- Vielen Dank. ment intensiv zwischen den Koalitionspartnern sprechen, aber das Thema lohnt es. Wir sind – und das sei in die Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Richtung des Koalitionspartners gesagt – in jedem Fall vertragstreu, aber wir erwarten Selbiges auch von Ihnen. Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt der Kollege Carsten Müller für die CDU/CSU-Fraktion. (Timon Gremmels [SPD]: Wir auch!) (Beifall bei der CDU/CSU) Ich werde dazu mehr ausführen. Meine Damen und Herren, das Thema der Akzeptanz Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU): der Energiewende ist hier heute mehrfach angeführt wor- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heu- den. Es geht uns – das steht genau so im Koalitionsver- tige Debatte war bedauerlicherweise von einigen Aufge- trag drin; und das ist eine sehr vernünftige Maßgabe – um regtheiten geprägt. Ich will ganz zu Beginn nur auf die die Aufnahmefähigkeit der Netze. Um die Aufnahmefä- Ausführungen des Kollegen der sogenannten Linkspartei higkeit dauerhaft zu gewährleisten, geht es uns darum, eingehen. dass wir vier Maßnahmen einleiten und beherzigen: Bei (Helin [DIE LINKE]: Links- der Beschleunigung des Netzausbaus geht es uns erstens fraktion! Partei Die Linke!) um die Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgeset- zes. Wir müssen zweitens das nationale Planungs- und Es ist schon wirklich ein starkes Stück, dass ausgerech- Genehmigungsrecht auf den Prüfstand stellen. Drittens net Sie hier einen solchen Ton anschlagen, wobei es geht es darum, auch auf EU-Ebene dafür einzustehen, Ihre Partei war – damals noch unter anderem Namen –, dass es zu einer Reduzierung der Bürokratiebelastungen 3620 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Carsten Müller (Braunschweig) (A) kommt. Viertens geht es um einen Maßnahmenplan zur Gegenstand umfangreicher Beratungen im Niedersäch- (C) Optimierung der Bestandsnetze. sischen Landtag. Meine Damen und Herren, ich erspare Ihnen einige Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns, wir ma- technische Details, will allerdings noch einen Punkt her- chen das gemeinsam und vertragstreu, aber vor allen vorheben: Es geht um das Thema Verträglichkeit, und Dingen so, dass der Strom von den Netzen aufgenommen zwar nicht nur um Netzverträglichkeit. Das ist eine wich- und dorthin transportiert werden kann, wohin er gehört, tige Aufgabe. Ich will die Anträge beispielsweise von und das Ganze muss wirtschaftlich passieren. den Grünen nicht in Bausch und Bogen verurteilen. Da Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. gibt es interessante Einzelaspekte; aber sie führen eben, so wie sie im Moment vorliegen, nicht dazu, dass der (Beifall bei der CDU/CSU – Timon Grem- Ausbau tatsächlich verträglich passiert. Wir müssen dazu mels [SPD]: Detlef Tanke kann mitkommen!) viel mehr machen. Erstens. Die Netze müssen die installierte Leistung Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: aufnehmen können. Installierte Leistung ist prima, aber Ich schließe die Aussprache. sie nützt wenig, wenn sie nicht in Arbeit umgesetzt wird. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Wenn es passiert, dass Leistung nur installiert und nicht den Drucksachen 19/2108, 19/1006 und 19/2109 an die in Arbeit umgesetzt wird, führt das zum Gegenteil von in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- Akzeptanz. Deswegen müssen die Netze nachgeführt schlagen. Wenn Sie damit einverstanden sind – das ist werden. der Fall –, dann ist die Überweisung so beschlossen. (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a und 24 b auf: NEN]: Das steht doch in unserem Antrag!) a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ Zum Zweiten geht es natürlich auch darum, Bürgerin- CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines nen und Bürger an Raumordnungsverfahren zu beteili- Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Atom- gen. Es mag auch darum gehen, Bürgerinnen und Bürger, gesetzes (16. AtGÄndG) vielleicht auch Kommunen an den Gesellschaften zu be- teiligen. Aber das ist längst nicht alles; es geht auch um Drucksache 19/2508 die Frage der Wirtschaftlichkeit. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (f) Ich will zum Abschluss zu einem letzten Punkt zu- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz rückkommen. Die Akzeptanz in der Öfentlichkeit macht Ausschuss für Wirtschaft und Energie (B) sich sehr stark an der Frage fest, wie nah sich Windkraft- Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO (D) anlagen an der Wohnbebauung befnden. Darüber kann b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hubertus man nicht so lax hinweggehen, wie es mein Vorredner Zdebel, Lorenz Gösta Beutin, Dr. Gesine Lötzsch, der SPD-Fraktion gemacht hat. Ehrlich gesagt, Herr weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE Gremmels – ich habe eben bei Jens Koeppen nachge- LINKE fragt –: Mit der Zahl von 40 Windkraftanlagen beeindru- cken Sie den Kollegen Koeppen nicht; das macht gerade Stilllegung der Uranfabriken Gronau und Lin- mal 5 Prozent der Anlagen aus, die er in seinem Wahl- gen – Exportverbot für Kernbrennstofe kreis hat. Meine Damen und Herren, wir müssen da viel Drucksache 19/2520 Überzeugungsarbeit leisten. Überweisungsvorschlag: (Timon Gremmels [SPD]: Kommen Sie trotz- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie dem einmal mit!) Auch hier sind interfraktionell für die Aussprache – Ich komme zu Ihnen in den Wahlkreis. Wissen Sie, wen 38 Minuten vereinbart worden. – Es gibt keinen Wider- ich mitbringe? Ich bringe Ihnen den vormaligen General- spruch dazu. Dann ist das so beschlossen. sekretär der SPD in Niedersachsen mit, Ich eröfne die Aussprache. Die erste Rednerin ist die (Timon Gremmels [SPD]: Ja, fnde ich gut!) Kollegin Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwar- der jetzt gerade mal zwei Monate aus dem Amt ge- zelühr-Sutter. schieden ist. Der vormalige Landtagsabgeordnete und (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Generalsekretär Tanke ließ sich vor zwei Jahren in der SPD-Postille seines Heimatorts auf der ersten Seite mit Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei den Worten feiern: „Bei uns … KEINEN Windpark!“ der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nu- Da müssen Sie also noch allerhand Überzeugungsarbeit kleare Sicherheit: auch im Kreise Ihrer eigenen Funktionäre leisten. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Schlimme dabei ist, dass das entsprechende Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der Reaktorka- Windparkprojekt von Herrn Tanke vereitelt worden ist. tastrophe von Fukushima hat der Deutsche Bundestag Die Befürchtung, dass es zu einem Geheimnisbruch kam, mit einer wirklich überwältigenden Mehrheit den Aus- den er für eigennützige Zwecke ausgenutzt hat, steht im stieg aus der kommerziellen Nutzung der Atomenergie Raum und ist von ihm nicht widerlegt worden. Es ist in Deutschland beschlossen. Diese Entscheidung war da- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3621

Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (A) mals richtig, und sie ist es heute noch mehr. Wenn ich die Nachbesserungsbedarf hat das Gericht lediglich in zwei (C) Debatte des heutigen Tages verfolge, denke ich: Manches Randbereichen gesehen. Zum einen war eine Ausgleichs- ist bei einigen noch nicht angekommen. regelung nötig für sogenannte frustrierte Investitionen der Energieversorgungsunternehmen. Das betrift In- Noch Ende 2010 hatte die damalige schwarz-gelbe vestitionen im Zeitraum vom 28. Oktober 2010 bis zum Koalition geglaubt, die Atomenergie sei als Brücken- 16. März 2011. Zum anderen war eine Ausgleichsrege- technologie unverzichtbar. Mit Stimmen von CDU/CSU lung notwendig für überschüssige Strommengen von und FDP wurden Laufzeitverlängerungen von durch- RWE und Vattenfall aus den Atomkraftwerken Brunsbüt- schnittlich zwölf Jahren beschlossen. Mit der Reaktor- tel, Krümmel und Mülheim-Kärlich. katastrophe von Fukushima im März 2011 erschien die beschlossene Laufzeitverlängerung plötzlich in einem Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie- ganz anderen Licht. Für die Zukunft kann man sich nur rung sorgt dafür, dass sich die Menschen in Deutschland wünschen, dass es künftig nicht mehr erst solche Unglü- auf den Atomausstieg verlassen können. cke und Katastrophen geben muss, um ein Umdenken zu erreichen. (Beifall bei der SPD) Heute hat ein Kollege gesagt: Windräder sind tickende Wir machen eine glaubwürdige Politik. Zeitbomben. – Ich empfehle, mal nach Japan zu fahren (Jürgen Braun [AfD]: Seit wann das denn? und zu schauen, was eine echte tickende Zeitbombe ist, Eine Realsatire!) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem – Zum Stichwort „Realsatire“ kann ich nur sagen: Für die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- AfD ist die Erde eine Scheibe. geordneten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Wir haben ja auch echte Tsunamis in (Jürgen Braun [AfD]: Ja, und für Sie gibt es Deutschland! Ständig! Jeden Tag!) Tsunamis in Deutschland! Das ist noch bes- ser! – Gegenruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl nach Fukushima zu gehen, wo es ein Sperrgebiet gibt, wo [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Ah- keine Menschen mehr leben können. nung vom Unglücksablauf! – Weiterer Gegen- (Jürgen Braun [AfD]: Jeden Monat gibt es ruf der Abg. Ulli Nissen [SPD]: Das ist Ihr Ni- Tsunamis und Erdbeben in Deutschland!) veau! Ihr habt kein Niveau, überhaupt nicht!) Das müssen Sie dann auch bei uns unseren deutschen Die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern erklären, wenn Sie sich Nachbesserungen werden mit dem vorliegenden Ge- für so was hergeben. setzentwurf umgesetzt. Das bedeutet, der beschleunigte (B) Atomausstieg gilt. Jedes Atomkraftwerk behält sein ge- (D) (Jürgen Braun [AfD]: Wollen Sie allen Ernstes setzlich vorgesehenes Abschaltdatum, und spätestens am sagen, wir haben hier Tsunamis in Deutsch- 31. Dezember 2022 ist Schluss mit der Atomenergienut- land? Es ist irreal, was Sie erzählen! Irreal!) zung in Deutschland. Im Juli 2011 hat der Deutsche Bundestag darauf- Verlässlichkeit ist ein hohes Gut in der Politik. Beim hin das Atomgesetz geändert mit dem Ziel, den Atom- Atomausstieg haben wir seit 2011 diese Verlässlichkeit, ausstieg zu beschleunigen; die Laufzeitverlängerungen und dabei bleibt es auch mit dem vorliegenden Gesetz- wurden zurückgenommen. Außerdem wurden die Lauf- entwurf. zeiten der Atomkraftwerke zeitlich gestafelt befristet. In breitem gesellschaftlichen Konsens konnte beschlossen (Dr. Alice Weidel [AfD]: Na klar!) werden, dass spätestens bis zum 31. Dezember 2022 die kommerzielle Nutzung der Atomenergie in Deutschland Ich werbe hier für die Unterstützung. beendet wird. Herzlichen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich war wie viele (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten von Ihnen auch damals dabei. Es bleibt für mich wirklich der CDU/CSU) eine historische Stunde. Ich sehe Nina Scheer da sitzen; ich kann mich gut erinnern, wie ihr Vater damals noch im Oktober eine Kurzintervention gegen die Laufzeitverlän- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: gerungen gemacht hat. Er hat es leider nicht mehr erlebt, Für die AfD-Fraktion hat der Kollege Dr. Rainer Kraft als wir das rückgängig gemacht haben. das Wort. (Jürgen Braun [AfD]: Ist er jetzt an einem (Beifall bei der AfD) ­Tsunami gestorben, oder was? Er ist an einem Tsunami gestorben?) Dr. Rainer Kraft (AfD): Dass für diese Entscheidung bis heute ein Konsens be- Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren – zu- steht, wird nach wie vor in allen Umfragen bestätigt. mindest die, die noch da sind! Mehrere Energieversorgungsunternehmen haben (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE gegen den beschleunigten Atomausstieg geklagt. Die GRÜNEN]: Es war schon richtig, dass Sie erst Änderung des Atomgesetzes ist jedoch vom Bundes- einmal geguckt haben, wie viele noch bei Ih- verfassungsgericht im Wesentlichen bestätigt worden. nen sitzen!) 3622 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Rainer Kraft (A) Wir beraten heute über zwei Anträge, die lediglich ge- wie sie sich darstellt. Die Investitionen müssen lücken- (C) mein haben, dass sie sich mit Kernenergie beschäfti- los nachweisbar sein; und da wünschen wir den Leuten gen: einen Antrag der Großen Koalition zur Änderung nach über acht Jahren Streit viel Glück. Die Reststrom- des Atomgesetzes sowie einen Antrag der Fraktion Die mengen müssen dann auch erst einmal den noch tätigen Linke zur zwangsweisen Schließung zweier Fabriken Kernkraftwerksbetreibern wie sauer Bier angeboten und in Deutschland. Weit ist es gekommen mit der Arbei- müssen auf diese übertragen werden, auch wenn sie ter-und-Bauern-Partei, wenn sie den Werktätigen ihre nicht dem vollen Wertersatz entsprechen und sofern es Arbeit wegnehmen will. lediglich ökonomisch zumutbar ist, sie zu überschreiben. Zudem werden die dann noch übrigen Reststrommengen Aber kommen wir zunächst zum Antrag der kleinsten mit einem Preis am Spotmarkt entschädigt, also an ei- Großen Koalition aller Zeiten. Die Regierung Merkel nem Markt, der diese Bezeichnung eigentlich nicht mehr hat – wir haben es weitestgehend schon gehört – im verdient, weil er durch die planwirtschaftlichen Eingrife Jahr 2011, nur fünf Monate, nachdem den Betreibern von vollkommen vor die Wand gefahren ist und sogar regel- Kernkraftwerken eine Laufzeitverlängerung von durch- mäßig negative Preise erzielt. schnittlich zwölf Jahren zugesichert worden war –, den unverzüglichen Ausstieg aus der Kernenergie angekün- (Beifall bei der AfD) digt. Das Motiv seinerzeit war klar: Der CDU drohte bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg eine herbe Genau die Konzerne also, die über Dekaden das Rück- Niederlage. Der angekündigte Atomausstieg war unter grat der Stromversorgung in unserem Land gestellt ha- dem Eindruck der Fukushima-Hysterie nichts anderes ben und am wirtschaftlichen Aufstieg maßgeblich betei- als eine ökopopulistische Wahlkampfhilfe für die Lan- ligt waren, dürfen sich nun zum Schaden auch noch den des-CDU im Südwesten. Spott abholen. (Beifall bei der AfD – Sylvia Kotting-Uhl Viel besser wäre es für die Steuerzahler, Verbraucher [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Populis- und Stromkunden, wenn statt auf komplizierte und unzu- mus kennen Sie sich ja aus!) reichende Entschädigungsverklausulierungen darauf ge- drängt werden würde, dass die Reststrommengen einfach Dennoch wurde diese Landes-CDU von einem grünen erzeugt und vermarktet, statt nutzenfrei durch öfentliche Tsunami weggefegt. Mittel abgegolten werden. Machen Sie Zusagen, dass jede einzelne Kilowattstunde, die einmal im Namen der Nach der angekündigten Laufzeitverlängerung haben Regierung versprochen worden ist, erzeugt, vermarktet die Kernkraftwerksbetreiber neue Investitionen getä- und verbraucht werden kann! So würde Rechtsstaatlich- tigt – wir haben es gehört –, um die zugesagten Mengen (B) keit und Rechtssicherheit in einem sogenannten Rechts- (D) an Strom auch erzeugen zu können, Strom im Übrigen, staat ausschauen. der nicht nur dann und wann fießt – wie es Mutter Natur gerade beliebt –, sondern in den Mengen und in den Ge- (Beifall bei der AfD) bieten, in denen er von den Verbrauchern gerade benötigt wird. Das ist Versorgungssicherheit. Schlussendlich werden wir dann im Jahre 2023, wenn die ersten der sogenannten Erneuerbare-Energien-Anla- ( [DIE LINKE]: Den Atom- gen längst aus der Umlage gefallen sind und als Indust- müll bringe ich in Ihren Vorgarten!) riebrachen in den Wäldern herumstehen, jede Kilowatt- stunde bitter nötig haben. – Damit habe ich kein Problem. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (Carsten Träger [SPD]: Steht jetzt im Proto- SES 90/DIE GRÜNEN) koll!) Zum Abschluss noch zu Ihrem Antrag, Kollegen der Für die nach dem Atomausstieg wertlos gewordenen Linken: Sie begründen Ihren Antrag unter anderem hoch- Investitionen sind die betrefenden Energieversorger nun rangig mit dem Schutz des menschlichen Lebens und der nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu menschlichen Gesundheit. Das ist sehr gut. Das begrüße entschädigen. Entschädigungsfähig sind dabei die nach- ich; das ist vorbildlich. gewiesenen Investitionen in diesem Zeitraum sowie die am 31. Dezember 2022 noch nicht verstromten Kontin- Maria Ladenburger, Mia Valentin und Susanna Feld- gente. Bezahlen soll für diese Akte der Regierungswill- mann, die im Alter von 19, 15 und 14 Jahren von illega- kür damals – und es war eine schwarz-gelbe Regierung – len Einwanderern ermordet wurden, würden heute noch wieder einmal der Steuerzahler. Als Gegenleistung wird leben, wenn Sie bei der von Ihnen gestützten Politik der er nichts erhalten außer weiterhin steigende Strompreise, illegalen Massenimmigration sinkende Versorgungssicherheit und seit neuestem auch die Aussicht, dank sogenannter smarter Technologien (Ulli Nissen [SPD]: Ich habe schon gedacht: bald zum gläsernen Stromkunden zu werden, inklusive „Wann kommt das endlich?“!) einer externen Abschaltmöglichkeit seiner Geräte. auch einmal an das menschliche Leben und die mensch- (Beifall bei der AfD) liche Gesundheit dieser deutschen Opfer gedacht hätten. Für die Opfer des Merkel’schen Kernkraft-Pingpongs (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das ist von 2011 ist die Sache allerdings nicht gar so einfach, unverschämt! Das ist Rassismus!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3623

Dr. Rainer Kraft (A) Machen Sie endlich Politik für die Bürger unseres gesagt: Es muss nicht um einen vollen Wertausgleich ge- (C) Landes, für das deutsche Volk, und hören Sie auf, uns hen. – Das sind Kriterien, die sich deutlich unterscheiden hier mit unsinnigen Anträgen zu langweilen! von einer Enteignung von Rechten und Ähnlichem. Das Gesetz, das wir machen, geht auf dieses Urteil sehr genau Vielen Dank. und zielgerichtet ein. (Beifall bei der AfD) In der Praxis ist es nun einmal so, dass von den Belas- teten Vattenfall am stärksten belastet ist. Die Sorge, die Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: nicht verstrombaren Reste ökonomisch nicht mehr ver- Der Kollege Karsten Möring hat das Wort für die werten zu können, weil es praktisch nur einen Abnehmer, CDU/CSU-Fraktion. nämlich EON, gibt, ist nachvollziehbar. Aber es ist eine (Beifall bei der CDU/CSU) Frage der Verhandlungen. Im Gesetzentwurf steht, dass sie sich bemühen müssen, sie zu vertretbaren Rahmen- bedingungen zu vermarkten. Das fnde ich auch in Ord- Karsten Möring (CDU/CSU): nung. Da muss man auch ein Stück Vertrauen in unsere Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Behörden haben, die im Nachhinein, ex post, feststellen, Keine Angst! Wenn auf der Anzeigetafel „13 Minuten“ ob dieses Bemühen ausgereicht hat. Ich gehe einmal da- steht, liegt das nur daran, dass von der Union nicht noch von aus, dass es sich dabei nicht um eine Prüfung han- ein Redner kommt. Wir machen das also nicht allzu lang. deln wird, die zu willkürlichen Ergebnissen kommt, zu- mal diese ja auch noch juristisch überprüfbar wäre, wenn (Beifall der Abg. Judith Skudelny [FDP] und man sich darüber streitet. Also, ich denke mal, die Sorge Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ist nicht berechtigt, dass es hier zu unangemessenen Aus- NEN]) gleichszahlungen kommt. Ich will mich angesichts der fortgeschrittenen Zeit und des nahen Wochenendes auf ein paar Punkte konzentrie- Was die sogenannten frustrierten Investitionen angeht: ren und nicht alles wiederholen, was sachlich eben schon Selbst die Beteiligten gehen davon aus, dass angesichts zur Vorgeschichte gesagt worden ist. des kurzen Zeitraums, um den es dabei geht, Kosten für frustrierte Investitionen wohl nicht anfallen werden. Der (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Nachweis, dass darauf ein Anspruch besteht, ist wahr- SES 90/DIE GRÜNEN) scheinlich sehr schwer zu führen. Zumindest dürfte es Vielleicht nur eines, liebe Frau Schwarzelühr-Sutter, sich nicht um nennenswerte Beträge handeln. Also reden zum Rückblick. Man sollte eins nicht übersehen: Die wir im Wesentlichen über die Frage: Was ist zu entschä- (B) Wende in der Atompolitik, die wir alle getragen haben, digen für die nicht mehr verstrombaren Mengen? (D) ist auch ein Beleg dafür, wie schnell die Politik auf völlig Wenn das Bemühen erfolgreich war, bleibt trotzdem – veränderte Rahmenbedingungen reagieren kann. nach allen Kalkulationen, die wir haben – ein Rest übrig. (Beifall der Abg. Judith Skudelny [FDP] – Die 86 Terawattstunden, die insgesamt nach dem Urteil Jürgen Braun [AfD]: Oder wie man in Pa- des Bundesverfassungsgerichts im Raum stehen, werden nik Unsinn produziert! Darum geht es, Herr nicht vollständig übertragen werden können. Das ist kei- Möring!) ne Frage; es bleibt also ein Rest. Aber es wäre auch fatal und nicht hinnehmbar, würde man einfach sagen: „Okay, Man sollte einfach auch mal zur Kenntnis nehmen, dass verzichtet darauf mal“; denn es handelt sich hier ja auch es sinnvoll und notwendig ist, so etwas hin und wieder zu um einen volkswirtschaftlichen Wert, den wir nutzen tun. Dabei geht es nicht darum, dass man in Deutschland sollten, wenn es denn möglich ist. keinen Tsunami zu befürchten hat, sondern dabei geht es darum, wie die Akzeptanz in der Bevölkerung bzw. die Über eine Forderung, die auch in der Diskussion ist – Befürchtungen bei der Bevölkerung gegenüber bestimm- das Thema ist heute von Schleswig-Holstein im Bundes- ten Formen der Energieversorgung sind. rat auf den Weg gebracht worden –, nämlich Übertragun- gen in Bereiche, wo Netzausbaugebiete betrofen sind, (Lachen bei Abgeordneten der AfD – Dr. Alice nicht zuzulassen, wird im Nachhinein noch einmal zu Weidel [AfD]: Oder wie man diese aufbauen reden sein. kann, glaube ich eher!) Das sind die Dinge, die wir machen. Darauf reagieren wir. Wenn die AfD das populistisch nennt, dann kriege ich einen stillen Lachanfall. Dann bleibt ein letzter Aspekt, nämlich die Frage: Was (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des passiert mit dem Investitionsschutzverfahren vor dem in- Abg. [CDU/CSU]) ternationalen Schiedsgericht, das Vattenfall angestrebt hat? Das Achmea-Urteil des Europäischen Gerichtshofs, Jetzt aber zu den Punkten, die wir in diesem Gesetz das im Prinzip besagt, bei Streitigkeiten innerhalb der EU geregelt haben. Dass die betrofenen Unternehmen das ist ausschließlich EU-Recht anzuwenden und der EuGH nicht hinnehmen, dazu sind sie im Interesse ihrer Eigen- agiert als letzte Instanz, würde in der Konsequenz bedeu- tümer verpfichtet. Deswegen haben sie geklagt. Im Bun- ten, dass das internationale Schiedsgericht nicht mehr zu- desverfassungsgerichtsurteil wurde festgestellt, dass das ständig ist. Damit regelt nur dieses Atomgesetz, was wir Gesetz im Grundsatz verfassungskonform ist, und hat zur in dieser Form jetzt auf den Weg bringen, abschließend, Frage der Entschädigung gefordert: „angemessen“, und wie die Entschädigungen durchzuführen sind. 3624 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Karsten Möring (A) Nun können wir natürlich nicht vorhersehen, wie das Judith Skudelny (FDP): (C) Schiedsgericht diese Sache aufnehmen wird. Die Tatsa- Herr Kollege Möring, vielen Dank dafür, dass Sie ge- che, dass es sein Urteil bisher noch nicht gesprochen hat, zeigt haben, wie man hier im Haus fraktionsübergreifen- zeigt zumindest, dass dort Bedenken bestehen. Aller- den Applaus bekommt. dings ist das juristisch wahrscheinlich etwas schwierig; denn das Ganze geht zurück auf die Klimaakte. Davon Wir sprechen heute – darüber haben Sie als Erster und sind Länder und Unternehmen betrofen, die außerhalb Einziger, wie ich gehört habe, gesprochen – über die Um- der EU liegen. Also das werden die Juristen klären müs- setzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das sen. sich mit dem Atomausstieg aus dem Jahre 2011 beschäf- tigt. Auch das haben Sie richtig gesagt: Das Urteil besagt, Sei es, wie es will: Sollte das Schiedsgericht zu an- dass der Ausstieg im Wesentlichen verfassungskonform deren Ergebnissen kommen als unsere Bewertung hier, war. Es gibt lediglich zwei Punkte, die der Gesetzgeber haben wir in unserem Atomgesetz eine Vorsorge getrof- regeln muss, die wir heute auch besprechen sollten. fen. Dann würden nämlich die Leistungen, die wir erbrin- gen, anzurechnen sein. Da nach dieser Regelung erst im Das betrift einmal die frustrierten Investitionen. Ich Jahr 2023 feststeht, wie viel gezahlt werden muss, und gebe Ihnen vollkommen recht: Der Zeitraum, für den auch dann erst gezahlt wird, wird uns das mögliche Ur- dort entschädigt werden muss, ist vergleichsweise kurz. teil des Schiedsgerichts vorher vorliegen, und wir kön- Die Regelungen im Gesetz sind insoweit in Ordnung. nen entsprechend darauf reagieren. Das ist, wenn man Deswegen ist das ein kleiner Bereich. so will, das Sicherheitsnetz, das wir in das Gesetz mit eingebaut haben. Der größere Bereich betrift die Reststrommengen, die aus dem Jahr 2002 noch vorhanden sind, die bis zum Abschließend will ich sagen, dass wir mit diesem Ge- endgültigen Kernenergieausstieg im Jahre 2022 nicht setz das Urteil des Bundesverfassungsgerichts richtig mehr von den Unternehmen genutzt werden können. Es umsetzen, und zwar so umsetzen, dass der Staat nicht ist da natürlich nur recht und billig, dass hier, wie das mehr als notwendig zahlt; das ist nämlich der entschei- Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, eine Entschä- dende Punkt dabei. Wir haben nicht das Interesse der Un- digung stattfnden muss. Allerdings hat das Bundesver- ternehmen zu vertreten, sondern das Interesse des Steuer- fassungsgericht drei Wege aufgezeigt, die wir dazu nut- zahlers. Außerdem machen wir es so, dass die Laufzeiten zen können, um eine entsprechende Ausgleichsregelung der Kraftwerke nicht individuell verlängert werden. Das zu trefen. ist auch eine Frage des Vertrauensschutzes. Nachdem wir die Länge der Laufzeiten und die Reststrommengen die- Der erste Weg ist der, die Laufzeiten einfach wieder zu (B) ser sechs Kraftwerke, die jetzt noch laufen, und der drei verlängern. Dazu sagt die FDP-Fraktion: Nein, wir haben (D) Kraftwerke, die von diesem Verfahren betrofen sind, eine breite Mehrheit nicht nur im Haus, sondern auch in festgelegt haben, ist auch das sinnvoll. Damit fnden wir der Gesellschaft. Der Ausstieg 2022 bleibt bestehen. den bestmöglichen Weg, um aus dieser Situation heraus- Die zweite Möglichkeit ist die Sicherstellung der an- zukommen. gemessenen Übertragungsmöglichkeiten. Dazu wurde Sagen wir mal so: Das, was wir hier bezahlen werden, schon viel Richtiges gesagt. Es gibt mehr Reststrommen- sind die Nebenkosten des Atomausstiegs. Den haben wir gen, als wir überhaupt nutzen dürfen, und es gibt wenige hier mit breiter Mehrheit getragen. Auch die Konsequen- Menschen, die diese Reststrommengen abnehmen kön- zen sollten wir mit breiter Mehrheit tragen. Das fällt der nen. Das heißt, es gibt hier keinen echten Markt. Opposition vielleicht schwerer als den Koalitionsfraktio- Die dritte Möglichkeit ist, die Entschädigungen für nen. Wir sollten das jedoch tun. diese Reststrommengen aus Steuergeldern zu zahlen. Weil ich jetzt das Wesentliche gesagt habe und wir in Das Gesetz sieht ein gestafeltes Vorgehen vor. Erst der zweiten und dritten Beratung noch mal darüber spre- mal müssen die Betreiber versuchen, eine angemessene chen werden, mache ich dieser Runde jetzt ein Geschenk: Vergütung auf dem freien Markt zu erlangen. Schafen sie Ich schenke uns 5 Minuten, 42 Sekunden fürs Wochen- das nicht, springt der Steuerzahler ein, und die entspre- ende. chende Entschädigung wird aus Staatsgeldern gezahlt. Das ist im Grundsatz richtig. Wir brauchen teilweise die Herzlichen Dank fürs Zuhören. Alles Gute. Reststrommengen, um das Stromsystem in Deutschland (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) zu stabilisieren. Die Übertragung der Reststrommengen führt dazu, dass der Steuerzahler entlastet wird. Des- wegen ist der Gedanke, das hintereinander zu schalten, Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: durchaus nachvollziehbar und korrekt. Vielen Dank, Herr Kollege Möring, für das Einhalten Die Frage ist nur: Wie machen wir das so, dass das Ihres Versprechens. Die Kollegen sind dankbar, dass ihr auch verfassungskonform erfolgt? Dahinter steht für Wochenende dadurch länger wird. – Die nächste Redne- unsere Fraktion ein kleineres, vielleicht sogar ein grö- rin ist die Kollegin Judith Skudelny von der FDP. ßeres Fragezeichen. Das Bundesverfassungsgericht hat (Beifall bei der FDP) gesagt, es muss verfassungsgemäß angemessen vergütet werden. Das Gesetz sagt aber überhaupt nichts darüber, Sie müssen jetzt aber nicht länger reden. was eigentlich angemessen ist. Deswegen besteht hier Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3625

Judith Skudelny (A) ein großes Risiko, dass weitere Gerichtsverfahren folgen tatsächlich passiert ist. Anstatt heute nur Krokodilstränen (C) können. über juristische Sachzwänge zu vergießen, sollte dieser Zusammenhang nicht vergessen werden. Es gibt noch zwei, drei andere Punkte, über die wir im Laufe des Verfahrens reden müssen. Dazu wird es (Beifall bei der LINKEN) eine Expertenanhörung geben. Dabei geht es nicht um Es ist nämlich in der Tat eine bittere Pille, dass Unterneh- die Ziele des Gesetzes – da stimmen wir vollkommen men für den Atomirrsinn der Vorvorgängerregierung aus überein –, sondern um die technische Umsetzung und die CDU/CSU und FDP entschädigt werden müssen und die Frage: Wie machen wir das, was wir hier vorhaben, ei- Steuerzahler dafür letztlich die Zeche zahlen. gentlich rechtssicher? Ich möchte anerkennen – jetzt komme ich zu dem Einen Punkt möchte ich noch erwähnen, der mir in vorliegenden Gesetzentwurf –, dass die Fraktionen von dem Gesetz tatsächlich vollumfänglich fehlt, und zwar CDU/CSU und SPD bei der Umsetzung des Urteils des die Überlegung, dass eine rechtlich und wirtschaftlich so Bundesverfassungsgerichts nun immerhin der Versu- komplexe Materie eigentlich am besten in Verhandlun- chung widerstehen, die Atomkonzerne mit Laufzeitver- gen mit den Beteiligten geregelt werden könnte. Die Idee längerungen zu entschädigen. Ich weiß, dass das auch in dahinter ist – das wurde schon vielfach in der Öfent- der Diskussion war und dass das in der Koalition lange lichkeit bzw. in diesem Hause praktiziert –, einen öfent- strittig war. Ich fnde es erst mal richtig, eben nicht auf lich-rechtlichen Vertrag mit den Betreibergesellschaften, die Laufzeitverlängerung zu setzen, sondern einen ande- mit den weiteren Beteiligten zu schließen, um so schnell, ren Weg zu gehen. rechtssicher und einvernehmlich den Atomausstieg 2022 zu fnalisieren. Diese Möglichkeit muss jedoch im Ge- (Beifall bei der LINKEN) setzestext miteinbezogen werden. Deswegen meine Bitte an die Große Koalition, die ja hier der wesentliche Ent- Das erkenne ich für unsere Fraktion ausdrücklich an. scheidungsträger ist: Überlegen Sie, ob Sie diesen Teil Es bleiben aber natürlich noch einige andere Fragen noch mit reinnehmen können. Vielleicht gelangen wir so ofen, nicht nur die, die Frau Skudelny gerade aufge- schneller, günstiger und intelligenter zu einer guten Lö- worfen hat, sondern es geht auch um andere Regelungen sung für uns alle. im Gesetzentwurf, wo meines Erachtens zumindest die Danke. Chance bestünde, den Atomausstieg zu beschleunigen und so die Risiken eines Super-GAUs zu minimieren und (Beifall bei der FDP) den anfallenden Atommüll zu reduzieren. Zum Beispiel geht es um die Übertragung von Strom- (B) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: mengen auf Atommeiler in den Netzausbaugebieten (D) Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege für Brokdorf und Emsland. Sie hätten diese untersagen Hubertus Zdebel. können; denn in diesen Gebieten blockieren die AKWs weiterhin die erneuerbaren Energien. Die Stromkunden (Beifall bei der LINKEN) müssen dafür letztlich die Rechnung zahlen.

Hubertus Zdebel (DIE LINKE): Wenn die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erneut 1 Milliarde Euro an die Konzerne RWE und Vattenfall Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen zahlen sollen, dann wäre es für Stromkundinnen und und Herren! Dass jetzt der Bundestag eine Entschädi- Stromkunden allemal gerecht, wenn künftig wenigstens gung von bis zu 1 Milliarde Euro für RWE und Vatten- die Ausgleichszahlungen für abgeschaltete Windanlagen fall im Atomgesetz gesetzlich regeln muss, ist juristisch entfallen. Das könnte man zum Beispiel regeln, und ich Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom fnde es relativ logisch, darüber auch noch mal bei der 6. Dezember 2016. Anhörung nächste Woche zu diskutieren. Möglicherwei- Aber warum – daran muss meines Erachtens nach im- se gibt es da ja Ihrerseits noch Bewegungsspielraum. mer wieder erinnert werden – ist es überhaupt zu die- (Beifall bei der LINKEN) sem Urteil gekommen? Weil die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung 2010 den Atomausstieg zurückgenom- Anträge, die diskutiert werden, gibt es ja auch schon im men und gleichzeitig bei der Einführung der Brennele- Bundesrat. Ich denke, es wäre eine spannende Diskus- mentesteuer massiv geschlampt hat und diesen Dilet- sion, in der man möglicherweise noch den einen oder tantismus wenige Monate später beim Atommoratorium anderen Weg fnden könnte für das, was jetzt notwendi- 2011 nach dem Super-GAU in Fukushima wiederholte. gerweise geregelt werden muss. Dabei wurden Schadensersatzrisiken bewusst ignoriert, und das, obwohl schon damals nahezu alle Tageszeitun- Gleiches gilt – das habe ich diese Woche schon in gen über die rechtlichen Risiken der Stilllegungen be- der Fragestunde angesprochen – für die Neuregelung richtet hatten. der Brennelementesteuer; denn diese wird leider nicht erneut ins Auge gefasst. Ich fnde es eigentlich ernüch- Bevor in dieser Frage Nebelkerzen geworfen werden, ternd, dass auch die SPD, die sich ja in der Vergangenheit lesen Sie dazu noch mal den abweichenden Bericht der auch immer für die verfassungskonforme Einführung der Fraktionen von SPD und Linken zum Biblis-Untersu- Brennelementesteuer ausgesprochen hat, das bisher nicht chungsausschuss im Hessischen Landtag – das liest sich ins Auge fasst und diese Sache hier so durchlaufen lässt. wie ein Krimi –, dann kommen Sie dahinter, was damals Es wird immer gefährlicher. Das gilt gerade für die letz- 3626 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Hubertus Zdebel (A) ten Jahre, in denen die Atomkraftwerke am Netz sind. Wiedereinführung der Brennelementesteuer, um genau (C) Ich denke, auch da wäre es nötig, die Konzerne – notfalls das zu verhindern. auch mit einer steuerlichen und gesetzlichen Regelung – in die Verantwortung zu nehmen, damit nichts passiert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Ihre Sorge, Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter,­ Zu guter Letzt: Ich glaube, wir haben noch eine ganze dass das Bundesumweltministerium überlastet sein Reihe Fragen zu diskutieren. Ich freue mich auf die Aus- könnte, wenn es sich auch noch um die Brennelemente- einandersetzung mit den Sachverständigen in der Anhö- steuer kümmern müsste, kann man Ihnen nehmen; denn rung und auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. für die Brennelementesteuer ist ja nicht das Ministerium, in dem Sie Staatssekretärin sind, zuständig, sondern das Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Finanzministerium. Es braucht also einen Appell an den (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Partei- und Kabinettskollegen Olaf Scholz und einen An- NIS 90/DIE GRÜNEN) stoß, damit das im Kabinett mehrheitsfähig wird. Die Brennelementesteuer hilft auch dem Netzaus- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: baugebiet. Der Atomstrom von Brokdorf und Emsland Die nächste Rednerin ist die Kollegin Sylvia Kotting-­ verstopft die Netze. Wir fnden, dass die 16. AtG-Novel- Uhl für Bündnis 90/Die Grünen. le – der Bundesrat hat ja eine entsprechende Forderung beschlossen – genau der richtige Ort wäre, um das zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) regeln. Auch der Ministerpräsident von Schleswig-Hol- stein möchte das durchaus. Von der Union kommt ja im- mer ein bisschen Widerstand. Heute habe ich von Ihnen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nichts Derartiges gehört, Herr Möring, sondern vielmehr Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ofenheit für die Idee, die Strommengenübertragung zu Umweltministerin Schulze bezeichnete das Urteil im beenden. Machen Sie das. Das ist sinnvoll in Sachen Umweltausschuss ein unerfreuliches Urteil. Ich musste Energiewende und auch in Sachen schnellstmöglicher ihr da ein bisschen widersprechen; denn angesichts der Atomausstieg. Dimension der Klagen der Konzerne war das Urteil am Ende tatsächlich erfreulich. Woran es lag, dass die Kla- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gen überhaupt möglich waren, ist hier schon ein paar- (B) mal erwähnt worden: schwarz-gelbe Bundesregierung Die Sorge, die ich immer wieder aus Kreisen der (D) 2010/2011. Bundesregierung höre, man könnte den Atomkonzernen oder den Energiekonzernen das Leben vielleicht doch Die Optionen, die das Bundesverfassungsgericht in ein bisschen zu schwer machen, ist, glaube ich, inzwi- den Raum gestellt hat, hat Frau Skudelny benannt. Das schen doch ziemlich übertrieben. Wenn wir uns zum Bei- Bundesumweltministerium hat sich für die Option drei spiel die Trittbrettfahrerei von EON anschauen – EON entschieden und gesagt: Unsere Leitlinie ist ein mög- spekuliert darauf, im Zuge der Klage von Vattenfall in lichst schneller Atomausstieg. Das heißt: keine Strom- Washington vor ICSID selbst rund 2 Milliarden Euro zu mengenübertragung, sondern fnanzielle Entschädigung. erhalten; insgesamt werden ja 5,7 Milliarden Euro gefor- Das haben wir Grüne für völlig richtig gehalten. dert –, dann zeigt uns das ziemlich deutlich, dass ange- sichts der Klage gegen die Brennelementesteuer, die den Der Gesetzentwurf sagt nun allerdings: Strommengen Konzernen 7,3 Milliarden Euro einbringt, Nachsicht hier werden entschädigt, wenn sie „trotz ernsthaften Bemü- nicht angebracht ist. Übrigens: Obwohl der Bundestag hens nicht auf ein anderes Kraftwerk übertragen werden im Rahmen des KFK-Gesetzes gefordert hatte, dass die konnten“. – Angesichts dieses Textes, Frau Staatssekre- Konzerne alle atomrelevanten Klagen zurückziehen, ist tärin Schwarzelühr-Sutter, müssen Sie mir die Leitlinie das nicht passiert. Wir sind eventuell mit ziemlich massi- „möglichst schneller Atomausstieg“ vielleicht noch ein- ven Zahlungen konfrontiert, falls die Klage in Washing- mal erklären. ton doch Erfolg hat.

Zusätzlich steht der geplante Geschäftsfeldtausch Ich würde sagen, das alles lässt nur den Schluss zu: von EON und RWE an. Kurz gesagt: EON bekommt Der Kampf der Konzerne gegen die Politik des Bundes die Netze von RWE; RWE bekommt Kohle- und Atom- ist noch lange nicht zu Ende. Passen Sie von der Koaliti- kraftwerke von EON. EON ist das Unternehmen mit der on und von der Bundesregierung auf, dass Sie in diesem Strommengenlücke. RWE ist das Unternehmen mit dem Kampf auf der richtigen Seite stehen. Beenden Sie die gigantischen Strommengenüberschuss. Ohne Brennele- Strommengenübertragung auf Brokdorf und Emsland in mentesteuer lohnt sich der Betrieb von Atomkraftwerken der 16. AtG-Novelle. Führen Sie die Brennelementesteu- durchaus wieder. Das heißt, RWE wird sich vermutlich er wieder ein. Dann kann das was werden. dafür entscheiden, auf Entschädigungen zu verzichten, und die Strommengen vollständig auf die von EON an Vielen Dank. RWE übergegangenen Kraftwerke übertragen. Die- se Kraftwerke werden dann vermutlich bis zum letzten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möglichen Tag am Netz sein. Das heißt, es braucht die und bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3627

(A) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Beratungen, auch wenn wir bis zum 30. Juni nur wenig (C) Die Kollegin Nina Scheer ist für die SPD-Fraktion die Zeit haben, überlegen, ob man nicht doch Ergänzungen letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt. hineinbringen könnte. Die müssen natürlich verfassungs- gemäß sein. Es muss verfassungsfest sein. Man muss das (Beifall bei der SPD) in der verbleibenden Zeit prüfen können. Aber wir müssen auch überlegen, ob wir nicht Ziel- (SPD): Dr. Nina Scheer konfikte haben. Wir haben nämlich das Bestreben, die Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- erneuerbaren Energien auszubauen. Wir haben heute nen und Kollegen! Ich denke, wir sollten noch einmal schon sogenannte Netzausbaugebiete, in denen es zur ganz kurz bei der Frage ansetzen, warum die Regelung, Abregelung von Windenergie kommt, weil unterstellt mit der wir uns heute beschäftigen, erforderlich wurde. wird, dass wir zu wenige Netze haben. Man kann das Es ist in der Tat das heute auch schon benannte Wieder- natürlich auch durch mehr Speicher aufangen. Aber de einstiegsszenario in die Atomenergienutzung mit an- facto haben wir zurzeit diese Reglementierung. Wenn schließendem Wiederausstiegsszenario. wir zugleich sehenden Auges Reststromübertragungen Auch wenn der Ausstieg von Frau Skudelny hier heute von Atomstrom in diese sogenannten Netzausbaugebie- schon als ein richtiger Weg benannt wurde, habe ich lei- te/Netzengpassgebiete zulassen, dann lassen wir auch zu, der aus Ihren Reihen auch vernehmen müssen, dass man dass dort noch mehr Abregelungen stattfnden könnten nicht so richtig davon überzeugt ist, dass man sich von und so möglicherweise noch mehr Redispatch-Kosten der Atomenergie verabschieden sollte. Ich möchte das für die Stromkunden anfallen. Genau an dem Punkt ha- an dieser Stelle nur noch einmal aufgreifen, weil wir da ben wir Prüfungsbedarf und müssen schauen, ob wir die möglicherweise noch Klärungsbedarf haben. Wir sollten Stromkunden entlasten können, das hier im Haus schnellstens klären. Es ist ein Faktum, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ dass bei der jahrzehntelangen Nutzung der Atomenergie DIE GRÜNEN) immer sträfich vernachlässigt wurde, die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kosten einzupreisen. Das sage ich indem wir tatsächlich diese Übertragung von Reststrom- auch in Richtung AfD. mengen überdenken. (Beifall bei der SPD) Letzter Punkt – ich bin schon ein paar Sekunden über meiner Redezeit –: Brennelementesteuer. An uns, der Sie verleugnen einfach die massiven volkswirtschaft- SPD-Fraktion, soll es nicht liegen. Es mag jetzt nicht im lichen Kosten, die durch verschiedenste Studien – zuletzt Koalitionsvertrag stehen, aber an uns soll es nicht liegen, noch einmal vom FÖS wiederholt – auf 10 Cent extra diese Gerechtigkeitslücke zu schließen, die darin besteht, (B) (D) pro Kilowattstunde bezifert werden. Das heißt: Mit al- dass man heute keine Besteuerung von solch schädlichen len externen Kosten, die bei der Stromproduktion mit Stofen hat. Es wäre ein marktwirtschaftliches Instru- fossilen und atomaren Energieträgern entstehen, kämen ment, die anfallenden externen Kosten tatsächlich ein- noch einmal 33 Prozent auf den Preis pro Kilowattstunde zupreisen. An uns soll es nicht liegen. An dieser Stelle obendrauf, den wir als Stromkunden ohnehin schon zu mache ich einen Punkt, weil ich über der Zeit bin. zahlen haben. Deshalb ist es einfach falsch, wenn immer wieder behauptet wird, dass Atom- und Kohlestrom bzw. Vielen Dank. fossile Energieträger insgesamt billiger wären. Es ist ein- (Beifall bei der SPD) fach falsch, das den Menschen immer wieder zu erklären. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich schließe die Aus- LINKEN) sprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Zurück zu der Frage, die wir heute hier zu klären ha- Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen ben. Es geht in der Tat um die Umsetzung der Entschei- auf den Drucksachen 19/2508 und 19/2520 an die in der dung des Bundesverfassungsgerichtes, was die hier schon Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. benannten Ausgleichsmöglichkeiten angeht. Es ist schon Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann genannt worden: Es geht darum, unter den gegebenen ist die Überweisung so beschlossen. Möglichkeiten eine auszuwählen. Ich denke, es ist richtig, dass mit dem vorliegenden Entwurf die Option gewählt Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: wurde, dass man hier an einen angemessenen fnanziellen Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Harald Ausgleich denkt und nicht eine Laufzeitverlängerung in Weyel, Norbert Kleinwächter, Corinna Miazga, Betracht zieht. Das ist, glaube ich, auch Konsens, und es weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD ist richtig, dass der Entwurf das so vorsieht. Keine EU-Steuern – Für Sparsamkeit beim (Beifall bei der SPD und der LINKEN) mehrjährigen Finanzrahmen der EU In der Tat hat der Auftrag des Bundesverfassungs- Drucksache 19/2572 gerichts die Handschrift dieses Entwurfs bestimmt. In- Überweisungsvorschlag: sofern kann man diesem Entwurf nicht ankreiden, dass Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) er darüber Hinausgehendes nicht enthält. Aber wir Par- Finanzausschuss lamentarier können sehr wohl in den jetzt anstehenden Haushaltsausschuss 3628 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich (A) Interfraktionell ist eine Aussprache von 38 Minuten All das sind die alten unerledigten Aufgaben einer angeb- (C) vereinbart. – Kein Widerspruch. Dann ist das so be- lich efzienten EU. Und merke: All das wird teils als of- schlossen. zielle Brexit-Begründung geäußert. Der Wahnsinnslogik,

Ich eröfne die Aussprache. Der erste Redner ist für die (Christian Petry [SPD]: Genau, Wahnsinns- AfD-Fraktion der Kollege Professor Dr. Harald Weyel. logik!) dass weniger Mitglieder im Pippi-Langstrumpf-Europa (Beifall bei der AfD) dann höhere Beiträge für den Rest bedeuten müssten, kommt man mit den Grundrechenarten allein freilich Dr. Harald Weyel (AfD): nicht auf die Schliche. Und die deutsche Nichtverhand- lungsstrategie beim MFR bedeutet eben, dass man schon Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- vorab den Geldbeutel öfnet, wenn einem nur neue Ver- ren! Der übergrifge Haushalt Brüssels setzt sich im We- sprechen gemacht und neue Einhörner verkauft werden. sentlichen aus drei Teilen zusammen. Das nennt man dann nebulös „europäischen Mehrwert“. Erstens: traditionelle Eigenmittel. Sie stehen schon in (Zuruf von der SPD) den Römischen Verträgen von 1958, als man sich noch auf Handels- und Agrarfragen beschränkte und die ersten – Ja, darüber kann man lachen und beherzt aufs deutsche Dauersubventionen schuf. Das Geld dafür kam aus den Steuergeld zugreifen. abgetretenen Zöllen und Zuckerabgaben. Diese machen (Beifall bei der AfD – Ulli Nissen [SPD]: La- noch circa 10 Prozent des heutigen EU-Haushalts aus. chen können wir bei Ihnen bestimmt nicht!) Zweitens: ein Mehrwertsteueranteil, der uns seit 1970 Aber trotz Pippi Langstrumpf hat das schwedische abgepresst wird. Damals hatte man sich den Haushalt so- Parlament hier Nein gesagt, übrigens auch Dänemark, zusagen mal eben verdoppelt. Auch heute sind das noch die Niederlande und Österreich. Nur in Deutschland ver- gut 10 Prozent des EU-Haushalts. kauft das Triumvirat Merkel, Scholz und Oettinger inner- halb weniger Monate eine Kostensteigerung für die deut- Drittens: die Bruttonationaleinkommenseigenmittel, sche Staatskasse von 4 Milliarden Euro auf 12 Milliarden die 1988 dazu kamen. Die sind seither der quantitativ Euro – Zusatzmilliarden wohlgemerkt! – per annum als dickste Klops mit an die 75 bis 80 Prozent des gegen- die ganz große Strategie, und das alles für noch mehr hei- wärtigen Haushalts. Der Deal war, dass dominant diese ße Luft aus, in und für Brüssel. Mitgliedsbeiträge auf Basis des Bruttonationaleinkom- (B) mens als Finanzquelle herhalten sollten und dass damit Welchem Wahlvolk verkaufen Sie das eigentlich? (D) weitere eigene EU-Steuern defnitiv vom Tisch sein soll- Vermutlich dem Wahlvolk, dem vor Wahlen immer mal ten. Die werden uns heute nun wieder frisch aufgetischt. wieder ein Leckerli vor die Nase gehalten wird. Welchem Dass diese Frechheit nicht empört von allen deutschen sonst? Parteien zurückgewiesen wird, darf niemanden wundern; Diesen Mittwoch hörten wir im EU-Ausschuss vom denn außer der AfD sind alle für die regelmäßig vielver- MFR-Sonderbeauftragten des Auswärtigen Amtes, sprechende und regelmäßig fast nichts davon einhaltende Herrn Ossowski, dass man zumindest den Mehrwert- Ausgabenausweitung Brüssels. steueranteil gerne ganz streichen würde. Warum macht man das eigentlich nicht? Mit Leisetreterei wird es wohl (Beifall bei der AfD – Markus Töns [SPD]: kaum klappen. Stattdessen kommt man jetzt mit eigenen Das müssen Sie erst mal beweisen!) EU-Steuern daher, hübsch verpackt in die zeitgeistige Dauerrhetorik von Plastik und Umweltrettung. Dass die EU die alten Aufgaben schon schlecht oder gar nicht erfüllte, stört ofenbar keinen. (Beifall bei der AfD) Jetzt soll ausgerechnet ein Wegdelegieren nationaler Hören Sie auf mit Ihrer Plastik- und Luftpolitik! Set- Aufgaben das Versagen zu Hause überdecken. Es soll zen Sie einfach sinnvolle rechtliche und ökonomische gemeinsam geregelt werden, was diverse Mitgliedstaa- Rahmenbedingungen für Produktion, Konsum und Recy- ten schon bei sich zu Hause nicht hinkriegen wollen oder cling. Das reicht völlig aus. Dazu braucht man keine fs- können. Aber Grenzschutz und Rechts- und Sozialstaat kalische Geldschneiderei, kein weiteres Aufblasen von werden entweder national garantiert oder gar nicht. Institutionen, die vorher schon nicht funktionierten. Aber genau das ist ja die Hidden Agenda (Beifall bei der AfD) (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE Frontex und all die anderen Nichtgrenzschutzpapier- GRÜNEN]: Deutsch, bitte!) tiger sind im Grunde alles Sicherheitsjobs, die von NA- bei all dem Weltrettungsgetöse, wo sich ein potenziell TO-Armeeteilen oder von nationalen Polizeien erledigt starker Nationalstaat wie Deutschland auf den Rücken werden sollten und nicht von EU-Frontex, das ohnehin legt wie eine verrückte Schildkröte, die ausgerechnet von eher als internationalisierte Schlepperorganisation agiert. ihren Fressfeinden erwartet, dass diese sie wieder auf die eigenen Füße stellen. (Beifall bei der AfD – Markus Töns [SPD]: Ach du grüne Neune!) (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3629

Dr. Harald Weyel (A) Diese Art von Multilateralismus ist nichts als eine Ausre- Landwirte einen europäischen Mehrwert. Nach ihm soll (C) de und eine perfde Flucht vor der Eigenverantwortung, sich der EU-Haushalt ja künftig ausrichten. vor der Verantwortung gegenüber den Bürgern und Wäh- lern und damit gegenüber dem eigenen Staatsvolk. Für mich liegen qualitativ hochwertige Agrarproduk- te, eine sichere Versorgung der Bevölkerung und da- Ich danke diesem Staatsvolk. durch auch ein gestärkter ländlicher Raum im Interesse der Europäischen Union, ja im Interesse Deutschlands. (Beifall bei der AfD – Ulli Nissen [SPD]: Jeder Abgeordnete eines ländlich geprägten Wahlkreises Perfde sind nur Sie, Herr Kollege!) wird Ihnen das bestätigen können. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass dieser Abgeordnete außerhalb der Sit- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: zungswochen auch in seinem Wahlkreis unterwegs ist Der nächste Redner ist der Kollege Uwe Feiler, CDU/ und mit den Menschen seines Wahlkreises redet. CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der CDU/CSU) der SPD) Meine Damen und Herren, ein Punkt, der uns als Uni- Uwe Feiler (CDU/CSU): onsfraktion immer wichtig war, ist eine weitere Möglich- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- keit der Förderung aller Regionen. Erfreulicherweise ist ren! Wir beraten heute über den Antrag einer Fraktion, dies im Vorschlag der EU-Kommission auch so veran- die dafür bekannt ist, gerne Ängste zu schüren und Halb- kert. Ohne die europäischen Struktur- und Investitions- wahrheiten zu verbreiten. fonds sähe es gerade in Ostdeutschland ganz anders aus. Die Erfolge kann man nicht nur bei uns sehen. Die neuen (Zurufe von der AfD: Oh! Oh!) EU-Staaten haben sich wirtschaftlich sehr erfreulich ent- Diese Angst fndet sich auch im vorliegenden Antrag an wickelt. Das muss auch weiterhin möglich sein. vielen Stellen wieder. Neben den Reformen des bestehenden Systems wer- Sie haben zum Beispiel Angst, dass der künftige den auch immer weitere neue Aufgaben Richtung EU mehrjährige Finanzrahmen der Europäischen Union dazu hinzukommen. Sicherheit ist für viele Menschen das führt, dass die Zustimmung bzw. die Akzeptanz gegen- Thema Nummer eins. Da kann ich den geplanten Ausbau über der EU sinkt; ein Ziel, das Sie, wie man eben hören des europäischen Grenz- und Küstenschutzes nur befür- konnte, durchaus verfolgen. Sie haben auch Angst, dass worten. Unsere EU-Küsten, meine Damen und Herren, die Gelder nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger haben eine Länge von knapp 65 000 Kilometern, und die (B) eingesetzt werden. Sie haben Angst, dass beim Agrarbud- Landgrenze misst circa 13 000 Kilometer. Obwohl wir (D) get und bei den Kohäsionsfonds nicht genügend gekürzt also viel mehr zu schützen haben als beispielsweise die wird. Meine Damen und Herren, Angst ist kein guter Rat- USA, geben wir nur einen Bruchteil für diesen Schutz geber, und gute Politiker wirken Ängsten entgegen. aus. Trotz der nun geplanten 3,5 Milliarden Euro jähr- lich für diese notwendigen Maßnahmen liegen wir immer Ich kann Sie beruhigen: Die Wirklichkeit ist eine an- noch weiter unter den Ausgaben der USA. Auch dieser dere. Die Zustimmung zur EU steigt von Jahr zu Jahr. Bei Posten hat einen wichtigen europäischen Mehrwert; er einer Abstimmung über die EU-Mitgliedschaft Deutsch- dient letztlich der Sicherheit aller Menschen in der EU lands würden laut neuester Umfrage aus dem Mai dieses und ist nationalstaatlich nicht zu lösen. Jahres 70 Prozent der jungen Menschen für die Euro- päische Union votieren. Nur 12 Prozent lehnen die EU (Zuruf von der AfD: Ungarn macht es!) gänzlich ab. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein gut (Zuruf von der AfD: Warten Sie mal die funktionierendes Eigenmittelsystem. Neue Aufgaben Wahlergebnisse nächstes Jahr ab!) kommen hinzu, und wir kürzen wesentlich an anderer Stelle. Neue EU-Steuern sind derzeit nicht nötig und Es geht also darum, diese hohe Zustimmung auch bei schwer vermittelbar. allen anderen Altersgruppen weiter auszubauen und den europäischen Gedanken zu stärken. (Dr . Alice Weidel [AfD]: Aha, „derzeit“!) (Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidel- Im Hinblick auf eine gemeinsame Körperschaftsteu- berg] [SPD]) er-Bemessungsgrundlage und eine EU-weite Finanz- transaktionsteuer, wie sie Wolfgang Schäuble vorgeschla- Meine Damen und Herren, die größten Kostenblöcke gen hat, sollten wir aber weiter gesprächsbereit bleiben. sind tatsächlich die Bereiche Agrar und Kohäsion. Im Das angebliche Entreißen deutscher Haushaltssouveräni- aktuellen Vorschlag der EU-Kommission ist hier bereits tät, wie es in Ihrem Antrag so schön beschrieben ist, ist eine Kürzung von 5 bis 7 Prozent vorgesehen. Beide aus meiner Sicht reine Panikmache, entspricht nicht der Punkte sollen künftig nur noch 60 Prozent des künftigen Realität und ist Teil kruder Verschwörungstheorien. Etats ausmachen. Weitergehende Kürzungen halte ich im Sinne Deutschlands auch für schwer vermittelbar. Die Deutschland muss und wird an dieser Stelle zu seiner bereits geplanten Kürzungen haben Auswirkungen auf fnanziellen Verantwortung für Europa stehen. Ich per- die bestehenden Agrarunternehmen in unserem Land. sönlich halte 1 Prozent des Steueraufkommens des Bun- Manche bezweifeln bei den Direktzahlungen an unsere des – im Übrigen ganz ohne Angst – für gerechtfertigt, 3630 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Uwe Feiler (A) um ein sicheres und soziales Europa in Frieden, Freiheit EU ausgeführt werden, die Deutschland alleine nicht (C) und Wohlstand zu gewährleisten. oder nur schlecht oder nur teurer selbst ausführen könnte. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Dr. Alice Weidel [AfD]: Was denn? – Norbert Kleinwächter [AfD]: Sagen Sie mal ein Bei- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- spiel!) ordneten der SPD) Das nennt man europäischen Mehrwert. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Norbert Vielen Dank, Herr Kollege. – Der nächste Redner ist Kleinwächter [AfD]: „Europäischer Wert“: der Kollege Gerald Ullrich von der FDP-Fraktion. Wunderschöner Begrif!) (Beifall bei der FDP) Werte AfD-Kollegen, fnden Sie es denn nicht wirk- lich besser, sich zum Beispiel mit Frankreich auf einem Gerald Ullrich (FDP): Gipfeltrefen über die Agrarsubventionen als auf dem Schlachtfeld über Elsass-Lothringen zu streiten, wie das Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und früher war? Kollegen! Liebe Gäste! Heute Morgen leistete sich die AfD einen moralischen Fauxpas; wir waren alle dabei. (Dr . Alice Weidel [AfD]: Also, Entschuldi- (Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, ja! – Norbert gung! Das ist doch abartig! Herr Ullrich, das Kleinwächter [AfD]: Ja, klar! – Jürgen Braun ist doch furchtbar! Was ist das für ein Ni- [AfD]: Man darf ja wohl noch trauern!) veau? – Gegenruf der Abg. Ulli Nissen [SPD]: Reden Sie nicht von Niveau! AfD und Niveau, Nun erfolgte der inhaltliche Fauxpas. das passt gar nicht! – Jürgen Braun [AfD]: Schämen Sie sich!) (Norbert Kleinwächter [AfD]: Ach ja? Wel- cher denn?) Der erste Mehrwert der EU ist also der Frieden. Der Finanzrahmen der EU besteht aus Dutzenden von Der zweite Mehrwert der EU ist das Wirtschafts- Rechtsakten und aus Tausenden von Seiten. Die Antwort wachstum. Laut einer Studie ist das Bruttoinlandspro- der AfD darauf sind diese zwölf Zeilen, die hier geschrie- dukt der EU dank des Binnenmarktes heute um 2 Prozent ben stehen. höher, als es das sonst gewesen wäre.

(B) (Der Redner hält ein Schriftstück hoch) (Jürgen Braun [AfD]: Herr Ullrich, in Ihrer (D) Fraktion hören nur noch vier Leute zu! Die Das ist alles, was die AfD zum Mehrjährigen Finanzrah- wissen, was Sie reden!) men zu sagen hat. Diese 2 Prozent sind ungefähr das Doppelte des (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei EU-Haushalts. Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Total peinlich! – Zurufe von der AfD: Lesen Sie doch auch mal die Begründung! – Vizepräsidentin Claudia Roth: Vorlesen, bitte!) Entschuldigen Sie, Herr Kollege, erlauben Sie eine Die AfD betitelt ihren Antrag mit „Sparsamkeit“. Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung von Herrn Tatsächlich versucht die AfD aber einzig und allein, Weyel? ihre ideologische, europafeindliche und nationalistische Agenda voranzutreiben. Gerald Ullrich (FDP): (Dr. Alice Weidel [AfD]: Ist das langweilig! – Das kann gerne am Schluss gesammelt gemacht wer- Norbert Kleinwächter [AfD]: Haben Sie die den. Rede gestern überhaupt gehört? – Gegenruf der Abg. [SPD]: Ja, leider Vizepräsidentin Claudia Roth: schon!) Gut, also nicht. Der AfD-Antrag fordert – Zitat –: Neue Aufgaben der EU, die weitere Kosten verursa- Gerald Ullrich (FDP): chen, dürfen nur dann aufgenommen werden, wenn Der dritte Mehrwert der EU sind die Exportchancen diese Kosten durch Umverteilung an anderer Stelle für die deutsche Wirtschaft, die von Ihnen ofensichtlich des EU-Haushalts eingespart wurden. völlig verkannt werden. (Norbert Kleinwächter [AfD]: Haben Sie die (Jürgen Braun [AfD]: Mehr als vier aus Ihrer Rede überhaupt gehört? – Gegenruf der Abg. Fraktion halten Sie ofenbar nicht aus, Herr Marianne Schieder [SPD]: Leider schon!) Ullrich!) Die AfD ignoriert absichtlich, dass Deutschland in Der vierte Mehrwert der EU ist die Arbeitnehmerfrei- höchstem Maße davon proftiert, dass Aufgaben von der zügigkeit, von der wir alle proftieren. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3631

Gerald Ullrich (A) Der fünfte Mehrwert der EU sind die Möglichkeiten Die jährliche Erhöhung um 2 Prozent, die buchhalterisch (C) deutscher Studenten, dank Erasmus an europäischen berücksichtigt ist, ist der Infationsausgleich, und wir Universitäten – auch Eliteuniversitäten – zu studieren. alle dürfen nicht damit rechnen, dass wir nach 2021 auch noch eine Nullzinspolitik haben. Der sechste Mehrwert der EU ist das außenpolitische Gewicht, das bei einer Gemeinschaft von 27 Nationen wesentlich größer als das von Deutschland alleine ist. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vergessen Sie das bitte nicht. Herr Ullrich, kommen Sie bitte zum Ende. Der siebte Mehrwert der EU ist der EU-Verbraucher- (Norbert Kleinwächter [AfD]: Ja, bitte!) schutz, von dem wir alle, die wir hier sitzen, und alle dort draußen deutlich proftieren. Gerald Ullrich (FDP): Der achte Mehrwert der EU ist die Zeitersparnis beim Die Freien Demokraten fordern deshalb, den nächs- Überqueren von Binnengrenzen ohne Schlagbaum dank ten mehrjährigen Finanzrahmen strikt am Erbringen von Schengen. europäischem Mehrwert auszurichten. Dagegen hat die Werte AfD, wer immer eine Mauer baut, wird immer GroKo im Koalitionsvertrag blind höhere Zahlungen hinter und niemals vor dieser Mauer leben. Deutschlands versprochen und so leider auch die Ver- handlungsposition von Deutschland geschwächt. Das (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie war ein Fehler. bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Völlig dumme Plattitüde! Sie tun der Vielen Dank. FDP keinen Gefallen! – Jürgen Braun [AfD]: Sie hätten wohl gerne eine Mauer zur AfD!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Fünf Glauben Sie mir: Wer hinter der Mauer lebt, verliert von Ihnen haben noch zugehört, Herr Ullrich!) immer an Freiheit. Das kann ich Ihnen aus meiner His- torie bestätigen. Vizepräsidentin Claudia Roth: ( [AfD]: Sie bauen eine Vielen Dank, Gerald Ullrich. – Das Wort zu einer Mauer zum Volk!) Kurzintervention – ich betone: „kurz“ – hat Harald Der neunte Mehrwert der EU ist die Ersparnis von Weyel. Verwaltungskosten in den Fällen, in denen die EU mit (Marianne Schieder [SPD]: Gibt es noch was einem einzigen Rechtsakt die Arbeit von 28 Mitglied- zu sagen?) (B) staaten übernimmt. (D)

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Wir freuen uns Dr. Harald Weyel (AfD): schon auf die nächsten Wahlen!) Herr Ullrich, vor ein paar Wochen haben wir bei dem Diese Liste könnte ich immer weiterführen. ehemaligen italienischen Botschafter so schön miteinan- der geredet, und ich dachte: Mensch, der Herr Ullrich ist (Norbert Kleinwächter [AfD]: Die ist zu lang, ein Mann der Tatsachen und nicht der Verdrehung von richtig!) Tatsachen. Jetzt haben Sie mich eines Besseren belehrt. Die AfD behauptet, die EU-Steuern entreißen dem Bundestag die Haushaltssouveränität. Das ist völliger (Christian Petry [SPD]: Gibt es noch was zur Quatsch. Sowohl der MFR der EU als auch der Eigen- Sache?) mittelbeschluss der EU bedürfen der Zustimmung des Zur Aussage, dass die EU ein Friedensprojekt ist: Bundestages. Daran ändert sich nichts. Können Sie sich mit der Erkenntnis anfreunden, dass es Gerne möchte ich die AfD auch noch auf die inhalt- sich hier um einen Anachronismus handeln könnte? Über lichen Schwächen ihres Antrages aufmerksam machen: Krieg und Frieden in Europa wurde nämlich nach 1945 bestimmt nicht in Bonn und nach 1990 bestimmt nicht in (Norbert Kleinwächter [AfD]: Da bin ich Berlin und eigentlich auch noch nicht mal in oder gespannt!) London entschieden – und in Brüssel schon gar nicht. Es geht nicht um den Finanzrahmen ab 2020, sondern Über Krieg und Frieden nicht nur in Europa, sondern ab 2021. weltweit, wurde in Moskau und Washington verhandelt oder eben nicht verhandelt. (Dr. Alice Weidel [AfD]: Das schadet doch gar nichts!) (Marianne Schieder [SPD]: Genau! Vor allem in Moskau!) – Das steht darin. – Es geht nicht um das Bruttonational- produkt, sondern um das Bruttonationaleinkommen. Bei Das Friedensprojekt in Europa hat sein wahres Ge- Gelegenheit können wir gerne mal über den Unterschied sicht gezeigt, als die Interessen auf dem Balkan 1990 in diskutieren. einer Konstellation zusammenprallten, wie es eigentlich sonst ab 1914 der Fall war. (Heiterkeit bei der FDP sowie bei Abgeord- neten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: (Christian Petry [SPD]: Eine Kurzinterventi- Zuhören, Herr Ullrich!) on!) 3632 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Harald Weyel (A) Auch der italienische Berufspolitiker, dessen Namen ich Ich weiß nicht, wo Sie die ganzen Jahre waren; keine Ah- (C) vergessen habe, merkte das damals an. nung. (Ulli Nissen [SPD]: Kurz!) Ich fnde, wir leben in sehr friedlichen Zeiten. Das Wenn Sie sich meine 9,5 Thesen zur EU, die ich der schreibe ich ganz besonders der Tatsache zu, dass wir ein Öfentlichkeit 2017, also im Lutherjahr, vermacht habe, starkes Europa haben. zu Gemüte führen, dann stellt sich die Frage: Wer tut (Beifall bei Abgeordneten der SPD) der EU und dem europäischen Projekt einen größeren Gefallen? Diejenigen, die mit falschen Versprechungen Wenn es nach mir und meiner Fraktion geht, möchten und mit viel Geld den Charakter verderben und die Ehr- wir dieses starke Europa als Friedensnation weiterhin er- lichkeit mit Füßen treten, die die jungen Leute anfüttern, halten. damit sie ins Ausland gehen – Stichwort „Erasmus“ mit etwa 300 Euro monatlich für ein Jahr, was ein zusätzli- Danke schön. cher Anreiz und für viele vielleicht der Hauptanreiz ist? Das sind einfach ein Anachronismus und ein falsches Vizepräsidentin Claudia Roth: Denken. Vielen Dank, Herr Ullrich. – Nächster Redner: Markus (Christian Petry [SPD]: Procul asinus cla- Töns für die SPD-Fraktion. mat!) (Beifall bei der SPD) Sind nicht vielmehr die Menschen die Freunde Europas, die Europa und Deutschland und ihr Verhältnis zueinan- der ehrlich machen wollen, die für vernünftige Investiti- Markus Töns (SPD): onen, für ein vernünftiges Import-Export-Verhältnis und Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr einen vernünftigen Kultur- und Wissenschaftsaustausch Weyel, Sie haben schon eine ziemlich krude ideologische stehen? Sicht von der Welt, dem Frieden und den Beziehungen Deutschlands in Europa, gerade zu unseren Freunden in Vizepräsidentin Claudia Roth: Frankreich. Das ist schon sehr merkwürdig; das muss ich So. Kommen Sie jetzt bitte zum Ende. Die zwei Mi- Ihnen an dieser Stelle mal sagen. nuten sind um. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Harald Weyel (AfD): (B) (D) Ich bitte darum, zu bedenken, – Vielleicht noch einmal für die AfD zur Klarstellung, weil das in Ihrem Antrag etwas undurchsichtig ist. Wir sprechen hier über den mehrjährigen Finanzrahmen 2021

Vizepräsidentin Claudia Roth: bis 2027. Die von Ihnen erwähnte Monti-Gruppe wurde Das waren zwei Minuten. Ich habe hier eine Uhr. auch nicht erst nach der Entscheidung für den Brexit ge- gründet. Diese Gruppe wurde 2014 gegründet, um neue Dr. Harald Weyel (AfD): Eigenmittel für die EU zu fnden, damit die Institutionen – dass sie die größeren Europafreunde sein können als auf europäischer Ebene unabhängiger von den Zahlun- diejenigen, die mit falschen Versprechungen locken. gen der Mitgliedstaaten werden. Ich empfehle Ihnen, den Bericht genau zu lesen. Dann wird Ihnen deutlich, dass (Beifall bei der AfD) Eigenmittel nicht mit irgendwelchen EU-Steuern gleich- zusetzen sind. Auch das ist eine falsche Behauptung. Vizepräsidentin Claudia Roth: So. Jetzt Herr Ullrich. Auch Sie haben maximal zwei Wir als SPD-Fraktion haben unlängst klargestellt, Minuten Redezeit. dass eine Fiskalkapazität auf EU-Ebene jeweils aus mit- gliedstaatlich verwalteten neuen Finanzierungsquellen gespeist werden sollte. Ihr Vorwurf, dass die Budgetho- Gerald Ullrich (FDP): heit der Parlamente verletzt wird, ist also völlig verfehlt. Es freut mich außerordentlich, dass meine Ausführun- gen Sie zu so einer aufgeregten Stellungnahme angeregt Dann tun Sie in Ihrem Antrag so, als würden uns Kür- haben. Das zeigt, wie sehr Sie getrofen sind. Das freut zungen im Agrarbudget nicht trefen und als könne man mich. Kürzungen im Bereich des EU-Strukturfonds auf den Kohäsionsfonds beschränken. Beides ist realitätsfremd. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Ich empfehle Ihnen: Sprechen Sie mal mit Ihren Bürger- der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS- meistern, Landwirten oder innovativen Unternehmen vor SES 90/DIE GRÜNEN) Ort. Diese werden Ihnen ganz genau berichten können: Zu dem Thema Krieg und Frieden kann ich Ihnen nur Die deutschen Landwirte erhalten zwischen 2014 und sagen: Seit ich lebe, hatten wir keinen Krieg mehr auf 2020 5 Milliarden Euro Direktzahlungen. Dieses Geld deutschem Boden und auch nicht in Europa. Wir haben wollen also Sie von der AfD den deutschen Landwirten seit 70 Jahren keinen Krieg mehr in Europa gehabt. streitig machen? (Jürgen Braun [AfD]: Durch die EU!) (Zuruf des Abg. [AfD]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3633

Markus Töns (A) Interessante These. – Wir können ja gerne darüber strei- trägt wenig zum Zusammenhalt Europas bei.“ Meine Da- (C) ten, ob man dieses Geld nicht lieber nach einem anderen men und Herren, wie doof ist das denn? Schlüssel verteilen sollte. (Dr . Harald Weyel [AfD]: So doof wie der (Martin Hebner [AfD]: Nein, direkt, selber!) Euro!) Die SPD hat sich dafür ausgesprochen, weniger Direkt- Gerade die Kohäsionsmittel sind eine Erfolgsgeschichte zahlungen vorzunehmen und stattdessen die Leistungen auf europäischer Ebene. der Landwirte stärker zu fördern. (Norbert Kleinwächter [AfD]: Ganz be- stimmt!) Ein anderes Beispiel aus anderen Fonds, dem für re- gionale Entwicklung und dem Sozialfonds. Aus ihnen Fragen Sie doch einmal den Ausschuss der Regionen! bezieht Deutschland weitere 20 Milliarden Euro. Dieses Vielleicht kennen Sie ihn gar nicht. Geld bekommen nicht wir hier im Bundestag, sondern (Norbert Kleinwächter [AfD]: Werden Sie die Menschen vor Ort, die Gemeinden für die Stadterneu- nicht frech!) erung, die vielen kleinen Träger für ihre Programme zur Förderung von Arbeit und Integration. Die Vertreter der Regionen Europas können Ihnen sehr dezidiert erklären, dass das Geld sehr wohl bei den Men- Es mag ja sein, dass die AfD auf dieses Geld verzich- schen vor Ort ankommt. Da spüren die Menschen den ten kann. Mehrwert Europas sehr deutlich. (Martin Hebner [AfD]: Nein!) (Kay Gottschalk [AfD]: Mehr Flughäfen in der Pampa, die kein Mensch nutzt!) Die Menschen in Deutschland können es nicht. Alleine meine Region, das Ruhrgebiet, und meine (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Heimatstadt Gelsenkirchen sind ein Beweis dafür. Das Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU] – Norbert Ruhrgebiet ist weltweit die Region, die den Strukturwan- Kleinwächter [AfD]: Oijoijoi!) del erfolgreich meistert. Ohne Mittel aus dem Kohäsi- onsfonds wäre dies nie gelungen. Ich glaube, Sie haben Und dann kommen Sie mir noch damit, dass neue Aufga- schlichtweg nichts verstanden. ben besser von den Mitgliedstaaten gelöst werden kön- nen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN) (Martin Hebner [AfD]: Ja!) Meine Damen und Herren, wir sollten uns vielleicht (B) Meine Damen und Herren, ich will zur Klarstellung noch einmal die Größe des vorgeschlagenen Budgets (D) kurz etwas vorausschicken: Die traditionellen Aufga- vor Augen führen. Die Kommission schlägt Ausgaben in benbereiche der EU sind erstens Agrarpolitik, zweitens Höhe von 1 135 Milliarden Euro für sieben Jahre vor. Kohäsionspolitik, drittens Forschungspolitik und vier- Das sind etwa 162 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist si- tens Bildung und Jugend. Es gibt neue Prioritäten; das cherlich viel Geld, aber noch nicht einmal die Hälfte der sind Migration, Grenzmanagement und Sicherheit, Au- Ausgaben des deutschen Bundeshaushaltes 2017. Er um- ßenbeziehungen und Verteidigung. Und das wollen Sie fasste 329 Milliarden Euro. rein nationalstaatlich lösen? (Norbert Kleinwächter [AfD]: Da sind aber Schauen wir uns doch einmal die neuen Aufgaben der auch alle Sozialleistungen drin!) Außengrenzsicherung an. Ich habe es für Sie einmal zu- 162 Milliarden Euro für 27 Mitgliedsländer und gut sammengerechnet. Vielleicht verstehen Sie es dann. 500 Millionen Bürger: Wenn wir da immer weiter kür- (Kay Gottschalk [AfD]: Wir haben das 2015 zen, erreichen wir irgendwann niemanden mehr. gesehen!) Meine Damen und Herren, ich fasse gerne noch ein- Wenn alle Mitgliedstaaten ihre eigenen Grenzen selber mal für Sie zusammen: Wenn Sie auf der EU-Ebene schützen wollen, dann müssen sie circa 32 000 Kilome- kürzen, kommt bei den Menschen nichts mehr an. Nicht ter Grenze schützen. Da sind die Küstengrenzen noch jedes Mal, wenn Sie eine Aufgabe selber machen, ist das nicht einmal mit eingerechnet. Wenn wir die gemeinsame günstiger für uns. Deshalb bin ich froh, dass nicht Sie in europäische Außengrenze schützen wollen, sind das nur Brüssel verhandeln, sondern das Auswärtige Amt. 14 000 Kilometer. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der AfD: Abwar- (Norbert Kleinwächter [AfD]: Das funktio- ten!) niert ja auch so gut!) Für uns ist wichtig – und das haben wir im Koaliti- Das ist noch nicht einmal die Hälfte, meine Damen und onsvertrag vereinbart –, dass die EU auch nach dem Aus- Herren. Es liegt doch auf der Hand, wenn man ein biss- scheiden Großbritanniens handlungsfähig bleibt. Dafür chen rechnen kann – damit sollten Sie einmal anfangen –, sind wir dann auch bereit, im nächsten Finanzrahmen dass man solche Aufgaben in der EU gemeinsam macht. mehr für die Finanzierung zur Verfügung zu stellen. Oder ein anderes Beispiel: Sie schreiben in Ihrer An- Das gibt es keinesfalls ohne Bedingungen. Die Bun- tragsbegründung – ich zitiere –: „Der Kohäsionsfonds desregierung hat gefordert, dass weiterhin alle Regionen 3634 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Markus Töns (A) in Europa förderfähig bleiben, dass die Strukturfonds Nichtsdestotrotz ist unbestreitbar, dass die EU gerade (C) auch für Deutschland erhalten bleiben. Nur wenn alle vor großen Herausforderungen steht, deren Bewältigung Regionen einen Mehrwert haben, wird Europa vor Ort nicht ohne entsprechende Finanzmittel zu haben ist. Ohne erfahrbar bleiben. öfentliche Investitionen der EU wird sich die Währungs- union nicht stabilisieren lassen. Ohne fnanzielle Unter- Vizepräsidentin Claudia Roth: stützung werden strukturschwache Regionen nur weiter abgehängt. Ohne Investitionen in erneuerbare Energien Kommen Sie bitte zum Schluss. lässt sich kein Beitrag für den Klimaschutz leisten, und ohne ein EU-Budget ist auch kein gemeinsamer Grenz- Markus Töns (SPD): schutz möglich, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Ich komme zum Schluss. – Aber vielleicht ist genau sogenannten AfD. Angesichts dieser und anderer Heraus- das Ihr Ziel: Europa zu schwächen. Sie streuen Europa forderungen und der Lücke, die der Brexit im Haushalt Sand in die Augen. hinterlässt, ist es vollkommen unvernünftig, sich einfach pauschal gegen zusätzliche EU-Mittel auszusprechen, (Kay Gottschalk [AfD]: Das tun Sie, ver- weil man gegen Europa ist und meint, dass Deutschland dammt! Sie sind das Sandmännchen!) allein alles viel besser kann. Damit schaden Sie der Europäischen Union und damit Ihr Nettozahlerdiskurs ist doch vollkommener Hum- auch Deutschland. Sie haben die Interessen Deutschlands bug. Bei den Agrarmitteln können Sie noch ausrechnen, defnitiv nicht im Sinn. wer etwas einzahlt und wer etwas herausbekommt. Aber (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten bei den gemeinsamen Ausgaben wie zum Beispiel beim der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Grenzschutz, bei Forschungsinvestitionen oder in der GRÜNEN) Entwicklungshilfe lässt sich das überhaupt nicht mehr abgrenzen. Außerdem wird da nie berücksichtigt, dass Ich will das zum Abschluss noch sagen. kaum eine andere Volkswirtschaft wie die deutsche so sehr vom EU-Binnenmarkt proftiert. Im Übrigen sind Vizepräsidentin Claudia Roth: die vorgeschlagenen EU-Steuern nicht nur sinnvoll, weil Nein, bitte kommen Sie jetzt zum Schluss. die EU-Politik fnanziert werden muss, immer unter der Voraussetzung, dass die Mittelverwendung anständig de- mokratisch kontrolliert wird. Sie sind auch von der Art (SPD): Markus Töns her sinnvoll. Während wir in Deutschland jede Menge Mein letzter Satz, Frau Präsidentin. – Zukünftig darf Steuern erheben, bei denen man sich fragen muss, ob (B) es in einer Debatte über Eigenmittel für die Europäische die noch sein müssen – zum Beispiel gibt es nach wie (D) Union keine Denkverbote und auch kein Tabu geben. vor eine Salzsteuer und eine Tanzsteuer –, zeichnen Vielen Dank. sich die Vorschläge zu EU-Steuern durch eine sinnvol- le Lenkungswirkung aus. Im Zentrum der Debatte steht (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Helin­ gerade die Plastiksteuer. EU-Kritik hin oder her, Gott sei Evrim Sommer [DIE LINKE] – Norbert Dank tut sich jetzt endlich etwas auf diesem Gebiet. Die Kleinwächter [AfD]: Träumen Sie süß weiter, Recyclingquote liegt gerade einmal bei 9 Prozent. Eine Herr Töns!) UN-Untersuchung hat gezeigt, dass wir nach dem aktu- ellen Trend 2050 mehr Plastik als Fische in den Meeren Vizepräsidentin Claudia Roth: haben. Glauben Sie, dass wir das mit nationalen Allein- Vielen Dank, Herr Töns. – Ich bitte die Kolleginnen gängen in den Grif bekommen? Wohl kaum! und Kollegen, sich an die Redezeiten zu halten, sonst (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- werde ich ein bisschen rigoroser. neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Thomas Lutze ist der Nächste für die Fraktion Die GRÜNEN) Linke. Auch andere Vorschläge für EU-Steuern sind nach ih- (Beifall bei der LINKEN) rer Art sinnvoll und im nationalen Rahmen schwer umzu- setzen, beispielsweise eine Digitalsteuer, durch die auch transnationale Onlineunternehmen ihren Beitrag zur Fi- (DIE LINKE): Thomas Lutze nanzierung des öfentlichen Lebens leisten sollen. Weiter Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! zu nennen wäre die Harmonisierung der Körperschaft- Natürlich gibt es viele Gründe zur Kritik am EU-Haus- steuer, damit große Unternehmen Staaten nicht gegenei- halt und den entsprechenden Vorschlägen der Kommissi- nander ausspielen können. Oder: Die gute, alte Finanz- on. Als Erstes wäre hier ein Hauptproblem zu nennen: die transaktionsteuer sollte wieder auf den Tisch, schwache demokratische Kontrolle. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Die wichtigste Reform wäre daher eine echte Stärkung neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE des Parlaments durch Initiativrecht mit echten Kontroll- GRÜNEN) möglichkeiten gegenüber der EU-Kommission und vor allen Dingen durch eine vollumfängliche Haushaltskon- vor allen Dingen wenn mit Großbritannien der größte trolle. Solange das nicht gewährleistet ist, ist das Thema Blockierer raus ist. Die Besteuerung spekulativer Finanz- Eigenmittel zumindest sehr schwierig. marktgeschäfte muss in der EU vorangetrieben werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3635

Thomas Lutze (A) Auch bei der Bekämpfung von Steuerfucht und Steuer- jetzt hören Sie zu – sollten Sie mal bei der Caritas vor- (C) hinterziehung müssen wir endlich mehr auf europäischer beigehen und Ihren Wunsch verkünden, dass Sie ihnen Ebene machen. Die kleine, konsequenzlose Steueroasen- die Gelder wegnehmen möchten, genauso wie dem liste der Kommission ist doch ein Witz. Wir dulden sogar Rheinisch-Bergischen TechnologieZentrum. Diesen Mut Steueroasen in der EU. Die Bundesregierung muss sich müssten Sie haben. dafür einsetzen, dass Steuerfucht entschieden und euro- päisch koordiniert bekämpft wird. Steuerfüchtlinge sind (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Abstand die teuersten Flüchtlinge in unserer Gesell- sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und schaft. der SPD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Es gibt auch nationale oder Landesfördermittel, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Frau Brantner! Es muss nicht immer über neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Brüssel laufen!) GRÜNEN) Sie bitten außerdem die Bundesregierung, dafür Sorge Fazit: Wir brauchen ausreichende Mittel auf EU-Ebe- zu tragen, dass die Mittel auf festgelegte Ziele hin eva- ne. Wir brauchen einheitliche Steuern mit einer funkti- luiert werden. Das passiert längst: Haushaltskontroll- onierenden Lenkungswirkung. Und wir brauchen ein ausschuss, Europäischer Rechnungshof, OLAF – das ist EU-Parlament mit echten und demokratischen Kontroll- die europäische Antibetrugsbehörde –, Europäisches Se- funktionen. mester; bald kommt die Europäische Staatsanwaltschaft. Glück auf! Auch hier: Bei Kenntnis der Sachlage hinfällig. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN neten der SPD) sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Bil- Vizepräsidentin Claudia Roth: lige Rhetorik!) Vielen Dank, Herr Kollege Lutze. – Nächste Redne- Apropos Europäische Staatsanwaltschaft: Sie haben in rin: Dr. Franziska Brantner für Bündnis 90/Die Grünen. der Begründung Ihres Antrags Ihre Forderung nach Kür- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zung der Mittel mit möglicher Korruption begründet. Die sowie des Abg. Christian Petry [SPD]) EU hat jetzt eine eigene Staatsanwaltschaft gegründet, deren zentrale Aufgabe die Bekämpfung von Korrupti- on bei der EU-Geldervergabe ist. Interessant ist dabei, (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Franziska Brantner dass Ihre Freunde Orban und Kaczynski dabei nicht mit- NEN): (B) machen. Die wollen sich nämlich nicht in ihre korrupten (D) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- Taschen schauen lassen. nen und Kollegen! Die AfD hat drei kurze Punkte hinge- schmiert. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das kann man so sagen!) Wir haben da die klare Forderung: Wer bei der EU-Staats- Dafür gibt es drei Erklärungen. Der erste Punkt ist: anwaltschaft nicht mitmacht, der soll auch keine EU-Gel- Sie sind gegen EU-Steuern mit der Begründung, diese der verwalten dürfen. unterliefen das nationale Budgetrecht. Zur Sachlage: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN EU-Steuern – korrekterweise EU-Eigenmittel – können sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- nur im Rahmen des Eigenmittelbeschlusses der EU ein- KEN – Kay Gottschalk [AfD]: Der spanische geführt werden. Dieser muss nach dem Beschluss im Rat Ministerpräsident war nicht korrupt, oder?) von uns hier im Bundestag ratifziert werden. Deshalb ist die Aussage zur Aushöhlung der Budgethoheit des Bun- Drittens: Noch mal Ihr Leitthema „Mir gäbet nix“ in destages nicht richtig. der Variante „Neue Aufgaben dürfen nur aufgenommen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, werden, wenn diese Kosten durch Umverteilung an an- bei der CDU/CSU und der SPD – Marianne derer Stelle eingespart wurden“. Sie sagen nicht, welche Schieder [SPD]: Das ist der AfD Wurscht!) neuen Aufgaben Sie wollen, und vor allem sagen Sie nicht, wo gekürzt werden soll. Wissen Sie, das ist einfach Wir müssen da der Bundesregierung auch nichts vor- unseriös. Das ist einfach nur populistisch. schreiben; denn wir entscheiden darüber am Ende sel- ber . Also, Ihr erster Punkt ist hinfällig bei Kenntnis der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachlage. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Zweitens. Sie wollen die Brexit-Lücke nicht schlie- ßen, sondern beim Kohäsionsfonds kürzen. Herr Weyel, Wir Grünen sind ofen für einen efzienteren Einsatz ich habe mal geschaut, wo Ihr Wahlkreis ist: Rhei- der Gelder; aber man kann nicht einfach wegdiskutieren, nisch-Bergischer Kreis. Ich habe übrigens festgestellt, dass sich der Anspruch an die EU auch geändert hat. Da dass Sie kein Wahlkreisbüro haben. Also, dieser Kreis sind wir bei dem grundsätzlichen Dissens: Die Idee, dass bekommt in dieser Förderperiode fast 5 Millionen Euro man mit weniger Geld mehr bewältigen kann, ist einfach aus diesem Fonds. Der Ehrlichkeit halber – Herr Weyel, absurd. Für uns Grüne ist da ganz klar: Gemeinschaft- 3636 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Franziska Brantner (A) liche Aufgaben gehören gemeinsam fnanziert, weil wir auf unter 5 Prozent sinken. Daraus folgt: Jeder einzelne (C) auch gemeinsam davon proftieren. europäische Staat ist einfach zu klein, um bei den wichti- gen weltpolitischen Fragen alleine eine Rolle zu spielen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der CDU/CSU) der SPD) außenpolitisch beim Syrien-Konfikt, bei Flüchtlings- Dazu gehören für uns Klimaschutz, gemeinsame Eisen- bewegungen oder den aktuellen Handelsfragen. Nur ge- bahnnetze, Digitalisierung, gemeinsame Außenpolitik, meinsam werden wir Europäer hier erfolgreich sein. europäische Grenzkontrolle, Bekämpfung der Jugendar- Meine Damen und Herren, wir brauchen eine stärkere beitslosigkeit. Das ist eine lange Latte. Da haben wir viel Europäische Union auch in anderen Feldern, beispiels- gemeinsam zu tun und gemeinsam zu erreichen. weise bei größeren Forschungsvorhaben, beim Megathe- ma künstliche Intelligenz oder auch bei der Entwicklung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – von Batteriezellen der neuesten Generation zum Ausbau Kay Gottschalk [AfD]: Wie die Flüchtlings- von Elektromobilität. Wir brauchen die Europäische krise!) Union für jugendpolitische Initiativen wie Erasmus+. Sie Weil Sie hier so tun, als ob das unglaubliche Summen sind einmalig in der Welt und nur durch die Zusammen- wären, ein Vergleich: Der EU-Haushalt entspricht dem arbeit der europäischen Staaten überhaupt möglich. Haushalt von Belgien und gilt für 27 Mitgliedstaaten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Abschließend noch mal ganz klar, warum wir das wol- len: Das Verkriechen im Nationalstaat ist in Zeiten der Und wir brauchen die Europäische Union für die Siche- Globalisierung und Digitalisierung zum Scheitern verur- rung der europäischen Außengrenzen und die Bekämp- teilt. Souveränität gibt es nur europäisch, und das ist uns fung von Terrorismus. sehr viel wert. (Beifall bei Abgeordneten bei der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und Für jeden europäischen Staat ist es am Ende teurer der SPD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Gut, und inefzienter, diese Aufgaben alleine zu bewältigen. dass Sie das so ofen gesagt haben!) Wenn wir im Zuge des mehrjährigen Finanzrahmens der Europäischen Union in diese Themen investieren, dann wird am Ende nicht nur Europa, sondern dann werden (B) Vizepräsidentin Claudia Roth: auch wir Deutsche davon massiv proftieren. (D) Vielen Dank, Franziska Brantner. – Jetzt begrüße ich Meine Damen und Herren, pro 100 verdienten Euro ganz besonders im Namen des Hauses – oder vieler in zahlen wir EU-Bürger im Schnitt 50 Euro an Steuern und diesem Haus – Dr. Christoph Ploß, der gleich seine erste Abgaben. Rede halten wird. (Norbert Kleinwächter [AfD]: Zu viel!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und Aber nur 1 Euro davon fießt in die Finanzierung des des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) EU-Haushalts. Diesen Euro, meine Damen und Herren, sollte uns ein bedarfsgerechter Haushalt der Europäi- schen Union wert sein. Dr. Christoph Ploß (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Herzlichen Dank, für die freundliche Begrüßung. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns in dem Zusammenhang fragen, was Für die CDU/CSU-Fraktion ist vollkommen klar, dass bedarfsgerecht ist, dann ist entscheidend, welche Proble- ein geeintes und starkes Europa im Interesse Deutsch- me wir am besten europäisch und welche wir am besten lands liegt. Unser Land ist auf eine handlungsfähige Eu- national oder in den Kommunen lösen. Deswegen sage ropäische Union gerade in diesen Zeiten dringend ange- ich auch für die CDU/CSU-Fraktion: Wir müssen nicht wiesen. Warum ist das so? Warum setzt sich die CDU/ kommunale Projekte wie die Radwege im Berliner Tier- CSU-Fraktion so leidenschaftlich für eine handlungsfä- garten oder den Bau von Marktplätzen über die europäi- hige Europäische Union ein? schen Finanztöpfe fnanzieren. Solche Aufgaben sind bei den Kommunen oder Nationalstaaten besser aufgehoben. Wenn wir uns in der Welt umschauen, dann können Deswegen ist es für uns auch kein Automatismus, der Eu- wir feststellen, dass China und Indien als Einzelstaaten, ropäischen Union einfach mehr Gelder zur Verfügung zu gemessen an der Bevölkerungszahl, heute schon deutlich stellen. Deswegen ist es auch richtig, genau zu schauen, größer als die Europäische Union sind. Länder wie Indo- wo man beim mehrjährigen Finanzrahmen Einsparun- nesien und Brasilien wachsen rasant. Allein der afrikani- gen vornehmen kann. Unser Leitgedanke muss sein: Wie sche Staat Nigeria wird im Jahr 2060 größer sein als die können wir die Europäische Union schlanker aufstellen, Europäische Union. Wir stellen momentan noch 7 Pro- gerade nach dem Brexit? Deswegen unterstützen wir zent der Weltbevölkerung. Diese Zahl wird immer gerin- auch die Initiativen der EU-Kommission, bei den großen ger werden. In den nächsten Jahrzehnten wird der Anteil Finanztöpfen die Ausgaben zu reduzieren. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3637

Dr. Christoph Ploß (A) Lassen Sie mich zum Abschluss zusammenfassend sa- und damit sind Sie eine antideutsche Partei und sonst (C) gen: Wir brauchen eine Europäische Union, die auf der überhaupt nichts. Sie versündigen sich am deutschen einen Seite bei den europäischen Kernthemen – Außen- Volk und vor allem an der deutschen Jugend. Das muss und Verteidigungspolitik, Asyl- und Entwicklungspoli- man Ihnen entgegenrufen; denn Sie haben keinen Plan tik oder Forschungsförderung – handlungsfähig ist. Wir und führen ins Unheil. brauchen auf der anderen Seite aber auch eine EU, die schlanker und efzienter wird. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. der CDU/CSU und der LINKEN – Norbert Kleinwächter [AfD]: Pfegen Sie doch Ihre (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vorurteile!) Wir wollen die Mitte Europas stärken. Wir wollen die

Vizepräsidentin Claudia Roth: Ziele ausbauen. Wir wollen ein friedliches, ein souverä- Vielen herzlichen Dank, Christoph Ploß. – Nächster nes Europa. Dazu dient der mehrjährige Finanzrahmen, Redner: Christian Petry für die SPD-Fraktion. der seriös aufgestellt ist. Ich fnde den Vergleich Klas- (Beifall bei der SPD) se. Was mit diesem einen Euro alles gemacht wird, das ist fantastisch. Das müssen wir unterstützen. Das heißt Das wird jetzt eine kurze Rede. nicht, dass wir nicht hart in der Sache verhandeln wer- den, dass wir unsere Position nicht einbringen werden. Christian Petry (SPD): In diesem Sinne freue ich mich auf spannende und Ja. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen konstruktive Diskussionen hier in diesem Haus und auf und Herren! europäischer Ebene. ( [CDU/CSU]: Redezeit In diesem Sinne: Glück auf! ist abgelaufen! – Heiterkeit bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) der CDU/CSU und der LINKEN) Mal wieder geht es um einen Antrag der AfD, der unter dem Motto gestellt worden ist: Fakten tun nichts zur Sa- Vizepräsidentin Claudia Roth: che. – Wenn Sie uns dann zuhören, sagen Sie: Das sind Vielen Dank, Christian Petry. – Der letzte Redner in ja alles nur Argumente. – Das kann man doch wohl nicht der Debatte: Alois Rainer für die CDU/CSU-Fraktion. ernst nehmen, was Sie hier fabrizieren. (B) (Beifall bei der CDU/CSU) (D) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es ist fachlich so schlecht. Das gibt uns allerdings die Alois Rainer (CDU/CSU): Gelegenheit, unseren Standpunkt zu wiederholen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Her- Wir wollen die Agrarmittel, wir wollen die Regional- ren! Der EU-Haushalt ist ein öfentlicher Haushalt, des- mittel, wir wollen die Sozialfonds, wir wollen Erasmus+ halb müssen wir für den EU-Haushalt dieselben Gebote als Bildungsprogramm aufwerten, wir wollen Hori- anwenden wie für jeden anderen öfentlichen Haushalt zon 2020, und wir wollen einen stärkeren Außenschutz. – auch. Dies ist zum einen das Gebot der Sparsamkeit. Das alles wollen wir. Wir schulden es jedem einzelnen Steuerzahler, mit sei- Wenn ich den österreichischen Kanzler – mit seinem nem hart verdienten Geld sparsam umzugehen. So wie Vizekanzler Strache – heute richtig verstanden habe, wir als Bundeshaushälter wollen, dass unser Bundes- dann will er in Europa 10 000 Menschen im Grenzbe- haushalt am Gebot der Sparsamkeit gemessen wird, so reich einsetzen. Er sagt aber, er will nicht mehr Geld wollen wir auch den mehrjährigen Finanzrahmen der dafür ausgeben. Das ist die Quadratur des Kreises; das EU daran messen. kommt schon Ihrer Philosophie näher. Ich verkenne aber dabei nicht, wie wichtig es ist, im Wir wollen all die Dinge, die anstehen, erledigen; Haushalt gleichzeitig Zukunftsinvestitionen zu ermög- denn Europa ist das fantastischste Modell, das wir in un- lichen. Sie sind die Grundlage unseres fortbestehenden serem Gebiet haben. Wohlstands. Zukunftsinvestitionen sind insofern ein wei- teres, praktisch gleichrangiges Gebot verantwortungs- (Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD]) voller Haushaltspolitik. Wir haben ein Friedensprojekt. Sie sind eine antieuropä- Europa kann nur stark sein, wenn es ausreichend in ische Partei, seine Zukunft investiert. Die CSU im Bundestag hat sich in Seeon für ein schlankes Europa der Stärke ausgespro- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LIN- chen. Was heißt das nun konkret für den mehrjährigen KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Finanzrahmen? sowie bei Abgeordneten der FDP – Norbert Kleinwächter [AfD]: Nein, wir sind eine An- Die Europäische Union war insofern immer relativ ti-EU-Partei und eine proeuropäische Partei! gut, als ihre reinen Verwaltungsausgaben vergleichswei- Sie haben keine Ahnung!) se gering sind, auch wenn gern vom Brüsseler Wasser- 3638 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Alois Rainer (A) kopf gesprochen wird. Fakt ist: Rund 94 Prozent der Aus- führten Ausschüsse vorgeschlagen. – Sie sind einverstan- (C) gaben des EU-Haushalts kommen direkt den Menschen den. Dann ist die Überweisung so beschlossen. in den Ländern, den Regionen, den Kommunen zugute; Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und 26 b auf: dies muss auch einmal so gesagt werden, meine Damen und Herren. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, Michel Brandt, weite- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE der SPD) Klar ist auch: Das Subsidiaritätsprinzip muss unser Völkerrecht einhalten – Atomabkommen mit oberster Maßstab in allen EU-Fragen sein. dem Iran verteidigen (Martin Hebner [AfD]: Deswegen wird es Drucksache 19/2131 nicht angewandt!) Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Es gibt Themen, die zu Recht einheitlich auf einer zen- Ausschuss für Wirtschaft und Energie tralen obersten Ebene geregelt werden müssen. Auch das Verteidigungsausschuss Thema Plastik werden wir nicht in einem Land regeln Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union können; es muss meines Erachtens auf alle Fälle euro- b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gyde päisch geregelt werden. Es gibt aber auch Themen, die Jensen, Dr. Lukas Köhler, Alexander Graf besser bürgernäher geregelt werden, sei es auf nationaler Lambsdorf, weiterer Abgeordneter und der Ebene oder auf der Ebene der Bundesländer oder auch Fraktion der FDP auf der Ebene der Kommunen. Rüstungskontrolle stärken – Iranisches Nu- Meine Damen und Herren, was ich auch beim bes- klearabkommen bewahren ten Willen im Vorschlag der Kommission nicht erken- nen kann, ist die Absicht einer neuen EU-Steuer – egal Drucksache 19/2529 was uns der Titel des AfD-Antrags suggeriert. Ich kann Überweisungsvorschlag: sehen, dass der Vorschlag einen nationalen Beitrag vor- Auswärtiger Ausschuss (f) sehen würde, der anhand der in jedem Mitgliedstaat an- Verteidigungsausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union fallenden nicht verwertbaren Verpackungsabfälle aus Kunststof berechnet wird. Dies ist aber beileibe keine Nach interfraktioneller Vereinbarung sind für die Aus- EU-Steuer, und es ist beileibe auch noch nicht in trocke- sprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre manches, nen Tüchern. aber keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. (B) (D) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sehe Ich bitte die Kollegen, zügig Platz zu nehmen, und auch bei weitem nicht, dass in den Vorschlägen der Kom- gebe dann als erster Rednerin Sevim Dağdelen von der mission das nationale Budgetrecht eingeschränkt wird. Fraktion Die Linke das Wort. Gerade wir alle legen großen Wert auf das Budgetrecht (Beifall bei der LINKEN) der nationalen Parlamente.

Lieber Herr Kollege Ullrich, mit großer Aufmerksam- Sevim Dağdelen (DIE LINKE): keit habe ich Ihre Mehrwerte der Europäischen Union Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Aus- verfolgt. Ich stimme Ihnen vollumfänglich zu. Das sehe stieg von US-Präsident Donald Trump aus dem Atomab- ich auch so. kommen mit dem Iran ist aus unserer Sicht ein gefährli- Wenn wir aus dem Antrag herauslesen sollen, sehr cher Bruch des Völkerrechts durch die USA. In der Folge verehrte Kolleginnen und Kollegen der AfD, dass Sie droht nämlich eine weitere Destabilisierung einer ganzen nicht nur beim Kohäsionsfonds, sondern auch bei der Region mit ungeheuerlichen Folgen. Und als Blaupau- Agrarpolitik kürzen wollen, dann sagen Sie das unseren se für diese brutale Regime-Change-Politik der USA Landwirten. Dann sagen Sie es auch den Bürgermeistern. scheinen die Kriegslügen im Vorfeld des Irak-Krieges zu Die proftieren von der zweiten Säule bei den Dorferneu- dienen. Ofenbar setzen Trump und Co in ihrer Adminis- erungsmaßnahmen. tration darauf, dass die Öfentlichkeit vergessen hat, dass die Massenvernichtungswafen von Saddam Hussein, die (Marianne Schieder [SPD]: Genau!) ja als Kriegsgrund herhalten mussten, im Irak bis heute Seien Sie ehrlich, und sagen Sie es diesen Leuten. nicht gefunden wurden. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Die Linke sagt deshalb: Unsere Pficht ist es jetzt, gegen AfD) diese dreisten Kriegslügen auch im Falle des Iran aufzu- stehen. Vizepräsidentin Claudia Roth: (Beifall bei der LINKEN) Vielen Dank, Herr Kollege Rainer. – Wir sind damit Die Internationale Atomenergieorganisation hat nämlich am Ende der Debatte. Ich schließe die Aussprache. alle – alle! – vorgebrachten Begründungen Trumps für Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf den Bruch dieses Abkommens zurückgewiesen. Aber das Drucksache 19/2572 an die in der Tagesordnung aufge- fcht ja den US-Präsidenten gar nicht an, und deshalb war Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3639

Sevim Dağdelen (A) es auch richtig, dass die Bundeskanzlerin erklärt hat, an land, aber auch in Europa helfen, wenn man an diesem (C) dem Atomabkommen mit dem Iran festhalten zu wol- Atomabkommen festhält. len. Obwohl wir das für richtig halten, fragen wir uns Vielen Dank. natürlich: Warum hat die Bundesregierung das Vorgehen Trumps nicht auch klar als Völkerrechtsbruch verurteilt? (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Es ist gut, dass man jetzt gemeinsam mit China, Russ- Vielen Dank, Sevim Dağdelen. – Nächster Redner für land und auch den europäischen Partnern berät, wie die- die CDU/CSU-Fraktion: Markus Koob. ses Abkommen zu halten ist. Wenn man sich allerdings anschaut, was die Bundesregierung denn konkret unter- (Beifall bei der CDU/CSU) nimmt, um dieses Abkommen zu retten, muss man mehr als besorgt sein. Deshalb fragen wir Sie: Warum wurde Markus Koob (CDU/CSU): nichts unternommen, um beispielsweise einen Schutz- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! schirm über deutsche Unternehmen zu spannen, die im Der Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA, oder, Iran tätig sind? wie wir es vielleicht der Einfachheit halber nennen, das (Beifall bei der LINKEN) Iran-Abkommen, ist in der politischen Debatte. Es ist ein Abkommen, das über Monate intensiv vorbereitet wurde Warum gibt es keinen Plan für Maßnahmen gegen mit zähen Verhandlungen und vielen intensiven Beratun- US-Unternehmen, falls deutsche Unternehmen in den gen, die sich aber gelohnt haben. Denn die Internationale USA wegen ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten im Iran Atomenergiebehörde hat festgestellt, dass der Iran sich verklagt werden? an die Aufagen, die ihm gegeben worden sind, hält. Das Zeichen, das Sie im Moment gegenüber dem Zugegebenermaßen: Dieses Abkommen hat keines- Iran aussenden, ist, dass die Bundesregierung nicht wil- wegs alle Probleme der Region gelöst, und es gibt auch lens bzw. nicht bereit ist, gegenüber den US-Sanktionen weitere Punkte, die wir sehr kritisch betrachten müssen, Flagge zu zeigen. Wer allerdings für den Frieden in der unter anderem und vor allem die iranische Destabilisie- Region eintritt, der muss auch klare Kante gegenüber rungs- und Hegemonialpolitik, die wir unter anderem in einem US-Präsidenten, der eine Regime-Change-Politik Syrien und auch im Jemen leider jeden Tag beobachten verfolgt, und den Sanktionen gegen europäische Unter- können, aber auch die ofenen Aggressionen gegen Israel, nehmen zeigen. zu denen ich später in meiner Rede noch einmal komme. (Beifall bei der LINKEN) (B) Außerdem hat dieses Abkommen in der Tat Defzite, (D) Trump hat in seiner Rede zur Aufkündigung des Ab- die ja auch von den amerikanischen Partnern angespro- kommens auch nicht mit irgendwelchen, ja – Orwell’schen chen worden sind: unter anderem das Fehlen von Vor- Drohungen gegenüber dem Iran gespart. Ich frage mich, gaben zum iranischen Ballistikprogramm, aber auch die warum man sich hier eigentlich wegduckt. Ich will Ihnen Sunset Clause. ein drastisches Beispiel seiner Orwell’schen Drohungen Auch wenn ich mich trotz dieser Punkte für weiterge- zeigen: Trump beschuldigte den schiitisch geprägten Iran hende Verhandlungen mit dem Iran ausspreche, möchte der Unterstützung islamistischer Terrorbanden, die sich ich an den Realitätssinn appellieren. Ich sehe nicht, dass beispielsweise als ultraradikale Sunniten gebärden wie wir ein Abkommen bekommen werden, das diese kriti- die al-Qaida. schen Punkte lösen wird. Wir werden kein besseres Ab- Das ist aus zweierlei Gründen wirklich mehr als per- kommen als dieses, das uns heute vorliegt, bekommen. fde: zum einen weil die al-Qaida gegen den Iran und Trotz aller Bedenken, die viele Menschen aufgrund dessen Einfuss in der Region brutalstmöglich kämpft, dieser Punkte teilen, ist dieses Abkommen eine bedeu- zum anderen weil die USA selbst im Syrien-Krieg gegen tende Wegmarke eines mehrstufgen Problemlösungs- Assad islamistische Terrormilizen unterstützten. Wer so prozesses, was zumindest die Urananreicherung und das redet wie der US-Präsident, zerstört jedes Vertrauen in nukleare Gefährdungspotenzial des Iran einhegen und die internationalen Beziehungen. Wenn die Bundesregie- kontrollieren sollte. Gerade weil es einen international rung ihrem NATO-Partner nicht ein wirklich klares, ein- getragenen Konsens gab, wurde dieses Abkommen durch deutiges Stoppzeichen setzt, ist sie mitverantwortlich für den UN-Sicherheitsrat gebilligt. Das war nicht nur ein einen drohenden neuen Krieg im Nahen und Mittleren echtes multilaterales Ergebnis, sondern in der Tat auch Osten mit vielen, vielen Toten. ein diplomatisches Erfolgserlebnis. Es unterstrich ein- (Beifall bei der LINKEN) mal mehr die Bedeutung dieses Abkommens als wich- tiges Sicherheitselement in einem ohnehin von fortdau- Wir wollen das verhindern. Deshalb bitten wir Sie und ernder Unsicherheit geprägten Nahen Osten. Deswegen fordern wir Sie auf: Setzen Sie ein Zeichen! Ergreifen bekennen sich die europäischen Staaten ungeachtet des Sie die Initiative für eine Konferenz für Sicherheit und US-amerikanischen Rückzugs weiterhin zu diesem Ab- Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten, um die kommen. sich zuspitzenden Konfikte in der Region diplomatisch zu lösen und zu einer Vereinbarung über einen Nahen Os- Es zeigt sich in den Anträgen der FDP und auch der ten ohne Massenvernichtungswafen zu kommen. Ich fn- Linken, dass das Bekenntnis zum JCPOA auch in die- de, es würde der Sicherheit der Bevölkerung in Deutsch- sem Haus von einer breiten Allianz getragen wird. Wir 3640 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Markus Koob (A) freuen uns über diese Unterstützung und auch darüber, Wir Europäer müssen hier weiter mit allen Mitteln der (C) dass in diesem Bereich die Haltung der Bundesregierung Diplomatie Einfuss nehmen – mit Besonnenheit, aber unterstützt wird. Insbesondere der FDP-Antrag erwähnt auch mit einer Stimme, die unsere Interessen selbstbe- tatsächlich unterstützenswerte Ziele, zum Beispiel die wusst formuliert. Diesen Weg sollten wir als Deutscher Begrenzung des Nuklearprogramms auf zivile Nutzung, Bundestag gemeinsam gehen. den Erhalt umfassender IAEA-Inspektionen und die Ver- hinderung der nuklearen Weiterverbreitung im Nahen Herzlichen Dank. Osten. Das sind die obersten Ziele, die auch dem ent- sprechen, was die Bundesregierung und die sie tragenden (Beifall bei der CDU/CSU) Fraktionen sich zum Ziel gesetzt haben.

Aber trotz der herausgehobenen Bedeutung dieses Vizepräsidentin Claudia Roth: Vertrags für die internationale Sicherheit muss man auch Vielen Dank, Markus Koob. – Nächster Redner: ofen Unbehagen adressieren können. Mich besorgt und Dr. Anton Friesen für die AfD-Fraktion. befremdet sehr, dass der Iran dieser Tage eine Serie von unerträglichen Provokationen zu verantworten hat. Das (Beifall bei der AfD) betrift nicht nur die Ankündigung, den Bau leistungs- starker Zentrifugen vorzubereiten. Das religiöse Ober- Dr. Anton Friesen (AfD): haupt des Iran hat vor wenigen Tagen via Twitter Israel als „bösartiges Krebsgeschwür“ bezeichnet, das entfernt Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und ausgelöscht werden muss. In einem deutschen Parla- und Herren Abgeordnete! Liebe Zuhörer! Stellen Sie sich ment müssen wir das mit Nachdruck verurteilen. vor, Sie sind Mieter in einem Haus und haben einen Streit mit Ihrem Vermieter. Die äußeren Rahmenbedingungen (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der sind allerdings so, dass Sie nur schwer eine andere Woh- FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ nung fnden würden. Sie haben also theoretisch zwei DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jürgen Braun Möglichkeiten: entweder die Wohnung kündigen und [AfD]) eine andere suchen – auf unbestimmte Zeit und mit unbe- stimmtem Ausgang – oder versuchen, den Streit beizule- Wir akzeptieren solche Ausfälle nicht. Es gilt, wozu gen und wohnen zu bleiben. Wofür entscheiden Sie sich? sich dieses Haus im Beschluss zu dem Antrag „70 Jahre Genau das ist die Situation mit dem Atomabkommen. Gründung des Staates Israel“ bekannt hat: Israels Exis- tenzrecht und Sicherheit sind für uns nicht verhandelbar. (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (B) NEN]: So ein Blödsinn! – Marianne Schieder (D) Noch etwas besorgt mich sehr: der ofene Konfikt [SPD]: Manch ein Vergleich hinkt einfach!) mit unserem Partner USA in dieser Frage. Es ist ausge- sprochen bedauerlich, dass die Vereinigten Staaten sich Sicherlich gibt es berechtigte Kritik an der irani- aus diesem internationalen Abkommen, das sich in sehr schen Politik: an der Förderung von Terrororganisatio- seltener Einigkeit internationaler Akteure entwickelt hat, nen, an dem Streben nach regionaler Vormachtstellung, zurückziehen. Einmal mehr werden der Wert und die an der Bedrohung Israels. Aber trägt die Kündigung des Notwendigkeit internationaler Abkommen zur Lösung Iran-Atomabkommens irgendetwas dazu bei, diese Pro­ von Konfikten nicht erkannt und stattdessen durch na- blemfelder zu beseitigen? Und was ist die Alternative tionale Alleingänge ersetzt. Ich halte diesen Weg für ei- zum Fortbestand des Atomabkommens? Wäre diese etwa nen Irrweg, erst recht dann, wenn die an dem Abkommen für die Interessen Deutschlands, der Vereinigten Staaten festhaltenden Partner durch Sanktionsdrohungen unter und unserer Verbündeten förderlicher? Sie haben sicher- Druck gesetzt werden sollen. lich gemerkt, dass dies rhetorische Fragen sind.

Das verdeutlicht auch der gemeinsame Brief an die Die Kündigung des Iran-Atomabkommens führt dazu, USA, der von deutschen Regierungsmitgliedern unter- dass die Vereinigten Staaten sich selbst isolieren. Sowohl zeichnet wurde und Ausnahmen für EU-Unternehmen die Mächte der Europäischen Union als auch China und von den Sanktionen gegen den Iran fordert. Deshalb Russland wollen das Atomabkommen aufrechterhalten. halte ich die von der EU-Kommission bekanntgegebene Das iranische Regime kann sich derweil ins Fäustchen Reaktivierung des sogenannten Blocking Statutes, einem lachen und mal wieder die Vereinigten Staaten als Bedro- Gesetz zur Abwehr der US-Sanktionen, für konsequent; hung für den Weltfrieden darstellen. denn wir dürfen uns nicht erpressen lassen. Dies sage ich nicht auf dem Fundament eines weit verbreiteten Anti- Aus iranischer Sicht bietet sich übrigens auch die amerikanismus, sondern als glühender Transatlantiker, Möglichkeit, die Europäer zu erpressen. Ein Beispiel der auch weiterhin für eine stabile und vitale Partner- hierfür sind Khameneis Forderungen, dass die EU garan- schaft mit den USA kämpfen wird. tieren müsse, iranische Raketen und iranische Regional- politik nicht zu Verhandlungsthemen zu machen. Was wir dieser Tage im Nahen Osten erleben, die Transformation von vorsichtiger Annäherung zurück zu Aber hat jemand außerhalb des Weißen Hauses ernst- Konfrontation, schürt die Angst in der Region und in der haft gedacht, dass der Iran sich wirklich auf Nachver- Welt, dass verbales Wettrüsten in bewafneten Auseinan- handlungen einlässt, wenn man aus dem Atomabkommen dersetzungen mündet. aussteigt? Das wäre ja genauso sinnig, wie die Eheschei- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3641

Dr. Anton Friesen (A) dung einzureichen, um dann einen neuen, verbesserten ge einzuhalten, soll nicht mehr gelten. Deshalb war es (C) Ehevertrag eingehen zu wollen. an dieser Stelle wichtig und gut, zu sehen, dass die drei europäischen Länder, die Bundesrepublik Deutschland, (Marianne Schieder [SPD]: Gibt’s aber! – Ulli das Vereinigte Königreich und Frankreich, gemeinsam Nissen [SPD]: Der hat einen Scheißehevertrag mit der Hohen Vertreterin klar zum Ausdruck brachten: gemacht, oder was?) Wir wollen uns an diesen völkerrechtlichen Vertrag hal- Die Deutschen und unsere europäischen Verbündeten ten und den Iran als einen der wesentlichen Akteure die- sind in der Tat die Dummen. Trump kann zumindest über ser Region in seiner Verantwortung halten und auch zu die Erfüllung eines zentralen Wahlversprechens jubeln. seiner Verantwortung stehen lassen. Die iranischen Hardliner können sich in ihrem Kampf gegen das reformorientierte Lager um Präsident ­Rohani (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) bestärkt fühlen. Die deutschen Unternehmen dagegen Das ist gut, und das ist richtig. Ich danke herzlich denen, zahlen die Zechen. US-Sekundärsanktionen trefen gera- die dazu beigetragen haben. Denn ohne das gemeinsame de die kleinen und die mittelständischen Unternehmen, Zusammenstehen dieser drei Länder und der Hohen Ver- die sich eben keine großen Rechtsabteilungen leisten treterin wären aufgrund einer Kündigung, eines Rück- können. tritts von einem Vertrag Erosionen mit unabsehbaren (Beifall bei der AfD) Folgen eingetreten. Unterm Strich bleibt: Trump pokert, die iranischen Hard- Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehr- liner lachen, und die Deutschen zahlen. ten Damen und Herren, die hier am Freitagnachmittag noch auf den Rängen sind, was würde geschehen, wenn Die AfD fordert die Bundesregierung daher auf, das wir völkerrechtliche Vereinbarungen nach dem Motto Atomabkommen fortzuführen und die Einberufung einer „hire and fre“ sofort beenden und neue verlangen wür- Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen den? Wer würde noch ernsthaft Vereinbarungen schlie- Osten zur Lösung der regionalen Konfikte zu unterstüt- ßen, wenn diese Vereinbarungen nicht über Regierungs- zen. wechsel, Wahlen und Ähnliches hinaus gelten würden? Vielen Dank. Ich sage ganz deutlich, dass diese Vereinbarung – das sogenannte Iran-Abkommen, der Joint Comprehensive (Beifall bei der AfD) Plan of Action – kein Vertrag ist, der alle Sicherheits- fragen des Nahen und Mittleren Ostens endgültig regelt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielmehr ist er eine Tür – das sagte ich eingangs –, durch Vielen Dank, Dr. Friesen. – Nächster Redner: Dr. Karl- die wir zu Gesprächen über weitere Abrüstungs- und Si- (B) (D) Heinz Brunner für die SPD-Fraktion. cherheitsfragen gehen. Ich bin mir sicher: Die Bundesre- publik Deutschland ist mit ihrem Außenminister Heiko (Beifall bei der SPD) Maas auf dem richtigen Weg, in Abstimmung mit den europäischen Partnern vom Iran zweifelsohne zu verlan- Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): gen, in diesem Abkommen zu verbleiben. Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen Es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass und Kollegen! Wenn die Welt nur so einfach wäre und mit der einseitigen Kündigung der Vereinbarung durch es reichen würde, dass wir Konferenzen einberufen, wir die Vereinigten Staaten unabsehbare wirtschaftliche Fol- den Teilnehmern der Konferenzen die Ergebnisse nennen gen auch für deutsche Unternehmen eintreten können, oder wir die Welt in schwarz oder weiß – wie die Kolle- weil – das wissen wir – das internationale Finanzsystem gin Dağdelen es tut – einteilen, dann wäre dies hier alles überwiegend auf dem Dollar basiert. Deshalb ist es gut ganz schön. Doch die Welt ist nicht schwarz, die Welt ist und richtig, dass Deutschland versucht, für seine Un- nicht weiß, sie ist nicht gut, sie ist nicht böse, sie ist nicht ternehmen Regelungen zu fnden, die den Finanz- und friedlich, sie ist nicht zerstörerisch – sie ist so, wie sie ist. Kapitalverkehr weiterhin leiten – ohne einen staatlichen Meine Großmutter hat mir als Lebensweisheit mitgege- Schutzschirm zu spannen –, um gute und sinnvolle In- ben: Rede mit den Menschen, die da sind. Es gibt keine vestitionen für deutsche Unternehmen und die iranische anderen Menschen, mit denen wir sprechen können. Bevölkerung zu ermöglichen. Denn gute Politik – da er- Deshalb sage ich an dieser Stelle ganz deutlich: Es ist innere ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, an die Po- gut und richtig, dass der Joint Comprehensive Plan of litik Willy Brandts – beginnt auch mit einer Politik des Action verhandelt, ratifziert und von uns Europäern und Gesprächs und der Annäherung. der Bundesrepublik Deutschland als so wichtige vertrag- Im Iran leben nicht nur der geistige Führer Khamenei,­ liche Vereinbarung zu einer Tür zu Sicherheit im Mittle- nicht nur Präsident Rohani, sondern viele Millionen ren und Nahen Osten vereinbart wurde. Er ist die Tür, die Menschen, die darauf warten, wieder in die Weltgemein- der Öfnung dient, um weitere Abrüstungsmaßnahmen schaft aufgenommen zu werden und ein freies Leben zu zu ergreifen und Sicherheit für die Menschen in dieser führen. Diese Menschen im Iran sind es wert, den Fuß in Region zu schafen. der Tür zu belassen und als Europäer im Iran präsent zu Wir haben mit der Entscheidung des amerikanischen bleiben und nicht nur mit wirtschaftlichem, sondern vor Präsidenten, einseitig von diesen Vereinbarungen zu- allen Dingen auch mit kulturellem und weltanschauli- rückzutreten, festgestellt, dass der alte Grundsatz „Pacta chem Auftreten in diesem Land Einfuss zu nehmen. Die sunt servanda“ auf einmal nicht mehr gelten soll. Verträ- Menschen brauchen und erwarten unsere Unterstützung, 3642 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Karl-Heinz Brunner (A) um Demokratisierungsprozesse und Menschenrechtspro- barungen. Der Iran hat in der Vergangenheit die Existenz (C) zesse zu ermöglichen; denn Menschenrechte, meine sehr Israels infrage gestellt und mit der Vernichtung gedroht. verehrten Damen und Herren, kommen in dieser Region Israel – das sagt auch die Bundeskanzlerin – ist deutsche immer zu kurz. Staatsräson. Deshalb ist der Schutz Israels keine Aufga- be, die ausschließlich Israel selbst bewältigen muss. Es Wir sprechen sehr wohl davon – und das ist richtig ist vielmehr die Aufgabe aller demokratischen Staaten so –, dass der Iran das Selbstbestimmungsrecht Israels und insbesondere Deutschlands. Das Atomabkommen garantieren muss. Das ist nicht nur deutsche Staatsdokt- mit dem Iran war ein wichtiger internationaler Erfolg rin, sondern das ist auch für den Frieden in der Welt er- zum Schutz Israels und gegen das Wettrüsten in der Re- forderlich. Wir dürfen deshalb nicht den Sprachgebrauch gion. übernehmen, den der amerikanische Präsident gewählt hat, als er bei Wafenlieferungen an das Königreich Meine Damen und Herren, das Abkommen hat zur Saudi-Arabien von beispielsweise „beautiful weapons“ Stabilität internationaler Politik beigetragen, indem es sprach und gleichzeitig gegenüber dem Iran „sanctions“ die Nuklearisierung des Mittleren und Nahen Ostens ein- ankündigte, die eine historische Größenordnung haben. geschränkt hat. Die internationale Atomenergiebehörde Beide Länder verletzen Menschenrechte aufs Schwerste hat kontinuierlich Inspektionen durchgeführt und kam und befnden sich im Wettlauf der meisten Todesurteile zu dem Ergebnis, dass der Iran sich an die Vereinbarun- und der meisten Hinrichtungen in dieser Region. Sie soll- gen hielt. Der Rückzug der USA stellt diese Entwicklung ten nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. jetzt infrage. Der Schritt, aus dem Atomabkommen aus- Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolle- zusteigen, gefährdet die weltweite Sicherheitsarchitektur ginnen und Kollegen, versuchen wir, die Diskussion et- und macht deutlich, in welchem schweren Fahrwasser was ruhiger zu führen, die Rhetorik etwas zurückzuneh- sich Außenpolitik derzeit befndet. Vor allem stellt sich men und auf alle Gesprächspartner, insbesondere auf den deshalb jetzt eine Frage: Was folgt nun? Hier sind es vor Iran, einzuwirken, aggressive Meldungen und aggressive allem zwei Dinge, die entscheidend sind: Töne zu vermeiden. Erstens. Das Atomabkommen muss grundsätzlich am Was ist zu tun? Wir brauchen weiterhin eine enge Ab- Leben gehalten werden. stimmung der E3 und der Hohen Vertreterin, eine sach- gerechte und vernünftige Rhetorik, um wieder zu guten Zweitens. Man muss in einigen Punkten nachverhan- und vernünftigen Gesprächen zu kommen. Wir müssen deln. Das hat mir letzte Woche auch der Vorsitzende des den Erhalt des Joint Comprehensive Plan of Action fes- israelischen Verteidigungsausschusses, Avi Dichter, in tigen, die Tür für weitere Verifkationen ofenhalten und Jerusalem noch einmal nachdrücklich bestätigt. (B) vor allen Dingen das Augenmerk auf die Abrüstung der (D) ballistischen Systeme und die Stabilisierung der Region Für den ersten Punkt kommt es darauf an, dass die richten. Partner des Abkommens sich weiter mit dem Iran zusam- mensetzen und verständigen. Von sechs Staaten ist jetzt Mit der Politik, die die Bundesregierung und das Aus- einer ausgetreten. Das heißt, es verbleiben fünf Staaten wärtige Amt als Teil der Bundesregierung in diesem Be- in diesem Abkommen, die natürlich auch ein eigenes Ge- reich einbringt, sind wir – da bin ich mir sicher – auf dem wicht mitbringen. Das Ziel „atomare Abrüstung in der richtigen Weg, den wir auch mit den beiden Anträgen, Welt“ gilt es daher auch an dieser Stelle zu bewahren. die heute vorliegen, und mit der Unterstützung des Parla- Unser Antrag unterstützt entsprechend die europäische ments, dieses Hohen Hauses, gehen werden. Initiative für atomare Abrüstung. Es muss im Dialog mit Herzlichen Dank und ein schönes Wochenende. allen Vertragsparteien über die Möglichkeiten eines er- gänzenden Abkommens gesprochen werden. Dabei gilt (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) es insbesondere, auf eine Verlängerung der Vertrags- laufzeiten hinzuwirken. Nur so können wir eine erneute Vizepräsidentin Claudia Roth: atomare Rüstungsspirale in der Region, die sich ab 2025 Vielen Dank, Karl-Heinz Brunner. – Nächster Redner: einstellen würde, verhindern. Dr. Marcus Faber für die FDP-Fraktion. Der zweite wichtige Punkt bei Nachverhandlungen: (Beifall bei der FDP) Wir brauchen einen Dialog mit allen Vertragsparteien für ein unabhängiges Abkommen zu den ballistischen Rake- Dr. Marcus Faber (FDP): ten. Dieses Abkommen wäre mindestens genauso wich- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und tig wie das jetzt zur Debatte stehende Atomabkommen. Kollegen! Meine Damen und Herren! Vergangene Woche Dafür müssen wir eine Gesamtstrategie entwickeln. Hier war ich zusammen mit dem Kollegen Gnodtke in Israel ist es wichtig, gemeinsam daran zu arbeiten, die Region und habe mir dort ein Bild von der Sicherheitssituation zu stabilisieren. vor Ort gemacht. Vor allem das Abkommen mit dem Iran war dort ein ständiges Thema. (Beifall bei der FDP) Ich muss Ihnen sagen: Vor Ort kann man die Beden- Meine Damen und Herren, wir brauchen einen neuen ken gegen das Atomabkommen gut nachvollziehen. Die diplomatischen Anlauf für Rüstungskontrolle und Abrüs- Bedrohung Israels ist allgegenwärtig. Die aggressive Au- tung. Die demokratische Staatengemeinschaft muss hier ßenpolitik des Iran konterkariert die getrofenen Verein- entschlossen vorangehen. Daher möchte ich Sie bitten, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3643

Dr. Marcus Faber (A) unserem Antrag, der hier auch schon von der Union so chen wir Antworten. Wir brauchen natürlich Wege, die (C) gelobt wurde, dem Antrag der Freien Demokraten, zu- es weiter ermöglichen, dass es überhaupt noch eine Zu- zustimmen. sammenarbeit mit dem Iran gibt. Es gibt Bereiche, wie zum Beispiel den Wassersektor, bei denen man überle- Vielen Dank. gen muss, ob man dort nicht besser und intensiver zu- (Beifall bei der FDP) sammenarbeitet. Darüber hinaus müssen wir europäische Gegeninstrumente erarbeiten. Das ist alles überhaupt kei- Vizepräsidentin Claudia Roth: ne Frage, auch deswegen, weil wir es mit einem Bruch in den transatlantischen Beziehungen zu tun haben. Das ist Vielen Dank, Dr. Faber. – Nächster Redner für Bünd- nicht nur ein Testfall für Europa, das ist extrem ernst. Es nis 90/Die Grünen: Omid Nouripour. droht Proliferation. Wenn der Iran die Zentrifugen wieder (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) laufen lässt, dann kann man davon ausgehen, dass es eine Proliferationsspirale geben wird. Es wird ein Wettrüsten, Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ein Wettrennen um die Atombombe geben, das mögli- cherweise nicht nur bis nach Saudi-Arabien reicht, und Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am das in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. 8. Mai hat der amerikanische Präsident beschlossen, das funktionierende Regelwerk zur Kontrolle des iranischen Deshalb ist es umso wichtiger, die Europäische Uni- Atomprogramms zu zerstören. Mit einem Handstreich on zusammenzuhalten. Es gibt einiges, was die Europä- hat er sich aufgemacht, einen diplomatischen Erfolg weg- ische Union machen kann, und es gibt einiges, was die zufegen, der das Ergebnis jahrelanger gemeinsamer Be- Bundesregierung besser machen könnte. Das sieht man mühungen der internationalen Gemeinschaft war. Ohne beispielsweise auch an den Angeboten, die gerade aus Grund hat er diejenigen im Iran in die Ecke gedrängt, die Frankreich kommen und die es ermöglichen und ein- für Öfnung, Dialog und Wandel kämpfen. Diese Leute facher machen würden, die EU zusammenzuhalten. Da haben es auch so schon sehr schwer. Sie haben es mit wünschte ich mir etwas mehr Emphase seitens der Bun- einem repressiven Regime zu tun. Wir wissen um die desregierung. Man sieht es aber auch an Nord Stream 2. Menschenrechtslage im Land, die dramatisch ist, um die Das ist ein Projekt, das die Spaltung Europas vorantreibt, zunehmenden sozialen Verwerfungen. Wir wissen aber was man auch bei diesem Thema derzeit zu spüren be- auch, wie aggressiv der Iran in der Region agiert. Man kommt, wenn man mit Warschau spricht. sieht das täglich in Syrien, man sieht es im Libanon, man sieht es im Irak, und man sieht es – Kollege Koob hat Die Antwort muss selbstbewusst europäisch sein. Es darauf hingewiesen – an der hochaggressiven Rhetorik gibt 500 Parlamentarierinnen und Parlamentarier – auch (B) dem Staat Israel gegenüber. Das alles zusammengezählt zahlreiche aus diesem Parlament –, die das vorgemacht (D) führt aber dennoch zu einer eindeutigen Gleichung: Es ist haben. Sie haben einen gemeinsamen Brief an unsere besser, einen Iran ohne Atomwafen zu haben, als einen Kolleginnen und Kollegen in den Vereinigten Staaten Iran mit Atomwafen. geschrieben. Denn wir in Europa leben derzeit die trans- atlantischen Werte. Wir haben sehr viele Partnerinnen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Partner auf der anderen Seite des Teiches, die auf sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der uns warten, darauf, dass wir auch die Stimme erheben, SPD und der LINKEN) um unsere Interessen und die transatlantischen Werte zu Der amerikanische Präsident hat diese Entscheidung verteidigen. getrofen gegen den Rat eines Großteils seiner eigenen Lassen sie uns diese Herausforderung ofensiv anneh- Administration, gegen viele Stimmen der iranischen men; denn es steht nichts weniger als die Sicherheit der Zivilgesellschaft, gegen große Teile des israelischen Si- Menschen auf dem Spiel – in Europa und im Nahen Os- cherheitsestablishments und vor allem gegen alle seine ten. europäischen Partnerstaaten. Der amerikanische Präsi- dent hat die europäische Sicherheit für seine kurzfristi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gen und kurzsichtigen politischen Interessen aufs Spiel sowie bei Abgeordneten der LINKEN) gesetzt. Das ist ein Vorgang, den wir schlicht nicht ak- zeptieren können. Vizepräsidentin Claudia Roth: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vielen Dank, Omid Nouripour. – Nächster Redner: Christian Schmidt für die CDU/CSU-Fraktion. Es drängt sich selbstverständlich der Vergleich mit dem Irakkrieg auf, nur dass der Irakkrieg am Ende nicht (Beifall bei der CDU/CSU) zu einer Nuklearisierung geführt hat – bei allem Desaster, das wir heute erleben. Was jetzt passiert ist, ist eine voll- Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): ständige Verachtung europäischer Sichtweisen und Inte- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ressen und eine Verkennung der Tatsache, dass das kein sind sehr wichtige und richtige Sätze in der Bewertung Deal eines Vorgängerpräsidenten mit dem iranischen Re- der letzten Wochen, insbesondere der Entscheidung des gime war, sondern ein Deal der Weltgemeinschaft, in den amerikanischen Präsidenten über den Ausstieg aus dem wir Europäer zwölf Jahre Zeit und Kraft investiert haben. Atomabkommen, gesagt worden. Ich will wiederholen: Die Antworten, die wir geben müssen, sind schwie- Dieses Abkommen ist ein großer diplomatischer Erfolg rig, aber sie sind möglich. Gegen US-Sanktionen brau- gewesen. Es war mühselig und hat nach vielen Jahren 3644 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Christian Schmidt (Fürth) (A) auch kein komplett 100 Prozent erfolgreiches Ergebnis in Vizepräsidentin Claudia Roth: (C) dem Sinne gebracht, dass alle Fragen beantwortet wären. Bitte denken Sie an Ihre Redezeit. Aber auch wenn es kein Idealfall einer umfassenden Ei- nigung ist: Es ist ein taugliches Werkstück für eine Risi- (Fürth) (CDU/CSU): kominderung gegen die Gefahr eines atomaren Infernos Christian Schmidt in dieser Weltregion. Das muss uns bewegen. Der Aus- Frau Präsidentin, nur noch den berühmten kurzen Satz stieg der USA aus der Vereinbarung und die Wiederauf- zum Schluss. nahme der Wirtschaftssanktionen führen uns hingegen in die andere, potenziell sehr gefährliche Richtung. Vizepräsidentin Claudia Roth: Aber nur kurz, sonst ziehe ich die Zeit ab. Es ist deswegen grundsätzlich richtig – es ist gesagt worden –, dass wir an diesem Atomabkommen festhal- (Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Nee, ten. Ich will aber deutlich unterstreichen, lieber Kollege nee!) Nouripour, dass wir eine Ofensive der Diplomatie, ein ofensives Kümmern um diese Vereinbarung brauchen Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): und dass wir auch die in den USA und in Israel ermutigen So müssen wir mit dem Iran umgehen. Die Destabili- müssen, die einen nüchternen, kritischen Blick auf die sierung jedenfalls ist eine zu große Gefahr. Optionen werfen. Ich freue mich, dass die US-amerika- nische NATO-Botschafterin, unsere langjährige Kollegin Lassen Sie uns aktiv und proaktiv mit den USA ge- im US-Senat, Kay Hutchison, heute früh im Deutsch- meinsam versuchen, einen Weg mit dem Iran zu fnden. landfunkt unterstrichen hat, dass Einigkeit über das ge- Herzlichen Dank. meinsame Ziel besteht, dass verhindert werden muss, dass der Iran sich nuklear bewafnet. Ja, das ist unser ge- (Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel meinsames Ziel. Und ja, das muss der Punkt sein, der Ab- [DIE LINKE]: Schluss jetzt mit der NA- holpunkt, wo wir uns auch mit gemeinsamen Initiativen TO-Propaganda! – Gegenruf des Abg. entwickeln. Natürlich wissen wir alle, dass die Möglich- Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Für keit, solche gemeinsamen Initiativen über die E3 hinaus Propaganda seid doch ihr zuständig! – Gegen- zu erreichen, gegenwärtig eher theoretisch ist. Aber ich ruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die bin gerade angesichts der Dynamik und der Unterschied- Deutsche Atlantische Gesellschaft lässt grü- lichkeit des einen oder anderen Twitteraccounts und der ßen!) Meldungen darin durchaus nicht unoptimistisch, dass die (B) Dinge hier auch wieder in Bewegung kommen können. Vizepräsidentin Claudia Roth: (D) Vielen Dank, Christian Schmidt. – Ich bitte Sie wirk- Sicherlich wird der kommende Dienstag, der 12. Juni, lich, sich an die Redezeit zu halten. – Nächste Rednerin: mit dem anderen Nukleardossier, dem nordkoreanischen Dr. Frauke Petry. Nukleardossier, eine gewisse Möglichkeit bieten, sich da- nach zusammenzusetzen. Ich hofe und wünsche jenseits aller Rhetorik, dass hier auch Erfolge erzielt werden, die Dr. Frauke Petry (fraktionslos): substanziell sind, so wie wir Erfolge erzielt hatten, was Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und den Iran betrift. Herren! Am 8. Mai kündigte Präsident Trump den Aus- stieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran an. Für die Eine Frage müssen wir uns gemeinsam mit den USA, einen ist das ein Vertrag mit unantastbarem Inhalt, für die Russland und China stellen: Was tun wir, wenn der Iran anderen einer, der nur leichter Nachjustierungen bedurf- in anderen Bereichen unsere und insbesondere – das ist te. Für Trump ist er ein durch und durch schlechter Deal, gesagt worden – die Sicherheit Israels berührt und so für den es nur einen Platz gibt: den Papierkorb. aggressiv weitermacht wie bisher? Die jüngsten Aussa- Nun denken viele von Ihnen: Typisch Trump, das ist gen von Ali Khamenei sind nicht gerade geeignet, um der Elefant im diplomatischen Porzellanladen. Man kann Besorgnisse zu zerstreuen. Rohani gibt ein Signal der es aber auch anders sehen: Trump kann diesen Vertrag Vertragstreue, ja, aber von einer veränderten politischen nur deswegen aufkündigen, weil sein Vorgänger Barack Grundausrichtung im Hinblick auf Frieden und gute Obama ihn ebenso rücksichtslos am US-Kongress vor- Nachbarschaft ist nichts zu hören. Das ist gefährlich. beigehievt hat. Man nennt das „political commitment“, Denn machen wir uns nichts vor: Beim Iran geht es bei man könnte es auch nennen: den politischen Alleingang weitem nicht nur um das Atomprogramm und um die eines Präsidenten. wirtschaftliche Kooperation, sondern es geht um die Zu- kunft der gesamten Nahostregion. Hier betreibt der Iran Trump stellt die demokratische Ordnung wieder vom eine knallharte Machtpolitik, der wir uns diplomatisch Kopf auf die Füße, wenn er der Mehrheitsmeinung des und auch mit Entschlossenheit entgegenstellen müssen. amerikanischen Kongresses, also der gewählten Ver- tretung der amerikanischen Bürger, zum Recht verhilft. Wir benötigen also eine Doppelstrategie: Festhalten Dieser Vertrag hätte demnach nie zustande kommen dür- am Atomabkommen, Ofenhalten der Gesprächskanäle, fen, aber nicht nur aus rechtlichen Erwägungen, sondern eine proaktive, dynamische Auseinandersetzung mit Er- erst recht wegen seiner Inhalte. Er beruht nämlich auf gänzungen und einer Reaktivierung, aber auch ein klares dem guten Willen des iranischen Regimes, und wie viel Signal an den Iran. davon zu halten ist, das wissen wir hier. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3645

Dr. Frauke Petry (A) 24 Tage Warnzeit bekommt Teheran, bevor internati- Besonders die Linkspartei ergeht sich im Wiederholen (C) onale Inspekteure Zugang zu zivilen und militärischen von bereits Gesagtem. Einrichtungen bekommen. Der israelische Ministerprä- sident Netanjahu brachte dies auf den Punkt: Das wäre (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Links- etwa so, als kündigte die Polizei ihre Hausdurchsuchung fraktion!) bei einem Drogenbaron an, der dadurch genug Zeit hat, Denn dass die EU und damit die Bundesrepublik weiter das Koks die Toilette hinunterzuspülen. zur Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran als Teil Schärfere Rüstungskontrollen werden dieses Abkom- des Abkommens stehen, hatte die EU-Außenbeauftragte men nicht retten. Das vertagt die Probleme nur, anstatt Mogherini viele Tage vor Ihrem Antrag erklärt. Dass Ge- sie zu lösen. Dem Iran wird verboten, in den nächsten genmaßnahmen auf der EU-Ebene als Antwort auf mög- zwölf Jahren wafenfähiges Material anzureichern. Und liche US-Sanktionen gegen europäische Unternehmen dann? Was kommt danach? Dürfen diejenigen, die das bereits in der Ausarbeitung waren, war zu dem Zeitpunkt Existenzrecht Israels bis heute bestreiten, dann unge- auch schon bekannt. Ich habe den Eindruck, das alles ha- hemmt Atombomben bauen? ben Sie nicht mitbekommen. In ihrem Antrag fordert die Linkspartei zudem, sämt- Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir hier liche Wafenlieferungen an Staaten des Nahen und Mitt- den 70. Geburtstag Israels gefeiert haben. Der Tenor war leren Ostens sofort zu unterbinden. eindeutig: Wir haben eine historische Verantwortung ge- genüber diesem Land. Aber unser Auftrag ist nicht allein, (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ja!) der in Deutschland ermordeten Juden zu gedenken, son- dern wir müssen uns auch heute um das Leben von be- Ganz passend dazu hat die Linkspartei drohten Juden kümmern, hier, aber auch in Israel. (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Links- Meine Damen und Herren, dieser Verrat an Israel – fraktion!) letztlich auch das Nachgeben gegenüber dem Iran – war im Verteidigungsausschuss einen Antrag eingebracht, der ein ofener Bündnisbruch; seien wir doch mal ehrlich. fordert, die Beschafung von Verteidigungssystemen für Wir können nicht zugleich der Freund Israels und des Israel zu streichen. Damit positionieren Sie sich klar ge- Iran sein. Das ist die einfache geopolitische Formel, die gen Israel und für den Iran. wir endlich lernen sollten. Wir von der Blauen Partei ent- scheiden uns, wenn wir uns entscheiden müssen, für die (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Wie Freundschaft mit Israel und den USA. wäre es mal mit Tatsachen? – Weiterer Zuruf (B) von der LINKEN: Das stimmt nicht!) (D) Danke schön. Sind Sie es denn nicht leid, sich immer wieder an der Seite der unfreien Staaten dieser Welt zu fnden? Vizepräsidentin Claudia Roth: Letzte Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Anita (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Meine Schäfer für die CDU/CSU-Fraktion. Güte! Das ist eine falsche Unterstellung!) Immerhin erwähnen Sie vorsichtig, Teheran habe (Beifall bei der CDU/CSU) mehrfach die Sicherheit Israels infrage gestellt. Aber das ist eine maßlose Verharmlosung. Der Iran will Israel ver- Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): nichten, und das auch unter dem vermeintlich modera- ten Präsidenten Rohani. Nicht umsonst hat der politische Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und religiöse Führer des Iran, Ajatollah Khamenei, am und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst Folgendes 3. Juni Israel als Krebsgeschwür bezeichnet, das ausge- klarstellen: Das Atomabkommen mit dem Iran ist nicht merzt werden muss. perfekt, aber auch ein solches Abkommen ist besser als keines. Es ist unser Weg, die nuklearen Ambitionen des (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Unsäg- Iran einzudämmen. Sowohl der vorliegende Antrag der lich! – Weitere Zurufe von der LINKEN) FDP als auch der von der Linkspartei rufen nun die Bun- desregierung auf, am Atomabkommen mit dem Iran in – Das ist wirklich unerträglich, diese Stimmung hier. unveränderter Form festzuhalten. Aber genau dazu hat (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Schon sich die Bundesregierung schon seit Monaten bekannt, lange!) sowohl vor als auch nach der Entscheidung Trumps, aus dem Abkommen auszusteigen. Erst vor drei Wochen hat Angesichts solcher Äußerungen die deutsche Hilfe für die Bundeskanzlerin hier im Plenum erneut unmissver- israelische Verteidigungssysteme streichen zu wollen, ist ständlich betont, wie wichtig das Abkommen aus Sicht ein Skandal. Wir sind stolz auf unsere hervorragenden der Bundesregierung ist und wie wichtig der Dialog mit Beziehungen zu Israel und werden auch die militärische dem Iran ist, nicht die Konfrontation. Immer wieder hat Kooperation weiter fortsetzen. die Bundesregierung auch nach außen hin klargemacht, dass sie die Entscheidung der US-Regierung für falsch Glücklicherweise ist der Antrag der FDP, was die Be- hält. drohung durch den Iran angeht, sehr viel diferenzierter. 3646 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Anita Schäfer (Saalstadt) (A) Aber auch er wiederholt weitestgehend nur das, was die Man könnte meinen, das sei im Labor entwickelt (C) Bundesregierung bereits klargestellt hat. worden. Da wir uns gerade mit der Landwirtschaft be- schäftigen, würde ich sagen: Das wurde im Silo entwi- (Dr. Marcus Faber [FDP]: Aber nicht aus- ckelt – ohne Beachtung dessen, was draußen drumherum schließlich!) passiert. Somit bleiben die Anträge von FDP und Linken eine Wenn wir uns mal die Ernährungssituation weltweit Fata Morgana. Sie sehen aus der Ferne nach Substanz ansehen und das herunterbrechen, dann wissen wir: Auf aus, entpuppen sich beim Näherkommen aber doch nur der einen Seite hungern 815 Millionen Menschen, auf der als Täuschung. Fata-Morgana-Politik mag für die Oppo- anderen Seite leben wir im Überfuss, und wir müssen sitionsbank reichen. Verantwortung wird man in unserem uns sogar mit der Frage „Food Waste“ beschäftigen – Land mit Märchen aus „Tausendundeiner Nacht“ aber also damit, dass Lebensmittel weggeworfen werden – nicht übernehmen. und Gegenstrategien haben. Vielen Dank. 14 bis 18 Prozent der Treibhausgasemissionen kom- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marcus Fa- men aus dem Bereich „Landwirtschaft und Ernährung“. ber [FDP]: Das wollen wir doch mal sehen!) Wenn wir die ganze Kette genauer berücksichtigen, den Transport, die Entwaldung, die Produktionsverfahren, Food Waste usw., dann sehen wir, dass 40 bis 50 Prozent Vizepräsidentin Claudia Roth: der Treibhausgasemissionen allein aus diesem Bereich Vielen Dank, Anita Schäfer. – Damit schließe ich die kommen. Aussprache. Was bietet uns die Kommission als Lösung an? Etwas, Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf was quasi im Silo entwickelt wurde. Das ist wahrschein- den Drucksachen 19/2131 und 19/2529 an die in der Ta- lich das Klein-Klein der Vorschläge der Agrarminister, gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – die sie in Brüssel vorgebracht haben. Am Ende zählt nur Sie sind damit einverstanden. Dann sind die Überwei- die Produktion, das Ziel, immer mehr zu produzieren. sungen so beschlossen. Aber wir haben auf UN-Ebene auch Nachhaltigkeitsziele Ich rufe den Zusatzpunkt 8 auf: unterschrieben. Aktuelle Stunde (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Wo ist dann das Klimaziel? Wo geht es denn um GRÜNEN die Themen Wasser, Biodiversität, Ökosysteme oder (B) menschliche Gesundheit? Das alles ist hier schon disku- (D) Haltung der Bundesregierung zu den Kom- tiert worden. missionsvorschlägen zur Gemeinsamen Agrarpolitik in Hinblick auf den Arten- und 40 Prozent des EU-Haushaltes werden für den Agrar- Natur-, insbesondere auch den Insektenschutz bereich ausgegeben. Und was gestalten wir damit? Das passt überhaupt nicht zu den politischen Zielen, die wir Das Wort gebe ich nun als erster Rednerin in der Aktu- uns gesetzt haben. ellen Stunde Renate Künast von Bündnis 90/Die Grünen. ( [CDU/CSU]: Nicht zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ihren Zielen!) Es macht sich auch niemand die Mühe, sich mal damit Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): auseinanderzusetzen, wie denn die Zukunft in den einzel- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Mi- nen Segmenten dieses Bereiches aussehen wird. nisterin, schön, dass Sie da sind. 120 Prozent des Bedarfs an Schweinefeisch produzie- (Albert Stegemann [CDU/CSU]: So ist sie!) ren wir. Ich weiß nicht, wer das alles essen soll. – Es ist in einer Aktuellen Stunde ja nicht immer so, dass (Dr. Klaus-Peter Schulze [CDU/CSU]: Ich die Ministerin oder der Minister kommt. freue mich schon aufs Grillen heute!) Zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission – Ich weiß auch gar nicht, wo die Zukunft von Cloppen- ich will es gleich ganz direkt sagen, und ich ahne schon, burg/Vechta liegt. dass wir etwas unterschiedlicher Meinung sind –: Wir Wenn Sie die Bauern noch weiter auf einen Export- fnden diesen Vorschlag zur GAP-Reform, zur Agrar- kurs treiben, dann müssen Sie sie eigentlich auch bei der reform, enttäuschend, weil das, was sich in den letzten Hand nehmen und ihnen helfen, wenn dieser Weltmarkt Jahren bewegt hat, wie weggeblasen scheint. Man muss zusammenbricht. Dann dürfen Sie sie nicht alleinlassen. im wahrsten Sinne des Wortes sagen: Das ist nicht nur Also lassen Sie es gleich mit dem Exportkurs! wie weggeblasen, sondern das ist eigentlich ein Rück- schritt auf der ganzen Linie. Der Vorschlag missachtet (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eigentlich alles, wozu wir uns bei Klimaschutz, bei Tier- Beim Thema Fleisch wird quasi ein neuer Naturkreis- schutz und bei Artenvielfalt verpfichtet haben. Er folgt lauf auf der Welt entwickelt, indem erst mal Wälder ge- nur kurzfristigen Interessen. rodet werden. Dort werden dann Tiere gehalten, danach (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wird dort Futtersoja angebaut. Futtersoja wird nach Eu- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3647

Renate Künast (A) ropa transportiert und kommt vorne ins Tier rein. Hinten Deshalb bitten wir Sie: Haben Sie Zivilcourage! Ha- (C) kommt Gülle raus. Danach suchen wir den Ort, an dem ben Sie Mut! Lassen Sie sich nicht von den alten Lobbys wir diese Gülle loswerden. Es entsteht ein Gülletouris- über den Tisch ziehen. Sagen Sie zu dieser Vorlage Nein. mus. Die Wasserwerke müssen Wasser nachpumpen, und diesen Aufwand bezahlen die Kunden. Das ist eine Art Vizepräsidentin Claudia Roth: neuer Naturkreislauf, den wir hier mit 40 Prozent des eu- ropäischen Haushaltes schafen. Das ist Wahnsinn, und Redezeit, bitte. es geht in die falsche Richtung. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie uns etwas Positives für die Zukunft erar- beiten. Wenn ich das aus dem Silo-Blickwinkel sehe: Die Fi- nanzierungsquellen für Agrarumweltmaßnahmen – auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die in benachteiligten Gebieten – sollen im Wesentlichen trockengelegt werden, kann man sagen. Für die Direkt- Vizepräsidentin Claudia Roth: zahlung gilt das nur ein kleines bisschen. Das ist eine Na- tionalisierung, eine Renationalisierung von Umweltleis- Ich bitte Sie noch einmal alle, auf die Redezeit zu ach- tungen. Wir alle wissen, was dieses Signal bedeutet: Die ten. Mitgliedstaaten werden in einer Art Dumpingwettbewerb Vielen Dank, Renate Künast. – Die nächste Rednerin miteinander darum kämpfen, dass möglichst wenige Re- für die Bundesregierung: Julia Klöckner. geln aufgestellt werden. Es ist das Gegenteil vom Pariser Klimaabkommen, wenn wir auf der einen Seite Abkom- (Beifall bei der CDU/CSU) men unterzeichnen und uns feiern und auf der anderen Seite mit dem Geld und den bestehenden Strukturen ge- Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und nau das Gegenteil bewirken. Landwirtschaft: Meine Damen und Herren, Frau Ministerin und auch Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen die Bundesregierung, ich kann Ihnen nur eins sagen: und Kollegen! Ich möchte, Frau Künast, das gleich auf- Wir müssen an dieser Stelle mit der Vorlage der Kom- nehmen. Sie sagten, man müsse Mut haben. Aber Mut mission so umgehen, dass wir unser Ziel erreichen, die alleine reicht nicht. Eine gewisse Klugheit gehört auch dazu. Sie hatten damals als Ministerin den Mut, sich mit CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken. Dazu bietet dieser Vorschlag gar nichts. Meines Ihrem Wissenschaftlichen Beirat wegen des Inhalts eines Gutachtens dermaßen anzulegen, dass er geschlossen zu- (B) Erachtens kann man deshalb dazu nur Nein sagen. (D) rückgetreten ist. So viel zu Ihrem Umgang mit Wissen- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schaftlichen Beiräten.

Ihr Wissenschaftlicher Beirat hat das übrigens auch (Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜND- getan. Ich habe mir die Stellungnahme angesehen. Dort NIS 90/DIE GRÜNEN]) steht, das ganze System werde den Herausforderungen Ich habe die Klugheit, mich mit diesen Vorschlägen nicht gerecht – in keinem Bereich, meine Damen und auseinanderzusetzen, was ich bereits getan habe. Ich Herren. Der Beirat kritisiert: Verteilungspolitisch ist das darf eine E-Mail von Professor Grethe, der in den Medi- durch nichts zu rechtfertigen. Man müsste eher bei den en falsch wiedergegeben worden ist, mit seiner Zustim- gesellschaftlichen und Umweltfunktionen andocken, die mung an den Ausschuss weiterleiten. Aber ich will noch die Landwirtschaft hat. einmal sagen: Ich löse keine Beiräte auf, nur weil mir ihre Ergebnisse nicht passen, so wie Sie das damals getan In dem Gutachten heißt es sehr konkret: Die Ziele der haben. GAP sind neu auszurichten, man muss eine Gesamtar- chitektur mit anderen Fonds machen. Man muss die Di- (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch rektzahlungen innerhalb von zehn Jahren abbauen und der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE Gelder für Gemeinwohlleistungen geben, meine Damen GRÜNEN]) und Herren. Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gäbe es die Gemeinsame Europäische Vizepräsidentin Claudia Roth: Agrarpolitik nicht, dann müssten wir sie heute erfnden; denn die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik hat eine Denken Sie bitte an Ihre Redezeit? enorme Bedeutung für die europäische Integration, aber auch für die Schafung gleichwertiger Lebensverhältnis- Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): se in Europa, und das seit 50 Jahren. Ja. – In diesem Zusammenhang will ich eins sagen: Wenn wir in anderen Politikbereichen ab und zu ein- Natürlich erklärt Ihr Wissenschaftlicher Beirat auch, mal sprachlos sind: Die Gemeinsame Europäische Agrar- dass man dazu Mut braucht. Ich glaube, genau das ist politik ist und bleibt eine der ganz wichtigen Klammern der Punkt. Das ist das, was ich heute erbitte. Denken Sie Europas. Es ist gut – darüber bin ich froh –, dass daran daran, dass wir mit 40 Prozent der EU-Mittel die Ziele, nicht gerüttelt wird. Die Vorschläge von Kommissar zu denen wir uns verpfichtet haben, realisieren müssen. Hogan sind – bei allem, worüber man debattieren kann – 3648 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Bundesministerin Julia Klöckner (A) als Allererstes ein Bekenntnis zu diesem gemeinsamen groß sind. Ich bin der Meinung, wir sollten eine fächen- (C) Politikansatz. Das ist auch gut so. deckende bäuerliche Landwirtschaft unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Auf dieser Basis, liebe Kolleginnen und Kollegen, lässt Ich sage ganz klar – anders als Kollegin Künast –, sich dann im Detail streiten, diskutieren und ringen; das dass sich das Zwei-Säulen-Modell mit seiner Struktur be- ist auch gut so in einem Parlament. währt hat. Ich halte es für richtig, und es haben fast alle Mitgliedstaaten gefordert. Übrigens hat auch die Kom- Aber wir sollten uns auch immer vergewissern, dass mission ein wissenschaftliches Gutachten vorgelegt. Ich es nicht um das Ob, sondern um eine Gemeinsame Euro- will das noch mal konkretisieren, Frau Künast: Ihr Wis- päische Agrarpolitik an sich geht. Es geht um die Ausge- senschaftlicher Beirat ist damals wegen unüberbrückba- staltung dieser Politik. Der Agrar- und Ernährungssektor rer Diferenzen geschlossen zurückgetreten, sorgen dafür, dass wir in Europa, aber auch weltweit mit hochqualitativen Lebensmitteln versorgt sind. Dieser ge- (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- meinsame Markt ist wichtig. Er liefert uns Lebensmittel NEN]: Das muss Sie schwer beschäftigen, zu erschwinglichen Preisen. Und die Gemeinsame Euro- dieser Vorgang! Wie lange ist das her?) päische Agrarpolitik sorgt auch dafür, dass Landwirte für das, was sie über ihre betriebswirtschaftlichen Interessen und dazu sage ich: Wissenschaft ist wichtig. Wissen- hinaus tun, entlohnt werden, weil es eine Leistung für die schaft ist ein Teilbereich, und politisch müssen am Ende gesamte Gesellschaft ist. wir entscheiden. Welche Landwirtschaft wollen wir? Eine fächende- Ich unterstütze Kommissar Hogans Vorschläge zur ckende, eine bäuerliche, eine moderne, eine nachhaltige Beibehaltung, Marktausrichtung und Verstärkung, auch Landwirtschaft. Sie stärkt die ländlichen Regionen. Sie die stärkere Förderung der Umwelt- und Klimaleistun- hilft auch gegen eine Polarisierung und gegen das Aus- gen in der Landwirtschaft. Aber ich sage auch deutlich: einanderdriften in den ländlichen Regionen, wenn wir es Wir brauchen eine starke zweite Säule. Auch stellt sich richtig angehen. Deshalb sage ich: Stirbt die Landwirt- die Frage nach der umweltschonenden Bewirtschaftung schaft, dann stirbt auch der ländliche Raum. und danach, was in der ersten Säule die Basisabsicherung ist. Es hat ja alles einen Grund, warum wir das haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Wenn wir eine fächendeckende Landwirtschaft haben Carina Konrad [FDP]) wollen – auch mit der Einkommenssicherung der Land- Deshalb sage ich: Ja, es ist viel Geld, das in der Gemein- wirte –, dann dürfen wir nicht dort die Axt ansetzen, wo wir den Landwirten auch in der ersten Säule eine verläss- (B) samen Europäischen Agrarpolitik steckt, und deshalb (D) gibt es auch viele Befndlichkeiten, Begehrlichkeiten und liche Politik schuldig sind. Emotionen. Aber ich meine, wir sollten die Vorschläge, (Beifall bei der CDU/CSU) die Licht und Schatten haben – wie das immer so ist –, unideologisch betrachten und vor allen Dingen immer Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, es wird neue die im Blick haben, nämlich die Bauernfamilien, bei de- Herausforderungen geben. Das bisherige Greening fällt nen es darum geht, wie ihre zukünftige Existenz und die als solches weg. Man kann sagen: Cross Compliance ihrer Kinder und Kindeskinder aussehen wird. gilt jetzt für alles, also auch zu 100 Prozent für die ers- te Säule. Es kommen neue Aufagen dazu. Es kommen Ja, es sind viele Vorschläge aus Deutschland aufge- zusätzliche Aufagen dazu. Das wird für die Landwirte nommen worden. Aber es gibt auch neue Fragen und lei- nicht einfach sein, und da werden wir noch über das eine der auch neue Bürokratie. Das sehen wir sehr kritisch. oder andere reden müssen; denn das muss auch leistbar Über vieles wird zu reden sein. Ich werde im Juli mit und umsetzbar sein. Denn die Landwirtschaft in Europa meinen Kollegen aus den Bundesländern bei Kommis- konkurriert weltweit, und wenn sie weltweit konkurriert, sar Hogan und Kommissar Oettinger in Brüssel sein. Wir dann müssen wir auch die Standards miteinander verglei- werden diese Debatten auf verschiedenen Ebenen führen. chen. Wir sollten die Debatte – und ich meine, wir werden es auch tun – sehr beherzt führen, aber wir sollten sie auch Liebe Kolleginnen und Kollegen, was haben wir vor, immer respektvoll führen, auch in Anerkennung der Ar- wie geht es weiter? Es ist meiner Meinung nach positiv, beit unserer vielen Bauernfamilien bei uns in Deutsch- dass es Möglichkeiten gibt, kleinere Betriebe noch besser land. zu fördern. Das sind gute Ansätze bei den Vorschlägen. Das sollten wir nutzen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich sehe eine verpfichtende Kappung bei 100 000 Euro Weniger Bürokratie und mehr Efzienz für eine markt- als hochproblematisch an. Warum? Man muss sich die fähige, fächendeckende bäuerliche Landwirtschaft: Vorschläge genauer anschauen. Dieses Ziel haben wir in der Koalition fxiert, und ich möchte, dass unsere Bauern auch spürbar von Bürokratie Zum einen: Es gibt mehr Familienbetriebe, die nach entlastet werden; denn gute Produkte werden nicht am außen hin groß wirken, aber es sind mehrere Familien, Schreibtisch gemacht. Ich bin auch nicht der Meinung, die davon leben. Gleichzeitig sollen die Arbeitskosten dass wir sie immer stärker mit Dokumentationen belasten angerechnet werden. So würden in Deutschland fast kei- sollten. Denn am Ende blickt der kleine Landwirt nicht ne Betriebe darunterfallen. Faktisch wäre das, wie gesagt, mehr durch. Am Ende machen wir es denen leicht, die wirkungslos. Aber umgekehrt würden die bürokratischen Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3649

Bundesministerin Julia Klöckner (A) Aufagen bei der Erfassung der Lohnkosten einen enor- hat! Wir als AfD stehen für den Schutz von Natur und (C) men Verwaltungs- und Bürokratieaufwand bedeuten. Artenvielfalt. Dazu zählt für uns insbesondere der Arten- und Insektenschutz. Wenn wir über die Akzeptanz Europas reden, müssen wir auch immer darüber nachdenken, was die Vorschlä- Der Rückgang bei den Insekten ist beängstigend. ge, die wir machen, bei den Menschen auslösen, die je- In jüngster Zeit hat eine große Lebensmittelkette alle den Tag arbeiten, um ihre Familie zu ernähren und or- Produkte aus ihren Regalen entfernt, zu deren Entste- dentliche Produkte in die Regale zu bringen, und ob das hung die Bestäubung durch Insekten unentbehrlich ist. die Akzeptanz Europas erhöht oder nicht. Ich sage Ihnen: Das betraf 60 Prozent. Ist das nicht erschreckend? Wer Je mehr Bürokratie wir haben, je mehr Europa reinredet von uns war nicht begeistert über die von Kornblumen, und je weniger Spielräume wir haben, was die Regionen Klatschmohn und Kamille buntgefärbten Getreidefelder betrift, umso stärker wird die Akzeptanz Europas leiden. der neuen Bundesländer nach der Wende? Pestizide ha- Wir sind auch dafür verantwortlich, in der Debatte eine ben der ganzen Pracht den Garaus gemacht und das fort- gute Balance zu fnden. schreitende Insekten- und Bienensterben gefördert. Das muss uns allen eine Warnung sein. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der AfD) Das heißt, Umsetzungsmodelle dürfen nicht zu kom- pliziert sein. Aber bei all dem gibt es eine ganz zentrale Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die Anwendung Frage. Ich verstehe das und bin dankbar, dass wir, das von Pestiziden allgemein reduziert wird. Ein Fortschritt ist Umweltministerium und das Landwirtschaftsministe- möglicherweise das Verbot der Neonikotinoide im Frei- rium, um unsere Positionen, die wir im Umweltschutz, land, sofern dies konsequent durchgehalten wird. In den im Klimaschutz und in der Landwirtschaft – Stichwort Siedlungsgebieten sollten die öfentlichen Grünfächen „Biodiversität“ – zu vertreten haben, konstruktiv mitei- insektenfreundlich angelegt und gepfegt werden. Auch nander ringen, genauso wie darum, was wünschenswert die Vielfalt von Blühpfanzen in unseren Privatgärten trägt ist, was machbar ist und ob die Zielerreichung am Ende wesentlich zur Ernährung der Insekten und Bienen bei. dort steht, wo wir sie haben möchten. Da geht es um das Forsythien und Alleen mit japanischen Zierkirschen, wie Geld. Das ist eine der zentralen Fragen: Wie viel Geld man sie hier in Berlin oft sieht, sind zwar eine farbliche sollen wir für die Erfüllung der Wünsche, die auch aus Augenweide. Aber eine Insektenweide sind sie nicht. dem Parlament kommen, ausgeben? Das ist noch nicht (Beifall bei der AfD) zu Ende entschieden. Die Aufgabe der Landwirte ist es, Lebensmittel zu er- Aber ich kann Ihnen für uns Koalitionäre sagen: Wir zeugen. Seit über 60 Jahren leiden wir in Europa keinen (B) haben uns im Koalitionsvertrag ganz klar dafür ausge- Hunger mehr. Das verdanken wir unseren Bauern. Jetzt (D) sprochen, dass wir ein GAP-Budget im bisherigen Volu- ist es an der Zeit, neue Natur- und Artenschutzprobleme men anstreben. In diesem Sinne werde ich weiter verhan- aufzugreifen. Obwohl die GAP Anbaudiversifzierung deln. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Unterstützung. auf ihre Fahnen schreibt, subventioniert sie Monokultu- In diesem Sinne werden wir auch nationale Maßnahmen ren. Das ist ein Witz. Bei Anbaufächen bis 30 Hektar ergreifen, wenn in der zweiten Säule Geld wegfallen müssen zwei Hauptkulturen angebaut werden, von denen wird für die ländlichen Regionen, sei es im Rahmen der die größere nicht mehr als 75 Prozent umfassen darf. Und GAK oder sei es mit weiteren Budgets und Mitteln, die was ist dann? Eine Vermaisung letztendlich! Denn nur ich auf europäischer Ebene sehe, zum Beispiel für den 25 Prozent verbleiben für die zweite Kultursorte. Ist das Klimaschutz. Da die Landwirtschaft in enormem Maße nicht auch erschreckend? Da haben wir dann die Mono- zum Klimaschutz beitragen kann, sollte sie auch an dem kulturen. Bei Betrieben über 30 Hektar – nach oben of- Geld partizipieren. fen – müssen drei Kulturen angebaut werden. Das klingt Alles in allem: Ich denke, Umweltschutz, europäische beruhigend. Bei diesen drei Kulturen dürfen zwei Kultu- Integration, Zukunft für unsere Landwirte und für den ren nicht mehr als 95 Prozent umfassen. So verbleiben Verbraucher, Angebote, die bezahlbar sind – das alles für die dritte nur noch 5 Prozent. Diversität? – Ich lach ist miteinander vereinbar, aber bitte ohne ideologische mich kaputt. Scheuklappen. Unsere konkreten Vorschläge sind: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Erstens. Wir möchten eine Steigerung des ökologi- ordneten der SPD und der FDP) schen Landbaus. Zweitens: eine deutliche Erhöhung des Anteils öko- Vizepräsidentin Claudia Roth: logischer Vorrangfächen. Auf diesem Gebiet fordert die Vielen Dank, Julia Klöckner. – Nächste Rednerin: GAP nur 5 Prozent für Betriebe ab 15 Hektar. Das ist Franziska Gminder für die Fraktion der AfD. weiß Gott nicht viel. (Beifall bei der AfD) Drittens plädieren wir für vielgliedrige Fruchtfolgen, Leguminosenanbau, wechselnde Sorten und mechani- Franziska Gminder (AfD): sche Pfegemaßnahmen. Diese sind wichtige Bestand- teile des naturnahen Pfanzenschutzes und fördern die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Mi- Bodenfruchtbarkeit. nisterin! Liebe Kollegen, die noch übrig geblieben sind, weil der Stalldrang sie noch nicht nach Hause gerufen (Beifall bei der AfD) 3650 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Franziska Gminder (A) Die Sortenvielfalt erscheint mir bedroht durch den jetzt Franziska Gminder (AfD): (C) genehmigten Aufkauf von Monsanto durch Bayer. Wird Aha. – Wir hofen, dass Sie und Ihr Ministerium sich das nicht zu einer Normierung des Saatgutes führen? Wo in Brüssel dafür einsetzen, dass Deutschland nicht schä- bleiben die alten Sorten und die Unabhängigkeit in der big behandelt wird und die Kürzungen nicht auf dem Rü- Sortenwahl unserer Landwirte? cken unserer Bauern ausgetragen werden. Viertens: Weiterbildung und Beratung für Landwirte Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. zu den Themen Biodiversität und Insektenschutz. Schwe- den und Dänemark haben dies beispielhaft vorgemacht. (Beifall bei der AfD) Beide Länder haben eine 50-prozentige Pestizidreduk- tion erzielt durch die Prinzipien Fordern und Fördern. Vizepräsidentin Claudia Roth: Gefördert wird eine fachliche Beratung – die wünschen Ich sage es noch mal: Die Redezeiten sind fünf Minu- wir uns auch –, und fnanziert wird sie über eine Pestizid­ ten. Das war deutlich überzogen. Ich bitte Sie herzlich, abgabe. sich daran zu halten. Ich habe bisher nicht den Ton abge- Fünftens. Die neue Düngeverordnung ist ein wichtiger schaltet; aber ich werde es ab jetzt tun. Schritt, um überhöhte Nährstofeinträge in Luft, Boden (Rainer Spiering [SPD]: Das ist jetzt aber und Wasser zu senken. Überdüngte Flächen sehen wir eine Benachteiligung!) als weiteren Faktor für den Artenverlust an. Wir wollen keinen Gülleimport aus den Niederlanden, der auf unse- Rita Schwarzelühr-Sutter für die Bundesregierung ist ren Flächen zu erhöhten Nitratgehalten im Grundwasser die nächste Rednerin. geführt hat. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. (Beifall bei der AfD) Dr. Klaus-Peter Schulze [CDU/CSU]) Nicht umsonst hat uns dieses Thema ein Strafverfahren Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei bei der EU eingebracht. der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nu- Sechstens. Wir setzen uns für eine fächengebundene kleare Sicherheit: Tierhaltung in kleinen und mittleren Betrieben ein. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immerhin ein Vorteil, dass alle in der Zwischenzeit Gesunde Landschaften sind für alle Menschen wichti- erkennen, in welchem Zustand unsere biologische Viel- ge Erholungsräume. Das Heimatgefühl vieler Menschen falt ist, dass dieser Zustand besorgniserregend ist und macht sich an den Dörfern und Landschaften ihrer Kind- dass wir unser Augenmerk vor allem auf unsere Agrar- heit fest. Wir müssen jetzt handeln. Unsere Agrarpoli- landschaft legen sollten. (B) tik wird auf EU-Ebene, wie ich meine, unbefriedigend (D) verwaltet. Für die Landwirte sind sowohl die Anträge Wir sehen ein dramatisches Insektensterben mit fata- auf Fördergelder als auch die Umsetzung der Maßnah- len Konsequenzen auch für die Landwirtschaft. Alleine men mittlerweile zu kompliziert. Teilweise nehmen sie Wild- und Honigbienen sichern mit ihrer Bestäubungs- aus diesen Gründen an den Fördermaßnahmen gar nicht leistung jährlich Lebensmittel im Wert von immerhin mehr teil. 500 Milliarden Euro weltweit. Vermutlich sind das die am meisten unterschätzten Tiere. Darum arbeiten wir Vizepräsidentin Claudia Roth: jetzt zum Beispiel an der Abstimmung der Eckpunkte Denken Sie bitte an Ihre Redezeit? zum „Aktionsprogramm Insektenschutz“. Bundesum- weltministerium und Bundeslandwirtschaftsministerium haben auch das Thema Ackergifte im Visier, Stichwort Franziska Gminder (AfD): „Glyphosatausstieg“. Noch wichtiger sind in diesem Zu- Die Unterstützung der Landwirte und der Umwelt- sammenhang die Gemeinsame Agrarpolitik in der EU, schutz sind heute zwei Ziele, für die es jetzt die Weichen kurz: GAP, und die Frage, wie sie nach 2020 aussehen zu stellen gilt. Die Pressemitteilung der EU-Kommission wird. Allerdings kann ich Ihnen sagen: Wir im BMU sind vom 1. Juni spricht zwar von mehr Subsidiarität der Mit- nicht so besonders glücklich bzw. wir sehen schon, dass gliedstaaten, allerdings kann ich das nicht erkennen. da noch ein großer Verbesserungsbedarf besteht. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Das ganze System muss dringend verändert werden. Vor- DIE GRÜNEN) schläge dafür habe ich genannt. Die Kommission ist ursprünglich mit einem wirklich guten Vorsatz ins Rennen gegangen. Sie wollte deutlich Vizepräsidentin Claudia Roth: machen, dass öfentliche Gelder einen gesellschaftlichen Würden Sie bitte an Ihre Redezeit denken? Mehrwert erbringen müssen. Das Ergebnis selber ist, wie gesagt, verbesserungsbedürftig. Es darf jetzt nicht die Chance vertan werden, dafür zu sorgen, dass sich um- Franziska Gminder (AfD): weltgerechtes Wirtschaften für die Landwirtinnen und Ja, mache ich sofort. Letzter Satz. Landwirte lohnt. Von Deutschland wird jetzt erwartet, dass wir uns in den GAP-Verhandlungen für mehr Um- Vizepräsidentin Claudia Roth: welt- und Klimaschutz starkmachen – ich sage es aus- Nein, Sie sind jetzt fertig. drücklich –, nicht allein aus Umwelt- und Klimaschutz- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3651

Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (A) gründen, sondern vor allem auch zugunsten unserer Ein umweltpolitischer Unterbietungswettbewerb ist (C) Bäuerinnen und Bauern. wirklich das Letzte, was wir und auch die Landwirtinnen und Landwirte brauchen, schon gar nicht hier in Deutsch- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. land. Dr. Klaus-Peter Schulze [CDU/CSU]) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Die Gemeinsame Agrarpolitik muss zwei Dinge leis- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des ten: Abg. Dr. Klaus-Peter Schulze [CDU/CSU]) Erstens muss sie dafür sorgen, dass Landwirtinnen Denken wir zum Beispiel an die jetzt in der ersten und Landwirte ein auskömmliches Einkommen haben. Säule eingeführten freiwilligen Umweltmaßnahmen, Und natürlich muss gelten: öfentliches Geld für öfent- die sogenannten Eco-Schemes. Für diese sind weder ein liche Leistungen. Anders lässt sich der Einsatz von Steu- Mindestbudget noch inhaltliche Vorgaben vorgesehen, ermitteln nicht rechtfertigen. Da bedarf es auch Pfichten und es steht den Mitgliedstaaten frei, zu entscheiden, ob und sinnvoller Anreize für die Empfänger der Mittel. sie sich beim Naturschutz ernsthaft anstrengen wollen Zweitens muss staatliche Förderpolitik dafür sorgen, oder nicht. dass ausreichende Finanzmittel für öfentliche Güter Ähnlich problematisch sieht es beim Greening aus. bereitgestellt werden. Aus diesem Grund plädiert das Bisher erhalten Landwirte 30 Prozent ihrer Direktzah- Bundesumweltministerium schon seit langem für einen lungen dann, wenn sie konkrete zusätzliche Umwelt- eigenen EU-Naturschutzfonds. Dem ist die Kommission leistungen erbringen, also zum Beispiel für den Erhalt leider nicht gefolgt. Das bedeutet, dass die Naturschutzf- von Wiesen und Weiden oder den Anbau vielfältiger nanzierung nun weiterhin aus den Finanztöpfen einzelner Feldfrüchte. Ich glaube, das ist gerade in Regionen wie Sektoren kommt, insbesondere aus der GAP. Baden-Württemberg, die topografsch manchmal recht schwierig sind, ein wichtiger Bestandteil des Einkom- Die aktuellen Vorschläge der Kommission sehen lei- mens. Die Greening-Mittel in Höhe von 30 Prozent der der weder die richtige Mischung aus Pfichten und An- Direktzahlungen sollen nach den Plänen der Kommissi- reizen für ökologische Leistungen vor, noch sehen sie on wegfallen und durch strenge Umweltanforderungen ausreichende Mittel vor. Schon die Vorlage des mehr- für 100 Prozent der Direktzahlungen ersetzt werden. jährigen Finanzrahmens Anfang Mai war eigentlich eine Liebe Kolleginnen und Kollegen, da muss man wirklich Enttäuschung; denn ambitionierten Umwelt-, Natur- und gucken: Wie sehen diese strengen Umweltanforderungen Klimaschutz kann es nicht mit weniger Mitteln geben. aus? Wie werden sie künftig von den einzelnen Mitglied- Die erste Säule mit ihren Direktzahlungen bleibt quasi staaten selbst defniert? Auch hier droht ein Unterbie- (B) ungeschoren, obwohl sie inefektiv und inefzient aus- tungswettbewerb. Das ist sicherlich nicht förderlich für (D) gestattet ist. Das sage nicht nur ich; das sagen vor allem den Zusammenhalt in Europa und für eine höhere Akzep- auch der Europäische Rechnungshof und der Wissen- tanz in diesem Bereich. schaftliche Beirat für Agrarpolitik des Bundeslandwirt- Glücklicherweise gibt es hierzu eine Alternative: Er- schaftsministeriums. halten wir lieber den bisherigen Anteil der Greening-Mit- Vollkommen unverständlich ist für uns, dass der Rot- tel von 30 Prozent in der ersten Säule. Damit könnten wir stift ausgerechnet bei der zweiten Säule angesetzt wurde, in Zukunft freiwillige Umweltmaßnahmen der Landwirte über die Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen gezielt fnanzieren. gefördert werden. Das ist so eigentlich nicht zustim- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mungsfähig. NEN]: Jetzt müssen Sie noch sagen, wann Sie (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sich mit Frau Klöckner einigen, damit wir wis- DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten sen, was Sache ist!) Tackmann [DIE LINKE] – Katrin Göring-­ – Frau Künast, unsere beiden Häuser haben ihre Positi- Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da onen. Ich habe diese Woche schon mal bei einer Veran- sind wir ja gespannt, was dabei herauskommt!) staltung gesagt: Ich bin zuversichtlich, dass die Frauen Die zweite Säule ist unser zentrales Finanzinstrument untereinander einen guten Dialog pfegen und am Ende im Bereich der biologischen Vielfalt. Hier brauchen wir des Tages versuchen, eine gute Lösung hinzukriegen, um mehr und nicht weniger Mittel. gemeinsam auf EU-Ebene wirklich was zu erreichen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Und noch ein grundsätzlicher Kritikpunkt an den Vor- sowie der Abg. Marianne Schieder [SPD]) schlägen der Kommission: Sie möchte die konkrete Aus- gestaltung ihrer Förderpolitik weitgehend den Mitglied- Am Ende zählt das, was wir in Brüssel erreichen. staaten überlassen, gibt aber dabei keine ambitionierten Standards vor. Das führt am Ende unweigerlich zu Um- Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben im Koali- weltdumping: Wer die geringsten Umweltstandards hat, tionsvertrag verabredet, dass wir uns in der EU für mehr der hat den größten Wettbewerbsvorteil. Das kann ei- Mittel für den Naturschutz einsetzen. Ich gehe jetzt davon gentlich keine nachhaltige Landwirtschaft sein. aus, dass das, wenn wir als beteiligte Ressorts miteinan- der verhandeln, wenn wir uns abstimmen, auch das Ziel (Beifall der Abg. Dr. Bettina Hofmann ist. Ich weiß, dass auch das Bundeslandwirtschaftsminis- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) terium für eine stärkere Honorierung der Umwelt- und 3652 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (A) Klimaleistungen in der GAP ist. Wie gesagt, wir haben und vieles mehr; Sie kennen das alles. Doch viel zu oft (C) eine sehr heterogene Landwirtschaft in Deutschland, und ist die starre Bürokratie dafür verantwortlich, dass die wir haben den Ansatz einer nachhaltigen Landwirtschaft. Freiheit der Landwirte bei der Umsetzung eingeschränkt Da gehört das einfach mit dazu, und genau für das wer- wird. Wenn ich als Landwirt wegen Lappalien Sanktio- den wir jetzt kämpfen. nen befürchten muss, dann entscheide ich mich als Prak- tiker besser für den sichereren Weg, und das ist schade; Herzlichen Dank. denn das ist nicht immer der nachhaltigere. Deshalb den- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ke ich: Wir brauchen mehr Freiheit bei der Umsetzung der CDU/CSU) von einzelnen Maßnahmen und müssen auch standortge- rechte Maßnahmen entwickeln. Vizepräsidentin Claudia Roth: (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Hermann Vielen Dank, Frau Schwarzelühr-Sutter. – Nächste Färber [CDU/CSU]) Rednerin: Carina Konrad für die FDP-Fraktion. Die Vielfalt, die fehlt mir ganz oft auch in der aktuel- (Beifall bei der FDP) len Debatte; denn wir reden über einen großen Komplex. Wenn wir über Biodiversität reden, reden wir nämlich Carina Konrad (FDP): nicht nur über Schlagworte wie Ihren Insektenschutz, Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle- sondern wir reden auch über Boden, über das Leben im ginnen und Kollegen! Liebe Ministerin, liebe Staatsse- Boden, in der Luft, im Wasser, unter der Wasseroberfä- kretärin, vielen Dank, dass Sie beide heute hier sind. Das che. zeigt, dass wir den ernsthaften Versuch unternehmen, Die Intensität und die Härte, mit der hier manchmal über dieses wirklich komplexe und auch wichtige The- diskutiert wird und mit der auch unter dem Schlagwort ma für die Zukunft der ländlichen Räume und der Land- „Insektensterben“ diskutiert wird, hat ganz fatale Fol- wirtschaft in Deutschland miteinander zu reden und nicht gen. Wenn Kinder in der Schule gemobbt werden, weil übereinander. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich. ihre Eltern Landwirte sind, ist das inakzeptabel. Wenn Es ist deutlich geworden: Niemand ist überglücklich Berufsschüler, die Landwirtschaft lernen, in Berufsschu- über die vorliegenden Vorschläge der EU-Kommission. len dafür kritisiert werden, dass sie diesen wunderbaren Auch ich bin enttäuscht darüber, dass ausgerechnet in der Beruf erlernen, dann erleben wir eine Verrohung der De- zweiten Säule so stark gekürzt werden soll; denn efzi- batte, die wir nicht mehr hinnehmen können. enter Umwelt- und Naturschutz und auch Klimaschutz – (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten darum soll es heute in der Aktuellen Stunde, die Sie be- der CDU/CSU) (B) antragt haben, gehen – sieht in der Magdeburger Börde (D) anders aus als zum Beispiel bei uns im Mittelgebirge in Das führt dazu, dass sich Hoftore für immer schließen. Rheinland-Pfalz. Das hängt an Betriebs- und Flächen- Wenn ein Landwirt keinen Nachfolger mehr fndet, dann strukturen. Deshalb brauchen die Länder einen eigenen ist das eine Form von Artensterben, die wir verdammt Spielraum und kein starres Konzept. ernst nehmen müssen. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Frau Ministerin, Sie haben in der Presse von Licht und Was ich heute vermisst habe, auch gerade vonseiten Schatten in dieser Diskussion gesprochen. Ich will einen der Grünen – das fand ich wirklich schade –, sind Vor- neuen Aspekt hineinbringen. Wir Freie Demokraten se- schläge, wie wir dieses Dilemma aufösen können, wie hen auch Chancen in den vorliegenden Vorschlägen. Al- wir mehr Leistungen erbringen und Ökonomie und Öko- lerdings muss man schon sagen: Gesetze und Aufagen logie – darum geht es schließlich – in Einklang bringen und auch Vorgaben haben wir bereits genug. Der Büro- können. Ich will ein paar Vorschläge machen, wie das kratieaufwuchs, der zu befürchten ist, ist für viele Land- gelingen kann. wirte ein großes Problem. In meinen Augen sind gerade junge Landwirte der Ideenmotor. Sie sind gut ausgebildet. Deshalb ist es mir In dem Wort „Landwirtschaft“ steckt ein ganz ent- besonders wichtig, dass wir diese Gruppe fokussieren. scheidendes Wort, nämlich „Wirtschaft“. Landwirte ha- ben auch Sorgen und Nöte und müssen von ihrer Hände Neue Technologien – davon werden wir nachher be- Arbeit leben können. Landwirte sind übrigens wie alle stimmt noch viel hören – können gerade zum Umwelt- Naturbewirtschafter für mich der Schlüssel für die Um- und Naturschutz einen großen Beitrag leisten. Denken setzung von Naturschutz, aber auch für die Ernährungs- Sie nur an moderne Pfanzenschutzspritzen, die Unkraut sicherung; das wird in der Debatte ganz gern vergessen. in Zukunft sensorgesteuert zielgenau dort behandeln können, wo es steht. Dafür brauchen wir die politischen (Beifall bei der FDP) Voraussetzungen; das ist uns allen bewusst. Wir müssen das in Einklang bringen: auf der einen Seite Der Zulassungsstau bei Pfanzenschutzmitteln muss die Ernährungssicherung, auf der anderen Seite den Res- aufgelöst werden; denn wir brauchen neue und innova- sourcenschutz. tive Produkte. Und um den kooperativen Natur- und Um- Einkommenssicherung der Bauern ist schon jetzt mit weltschutz und auch den Schutz der Insekten, den Schutz Umweltaufagen verbunden: vielfältige Fruchtfolgen, vieler Arten voranzubringen, braucht es vor allen Dingen Leguminosen, Erhalt von Dauergrünland, Blühstreifen Geld. Das ist nicht wegzudiskutieren. Ziel muss nämlich Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3653

Carina Konrad (A) sein, dass sich die Leistungen, die Landwirte erbringen, Deshalb wollen wir die Landwirtschaft strategisch wie- (C) für sie auch lohnen. der am Gemeinwohl orientieren. Linker Maßstab ist: Man muss von landwirtschaftlicher Arbeit auch dann le- Was es in meinen Augen ganz zentral braucht – und ben können, wenn man Mensch und Natur mit Respekt damit komme ich auch zum Ende, Frau Präsidentin –, ist, behandelt. die Akteure, die auf vielen Ebenen unterwegs sind – die Landwirte, die Wissenschaft, die Praxis und die vielen (Beifall bei der LINKEN) guten Initiativen –, zusammenzubringen und zu vernet- zen. Dazu gehört auch, die Politik in Ländern, wo gute Diesem Anspruch werden die Vorschläge der EU-Kom- Dinge stattfnden, mit anderen zu vernetzen, sodass wir mission leider nicht gerecht; dabei geht es doch wirklich insgesamt voneinander proftieren können; denn unser um Weichenstellungen für das nächste Jahrzehnt. Ziel muss es sein, das Thema voranzubringen und es Aber auch der Titel der Aktuellen Stunde der Grünen nicht immer in den Debatten klein- und schlechtzureden. heute ist durchaus „unterkomplex“, um es vorsichtig zu Vielen Dank. sagen. Natürlich wollte und will Die Linke, dass mehr Arten-, Natur- und Insektenschutz Voraussetzung für (Beifall bei der FDP) die Förderungen ist. Das leistet der Kommissionsvor- schlag nur bedingt. Außerdem gibt es sehr viele krypti- Vizepräsidentin Claudia Roth: sche Formulierungen und Entscheidungsspielräume, die Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin: eine Bewertung relativ schwer machen. Dass der Klima- Dr . Kirsten Tackmann für die Fraktion Die Linke. schutz in Ihrem Titel gar nicht vorkommt, ist schon ein bisschen verwunderlich, dass er aber die soziale Frage in (Beifall bei der LINKEN) der Agrarpolitik völlig ausblendet, lässt dann doch tief blicken. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Leider ist dieses Thema auch in der europäischen und Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! deutschen Agrarpolitik unterbelichtet. Deswegen wird Liebe Gäste! Frau Ministerin, ich fnde es durchaus wich- Die Linke zum Beispiel weiter für eine Weidetierprämie tig, jetzt über die Vorschläge zur EU-Agrarpolitik nach kämpfen. Ja, das wäre eine Ausnahme von dem Dogma, 2020 zu diskutieren, auch wenn ich, ehrlich gesagt, den- Fördergelder nicht mehr an die Produktion zu koppeln. ke: Viele Dinge kann man gar nicht abschließend bewer- Aber sie ist berechtigt. Andere Mitgliedstaaten nutzen ten; denn da ist so viel Spielraum. Aber viele Landwirt- diese Option. Wir verlieren gerade viele Schäfereien, die schaftsbetriebe und Dörfer brauchen dringend bessere aufgrund der prekären sozialen Situation aufgeben müs- Unterstützung. Ihre Lage ist so ernst, dass ich sage: Es (B) sen oder keinen Nachfolger fnden, wodurch ihr unver- (D) geht eben nicht nur um Umsteuern und Nachsteuern, son- zichtbarer Beitrag zum Grünlanderhalt, zum Deich- und dern tatsächlich darum, Landwirtschaft neu zu denken. Naturschutz oder zur Kulturlandschaftspfege gefährdet (Beifall bei der LINKEN) ist. Ich fnde, das können wir nicht zulassen. Aus Sicht der Linken ist die EU-Agrarpolitik nämlich (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- sowohl sozial als auch ökologisch regelrecht gescheitert, NIS 90/DIE GRÜNEN) und vor allem ortsansässige Landwirtschaftsbetriebe, die Der Verweis auf die sogenannte zweite Fördersäule ist Dörfer und die Natur müssen das ausbaden, und ich fn- hier aus meiner Sicht nicht angebracht; denn sie erreicht de, das geht so nicht. nicht alle, und außerdem ist sie nur eine Aufwandsent- (Beifall bei der LINKEN) schädigung. Hier wird aber zusätzliche Hilfe gebraucht, und deswegen muss sie schnell kommen. Ja, das Ziel der Lebensmittelversorgung wird erfüllt, oft sogar weit über den Bedarf hinaus. Zusätzlich werden (Beifall bei der LINKEN) erneuerbare Energien von der Landwirtschaft produziert. Berechtigt kritisiert wird auch, dass Fördergelder oft Das Problem ist aber, dass sie damit immer mehr zur gar nicht in den Landwirtschaftsbetrieben bleiben, son- möglichst billigen Rohstofieferantin degradiert wird. dern zum Beispiel über explodierende Bodenpreise in Sie wird ft gemacht für einen Weltagrarmarkt, für den andere Taschen umgeleitet werden. Ja, das ist inakzepta- soziale und ökologische Leistungen nur Kostenfaktoren bel. Aber dagegen hilft eben nicht die pauschale Kritik an sind. Die Profte gehen an übermächtige Schlachthof-, ostdeutschen Agrarbetrieben. Wer das ändern will, muss Molkerei- und Supermarktkonzerne, während immer den Bodenmarkt besser regulieren. Landwirtschaftsfrem- weniger von landwirtschaftlicher Arbeit wirklich leben des Kapital muss vom Bodenerwerb ausgeschlossen wer- können. Derweil zieht landwirtschaftsfremdes Kapital den, aber eben auch von der Agrarförderung. Warum sol- längst auf der Suche nach den Opfern dieses Dumping- len wir Heuschrecken mit Steuergeldern füttern, die ohne wettbewerbs durchs Land und macht fette Beute. Verankerung vor Ort sind, auf Kosten von Menschen und Unter diesen Bedingungen wird übrigens auch die Natur leben und weiterziehen, wenn ihre Renditeerwar- Junglandwirteförderung schnell zur Farce. Deshalb geht tungen nicht erfüllt werden? es eben nicht nur um Symptomlinderung durch bessere Auch bei den Geldern für die Agrarpolitik müssen die Agrarfördersysteme, sondern um ein krankes System, Dörfer viel mehr in den Blick genommen werden. Wenn aus dem wir dringend aussteigen müssen. Dorf und Landwirtschaft wieder gemeinsam gedacht (Beifall bei der LINKEN) werden, proftieren doch beide. Das muss endlich bes- 3654 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Kirsten Tackmann (A) ser gelingen. Dass ausgerechnet hier die Mittel drastisch die Ziele der EU zum Schutz des Klimas, der Natur und (C) gekürzt werden sollen, ist absolut inakzeptabel. Der er- der Artenvielfalt zu erreichen. hebliche Handlungsbedarf ist ofensichtlich. Es steht im Grundgesetz, dass wir gleichwertige Lebensbedingungen Allerdings müssen diese Leistungen dann auch be- sichern müssen; die Ministerin hat darauf verwiesen. Wir zahlt werden. Jährlich geben allein in Deutschland müssen das ernst nehmen. Es ist Chefnnensache – davon 7 000 Landwirte ihre Höfe auf. Sie geben nicht deshalb gehe ich aus –, und die anderen Ressorts müssen helfen. auf, weil sie nicht genügend für die ökologische Vielfalt tun wollten, sondern, weil dieser Beruf – Frau Tackmann Eine letzte Hausaufgabe von uns Linken: Agrargelder hat es schon angeführt am Beispiel der Wanderschäfer – dürfen nicht länger nur in den Taschen von Männern lan- oftmals keine Perspektive mehr bietet. Zum einen stehen den. die Landwirte immer mehr am öfentlichen Pranger, zum (Beifall bei der LINKEN) anderen haben sie aber auch erhebliche fnanzielle Pro- bleme. Wir brauchen endlich eine geschlechtergerechte Agrar- politik. Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele. Wenn man hört, Vielen Dank. dass beim Landwirt für 1 Kilo Brot gerade einmal 18 Cent ankommen, für ein Schweinekotelett von 200 Gramm (Beifall bei der LINKEN) gerade einmal 21 Cent, für ein Glas Milch 0,09 Cent und für eine Kartofel 0,02 Cent, dann wird vielleicht nach- Vizepräsidentin Claudia Roth: vollziehbar, dass mit diesem Geld die Lebensmittel allein nicht produziert werden können und dass andere Finan- Vielen Dank, Dr. Tackmann. – Nächster Redner in der zierungsquellen erforderlich sind. Debatte: Hermann Färber für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte noch einmal betonen: Die Landwirtschaft Hermann Färber (CDU/CSU): ist bereit, die Natur zu schützen. Es hat kein Landwirt Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und ein Problem damit, wenn Beikräuter, wenn Wildblumen Herren! Die Direktzahlungen der Gemeinsamen Agrar- in seinem Acker stehen. Aber wenn er dann den Weizen politik machen circa 40 Prozent des Einkommens land- nach der Ernte in die Mühle bringt und der Müller ihm wirtschaftlicher Betriebe aus; auch das muss einmal ge- einen Haufen Geld abzieht, weil er gerade diese Wildblu- sagt werden. Damit erhalten rund 4 Millionen Landwirte men nicht in dem Mehl haben will, weil der Verbraucher (B) in 18 Mitgliedstaaten eine fnanzielle Unterstützung für diese Stofe von diesen Blumen nachher nicht im Brot (D) ihre Arbeit, nämlich zum einen für die Herstellung ge- haben will, dann hat der Landwirt ein Problem. sunder und sicherer Lebensmittel, zum anderen aber auch für Leistungen, die über den Preis für Lebensmittel Ein anderes Beispiel aus meinem Wahlkreis: Wir ha- nicht abgegolten werden: die Erhaltung der Kulturland- ben Landwirte, die sehr viele Flächen mit FFH-Wiesen – schaft, die Ofenhaltung der Landschaft und so auch die Flora-Fauna-Habitat-Wiesen – bewirtschaften und jetzt Erhaltung unserer geliebten Heimat. Dafür bekommen nach rund zehn Jahren der Bewirtschaftung vor der Situ- sie dieses Grundeinkommen, ohne das ein Landwirt ation stehen, dass sie einen Anteil von 16 Prozent Herbst- kaum überleben könnte. zeitlosen im Futter haben. Sie dürfen dieses Futter auf- grund der hohen Giftigkeit der Herbstzeitlosen gar nicht Die Direktzahlungen sind eine Einkommensunter- mehr an ihre Tiere verfüttern, sondern müssen das Heu stützung. Wofür sie aber nicht gedacht sind, ist eine im Müllheizkraftwerk entsorgen. Frau Schwarzelühr-­ ausschließlich Finanzierung von Umweltpolitik. Bereits Sutter, ich lade Sie gerne mal in meinen Wahlkreis ein. heute sind 30 Prozent der Zahlungen an sehr strenge Auf- lagen gekoppelt, die zur Biodiversität beitragen und dem Wir müssen den Landwirten eine Antwort geben können; Umweltschutz dienen. Diese Zahlungen werden gekürzt, die können wir in dieser Situation nicht alleinlassen. wenn gegen die Aufagen verstoßen wird. Das beste Bei- (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. spiel ist der Blühstreifen am Ackerrand: Wenn er zu sch- Carina Konrad [FDP]) mal, aber auch wenn er zu breit ist, wird der Landwirt mit Abzügen bestraft. Wir dürfen im Zusammenhang mit den Agrarzahlun- Für die Zukunft sehen die Pläne der Kommission vor, gen nicht allein auf die Landwirte schauen, sondern müs- dass die Direktzahlungen zu 100 Prozent an die Erfül- sen die ganze Kette in die Verantwortung nehmen – vom lung von Umweltmaßnahmen gebunden sind, und auch Landwirt über den Verwerter, den Verarbeiter, den Han- die Naturschutzaufagen sollen weit über den jetzigen del bis zum Verbraucher. Jeder kann und muss in seine Standards liegen. Pficht genommen werden. Gleichzeitig – das muss man an dieser Stelle dazusa- Meine Damen und Herren, ich sehe, dass sich meine gen – werden aber die GAP-Mittel gekürzt. Allein für Redezeit dem Ende neigt. Deutschland stehen künftig rund 380 Millionen Euro we- niger zur Verfügung. Keine Frage: Landwirte tragen im (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Umgang mit der Natur eine besondere Verantwortung. NEN]: Dann machen Sie doch einfach Sie sind auch gerne bereit, Maßnahmen zu ergreifen, um Schluss!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3655

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: Scheibe, wenn dies Ihr grünes ideologisches Weltbild (C) Genau. rechtfertigt. (Marianne Schieder [SPD]: Also von Ideolo- Hermann Färber (CDU/CSU): gie versteht die AfD am meisten!) Mein Wunsch wäre, dass sich all jene, die mittlerwei- le mit irgendwelchen Methoden versuchen, in die Töpfe Kommen wir aber zu den Fakten. Nun eröfnen wir der Agrarhaushalte zu greifen, selber Gedanken darü- mal das Öko-Bullshit-Bingo der Grünen, meine Damen ber machen, was sie beitragen können. Ich würde mir und Herren, und ihrer angeschlossenen Propagandaabtei- wünschen, dass die Umweltorganisationen aller Art, die lung der Deutschen Umwelthilfe und stark besetzter Teile sich an der Diskussion beteiligen, sich selber Gedanken des Umweltbundesamtes. Das ist das neue Mantra. Das machen, ob sie den Landwirten nicht von sich aus etwas haben Sie – da können Sie abwinken – in dem Thema der anbieten können, zum Beispiel kooperative Verträge zum Aktuellen Stunde schon genannt. Die neue Knebelungs- Schutz der Vielfalt. ofensive, die Sie gerade starten und die wahrscheinlich Landwirte und weite Teile der deutschen Wirtschaft be- zahlen dürfen, ist das sogenannte Insektensterben. An- Vizepräsidentin Claudia Roth: geblich gehen 75 Prozent der Biomasse verloren. Herr Färber. (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Da haben Sie bei Ihrer Fraktions- Hermann Färber (CDU/CSU): kollegin aufgepasst! – Oliver Krischer Ich bin sofort fertig. – Ich hätte mir sehr gewünscht, [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Frak- dass anstelle der Veröfentlichung von Bauernregeln das tionskollegin hat das beklagt! – Dr. Matthias Umweltministerium vermehrt die Kooperation mit den Miersch [SPD]: Das hat doch eben Ihre eigene Landwirten gesucht hätte. Kollegin gesagt!) Vielen Dank. Ja, wir können sehen, dass Insekten zurückgehen, aber (Beifall bei der CDU/CSU) die Studien, meine Damen und Herren von den Grünen, auf die Sie sich dort stützen, die sind hoch fragwürdig und werden von vielen Wissenschaftlern infrage gestellt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Der Schuldige in Ihrem grünen Quiz – das hat die grüne Nächster Redner: Kay Gottschalk für die AfD-Frak- Hochjury schon festgestellt – ist die Landwirtschaft. Un- tion. verständlich dabei ist, dass die Grünen nicht sofort auf (B) ihrer ofenen Hofreiter-Propagandaskala den Klimawan- (D) (Beifall bei der AfD) deljoker ziehen, (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Kay Gottschalk (AfD): NEN]: Jetzt holen Sie mal Luft, sonst ersti- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ste- cken Sie noch an Ihrem Blödsinn!) hen zu den Kleinbauern und den mittleren bäuerlichen Betrieben in Deutschland. wobei ja nur 2,23 Prozent der Kohlendioxidstofe aus Deutschland stammen. Retten wir also das Weltklima mit (Rainer Spiering [SPD]: Herzlichen Glück- diesem Anteil. wunsch!) Und weiter im grünen Umweltlotto. Es hätte vielleicht Was Sie hier heute alles beklagen, haben Sie in den letz- auch der Feinstaub und der damit verbundene Individual- ten 20 Jahren durch Ihre Politik zu verschulden. Insofern verkehr sein können; Schife und LKWs zählen ja für alle ist das ein Riesenkatzenjammer, den Sie hier vom Zaune hier im Hause von den anderen Parteien anscheinend gar brechen, meine Damen und Herren. nicht mehr mit rein. Aber diesen Joker haben Sie wahr- (Beifall bei der AfD) scheinlich deshalb nicht gezogen, weil Ihre Propaganda hier schon so gut wirkt, dass Medien wie auch die GroKo Frau Gminder hat es auf den Punkt gebracht: Fördern und Fordern. Wir brauchen diesen ganzen EU-Überstaat (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sagt nicht und die Bandbreiten von irgendwelchen Grünstrei- der Propagandist!) fen. Egal ob Bauern, Ärzte, Apotheker – sie können alle in weiten Teilen auf das Diesel-Bashing eingestiegen Berufsgruppen in Deutschland nehmen –: Mit Ihrem sind. EU-Wahnsinn treiben Sie alles auf die Spitze. (Marianne Schieder [SPD]: O wei, o wei!) (Beifall bei der AfD) Für die wahren Populisten hier im Saal schaue ich – Da können Sie hier auch meckern. Herrn Hofreiter und seine Kollegen an. Sie haben be- (Marianne Schieder [SPD]: Die Flüchtlinge schrieben, dass das Klima schon so sehr vergiftet ist, dass fehlen noch!) Bauern sich rechtfertigen müssen. Das rührt vielleicht auch daher, dass Sie die Fakten leugnen. Herr Hofreiter, Dies basiert wohlgemerkt darauf, dass Sie sich auf eine für Sie wäre die Welt doch wahrscheinlich noch eine hochgradig unseriöse Studie stützen, deren wissenschaft- 3656 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Kay Gottschalk (A) liche Validität von vielen Wissenschaftlern – ich meine ihrer ­Scholle umgehen; denn die kleinen Betriebe vor (C) die „Krefelder Studie“ – abgelehnt wird. Ort, die dort verwurzelt sind, werden dies leisten. (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der AfD) NEN]: Kommen Sie wieder zurück zum The- Alles andere ist grüner Verteilungssozialismus, und den, ma!) meine Damen und Herren, lehnen wir ab. Nun muss man sich tatsächlich fragen, warum man Danke schön. – Ich war auch in der Zeit. den Münchhausens der Grünen überhaupt noch Glauben schenkt. Ihre Glaubwürdigkeit ist doch schon seit den (Beifall bei der AfD – Dr. Kirsten Tackmann 80er-Jahren diskreditiert, als Sie das sogenannte Wald­ [DIE LINKE]: Propaganda!) sterben zum Mantra erhoben haben. (Beifall bei der AfD – Dr. Vizepräsidentin Claudia Roth: [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit den Nächster Redner: Rainer Spiering für die SPD-Frak- 50er-Jahren!) tion. Da haben auch große Teile des „Spiegels“ mitgemacht, (Beifall bei der SPD) ich kann mich noch daran erinnern, wie dort die Propa- ganda lief. Sie haben Hügel des Schwarzwalds gezeigt, Rainer Spiering (SPD): entlaubt und ohne Bäume und behauptet, Deutschland Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! würde im Jahre 2000 eine Wüste sein. Wir sehen eine Phil Hogan hat einen Vorschlag gemacht, wie sich die Wüste in Deutschland. Wir sehen, wie die Wälder und zukünftige EU-Agrarpolitik ausgestalten soll. Das war auch die Robben gestorben sind. Diese linke Propaganda noch nicht das Wort zum Sonntag; deswegen würde ich hat Methode, nehmen wir „GLOBAL 2000 – Der Bericht auch einmal mit den Emotionen ein bisschen runterkom- an den Präsidenten“. men. Das heißt, wir haben jetzt Zeit, über diese ganze Kommen wir zu den eigentlichen Fakten. Frage zu diskutieren. Diese Zeit sollten wir auch nutzen. Eine der Fragen, die er genannt hat, war: Wie wollen wir (Lachen bei der SPD, der FDP, der LINKEN im Rahmen des Wirtschaftens mit Boden, Luft und Was- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ser umgehen? Ich fnde, das ist eine gute Frage, und der – Sie lachen über sich selbst. Das ist insoweit sehr ver- sollten wir uns doch auch stellen wollen. räterisch. Heute Morgen war ich mit Kolleginnen und Kollegen bei der Leibniz-Gemeinschaft. Dort fand eine Veranstal- (B) Subventionen sind immer ein massiver Eingrif in die (D) Landwirtschaft. Man könnte auch sagen, sie sind eine Art tung zum Thema „Ressource Boden“ statt. Es ging – von negativer Zoll. Defnitiv sind sie aber sicher von hoch- der Leibniz-Gemeinschaft sehr gut organisiert – um die gradigem Protektionismus geprägt „Blackbox Boden“, und es wurde die Frage diskutiert: Was ist im Boden drin? Wir haben erfahren, dass die Mi- (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- krobiologie des Bodens deutlich vielfältiger ist als das, NEN]: Fakten!) was darüber ist. Ich fand das ausgesprochen spannend. Es hat mich aber auch betrofen gemacht. Als ein prak- und ein Grund, der vielleicht – ich persönlich hofe es tizierender Landwirt sagte: „Wir müssen den Boden in nicht – auch zu einem Handelskrieg mit den Vereinig- Ruhe lassen“, war ich wirklich irritiert. Ich fnde, dieser ten Staaten führt. Eines verursachen Subventionen auf Frage müssen wir uns stellen, und zwar – das sage ich jeden Fall – das haben wir heute gehört –: Abhängigkei- mit aller Betrofenheit und auch mit aller Vorsicht – jen- ten. Ebenso müssen Subventionen auch kritisch vor dem seits eigener Betrofenheit. Geschätzte Kollegin Konrad, Hintergrund der Überproduktion und einer Förderung ich kann Ihre Emotionen an dieser Stelle verstehen, aber der großen industriellen Agrarbetriebe gesehen werden. manchmal sind sie ein schlechter Ratgeber dafür, was Auch da haben Sie alle mitgemacht, und die sind haupt- man in der Politik tun sollte. sächlich – das klang in der Rede der Kollegin von der Linken an – verantwortlich für das, was passiert. Denn Entscheidend bei der GAP-Reform – und das sollten diese Überproduktion schwappt dann in den afrikani- wir auch nicht kleinmachen – ist der Versuch von Hog- schen Kontinent, führt dort zum Zusammenbruch land- an, in die Finanzierung der Fläche einzusteigen. Ich kann wirtschaftlicher Strukturen und raubt den betrofenen mich nicht erinnern, dass die Belohnung von Eigentum Ländern dort die Fähigkeit zur Eigenversorgung. Das ist in der Geschichte jemals etwas Sinnvolles ergeben hätte. leider auch eine unangenehme Seite Ihrer immer so ab- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gefeierten EU. DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, wenn Sie sich schon zu Sehen Sie das bitte einmal unter dem folgenden Aspekt: EU-Subventionen bekennen, dann lassen Sie uns bitte Wie kann sich etwas fortentwickeln, wenn etwas belohnt gemeinsam die kleinen und mittelgroßen Betriebe för- wird, was schon da ist? Das ergibt irgendwie keinen Sinn. dern. Wir wollen Bauern und keine Großfabriken. An- ders als die Grünen wollen wir es auch nicht unter fal- Im Rahmen der Direktzahlungen werden ungefähr sche Aufagen und Vorbehalte stellen. Lassen Sie die 400 Euro pro Hektar Land gezahlt, und die sind an die Bauern vor Ort durch Fördern und Fordern – wie es Frau Fläche gebunden. Lieber Hermann, du hast gesagt, das ­Gminder hier dargestellt hat – eigenverantwortlich mit wäre ein Teil des Einkommens in der Landwirtschaft. Der Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3657

Rainer Spiering (A) aktiven Landwirte? Ich habe mir das bei uns zu Hause bei Inklusion wieder ihren Stellenwert in der Gesellschaft (C) allen Betrofenen angeguckt. Ich kenne sie alle, und ich bekommt. Das gönne ich ihr von Herzen. weiß, wer von ihnen Land pachtet und wer Landeigen- Herzlichen Dank fürs Zuhören. tum hat. Derjenige, der am meisten bekommt, pachtet am meisten. Das heißt, er führt an andere ab. Damit wird also (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nicht der aktive Landwirt belohnt, sondern der Landwirt, der CDU/CSU) der sich zurückgezogen hat und seinen Grund und Boden als Reserve für sein Einkommen sieht. Ich fnde, damit Vizepräsidentin Claudia Roth: sollten wir uns einmal nüchtern auseinandersetzen. Vielen herzlichen Dank, Rainer Spiering. – Nächste (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Rednerin: Stef Lemke für Bündnis 90/Die Grünen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sollten das vor allen Dingen auch unter dem As- pekt betrachten, dass die EU aktive Landwirtschaft un- Stef Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): terstützen möchte. Das tun wir defnitiv nicht. Wir beloh- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und nen mit dem Geld Grund und Boden. Kollegen! Ich erlebe in dieser Debatte etwas, was ich nicht erwartet hatte, und zwar, dass sich die Parlamenta- Wenn ich das einmal tief auf mich wirken lasse, stel- rier aus den unterschiedlichen Fraktionen ofensichtlich le ich fest: Ich bekomme als Landwirt Geld für meinen stärker einig sind als das Landwirtschafts- und das Um- Grund und Boden. Das ist in Ordnung so; so wollen wir weltministerium. das per Grundgesetz. Aber wo steht in der europäischen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gesetzgebung geschrieben, dass nicht nur die Pacht ge- zahlt wird, sondern dass der Staat oder eine große Leis- Das will ich erst einmal konstatieren. tungsgemeinschaft darauf noch eine Verzinsung zahlt. Ich will als naturschutzpolitische Sprecherin meiner Wo soll das hinführen? Wenn ich die letzten 40 Jahre der Fraktion noch einmal mit ein paar Zahlen anfangen. Wir europäischen Agrarpolitik ein bisschen Revue passieren haben europaweit in den letzten Jahrzehnten 600 Mil- lasse, dann kann ich nicht erkennen, dass eine große In- lionen Vögel verloren. 42 Prozent der Insekten auf der novation dadurch entstanden ist. Roten Liste sind gefährdet bis ausgestorben. Auf den Quatsch, den die AfD hier erzählt hat, will ich nicht ein- Ich fnde, es lohnt sich, zu lesen, was Hogan möch- gehen, sondern nur so viel sagen: Das sind Zahlen des (B) te: Forschung, Technologie, Digitalisierung – Kollegin Bundesamtes für Naturschutz, das heißt regierungsamtli- (D) Konrad –, Klimaschutz, Ressourcenschonung – Wasser, che Zahlen, die bestätigt sind und die auch von Wissen- Böden, Luft –, Biodiversität und – ganz, ganz wichtig – schaftlern nicht bestritten werden. Beschäftigung, Wachstum, soziale Inklusion, sichere, nahrhafte, nachhaltige Lebensmittel. Bei aller strittigen (Beifall des Abg. Rainer Spiering [SPD]) Diskussion, die wir hier auch aus dem ökologischen Zen- Wir haben bis zu 75 Prozent der Insektenbiomasse, trum gehört haben, müssen wir einmal einen Schritt zu- also nicht der Arten, sondern der Menge an Insekten, ver- rückgehen und uns das anhören: Es geht auch um soziale loren. Ich weiß nicht, wie es Ihnen in den Wahlkreisen Inklusion und die Frage der Anerkennung von Landwirt- geht. Mir erzählen die Menschen jedenfalls immer: Ja, schaft. das stimmt; ich merke es an der Windschutzscheibe. Wenn wir unserer Landwirtschaft eine faire Chance ( [AfD]: Das ist Wissenschaft! geben wollen, würde ich das BMEL dringend dazu auf- Das ist wirklich Wissenschaft! Vielleicht, weil fordern, das, was an wissenschaftlichen Erkenntnissen es mehr Autos gibt!) bis jetzt geliefert worden ist, einmal aufzunehmen. Al- Das mag sehr subjektiv sein. Aber das Bundesumwelt- les, wovon ich bisher gehört habe, ob das von der Leib- ministerium hat das, was die Bürger, die Menschen in niz-Gemeinschaft oder vom Thünen-Institut usw. kommt, ihrem Umfeld ganz subjektiv wahrnehmen, inzwischen muss alles durch einen Bottleneck, also einen Flaschen- auch durch Zahlen bestätigt. hals, des Ministeriums und rutscht da leider nicht durch. Das können wir uns auf Dauer mit der deutschen Wis- 93 Prozent der Flüsse sind in keinem guten ökolo- senschaft und der deutschen Landwirtschaft nicht leisten, gischen Zustand, und bei 18 Prozent der Grundwasser- Kolleginnen und Kollegen. messstellen werden die Nitratgrenzwerte nicht eingehal- ten. (Beifall bei der SPD) (Carina Konrad [FDP]: Das stimmt nicht!) Hermann hat gemerkt, dass ich da Betrofenheit emp- Diesen Teil der Agrarreform hat Frau Klöckner, die jetzt fnde. Wir sind ein starker Wissenschaftsstandort. Wir leider nicht mehr hier ist, in ihrer Rede komplett ausge- können was. Wir müssen dann aber auch mit unserem blendet. Wenn wir uns nicht mit diesen Zahlen und die- Wissen die Landwirtschaft dahin bringen, dass sie im sen Fakten auseinandersetzen müssten, könnte ich die Sinne von Boden, Luft und Wasser leistet, was sie leisten Rede der Agrarministerin vielleicht akzeptieren, obwohl kann und auch leisten will, und im Rahmen von sozialer dann das Höfesterben, das Schrumpfen der Zahl der Bau- 3658 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Stef Lemke (A) ern, die sozialen Belange der Bauern immer noch nicht und die nicht der Zielerreichung dienen – dafür gibt es (C) angesprochen gewesen wären, weil das ja auch Folge Ih- hinreichend Studien –, durch das Aufhängen von Bienen- rer Agrarpolitik ist. hotels nicht kompensieren. Das geht nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will die Kollegen der CDU schon noch einmal Das Aufhängen von Bienenhotels ist eine tolle Sache. darauf hinweisen: Sie regieren seit 16 Jahren in diesem Aber von der Bundeskanzlerin, von den Ministern und Land. Das ist Ihre Politik, über die wir hier heute reden. von einem Kabinett erwarte ich etwas mehr. Wir sollten nicht so tun, als ob diese Agrarpolitik bisher irgendwie toll gewesen wäre. Sie hat bisher keinen der Deshalb will ich noch zu einem letzten Punkt kom- Efekte, die wir alle hier gemeinsam in unseren Reden men, der Weidetierprämie. beschworen haben, erbracht. Auch der grundgesetzli- che Auftrag der Bundesregierung, unsere natürlichen Vizepräsidentin Claudia Roth: Lebensgrundlagen zu schützen, ist durch die bisherige Bitte denken Sie an die Redezeit. Agrarpolitik nicht gewährleistet. Das ist nicht der Fall. Durch die Reformvorschläge, die jetzt vorliegen, wer- den weder die Situation der Natur und Umwelt noch die Stef Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Situation der Bäuerinnen und Bauern noch die Situation Heute hat die Umweltministerkonferenz einstimmig – bei der Gewinnerwirtschaftung oder die Qualität unserer es passiert nicht so oft, dass dort Einigkeit über ein sol- Lebensmittel verbessert werden. Das wissen Sie, glaube ches Thema hergestellt wird – die Bundesregierung auf- ich, auch in der CDU/CSU-Fraktion sehr genau. Deshalb gefordert, eine Weidetierprämie einzuführen. kann ich Sie nur aufordern, sich dafür einzusetzen, dass Ich möchte ankündigen – nehmen Sie das bitte mit in der Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, nicht das letzte das Landwirtschaftsministerium zu Ihrer Ministerin –: Wort bleibt. Das kann nicht sein. Es wird der Lackmustest sein, ob Sie irgendetwas ernst (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) meinen bezüglich Natur- und Insektenschutz sowie etwas gegen das Vogelsterben unternehmen. An dieser Weide- Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesagrarminis- tierprämie hängen 300 000 Hektar wertvollsten Grünlan- terin hat ihr selber ins Stammbuch geschrieben, dass wir des, das von der Wanderschäferei mit tollen Leistungen mit den Reformvorschlägen von EU-Kommissar Hogan für Natur und Umwelt bewirtschaftet und erhalten wird. keines der Ziele, die wir als Parlamentarier – auch die EU-Kommission – verbal für uns beanspruchen, errei- chen werden. Das sagt jetzt im Vorfeld der Wissenschaft- Vizepräsidentin Claudia Roth: (B) (D) liche Beirat des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Ich Redezeit. weiß ja, dass Frau Klöckner schöne Reden halten kann, und auch, dass sie schöne Fotos machen kann. Aber jetzt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): geht es ans Handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen. Stef Lemke Jetzt geht es um Ergebnisse. Wenn Sie es nicht schafen, die Wanderschäferei und dieses Grünland zu erhalten, – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD]) An dieser Stelle, Frau Bär, möchte ich Sie gerne an- sprechen. Sie sind hier im Moment die einzige Vertrete- rin des Kanzleramtes. Wir haben gerade einen riesengro- Vizepräsidentin Claudia Roth: ßen Zwiespalt in den Reden der Bundesagrarministerin Redezeit. – Das mache ich alles schon selber. Ich pas- und der Staatssekretärin aus dem Umweltministerium se schon selber auf. Dazu brauche ich Sie nicht. bemerkt. Die Bundeskanzlerin hat sich hier vor zwei (Kay Gottschalk [AfD]: Das haben Sie doch Wochen in ihrer Rede zum Haushalt selbst zu den Bienen gesagt!) bekannt, nicht nur zu den Bienen – das wäre ein biss- chen zu kurz gesprungen –, sondern auch zu ihrer ganz persönlichen Verantwortung als Bundeskanzlerin, gegen Stef Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): das Artensterben etwas zu unternehmen. Das Bundesum- – dann sind das alles Lippenbekenntnisse und wir kön- weltministerium wird niemals alleine die notwendigen nen sie nicht ernst nehmen. Maßnahmen durchkämpfen können. Deshalb erwarte ich von der Bundeskanzlerin, dass sie persönlich in die De- Danke. batte um die zukünftige Agrarreform einsteigt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Das Insektenschutzprogramm, das dankenswerterwei- Ich brauche Sie nicht zur Sitzungsleitung, damit das se jetzt diskutiert wird und das wir auch hier im Parlament klar ist. diskutieren werden, wird kein Insektenschutzprogramm Danke, Stef Lemke. – Nächste Rednerin: Marlene werden, wenn Sie nicht die Agrarreform angehen. Sie Mortler von der CDU/CSU-Fraktion. können diese 60 Milliarden Euro, die gegenwärtig Jahr für Jahr mit schädlichen Efekten ausgegeben werden (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3659

(A) Marlene Mortler (CDU/CSU): und dass wir dank Europa höhere, einheitliche Standards (C) Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und bei unseren Betrieben haben, auf dem Feld, bei unseren Herren! Der letzte Redebeitrag hat mir richtig wehgetan. Lebensmitteln. Das ist nicht selbstverständlich. Auch Wenn man genau zugehört hat, dann kam man zu dem hier ein dickes Dankeschön. Schluss, dass in der Landwirtschaft nur schwarze Schafe und am Ende vielleicht nur Kriminelle unterwegs sind. (Beifall bei der CDU/CSU – Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An die Steu- (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- erzahler!) NEN]: Lesen Sie im Protokoll noch einmal nach! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/ Die Ministerin sagte, die Gemeinsame Agrarpolitik DIE GRÜNEN: Das stimmt doch gar nicht!) sei quasi die Klammer. Bauern und Bäuerinnen wissen längst, wie Europa tickt. Bauern und Bäuerinnen wissen Das Gegenteil ist der Fall. Natürlich sind Menschen und aber auch, dass Europa nicht an allem schuld ist, sondern Medien für Aufreger dankbar, weil sie Aufmerksamkeit die Lösung. Wir wissen, was wir an Europa haben. erzeugen. Aber ich bin zutiefst überzeugt: Bauern und Bienen wollen Lösungen. Wenn ich zurückblende: TTIP. Ich erinnere mich noch an die Demos und Aufregungen, als man gerufen und (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE geschrien hat: Wir wollen unsere hohen Standards in un- GRÜNEN]: Das hat Frau Lemke nicht ge- serem Land und in Europa erhalten, gegen TTIP. – Das sagt! Das ist Difamierung! – Oliver Krischer hat deutlich gemacht, dass es mit unseren Standards doch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine nicht so schlecht ist und Bauern und Bäuerinnen sorgsam Unverschämtheit!) mit Tier, Natur und Umwelt umgehen. Es macht auch Ich plädiere an dieser Stelle für Maß und Mitte. deutlich, dass wir nicht bei null beginnen, schon längst nicht mit diesen Vorschlägen. Deutsche Qualitätspro- (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dukte sind im Ausland gefragt, und im Inland toben wir NEN]: Schön! Das ist das falsche Zitat! Das uns aus. Während Milliarden Menschen weltweit einfach macht es nicht besser! – Dr. Anton Hofreiter nur satt werden wollen, defnieren wir uns in unserem [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Mortler, Land nach unserem Lebensstil. Wir leisten es uns, vom Sie können in Ihrer Rede nicht das Gegenteil Schwein nur die besten Teile zu essen, der Rest ist Ab- behaupten, was gerade gesagt worden ist! Das fall oder kommt in die Länder, in denen man sagt: Wir geht einfach nicht!) können aus jedem Stück vom Schwein etwas machen, Hier sind einerseits Krokodilstränen geweint worden, jeweils eine Delikatesse. (B) andererseits sind zuletzt Keulen verteilt worden. Aber (D) (Beifall bei der CDU/CSU) wenn wir wissen, dass erst seit einer Woche die Vorschlä- ge der Kommission zur Gemeinsamen Agrarpolitik auf In diesem Kontext geht es also nicht nur um Land- dem Tisch liegen, meine Damen, meine Herren, dann ist wirtschaft, Umwelt- und Naturschutz, sondern es geht es ziemlich unseriös, wenn wir jetzt schon sagen können, auch um unser persönliches Ernährungsverhalten und welche Auswirkungen diese Vorschläge auf Arten-, auf unser persönliches Einkaufsverhalten. Es ist mir zu bil- Natur-, auf Insektenschutz haben. lig, wenn immer nur gesagt wird – und Bäuerinnen und Aber mich wundert schon, dass sich bei diesen Wort- Bauern bestätigen mir das fast jeden Tag –: Ihr Politiker beiträgen keiner um die Bauern und Bäuerinnen sorgt. macht es euch einfach. Wenn ihr keine Lösung habt, dann Welche Auswirkungen haben diese Vorschläge auf unse- heißt es: Ja, die Bauern sind schuld. re Bauern und Bäuerinnen? Ich frage an dieser Stelle: Was haben die Bundes- (Stef Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- länder in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz und NEN]: Äußerst selektive Wahrnehmung! Biodiversität in den letzten Jahren geleistet? Ich kom- Lösen Sie sich einmal vom Manuskript! – me aus einem Bundesland, in dem man nicht nur redet, Susanne Mittag [SPD]: Das hat doch jeder sondern handelt. Als Beispiel nenne ich das Bayerische gesagt! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE Kulturlandschaftsprogramm, das einzigartig ist in seinen GRÜNEN]: Also, das ist doch absurd!) Maßnahmen. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Es gilt: Frei- willigkeit vor Ordnungsrecht. Über 55 000 Betriebe be- teiligen sich auf über 1 Million Hektar landwirtschaftlich Vizepräsidentin Claudia Roth: genutzter Fläche. Lassen Sie bitte einmal Frau Mortler reden. Auch der Bund – so haben wir heute von Ministerin Marlene Mortler (CDU/CSU): Klöckner gehört – leistet seinen Beitrag mit der Acker- baustrategie und dem Aktionsprogramm Insektenschutz. In diesem Sinne danke ich den Bäuerinnen und Bau- Das sind nicht nur Schlagworte. Wir haben gemerkt: Die ern, dass sie jeden Tag ihr Bestes geben und dafür sorgen, Ministerin brennt für weitere Verbesserungen. dass unser Tisch jeden Tag so vielfältig gedeckt ist (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN]: Das stellen wir doch gar nicht in Ab- Vizepräsidentin Claudia Roth: rede!) Frau Mortler, Redezeit. 3660 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

(A) Marlene Mortler (CDU/CSU): wichtig für die Tier- und Pfanzenwelt sind. Zumindest in (C) Sie brennt aber auch dafür, dass das Image der Bäue- diesem Punkt könnten wir uns doch alle einig sein. rinnen und Bauern verbessert wird. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Klaus-Peter Schulze [CDU/CSU]) In diesem Sinne kämpfen wir gemeinsam im Rahmen der GAP, dass es in Zukunft nicht nur den Bienen, son- Jetzt kommen wir zum Handeln. Mit einer Aktion dern auch den Bauern wieder besser geht. Blühstreifen, so ehrenwert das ist, ist es längst nicht getan. Das Handlungserfordernis haben wir im Koaliti- Frau Präsidentin, ich danke Ihnen. onsvertrag in Anbetracht der EU-Verhandlungen und der neuen GAP festgeschrieben. (Beifall bei der CDU/CSU) Das Schlechte zuerst: Für die nächste Periode gibt es leider weniger Geld, 3 Milliarden Euro weniger. Somit Vizepräsidentin Claudia Roth: stehen der deutschen Landwirtschaft in den nächsten Jah- Vielen Dank, Marlene Mortler. – Nächste Rednerin: ren 41 Milliarden Euro zu Verfügung. Positiv ist – wir Susanne Mittag für die SPD-Fraktion. müssen positiv herangehen –, dass es zum Beispiel fe- xiblere und einfachere Fördermöglichkeiten für die Mit- (Beifall bei der SPD) gliedstaaten gibt. Wir erhalten so die Gelegenheit, selber mehr mitzugestalten.

Susanne Mittag (SPD): Wir sind uns alle mit Frau Klöckner einig – sie ist nicht mehr da –, dass wir eine bessere Förderung kleiner Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und und mittelständischer Betriebe und nicht unbedingt gro- Herren! Als Tierschutzbeauftragte der SPD-Fraktion ße und intensive Betriebe unterstützen wollen. Jungland- kümmere ich mich ganz gerne um ganz kleine Tiere, zum wirte – sie sind schon erwähnt worden –, aktive Land- Beispiel um Insekten und Hautfügler. Wenn die netten wirte, die eigenes Land bewirtschaften, und innovative schwarz-gelb gestreiften Mädels – das sind nämlich alles Landwirte können wir extra fördern. Das ist doch schon Arbeiterinnen – sich nicht so nützlich machen würden einmal ein guter Einstieg. Das zeigt, was wir da indivi- bei der Bestäubung und der Honigherstellung, also uns duell machen können. direkt als Menschen nutzen, dann wäre das Thema Insek- tenschutz wahrscheinlich nicht so präsent; denn ginge es (Beifall bei der SPD) nur um Mücken und Motten, dann wäre die Betrübnis ge- Es geht nur mit einer Deckelung der Höchstförderung. ringer. Es ist schon erwähnt worden: Den meisten fällt es Da muss man vielleicht auch einmal an die Solidarität un- (B) auf, dass es weniger Insekten gibt, wenn die Autoscheibe tereinander appellieren; denn wir haben nur zwei Säulen. (D) nach einer langen Fahrt noch einigermaßen sauber ist. Alle Zahlungen sind an die Einhaltung von Umweltaufa- gen geknüpft. Das war nicht immer so. Auch das können (Carina Konrad [FDP]: Das stimmt doch gar die Länder forcieren. Da gibt es noch eine Möglichkeit. nicht!) Wie gesagt, neu ist eine weitere Umschichtung von – Ganz entspannt. der ersten in die zweite Säule. Wenn die erste Umschich- tung 15 Prozent beträgt, dann muss das Land sozusagen Von 8 000 Arten in Deutschland sind mindestens zuzahlen. Die zweite Umschichtung ist möglich, ohne 40 Prozent entweder bestandsgefährdet oder gar nicht dass der Bund zuzahlen muss. Das ist eine ganz tolle mehr da. Das fällt nicht sonderlich auf; denn das ist das Möglichkeit, von fächengebundener Förderung in pro- Ergebnis eines langsamen, stillen Todes durch pfege- jektbezogene Förderung einzusteigen. Das wären noch leichte Gärten und Parks – es geht nicht nur um Land- einmal 750 Millionen Euro. wirtschaft –, aber auch durch sortenreine Äcker. Auch der Kampf gegen Unkraut spielt eine Rolle. Wer defniert Wir reden gerade über die Erstellung eines Tierwohl- eigentlich Unkraut? Das ist Wachstum, das man nicht ha- labels. Es soll ganz besonders mittelständische und ben will. Es wird beseitigt durch Gift spritzen, hacken, kleine Betriebe unterstützen. Damit möglichst viele bei umbrechen und brennen. 40 000 Tonnen Pfanzenschutz- diesem Tierwohllabel mitmachen können, ist auch eine mittel werden pro Jahr eingesetzt, und davon sind ein Unterstützung unsererseits notwendig. Es wäre doch ein Drittel Unkrautgifte. Wie gesagt, das ist für Pfanzen, Supereinstieg, wenn wir die Umschichtung aus der zwei- die stören. Das führt zu Insektenvernichtung und Pfan- ten Säule dafür nutzen würden. Hier hofe ich auf eine zenvernichtung. Leider haben nur noch 11 Prozent der ordentliche Unterstützung. Flächen einen sehr hohen Naturwert, die anderen haben (Beifall bei der SPD) einen geringeren oder so gut wie gar keinen mehr. Es ist jetzt möglich, in diesem Verfahren große Schrit- Die weitere Folge: In den letzten zwölf Jahren hat sich te in Sachen Umweltschutz – ich erwähne die Bienen; die Zahl der Vogelbrutpaare um 13 Millionen verringert – das betrift aber auch andere –, Tierwohl und Lebensmit- das fällt dann doch ein bisschen mehr auf –, von weite- telqualität – das gehört nämlich genauso dazu – zu ma- ren Tieren einmal abgesehen, die inzwischen fehlen, weil chen. Es geht um öfentliches Geld – das ist hier schon auch sie von Insekten leben; die Nahrungskette geht ja gesagt worden – für Leistungen, die für uns alle gut sind. noch ein Stückchen weiter. Das zeigt, dass Insekten, die Das ist langfristig nachhaltig angelegtes Steuergeld. Es auch nicht so schönen, auch die, die manchmal nerven, liegt an uns allen gemeinsam, ob wir diese Chancen und Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3661

Susanne Mittag (A) Gestaltungsmöglichkeiten – das ist ja noch nicht ganz nen ist es noch schlimmer. Da sind fast 50 Prozent der (C) ausverhandelt – nutzen, auch im Rahmen unserer Ent- 547 Arten, die wir in Deutschland haben, bestandsge- scheidungsmöglichkeiten hier im Land. Wir dürfen nicht fährdet. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. immer nur am Althergebrachten festhalten. Neuerungen und Veränderungen sollen nämlich immer die anderen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) machen; das wird von anderen erwartet. Aber den eige- Deshalb haben wir uns in den Koalitionsverhandlun- nen Status will man auf gar keinen Fall aufgeben. gen entschieden, auf diesem Gebiet mehr zu tun als in (Beifall bei Abgeordneten der SPD) den vergangenen Jahren. Ich bin froh, dass unsere Minis- terin – ich meine die Umweltministerin – dieses Thema Ich will nicht unbedingt von einem Systemwechsel in der letzten Ausschusssitzung angesprochen hat. sprechen – das werden unsere Verhandlungen zeigen –, aber eine Systemänderung ist noch drin, um die massi- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – ve Vernichtung von Tieren und Pfanzen zu stoppen. Wir Marianne Schieder [SPD]: Na, sehen Sie mal! sind alle dafür verantwortlich, und wir nehmen diese Gut, dass wir auch dabei sind!) Verantwortung gerne wahr. Ich hofe, wir werden dabei ordentlich unterstützt. Ich hofe natürlich besonders mit – Richtig. Blick auf unseren politischen Lebensabschnittsgefähr- ten, dass er unseren Anregungen folgen wird. Ich bin ge- Meine Damen und Herren, ich hatte in der letzten spannt auf die folgenden Verhandlungen. Debatte zum Thema Insektensterben schon darauf hin- gewiesen, dass mit Sicherheit nicht nur der Einsatz von Schönen Dank. Pfanzenschutzmitteln für das Insektensterben verant- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. wortlich ist, sondern dass es noch viele weitere Ursachen Dr. Klaus-Peter Schulze [CDU/CSU]) gibt. Ich will noch mal daran erinnern, dass die Ausräu- mung unserer Landschaft eine solche Ursache ist, und ich erinnere an die großen Monokulturen, die hier zu Beginn Vizepräsidentin Claudia Roth: der Debatte – Frau Künast hat darauf hingewiesen – auch Vielen Dank, Susanne Mittag. – Der nächste Redner: schon eine Rolle gespielt haben. Dr. Klaus-Peter Schulze für die CDU/CSU-Fraktion. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern: (Beifall bei der CDU/CSU) Als das EEG, mit dem die Förderung von Bioenergie in großem Umfang vorangetrieben wurde, im Jahre 2000 Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): auf den Weg gebracht wurde, war eine entsprechende (B) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Untersuchung, welche Auswirkungen das auf die Biodi- (D) Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf versität haben wird, nicht vorgesehen. den Zuschauertribünen! Es ist immer gut, wenn man am Ende der Debatte reden kann. Dann kann man nämlich (Marianne Schieder [SPD]: Das sieht man mit den einen oder anderen Hinweis geben, was Falsches bloßem Auge, wenn man über Land fährt!) gesagt wurde bzw. was nicht ausreichend beschrieben wurde. Zumindest sagte mir das der Wissenschaftliche Dienst unseres Bundestages. Ich kann an dieser Stelle nur sa- (Zuruf von der CDU/CSU: Da reichen aber gen: Bei zukünftigen Entscheidungen sollten wir diese fünf Minuten nicht! – Stef Lemke [BÜND- Themen ganz einfach berücksichtigen. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Fangen Sie mal bei Frau Mortler an!) Auch wenn Blühstreifen und andere ökologische Maßnahmen dieses Problem mit Sicherheit nicht lösen Richtig ist, dass 600 Millionen Vögel in den letzten werden, können sie es zumindest abmindern. Deshalb 30 Jahren verschwunden sind; Frau Lemke hat es ange- fände ich es sehr gut, wenn es gelingen würde, mit der sprochen. Aber man muss an dieser Stelle sagen: Das hat nächsten Förderperiode hier Langfristigkeiten zu bekom- nicht nur mit den Bedingungen in der Landwirtschaft men. Dafür sollte man nicht nur einzelne Maßnahmen er- zu tun, sondern auch bzw. vornehmlich damit, dass in greifen – solche Betriebe kann man sich in Deutschland Südeuropa – in Malta, Italien, Spanien, auf Zypern, in angucken –, sondern das sollte man fächendeckend auf Griechenland – im Herbst Tausende mit Flinten unter- den Weg bringen. wegs sind und die Zugvögel abschießen. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, dass das einmal angesprochen wird. (Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU]) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der AfD und der FDP) Ich sehe bei den Landwirten eine große Bereitschaft, hier Das setzt sich dann in Nordafrika, wo in den Rastgebieten mitzumachen. Das muss natürlich fnanziert werden. gewisse Größenordnungen weggefangen werden, fort. Frau Dr. Tackmann, es ist richtig, dass der ländliche Der nächste Punkt. Wir haben in Deutschland 33 000 Raum gestärkt werden muss. Deshalb ist es für mich ver- Insektenarten. 7 800 von ihnen sind in den Roten Lis- wunderlich, dass in dem Bundesland, in dem Sie politi- ten aufgeführt. Davon – das ist das Erschreckende – sind sche und Regierungsverantwortung tragen, in Branden- ungefähr 40 Prozent mindestens bestandsgefährdet oder burg, die Bauern monatelang darauf warten müssen, ihr in einer höheren Kategorie untergebracht. Bei den Bie- Geld zu bekommen, wenn sie Leistungen entsprechend 3662 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Dr. Klaus-Peter Schulze (A) dem KULAP erbracht haben. Das ist kein Beitrag für die Was sagen uns diese Entwicklungen? Jede Zeit (C) Stärkung des ländlichen Raums. braucht ihre Lösungen. Deswegen war ich eben ein biss- chen überrascht; denn es reicht als Legitimation aus mei- (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Der ner Sicht nicht mehr aus, die Ernährungssicherung als SPD-Minister ist zuständig!) einzigen Grund für den größten EU-Einzelhaushalt dar- – Ja, es gibt aber einen Finanzminister von den Lin- zustellen, wie das der Bauernverband und die Union hin ken. und wieder ganz gerne mal tun. (Mechthild Heil [CDU/CSU]: Das muss- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten te auch mal gesagt werden! – Dr. Kirsten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Tackmann [DIE LINKE]: Der hat mit dem Die Vorschläge von EU-Agrarkommissar Hogan ge- Umweltminister nichts zu tun!) hen im Ansatz in die richtige Richtung. Meine Kollegin Aber auch wenn wir uns die Förderung der jetzt schon Mittag hat das eben ja schon gesagt. möglichen ökologischen Maßnahmen anschauen, müssen So ist das Ziel, die Landwirtschaft stärker an Umwelt- wir feststellen, dass es zwischen den Bundesländern ganz und Klimaschutzmaßnahmen ausrichten zu wollen, ein- erhebliche Unterschiede gibt. Auch wenn Frau Mortler deutig zu begrüßen. Bayern besonders benannt hat, kann ich Ihnen sagen, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Marianne Schieder [SPD]: Weil es da am NEN]: Was?) schönsten ist!) Vor allem die im Vorschlag eröfneten Möglichkeiten, dass die Nordrhein-Westfalen mit 1 200 Euro pro Hektar von den Direktzahlungen zu den Programmen der zwei- die höchste Förderung in Deutschland zahlen, und das ten Säule umzuschichten, sind durchaus interessant und fnde ich gut. werden von uns aufgenommen. Auch die stärkere Unter- Was ich nicht gut fnde, ist, dass das einzige Flächen- stützung kleiner und mittlerer Betriebe sowie die För- bundesland, das keine Förderung zahlt, das Land ist, derung der Junglandwirte schafen Perspektiven für den aus dem ich komme, nämlich Brandenburg. Aber wahr- Erhalt einer fächendeckenden Landwirtschaft. scheinlich brauchen wir das Geld für den BER. Zum Degressions- und Kappungsvorschlag: Es ist (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – auch eine Frage der Gerechtigkeit, die Höchstförderung Marianne Schieder [SPD]: Da seid ihr auch der Betriebe zu begrenzen und gleichzeitig Subventionen nicht weit gekommen!) stärker an den landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen und nicht nur an der Fläche auszurichten. (B) Dass er acht Jahre lang nicht in Betrieb gegangen ist, hat (D) aber auch Vorteile. Dort gibt es jetzt große Ödlandfä- Allerdings hat sein Vorgänger Ciolos aus klima- und chen, und auf diesen Ödlandfächen sind Lebensräume umweltpolitischer Sicht noch bessere Vorschläge als für Insekten entstanden. Hogan gemacht, die leider durch verschiedene Lobby- gruppen massiv verwässert wurden. Ich glaube, es darf (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht noch einmal passieren, dass dort so massiv Einfuss NEN]: Alles hat sein Gutes!) genommen wird. Vielmehr müssen wir uns für eine star- Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, und las- ke Reform der GAP und konkret der Direktzahlungen sen Sie den Rasenmäher in der Garage; denn wir können einsetzen und die zweite Säule mehr berücksichtigen. auch durch die Unterhaltung unseres Hausgartens etwas Wenn die Landwirtschaft als größter europäischer für die Insekten machen. Landnutzer fnanzielle Unterstützung bekommen möch- Danke. te, dann ist es nur recht und billig, wenn die Steuerzah- lerinnen und Steuerzahler diese Mittel an Bedingungen (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. knüpfen. So sollten sich die Subventionen am Allgemein- Karsten Hilse [AfD]) wohl und an den Wünschen der Verbraucherinnen und Verbraucher nach gesunder Ernährung, umweltfreund- Vizepräsidentin Claudia Roth: lichem Anbau und artgerechter Tierhaltung orientieren. Die Landwirtschaft ist hierfür der geborene Partner und Vielen Dank, Dr. Schulze. – Nächster Redner für die soll und muss für diese öfentlichen zusätzlichen Leistun- SPD-Fraktion: Uwe Schmidt. gen ausreichend honoriert werden; ohne Frage. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD)

Uwe Schmidt (SPD): Aber auch der Lebensmitteleinzelhandel muss seiner Verantwortung nachkommen und endlich aufhören, sich Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- über Preiskämpfe zu defnieren, und zwar zulasten der legen! Liebe Gäste! Kollege Schulze, es ist nicht immer Landwirte. von Vorteil, wenn man relativ spät in der Debatte redet, weil dann schon viele Dinge von mehreren Menschen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mehrfach gesagt und wiederholt worden sind. der CDU/CSU) (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Dann muss Diese Art des Wirtschaftens sichert weder die Existenz man kreativ sein!) der Betriebe, noch ist sie wirtschaftlich, ökologisch und Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 37. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Juni 2018 3663

Uwe Schmidt (A) schon gar nicht sozial. Nachhaltigkeit muss gleicherma- triebe existenziell wichtig. 40 bis gar 70 Prozent haben (C) ßen für den Ökolandbau und die konventionelle Land- sie im Durchschnitt der letzten Jahre zum Einkommen wirtschaft die oberste Maxime sein. Dazu hat die Minis- der Landwirtschaft beigetragen. Trotzdem liegt der Lohn terin gesagt, dass sie das fördern will. der Landwirte weit hinter dem gewerblichen Vergleichs- lohn. Vorredner haben schon gesagt: Der Strukturwandel Schließlich kann es nur im Interesse aller sein, un- ist nach wie vor ungebremst. Das ist eine Situation, die sere natürlichen Ressourcen zu schonen und der heuti- wir alle nicht wollen. Es könnte eine Landwirtschaft ent- gen sowie den kommenden Generationen ein gesundes stehen, die wir alle nicht verantworten wollen. Aufwachsen zu ermöglichen. Die Voraussetzungen dafür müssen wir jetzt schafen. Kleine und mittlere landwirt- Lieber Kollege Rainer Spiering – ich sehe, er ist schon schaftliche Betriebe sowie Junglandwirte müssen ge- weg –, zielter unterstützt, aber auch befähigt werden, von ihrer eigenen Produktion zu leben. Umwelt- und Klimaleis- (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Er hat tungen der Landwirtschaft müssen stärker honoriert und sich weggebeamt!) ein stärkerer Fokus auf Forschung und Innovation gelegt werden. er hat gesagt, die Eigentümer würden gestärkt. – Nein, ein Großteil der Landwirte in Deutschland ist Pächter. Es Auch über eine Reform der Ausbildung der Land- gibt für die bewirtschafteten Flächen die Ausgleichsleis- wirte in Form der Einführung von Ökolandbau als Prü- tungen, nicht fürs Eigentum. fungsfach müssen wir, glaube ich, langsam nachdenken. Schließlich ist das Wissen um alternative Anbaumetho- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- den Grundvoraussetzung für eine nachhaltige und ef- NEN]: Das kriegen doch die Grundeigentü- ziente Bewirtschaftung der Flächen. Hogans Vorschläge mer!) können daher nur einen Anfang darstellen. Die weiteren Eine klare Ansage von mir – davon bin ich fest über- Beratungen werden wir mit unseren Vorschlägen tatkräf- zeugt –: Die Landwirtschaft ist nicht vordergründig das tig begleiten. Problem, sondern sie ist ein wichtiger Teil der Lösung für Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wün- die Probleme der Welt, die auch angesprochen worden sche Ihnen – eine insektenfreie Zeit, hätte ich beinahe sind: gesagt – ein schönes Wochenende. (Beifall der Abg. Carina Konrad [FDP]) Danke. für den Hunger in der Welt, für die Umweltprobleme (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten oder auch für den Erhalt der Biodiversität. (B) der CDU/CSU) (D) (Marianne Schieder [SPD]: Ich glaube, da Vizepräsidentin Claudia Roth: fehlt es an der Verteilung und nicht an der Pro- duktion alleine!) Das wollten Sie sicherlich nicht sagen. Vielen herzli- chen Dank, lieber Kollege Schmidt. – Der letzte Redner Wichtig ist, dass wir die richtigen Weichenstellungen in dieser Aktuellen Stunde und nach einem sehr langen vornehmen. Klar können wir als Gegenleistung für diese Tag ist Alois Gerig für die CDU/CSU-Fraktion. Herr Subventionen eine Ökologisierung einfordern. Vieles ist Gerig, bitte. schon auf dem richtigen Weg, und vieles ist auch schon (Beifall bei der CDU/CSU) gemacht worden. Wichtig ist mir jetzt bei der Neuausrichtung, dass Alois Gerig (CDU/CSU): das Handling entsprechend praktikabel bleibt, damit die Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- Landwirte nicht vor noch mehr und noch kompliziertere legen! Meine Damen und Herren! Ich bin ofensichtlich bürokratische Hindernisse gestellt werden. der letzte Redner in dieser langen und teilweise auch auf- reibenden Sitzungswoche. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Marianne Schieder [SPD]: Das stimmt!) Wichtig ist mir auch, dass die Fördermittel in der Landwirtschaft bleiben. Dort werden sie gebraucht. Ich Da kann man ein bisschen zusammenfassen. Ich muss habe es schon gesagt. Zumindest muss man auch einmal sagen: Das rhetorische Wunsch- und Gedankenkonzert, hinterfragen können, ob es okay ist, wenn Naturschutzor- das hier einige Kollegen abgeliefert haben, ist beeindru- ganisationen in Deutschland viele Tausend Hektar Land- ckend. Deswegen will ich nüchtern einfach ein paar Din- eigentum besitzen und dafür jährlich Millionen von Euro ge nennen, aus dem EU-Fördertopf erhalten. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nüch- (Marianne Schieder [SPD]: Das gehört denen tern sind wir auch!) genauso wie den anderen ihres!) über die wir bei allen Verhandlungen über die GAP, über die wir ja nicht alleine entscheiden können, nachdenken. Ja, meine Damen und Herren, das Rad muss nicht neu erfunden werden. Vieles im Bereich der Ökologisierung Fakt ist: Die EU-Fördermittel waren und sind auch ist seither schon ganz ordentlich und richtig gelaufen. noch in absehbarer Zeit für die landwirtschaftlichen Be- Diese Skandalisierung, liebe Kollegin Lemke, brauchen 3664 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

Alois Gerig (A) wir wirklich nicht. Das ist ungerechtfertigt. Die Nitrat- Lassen Sie uns doch da einfach mit Vernunft weiter- (C) werte im Grundwasser sind beispielsweise in meinem machen. Geben wir den Insekten, den Vögeln, aber auch Bundesland Baden-Württemberg seit Jahren rückläufg. den Landwirten eine gute Zukunftschance! Ich bin auch nicht mit allen Vorschlägen aus Brüssel (Marianne Schieder [SPD]: Da gibt es aber zufrieden. Dafür müssen wir jetzt gemeinsam kämpfen. auch andere Beispiele, wie Sie wissen, wo die Lassen Sie uns das durchaus gemeinsam mit Vernunft Kommunen nicht wissen, wie sie das machen und Augenmaß statt mit Difamierungen und Verboten sollen!) machen. Dann haben wir eine Chance auf ein gut ausge- stattetes – und letztlich geht es immer wieder ums Geld – Und meine Autoscheiben sind wieder sehr viel mehr mit GAP-Budget. Insekten behaftet als in den letzten zwei Jahren. Also, es läuft etwas. In diesem Sinne allen ein schönes, kurzes Wochenen- de! Wir sehen uns ab Montag wieder hier. In Baden-Württemberg haben wir eine fünfgliedrige Danke schön. Fruchtfolge, die in hohem Maße von den Landwirten an- genommen wird. Es werden Blühmischungen und Blüh- (Beifall bei der CDU/CSU) streifen ausgesät. Vizepräsidentin Claudia Roth: (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vielen Dank, lieber Kollege Alois Gerig. – Damit ist NEN]: Der Blühstreifen nützt nichts, wenn auf die sehr muntere Aktuelle Stunde beendet. dem Acker Chemie ist!) Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- Ich kann Ihnen sagen – wenn Sie es nicht weiterver- ordnung. raten, damit die Steuerfahndung nicht kommt –: Mein Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- Sohn bekommt von seinen Imker jährlich ein Glas Honig tages auf Mittwoch, den 13. Juni 2018, 13 Uhr, ein. dafür, dass er ebendiese Nahrungskette für die Bienen Die Sitzung ist geschlossen. nach der Blüte der Linde durchgängig über den Sommer erhält. (Schluss: 17.53 Uhr)

(B) (D) Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018 3665

(A) Anlagen zum Stenografschen Bericht (C)

Anlage 1 Entschuldigte Abgeordnete

Abgeordnete(r) Abgeordnete(r)

Benning, Sybille CDU/CSU Lambsdorf, Alexander Graf FDP

Bilger, Stefen CDU/CSU Lämmel, Andreas G. CDU/CSU

Bluhm, Heidrun DIE LINKE Lay, Caren DIE LINKE

Buchholz, Christine DIE LINKE Lechte, Ulrich FDP

Burkert, Martin SPD Leyen, Dr. Ursula von der CDU/CSU

Erndl, Thomas CDU/CSU Maas, Heiko SPD

Felser, Peter AfD Maizière, Dr. Thomas de CDU/CSU

Flachsbarth, Dr. Maria CDU/CSU Marschall, Matern von CDU/CSU

Föst, Daniel FDP Merkel, Dr. Angela CDU/CSU

Franke, Dr. Edgar SPD Mihalic, Irene * BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Gabriel, Sigmar SPD (B) Müller, Alexander FDP (D) Gastel, Matthias BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Müller-Rosentritt, Frank FDP

Gohlke, Nicole DIE LINKE Müntefering, Michelle SPD

Hartmann, Sebastian SPD Nord, Thomas DIE LINKE

Held, Marcus SPD Özoğuz, Aydan SPD

Heßenkemper, Dr. Heiko AfD Pellmann, Sören DIE LINKE

Höhn, Matthias DIE LINKE Pfüger, Tobias DIE LINKE

Jarzombek, Thomas CDU/CSU Poschmann, Sabine SPD

Karl, Alois CDU/CSU Protschka, Stephan AfD

Kauder, Volker CDU/CSU Reinhold, Hagen FDP

Kemmerich, Thomas L. FDP Riexinger, Bernd DIE LINKE

Kessler, Dr. Achim DIE LINKE Sattelberger, Dr. h. c. Thomas FDP

Keul, Katja BÜNDNIS 90/ Scheuer, Andreas CDU/CSU DIE GRÜNEN Schick, Dr. Gerhard BÜNDNIS 90/ Kipping, Katja DIE LINKE DIE GRÜNEN

Korkmaz, Elvan SPD Schimke, Jana * CDU/CSU

Korte, Jan DIE LINKE Schlund, Dr. Robby AfD 3666 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018

(A) Innenausschuss (C) Abgeordnete(r) Drucksache 19/910 Nr. A.7 Ratsdokument 12183/17 Drucksache 19/910 Nr. A.8 Schulz, Jimmy FDP Ratsdokument 12208/17 Drucksache 19/910 Nr. A.9 Schulz, Martin SPD Ratsdokument 12211/17 Drucksache 19/910 Nr. A.14 Stumpp, Margit BÜNDNIS 90/ Ratsdokument 13524/17 Drucksache 19/910 Nr. A.17 DIE GRÜNEN Ratsdokument 15119/17 Drucksache 19/910 Nr. A.19 Tauber, Dr. Peter CDU/CSU Ratsdokument 15729/17 Drucksache 19/1053 Nr. A.4 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ Ratsdokument 5033/18 DIE GRÜNEN Drucksache 19/1053 Nr. A.5 Ratsdokument 5034/18 Wagenknecht, Dr. Sahra DIE LINKE Drucksache 19/1053 Nr. A.6 Ratsdokument 5035/18 Drucksache 19/1053 Nr. A.7 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ Ratsdokument 5036/18 DIE GRÜNEN Drucksache 19/1053 Nr. A.8 Ratsdokument 5037/18 Weber, Gabi SPD Drucksache 19/1053 Nr. A.9 Ratsdokument 5038/18 Weinberg, Harald DIE LINKE Drucksache 19/1053 Nr. A.10 Ratsdokument 5039/18 Drucksache 19/1053 Nr. A.11 Werner, Katrin DIE LINKE Ratsdokument 5040/18 Drucksache 19/1053 Nr. A.16 Ziemiak, Paul CDU/CSU Ratsdokument 5702/18

Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE

* aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Ausschuss für Wirtschaft und Energie (B) Drucksache 19/910 Nr. A.57 (D) EP P8_TA-PROV(2017)0354 Anlage 2 Drucksache 19/910 Nr. A.63 Ratsdokument 12136/17 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Drucksache 19/910 Nr. A.65 Ratsdokument 12165/17 Die Fraktion der FDP hat mitgeteilt, dass sie den An- Drucksache 19/910 Nr. A.66 trag Straftaten und Gemeinnützigkeit schließen sich aus Ratsdokument 12168/17 auf Drucksache 19/1985 zurückzieht. Drucksache 19/910 Nr. A.74 Ratsdokument 13598/17 Der Haushaltsausschuss hat mitgeteilt, dass er gemäß Drucksache 19/1053 Nr. A.23 § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Be- Ratsdokument 5544/18 richterstattung zu der nachstehenden Vorlagen absieht: – Unterrichtung durch die Delegation des Deutschen Bundestages in der Interparlamentarischen Konferenz Verteidigungsausschuss über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung Drucksache 19/1780 Nr. A.26 und Steuerung in der Europäischen Union EuB-BReg 25/2018 Achte Tagung der Konferenz im Rahmen der Euro- Drucksache 19/1930 Nr. A.8 päischen Parlamentarischen Woche vom 30. Janu- Ratsdokument 6393/18 Drucksache 19/2233 Nr. A.27 ar bis 1.Februar 2017 in Brüssel Ratsdokument 7633/18 Drucksache 18/12814 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- schätzung onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Drucksache 19/910 Nr. A.116 Beratung abgesehen hat. Ratsdokument 10434/17 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 37 Sitzung Berlin, Freitag, den 8 Juni 2018 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrift-gesetze.de ISSN 0722-8333