Das Projekt Der Aufklärung
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Das Projekt der Aufklärung Das Projekt der Aufklärung Philosophisch-theologische Debatten von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart Walter Sparn zum 75. Geburtstag Herausgegeben von Joar Haga, Sascha Salatowsky, Wilhelm Schmidt-Biggemann und Wolfgang Schoberth EVANGELISCHE VERLAGSANSTALT Leipzig Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig Printed in Germany Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt. Cover: Zacharias Bähring, Leipzig Satz: Stephan Mikusch, Erlangen Druck und Binden: Hubert & Co., Göttingen ISBN 978-3-374-05183-0 www.eva-leipzig.de Danksagung Zum 75. Geburtstag von Walter Sparn fand am 18. und 19. November 2016 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der langjährigen Wirkungs- stätte des Jubilars, das Kolloquium »Das Projekt der Aufklärung. Philosophisch- theologische Debatten von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart« statt. Viele Weggefährtinnen und Weggefährten waren unserem Aufruf gefolgt, persönlich zu diesem Kolloquium zu erscheinen, sich mit einem Vortrag an der Veranstaltung zu beteiligen und einen Beitrag zur geplanten Festschrift einzureichen. Ihnen allen wollen wir nochmals von Herzen danken. Nicht weniger danken wir den Perso- nen vor Ort, namentlich Karin Loeder-Sparn, die uns bei der Durchführung der Veranstaltung behilflich waren. Wir freuen uns, dass wir nunmehr, nachdem wir Walter Sparn 2016 zum Fest- akt das Manuskript überreichen konnten, die Festschrift in ihrer endgültigen Ge- stalt dem Jubilar und der Öffentlichkeit in dieser gedruckten Ausgabe übergeben können. Wir danken der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig sehr herzlich für die Aufnahme dieser Festschrift in ihr Programm. Wir bedanken uns ferner bei Stephan Mikusch, der die Gestaltung des Sammelbandes mit aller Sorgfalt über- nommen hat. Die Festschrift reflektiert aus verschiedenen inhaltlichen und diszi- plinären Perspektiven das Projekt der Aufklärung, das als Anspruch immer noch vor uns steht. Wir hoffen, damit dem Werk von Walter Sparn Rechnung getragen zu haben, das sich in seiner historisch-systematischen Arbeit diesem aufkläreri- schen Projekt bis heute verschrieben hat. Die Herausgeber Vorwort Wilhelm Schmidt-Biggemann Obwohl »Aufklärung«, ihrem Anspruch folgend, klar sein müsste, ist der Begriff doch von Beginn an dubios, er schwankt zwischen historischer Epoche und Wunschprojekt. Anders als »Mittelalter«, aber ähnlich wie »Klassik« oder »Moder- ne« hat auch »Aufklärung« einen Drall ins Normative, und der Begriff ist mit einer deutlichen ethischen Pointe versehen – aufgeklärt müsse man sein und es sei gut, aufgeklärt zu sein. Die Beiträge dieser Festschrift – mindestens die meisten – bedienen diese Begriffsdynamik, und sie entsprechen damit den Intentionen des Gefeierten; denn Walter Sparn begreift seine Aufgabe, wie die kurze intellektuelle Biographie, die diese Festschrift eröffnet, zeigt, durchaus als Beitrag zur Aufklä- rung – allerdings mit der wesentlichen Akzentsetzung, dass es sich um theologi- sche Aufklärung handle. Er ist evangelischer Theologe, und diese Profession versteht sich als Lebens- aufgabe – und so hat sie auch der Gefeierte verstanden. Er hat seine Theologie als Aufklärung aufgefasst, nicht als Zumutung. Das hat ihm einen Optimismus er- möglicht, der der evangelischen Theologie einen lange verschlossenen Zugang zu den Theologen der Aufklärung eröffnete; und um die aufgeklärten Theologen hat sich Walter Sparn besonders verdient gemacht. Dass deshalb auch die Reformation als Aufklärung begriffen werden konnte, hat er wohl nie behauptet; aber dass die Aufklärung selbst eine Folge der Reformation – wohl eher unbeabsichtigt – sei, ist gewiss seine Überzeugung. Den Vektor, der die Reformation zur Aufklärung führt, hat er bis in die Diskussionen um die Legitimität der Neuzeit weiterverfolgt; und stets war es für ihn entscheidend zu betonen, dass gerade die Gegenwart, die ge- legentlich meint, sich von der Religion verabschieden zu können, noch in diesem Abschied den Kredit der Religion bemüht. Es ist schön, dass die vorliegenden Beiträge zu Walter Sparns Festschrift diese Am- plitude bedenken – auszuloten ist sie zwischen zwei Buchdeckeln wohl nicht. Man kann die Fest-Aufsätze in sechs Gruppen ordnen. Die Ordnung spiegelt einerseits die Doppeldeutigkeit des Begriffs Aufklärung: sie ist sowohl historisch als auch normativ; andererseits zeigen die Texte auch, dass Theologie und Aufklärung sich keineswegs bruchlos zusammenfügen. 8 Wilhelm Schmidt-Biggemann 1 Vernunft und Frömmigkeit in reformatorischer Perspektive Offensichtlich bewirkte die Reformation einen Frömmigkeitsschub, aber sie war dennoch weniger vernunftfeindlich als angenommen. Die erste Gruppe von Auf- sätzen zeigt Beispiele einer Theologie, die Vernunft und Frömmigkeit miteinan- der verbinden. Günter Franks Essay zu Grotius betont die nachhaltige Wirkung Melanchthons, die sich als überkonfessionelle Vernünftigkeit in der Tradition der Philosophia perennis zeigt; und diese historisch begründete Vernunft dient, wie er zeigt, zur Grundlage des frühneuzeitlichen Naturrechts. Paulus hat im Brief an die Kolosser (Kol 2,8) vor den Philosophen gewarnt – und in der bibelzentrierten reformatorischen Theologie ist diese Stelle oft als Distanzierungsfigur gegen die scholastische Philosophie interpretiert worden. Robert Kolb zeigt in seinem Bei- trag, dass diese Konfrontation schon in der späten Reformation in ein versöhnli- ches Miteinander von Theologie und Philosophie mündet, indem die Philosophie – wie in der Scholastik – der Theologie zu- und untergeordnet wird. Gegenüber allen scholastischen Rationalitäten hat sich die Reformation vor allem als herzensfromm und Jesuszentriert verstanden – die Kirchenlieder waren der Ausdruck und das Vehikel dieser Frömmigkeit. Der Beitrag von Ernst Koch stellt diese Gefühls- und Innerlichkeitsdimension anhand von Predigten über die 13. Strophe von Luthers »Vom Himmel hoch da komm ich her« vor; und da der Autor dieses Beitrags die Strophe als bekannt voraussetzt und nicht eigens zitiert, sei dies hier getan – auch, weil es zugleich erbauliche und große Literatur ist: Ach, mein herzliebes Jesulein Mach dir ein rein sanft Bettelein, Zu ruh’n in meines Herzens Schrein, Daß ich nimmer vergesse dein. 2 Satire und Neologie Der historische Schwerpunkt der hier versammelten Beiträge liegt auf dem 18. Jahrhundert – und die Texte spiegeln die breite intellektuelle Amplitude der Auf- klärungsperiode: Sie reicht von der religionskritischen Satire zur natürlichen Theologie und von neologischer Vernunftsanftmut bis zu vernunftkritischem Bi- blizismus, zu neoorthodoxer wie zu spekulativer Apologetik; diese Aufklärungs- perspektiven werden im zweiten, dritten und vierten Teil dieses Bandes vorge- stellt: zunächst geht es um die durchaus harmoniefähige Spannung zwischen Sa- tire, Kirchenkritik und Neologie, die von Holberg bis Wieland reicht und die ver- nunftsanfte Vermittlungstheologie geradezu umarmt: Joar Hagar stellt den einen Arm mit Ludwig Holbergs Roman Nicolai Klims unterirdische Reise als Religions- und Kirchensatire vor, der andere Arm, der die Neologie umfängt, ist das auf- geklärt-kritische Christentums in Wielands späten Romanen, das Jan Rohls be- schreibt. In der repräsentativen Mitte zwischen den beiden Satirikern stehen zwei biedersanfte religiöse Vernunftoptimisten: Alexander Pope, dessen Essay on Man Christoph Bultmann in seiner vielfältigen deutschen Wirkung darstellt, und J. F. Vorwort 9 W. Jerusalem, der Die vornehmsten Wahrheiten der Religion in ihrer pädagogisch bekömmlichen Einfachheit propagierte, wie Markus Buntfuß erläutert. In gewisser Weise ist der Prediger Franz Volkmar Reinhard, den Kenneth Appold vorstellt, der hochgefeiert und bald vergessen die Orthodoxie der späten Aufklärung noch ein- mal andienen wollte, auch noch ein Beispiel konservativer Akkommodation und eine Art widerwillig-suprarationaler Neologe. 3 Religion als Streitsache Mit Lessing kommt ein schärferer, auch spekulativerer Ton in die theologische Dis- kussion der Aufklärungstheologie: sie wird zur Streitsache. Zwar beginnt dieser Abschnitt eher biographisch-gemütlich mit den teils verweigerten, teils befremd- lich akkommodierten Perspektiven aufs katholische Italien, die Albrecht Beutel in Lessings und Herders Italienreisen ausmacht. Jan Kranat stellt die neue tschechi- sche Übersetzung von Lessings kleinen theologischen Schriften vor, in denen Les- sing sein theologisches Programm skizziert. Auch in der Kontroverse zwischen Hamann und Mendelssohn, in der der Vf. dieser Einleitung das durchaus pole- mische Verhältnis von Hamanns entschiedenem Christentum und Mendelssohns aufgeklärten Judentum behandelt, ist Lessing der dritte im Streit, denn er möchte Judentum und Christentum in einem humanen Pantheismus aufheben. 4 Transzendentalphilosophische Verwindungen der Aufklärungstheologie Die Spekulation, die transzendentalphilosophisch vom »ich denke, das alle mei- ne Vorstellungen muss begleiten können«, ausging, wurde mit Kant zum