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Das Schweizer & Magazin Mai/Juni Nr. 3 /2020 ts Schweiz CHF 11.00 / Deutschland / Österreich € 6,90 ' roo n es' Blu

JAZZ‘N 'MORE

Ben Wendel Maria Schneider Nils Wogram Anna & Stoffner Reverend Shawn Amos Jana Herzen Feigenwinter/ Oester/Pfammatter Elian Zeitel Dominik Schürmann Rebecca Saunders Andy Guhl Adrian Mears Lindsay Beaver Leroy Williams Larissa Baumann Jazzfestival Schaffhausen

christian McBride The Movement revisited Mit Mehr als 100 Cd-Besprechungen

JNM_03_20_01_Cover_Christian Mc Bride_def.indd 1 26.04.20 18:55 Situationsbedingt IM LIVE-ONLINE FORMAT Aktuelle Infos und Zugang: www.jazzfestival.ch

www.jazzfestival.ch 31.31. SchaffhauserSchaffhauser Jazzfestival

13. bis 16. Mai 2020 13. bis 16. Mai 2020 hierry Burgherr Foto: T Gestaltung: Rosmarie Tissi

JNM_03_20_02-03_EDI_Inhalt.indd 2 26.04.20 19:57 EDITORIAL INHALT 3 Editorial/Inhalt/Impressum 4 Flashes 8 reviews Liebe Leserinnen und Leser, 10 Previews 12 Schaffhauser Jazzfestival Online-Edition in der letzten Ausgabe habe ich angekündigt, kürzertreten zu 14 Christian McBride – wollen und das Editorial abzugeben. Dass ich nun aus aktuel- Die Diskriminierung existiert weiter lem Anlass doch wieder in die Tasten haue, ist in Anbetracht 17 Anna&Stoffner der Situation und für mich als Herausgeber von JAZZ’N’MORE 18 eine Verpflichtung. 21 Adrian Mears 22 Nils Wogram Das Virus hat uns alle im Griff, wir mussten uns in no time 24 Maria Schneider auf ganz neue Lebensgewohnheiten einstellen und jeden 27 Feigenwinter/Oester/Pfammatter trifft es auf seine Weise. Bei uns im Kultursektor brechen im 28 Jana Herzen Moment die Dämme. Keine Konzerte, keine Festivals, keine Theateraufführungen, Stillstand überall. Begegnet wird dieser BLUES’n’roots Situation mit vielen Online-Konzerten aus dem Wohnzimmer, 30 Lindsay Beaver mit Videokonferenzen, Homeoffice. Das kann einerseits für 32 Hörbar Blues zwei bis drei Wochen amüsant und kreativ sein, längerfris- 35 Reverend Shawn Amos tig wird es jedoch zum Problem, auch wirtschaftlich. Den 36 Larissa Baumann Musiker*innen fehlen die Gagen, den Veranstaltern die Ein- tritte, den Angestellten die Löhne. Hier sind schnelle und 38 New Projects: Elian Zeitel – unkomplizierte Lösungen gefordert. Dominik Schürmann 39 Andy Guhl Auch bei JAZZ’N’MORE ist der Einbruch der Insertionen 40 Neue Musik Rebecca Saunders massiv, denn jetzt würde die Festival- und Konzertsaison be- 42 Hörbar Neue Musik ginnen und die Veranstalter hätten wie jedes Jahr ihre Anzei- 44 Hörbar jazz gen platziert. Dieses Geld fehlt nun in unserem Budget und 60 Special Hörbar/Les-/Sehbar wir mussten vieles überdenken, um euch, liebe Leserinnen und 62 Unsung heroes – Leroy Williams Leser, gerade in dieser Notlage ein lesenswertes Magazin zu 63 Trouvailles: Art Pepper präsentieren. 64 Farewells 68 koONZERT-tipps – Club- und Festival-programme Dass dem ganzen Team von JAZZ’N’MORE dies sehr gut 71 Radio-/TV-Programme gelungen ist, zeigt die vorliegende Ausgabe, natürlich wieder Titelbild: Christian McBride, Foto: Dragan Tasic mit spannenden Themen, Interviews und Storys. IMPRESSUM Verlagsadresse: JAZZ’N’MORE GmbH, Nun wünsche ich euch Spass beim Lesen, Birmensdorferstrasse 20, PF 308, CH-8902 Urdorf eine gute Zeit und bleibt gesund. Telefon: +41 44 912 08 03 E-Mail: [email protected], Website: www.jazznmore.ch Herausgeber: Peewee Windmüller Euer Peewee Windmüller Kreation/Produktion: Theres Windmüller, Creative Director Redaktionsleitung: Peewee Windmüller Redaktion Jazz: Rudolf Amstutz, Ruedi Ankli, Pirmin Bossart, Luca D’Alessandro, Dorothea Gängel, Silvano Luca Gerosa, Tom Gsteiger, Thomas Meyer, Georg Modestin, Christian Rentsch, Steff Rohrbach, Jürg Solothurnmann, Phil Stöckli, Christof Thurnherr Chefredaktion Blues: Marco Piazzalonga Redaktion Blues: Cla Nett, Heinz Sollberger Mitarbeiter dieser Ausgabe: Angela Ballhorn, Florian Bissig, Michel Esterman, Christoph Merki, Michael van Gee Fotos: Palma Fiacco, Francesca Pfeffer, Dragan Tasic, Robert Reding, Peewee Windmüller PS: Nach dem Bekanntwerden des Lockdowns Mitte März haben wir uns Lektorat: Christof Thurnherr spontan entschieden, die aktuelle Ausgabe zum kostenlosen Download ins Korrektorat: [email protected] Anzeigenleitung: Peewee Windmüller, [email protected] Netz zu stellen. JAZZ’N’MORE wurde über 3'000 Mal heruntergeladen, Telefon: +41 44 912 08 03 was uns sehr freut. Es ist geplant, das Experiment mit dieser Ausgabe ab Koordination: international media solutions IMS AG, 9434 Au Druck: Ostschweiz Druck AG, 9300 Wittenbach

hierry Burgherr dem 25. Mai in Verbindung mit einer Crowdfunding-Kampagne zu wieder- T ISSN 1424-9375 holen. Printed in Foto:

Einzelverkaufspreis Schweiz: CHF 11.–, Jahresabo: (6 Ausgaben) CHF 50.– exkl. 2,5 % MwSt., Jazz’n’more dankt für die Unterstützung durch die Fachstelle Kultur des Kantons Zürich Studenten-/Schülerabo: CHF 25.– exkl. 2,5 % MwSt. Einzelverkaufspreis D/A: € 6,90 Jahresabo: (6 Ausgaben) € 33.00 (zzgl. Versand € 5.00) Für eingesandte Manuskripte, Leserbriefe, Tapes, CDs und Fotos wird keine Haftung übernommen. Das Urheberrecht für den gesamten Inhalt liegt, sofern nicht anders angegeben, beim Verlag. Gestaltung: Rosmarie Tissi Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung des Verlages erlaubt. Es gelten unsere allgemeinen Geschäftsbedingungen.

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LatZ – Life at the Zoo Jazz und Film – Von Fellini bis Morricone (Soundcloud Sessions & At Home Solos) Dieses Jahr wäre der berühmte italienische Regisseur Federico Fellini 100 Jahre alt ge- worden. Für das Römer Label Cam Jazz war dies eine Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie sehr der fantasievolle Künstler aus Ri- mini mit seinen Filmen auch den Jazz inspi- riert hatte.

Fellini als Inspiration Fellinis einzigartiges Werk der Fantasie gekonnt verjazzt hat ein illustres Quintett um den Römer Pianisten Enrico Pieranunzi. Man muss sich die Namen der Topmusiker an seiner Seite auf der Zunge zergehen lassen: (tp, flh), Und plötzlich gehen alle Scheinwerfer aus Chris Potter (ts, ss), Charlie Haden (b) und Paul ... Und plötzlich fällt der Vorhang ... Und Motian (dr). Ein Must, sozusagen der ultimative plötzlich schliessen alle Museen ... Und Einstieg ins Thema. Den Kultfilm ”La dolce vita” wähnen, eine Aufnahme des grossen Kenny Clar- plötzlich werden alle Jazzclubs verriegelt ... (1960) haben sich (tp) und Giovan- ke mit der Francy Boland Big Band von 1968, das Die Corona-Pandemie hat der lebendigen Kultur- ni Tommaso (b) vorgenommen, mit dem damals sich verschiedenen Filmthemen widmete. szene quasi über Nacht den Boden unter den Füs- jungen Stefano Bollani (p) sowie dem erfahrenen Ruedi Ankli sen weggezogen. Und darum wandern zurzeit im- Roberto Gatto (dr) im Quartett. mer mehr Künstlerinnen und Künstler ins Inter- Pasolini, Morricone etc. Diskographie net aus. Viele versuchen dort ihr Glück als Einzel- Pieranunzi hat sich im Trio mit (b) ➤ Tommaso Rava Quartet: La dolce vita (2000) kämpferinnen und Einzelkämpfer. und Joey Baron (dr) – seiner stärksten Formation ➤ Wheeler/Potter/Pieranunzi/Haden/Motian: Dem Einzelkämpfertum setzen Wolfgang Zwiauer der letzten 15 Jahre! – der Musik von Ennio Mor- Fellini Jazz (2003) und Tom Gsteiger ein kooperatives Projekt für krea- ricone gewidmet. Auffallend übrigens, wie wir ➤ Antonio Faraò, , : tive Musikerinnen und Musiker entgegen, welches bei all diesen Film-Projekten die Namen grosser Takes on Pasolini (2005) sich Life at the Zoo (LatZ) nennt. Drummer finden: Motion, Baron, Gatto und Hu- ➤ Antonio Faraò, Dominique di Piazza, Zum einen finden mit maximal vier Musiker*innen mair. André Ceccarelli: Woman’s Perfume (2016) 4-stündige bezahlte Aufnahmesessions im Stu- Der Pianist Antonio Faraò widmet sich gleich zwei ➤ Edward Simon, Scott Colley, Clarence Penn: dio The Zoo in Bern statt, die sich zu einem gros­ Themenbereichen, zunächst mit dem sensationel- A master’s diary (2006) sen Teil durch noch nicht erprobte Konstellatio- len Rhythmus-Gespann Miroslav Vitous (b) und ➤ , , Martin France: nen auszeichnen. Statt langweilige Perfektion an- Daniel Humair (dr) Themen aus Filmen von Pier Giulia’s Thursday’s (2006) zustreben, geht es dabei um echte Spontaneität. Paolo Pasolini, dann mit Dominique di Piazza (b) ➤ Enrico Pieranunzi, Marc Johnson, Joey Baron: Ergänzt werden die Aufnahmen dieser Sessions und André Ceccarelli (dr) ”Women’s Perfume” Morricone (2014) durch ganz unterschiedliche und überraschende (”Profumo di donna”, nach einem Roman von Gio- ➤ /Francy Boland Big Band: Grüsse aus Wohnstuben- und Probenkellerstu- vanni Arpino, der auch als amerikanisches Re- Plays Famous Themes from great Motion dios, die ebenfalls bezahlt werden. Bewerben kön- make erschien). Pictures (1968/Reed. 2002) nen sich Musiker*innen nicht, die Bands werden Das Trio von Edward Simon (p), Scott Colley (b) (alle CDs bei Cam Jazz: www.camjazz.com) spontan von Zwiauer und Gsteiger angefragt. und Clarence Penn (dr) hat sich der Verfilmungen Bis am 8. April haben über 70 Musiker*innen zu- des Komponisten Fiorenzo Carpi (u. a. Musik für gesagt, beim LatZ-Projekt mitzumachen. Die Auf- ”Pinocchio”) angenommen. John Taylor (p), Palle Swiss Blues Challenge 2020 nahmen werden fortlaufend im Internet präsen- Danielsson (b) und Martin France (dr) widmen tiert und sollen dort mindestens ein Jahr lang ab- sich der Musik, die Carlo Rustichelli für die Filme rufbar sein. von Nanni Loy und Pietro Germi schrieb. Schliess- www.soundcloud.com/life-at-the-zoo lich ist neben all diesen Trios noch ”More” zu er-

Neues von Tuk Daniele Sorrentino (b) und Luigi Del Prete (dr), die für eine neue Generation stehen, hat er acht ge- lungene Meditationen zum Thema ”Ort – Nicht- t Reding

Ort” eingespielt: Ein ”Nirgendwo”, in das vielleicht r die Träume entschwinden, in dem sich aber auch die künstlerische Kreativität versteckt. Die Jungs harmonieren ganz hervorragend. Insbesondere Christina Jaccard Gitarrist Francesca bringt sich stark ins Spiel. Foto: Robe Francesca spielt auch im Low Frequency Quartet Die Finalisten der diesjährigen Swiss Blues von Alessandro Tedesco (tb, keys), der nach fünf Challenge sind bekannt. Wann und wo hin- Alben als Leader sein Tuk-Debut ”Lifetime” haupt- gegen nach der Corona-bedingten Absage sächlich den Freuden eines frisch gebackenen des Basler Summerblues das Finale ausge- Vaters widmet: ein melodisches Album mit viel tragen wird, ist noch unklar. Die Swiss Elektronik. Blues Society wird zu gegebener Zeit infor- Für den Bassisten Marco Bardoscia ist ”The Futu- mieren. re is a Tree” nach neun Partnerschaften auf Tuk Für die zehnte Ausgabe der Swiss Blues Challen- nun sein erstes als Leader. Im Trio mit William ge hatten sich dieses Jahr 24 Acts mit ihren Wir kehren in dieser Rubrik immer wieder Greco (p) und Dario Congedo (dr) setzt er sich mit Soundfiles beworben. Das eingesandte Material auf die wenigen unabhängigen Labels zu- der Zeit und dem Klima auseinander. Die ersten wurde von der bewährten, aus Musikern, Veran- rück, die es nicht nur im italienischen Um- vier Kompositionen sind den Jahreszeiten gewid- staltern, Journalisten und Blues-Sachverständi- feld schwer haben. Dank Online-Versand met, die anderen fünf nehmen Bezug auf die Kli- gen zusammengesetzten Jury nach den Normen und Download haben aber die kleinen und maveränderungen. Dem Pianisten Greco gelingt der Blues Foundation genau unter die Lupe ge- feinen Label wie Auand, Parco della Musica es hervorragend, die verschiedenen Aspekte in nommen. Jene vier Teilnehmer, welche mit einem Roma oder Tuk eine neue Chance, auch auf lyrisch bezauberndem Spiel zu durchleuchten, un- je 25-minütigen Set ihr Können live unter Beweis dem internationalen Markt. terstützt durch eine Rhythmus-Gruppe, die sich stellen dürfen, sind – stilistisch breit gefächert Mit der Gründung seines Eigenlabels Tuk gewann in dezentem Kollektivspiel zurückzunehmen ver- von Bluesrock bis Jump Blues, von Boogie Woo- Paolo Fresu nicht nur für sich selber eine grosse steht. gie bis Roots Rock – die Ellis Mano Band, Freddie künstlerische Freiheit, er lässt auch andere, jün­ Es ist interessant, wie Fresu mit seinem Label – & The Cannonballs, David Minster und die Christi- gere und in Nischen operierende Musiker daran wie übrigens auch mit seinem Festival Time in Jazz na Jaccard-Dave Ruosch Band. Die Sieger des Fi- teilhaben (siehe dazu auch die Hörbar Special zu – klare, in die Zukunft weisende Akzente setzt. nales werden unser Land an der nächstjährigen Bellinis Oper ”Norma”). Ruedi Ankli European Blues Challenge in Polen vertreten und Die hier vorgestellten drei Bandleader mit Tuk- haben ausserdem die Möglichkeit, an der Inter­ Debut stammen aus Süditalien und verdienen ➤ Vincenzo Saetta: Nowhere national Blues Challenge in Memphis teilzuneh- die ihnen entgegengebrachte Aufmerksamkeit. ➤ Marco Bardoscia: The Future is a Tree men. Zudem bieten die bekanntesten Schweizer Der Saxophonist Vincenzo Saetta präsentiert mit ➤ Alessandro Tedesco Low Frequency Quartet: Bluesfestivals den Gewinnern einen Slot in ihrem ”Nowhere” einen anspruchsvollen Erstling. Mit Lifetime Hauptprogramm an. Marco Piazzalonga Alessandro Lanzoni (p), Giovanni Francesca (g), CDs (alle Tuk: www.tukmusic.com/Edel:Kultur) www.swissblues.ch 4­ JAZZ

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Gediegene Reissues – Auf Groove Replica werden klassische Jazzalben HEMU/CL: Neue Leiter als LP-/CD-Doppelpack wiederaufgelegt. John Cohen und Nicolas Farine heissen die Seit der Einführung des Buchdrucks im 15. beiden neuen Leiter an der Haute École de Jahrhundert hat kein Zeitalter eine ver- Musique Vaud Valais Fribourg (HEMU) res- gleichbare mediale Umwälzung erlebt wie pektive dem Conservatoire de Lausanne (CL). das unsere. John Cohen und Nicolas Farine komplettieren das Im Bereich der Musik reicht ein Menschenleben Direktorium der einzelnen Standorte der Hoch- aus, um die sukzessiven Übergänge von der LP schule zu der neben Lausanne auch Sitten, Frei- zur CD und von der CD zu einzelnen digitalen Da- burg und Le Flon gehören. John Cohen über- teien mitzumachen. Dies bedeutet nicht, dass die nimmt die Leitung des Konservatoriums in Lau- LP und die CD verschwunden wären, wie seiner- sanne und wird sein Amt Ende Sommer zu Beginn zeit die 78-Touren-Platten. Vielmehr ist ein Ne- des Schuljahres 2020 antreten. Cohen ist Absol- beneinander von Trägermedien eingetreten, wenn vent des Brüsseler Konservatoriums und der auch mit unterschiedlichen Vorzeichen: Wäh- Hochschule für Musik in Wien und promovierte an rend der CD-Markt schrumpft (wobei das CD-Al- der Universität Lille. Danach arbeitete er als Ra- bum als in sich geschlossenes Ganzes nach wie dioproduzent bei France Musique und France vor einen gewissen Referenzwert darstellt), erlebt ­Culture, bevor er als Direktor der Konservatorien die LP – nachdem sie von der CD fast vollständig in den französischen Departementen Clamart und verdrängt worden war – eine Renaissance, wenn Montreuil fungierte. Er forschte zudem an der auch auf bescheidenem Niveau und in einer eige- Schnittstelle von Musik und Philosophie und ver- nen Nische. Aus klanglichen, aber auch ästhe­ öffentlichte unter anderem das Werk ”Musique et tischen und nicht zuletzt haptischen Gründen hat communauté esthétique” über Beethoven und die LP überlebt, und es gibt eine Reihe von Unter- Kant. John Cohen tritt die Nachfolge von Alain nehmen, die sich auf das Nachpressen von Alben das digitale Zeitalter ist jeder LP eine CD-Ver- Chavaillaz an, der am 1. Januar 2020 als stell­ spezialisiert haben. Dabei ist die Breite an Titeln sion beigegeben, die einen grossen Vorteil dieses vertretender Direktor in die Generaldirektion der und Musikern gerade im Jazzbereich erstaunlich Mediums ausnützt, nämlich die längere Laufzeit, HEMU eingetreten ist. gross: So werden inzwischen auch obskurere und folglich Bonus-Tracks enthält. Angesichts Nicolas Farine dagegen ist keine Neubesetzung, Langspielplatten nachgepresst. des konservativen Programms von Groove Replica leitete er doch die klassische Abteilung der Lau- Eine andere Politik verfolgt das Label Groove Rep- dürften die LP-/CD-Auflagen dieser klassischen sanner HEMU schon interimistisch seit Septem- lica, das sich auf die Reproduktion von Jazzklassi- Jazzalben in erster Linie als Einstiegshilfe für ber 2018. Nun wurde er in seiner Position bestä- kern verlegt hat. Dave Brubeck, Miles Davis, Bill künftige Jazzhörerinnen und -hörer dienen. tigt. Farine war Gründer und Co-Leiter der Jeune Evans, Ella Fitzgerald und Louis Armstrong ge­ Georg Modestin Opéra Compagnie sowie stellvertretender musika- hören alle zu den grossen Namen, einzig der Be- lischer Leiter des Ensemble vocal de Lausanne kanntheitsgrad von Etta James dürfte etwas ge- ➤ Etta James: At Last (Groove Replica 77010) und Leiter des Grand Chœur de la HEM in Genf ringer sein. Der Reiz der Groove-Replica-Produkti- ➤ Dave Brubeck: Time Out und Neuenburg. Ursprünglich Pianist und Trom- onen liegt eher in der Ausstattung und im mode- (Groove Replica 77011) peter, promovierte er an der Université de Mont- raten Preis – und das bei einer erfreulich transpa- ➤ Miles Davis: Kind Of Blue réal und perfektionierte in der Folge als Dirigent renten Klangqualität. Mit Ausnahmen werden die (Groove Replica 77012) seine Fähigkeiten in den USA, Kanada und Öster- Originalcovers reproduziert, wiedergegeben wer- ➤ : Waltz For Debby reich. Neben Aufführungen symphonischer Wer- den auch die ursprünglichen Liner Notes (aller- (Groove Replica 77013) ke inszenierte er auch zahlreiche Opern. Zudem dings nicht selten in gekürzter Form). Als Tribut an ➤ Ella – Louis (Groove Replica 77014) (Inakustik) war Farine Präsident der Schweizerischen Gesell- schaft für zeitgenössische Musik. Ruedi Amstutz

CD UND DIGITAL CD, LP UND DIGITAL DVD UND BLU-RAY CD, LP UND DIGITAL NINA SIMONE CURTIS STIGERS MILES DAVIS KANDACE SPRINGS FODDER ON MY WINGS GENTLEMAN BIRTH OF THE COOL NACH MILLIONEN VERKAUFTEN THE WOMEN WHO RAISED ME DAS WIEDERENTDECKTE GEBURTSSTUNDE DER COOLNESS: ALBEN UND EINER 28-JÄHRIGEN SUBTILE FRAUEN-POWER: NINA SIMONE ALBUM, ERSTMAL EIN FILMISCHES DENKMAL FÜR MUSIKKARRIERE KEHRT STIGERS AUF IHREM DRITTEN ALBUM ZOLLT WELTWEIT ERHÄLTLICH! DEN LEGENDÄREN JAZZ-MUSIKER MIT NEUEN SONGS UND HANDVER- DIE SÄNGERIN UND PIANISTIN MIT VOM PREISGEKRÖNTEN LESENEN COVERS ZURÜCK POP-, SOUL- UND JAZZ-KLASSI- REGISSEUR STANLEY NELSON KERN IHREN HELDINNEN TRIBUT

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CD-Box zum 100. Geburtstag von Boris Vian Charlie Parker – The Savoy 10-Inch LP Collection Boris Vian wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden. Verstorben ist der Dichter, Ro- Die Neuauflage der vier damals für das La- mancier, Komponist und Trompeter an ei- bel Savoy aufgenommenen und als Kompi- nem Herzversagen im Alter von 39 Jahren. lationen herausgegebenen 10inches kommt Ausgerechnet die Trompete spielte das herz- in einem dicken Kartonschuber daher. Die schwache Multitalent. Vian kam dabei oft in den Robustheit der Verpackung steht sinnbild- ”Grenzbereich Todeszone”, wie es Reinhard Mess- lich für die jazzhistorische Bedeutung des ner ausdrücken würde. Vian spielte in den Jazz- Inhalts. kellern von Saint-Germain im wilden Paris der Die Geschichte ist bekannt: Während des 1942 Nachkriegsjahre. Er schrieb Dutzende von Lie- durch die Musiker-Gewerkschaft ausgerufenen dern, darunter dasjenige, das ihn unsterblich dentlicher Musiker und gestaltete mit Vians Lie- Recording Ban 1942 wurde quasi abseits einer machte, ”Le déserteur”: In einem fiktiven Brief an dern so etwas wie ein eigenes, humorvolles Gen- grösseren medialen Aufmerksamkeit an einem den Präsidenten teilt er diesem mit, dass er den re, geprägt von der gemeinsamen Liebe zum Jazz neuen Jazz-Stil gewerkelt. Als die Aufzeichnungs- Dienst verweigere, und dass die Gendarmen auf und karibischen Rhythmen: eine echte (Wieder-) beschränkung 1944 aufgehoben wurde, war die ihn schiessen können, wenn sie ihn abholen. Die- Entdeckung! Entwicklung so gut wie abgeschlossen und das ser Schluss wurde verschiedentlich anders inter- Die Box ist eine wahre Fundgrube und zeigt, wie Neue trat mit umso grösserer Wucht in Erschei- pretiert, weil das Thema zur Zeit des Indochina- Vians in den 1950er-Jahren geschriebene Songs nung. Die damals als Reihe "New Sounds In Mo- Kriegs heiss brannte. Als das Lied 1954 erschien, weit über seinen Tod hinaus das französische dern Music" veröffentlichten Aufnahmen Parkers war Bob Dylan übrigens gerade mal 13, Georges Chanson prägten. Unter den vielen Interpreten mit unterschiedlicher Besetzung – u. a. mit Miles Brassens und Léo Ferré hatten ihre ersten Auf­ seien die bekanntesten erwähnt: Maurice Chevali- Davis, , Bud Powell, Slim Gaillard, nahmen gemacht, Jacques Brel war noch kaum er, Sacha Distel, Les Frères Jacques, Hildegard bekannt. Vian verband in seinen Liedern seine rei- Knef (sic!), Yves Montand und die unvergessli- che Kenntnis von Jazz, Tango und anderen Gen- che Magali Noël, mit der Vian im Duo das skandal- res, die er jeweils voller Ironie interpretierte. trächtige ”Fais-moi mal, Johnny” interpretierte. Er selber sang zwar auch, aber für die Nachwelt Eine Absenz darf nicht verschwiegen werden: gibt es um den Faktor 10 multipliziert mehr In­ Serge Reggiani wurde in den Sechzigerjahren be- terpretationen seiner Lieder. Zum Geburtstagsju­ kannt mit seinem Vian-Rezital. Er fehlt auf dieser bi­läum erscheint eine CD-Box mit einem über Kompilation, ist aber für eine Nachfolger-Edition 60 Seiten starken Booklet. Die erste CD enthält vorgesehen. Ruedi Ankli die knapp 20 Aufnahmen mit Vian selber. Vian schrieb aber vorwiegend Lieder für Interpreten. 10 CD-Box: Unter diesen sticht der grossartige Henri Salvador Boris Vian et ses interprètes: Chansons (1917–2008) mit zwei CDs hervor. Der Sänger (Le Chant du Monde 574 3080 89 / MV) mit karibischen Wurzeln war selber ein ausseror-

Konzertmitschnitte des Dizzy Gillespie Quintets 1961 (JAH-411) + des Duke Ellington Orchestras 1967 (JAH-403) Bandmitgliedern vorbehaltenen solistischen Ein- lagen ”Willow Weep For Me” und ”I Can´t Get Started”. Vom Rundfunk wunderbar aufgenom- Erroll Garner, Bud Powell, Red Norvo, und Max men, hat diese Musik bis heute keinerlei Patina Roache (sic!) – waren revolutionär. Die vier Alben angesetzt und reisst immer noch den Hörer mit. als Originalausgaben in gutem Zustand kosten Das Duke Ellington Orchester vom März 1967 war heute auf Discogs einen vierstelligen Betrag und ebenfalls im Umbruch begriffen. Denn das ”Alter so kommt es dem bescheideneren Sammler zu­ Ego” des Duke, der Pianist Billy Strayhorn war gute, dass sie nun auch auf Vinyl wieder er- schwer erkrankt und konnte bei dieser Tournee schwinglich sind. Der "newly restored and re­ schon nicht mehr dabei sein, und der Duke hatte mastered"-Sound der dicken Scheiben ist ange- Das Label SWR Jazzhaus hat erneut das eine ganz neue, junge Rhythmusgruppe dabei, nehm warm und klingt trotz vieler Überarbeitung Rundfunkarchiv geöffnet und zwei Konzert- nämlich den Bassisten John Lamb (*1933) und noch immer authentisch. Bop hat bisweilen den mitschnitte des damaligen SDR für das inte- den Schlagzeuger Rufus Jones (*1936). Auch das Ruf, sich nicht um das Publikum zu kümmern und ressierte Jazzpublikum veröffentlicht. Duke Ellington Orchester war an diesem Abend vorauszusetzen, dass sich der Hörer auf die Musik Den Anfang macht das Dizzy Gillespie Quintet des in der Stuttgarter Liederhalle in Bestform, wie die zubewegt. Tatsächlich haben es auch diese Stü- Jahres 1961, das Ende November auf grosser insgesamt 13 Tracks, ein bunter Mix aus alten, cke und Interpretationen unter der Leitung Parkers Europatournee auch in der Stuttgarter Liederhalle aber auch neuen Kompositionen des Duke hörbar in sich, aber die Aufnahmen aus dem Epizentrum Station machte. Dabei reiste Dizzy Gillespie mit belegen. Natürlich durften auch die bewährten des Neuen ziehen in Bann und sind deshalb ein einer ganz neuen, sehr jungen Band an, die aus Solisten, die jahrelang schon im Orchester sa- geeigneter Einstieg auch für Bop-Novizen. In den dem Altsaxophonisten und Flötisten Leo Wright ssen, solistisch brillieren, wie die Trompeter Cat Liner Notes versucht der Grammy-gekrönte Autor (*1933), dem Pianisten Lalo Schifrin (*1932), Anderson und Cootie Williams, die Posaunisten Neil Tesser zwar etwas angestrengt, die Brücke dem Bassisten Bob Cunningham (*1934) und Lawrence Brown und Buster Cooper, die Saxo- von Parker zur heutigen Musik zu schlagen. Aber dem Schlagzeuger Mel Lewis (*1929) bestand. phonisten Johnny Hodges, Jimmy Hamilton und die mitgelieferten historischen Fakten und eine Das in Stuttgart aufgeführte Programm setzte Harry Carney. Über allem aber schwebte der Geist Handvoll seltener Fotos sind den Blick in das dün- sich zusammen aus einer ganzen Reihe, zum Teil des Duke, dessen unverkennbaren Orchester- ne Büchlein allemal wert. Christof Thurnherr neuer Stücke, die schon auf diversen Verve LPs sound man bis heute auf Anhieb erkennt. Auch der Jahre 1959 bis 1961 enthalten waren. Dazu dieses Konzert wurde vom damaligen SDR in her- Charlie Parker gehörten vor allem die Gillespie Kompositionen vorragender Qualität mitgeschnitten. The Savoy 10-Inch LP Collection ”Kush” und ”Con Alma”, der Ellington Klassiker Michael van Gee (Craft Recordings/Savoy Records) ”The Mooche” und natürlich die den einzelnen www.amazon.de/68,99 Euro

Erroll Garner Re-Issues Im Hinblick auf Erroll Garners hundertsten 1921 wird aber von Mack Avenue und Octave Geburtstag werden seine klassischen Alben wieder kräftig in sein Erbe investiert. Die Ver­ in aufgefrischter Form wieder auf den Markt antwortlichen haben sich bereits in der jüngsten gebracht. Vergangenheit mit Entdeckungen aus Garners Der aus Pittsburgh stammende Pianist Erroll Gar- Nachlass hervorgetan; im Rahmen einer eigenen ner, der am 2. Januar 1977 im Alter von 55 Jah- Reihe werden nun aber im Verlauf eines ganzen ren einem Lungenkrebsleiden erlegen ist, zählte Jahres nicht weniger als zwölf klanglich auf Vor- zu Lebzeiten zu den beliebtesten Jazzmusikern dermann gebrachte und durch bislang unver­ überhaupt. Seine optimistische Herangehenswei- öffentlichte Tracks ergänzte Erroll-Garner-Alben se, verbunden mit einem ansteckenden rhythmi- aus den 1960er- und 1970er-Jahren wieder auf schen Drive, sicherte ihm die Ohren eines brei- den Markt gebracht. ten Publikums, das nicht nur aus Jazzliebhabern Georg Modestin bestand. Nach Garners Ableben ist seine Popula­ ritätskurve kontinuierlich gesunken. Im Hinblick Erroll Garner auf seinen hundertsten Geburtstag am 15. Juni Octave Remastered Series (MV) 6­ JAZZ

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Münchner Freiheit Bryan Ferry Live Udo Schindler ist ein umtriebiger Mensch. sprichwörtlich aus dem gleichen Holz geschnitzt In seinem bürgerlichen Beruf als Architekt und interagieren sehr sensibel und subtil, was erfolgreich, widmet er jeden abkömmlichen sich wiederum hörbar auf den dazwischen plat- Moment seiner Lebenszeit seiner zweiten zierten Schindler auswirkt. Auf der Doppel-CD Leidenschaft, der freien Improvisation. "Mycelial­ Studies" sind das Konzert im Salon Allein schon durch den beachtlichen Umfang sei- und jenes in der Galerie arToxin gegenüberge- nes Katalogs hat der vielseitig interessierte Instru- stellt, was die spannende Frage der Wirkung des mentalist eine gewisse notorische Bekanntheit Aufführungsorts auf die Improvisation der Mu­ erlangt. Aber auch als Kurator einer bereits lang- siker beleuchtet. Die aktuellste CD, das Duo mit lebigen Konzertreihe hat er sich im Raum Mün- der Stimm- und Effektkünstlerin Franziska Bau­ chen verdient gemacht. In privater Initiative und mann kann gewissermassen als Gegenpol zum ohne jegliche öffentliche Unterstützung betreibt "Würfelwurf" gehört werden, indem sie den Ge- Schindler den Salon für Klang+Klangkunst in genpol der klanglichen Freiheit der gemeinsamen Am 4. Juli organisiert das Z7 im Römischen ­Krailling. Bereits mehr als 80 Mal hat er hier ­ Improvisation erkundet. Theater Augusta Raurica ein Konzert mit Gäste empfangen, mit denen er im intimen Rah- Schindler hat einen eigenen Stil, der in jedem Bryan Ferry. Dass dieser heute zu Unrecht men auftritt und parallel dazu organisiert er je- Kontext in anderen Farben schillert – für Freunde auf seine Rolle als Frontmann von Roxy Mu­ weils ein Zwillingskonzert in ausgewählten Loka- der freien Musik eine Reise nach München wert. sic reduziert wird, zeigt die Neuveröffent­ len im Raum München. Was aus diesen Zusam- Christof Thurnherr lichung seines legendären Konzerts "Live at menkünften entsteht, ist schwer beschreibbar – the Royal Albert Hall" von 1974. Schindler selbst beschreibt es als "Randständi- Ferry war im Zenit seines Stardoms angekommen ges, jedoch hoch anspruchsvoll und kreativ". Eine und nutzte die Zeit, sich als Solo-Künstler zu etab- tentative Verortung ist am ehesten aus dem Spek- lieren. Die Tour war kurz, nur gerade mal drei Auf- trum der Kollaboratoren ablesbar, die er für sei- tritte, und die Setlist bestand aus Stücken seiner ne Erkundungen der klanglichen Möglichkeiten beiden ersten Solo-Alben, "These Foolish Things" einlädt. ­Einen Einstieg ermöglicht beispielsweise von 1973 und "Another Time, Another Place" von die CD "Poetry??? Ein Würfelwurf" mit dem 1974, beide grösstenteils Covers. Begleitet wird Schlagzeuger Eric Zwang Eriksson. In dieser Kon- er – wie schon im Studio – von seinen RM-Kol­ stellation bleibt die freie Interaktion immer in ei- legen Phil Manzanera (g), John Porter (b) und Paul nem bekannten, in der freien Musik der 1970er- Thompson (dr) und als Arrangeur kommt Martyn Jahre verankerten Duktus und klingt, wenn auch Ford dazu. Doch der Auftritt wird von Ferry allein nicht bekannt, so doch einigermassen klar einor- bestritten, seine Darbietung als selbstironischer denbar. Abenteuerlicher wird es, erwartungsge- Dandy in Stücken wie "Sympathy For the Devil" mäss, mit dem Duo-Partner Jaap Blonk, mit dem (Stones), "It's My Party" oder "The 'In' Crowd" die Einspielung "Hillside Talks" vorgenommen treffen den Nerv der Zeit und machen die Aufnah- wurde. Geräusch, anatomisch Lauthaftes und me zu einem unverzichtbaren musikhistorischen Sprachähn­liches vonseiten Blonks stehen dem to- Dokument. Augusta Raurica wäre eine passende nalen Klang von Schindlers Cornet, Bassklarinet- Kulisse für einen weiteren ikonischen Auftritt ... te und Sopransaxophon gegenüber. Wieder zu Christof Thurnherr /ZVG anderem wird Schindler beim Zusammentreffen d

mit Ernesto und Gulherme Rodrigues an der Viola o: P Bryan Ferry t Udo Schindler

resp. am Cello animiert. Diese beiden Partner sind Fo Live at the Royal Albert Hall 1974 (BMG)

Aufruf an alle Schweizer Musiker und Musikerinnen zur Aktualisierung der An der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, Institut Sammlung Schweizer für Jazz, ist voraussichtlich ab dem Wintersemester 2021/22 eine Jazzbiografien Universitätsprofessur für Schlagzeug-Jazz Bruno Spoerri hat im Zusammenhang mit seiner Enzyklopädie Jazz (Vollbeschäftigung) zu besetzen. in der Schweiz (2005) eine jetzt schon recht umfassende Samm- lung von Biografien von Schweizer Jazzmusiker und Jazzmusikerin- Das kollektivvertragliche monatliche Mindestentgelt beträgt derzeit nen erarbeitet. Diese ist bei der Schweizerischen Nationalphonothek 5.245,60 € brutto (14 x jährlich, eine Überzahlung kann vereinbart im Netz publiziert werden). (www.fonoteca.ch/gallery/jazzBiographies/jazzBiographies de.htm). – Zu den Aufgabenbereichen zählen insbesondere die Lehre im Da wir in diesen Zeiten des Stillstands alle wohl mehr Zeit als sonst zentralen künstlerischen Fach Schlagzeug Jazz sowie die En- haben, hier ein Aufruf: Lass uns jetzt diese Sammlung ergänzen sembleleitung Jazz: Gesucht wird eine Künstlerpersönlichkeit, die und aktualisieren! aktuelle internationale Strömungen überblickend in der Lage ist, genreübergreifend zu arbeiten sowie kreative und neue Ensem- A) Falls Deine Biographie dort noch fehlt: Bitte verfasse Deine blekonzepte einzubringen. Darüber hinaus wird die verantwortliche Kurzbiografie und halte Dich dabei an die folgenden Vorgaben: Vertretung und Förderung des Fachs Jazz in seiner Gesamtheit, ● Vollständiger Name inkl. ev. üblicher Uebernamen insbesondere in der Entwicklung und Erschließung der Künste, ● Geburtsdatum und Geburtsort erwartet. ● Instrumente ● Angaben zu Ausbildung und wichtigsten Stationen des Lebens. Für den Unterricht im zentralen künstlerischen Fach in den Stu- (Bitte keine Werbetexte, sondern sachliche Angaben!) dienrichtungen Jazz und Instrumental(Gesangs)pädagogik Jazz ● Foto (300 dpi) wird eine herausragende künstlerische Persönlichkeit mit höchster B) Falls Deine Biographie dort schon vorhanden ist: Qualifikation erwartet, die auch zur Konzeption und Organisation Bitte überprüfen und Aktualisierungen melden. künstlerischer Projekte in der Lage ist. Vorausgesetzt wird eine hervorragende pädagogische und didaktische Eignung. Alle Beiträge bitte an Bruno Spoerri ([email protected]) schicken. Er wird für die Weiterleitung an die Fonoteca sorgen Bewerbungen sind bis längstens 29.05.2020 unter der GZ 01/20 und auch eventuelle Rückfragen machen. per E-Mail in einem PDF-Dokument an [email protected] zu senden. Detailinformation: csc-kug.at/studierende/jobinfo/stellenausschreibungen-kug Für das Rektorat Eike Straub

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Taktlos 2020 – Im Banne des Virus, 12. – 14.3.2020 Wie umfassend Sylvie Courvoisier ihr pianisti- sches Handwerk beherrscht und damit auch farben- reiche und emotional starke Soundbilder schafft, konnte sie am Taktlos noch mehrmals beweisen: zum einen mit ihrem Trio, bei dem anstelle des verhinderten Kenny Wollesen der Schlagzeuger Tom Rainey einsprang, aber auch im Quartett ”Maniac” von , in dem sie den eben- falls nicht angereisten Uri Caine ersetzte und so- wohl mit dem Spiel im Flügelinnern wie mit ihren jagenden Attacken auf der Klaviertastatur für eine

n freie und doch sehr präzise Musik sorgte. Kraftvoll und diszipliniert spielte zum Abschluss ttli E des ersten Abends das Trio No Flores mit Dave

Bichler Gisler (g), Tobias Meier (s) und Jonas Ruther (dr), z das mit Ramon Landolt (p, synth, electronics) er- gänzt wurde. Gisler gefiel mit harten, rockigen Riffs und schnellen Fingerkaskaden in rauen Ton- lagen. Das kam dosiert und ”dirty” genug, um die Spannung und die Soundwucht zu halten. Meier blies lange Töne in höchsten Lagen und fungierte Sylvie Courvoisier Foto: PD/ZVG/Michelle Ingrid Laubrock mit dem Trio Sleepthief Foto: PD/ZVG/Morit auch mal als melodiöser Brückenbauer. Ruther Zwar fand das Taktlos 2020 knapp noch rollenden Clustern, melodischen Abstraktionen agierte als impulsives, in unregelmässigen Schü- statt, doch das Corona-Virus sorgte für und mitlaufenden Soundscapes aus verzerrten, ben pochendes Monster. Tastenmann Landolt er- ein Programm, das aufgrund fehlender schwebenden und seltsam gespaltenen Klängen. gänzte die Fuhr mit seinen mal klaren, mal noisi- Musiker oder nicht angereister Band Irgendwann setzte Smythe eine Art Gasmaske auf gen Texturen. Unter dem Strich generierte die quasi fortlaufend neu angepasst werden und spielte ungerührt weiter. Ein Corona-Cyborg- Band zwei sich langsam aufbauende Crescendi, musste. Ghost sass jetzt am Flügel, was die Ambience im die in exzessiven Full-Blast-Passagen minuten- Improvisation war am diesjährigen Taktlos für ein- Raum und die Wirkung seiner Soundscapes so- lang schillerten und tobten. mal auch ganz heftig von den Veranstaltern ge- fort zu unterwandern begann. War das der Sound- fragt, die den Anlass trotz schwierigsten Umstän- track für eine antizipierte Zeit, von der wir jetzt Zürich statt den durchziehen konnten. Das Festival stand eh wissen, wie ungemütlich sie sich anfühlt? Ein Nicht ans Festival anreisen konnten Aki Takase, auf der Kippe. Der erste Abend im schönen Kul- ­kleiner Schlauch führte von der Maske zu seinem Mary Halvorson’s Code Girl und Shahzad Ismaily. turraum Walcheturm war noch einigermassen gut elektronischen Equipment, mittels dem Smythe Statt dem Duo Takase-Laubrock spielte die Saxo- besucht, für Freitag und Samstag wurde zusätz- in Erinnerung an einige 1970er-Jahre-Gitarristen phonistin Ingrid Laubrock mit ihrem Trio Sleep- lich ein Live-Stream organisiert. Vor allem aber (Peter Frampton) die Töne modellieren und Inter- thief mit Liam Noble (p) und Tom Rainey (Drums). musste laufend umprogrammiert werden. Das er- ferenzen erzeugen konnte. Obwohl diese Interven- Und Hans Peter Pfammatter (synths, spinet) und gab auch gute Überraschungen und testete nicht tion technisch nicht ganz zu klappen schien, über- Julian Sartorius traten ohne Ismaily im Duo auf. zuletzt die Erwartungshaltung von Impro-Liebha- zeugte der Pianist mit seinem Impact und seiner Die beiden improvisierten sich durch ein vehe- bern, die an solchen Wundertüten eigentlich Ge- dynamischen Nutzung des Instruments. mentes Set mit Ecken und Kanten und einigen fallen finden müssten. klanglichen Extravaganzen. Eine umfassende Courvoisier Schade war, dass Mary Halvorsons’s Code Girl Corona-Cyborg am Flügel Anschliessend bewiesen Pianistin Sylvie Cour­ das Festival auslassen musste. Dafür trat mit Da- Dieses Jahr erlebten wir nur den Auftaktabend voisier und Violinist Mark Feldman ihre stille, aber vid Meier (dr), Tapiwa Svosve (s), Tizia Zimmer- live, und er war ein Aufsteller. Pianist Corey Smy- auch leidenschaftliche Klasse. Die Vertrautheit mann (acc), Ramon Landolt (synths, p) und Domi- the, von dem die diesjährige Kuratorin Sylvie der beiden wurde sofort spürbar. Das Set kam nik Landolt (g) ein zusammengewürfeltes Quin- Courvoisier im Vorfeld schwärmte, spielte ein for- sehr frisch und engagiert, hatte seine innigen, tett aus Zürcher Musikerinnen und Musiker in Ak- sches, von Präparationen und Elektronik unterfüt- aber auch aufwühlenden und abstrakt ausgetüf- tion, das sich nach spielerischen und experimen- tertes Solo-Rezital. In dauerndem Wechsel zwi- telten Momente, die so nahtlos ineinanderflossen tierfreudigen Interaktionen einzelner Instrumente schen Flügel-Tastatur und Keyboard-Controller wie die komponierten und die improvisierten Pas- immer wieder in dichten Kollektiv-Texturen zu- generierte Smythe kaskadenartige Schübe mit sagen, mit denen die beiden locker jonglierten. sammenfand. Pirmin Bossart

Jazzwerkstatt Bern, 4. – 8.3.2020 Für die Höhepunkte am diesjährigen Fes- die Herstellung unangenehmer Geräusche küm- tival der Jazzwerkstatt Bern haben Mu­ merte, eine Lärmmusik, die über weite Strecken sikerinnen und Musiker aus den USA und Assoziationen an Kriegsgeschehnisse weckte. dem Iran gesorgt. Der in Biel wohnhafte afroamerikanische Trompe- Im Iran wäre der Auftritt des aus Aïda Nosrat (voc, ter und Komponist Kalalu-Jalvert Nelson ist zu- v) und Babak Amir Mobasher (g) bestehenden gleich ein seriöser Musiker, ein schräger Vogel Duos Manushan nicht möglich gewesen, denn im und ein grosser Humanist. Für den Auftritt am Iran dürfen Frauen in der Öffentlichkeit nicht sin- Jazzwerkstatt-Festival hat er sein Trio, in dem der gen. Diese Tatsache ist nicht nur ein Indiz für die Bassist Xaver Rüegg und der Schlagzeuger David Unterdrückung der Frau im Iran, sondern auch Meier für ein starkes Groove-Fundament sorgen, für die Macht der Musik. Diese Macht der Musik durch das Madblaster String Quartet ergänzt. Die wird in unseren Breitengraden gerne unterschätzt, vollkommene Symbiose der zwei Klangkörper weil bei uns die Musik (und zwar nicht nur Unter- blieb zwar aus, aber in klangfarblicher Hinsicht haltungsmusik!) meistens nur noch zur Unterhal- vermochten die Streichquartett-Arrangements Nel- tung dient. sons zuweilen durchaus zu verzaubern. Dass Musik auch eine Form von Protest und sub­ Den schwarzen Wurzeln des Jazz wurde nur bei Mazz Swift limierter Spiritualität sein kann, wurde einem sehr wenigen Konzerten nachgespürt. Neben Nel- beim Soloauftritt der afroamerikanischen Sänge- son begab sich auch Mazz Swift in ihrem Solo- rin und Geigerin Mazz Swift bewusst, der unter Auftritt auf ihre Spur: Wie sie Spirituals und dem Motto ”Black Lives Matter” hätte stehen ­Protestlieder mit ihrem leicht avantgardistischen ­können. Diese zwei kammermusikalischen Kon- und subversiv bluesigen Geigenspiel kombinierte, zerte mit vielen Zwischentönen entfalteten am war beeindruckend und ergreifend. Der amerika- Jazzwerkstatt-Festival im Progr eine derart starke nische Dudelsack-Spieler Matthew Welch unter- Wirkung, dass fast alles andere daneben verblass- nahm im Rahmen einer Soloperformance einen te. So liefen zum Beispiel bei Nicolas Wolfs Werk Spaziergang durch den Progr. Dabei brauchte er

”Nous, après le déluge” die Musikerinnen und in zweierlei Hinsicht keine Verstärkung: Erstens co Musiker fleissig und nach Plan kreuz und quer ist der Dudelsack ein extrem lautes Instrument

herum. Doch die Musik blieb total spannungslos. und zweitens erzeugte er als Solist genug Span- a Fiac Ein weiteres Konzeptwerk eines Berner Schlag- nung und Drone-Trance, um das Publikum voll und m zeugers liess einen reichlich ratlos zurück. Mirko ganz in seinen Bann zu ziehen. Schwab produzierte mit einer Schlagzeugerpha- Tom Gsteiger Kalalu-Jalvert Nelson, Trio und Madblaster String Quartet

lanx und Rea Dubach, die sich in erster Linie um Fotos: Pal 8­ JAZZ International 26. September – More infos & Application: Jazz Festival Frauenfeld 3. Oktober 2020 generations.ch

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Vielen Dank für eure Solidarität. Euer JAZZ’N’MORE-Team Kalalu-Jalvert Nelson,Trio undMadblasterStringQuartet JNM_03_20_08_09_REV.indd 9 Jazz Festival Frauenfeld Festival Jazz International WANTED! TALENTS JAZZ APPLICATION DEADLINE: 15 JUNE, 2020 JUNE, 15 DEADLINE: APPLICATION AGE LIMIT 28 YRS / APPLY NOW! HART & ELDH JIM PETTER NESET, MEARS, ADRIAN MARIUS DJANGOTEACHERS: OUR BATES, LINDSTRAND, JOSEFINE TAKE PART IN INTERNATIONALOUR JAZZ WITHWORKSHOP Das F duzierten Kadenzen. dung undspielteseinenKontrabassinextremre- Formgefühl, der Performances. Zu Groove-Jazz-Gigs biszukünstlerischradikaleren ker A nen während fünf ten an diesem kreativen Vielfalt warangekündigtundVielfalt wurdegebo schen Chicago und Luzern beflügelt. Space” inLuzern hatdenAustausch zwi- Musik-Kunst-FestivalinDas Race ”A war dasnie. Fasern spürbarmachte. seine mit schnellen Griffen. Da war ein Musiker, der nem E turen und R Konzentriert öffnete konzise hen würde. seiner BratschegänzlichderKlassikweltentzie man niedasGefühl,dass L I Sound und Radikalität liert waren. darüber hinwegtäuschten,wiepräzisesiemodel rierte sichaufschlichteBewegungen,dienicht Das ninger organisiert. fenden dies-undjenseitsdes und auchFreundschaftenzwischenKunstschaf raum Jason zern und ntim undnachhaltigwarder A Race in Space, 26.2. oriot. r setzteK eib- usgelöst durchdie C T S änzerin hristoph H estival ” E und Knarztönen, Geschabe und Gesirre, L pektrum reichtevonlockeren R olzstäbchen oderbear lephanthouse mitdemBratschisten Frantz T eidenschaft für T rotz seinerradikalen oebke ongestaltung im C O hicago habensichguteBegegnungen lammern indie R bertönen bishinzuorchestraler Kraft.

I A rgendwo war daimmereinstarkes oebke standwieeinFels inderBran ein Feeling für Dynamik und eine A E yako KatounddesKontr aus

rb undder R ace T L C agen etzteren zähltender hicago. S in L tädtepartnerschaft von or S S H L ound undF pace” iot das E angweilig oderverkopft Künstlerin R appening nde aum. S L A aiten, spieltemitei S oriot denU beitete denKorpus yako Katokonzent oundästhetik hatte A A Februar in

wurde vom Musi – uftakt imKunst tlantiks ergeben.

1.3.2020 – S von zwei 3. Oktober 2020 26. September – 26. pektr S orm inallen I mpro- und abina abassisten

um von rsprung L A uzern. uftritt O S T eh L ex ze u ------

Spannendes Spektrum zwischen Kunst und Groove nicht ininteressanten des Gimbri- E Band des H gewandten undexpressivenPerformer zum de Drum- andBass-Fundamentemiteinemwort E ter Körperstrom hielt. schon fasttechnoidenKick, derdasPublikumun generierte mitihrenschubweisenZykleneinen rams Natural ganisch erzeugte gänglich undsogartanzbar. Dieganzundgaror- Die GigsimNeubad-Kellerwarenbesonderszu Groove und Trance Wechselbeziehungen zusammenwachsen. zu einemverbindenden einem schillernden Pixelwerk, aber konnte nicht stisch überraschenden dern fortlaufendzusammen.DieV C ber E zu einerspannungsgeladenen schöpften sichdiepräparierten gel nicht als konventionelles punkt desF rinnen undMusikernaus präparierten scher cellence warder sich melodisch akzentuierte und kraftvoll fliessen und L dem Bassisten on zusammen. und Gegenständenbestückthatte.Dabeier mit kleinenMagneten, sondern mit ionel Fr in musikalisch-künstlerisches ine ine onductor Fr op-

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intensive Fuhr bot auch das Jazz der R A H nweisungen über S ap- rt ”Präpar olm’s og sichrundumdiedunklenBassfiguren iedli unddem als Klangkörper, dessen S C änger estivals. DieBerlinerinnutztedenFlü hicagoer S Flügel und am L ed generations.ch More infos & Application: I pielers ightbox nformation

S L tunde. U L ation” warauch das Fred

ouis onberg- A T A rance-Musik der Joshua uftritt vonMagdaMayasam bstral S Joshua O E S chlagzeuger R ffekten, sondernwuchsen rchestra mitzehnMusike S child, dem S S L eizen tück Musikmitlängeren nd mitderexzellenten poken W aptop undW H chnüren, S C C ociety, deren hypnoti olm L ompost. lavinet, einem uzern und A I fügte sich wohl zu S nstant-Kompositi T brams setzte die Musik asteninstrument, T tatement parex rio ielfalt vonaku

I ord- s MichaelZe nnenraum S H E L chlagzeuger olzstäbchen rkundungen H a R entfaltete, ier trafen ort- T aconteur C ruffa mit hicago. H S öhe L chil H A on sie ip-

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Foto: Dragan Tasic gebührenden Platz. I rang fandauchderklassischeJazz,mitDriveund mpro- Magda Maya Michael ZeragandtheBlueLights L ust gespielt, an diesem Festival seinen Pirmin Bossart Reviews

26.04.20 18:17 Previews

19. Magic Blues Festival, Vallemaggia 10.7.–6.8.2020 Corona-Blues'n'more ... lichten, wurden für Magic Blues verpflichtet: Ganz gehörig durcheinandergewirbelt vom Justina Lee Brown und Manu Hartmann wer­ Coronavirus wurde der Start der Tournee- den sich in Moghegno, resp. Avegno die Ehre und Festivalsaison. Stand Mitte April muss geben. Am selben Abend wie Justina Lee Brown konstatiert werden, dass alle Frühjahrs- und wird ausserdem Kyla Brox, die Siegerin der Frühsommer-Events dieses Jahr ausfallen letztjährigen European Blues Challenge, auftre­ werden. ten. Eine Ausnahme stellt das BLUES FESTIVAL Bluesrock und Classic Rock haben stets auch ei­ BASEL (www.bluesbasel.ch) dar. Die Führung nen Platz im Rahmen von Magic Blues. Dieses unter der Leitung des neuen Präsidenten Edo Jahr wird mit John Etheridge & Still Experi- Löw hat beschlossen, ihrem Festival einen Ad­ enced sowie Phil Gates dem 50. Todestag von ventstouch zu geben und vom 15. bis 20. De­ gedacht. Brian Downey’s Alive & zember 2020 die Bühne des Volkshauses Basel

g Dangerous werden den unvergesslichen Thin bespielen zu lassen. Die Veranstalter sind be­ in

d Lizzy ein Denkmal setzen, Alex Ligertwood & strebt, wenn immer möglich mit dem schon für The Magic Of Santana lassen die Musik des April angekündigten Programm aufzufahren. Die t Re

r gleichnamigen Saitenzauberers aufleben, und traditionelle Verleihung des Swiss Blues Awards Ken Hensley – ehemaliges Mitglied und Haupt­ – nominiert sind Lilly Martin, Manu Hartmann songschreiber bei Uriah Heep – wird mit seinen und Marco Marchi – wird ebenfalls erst im De­ Justina Lee Brown Live Fire das 50-Jahr-Jubiläum seines Monster­ zember während dem Blues Festival Basel statt­ Foto: Robe hits ”Lady in Black” feiern. finden. (www.swissbluesaward.ch) Fünf Wochen, zehn Nächte, 24 Acts – das Noch ein Geheimtipp bei uns ist die Honey Is- Magic Blues Festival bewegt diesen Som- land Swamp Band. In ihrer Heimat Louisiana zu Auch der BLUES CARAVAN, Anfang Jahr er­ mer wieder die schmucken Dörfer des Mag- den Top Acts puncto Rootsrock zählend, macht folgreich in Deutschland gestartet, musste eine giatals. Eric Bibb, Matt Schofield, Justina sich das Quintett nun daran, mit dem neuen Al­ Vollbremsung hinlegen. Die Schweizer Termine Lee Brown und Ken Hensley sind die Na- bum ”Demolition Day” im Gepäck auch Europas für Ryan Perry, Whitney Shay und Jeremiah men, welche aus dem abwechslungsreichen Bühnen zu erobern. Eine der begnadetsten gi­ Johnson sollen nun gemäss gut unterrichteter Programm herausstechen. tarristischen Entdeckungen der letzten Jahre ist Quelle Anfang Oktober stattfinden. Zwischen Brontallo, hoch oben am Eingang des zweifellos Matt Schofield. Der mittlerweile in (www.rufrecords.de) Val Lavizzara auf gut 700 Metern, und Avegno, Florida lebende Brite brilliert mit seinem in Blues, nur einen Steinwurf hinter Locarno gelegen, wird und Jazz fussenden, eigenständigen Stil. Das BLUES FESTIVAL BADEN (www.bluesfes­ traditionellerweise wieder das ganze Spektrum Last, but not least wird mit Eric Bibb einer der tival-baden.ch) hingegen wird erst anno 2021 an Blues und artverwandter Musik ausgelotet. ganz grossen Vertreter von Folk, Americana und wieder in gewohnter Form stattfinden. Das Ba­ Jedem Abend ist ein eigenes Motto zugeordnet. World Music im Maggiatal empfangen. Mehrere dener OK lässt jedoch verlauten, dass einer- Zudem ist den Veranstaltern daran gelegen, ne­ Grammy-Nominationen und Blues Awards schmü- seits intern Ideen ausgearbeitet werden, um ben interessanten, sorgfältig ausgewählten in­ cken sein Palmares. Marco Piazzalonga im Herbst den ”Blues-Gap” zu überbrücken, und ternationalen Künstlern auch der Schweizer Sze­ Das ausführliche Programm finden dass andererseits Abklärungen laufen, das für ne eine gebührende Plattform zu bieten. wir unter www.magicblues.ch 2020 geplante, erstklassige Line-up im nächsten Gleich mehrere Tessiner Bands werden dieses Jahr vorzustellen. Jahr zu geniessen sein. Innert kurzer Zeit haben sich Freddie & The Cannonballs mit dynami­ Im besonders hart von Covid-19 getroffe- schen Auftritten einen Namen erspielt. Die mit nen Tessin verzichten dieses Jahr BELLINZO- Bläsern gespickte Formation um den Bassisten NA (www.bellinzonablues.ch) und CASLANO und Sänger Federico Albertoni überzeugt mit (www.caslanoblues.ch) auf ihre Festivals. Beide kraftvollem Rhythm'n'Blues und hat sich kürzlich Veranstalter betonen aber, im 2021 wieder zu­ für das Finale der Swiss Blues Challenge quali­ rück zu sein. Die beiden anderen grossen Tessi­ fiziert. Die blühende lokale Szene wird des Wei­ ner Roots Music Events – MAGIC BLUES und teren vertreten durch Chiara Keyra Ruggeri mit BLUES TO BOP LUGANO – hoffen zurzeit noch, ihrer Band, Sand’s 2B a Band feat. Enrique ihre Festivals abhalten zu können. Die Vorschau Parra, Woamp, Vanishing Signs und Instant auf Magic Blues findet sich an anderer Stelle Kharma. Ergänzt wird der Südkanton durch die in diesem Heft, Blues to Bop folgt in JNM 4/20. Lazy Poker Blues Band aus dem Raum Basel, welche in den 1980er-Jahren Schweizer Blues­ Sowohl RAPPERSWIL BLUES’N’JAZZ (www. geschichte schrieb. bluesnjazz.ch) als auch der Basler SUMMER- Gleich zwei Ladys, welche beide die Swiss Blues BLUES (www.summerblues.ch) vertrösten ihr Challenge gewannen, es an der IBC in Memphis Publikum auf nächstes Jahr. Im Falle des Sum­ bis in den Halbfinal schafften und kürzlich erst merblues hat dies auch Auswirkungen auf das noch je ein bemerkenswertes Album veröffent­ Matt Schofield seit ein paar Jahren im Rahmen dieses Festivals Foto: PD/ZVG ausgetragene Finale der SWISS BLUES CHAL- Groove Now – die weitere Planung LENGE. Die Swiss Blues Society arbeitet fie­ berhaft an einer Ersatzlösung, um nächstes Jahr Ende März fiel der Auftritt des Chicago Horns ebenfalls auf 2021 verschoben werden einen Vertreter an die IBC und an die EBC schi­ Blues Guitar Summit den Empfehlungen des musste. Nun soll es also erst nach den Sommer­ cken zu können. Im Falle der EUROPEAN BLUES BAG zum Opfer, Anfang Mai werden die ferien mit spannenden Interpreten in Sachen CHALLENGE EBC stellt sich zudem die Frage, Konzerte von Rick Estrin & The Nightcats modernem Blues & Soul weitergehen. Planmäs- ob der diesjährige Wettbewerb überhaupt verschoben. Auch Groove Now musste um- sig ist am 21./22.08. aus Chicago die Nick durchgeführt werden kann. Eigentlich geplant disponieren. Moss Band feat. Dennis Gruenling & Dun- auf Mitte April im holländischen Zaandam, ist Und gerade flatterte die Nachricht von Groove- can Anderson angesagt. Am 18./19.09. über­ nun vage von einem neuen Datum im Herbst die Now-Präsident Patrick Kaiser ins Haus, dass das nehmen Rick Estrin & The Nightcats feat. Rede. (www.europeanbluesunion.com/ für den 05./06.06. vorgesehene Konzert mit der Lisa Leuschner den ursprünglich für Kid An- ebu-challenge/) Sue Foley Band feat. & The Texas dersen’s Greaseland All Star Revue vorgesehe­ nen Spot. Mike Zito’s Big Blues Band kehrt am Lange hoffte das SIERRE BLUES FESTIVAL 16./17.10. für zwei Abende wieder nach Basel (www.sierreblues.ch), sein Top-Programm durch­ zurück und Sugaray Rayford’s Groove Now ziehen zu können. Doch auch der etablierte Wal­ 10th Anniversary All Star Revue mit hochka­ liser Event musste das Handtuch werfen. Silvio rätiger Besetzung feiert am 20./21.11. das zehn­ Caldelari und seine Crew arbeiten daran, für jährige Bestehen der Konzertserie. Fürs 2021 das Jahr 2021 mit dem für heuer vorgesehenen stehen dann Danielle Nicole, ein Texas Blues Line-up bereit zu sein. Und auch das Waadt­ Guitar Summit, Doug Deming’s Blues All länder BLUES RULES CRISSIER (www.blues- Stars, John Nemeth & The Blue Dreamers rules.com), wegen seiner Affinität zum Missis­ mit den Gästen Kid Andersen und Bob Welsh, sippi Sound liebevoll auch Crississippi genannt, die Damon Fowler Florida All Stars, der ver­ wird ebenfalls erst im 2021 in die nächste Runde schobene Chicago Blues Guitar Summit und gehen. Marco Piazzalonga die Lindsay Beaver/Brad Stivers Band auf dem Programm. Marco Piazzalonga John Nemeth www.groovenow.ch ­10 Foto: PD/ZVG JAZZ

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30 Jahre Offbeat Festival im Trubel von Corona Eigentlich hätte das offbeat Jazzfestival Ba- rien. Am 18. August geht in der Dorfkirche Rie­ sel im Zeichen des 30-jährigen Jubiläums hen das afrikanische Programm ”Kalo Yele” vom 19. April bis 17. Mai stattfinden sollen. des Trios von Lucas Niggli, Jan Galega Brön- Das Corona-Virus hat leider auch dieses nimann und Aly Keïta über die Bühne, gefolgt Fest vermiest. von der Kinga Glyk Band im Atlantis (25.08.) Immerhin, im Gegensatz zu vielen Festivals, die und einem Doppelkonzert mit der Lea Maria ganz abgesagt wurden, konnte der künstlerische Fries Band und Andreas Schaerer & Hildegard Leiter Urs Blindenbacher die Mehrzahl der Kon­ lernt Fliegen im Volkshaus (26.08). ­Barbara

zerte verschieben und darf – zumindest vorläufig Dennerlein wird in der Martinskirche solo und c – damit rechnen, dass die geplanten Konzerte im Duo mit dem Gitarristen Romero musizieren i der offbeat Series Ende Juni noch stattfinden (28.08.). Tas n können. Dem Festival kommt entgegen, dass es Das Jazzfest zur Eröffnung des neuen Stadtca­

sich um eine Ansammlung von Konzerten han­ sinos bringt die Quartette von Anouar Brahem raga delt und nicht, wie etwa bei den Stanser Musik­ und ”4WD” alias Nils Landgren, Michael tagen oder dem Schaffhauser Jazzfestival, um Wollny, Lars Danielsson und Wolfgang Haff- ein Konzeptfestival. ner in den neuen Saal (29.08.). Dann wird im Volkshaus das Konzert des israelischen Trios Lea Maria Fries Die Juni-Konzerte Shalosh nachgeholt (30.08.) und schliesslich im Foto: PD/ZVG/D Sollten also die Bestimmungen für Konzertver­ Stadtcasino Basel das Eröffnungskonzert vom semble spielen Iiro Rantala, Viktoria Tolstoy, anstaltungen durch den Bund gelockert werden, 19. April. Neben dem Trio des schwedischen Pia­ Adam Baldych, Magnus Lindgren, Ulf Wake- könnte der erste verschobene Festivalanlass am nisten Martin Tingvall wird das Projekt ”Tears nius, Mattias Svensson und Rasmus Kihl- 21. Juni mit dem Basler Jazz-Openair im Garten for Esbjörn” für den vor zehn Jahren bei einem berg (31.08.). Ruedi Ankli der Kunsthalle Basel über die Bühne gehen (12– tragischen Unfall gestorbenen Tastenmagier Es­ Alle Tickets behalten ihre Gültigkeit. 17.30 Uhr). Es werden Projekte der Musik-Aka- björn Svensson vorgestellt. Im namhaften En­ www.offbeat-concert.ch demie, der Musikschule Jazz sowie von Stu­ dierenden des Jazzcampus Basel vorgestellt, dazu sind das Oktett Brass Department, das Walter Jauslin Trio, das Aliéksey Vianna Trio mit Lukas Wyss sowie Alexia Thomas mit The Power of Basement zu sehen.

Die Hochschule Luzern – Musik bildet in den Bereichen Klassik, Jazz, Kirchen- und Volksmusik, Komposi- tion sowie Theorie professionelle Musikerinnen und Musiker aus und weiter. Dank der praxisorientierten Lehr- und Forschungstätigkeit sowie engen Vernetzung mit Kulturinstitutionen wie dem Lucerne Festival, dem Luzerner Theater, dem Luzerner Sinfonieorchester oder den Jazzfestivals Schaffhausen und unerhört! bietet das Departement Musik ein dynamisches, international orientiertes Arbeitsumfeld. Es ist eines der sechs Departemente der Hochschule Luzern, an der über 1‘600 Mitarbeitende tätig sind und sich rund 10‘800 Studierende aus- und weiterbilden.

Zur Ergänzung der Fachschaften Komposition und Musiktheorie Jazz im Institut für Neue Musik, Komposition und Musiktheorie suchen wir per 1. September 2020 eine/n engagierte/n Dozent/Dozentin Komposition und Arrangement Jazz (10–30%)

Ihre Aufgaben – Sie unterrichten die Module Basic Arranging und Komposition (Haupt- und Nebenfach) im Profil Jazz auf Bachelor- und Masterstufe sowie in der Weiterbildung – Sie engagieren sich für Projekte der Fachschaften Komposition und Theorie Jazz – Sie arbeiten mit bei der Weiterentwicklung der Ausbildungsangebote im Bereich Komposition und Musiktheorie Roberto Fonseca – Sie entwickeln Ihre Lehrinhalte im Rahmen der Curricula laufend weiter und besuchen Foto: PD/ZVG die entsprechenden Weiterbildungsangebote Am gleichen Tag wird in der Dorfkirche Riehen das verschobene Konzert mit dem Duo von Vera Ihr Profil Kappeler und Peter Konradin Zumthor sowie – Ausgeprägtes künstlerisches nationales und internationales Renommee mit dem Trio von Lisette Spinnler mit dem – Hochschulabschlüsse im musikalischen und pädagogischen Bereich Trompeter Mathieu Michel als Gast stattfin- – Mehrjährige Konzert- und Hochschulerfahrung den. – Orientierung an den neusten hochschuldidaktischen Erkenntnissen Am 24. Juni ist das erste Konzert der Series- – Offenheit und Interesse an der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Fragestellungen Reihe mit dem Trio des kubanischen Pianisten – Teamfähigkeit und Bereitschaft für eine breite inhaltliche Zusammenarbeit innerhalb des Instituts Roberto Fonseca mit der neuen CD ”Yesun” im Hof des Kunstmuseums Basel vorgesehen. Tags Unser Angebot darauf folgen die beiden Piano-Solo-Konzerte Wir bieten Ihnen die Möglichkeit, in einem kollegialen und engagierten Team die Ausbildung mit Joachim Kühn, der sein Programm ”Melo­ unserer Studierenden massgeblich zu prägen. Für diese abwechslungsreiche Tätigkeit mit viel dic Ornette Coleman” als Hommage an den gros- Gestaltungsspielraum stehen Ihnen ein attraktiver Arbeitsort in Luzern/Südpol und ein sen Freejazz-Pionier spielt, sowie mit Stefano dynamisches Hochschulumfeld zur Verfügung. Bollani, der seine Variationen zum Musical ”Je­ Für das Studienjahr 2020/21 handelt es sich um eine Stellvertretung mit einem Pensum von 20 – 40%, sus Christ Superstar” vorstellt (siehe dazu auch ab Herbst 2021 ist eine Weiterbeschäftigung mit einem Pensum von 10 – 30% geplant. die HB in dieser Ausgabe). Der 26. Juni nimmt die beiden spanischen Kon­ Für weitere Informationen steht Ihnen Herr Andreas Brenner, Institutsleiter Neue Musik, zerte auf. Im ersten Teil des Abends in der Gare Komposition und Musiktheorie, [email protected], T +41 41 249 26 59, gerne zur Verfügung. du Nord spielt das Trio Travesuras von Daniel Besuchen Sie auch unsere Homepage www.hslu.ch/musik. Garcia, im zweiten stellt Antonio Lizana das Die Bewerbungsfrist läuft bis am 31. Mai 2020. Flamenco Jazz Quintett vor, in dem auch der Die Hearings finden voraussichtlich in der zweiten Hälfte Juni 2020 statt. Pianist Garcia mitwirkt. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Wir freuen uns auf Ihre Onlinebewerbung über www.hslu.ch/jobs. Das neue Programm im August

Wahrscheinlicher wird die Realität der Durch­ FH Zentralschweiz führbarkeit der Konzerte nach den Sommerfe­

JNM_03_20_10-13_PRE.indd 11 26.04.20 18:19 Preview-Special 31. Schaffhauser Jazzfestival wird Zur Online-Edition 13.–16. Mai 2020 Das 31. Schaffhauser Jazzfestival wird trotz Corona-Krise wie geplant vom 13. bis 16. Mai durchgeführt, aber in einem neuen Format: Die Konzerte finden ohne Publikum statt und können über verschiedene Plattformen gestreamt werden. Dazu gibt es Interviews, Videos und Trailer. Auch die Jazzgespräche sind neu aufgegleist. Und SRF 2 macht eine ”Kontext”- Sendung dazu. Von Pirmin Bossart dass Bands mit internationalen Gästen pro- grammiert sind, deren An- respektive Wieder- einreise in ihr Land weiterhin erschwert oder verunmöglicht ist. So hat der Basler Schlagzeuger ­Florian Arbenz Musiker aus Kuba, den USA, England und Brasilien in seiner Band ”Con­ vergence” vertreten. Er wird nicht in dieser Formation auftreten können. ”Skyjack” mit den Bernern Marc Stucki (sax) und Andreas Tschopp werden ohne ihre drei südafrikani- schen Mu­siker Kyle Shepherd, Shane Cooper und Kesivan Naidoo in Schaffhausen spielen. ”Vielleicht werden die südafrikanischen Mu­ siker zu Hause Sequenzen einspielen, die dann in den Schaffhauser-Auftritt der restlichen Band in­tegriert werden. Solche Möglichkeiten werden jetzt gecheckt”, sagt Röllin.

Werkschau und Verantwortung Urs Röllin ist glücklich mit dem Ent- scheid, das Schaffhauser Jazzfestival trotz al- len widrigen Umständen dennoch und mit ganz neuen Mitteln durchführen zu können. ”Wir sind eine Werkschau für den Schwei- Skyjack zer Jazz und haben auch eine Verantwortung. Foto: PD/ZVG Das Festival en bloc zu verschieben, wäre auf- Es ist alles wie gehabt, nur ganz neten Stücken der Band ”The Jazz Trio”, die grund der vielen beteiligten Bands nicht mög- anders: ”Wir beginnen das Festival wie immer eingespielt werden. Das Trio mit Florian Egli lich gewesen. Also haben wir uns nach inten- am Mittwoch, 20.15 Uhr, mit der ersten Band. (sax), Raphael Walser (b) und Arne Huber (dr) siven Diskussionen für ein Live-Stream-Festi- Auch die weiteren Abende führen wir unge- hätte im Tap Tap gespielt. Ihre Live-Musik wird val entschlossen. Es ist ein Experiment, das fähr so durch wie geplant”, sagt Urs Röllin, jetzt stückweise auf die Tage ”verteilt”. Ins alle Beteiligten fordert, aber neue Erfahrungen Co-Organisator Schaffhauser Jazzfestival. Der Hauptprogramm integriert wird das Duo der ermöglicht, die auch etwas für die Zukunft entscheidende Unterschied: Die Musiker und Jazzsängerin Soraya Berent und des Pianis- bringen.” Musikerinnen werden mit den nötigen Sicher- ten Michael Wintsch, die ihr ”Nat King Cole”- Die Durchführung wird überhaupt heitsabständen und ohne Publikum spielen. Programm im Hotel Rüden aufgeführt hätten. erst möglich, weil die Geldgeber der öffen­t- Ihre Konzerte werden live übertragen oder ”Das ergibt ein sehr facetten­reiches lichen Hand, der Stiftungen und der Sponso- ­aufgezeichnet und können dann über ver- und breites Festivalprogramm”, freut sich Röl- ren zugesagt haben, auch ein solches Format schiedene Plattformen online verfolgt werden. lin, zumal die Online-Konzertabende mit Inter- zu unterstützen. Röllin: ”Es sind eigentlich alle Gleichzeitig wird das Schaffhauser Fernsehen views, Trailer, Videos und anderen Zusatz-In- dabei, mit den gleichen Beträgen, das ist wirk- das Festival schweizweit über das TV-Netz fos gespickt werden sollen, wie sie online lich grossartig. Und wir haben die Sicherheit, bringen. eben möglich sind. Zuschauerinnen und Zu- dass wir nicht in ein Defizit laufen.” Das Bud- schauer können interaktiv dabei sein, ihre get ist mit 350'000 Franken gleich hoch wie Live und vorproduziert Kommentare abgeben und Fragen stellen. bisher und erlaubt es, dass die Musiker regu- ”In der Regel ist das erste Konzert lär ihre Gagen erhalten, auch wenn sie viel- eines Abends immer live, während das zweite Laufend Veränderungen leicht nicht alle vor Ort sein können. ”Alle Mu- wenige Stunden vorher produziert und dann Bei Redaktionsschluss dieser sikerinnen und Musiker haben uns signalisiert, eingespielt wird”, sagt Röllin zum geplanten Jazz’n’More-Ausgabe war noch nicht alles dass sie gerne bereit sind, auch unter den Ablauf. Nur am Samstag ist das zweite Kon- fix. Klar ist, dass das Programm mit den ge- neuen Umständen mitzumachen und ihren zert des Abends als Live-Produktion geplant: planten Bands so gut wie möglich auch online Beitrag zu leisten.” Dann spielt ”Hildegard Lernt Fliegen”. Die realisiert werden soll. Es wird Abstriche ge- Band um den Sänger Andreas Schaerer, die ben, vielleicht sogar Absagen. Sechs Bands Ein Dokument der Zeit aktuell mit ”The Waves Are Raising, Dear!” werden in Originalbesetzung vertreten sein, Die Organisatoren sehen das neue nach sechs Jahren ein neues Studioalbum vor- andere werden leicht umstellen müssen. ”Wir Format nicht zuletzt als ein ”Dokument der gelegt hat, wird das diesjährige Schaffhauser können noch nicht abschliessend sagen, wer Zeit”, weil es trotz gewissen musikalischen Jazzfestival beenden. von den ausländischen Bandmitgliedern wirk- Abstrichen ein Zeichen setze. Die beteiligten Abgeschlossen werden die Online- lich da ist. Das Ganze verändert sich laufend Musiker und Musikerinnen würden sich arran- Abende mit jeweils drei im Vorfeld aufgezeich- noch”, sagt Röllin. Das hat auch damit zu tun, gieren und bekundeten Lust, sich mit den neu- ­12 JAZZ

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en Möglichkeiten auseinanderzusetzen, sagt und sonstigen Infos erfährt man über die Röllin. ”Das ist sehr wertvoll für die Szene.” Homepage www.jazzfestival.ch. Organisatorisch und logistisch sei man gefor- Dort können die Konzerte online gehört und dert. ”Wir müssen das Festival neu erfinden, gesehen werden. Zudem sind weitere Platt­ aber das birgt auch Chancen. Zudem dürfte formen wie Youtube, Facebook usw. verlinkt, das nächste Festival mit dem Live-Erlebnis über die das Festival online geschaut werden umso schöner sein.” kann. Mit dem Schaffhauser Fernsehen ist das Den aktuellen Stand der Konzerte Fes­tival auch im TV-Netz präsent. Auch soll und der Besetzungen, die Ausstrahlungszeiten ein Blog aufgeschaltet werden. ■

Schaffhauser Jazzgespräche Schaffhauser Jazzgespräche Edition 06 Ab dieser Festivalausgabe werden die Schaffhauser Jazzgesprä- Von Sarah Chaksad, Anicia Kohler, che neu von Anja Illmaier und Mats Spillmann kuratiert. Beide Urs Röllin (Hg.), Chronos Verlag, Zürich. sind im Vorstand des Berufsverbandes Sonart-Musikschaffende 152 Seiten, CHF 24.80 Schweiz aktiv, eine der Partnerorganisationen der Jazzgespräche. ISBN 978-3-0340-1572-1

Jazz goes digital? "Drei Jahre Jazzgespräche, vier Themen, zahl- Dafür wurde für den Samstagnach- reiche Diskussionen und Referate." Mit diesem mittag eine Gesprächsrunde lanciert, in der Zwischentitel werden die Jazzgespräche der die Möglichkeiten der digitalen Vermarktung Jahrgänge 2017–2019 in der sechsten Edition von Jazzmusiker*innen mit ihren Vor- und zusammengefasst. Nachteilen thematisiert werden. ”Dabei wollen Seit dreissig Jahren ist die nördlichste Stadt wir vor allem diskutieren, ob solche Online- der Schweiz an einem Wochenende im Mai Auftritte, Home-Concerts und Streaming-Ak­ das Parkett, auf dem sich der Stand der tivitäten per se auch einen künstlerischen Schweizer Jazz-Szene messen lässt. Vor 15 Wert haben, oder einfach ein Mittel sind, Auf- Jahren wurden im Rahmen des Festivals die merksamkeit und vielleicht kleine Spenden zu Jazzgespräche ins Leben gerufen, weil es zu generieren.” wenige intellektuelle Auseinandersetzungen Dabei liegt ein klarer Fokus dieser über den Jazz gegeben habe, wie sich Urs Gesprächsrunde auf dem Schaffhauser Jazz- Röllin im einleitenden Interview erinnert. Die festival selber, das mit seinem diesjährigen Gespräche sollten eine Plattform sein für die A nja Illmaier und Mats Spillmann Online-Format ein naheliegendes Exempel Themen, die die Szene bewegen, und darum Foto: Julien Vonier Julien Foto: gibt, um nach den ersten drei Tagen über die habe er die Reihe zusammen mit Patrick Lan- Die beiden hatten den Plan, die Jazz- ersten Erfahrungen dieses Experiments zu re- dolt, damals Redaktor bei der WOZ, gestartet. gespräche auf verschiedene Tage zu verteilen flektieren und herauszufinden, ob damit auch Die drei letzten Jahrgänge lagen in den leiten- und neben Gesprächen auch einen Workshop Chancen oder neue Möglichkeiten für die Zu- den Händen von Sarah Chaksad, für einmal für Musiker*innen zum Thema ”Do It Yourself” kunft verbunden sind. eine Kuratorin, die als Musikerin eine Innen- anzubieten. ”Aufgrund der aktuellen Situation Am Gespräch teilnehmen wer- sicht mit in die Gestaltung der Diskussionen mussten wir unser Konzept über den Haufen den: Urs Vögeli, Musiker und Co-Organisator brachte. Ihr Ziel sei es gewesen, über Dinge zu werfen und in Kürze ein neues Ersatzpro- Schaffhauser Jazzfestival, Peter Bürli, SRF 2 sprechen, die aus der Jazz-Szene heraus ver- gramm ausarbeiten”, sagt Spillmann. Es soll Jazz-Redaktor, Shusha Niederberger, Künst­ ändert werden könnten, beschreibt sie im Vor- vor allem die aktuelle und ausserordentliche lerin, Vermittlerin und Forscherin in den Be­ wort. Und so wählte sie als Überschriften "Jazz Situation reflektieren, mit der die Musiker*in- reichen digitale und transmediale Kunst sowie und Politik" und "Jazz und Volksmusik" (beide nen oder ein Festival wie Schaffhausen kon- der Jazzmusiker Max Frankl, der sich inten- 2017), "Jazz und Streaming" (2018) und "Jazz frontiert sind. siv mit der digitalen Vermarktung beschäftigt. und die Frauen" (2019). Die Buchausgabe gibt Der ursprünglich geplante Block Mit seinen Video-Lektionen im Internet, einer die Vorträge, die eigentlichen Gespräche und ”Jazz – a global language” wird nun in einer grösseren online-community und einer eige- anschliessenden Diskussionen in leicht gekür- speziellen ”Kontext”-Sendung mit Jodok Hess nen Facebook-Gruppe wird der Musiker über zter Fassung wieder und wo nötig, sind die thematisiert und von SRF 2 produziert. Dort einschlägige Erfahrungen berichten können. Transkriptionen mit erklärenden Fussnoten erklären verschiedene, am Festival auftreten- Moderiert wird das Gespräch von Etrit Has- versehen. Wie sich aus den Beiträgen zeigt, ist de Musiker*innen, wie wichtig internationale ler, Geschäftsführer Swiss Culture Sociale und die thematische Heterogenität der drei Jahr- Kooperationen sind, wie sie sich in der ge­ langjähriger Poetry-Slam-Künstler. gänge nur vordergründig. Die Gespräche über genwärtigen Quarantäne-Situation zurecht­fin­ Politik, Volksmusik und die Rolle der Frau ha- den und welche Möglichkeiten sie trotz-dem Jazzgespräche ben viel gemein und zudem verbindend ist in ausschöpfen, um im Austausch kreativ zu in Buchform diesen drei Themen eine relativ klare Grenze bleiben. Die Jazzgespräche werden alle drei zwischen den unterschiedlichen Ansichten, Gestrichen wurde das Thema ”Kom- Jahre von einer neuen Person oder einem sprich: ob Musik als künstlerischer Ausdruck position in Grafik und Musik” mit der Grafike- ­neuen Team kuratiert. Die letzten drei Jahre oder als soziale Äusserung mit einer gesell- rin Rosemarie Tiss (sie hat das Festival­plakat standen unter der Leitung der Musikerin und schaftlichen Funktion betrachtet wird. Interes- 2020 gestaltet), da auch die geplante Aus­ Big Band Leaderin Sarah Chaksad. Ihre Jazz- santerweise ist die inhaltliche Differenzierung stellung nicht stattfinden kann. Ebenfalls fällt gespräche der Jahre 2017–2019 sind nun der Diskussion über das Streaming am gröss- der Workshop ”Do It Yourself” weg. ”Wenn die auch in Buchform erhältlich. Die Edition 06 der ten und die Ansichten zeigen die grosse Viel- Leute nicht vor Ort sein und sich austauschen Schaffhauser Jazzgespräche ist wiederum im stimmigkeit, die in einer überschaubaren Sze- können, macht das wenig Sinn”, sagt Spill- Chronos Verlag erschienen. ■ ne wie der Schweizerischen herrschen kann. ■ mann. Pirmin Bossart Christof Thurnherr ­13 JAZZ

JNM_03_20_12-13_PRE–Schaffhausen.indd 13 26.04.20 18:19 Interview Christian McBride Dragan Tasic Foto: Dragan Die Diskriminierung existiert weiter Auf seinem aktuellen Album ”The Movement revisited” reflektiert der Bassist Christian McBride die amerikanische Bürgerrechtsbewegung und vier ihrer bekannten Protagonisten. Es ist eine aufwendige Big Band Suite mit Narrationen, wechselnden Tempi und Stimmungen. Jazz’n’More hat mit dem mehrfachen Grammy-Preisträger am Telefon über seine Intentionen und Erwartungen gesprochen. Von Pirmin Bossart

Jazz'n'More: Wie kommen Sie durch die Ta- JNM: Ihr aktuelles Abum ”The Movement revi- ich für ein Quartett und einen kleinen Chor. ge, nun, da das Coronavirus das kulturelle sited” ist Ihr "magnum opus": Was hat Sie vor 2008 schrieb ich das Stück vollständig für Leben global praktisch zum Erliegen gebracht 20 Jahren dazu gedrängt, dieses Projekt zu eine Big Band um. Die Narrationen wurden in hat? lancieren? der ersten Version von Leuten aus dem Chor Christian McBride: Mein Leben ist unter den CMB: Zumindest ist ”The Movement revisi- übernommen. Mit der Überarbeitung habe gegebenen Umständen wohl nicht anders als ted” mein magnum opus an diesem Punkt ich für diesen Part vier Schauspieler einge­ jenes der meisten anderen Menschen. Ich meines Lebens. (Lacht) Vielleicht komponiere setzt. Ich gab mein Bestes, für jeden der vier versuche herausfinden, wie ich trotz der Krise ich ja eines Tages noch ein anderes. Damals Protagonisten eine poetische Soundform zu kreativ und aktiv und auch mental gesund wurde ich von der Portland (Maine) Arts So­ schreiben, ihre Persönlichkeit zu treffen. Bei bleiben kann. Ich hätte viele Konzerte gege­ ciety New England angefragt, ein Stück zu Rosa Parks dachte ich an etwas Ruhiges, aber ben, die sind nun alle abgesagt. komponieren. Es hat sich über die Jahre stark Starkes. Bei Muhammad Ali an etwas Lautes, verändert. 2009 machte ich die letzte gros- Frisches, auch Humorvolles. Bei Martin Luther JNM: In Zug wären Sie im Trio mit Chick Corea se Überarbeitung. Seitdem ist es praktisch King und Malcolm X stand das Ernsthafte im aufgetreten. Wie ist das, in diesem intimen gleich geblieben. Es hat einfach sehr viel Zeit Vordergrund. ­Setting zu spielen? gebraucht, um die CD zu veröffentlichen. Das CMB: Chick Corea ist einer der grössten Mu­ hat mit all den rechtlichen Abklärungen und JNM: Sind Sie zufrieden mit den Reaktio- siker. Er ist auch ein vertrauter Freund von mir. der Freigabe von Nachlässen zu tun, die mit nen auf dieses historisch-politisch verankerte Ich liebe es, mit ihm in allen möglichen Kons­ dieser Produktion verbunden sind. Wir wuss­ Werk? Was erhoffen Sie sich, was soll es auslö- tellationen zu arbeiten. Die spezifischen Far­ ten, dass es lange dauern würde. Aber nicht sen? ben, Emotionen und Variationen, die von den sechs Jahre. CMB: Womöglich ist es eine Aufnahme, die einzelnen Musikern kommen, sind im Trio be­ etwas Zeit braucht, um ihre Wirkung zu ent­ sonders ausserordentlich. Mit Chick Corea JNM: Wie hat sich das Werk im Vergleich mit falten. Ich hoffe jedenfalls, dass sie nicht und Brian Blade ist es nochmals einzigartig, der ursprünglichen Version verändert? ­obsolet verhallt, sondern aktuell bleibt. Dass weil es einfach Weltklasse-Musiker sind. CMB: Die ursprüngliche Version komponierte Leute vielleicht auch in drei, vier oder fünf ­14 JAZZ

JNM_03_20_16-17_Christian_McBride.indd 14 26.04.20 20:05 Interview

Jahren Fragen dazu stellen. Dabei denke ich CMB: Wie die feministische Bewegung oder verpflichtet fühlen, ihre Kinder mitzunehmen nicht in erster Linie an die Musik, sondern an #metoo, ist Black Lives Matter eine starke Be­ oder andere jüngere Leute, von denen sie das, was das Werk beinhaltet, was es aussagt. wegung. Sie alle haben in vielen Menschen ­wissen, dass sie diese Musik hören müssen. Es wäre schön, wenn auch junge Leute das ein neues Bewusstsein geweckt. Führt man ­Album hören und dadurch neugierig wür- sich die Geschichte vor Augen – vom Back to JNM: Sie spielten mit bekannten Rock- und den, etwas zu erfahren und zu lernen: Nicht Africa Movement im 19. Jahrhundert über den Popmusikern, auch mit Hip-Hop- und Neo- nur über die vier vorgestellten Persönlichkei­ Pan-Afrikanismus von Marcus Garvey in den Soul-Künstlern und Künstlerinnen. Wie ist das ten, sondern auch allgemeiner über die Ge­ 1920ern bis zu Black Power in den 1960ern –, mu­sikalisch für Sie, was erfahren Sie bei die- schichte unserer Welt und darüber, was Dis­ verlieren viele Bewegungen die Energie ihrer sen Begegnungen? kriminierung und Vorurteile alles angerichtet Anfänge und es kommt Opportunismus auf. CMB: Als Bassist ist es extrem befriedigend, haben und anrichten. Nicht nur in Amerika. Es gibt immer Leute, die sich im Zuge solcher die Musik von anderen Leuten zu lernen, egal, Bewegungen aufspielen und diese unter- welchen Stil sie spielen. Ich fühle mich gut, JNM: ”In many ways, there are some new graben. Oder Trittbrettfahrer, die aufspringen, wenn ich Leuten etwas geben kann, was sie battles we’re fighting, but I feel that these new obwohl sie nichts zu sagen haben und die ur­ brauchen. Wenn ich etwa mit Sting spiele, will battles fall under the umbrella of equality, fair- sprünglichen Ideen schwächen. Wird eine ich in erster Linie sicherstellen, dass er sich ness and human rights – and that’s an old batt- Bewegung zu populär, verliert sie oft ihre Visi­ gut fühlt mit dem, was ich einbringe. Wenn le”, schreiben Sie in den Liner Notes. An wel- on. Das kann immer passieren. So wünsche ich mit Willie Nelson spiele oder dem Shang­ che ”new battles” denken Sie? ich mir, dass diese neuen Bewegungen mög­ hai String Quartet, ist meine erste Frage: Kann CMB: In den letzten Jahren gab es in den USA lichst lange ihren Spirit behalten. ich euch geben, was ihr braucht? Natürlich eine neue feministische Bewegung. Aber wir macht mir diese Musik auch Spass. Ob sich erlebten auch eine neue Welle von weisser JNM: Wie viel hat sich seit den ersten Bür­ das in meinem eigenen Spiel niederschlägt, Herrschaft, etwa bei der Kundgebung von gerrechtsbewegungen in den 1960er-Jahren spielt keine Rolle. Ich liebe es, Rock zu spie­ Rechtsextremen 2017 in Charlottesville, Vir­- geändert? Stellen Sie fest, dass sich die Situati- len, Folk, klassische Musik oder Blue Grass. gina. Oder die Brutalität der Polizei. All das on für die schwarze Bevölkerung verbessert hat nicht notwendigerweise nur mit schwarz/ hat? JNM: Was empfehlen Sie jungen Musikern und weiss zu tun, sondern betrifft alle Menschen. CMB: Es sind zyklische Verläufe. Betrachtet Musikerinnen, die ihren Weg machen wollen. Und es sind Vorkommnisse, die wir aus der man die Geschichte der schwarzen Bevölke­ Auf was sollten sie besonders achten? Vergangenheit mehrfach kennen. Frauen ha­ rung in den USA von 1968 bis heute, lässt CMB: Ich rate allen, von möglichst vielen Leu­ ben sich zusammengetan, um für ihre Rechte sich nicht sagen, dass sich nichts verändert ten zu lernen. Es ist nicht so wichtig, gleich zu kämpfen, Polizei-Brutalität ist nichts Neu- hätte. Die Verhältnisse haben sich verändert. eine eigene Band zu haben. Komponieren es, auch die weisse Herrschaft ist ein wie­ Aber zum Besseren oder Schlechteren? Wir kann man immer, das ist okay. Meine Empfeh­ derkehrendes Thema. Das sind alles ”old batt­ können heute in jedes Restaurant gehen und lung ist: Spielt in Bands von anderen Leuten. les”, die wir aufgreifen. Jetzt, wo es wieder essen, was wir wollen. Wir müssen uns nicht Spielt mit wem immer es möglich ist. Erfahrt, notwendig geworden ist. mehr Sorgen machen, getrennte Toiletten wie andere Musiker denken, was für Konzepte aufzusuchen, aus getrennten Wasserbrunnen sie haben. Ich sage den jungen Leuten auch JNM: Hat sich die Situation der Gleichstel­- zu trinken, in getrennte Schulen zu gehen immer, dass sie keine Angst haben sollen, lung und der Menschenrechte in den USA ver- oder gemischte Ehen zu schliessen, sogar ho- Fehler zu machen. Das ist einer der besten schlimmert? mosexuelle Ehen. Gleichzeitig existiert die Wege, um lernen zu können. ■ CMB: Die amerikanische Führung hat es ge­ Dis­kriminierung weiter. Es gibt immer noch wissen Fraktionen, die bisher ruhig geblie- Polizei-Gewalt, immer noch eine weisse Vor­ ben sind, erlaubt, aus dem Schatten zu treten. herrschaft. Dinge haben sich verändert, aber Aber ist es dadurch schlimmer geworden? sie sind auch gleich geblieben. An der Ober­ Der Rassismus ist immer da gewesen. David flä-che ist es sicher besser geworden, da­ Duke, der ehemalige Leiter des Ku-Klux-Klan, runter lebt das Böse weiter. Das wird wohl sagte sinngemäss, dass Charlottesville eine immer so bleiben. Deswegen muss man im­ gute Sache gewesen sei, weil damit Amerika mer wieder dranbleiben und für Veränderun­ wieder seinen rechtmässigen Platz behaup- gen kämpfen. Christian McBride te. Er meinte die weisse Vorherrschaft. Viele The Movement Revisited, ­Rassisten fühlten sich dadurch ermächtigt, JNM: Die "Fire-Music" und der schwarze Free a musical portrait of four icons 18-köpfige Big Band, Gospelchor, vier Erzähler weil sie sich von der amerikanischen Führung Jazz der 1960er-Jahre waren ein Spiegel für (MackAvenue/MV) getragen spürten. Im Sinne von: Ihr braucht das soziale Klima und ein Ausdruck im Kampf euch nicht zu sorgen, etwas Rassistisches zu gegen Unterdrückung und Rassismus. Was ist sagen, euer Präsident beschützt euch. die ”Fire Music” von heute? Eine Musik, die mit Roda Parks, Malcolm X, Muhammed Ali und Martin Luther King sind vier Persönlichkeiten, die in den dieser Energie, Wut und Dringlichkeit auch 1960er Jahren die amerikanische Bürgerrechts­ JNM: Was denken Sie über die neuen Bewe- ­politische Systeme infrage stellt? bewegung mitgeprägt haben. Christian McBride gungen gegen Rassismus, Polizeigewalt und CMB: Wahrscheinlich ist Hip-Hop die Fire ­Mu- verleiht ihnen in seinem Werk die Stimme von Ungerechtigkeit wie Black Lives Matter? Wie sic von heute. Es ist die Musik, die junge Leute professionellen Schauspielern, die Ausschnitte aus Reden und ausgewählte Textstellen rezitieren. Die stark ist ihr Einfluss heute? wirklich abholt und erfüllt und sie dazu auf­ vier Figuren werden von einem narrativen Prolog rührt, sozial etwas zu verändern. Im Jazz ist eingeführt und dann in einem instrumentalen Teil Christian McBride, 1972 in Philadelphia geboren, es immer schwierig gewesen, eine grös­sere porträtiert. Bei seiner Überarbeitung 2008 hat Mc­ ist einer der bekanntesten und gefragtesten Bas- Bride auch Barack Obama und seine Victory Spe­ sisten. Er hat mit vielen grossen Jazzmusikern wie Bewegung von jungen Leuten anzusprechen. Das ist auch so ein wiederkehrendes Thema. ech (”Apotheosis November 4th 2008") integriert. Freddie Hubbard, Sonny Rollins, Roy Haynes, Ray Das Werk lebt von den starken Stimmen, der Dra­ Brown, McCoy Tyner, , Herbie Han- Wie reden immer über Diversität in der Kul- matik, einem gewissen Pathos, aber auch den so­ cock oder Chick Corea gespielt und war Mitglied tur, im Geschlecht. Aber wie wäre es mit ei- im ­frühen Joshua Redman Quartet. Ebenso hat der listischen und kollektiven Beiträgen der Musikerin­ mehrfache Grammy In der Popmusik (Sting, Paul ner Diversität im Alter? Wir hätten sehr gerne nen und Musiker. Mit Text und Klang und einem McCartney), Soul (, Isaac Hayes) ein Jazzpublikum, das auch altersmässig viel­ emotionalen Grundton wird der Aufbruchsgeist der Bürgerrechtsbewegung vor Ohren geführt. Das oder im Hip-Hop/R’n’B (The Roots, D’Angelo) fältig wäre. Sehr oft spielen wir Kon­zerte, an Spuren hinterlassen. McBride ist auf über 300 aktuelle politische Klima im Trump-Amerika lässt Alben zu hören und hat sechs Mal einen Grammy denen die jüngsten Besucher über 50 sind. vermuten, dass der Kampf um Gleichberechtigung Award erhalten. 2016 war er Direktor des New- Das müssen wir ändern. und Respekt noch lange nicht ausgefochten ist. port Jazz Festivals. Er ist auch vielseitig als Ver- JNM: Haben Sie eine Idee? mittler, Coach, Pädagoge und Produzent tätig. www.christianmcbride.com CMB: Konzertgänger sollten sich vermehrt ­15 JAZZ

JNM_03_20_16-17_Christian_McBride.indd 15 26.04.20 20:05 //Portrait new releases unit

// FRACHTER // ELIAN ZEITEL // LUCAS HEIDEPRIEM TRIO // VIRGO // HONIG IM TEE // SILENT LIFE UTR 4922 UTR 4934 UTR 4926

Die sechsköpfige Formation um Sängerin Julia Frach erwies sich als Fesselnde Kompositionen! Im Panorama der weltweiten Piano-Elite nimmt Lucas einen exzellente Wahl ... für bemerkenswerte Soli gab es Szenenapplaus. wichtigen Platz ein. George Gruntz Main-Echo 14.03.20 VARIO BAR, OLTEN CH 20.03.20 NEUBAD, LUZERN CH 01.04.20 SEIN, AARAU CH

// DUCADU // BIG BAND DE SUISSE ROMANDE // CEDRIC MOOS // IMAGINATION // THE BIG BAND THEORY // BYGONE UTR 4935 UTR 4861 UTR 4853

Klangvolle Bilderwelten in rhythmischer Vielfalt – nach zwei Jahren Je n’ai qu’un mot à dire: FORMIDABLE! Jazzgitarre in der Tradition. Kompositionen wie aus intensiver Kompositionsarbeit legt Simon Schwaninger alten Zeiten, aber in der Moderne eingefangen. nun sein neues Album “Imagination” vor.

07.04.20 MEHRSPUR MUSIC CLUB, ZÜRICH CH 05.06.20 ERLENGUT, ERLENBACH CH

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Comme si Kurt Cobain aurait mangé Louis Armstrong ou MoonMot spielt einen erfrischend radikalen Jazz mit einer guten Yumi Ito ist eine international aktive Schweizer Musikerin und Songwriterin Frank Zappa embrassait Marilyn Monroe ... Portion Punk-Attitude. mit polnisch-japanischen Wurzeln. Für ihr drittes Album “Stardust Crystals” Elina Duni, ECM-Recording Artist hat sich die 29-Jährige Komponistin ein elfköpfiges internationales Ensemble 29.03.20 RENEE, BASEL CH zusammengestellt, für das sie Stücke geschrieben und arrangiert hat. 08.04.20 KASHEME, ZÜRICH CH 10.03.20 DE PEPER, AMSTERDAM NL 10.04.20 TEATRO PALINO, BADEN CH 11.03.20 TBA, DE 13.05.20 SCHAFFHAUSEN JAZZFESTIVAL, SCHAFFHAUSEN CH 17.04.20 ESSE, WINTERTHUR CH 12.03.20 OFF BAR, BASEL CH 12.07.20 LABOHR OLTEN, OLTEN CH 09.05.20 MOLO BAR, LUZERN CH 13.03.20 BEJAZZ (ALBUM RELEASE), BERN CH 25.09.20 OFFBEAT SERIE, BASEL CH 15.05.20 KULT X, KREUZLINGEN CH 14.03.20 KISTE, STUTTGART DE 21.08.21 GDANSK JAZZ NIGHTS, GDANSK PL 23.05.20 MAHOGANY HALL, BERN CH 25.06.20 JAZZ ASCONA, ASCONA CH 04.07.20 JAZZ ASCONA, ASCONA CH 28.08.20 BAR DU LAC, NEUCHATEL CH

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Unit_JazzThing_133_218x303_ra.inddJNM_03_20_19_Anna&Stoffner.indd 1 16 11.03.2026.04.20 17:56 18:23 Portrait

und Phrasierung und mit der Beziehung zum Sound völlig verändern.” Obwohl das Album wie eine Jazz- platte aufgenommen wurde, verweigern sich beide einer stilistischen Einordnung ihrer Mu- sik. ”Es ist Jazz. Und Rap”, schlägt Frei vor, worauf Stoffner erwidert, dass JazzRap aber ziemlich blöd klinge. ”Man könnte es kom­ ponierte Improvisationen nennen”, sagt er und fügt an: ”Wir gehen mit einer Skizze ins Studio und da hat es noch viel Raum für das Kollektiv. Es ist nicht so, dass da zuerst ein Text ist und dann kommt die Musik oder umgekehrt.” Als Hörer kann einem dies auch egal sein, mit welchen Etiketten man Musik immer wieder versucht, verbal einzusperren. ”Im Zusammenspiel sei es Jazz”, sagt Frei, ”aber es ist eben auch Rap und Punk und Rock.” Stoffner nickt und erwidert: ”Wenn man sich auf etwas einlässt, dann will man et- was Neues erfinden, etwas Eigenes.” ”Genau”, ergänzt Frei, ”wenn man Rap und Improvisa­ tion zusammenbringt, entsteht daraus nicht eine Kombination, sondern in gemeinsamer Fliegen lernen mit Arbeit mit der Band etwas Drittes. Etwas, das Flo und ich in den letzten zehn Jahren erfun- den haben.” Anna & Stoffner Und genau diese Erfindung ist es,

Foto:PD/zvg die nun klingend des Hörers Wohnung karto- graphiert und mäandernd durch das Gehirn #stayathome. Verbannt in die eigenen vier Wände. Der Bewegungsdrang tanzt. ”Wir wüssten alle, wie es sein müsste / gross, die Gedanken sehnen sich nach Nahrung. Und dann dies: Irritierend- alles bedeutet etwas / anders, als das, was es hypnotische Klangwolken lassen dich über dem Boden schweben, unzähli- ist / alles ist mehr / als das, was es ist / nicht ge Worte prasseln rhythmisch auf dich ein, dringen ins Gehirn, nehmen dich ist, was es ist / alles ist zu klein / Alle wachsen bei der Hand und tragen dich ins existenzielle Wunderland. Und während über sich hinaus / Alle lassen sich hinter sich / sie dich entführen, balsamieren sie deine Seele, weil sie vom Eingeschlos- Doch keiner kann aus seiner Haut heraus”, sensein berichten. Von eingeschlossen sein in deinen vier Wänden – aber rappt Anna Frei in Zürcher Mundart. Und ir- auch in dir selbst. Von Rudolf Amstutz gendwann, dank den Worten und den kon­ genialen Klängen von Anna & Stoffner fallen Musik ist in Zeiten wie diesen ei- Flo Stoffner, seines Zeichens kein die eigenen vier Wände in sich zusammen und nes der einzigen frei erhältlichen Medikamen- Unbekannter in der Jazzszene und interna- man fühlt sich endlich wieder Flo & Frei. ■ te gegen die soziale Verwahrlosung. Mit ge- tional gefragter Gitarrist der improvisieren- schlossenen Augen treibt sie dich über Täler den Zunft; und Anna Frei, von Hause aus eng und Wiesen, über Bergketten hinweg in frem- mit Kunst verbunden, Wortakrobatin, Texterin, de Städte und Kulturen. Im Falle von ”Gold”, Schauspielerin und Regisseurin haben sich dem neuen Album von Anna Frei und Flo vor zehn Jahren kennengelernt. Seitdem ar- Stoffner, erhält diese Reise verbale Begleitung. beiten sie an der Wechselwirkung und der Der Flug wird zur Reflektion über die eigene symbiotischen Kraft von Wort und Klang. An- Existenz im Spiegelsaal jener Welt, die uns fänglich taten sie dies im Duo, danach mit wegen einer Pandemie abhanden gekommen Drums und jetzt auf ihrem vierten Album mit ist und die wir nun gemeinsam mit Anna Freis den beiden Mitmusikern Vincent Membrez jonglierenden Worten auf den Prüfstand stel- und Fred Bürki. Ann a & Stoffner len. ”Wir wollten eine Band sein, um Gold Die Sogwirkung des Albums setzt mehr Bewegung in unseren Sound zu brin- Anna Frey (words, voc), Flo Stoffner (g), bereits mit dem ersten Song ”Zu Ihm” ein. Der gen”, sagt Stoffner und erwähnt dann als Er- Vincent Membrez (Synth), Fred Bürki (dr) (Vinyl, DL – Irascible) namenlose Hauptprotagonist in diesem Text gänzung zu ”Gold” die EP, die er und Anna im dient als Fluchtpunkt, den Anna Frei in immer Duo letzten Dezember veröffentlicht haben, Anna Frey & Flo Stoffner neu variierenden Textfragmenten umkreist. auf der er zu den Texten auf der Gitarre impro- Anna Frey (words, voc), Flo Stoffner (g) Während die Musik sich um die Worte schlän- visiert. Während diese Improvisationen Mo- (lim. ed. 10" Vinyl, DL – Wide Ear Records) gelt und gleichsam mit dem verbalen Inhalt mentaufnahmen bleiben, sind die Songs der ständig die Distanz zu dieser Person verän- Band im steten Fluss. ”Die Musik muss leben”, dert, mutieren Wortklang und Klangwort kon- meint Anna Frei, ”es hat innerhalb der Form Ann a & Stoffner live: tinuierlich zu einer immer dichter werdenden sehr viel Platz für Weiterentwicklung. Obwohl Die verschobene Albumfeier zu ”Gold” soll nun Dramatik, die sich in der Folge fliessend durch die Texte sich nicht verändern, kann sich de- am 28. Juni im Helsinki in Zürich stattfinden. das ganze Album hindurch manifestiert. ren Inhalt durch den Rap, durch Betonung www.annastoffner.com ­17 JAZZ

11.03.20 17:56 JNM_03_20_19_Anna&Stoffner.indd 17 26.04.20 18:23 Interview Ben Wendel ”Stilistisch sozusagen staatenlos“

Ben Wendel (*1976) scheint alles leicht zu fallen. Keine Verrenkungen, no sweat. Der elegante, smarte Tenorsaxophonist erweckt den Anschein, als sei seine komplexe Musik ein müheloser Spass. Gut gelaunt goutiert er auf dem Podium die Aktionen der Kollegen und ist die Reihe an ihm, legt er total locker los – hochvirtuos und doch fast ohne Fingerbewegungen. Sein Auftritt bei den Langnau Jazz Nights 2019 als Leader mit dem akustischen Quintett ”The Seasons“ war einer der ersten in der Schweiz. Mit ”Kneebody“, einer eklektischen kollektiv agierenden Band und Grammy-Award-Anwärterin, ist er jedoch schon seit 2001 unterwegs – ein Quartett, das mit seiner verschachtelten Fusion von Postbop, Coltrane, Ornett, Elektro- Pop und Hip-Hop einfährt wie eine laute Punk-Band. Mit Ben Wendel sprach Jürg Solothurnmann.

JNM: Du bist kanadischer Bürger, aber in Kali- auch neue Lehrer von CalArts – einer sehr of- so soll es sein, (lacht) und wenn ein Stück fornien aufgewachsen ... fenen Akademie mit Jazzmusikern wie Char­- mehr als ein Solo hat, dann muss es einen Ben Wendel: Ich hatte das Glück, in Santa lie Haden, Joe LaBarbera, Ralph Alessi, Mi- triftigen Grund haben – z. B. eine zwei- oder ­Monica eine exzellente Schule besuchen zu chael Caine und Jack DeJohnette. Ich hatte mehrteilige Form, die bewirkt, dass folgende dürfen, die auch Unterricht in verschiedenen das Beste von beidem: ein gutes Lehrpro- Soli sich je auf eine andere Struktur stützen. Künsten erteilte: mit einem klassischen Or- gramm und erfahrene Lehrer mit dem Grund- Ich habe mir bei der Entwicklung meiner chester, einem Bläserensemble, einer Big Band satz Duke Ellingtons, dass es nur gute und ­Ideen immer Zeit gelassen, bis ich wusste, dass oder einer Marching Band. Ich begann früh, schlechte Musik gibt. Sie spornten mich an, ich etwas habe, das wirklich ich ist. Darum Fagott und Saxophon zu spielen. Meine Mut- das zu entwickeln, was ich liebe und zu ei- war ich bereits 33, als ich meine erste CD auf- ter war Opernsängerin und meine Grossmut- nem Individualstil führt. Ohne Vorschriften zu nahm. ter Flötistin, die der Familie zuliebe auf eine machen, wiesen sie aber auch darauf hin, das Profikarriere verzichteten. Und wegen Lam- und das habe allen Musikern zu allen Zeiten JNM: Welches Instrument war dein erstes, das penfieber gab seinerzeit auch meine Grosstan- geholfen ... Sanfter Druck, aber keine strikte Fagott oder das Tenorsaxophon? te – mit Diplom der Juilliard School – ihre Kar- Ideologie. (lacht) BW: Nach dem Klavier mit fünf wurde mit zehn riere als Konzertpianistin auf. das Altsaxophon mein zweites Instrument – In meiner Familie ertönte also überall Musik. JNM: Du komponierst auch. Wie kam's dazu Alto darum, weil in diesem Alter die Hände Meine Ausbildung war klassisch, aber dann und was beinhaltet das? ja noch zu klein sind, um die Tenorklappen begann ein jazzbegeisterter Nachbar, mir sei- BW: Das entwickelte sich allmählich. Von Kom- zu greifen. Das Fagott kam mit 13 dazu. Der ne Platten von Coltrane, Parker und anderen positionstechniken verstand ich noch nichts, Wechsel zum Tenorsaxophon geschah eher auszuleihen. Ich war fasziniert, auch wenn ich schrieb aber immer gerne meine Ideen auf. zufällig, weil in der College-Big-Band eines noch nicht begriff, was da passierte. Es war Und dass das vier, fünf Jahre lang so geblie- fehlte. Aber dann wurde es sehr schnell mein magisch, Voodoo! ben ist, betrachte ich als Glück. Danach wuss- wichtigstes Medium. Dieser ”Umweg“ ist auch Im Orchester waren wir mitten in Schostako- te ich bereits genau, was mir liegt und Freu- ein Grund, warum ich eine Art Spezialist für witschs Fünfter, als ich etwa 14-jährig be- de macht, dass ich bereit war, mich nun mit den Altissimo-Bereich geworden bin und schloss, Musiker zu werden. Der Satz, den wir der Geschichte zu befassen, ohne einseitig oben fast eine ganze Oktave ansetze. Irgend- gerade spielten, überwältigte mich total und beeinflusst zu werden. Wegen meines klas­ wie habe ich immer noch das Altsaxophon ich erkannte schlagartig: Das ist meine Kir- sischen Hintergrunds benutze ich auch Me­ im Ohr, obschon ich schon lange keines mehr che – meine Welt für den Rest meines Le- thoden wie z. B. Bach. Entscheidend ist aber, besitze. bens! – Aber alle, sogar meine Mutter ver- dass ich den umgekehrten Weg ging und for- suchten, mich davon abzubringen: ”Du hast ja mell Komposition studierte, als sich meine JNM: Dein Hauptgebiet ist tonale Musik mit keine Ahnung, wie hart das Berufsmusiker- Orientierung schon gefestigt hatte. Denn Jazz modaler Harmonik, richtig? tum sein kann.“ Nach meinem Studium an der ist verwandt mit westlicher Musik und das BW: Ja, ich schreibe kaum Musik mit Bebop- Eastman School of Music in Rochester, NY, kann auch eine Gefahr bedeuten. Also, Kom- Harmonik, aber auch nur selten atonal. Ledig- ging ich zurück nach und spielte position hat mir immer Spass bereitet. Sie ist lich mit dem Sonny-Rollins-artigen Trio ACT intensiv mit Musikern verschiedenster Stile für mich eine Art Meditation. haben wir in der Art von Ornette Coleman im- wie Snoopy Dogg, Prince und Billy Higgins. provisiert. Mein Werdegang ist also sehr eklektisch und JNM: Komponierst du auch für grosses Orches- ich bin stilistisch sozusagen staatenlos, ob- ter? JNM: Ich glaube, dein Quintett ”The Seasons“ schon ich jetzt in erster Linie Jazz spiele. Den- BW: Das würde ich gerne tun! Ich habe be- hiess nicht immer so? noch: Ich liebe Jazz und bin Tenorsaxophonist reits für Kammerensembles wie Bläserquin- BW: Nein, aber das ist eine Idee, die ich schon und Komponist, aber mein Geschmack ist nicht tett und Streichquartett komponiert, aber ich lange verfolge. Meine Frau machte mich vor spezifisch Jazz. plane auch eine Aufnahme mit grossem Or- ein paar Jahren auf Tschaikowskis zwölf Kla- chester, wie es z. B. Michael Brecker gemacht vierstücke aufmerksam. Ich las darüber und JNM: Deine neue Produktion ”The Seasons“ hat. Aber ich verstehe Komposition als Im­ war fasziniert, auch weil "Die zwölf Jahres­zei- hat neben Jazz auch starke klassische Einflüs- provisation ”in slow motion“. Sie ist zwar et- ten" ein kommerzielles Projekt Tschaikows- se. Hat die Doppelorientierung in deiner Aus- was strukturierter als die Improvisation, aber kys war und weil der Glaube herrscht, Kom- bildung Probleme erzeugt? sie ist immer eng verbunden gewesen mit merz sei unter dem Niveau der klassischen BW: Nein. – Ich glaube, ich hatte Glück, denn dem, was ich auf dem Instrument spiele. Stü- Komponisten gewesen. Er schrieb diese Cha- wenn man in in den Entwicklungsjahren – cke mit einem Thema am Anfang und Ende rakterstücke 1875/76 für ein Musikmagazin, Highschool und College – falsche Lehrer habe ich nie geschrieben. Bei mir ist Kompo- das den Neuabonnenten jeden Monat als Bo- kriegt, kann das ein Trauma sein. Mit einseiti- sition mit der Improvisation eng verwoben nus ein neues Stück von Tschaikowsky ver- gen Perspektiven können sie viel Schaden und oft können die Zuhörer die beiden gar sprach. Das brachte mich auf die Idee, da­ - anrichten. Als ich ins College eintrat, kamen nicht auseinanderhalten. Das mag ich. Genau raus eine moderne kammermusikalische Ver- ­18 JAZZ

JNM_03_20_20-22_Ben Wendel.indd 18 26.04.20 18:24 JNM_03_20_20-22_Ben Wendel.indd 19 abgeleitet. zahl der Zeilen eine ungewöhnliche Tonleiter Buchstaben der aus sogar ich habe Einmal auch. manchmal diese ich benutzte piration Ins Als Poeten. einem von Lyrik Stücke seiner jedes über setzte Tschaikowsky verrückt. lich nieprogressionen sind umgedreht und ziem Harmo alle Aber Paul. de Gene von April“ ber Das verstärkt auch den pluralistischen Ein pluralistischen den auch verstärkt Das alsgen sei wir so alles arrangiert. organisiert, frei, aber wegen dieser Zeichensprache klin Channel“ ein 40-minütiges Video. Wir spielen YouTube Drum bei ”The in Interessierte für gibt's Davon machten. Meisterklasse eine ber darü- mal wir bis das, bemerkte Niemand usw. Thematik die Tonart, Rhythmus, und art –Takt- können wechseln Musik der Richtung die schlagartig und spontan Spiel rend dem wäh- wir denen mit Signalen, musikalischen Phrasen, kleinen aus besteht Sie entwickelt. wir auch eine umfangreiche ”Geheimsprache“ men und werden Dabei ausprobiert. haben terschiedlich, alle neuen Ideen sind willkom schon lange zusammenspielen. Egal, wie un sind, Freunde alte die Musiker, gute sehr der einer Band, Organisation demokratischen in BW: einfach ... nicht ist beschreiben zu Kneebody von rung Orientie stilistische die und Konzept Das JNM: BW: Aufnahmen? mehr 2/2019) noch JNM vgl (dr), Harland Eric (b) und Brewer Matt (elg), Hekselman (p), Gilad Parks Aaron (mit Quintett diesem von es Gibt JNM: BW: Musik Tschaikowskys übernommen? die auch Konzept vom abgesehen du Hast JNM: Tournee. die und CD die auch dann machte – und Duos der nem ei aus Spieler – jeder zusammen Quintett ein einlud, ich ergriff die Gelegenheit und stellte das Vanguard Village als Leader einer Band 2017 mich Als sei. Album das denn wo gen, Anfra kamen Dann Duo-Video. neues ein lich monat da publizierte und abonnieren, zu nal YouTube-Ka meinen ein, 2016 Besucher die ich lud Absicht weitere Ohne machen. zu sion kollegen und da ist jeder Leader. ehemaliger Studien Kollektiv pluralistisches ein auch aber ist 15 Jahren, seit schon jetzt besteht Kneebody Ausnahme vor. Die jekte Pro befristete verschiedene Leader als ich he zie gegenwärtig aber komme, dazu auch ich dass sein, Kann usw. Plus Bad Trio, The Jarrett Keith –das Bands feste Zeit lange für Leader viele haben – Interessanterweise sich. für was z. ist ”April“ haben. tun zu Monat jeweiligen dem auch von existierenden Standards, die mit

B. a B. Nein, jede meiner bisherigen CDs ist et Das ist das natürliche Ergebnis der sehr sehr der Ergebnis natürliche das ist Das Es gibt versteckte Motive von ihm, aber aber ihm, von Motive versteckte gibt Es ufgebaut auf der Form von ”I'll Remem ”I'll von Form der auf ufgebaut ------

Foto: PD/ZVG diese Frage hat einmal jemand geantwortet, ni den Saxophonsound mitKneebody elektro der wird zum Leader. Leader. zum wird der je benutzen, Signale diese kann Jeder druck. BW: Musik? ”dreckige“ auch du Spielst Rock. mit Erfahrungen auch hast du aber thetik, Äs klassische die einerseits also ist Da JNM: BW: nur. sie hemmen hat, intus total nicht System das längeren Zusammenarbeit. Denn wenn man einer bei nur fast klappen Dinge Solche JNM: Zeichen gibt. sind immer alle einverstanden, wenn einer ein schen Pedalen. Aber ist das noch Jazz? Auf Auf Jazz? noch das ist Aber Pedalen. schen Genau! Wir vertrauen uns total und es und total uns vertrauen Wir Genau! (Gelächter) Meistens manipuliere ich bei ­ - -  höre. jetzt ich die kreieren, Musik will Ich Traditionalist. kein bin Ich sik. Mu meiner in auch man hört das Und nach. tersprache gelernt und denke kaum darüber kr trans und höre Armstrong Louis oder hardt Rein Django intensiv plötzlich ich wenn etwa, – absorbieren zu sie oft, versuche Ich gelebt. nicht noch ich habe da denn integrieren, zu Jazz des Jahrzehnte ersten die schwieriger, mich für es ist Dafür Ausdrucksweise. meiner Teil und Ganzes ein mich für sind Stile nen verschiede Die auf. Rock modernem und sik Mu elektronischer Hip-Hop, mit auch wuchs Ich macht. Sinn was einfach, benutze ich und k Musi- die der in Zeit, der Musik die sei Jazz er leben. Darum kümmert mich das nicht nicht das mich kümmert Darum leben. er ibiere. Aber Rock habe ich wie meine Mut meine wie ich habe Rock Aber ibiere.

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­19 Interview

JNM: Aber es geht trotzdem vor allem um Jazz, Übereinstimmung. Coltrane sagte z. B., er spie- ­bedeutete alles. Jetzt droht sie abzubrechen denn die Stil-Etiketten existieren und wer sonst le keinen Jazz. und das akademische System muss heraus- soll eure Musik präsentieren? finden, wie man diese Philosophie fortführen BW: Total! Aber Jazz ist auch der grösste Ab- JNM: Du unterrichtest auch und anders als kann. Wie können wir das Kontinuum bewah- sorbierer. Ich war schon an vielen Orten; Ma- ­früher wird Jazz an Hochschulen gelehrt. Die ren und die Studenten, die durch die Schulen rokko, Japan, Armenien ... Und überall habe Gefühle sind diesbezüglich ambivalent. Was gehen, animieren, gleichwohl ihren eigenen ich unglaubliche Jazzmusiker angetroffen. Alle denkst du darüber? Stil zu entwickeln? Ich habe dafür keine Ant- spielen Jazz, aber manche haben ihn auch mit BW: Es ist seltsam, in den letzten Jahren be- wort. ihrer eigenen Kultur kombiniert. Sie spielen fragten mich dreimal Jazz-Doktoranden über ihn mit einem lokalen Akzent. Darum ist das die Jazz-Ausbildung und ich begann zu über- JNM: Was kommt als Nächstes? Ding namens Jazz äusserst dehnbar und dar- legen. Ich glaube, dass die Jazz-Ausbildung BW: Beim englischen Label Edition erscheint um ist es von allen Stilen das Gebiet, in dem immer noch in den Kinderschuhen steckt – im Herbst mein nächstes Projekt High Hearts ich mich am meisten entfalten kann. Jazz ist mit guten und schlechten Aspekten. Doch der mit Shai Maestro, Gerald Clayton, Joe San- am offensten, beweglichsten und am meis- Geist des Jazz kann auch in einer akade­ ders, Nate Wood und dem jungen Vokalisten ten bewandert, weil er am tolerantesten ist mischen Umgebung weiterleben, aber das Michael Mayo, der kürzlich mit Herbie Han- für alle verschiedenen Jazz-Auffassungen. Es hängt stark von den Lehrpersonen ab. Es ist cock gearbeitet hat und mirakulös ist. High ist verrückt: Diese Musik gibt's erst gute notwendig, dass sie wirklich ihre eigene Mu- Hearts ist ein Spiel mit der Phrase High Art, hundert Jahre, aber die Bereiche, die sie lang sik spielen und auf Tournee gehen. Die zwei Low Art und damit stelle ich die Frage, wie und breit absorbiert und abdeckt, sind so Seiten dürfen nicht getrennt werden: Sie müs- man als Künstler trotz des destruktiven Ein- weit, dass Normalverbraucher manchmal sen mit der Praxis eng vertraut sein, aber auch flusses der kommerzialisierten Medien wei- nicht mitkommen. Also, was Satchmo spielt, fähige Vermittler. Sie müssen gute Spieler terexistieren kann. ■ was The Bad Plus oder das Mahavishnu Or- sein, die sich ausdrücken können und gleich- chestra, das ist alles Jazz? Schwierig, sich zeitig in der Lage, didaktisch die praktische Diskographie vorzustellen, aber alles entstammt der glei- Erfahrung weiterzugeben. ➤ 2006 Tigran Hamasyan/R. Harutyunyan/ chen Linie. Ich beschäftige mich immer wieder mit die- B. Wendel: World Passion (Nocturne) ser Thematik. Das Jahr, wo ich mit Billy Hig- ➤ 2009 Ben Wendel/Harish Raghavan/ Nate Wood: Act (BJU Records) JNM: Der Schriftsteller Alessandro Baricco gins zusammenspielte, war wahrscheinlich ➤ 2012 Ben Wendel: Frame (Sunnyside) lässt seine Figur Novecento, den legendären der wertvollste Unterricht, den ich je erhielt – ➤ 2015 Kneebody: Anti-Hero (Edition) Ozeanpianisten, sagen ”Wenn du nicht weisst, und das nicht in einer Schule. Aber heute fin- ➤ 2016 Ben Wendel: What We Bring (Motéma) ➤ 2018 Ben Wendel: The Seasons (Motéma) was es ist, dann ist es Jazz ...“ den die wenigsten Leute noch einen traditio- ➤ 2018 Kneebody: By Fire EP (Edition) BW: (Gelächter) Im Buch "Notes and Tones" nellen Mentor mit dieser Erfahrung. Diese ➤ 2019 Kneebody: Chapters (Edition) interviewte Arthur Taylor alle berühmten Jazz- Tradition der praktischen Weitervermittlung ➤ 2020 Ben Wendel: High Hearts musiker der 60er-Jahre und fragte, was Jazz von Generation zu Generation war in der ers- (Edition, Herbst 2020)

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Der grosse australische Posaunist lebt schon lange in Schopfheim im Wiesen- tal nahe der Schweizer Grenze und hat sich mit seinem Electric Trio einen Traum erfüllt. Von Steff Rohrbach gasson er F a ion Adrian Mears : PD/ZVG/F : oto

F ui nd se n orchestrales Electric Trio

Jazz sei ein Plural geworden, schrieb mit elektronischen Effekten zu verbinden. ­Adrian Mears dabei auch immer zu hören ist: Peter Rüedi 2015 im "Musiktraumzimmer" Hinzu kam seine Liebe zum Didgeridoo und stets mit seiner intensiven ureigenen Stimme zum neu eröffneten Basler Jazzcampus, und dessen Groove, doch erst als er das passen- – und einer guten Prise Humor. ■ auch Adrian Mears habe viele Gesichter: "Er de Werkzeug entdeckte, konkretisierte sich spricht viele Sprachen. Aber alle mit dem Tim- die Idee: Mitte der Neunzigerjahre hatte das bre, dem Timing, dem Duktus seiner eigenen US-Unternehmen Lexicon sein Audio-Gerät Stimme. Sie ist unverwechselbar, in welchem JamMan entwickelt. Damit lassen sich Loops Idiom auch immer." Kunzlers Lexikon hebt erzeugen, Posaune und Didgeridoo in einer ­neben der kompletten Technik besonders die natürlichen Klangmischung analog und syn- musikalische Erfindungsgabe des 1969 in chron mit anderen elektronischen Effekten, Newcastle geborenen Australiers hervor, der Stimme, Beatbox und Keyboard kombinie- Adrian Mears Electric Trio Dance Floor Ruby am Konservatorium von Sidney studierte, in ren – live auf der Bühne: "Die Performance mit Adrian Mears (tb, dgdo, keys, electronics, voc btbx, iPhone), den Neunzigern für seine Band Free Spirits, aller Spontaneität ist ausnahmslos, was das Thomas Stieger (el-b), Daniel Mudrack (dr, perc) seine Kompositionen und vom australischen Publikum live hört – no risk no fun", so Mears, (Mears Music, USB-Stick/adrianmears.com) Kritiker-Poll als bester Posaunist ausgezeich- "wobei sich das Ganze ebenfalls auf die Kom- net wurde. Inzwischen hat Mears wohl um die positionen auswirkt." Wer dieses Trio, das sich orchestral auszubreiten vierhundert Kompositionen geschrieben: von Das umfangreiche Instrumentarium vermag, live erlebt hat und davon begeistert war, solo bis zur Big Band und auch für klassische integriert der Australier in sein fulminantes wird auch den Tonträger mögen. Beeindruckend, Orchester. Electric Trio: sowohl live als auch auf Tonträ- wie Adrian Mears auf der Bühne und im Studio mit seinem ganzen Instrumentarium, zu dem zusätz- Nach Studien in New York bei Robin ger eine Wucht. Der Posaunist entpuppt sich lich einiges an technischem Werkzeug gehört, vir- Eubanks, Steve Turre, Conrad Herwig und Sli- dabei als wahrer Multiinstrumentalist, der den tuos und souverän umzugehen weiss. Eine explo- de Hampton kam Mears 1992 nach München Umgang mit dem ganzen Equipment absolut sive und gleichzeitig doch nuancierte Mischung und etablierte sich schnell in der Szene. Er beherrscht und dafür sorgt, dass der zuwei- aus Ethnoklängen, Funk, Jazz und Improvisation, spielte, um bloss wenige zu nennen, mit der len erstaunlich orchestrale, aber kaum je elek- abwechslungsreich und ziemlich witzig obendrein. Unterstützt von seinen nicht minder versierten Band Carla Bleys und Steve Swallows und tronisch wirkende Sound organisch wirkt. Am Kollegen, steht das Equipment bei Mears zu kei- Grössen wie Kenny Wheeler, Bob Brookmey- ­E-Bass sorgt Thomas Stieger, der in Breisach nem Augenblick im Vordergrund – und seine hin- er, Paquito D’Rivera, Dusko Goykovich oder aufwuchs, an der Hanns Eisler Hochschule in reissenden Soli auf Posaune und Didgeridoo gehö- Roman Schwaller. Von 2000 bis 2009 war er Berlin studierte und seit 2006 im Bereich Jazz ren zu den Höhepunkten des Sticks. Dieser lässt sich aus einem Plastikteil im Format eines Bankkärt- Mitglied des Vienna Art Orchestras. Und er und Pop arbeitet, für den verlässlichen Bo- chens ins Notebook schieben und bietet den Vor- begann zu unterrichten: zwei Jahre an der Uni- den. Und am Schlagzeug treibt der ehemalige teil, zusätzlich Infos, Bilder, Teaser und Fotos zu versität Köln, zehn am Konservatorium Mann- Mears-Student Daniel Mudrack das Trio un- transportieren. heim und ab 1999 an der Jazzschule Basel. gemein druckvoll an. Diskographie (Auswahl) Seit 2008 gehört er als Professor zur Fakultät Seine langjährige Band New Orle- ➤ Rhythm-a-tized, Christoph Stiefel Septet der Hochschule für Musik Jazz (FHNW), wo er ans Hardbop, von der zwei Alben auf TCB her- (Challenge, 2016) auch die Big Band betreut. Zudem ist er seit auskamen, hat Adrian inzwischen umgetauft ➤ A-Trane Nights, Adam Pieronczyk Quartet (For Tune, 2014) 2000 beim Festival Generations in Frauenfeld und umgebaut. Es heisst nun Adrian Mears ➤ Birdseye View, A.M. New Orleans Hardbop derjenige Master, der auch die Unit der bes- Nu HardBop und Peter Madsen (p), Domenic (TCB, 2008) ten Jungen betreut und im Folgejahr mit ihr Landolf (ts, bcl), Arne Huber (b) und Kevin ➤ Carla's Christmas Carols, , Steve swallow, The Partyka Brass Quintet (ECM, 2008) auf Tour geht. Chesham (dr) gehören dazu. Es wird auf Me- ➤ Stephan Kurmann Strings Play Hermeto Pascoal Seine vielen Sprachen hat Adrian ars Music bald einen Tonträger geben. (Edition Printemps, 2008) Mears in den letzten Jahren nochmals we- Als Gast taucht der internatio- ➤ Jump On In, A.M. New Orleans Hardbop (TCB, 2004) sentlich erweitert. Bereits in seiner New Yor- nal gefragte Posaunist in zahlreichen Gruppen CD-Taufe Adrian Mears Electric Trio ker Zeit vom bewunderten Robin Eubanks auf, fest gehört er zum Christoph Stiefel 25.9.2020, Basel, Offbeat (Atlantis) www.adrianmears.com ­inspiriert, entstand der Wunsch, die Posaune Septet. In welchen nuancenreichen Sprachen ­21 JAZZ

JNM_03_20_21_Adrian_Mears.indd 21 26.04.20 18:29 Interview Nils Wogram Root 70 Eine Band setzt auf Vielfalt und Risiko

Mit der Anniversary Box ”Nils Wogram Root 70 2000-2020” veröffentlicht der in Zürich lebende Posaunist die komplette Diskographie mit vielen Extras des Klasse-Quartetts Root 70. Das viel- fältige Werk ist etwas vom Feinsten, was der zeitgenössische europäische Jazz zu bieten hat. Wir haben mit Nils Wogram über die Entwicklung von Root 70, seine Ambitionen und die Heraus- forderung gesprochen, mit Jazz seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Von Pirmin Bossart

JAZZ'N'MORE: 20 Jahre Root 70: Du hast dich NW: Das folgende Album war eine komplette Anfangsphase nicht so gut beherrschten. mit der Box für eine sehr aufwendige Produkti­ Kehrtwende: ”Root 70 on 52nd 1/4 street” ist Zwei Jahre später, nachdem wir es auf Tour on entschieden. Warum eine Box und keine unser erstes Konzeptalbum. Es besteht aus- ständig gespielt hatten, nahmen wir es noch- ”best of”? schliesslich aus Stücken, die auf den Akkor- mals auf, und es wurde ein Burner. Nils Wogram: Ich bin selber ein Fan von sol- den von Standards basieren, aber immer ein chen Boxen. Es ist wunderbar, wenn man das System benutzen, in dem es in der Oktave 24 JNM: Du hast über Root 70 gesagt, dass sich komplette Schaffen einer Zeit und zusätzliche statt zwölf Töne gibt, also Vierteltöne. Die- die vier Protagonisten über ein ”ähnliches mu­ Informationen und Inhalte zu einer Band, ei- se Technik hatten wir vorher auch schon an- sikalisches Wertesystem und eine vergleich­ nem Musiker und einer bestimmten Zeit hat. gewendet, aber nicht in dieser Konsequenz. bare Grundästhetik” verbunden fühlten: Wie Man erhält dann wirklich ein Gefühl für die Zusätzlich ist dieses Album das erste, das wir drücken sich diese aus? Was gehört zu diesem Denk- und Arbeitsweise und kommt der musi- mit minimalistischem und altem Equipment Wertesystem, zu dieser Grundästhetik? kalischen und künstlerischen Idee näher. Es aufgenommen haben: Drei Mikros für vier NW: Zunächst einmal ein tiefes Verständnis ist auch einfach ein tolles Produkt für die Fans. Musiker und alles direkt auf Analogband. und eine Liebe zum Jazz und seiner Tradi- Das hätte alles schiefgehen können: Wer will tion. Alle Root-70-Mitglieder können swingen, JNM: Auf dem mitgelieferten Stick sind neben schon Viertelton-Jazz hören? Was ist, wenn über Akkordabfolgen improvisieren und eine Videos und Fotos auch sämtliche Noten dabei: der Sound nicht gut klingt? Am Ende ist die- dazugehörige Form halten. Dazu kommt eine Hoffst du, dass die Stücke hier und dort aufge­ ses Album eines unserer besten und origi- gewisse punkige Haltung: Nicht puristisch griffen und gespielt werden? nellsten geworden. denken, Dinge auch mal ganz anders ma- NW: Ich bekomme immer mal wieder Anfra- chen, mit Normen brechen, sein eigenes Ding gen von anderen Musiker*innen, die unsere JNM: Auf ”Riomar” habt ihr drei klassische machen. Wir alle kennen nicht nur Jazz, son- Stücke gerne spielen möchten. Die Root-70- Streicher dazugeholt. dern sind stilistisch offen und benutzen im Musik ist schon in vielen Ländern von ande- NW: Hier war das Risiko: Kann diese Kombina- Sinne des Jazz alle möglichen Einflüsse. Nicht ren Musiker*innen aufgeführt worden. Zudem tion funktionieren? Können die klassischen zuletzt spielt für Root 70 der Humor eine werde ich regelmässig gefragt, was denn Musiker*innen die Musik überhaupt spie- wichtige Rolle. Wir nehmen uns selber nicht von unserer Musik eigentlich aufgeschrieben len? Gibt es die Möglichkeit, eine siebenköpfi- immer komplett ernst und lassen manchmal ist und was improvisatorisch entsteht. Viele ge Besetzung zu finanzieren? Die Frage war eine Art von Egal-Haltung walten. ­Leute interessieren sich auch nur für meine auch, ob es mit den überwiegend ruhigen Kompositionen. Die Noten sind also nicht nur Stücken dramaturgisch funktionieren würde. JNM: Mit dem Nostalgia Trio hast du ein sehr für ausübende Musiker*innen, sondern auch Ich bin auch an die Grenzen dessen gegan- zugängliches und swingendes neues Album für interessierte Fans und Komponisten. gen, was man manchmal als Kitsch bezeich- ­gemacht. Hat das etwas damit zu tun, dass du net. Doch am Ende war auch dieses Album offener geworden bist gegenüber melodiöser, JNM: Wie hat sich aus deiner Perspektive die und Programm ein grosser Erfolg. wohlklingender, weniger streng konzipierter Musik von Root 70 über die 20 Jahre verän­ Musik? dert? Wo siehst du Formen, Spielweisen, Ent­ JNM: Was schliesst du daraus? NW: Als Musiker und Künstler stellt man sich wicklungen, die dich selber überraschen und NW: Es zeigt, wie man als Künstler immer wie- immer wieder essenzielle Fragen: Was will ich freuen? der neue Herausforderungen suchen muss mit meiner Musik erreichen? Wofür steht NW: Am Anfang habe ich einfach Stücke ge- und ins Risiko gehen sollte. Nur so entdeckt ­meine Musik? Was höre ich selber gerne? Wo schrieben: Was interessiert mich musikalisch, man neue Dinge und kann sich und andere liegen die Probleme des aktuellen Zeitgeists? was bringt Abwechslung und eine Drama­ überraschen. Im Zuge dieser Gedanken ist mir aufgefallen, turgie? Mit der Zeit bin ich dann mehr mit der dass viele der besten Jazzmusiker vor allem Lupe an bestimmte Dinge herangegangen. JNM: Wie habt ihr das Spektrum zwischen auf Charakter, Improvisation und Spontani- Dabei bin ich immer wieder Risiken einge­ ­geschrieben und improvisiert angepackt und tät setzen und weniger auf Perfektion und gangen und habe das Scheitern als mögliche ausgereizt? Was ist euer Anspruch? ­Arrangements, wobei Ausnahmen die Regel Op­tion mit eingerechnet. Angefangen hat es bestätigen. mit dem Album ”Fahrvergnügen”. Musikalisch NW: Für mich ist eine gute Balance wichtig. gesehen sind da unheimlich viele verschie­ Weder die eine noch die andere Seite ist zu JNM: Schlagen solche Erfahrungen oder ande­ dene Aspekte drin. Dieses Album wurde in bevorzugen. Ich bin kein Anhänger der These, re Ausdrucksweisen auch auf Root 70 zurück? New York im Avatar Studio mit James Farber dass Notenständer nichts für Jazzmusiker- NW: Ja klar. Die Bands und die Ideen der je- aufgenommen und von Greg Calbi im Sterling *innen sind und alle Strukturen einfach sein weiligen Musiker beeinflussen mich. Und das Sound gemastert. Das waren in der damali- müssen. Wichtig ist der Spirit. Und eben- hat wiederum Auswirkungen auf die Stücke, gen Zeit die absoluten Helden für die State of so, dass die Musiker auch komplexe Musik die ich für die Bands schreibe. Da kann es the Art Jazz Recordings. Ich wollte mal wis- beherrschen, sodass sie diese auch wirklich Überschneidungen geben. Trotzdem ist mir sen, wie die arbeiten, was ihre Arbeitsweise meistern und damit improvisieren können. wichtig, dass jede Band ihren eigenen Sound ausmacht und was das mit unserem Sound Diesen Anspruch hatten wir bei Root 70 von hat. Jede Band hat auch ihre eigene Dynamik. tut. Anfang an. Ich erinnere mich an das Stück Menschlich und musikalisch. Was jetzt bei ”Wild 13”, das bei der ersten Aufnahmeses­ Nostalgia mit dem Album ”Things We Like to JNM: Wie habt ihr später weitergearbeitet? sion nicht aufs Album kam, weil wir es in der Hear” anstand, beschäftigt mich schon län- ­22 JAZZ

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Foto: Palma Fiacco NW: Wiedas? ist einschneidend Musiker? als dich für konkret ganz Touren und Gigs ausgefallenen die bedeuten Was JNM: Wrong”. Be Can Men ”Wise Your oder Woman” to ”Listen bei Beispiel Zum 70 hören. Root zu bei auch Form anderen einer in ist und ger NW: Aussichten? deine sind Was JNM: rad ge Glück zum hat Frau Meine hält. Wasser über jetzt mich was Luzern, Musikhochschule weg. fallen Einnahmen diese Auch sen. gewe Portal Michel legendären dem mit dio Stu Tage im fünf ich wäre April Anfang hätte. der wie gehabt, Radiomitschnitt einen hätten Wir den. wor abgerechnet wäre Konzerte der Jedes S viele auch Zeit dieser in sind Es lebenswichtig. mich für auch ist Arbeit ihre denn verhindern, zu es gilt Das durchzubringen. Familie ihre um einen anderen Jobkurzfristig machen muss, sie ob Überlegen, am ist Agentin meine Und bezahlen. nicht Musiker meine konnte Ich ten. Gagenvolumen von rund 40'000 Franken flö de verschie sechs mit Tagen drei an Moods im Blanche Carte die Tour stand der Ende Am davon in tollen und renommierten ”venues”. viele geplant, 15 Konzerte hatten Wir arbeitet. ge Jahr ein Root-70-Tour 2020 rund März für nen Bands. An diesen 20 Tagen ging ein ein 20 ging Tagen diesen An Bands. nen e einen grösseren der Grafikauftrag, nicht Ich habe noch ein kleines Pensum an der der an Pensum kleines ein noch habe Ich der an haben Wir Katastrophe. eine ist Es ­der um S ui sa ui -E sa innahmen weggefallen. -E innahmen generiert ­ - - - - ­ -

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■ ­ ------26.04.20 18:31 ­ ­23 Interview Maria Schneider Der Kampf gegen die Monster

Am 24. Juli erscheint mit "Data Lords" das neue Album von Maria Schneider. Die Komponistin hat schon vieles erreicht, hat zahllose Auszeichnungen, darunter mehrere Grammys gewonnen und soeben wurde ihre CD "Concert in the Garden" in das National Recording Registry of the Library of Congress aufgenom- men – das erste Mal, dass diese Ehre einer Frau zuteil wurde. Jazz'n'More erreichte Schneider Mitte April per Skype in ihrem ausserhalb von New York gelegenen Wochenendhaus, um über die ihre aktuelle Musik, die Notwendigkeit politischen Verhaltens und die Offenheit der heutigen Zeit zu sprechen. Von Christof Thurnherr

Jazz'n'More: Im Juli erscheint deine mit seren individuellen Beiträgen die Finanzie­ und Mechanismen, ist in meine Musik einge­ Spannung erwartete neue Doppel-CD. Bei un- rung eines solchen Grossprojekts sichern. flossen. Ein schon bereits 2016 entstandenes serem letzten Kontakt warst du allerdings noch Eine der Gegenleistungen ist es, dass die Vor­ Stück trug den Titel "Data Lords", es folgte alles andere als zuversichtlich, dass es über- besteller während der Entstehung des Werks eine Komposition zum Zitat "Don't Be Evil", haupt noch einmal ein neues Album des Maria laufend über den Stand der Produktion infor­ dem Slogan aus Googles Anfängen. Ich reali­ Schneider Jazz Orchestra geben würde. Wie ist miert werden. Da versuchen wir, guten Con­ sierte, dass mich dieses Thema so sehr be­ dir das trotzdem noch einmal gelungen? tent zu liefern, und das ist etwas, was es frü­ schäftigte, dass ich es zu einer Art Konzept Maria Schneider: Tatsächlich war der Weg zu her nicht gab. meiner neuen CD machte. "Data Lords" lang. Eine solche Produktion ist ein riesiger organisatorischer Aufwand und JNM: Der neue Titel "Data Lords" spielt wohl JNM: Im Vergleich zu deinen letzten Veröffent- mit sehr hohen Kosten verbunden. Geschafft auf diese neuen Umstände des digitalen Le- lichungen mit Titeln wie "Allegresse", "Concert haben wir es schliesslich, indem wir für die bens an? in the Garden" oder "Sky Blue" scheint daraus Finanzierung ein neues Businessmodell ent­ MS: Ja, diese Themen sind ein wichtiger Teil eine ganz neue Maria Schneider zu sprechen. wickelten. meiner aktuellen Musik geworden – obwohl MS: Teilweise, vielleicht ... Aber ich spüre Es ist ja kein Geheimnis, dass sich das Mu­ ich das nicht so geplant hatte. Meine Musik schon seit längerer Zeit, dass es mich immer sikbusiness in den letzten Jahren stark verän­ entsteht, indem ich über das schreibe, was mehr zurückzieht zu meiner Herkunft, in die dert hat. Musik wird heute über die verschie­ mich in meinem Leben gerade beschäftigt. In Nähe der Natur. Und weniger Ablenkung hat densten digitalen Kanäle konsumiert. Dabei den letzten Jahren habe ich mich zunehmend mich erstaunlicherweise sehr viel engagierter treten einige Player mit grosser Marktmacht damit auseinandergesetzt, wohin sich das gemacht. Ich schrieb deshalb gleichzeitig auf, sehr zum Nachteil der Künstler. YouTube Internet, das digitale Leben entwickeln. Das auch ganz andere Stücke. Zum Beispiel hat zum Beispiel versorgt das Publikum mit einer führte mich zu meinem aktiven Auftreten ge­ mich ein berühmtes Töpferkunst-Objekt ins­ unüberschaubar grossen Masse an Inhalten, gen Firmen wie YouTube und Google. Diese piriert: ein runder, unregelmässiger Gegen­ man erstickt förmlich an diesem Medium. Das Firmen haben die Macht, die Werkeigenschaft stand, in dessen Innern ein Stein beweglich hat zur Folge, dass der Hunger nach Musik und die Copyrights schlicht zu missachten. eingeschlossen ist. Daraus entstand die Kom­ vielerorts verloren gegangen ist. Es gibt kaum Und dadurch setzten sie eine Entwicklung in position "Stone Song". noch Leere, in der man sich nach etwas seh­ Gang, die alle Akteure im Netz dazu zwang, nen kann. die Inhalte, so auch die Musik, kostenlos an­ JNM: ... ein ziemlich starker Kontrast ... Und auch wenn man aktiv Musik bezieht, zubieten. Dadurch wurde der bisherige Mu­ MS: Meine Musik ist für mich eine Art, mein dann ist das heute fast überall kostenlos mög­ sik-Markt, die oekonomischen Aspekte der Leben besser zu verstehen. Beide dieser Wel­ lich. Selbst über Spotify bezahlt man mit den Musik, komplett zerstört. ten sind in meinem aktuellen Leben wichtig. monatlichen 9.99 ja eigentlich nichts. Musik Die eine nimmt von uns, die andere nährt uns. hat ihren eigenen Wert verloren und ist zu ei­ JNM: Dein Engagement gegen diese markt- Die eine nützt uns über unsere persönlichen nem Vorwand verkommen, über den einige mächtigen Unternehmen, beispielsweise deine Daten aus, die andere verlangt nichts und grosse Firmen ihr Geschäft mit den Daten der offenen Briefe und deine Aussage vor dem ist einfach da, um wahrgenommen zu wer- User abwickeln. Das wenige, was dann unter Kongress, haben in Musikerkreisen hohe den. Beides – das Ausgeliefertsein gegenüber dem Strich trotz allem für die Künstler abfällt, ­Wellen aufgeworfen. War dabei die Musikerin dem Mächtigen und die gebende Ruhe des wird durch einen irrationalen Schlüssel ver­ Maria Schneider oder die betroffene Bürgerin Natürlichen – muss ich offenbar irgendwie teilt: Alle bekommen dasselbe. Ob ein DJ ei­ aktiv? zusammenbringen. nen Song im Schlafzimmer produziert oder MS: Als Musikerin war ich natürlich durch die So gegensätzlich sie sind, es führt kein Weg ob ich im Studio für 200'000 $ aufnehme – markttechnischen Umwälzungen sehr früh daran vorbei, ein Gleichgewicht zu finden. wir beide erhalten gleich viel. ... Entschuldige und spürbar betroffen. Dadurch wurde ich Daraus entstand die Idee, dass die neue Ver­ einen Moment. Da draussen macht sich ein vielleicht ein bisschen eher auf diese Prozesse öffentlichung ein Doppelalbum werden sollte. Eichhörnchen an meinem Vogelhäuschen zu aufmerksam. Aber mir wurde auch früh be­ Die erste CD handelt vom Leben in einer digi­ schaffen ... wusst, dass die Auswirkungen alle Lebens­ talen Welt, die zweite davon, dass man sich Diese Entwicklungen haben einschneidende bereiche durchdringen und nicht nur die Ur­ von gewissen Zwängen löst. Auswirkungen auch auf mich. Obwohl ich im­ heber von Inhalten, sondern uns alle betref­ mer mehr Preise gewinne und mein Publikum fen. Das haben noch heute viele nicht wirklich JNM: Lassen sich diese Gegensätze überhaupt immer grösser wird, wird es immer kniffliger, wahrgenommen: dass diese Firmen die Mög­ verbinden? die Leute dazu zu bringen, Musik neben den lichkeit haben, uns zu kontrollieren und zu MS: Das weiss ich nicht. Als Künstlerin kann digitalen Kanälen zu konsumieren und dafür beeinflussen, was wir kaufen, wohin wir ge­ ich nur beschreiben, wie ich mich fühle, und auch Geld auszugeben. Da hat sich ausbe­ hen, was wir tun. dadurch den Gegensatz vielleicht auch für zahlt, dass ich seit vielen Jahren mit Artist­ Das ist eine Entwicklung, die mich nachts andere spürbar machen. Dabei sollte sich share verbunden bin. Über diese Plattform ist nicht schlafen lässt. Und diese Gefühle, die ­jeder seine eigenen Gedanken machen. Es es möglich, Leute zu erreichen, die mit grös- Frustration, die Wut gegenüber diesen Firmen kann sein, dass jemand ein gewisses Unbeha­ ­24 JAZZ

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Foto: PD/ZVG/With Lane teln. teln. vermit zu dies darum, mir geht es und mich werden.chert Diese beschäftigen Fakten E ihre dass werden, ausgewertet Bilder ihre alle dass haben, re Privatsphä keine sie dass haben, zu dagegen nichts scheinen sie indifferent, eher bezüglich dies mir erscheinen Menschen junge allem – vor ist begeistert Entwicklung digitalen der Vorteilen den von trotzdem aber spürt, gen schon gefallen. Meine Erfahrung ist ... ist Erfahrung Meine gefallen. schon das mir würde könnte, machen aufmerksam andere damit ich wenn Und Musik. meine in floss Engagement Dieses heute. wie giert enga so politisch nie noch Leben meinem in mich habe Ich verändert: mir in etwas sich hat Zeit letzter in Aber gesehen. Musikerin politische als nie mich habe Ich finden. zu Klänge Gefühle meine für darum, nur immer J drohung ernst. Der Game Changer bei uns in uns bei Changer Game Der ernst. drohung Be die nehmen Leute viele und anders das ist Heute sollte. sein handelbar frei sätzlich grund Information dass Ansicht, der waren – viele stiess Anliegen meine für Verständnis wenig auf Vorträgen bei ich vor, dass es kam VorMeinung ändert. langsam Jahren einigen öffentliche die sich dass ist, Erfahrung Meine Futter weg! Ich bin gleich zurück ... zurück gleich bin Ich weg! Futter ganze das sonst Vögeln meinen frisst hörnchen Eich Dieses unternehmen. etwas jetzt muss ich Moment: einen einmal noch schuldige s MS: ik wirkt? politisch N M: Wolltest du schon immer, dass deine Mu deine dass immer, schon du Wolltest M: Nein, nie! In meiner Musik ging es mir mir es ging Musik meiner In nie! Nein, - Ma ils für immer gespei immer für ils - ent ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ - -

die wir verloren haben. haben. verloren wir die denke, Dinge die all an ich welchem in World", "A Lost Stück erste das ist beispielsweise versöhnlich Sehr sein. enttäuscht nicht CD zweiten der von werden die mögen, Fields" Für diejenigen dagegen, die die "Thompson (lacht) mir! in Biest das erweckte –das Musik alten dieser Power der mit zusammen Wut, diese und Frustration se aufgewühlt wurde, die innerlich nügend stark ge­ persönlich ich dass noch, nur fehlte Es geöffnet. wieder mich für Kiste alte diese er hat dadurch Und wollte. hören mir von er was es, war –das Intensität die gefiel Song". Ihm Soft My to You Monster "Dance oder "Wyrgly" beispielsweise wie tionen Komposi­ frühen meinen von angetan allem vor war Er Bowie. David mit Zusammenarbeit fürselerlebnis diesen Ausdruck war meine Schlüs Ein intensiv. und bewegt sehr chend änderungen mit sich bringen, davon bin ich ich bin davon bringen, sich mit änderungen me J das löst Gefühle aus. len Welt auf unser Privatleben sein kann. Und digita der Einfluss der konkret wie zeigen, zu sich beginnt, Es Brexit. der auch und wahlen, Präsidentschafts letzten die waren USA den MS: G J MS: Musik? deiner in Gefühle und N N eschehnisse sehr aktuell geworden ist ... M: Wie klingen deine diese M: ... ein Gefühl, das durch die weltweiten weltweiten die durch das Gefühl, ein ... M: n enorm auf. Die erste CD ist dementspre ist CD erste Die auf. n enorm Wie erwähnt, wühlen mich diese The diese mich wühlen erwähnt, Wie Die aktuelle Situation wird grosse Ver­ grosse wird Situation aktuelle Die E i nstellungen ­ ­ ­ - ­ ­ kann. kann. dann jeder seine eigenen Gedanken machen sich denen zu aufwirft, Fragen Musik meine wenn schön, wäre Es sind. wert Beziehungen menschliche was merken, wir Dass schätzen. Dass wir das Grundlegende wieder mehr ... (lacht) geht Klopapier weniger mit weniger auskommen. Dass es auch mit gut ganz wir dass werden, bewusst uns wir dass führen, dazu auch ja uns – könnte täten Kontakten,Waren,flächlichen Freizeitaktivi­ ober –zu Zugang erschwerter Ein leben. zu weniger mit gewöhnen, daran und sinnen be uns wir dass bringen, dazu uns könnte es Oder integrieren. Leben unser in mehr noch Netflix und Hangout Google und Skype und Zoom wie Apps diese alle und werden den nun alle noch stärker an das gebun Digitale wir dass sein, gut könnte Es vorstellen. nicht noch allerdings mir ich kann wird, gehen lung Entwick die Richtung welche In überzeugt. www.mariaschneider.com

Maria Schneider Jazz Orche (Artistshare.com) Data Lords s tr

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KINGA GLYK & BAND & GLYK KINGA KEÏTA/BRÖNNIMANN/NIGGLI «KALO YELE»

LISETTE SPINNLER; KAPPELER/ZUMTHOR DANIEL GARCÍA; ANTONIO LIZANA «YESUN» TRIO FONSECA ROBERTO JOACHIM KÜHN; STEFANO BOLLANI STEFANO KÜHN; JOACHIM

CONCERT 2020 SUMMER Years

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Jazzfestival

August 30 29 29 26 26 28 31

TINGVALL TRIO; TEARS FOR ESBJÖRN FOR TEARS TRIO; TINGVALL SHALOSH ANDREAS SCHAERER & «HILDEGARD LERNT FLIEGEN» LANDGREN/WOLLNY/ DANIELSSON/HAFFNER «4WD» ANOUAR BRAHEM QUARTET BARBARA DENNERLEIN SOLO & DUO «22 HALO» FRIES MARIA LEA

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Portrait Foto: PD/ZVG Feigenwinter Oester Pfammatter Subtilität der Extraklasse Wenn drei erfahrene und einander vertraute Musiker jeweils dreimal so viele Stücke, wie sie dann mit auf die Bühne oder Stücke aus dem Standards-Kanon interpretieren, ist ins Studio nähmen. ”Wenn wir zusammenkommen, sortieren wir vor das oft aufregender, als wenn hippe Zeitgeist-Kreatio- allem aus.” nen abgefeuert werden. Feigenwinter Oester Pfam- Bei diesen Sessions ist auch das Ungeplante dabei. ”Es gibt kaum ein System”, sagt Pfammatter. ”Wir spielen und landen möglicherweise an matter transformieren auf ihrem neuen Album ”The einem interessanten Ort, dann gehen wir von dort aus weiter.” Auch Edge” die Stücke mit Erfindungskraft und Subtilität zu Oester betont, dass sich ein Stück jederzeit spontan in eine unvorher- gehaltvollen Instant-Originalen. Von Pirmin Bossart gesehene Richtung entwickeln könne. Bei eigenen Stücken habe er eher klare Vorstellungen, sagt Feigen­ Das Album wächst bei jedem Durchhören, weil man Details und Klang- winter. Tunes aus dem Jazzkanon und Standards seien diesbezüglich lichkeiten entdeckt, die einem viele Jazz-Piano-Trios in dieser Leichtig- fast schon das Gegenteil: ”Sie ermöglichen alles. Und alles, was gut keit und Raffinesse nicht so schnell bieten. Der Stoff, aus dem dieses ist, ist willkommen. Erst recht Sachen, die wir nicht erwartet haben.” Als Trio seine Musik macht, sind ”Standards”, zu denen neben bekannte- besondere Qualität erkennt Feigenwinter bei diesem Trio, ”dass es aus ren Stücken wie ”Cherokee” (Ray Noble), ”Central Park West” (John jedem der drei Musiker Dinge herausholt, die andere Konstellationen Coltrane) oder ”Limehouse Blues” (Braham/Furber) auch überraschen- nicht aus uns herausholen und somit genau zu diesem Trio gehören. de Versionen von ”The Eighth Veil” (Billy Strayhorn) oder das wunder- Daran arbeiten wir auch.” bar reduzierte ”Lawns” (Carla Bley) ihren Platz finden. Balance – Individuum – Kollektiv Fülle von Möglichkeiten Das Fundament dieses Trios sind eine grosse Erfahrung und langjähri- ”Warum nicht Standards?”, sagt Schlagzeuger Norbert Pfammatter ge Vertrautheit. ”Wir haben viel Vertrauen, gegenseitige Wertschät- und meint: ”Wenn Jazz eine Improvisationskunst ist, sind Standards zung, grosse Ohren und Herzen und kleine Egos”, bringt es Oester auf auf jeden Fall ein interessantes Ausgangsmaterial.” Ein Standard ist für den Punkt. Auch Pfammatter betont ”die lange gemeinsame Geschich- ihn ”kein Werk an sich, sondern mehr eine Fülle von Möglichkeiten und te und die tiefe Freundschaft bei aller Verschiedenheit”. Feigenwinter genau das mag ich daran”. Zudem habe er eine lange persönliche Ge- schätzt an Oester ”die Balance zwischen ihm als Individuum und als Teil schichte mit diesen Songs, die ihn sehr mit ihnen verbinde. Bassist des Kollektivs” und an Pfammatter ”seine tiefe Versenkung in jeden Bänz Oester verbringt viel Zeit damit, Standards genau zu recherchie- einzelnen Moment”. ren. ”Mich interessiert, wie die Melodie komponiert wurde, wie die 1996 haben sie das Trio gegründet, mit ”Great American Songbook” Harmonisierung am Anfang war und wie sie sich in den Händen der (1999) und ”Because You Knew” (2002) zwei feine Alben veröffentlicht Jazzmusiker entwickelt hat.” Von dort aus sei für ihn alles möglich mit und auch eine Tour mit absolviert. Nach einer längeren einem Stück, ”ohne stilistische Einschränkungen”. Pause melden sie sich nun mit ”The Edge” zurück. Ein passender Na- Beschäftigt sich Pianist Hans Feigenwinter mit einem Standard, spielen me, reizen sie doch die Standards, vor allem aber auch das Zusam- für ihn Referenzaufnahmen aus der Jazzgeschichte selten eine Rolle. menspiel und die spontane Interaktion ”bis zur Kante” aus. Es ist ein ”Ich bin sogar froh, wenn mir von einem Stück gar keine solche zu Album, dem man sich uneingeschränkt hingeben kann. Es hat einen ­Ohren kommen. Den Song 'Waltzin' habe ich einfach beim Stöbern in eigenen Flow und strahlt bei allen subtilen Vitalitäten und Kühnhei- einem Songbook gefunden. Von seinem Komponisten hatte ich noch ten eine Ruhe aus, die wie eine Läuterung wirkt. ■ nie etwas gehört.” Ein blosses Songsheet mit Text gewähre ihm den grösstmöglichen freien Zugang, sagt Feigenwinter. Manchmal kata­ Feigenwinter Oester pultiert er ein Stück in eine neue Umgebung. ”So haben wir das mit Pfammatter dem Limehouse Blues gemacht. Davon hatte ich nur schnelle Versio- The Edge nen gehört, vor allem aus der Swing-Zeit. Mir schwebte dann plötzlich Hans Feigenwinter (p), Bänz Oester (b), Norbert Pfammatter (dr) (TCB/K-Tel) ein mittleres Tempo vor mit einem Beat, der von Norbert gespielt wird.”

Aussortieren statt proben Das Frappante an diesem Trio ist, wie nuanciert und eigen sich die Konzerte: 26./27.08.20 Bird’s Eye, Basel – 28.08.20 Tinguel Museum, Basel ­Musiker das Material einverleiben. Stehen da zahlreiche Proben dahin- 28.08.20 Bird’s Eye, Basel – 29.08.20 Bird’s Eye, Basel OFFBEAT-CONCERT.CH 07.11.20 Jazz Linard Festival, Lavin – www.feigenwinter-oester-pfammatter.com ter? ”Wir treffen uns, wir proben nicht”, sagt Feigenwinter. Sie spielten KULTURHAUS ­27 BIDER&TANNER JAZZ 061 206 99 96

JNM_03_20_26-27_Feigenwinter.indd 27 27.04.20 08:50 Portrait Jana Herzen/Motéma Wenn die Moleküle tanzen Sie ist Chefin des von ihr gegründeten Labels Motéma und sie begeistert als Gitarristin und Sängerin: Jana Herzen. Jazz’n’more hat die Wahl-New- Yorkerin zum Gespräch getroffen. Von Rudolf Amstutz

Es ist der 30. November 2019. Im im Gespräch vornehm zurückhalten. Er weiss: ker wollten Teil dieser Familie sein. Doch es Greenwich Village in füllen sich Der heutige Abend ist fest in weiblichen Hän- war eine andere Künstlerin, die den Weg von langsam die Strassen. Es ist Samstagabend den. Motéma einschlägig verändert hat: ”Als Geri und der Virus, der bald die ganze Welt in Atem Und Herzen zeigt sich stolz darü- Allen, die sieben Jahre lang ein Teil von uns halten wird, existiert noch nicht. Im ”Poisson ber, dass Carrington es war, die bei Motéma war und die ich über alles liebte, leider von rouge” steht die Plattentaufe von Terri Lynne angeklopft hat, um einen Platz für ihr lei­ uns ging, blickte ich auf mein Portfolio. Da Carringtons neuestem Projekt Social Science denschaftliches musikalisches Plädoyer ge- bemerkte ich, dass sie die einzige weibliche an. Das Doppelalbum ”Waiting Game” ist das gen die soziale Ungerechtigkeit zu finden. Instrumentalistin war”, erklärt Herzen. ”Seit- erste Werk der Schlagzeugerin, welches auf ”Die Idee hinter Motéma war von Beginn weg, dem will ich bewusst jungen Frauen eine Motéma erscheint. Zwei Stunden vor dem einen Ort zu schaffen, an dem sich Künstlerin- Plattform bieten.” Dazu gehört etwa die chile- Konzert, in einem kleinen chinesischen Res- nen und Künstler mit ganz persönlichen Visio- nische Saxophonistin Melissa Aldana, die mit taurant gegenüber dem Club, sitzt Jana Her- nen ausdrücken können. Ein Ort der offenen ihrem Album ”Visions” für einen Grammy no- zen, Gründerin und Matriarchin des seit 2003 Räume, in dem sich verschiedene Genres ver- miniert war. existierenden Labels. An ihrer Seite: Charnett binden können und ohne Rücksicht auf Her- Im Gespräch über die Ungleich- Moffett, ihr langjähriger ”partner in crime”, mit kunft und Geschlecht”, erklärt Herzen. Moté- heit der Geschlechter kommt Herzen unwei- dem sie ihre eigenen Alben einspielt (siehe ma ist ein kreativer Think Tank, der wie eine gerlich auf ihre eigene Geschichte zu spre- Kasten) und der – wie sie betont – massgeb- grosse Familie funktioniert. Entdeckungen wie chen. Sie sei in der Bay Area aufgewachsen, lich zu ihrem Selbstbewusstsein als Künstle- Gregory Porter oder Joey Alexander, beide ihre Mutter war eine bekannte Wissenschaft- rin beigetragen hat. Moffett, dessen Vater mittlerweile auf grösseren Jazzlabels zu Hau- lerin und starke Persönlichkeit und beide El- Charly bei Ornette Coleman Schlagzeuger war se, betonen weiterhin die freundschaftliche tern in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. ”Ich und der selbst eine beachtliche Karriere als Verbindung zu Herzen. Während die einen wuchs im Gegensatz zu vielen Frauen mit ei- Bassist vorzuweisen hat (unter anderen beim gehen, kommen andere. David Murray, Monty ner anderen Haltung auf, und zwar mit dem jüngst verstorbenen McCoy Tyner), wird sich Alexander, Randy Weston oder gar Ginger Ba- Bewusstsein, dass ich auch als Frau in der

ANDREAS SCHAERER A NOVEL OF ANOMALY

Freitag, 5. Juni

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Foto: PD/ZVG Visionen anderer zu teilen. Als Charnett mich mich Charnett Als teilen. zu anderer Visionen die einfacher, immer mich für war ”Es herum. sich mit Jahre lange genüge, qualitativ sie ob Zweifel, die sie trug Musikerin als Doch schwindender Umsätze ein zu Label gründen. sei, verlassen Geistern guten allen von sie ­be Kopf herumschwirrt”. herumschwirrt”. Kopf im heute bis mir die Bemerkung, eine ist ”Das an: ernster fügt und heute sie werden”, lacht Gitarristin grosse eine Frau als könnte ich te, mein wirklich ich ob aber schlecht, nicht ich sei Mädchen ein für meinten, sie und tarre Gi ihnen mit spielte ”Ich hatte. grass-Gruppe Blue einer mit England in sie das Erlebnis, einem von spricht tun.” zu Sie alles bin, Lage Soundtrack fürs eigene fürs Zuhause. Soundtrack Saudade. zu einer anmutenden Version kalifornisch von A D lich mit einer klaren Jazz- Zeiten liefert liefert Zeiten schen schen fächert spielt, grossen einem zu onen Kompositi eigenen ihren mit sie und entlocken zu eine bislang PerspektiveKlassikern unbekannte wieder eine Möglichkeit, diesen altbekannten genialen Zusammenspiel mit immer ihrem Partner von bird” ” Mitchells Joni Ob Mai). 29. am F R s A H im Quintett mit Piano, Piano, mit Quintett im ” erschienenen Januar im dem H subtilen ter ( ter Karen von jene an Klanges des heit Stimme.aussergewöhnlichen So die erinnert Klar G Jana leicht luftig und Zartbitter ist ol ob it er l er erz lb lb sass sie das Selbstbewusstsein, in Zeiten Zeiten in Selbstbewusstsein, das sie sass arristin, sondern auch gesegnet mit einer einer mit gesegnet auch sondern arristin, k und k und en mit einem zartbitteren en mit einem zartbitteren um ”round the world”, das sie im im sie das world”, the ”round um vorragend zurvorragend erta erta T C en dagegen ihre uftig leichte uftig H he he har E er in F C U zen ist nicht nur eine äusserst versierte versierte äusserst eine nur nicht ist zen R nett Moffett eingespielt hat (erscheint Moffett nett flüsse auf: auf: flüsse la I L ar mg oc n di en cks ”Killing Me Softly” oder in ” in oder Softly” Me ”Killing cks Trotz zahlreicher Kommentare, ob Kommentare, zahlreicher Trotz penters). penters). k scheinen hier wie selbstverständ wie hier k scheinen ang mit non/Mc H esen vom vom esen H erz erz G G en Wohlfühl- den perfekten ru el en ihre zahlreichen stilisti E L tung kommt dies auf dem C C ndton verschmilzt aufndton beiden verschmilzt I le ieb n de ov ar D G mente von von mente C ru an tney – sie findet im kon im findet –sie tney ersongs unterstreicht e zu or H ms und Violine einge Violine und ms r Phrasierung und im und r Phrasierung zen zu vereinen. vereinen. zu zen a onavirus belasteten belasteten onavirus ltung einherzugehen. H E N ll a ot uch Melancholie a B hing hing ot F R it A eg h Sides h Sides zgerald. D nn uo m uo gae, Pop, gae, B e ut ut C ar L it it A ov N B pen

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schildert sie die Probleme. Probleme. die sie schildert und Stuhl fallen dann und zwischen Bank”, verorten so einfach nicht sich lassen Motéma auf Sachen Viele waren. früher Plattenläden die es als übler, noch Genres der Definition der bei heute sind Playlists Vergnügungspark. sie. leben ”Wir in einem algorhythmischen Fähigkeit, improvisieren zu können”, lacht zur viel So anpassen. konstant uns müssen ”Wir sieht. konfrontiert USA den in Zuständen unter den zurzeit herrschenden politischen und Zeitalter digitalen im Motéma wie Label de Herausfor die sie beschäftigen Karriere nen laubt, auszudrücken. sich künstlerisch er Herzen es die Gütezeichen, Art eine wie Moffett mit Kooperation die gleichzeitig doch wirkt so spricht, selbst sich für Alben ihrer tät Quali- musikalische die wenn Auch festiert. mani Künstlerin als Label eigenen ihrem auf selbst auch Chefin die sich dass verstehen, könnten Kritikeres doch als Selbstdarstellung nimmt, Massstab als sich für auch stellt, ler Künst eigenen die an sie die Anforderungen, hat.” wennnachschwingen, die Musik aufgehört zu verändern, sodass diese selbst dann noch Raum im Vibrationen die und Moleküle die darum, es geht Musik von Art jeder an: ”Bei Pause kurzen einer nach fügt und er erklärt geprägt”,sind von Ehrlichkeit einer solchen Geschichten Janas Seele. die für Nahrung zur und Sprache universellen zur sie wird dann Wahrhaftigkeit, die um es geht Musik der ”In erwidert: der Moffett, zu Blick lächelnden einem mit Herzen konnte”, sagt entwickeln Sprache musikalische meine ich dass geführt, dazu hat ihm mit Zusammenarbeit die Aber kann. das ich ob nicht, weiss ich bloss, ich dachte spielen, zu Band seiner in Gitarre bat, rungen, mit denen sich ein eklektisches eklektisches ein sich denen mit rungen, Viel mehr als die Frage der eige der Frage die als mehr Viel die sie dass Herzen, für spricht Es ­ - - - -

one above”. by crushed be man any /That scheme tyrants nor connive kings never /Where love of land strong great that be it /Let dreamed mers drea- the dream the be America ”Let hallt: nach heute bis Again” America Be America Hughes gewohnt hat, dessen ”Let Gedicht Langston einst dem in Haus, jenem in lem Har- in Label das sie startete Auch könnte. des US-Präsidenten nicht weiter entfernt sein Weitblick von der nationalistischen Haltung seinem mit das Labels, ihres Portfolio das reits ein politisches Statement”. Wie wahr. be Sicht meiner aus dies ist dann lebt, heit Wahr seine jemand ”Wenn formulierte: einmal Gesprächs des während Herzen es wie Oder hinaus. Konzertes des Zeit die über haltig nach Raum den verändern und Moleküle die unmissverständlich aus:drückt Hier tanzen beim Zuhören Ihre Zufriedenheit Carrington. von Konzert am Moffett und Herzen sitzen www.janaherzen.net Jana Herzen(g,voc),CharnettMoffett(b),BrianJackson(p, keys), MarkWhitfield,jr.(dr),ScottTixier(vl) Jana Herzen(g,voc),CharnettMoffett(b) C ”Musik ohne Grenzen”, nennt sie sie nennt Grenzen”, ohne ”Musik Zwei Stunden nach dem Gespräch h Jana Herzen/ Herzen/ Jana ar Jana Herzen Jana ‘Round theworld Nothing butLove nett Moffett

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Lindsay Beaver Dem vergangenen Lucerne Blues Festival drückte eine schlag- zeugspielende und singende junge Dame ihren Stempel auf. Als noch kaum bekannter Geheimtipp betrat Lindsay Beaver die BLUES LADIES FROM SOUTH & NORTH AMERICA LUGLIO Bühne des Panoramasaales, einen begeisternden Auftritt später JANICE HARRINGTON & TOM SHAKA BRONTALLO durfte sie sich der Verehrung der versammelten Bluesgemeinde VANESA HARBEK BLUES BAND VENERDÌ 12 gewiss sein. JAZZ’N’MORE wollte den kanadischen Shooting- 3RD EUROPEAN BLUES NIGHT MOGHEGNO star näher kennenlernen. Hier ist ihre Geschichte. COPENHAGEN SLIM MERCOLEDÌ 15 Von Marco Piazzalonga JUSTINA LEE BROWN « Ich stamme aus Neu Schottland, geboren und aufgewachsen bin KYLA BROX ich in Halifax. Zwar interessierte ich mich von klein auf für Musik, aber bevor ich dort eine professionelle Karriere ins Auge fasste, wollte ich SWAMP BLUES AMERICANA NIGHT GIOVEDÌ 16 Rennreiterin werden, nahm erfolgreich an diversen Rennen teil. Doch PATRIK JANSSON BAND irgendwann musste ich mich entscheiden und setzte auf die Musik. HONEY ISLAND SWAMP BAND Ich hatte das Glück, dass meine Eltern Jazz- und Bluesliebhaber waren und mich dabei voll unterstützten. Halifax besitzt eine kleine, aber 50 YEARS! FROM FLOWER POWER TO HARD ROCK CEVIO hoch motivierte und aufgeschlossene Musikszene. Jeden Sonntag INSTANT KARMA MERCOLEDÌ 22 und Donnerstag finden Blues Jams statt, und dort habe ich eine aus- gezeichnete Schulung erhalten. Nicht etwa punkto verrückten 1980er- PHIL GATES Jahre-Bluesrock, sondern The Real Thing: Pee Wee Crayton, T-Bone JOHN ETHERIDGE Walker und ähnlich essenzielle Künstler. Ich erfuhr, wo diese Musik herkam, wer ihre Urheber waren, wie sie gespielt werden musste. Ich & STILL EXPERIENCED lernte zu shuffeln. Der Gitarrist Garrett Mason etwa, der Sohn des be- THE SOUND OF THE 70IES GIOVEDÌ 23 kannten kanadischen Bluesmusikers Dutch Mason, inspirierte unsere Gruppe junger Enthusiasten, die in Halifax zusammen den Blues ent- THE MAGIC OF SANTANA deckten.» FEAT. ALEX LIGERTWOOD Movin’ On BRITISH BLUES « An der Dalhousie University besuchte ich für ein Jahr den Unterricht im klassischen Bereich. Ich lernte dort zwar sehr vieles, doch klassi- & ROCK EXPLOSION sches Singen war nicht so mein Ding. So ging ich nach Toronto, stu- VENERDÌ 24 dierte Jazz Drumming, Harmonielehre, allgemeine Grundlagen. Jazz SPECIAL ROCK NIGHT höre ich heute noch gerne, viele meiner Einflüsse kommen immer VANISHING SIGNS noch aus dieser Ecke. Mit der Gruppe 24th Street Wailers konnteNS ich dann intensiv BRIAN Banderfahrung DOWNEY‘S sammeln, auftreten, touren, ALIVE im Studio BRIAN DOWNEY‘S ALIVE arbeiten. Zudem schrieb ich einen Grossteil der Songs für die Wailers. & DANGEROUS Diese Zeit liess mich reifen, gab mir Sicherheit& DANGEROUS auf der Bühne, und führte mich zum Punkt,KEN wo ich heute HENSLEY stehe.» KEN HENSLEY Influences & LIVE FIRE « Schlagzeuger Earl Palmer ist mein grosses& Vorbild.LIVE Als FIRE ich zum ers- LADY‘S BLUES NIGHT AVEGNO ten Mal Little Richards ‘Lucille’ hörte – Mann, der Drum Part hat mich CHIARA KEYRA RUGGERI & BAND MERCOLEDÌ 29 schlicht umgehauen! Übrigens – der Name Amy Winehouse fällt des Öfteren, wenn MedienAND oder Publicityleute über mich schreiben. Nun, MANU HARTMANN BAND Amy liebe ich, sie war top zuMANU meiner Jugendzeit.HARTMANN Ich mochte BAND sie, weil LAURA COX BAND sie anders war, nicht diesen Bubble LAURAGum Sound COX produzierte. BAND Ihre Songs besassen Tiefe und lebten von spannenden Akkordfolgen. GIOVEDÌ 30 GUITARS NIGHT Auch war sie eine wunderbare Sängerin. Doch wie gesagt: Jazz spiel- SAND‘S 2B A BAND FEAT. ENRIQUE PARRA te immer eine starke Rolle für mich. Billie Holiday istE einePARRA meiner MATT SCHOFIELD grossen Einflüsse in stimmlicher Hinsicht.MATT Mein SCHOFIELD Top Trio betreffend Schlagzeug umfasst – neben Earl Palmer – Elvin Jones und, von der FOLK BLUES NIGHT AGOSTO Rock-Ecke her, John Bonham. Elvin Jones ist mir insofern wichtig, weil FREDDIE & THE CANNONBALLS MAGGIA sein Spiel mein Drumming stark geprägt hat. Wenn ich mir seine MERCOLEDÌ 05 ­Platten anhöre, fallen mir immer wieder kleine Sachen auf, die ich ihm abgeguckt habe – es überträgt sich sogar dann, wenn ich reinen ERIC BIBB Blues intoniere.» SWISS BLUES ROCK OLDIES NIGHT GIOVEDÌ 06 WOAMP Austin Calling « Schliesslich begann ich zwischen Kanada und Austin, Texas, zu Grafica: Freidesign, Cevio Grafica: Freidesign, LAZY POKER BLUES BAND ­pendeln. Die Szene dort reizte mich. Die Band war unschlüssig, ob sie ­30 JAZZ MAGICBLUES.CH

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Driving Rhythms & Bare Emotions

auch mitziehen wollte. Zudem trennte ich mich zu jener Zeit von men einen Abend lang auf, alle Musiker im selben Raum. Brads Idee ­meinem damaligen Mann, dem Bassisten. Eine Art zweijähriger Über- war es dann, dieses Demo an Bruce Iglauer von Alligator Records zu gangsphase trat ein. Zu guter Letzt beschloss der Rest der Band, in schicken. Ich war mir bewusst, dass ich mit meinem Stil nicht un­ Kanada zu bleiben, und ich stürzte mich vollends ins Abenteuer Aus- bedingt ins Beuteschema des führenden Blues-Labels passte, aber tin. Es änderte sich vieles für mich, praktisch kein Stein blieb auf dem offensichtlich traf ich einen Nerv. Bruce hasste zwar den Sound, andern – persönlich, musikalisch und geschäftlich. Aber es änderte mochte aber die Performance, die Musik, die spezielle Energie. Er sich zum Guten! Die Ex-Band war nie mit der gleichen Hingabe bei der checkte mich aus, kam vorbei, um mich live auf der Bühne zu erleben, Sache wie ich, wenn es etwa ums Touren ging. In Austin dagegen be- liess mich an den Songs feilen, fragte mich, ob ich diese Energie beim gegnete ich Leuten, die gewillt waren, ihr ganzes Leben voll in die Aufnehmen wieder hinkriegen würde, und buchte schliesslich zwei Musik zu investieren. Schau nur, wie meine jetzige Formation zu hun- Tage Studiozeit mit der klaren Aufforderung: Mach so viel wie du dert Prozent hinter dem Projekt steht, es ist fantastisch. In Austin traf kannst (lacht)! Bruce kann heftig sein, aber er ist ehrlich, weiss genau, ich auf den Gitarristen Brad Stivers, der zu einer Art rechter Hand in was er will und besitzt eine Riesenerfahrung. Ich brauche nieman- meiner Band geworden ist. Seine Hingabe, sein Input, und vor allem den, der sagt: Oh, dies und jenes ist schon okay – dabei ist es nicht die Intensität seines Spiels pushen mich vorwärts und spornen mich okay! Ich brauche keine Streicheleinheiten für mein Ego. Wir hatten unheimlich an. Früher war immer ich die einzige treibende Kraft und die eine oder andere intensive Diskussion, doch er liess mich auch musste alle mitreissen. Im richtigen Moment die richtigen Leute zu spüren, dass er meine musikalische Vision und meine direkte Art treffen, ändert alles.» schätzt. Uns ging es beiden darum, ein starkes Album zu machen. Bruce sorgt sich um seine Künstler, er sorgt sich um die Produkte, die The Songs er auf seinem Label veröffentlicht. Ich liebe es, mit ihm zu arbeiten, « Mein Songwriting hat sich unter den Blues- und Rhythm‘n’Blues- und ich mag ihn sehr als Person. Wir sind daran, das Folgealbum auf- Einflüssen der texanischen, ja der ganzen Südstaaten-Szene – und da zugleisen. Ich schreibe eifrig neue Songs, nehme diese Demo-mässig schliesse ich auch New Orleans mit ein – weiterentwickelt. Es ist tra- auf, und schicke sie an Bruce.» ditioneller, erdiger geworden. Auch vom Inhalt her haben sich me­ ine Songs verändert. Ich gehe anders ans Schreiben heran. Vieles an Epilog: Lindsay Beaver wird ihren Auftritt am Lucerne Blues Festival persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen fliesst zwar immer noch 2019 in ganz spezieller Erinnerung behalten. Als sie für die Zugabe ein, aber mittlerweile versuche ich auch, mir Stories auszudenken, wieder hinter ihr Schlagzeug klettern wollte, hielt Gitarrist Brad Sti- von denen ich mir vorstellen kann, dass die Zuhörer sich damit iden­- vers auf der Bühne um ihre Hand an – offiziell und stilvoll mit Kniefall tifi­zieren können, sich angesprochen fühlen. Als ich mein Album für und Ring. Was Lindsay nach einem herzhaften "Holy Shit!" denn auch Alligator Records konzipierte, wurde mir bewusst, dass ich manche gerührt annahm. Nie hat eine Zugabe schöner gerockt! ■ dieser Songs wohl für längere Zeit Abend für Abend werde spielen müssen, und darum versuchte ich, darin nicht zu emotional zu werden, sondern eine gewisse Distanz zu behalten.» Diskographie ➤ Solo: Tough As Love (2018 – Alligator Records) Mit den 42nd Street Wailers: Alligator Records ➤ Where Evil Grows (2015 – Lmb Records) « Ich spielte eine selbst produzierte Low-Budget-Platte in Austin ein ➤ Wicked (2014 – Lmb Records) www.lindsaybeaver.com und holte dazu praktisch die ganze lokale Szene ins Studio: Wir nah- ­31 JAZZ

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London, wo er zwei Jahre lebte und am ”British and grossen Festivals. Denn geblieben sind: Musikalisch Jazz'n'more-tipp Irish Modern Music Institute” studierte. Dass Bear hochstehende Songs mit cleveren Hooks und feinen nicht nur ein beachtlicher Komponist, sondern auch Improvisationen – und ein fest integrierter, brillanter ein fantasievoller Coverkünstler ist, zeigt Bear mit Bläsersatz. Geleitet wird Roomful Of Blues länger ”Lonely Boy” von den Black Keys. Auf gängigen Vi- schon von Chris Vachon, der auch für mehrere Song- deoportalen lassen sich weitere Cover-Highlights credits und die Leitung im Studio verantwortlich von Bear finden. Stöbern lohnt sich. Da kommt was zeichnet. Phil Pemberton liefert die kraftvolle Stim- Grosses aus dem kleinen Appenzellerland, das man me und mit Rich Lataille bläst ein Mann des ersten sich unbedingt anhören sollte. Michel Estermann Bläsersets immer noch sein unverkennbares Saxo- phon. ”In A Roomful Of Blues” ist nach einem Live- Album und einer Coversong-Scheibe die erste Veröf- fentlichung mit eigenen Kreationen seit vielen Jah- ren und schliesst nahtlos an die hochklassigen Pro- duktionen der Bandgeschichte an. Sehr empfehlens- wert! Marco Piazzalonga Watermelon Slim Traveling Man Watermelon Slim (voc, harm, g) (Doppel-CD – Northernblues Music/Bertus) Sonny Landreth Blacktop Run Sucht man ein passendes Synonym für ”authentisch”, Sonny Landreth (g, voc), David Ranson (b), so drängt sich schlicht ”Watermelon Slim” auf. Was Brian Brignac (dr, perc), Steve Conn (keys) William P. Homans lll während seinen 71 Lenzen al- (CD, Vinyl – Provogue/Mascot/MV) les erlebt hat, was ihn alles geprägt hat – da bräuch- ten andere mehrere Leben dazu. Slim wurde als Various Artists Sohn eines progressiven Anwalts und Freedom Ri- Ein Musician’s Musician par excellence ist Sonny If You’re Going To The City – ders in Boston geboren, diente in Vietnam an vor- Landreth. Mit seiner unkonventionellen Gitarren- A Tribute To derster Front, überlebte dort eine schwere Krankheit, technik und seinem ureigenen, von der Cajun-Musik Taj Mahal, Jackson Browne, Ben Harper & Charlie Musselwhite, wurde – wieder zurück – zum Antikriegs-Aktivist, geprägten Roots Rock verblüfft er immer wieder Chrissie Hynde, Iggy Pop, Bonnie Raitt, Loudon Wainwright lll, kam mit Drogen in Kontakt und dem Gesetz in Kon- von Neuem. Zudem entwickelt er sich musikalisch Dave & Phil Alvin, etc. flikt, schloss Studien in Journalismus und Geschich- stetig weiter, lotet frische Möglichkeiten aus, flech- (CD – Fat Possum Records) te in Oklahoma und Oregon ab, hielt sich als Wasser- tet neue Ideen ein, ohne sich kommerziell im Ge- melonen-Farmer, Bestatter und Truck Driver über ringsten anzubiedern. In Sachen moderner, innovati- Wasser, malte, tingelte als Musiker durch Europa, ver Slidegitarre wirkt Sonny Landreth zusammen mit Einen enormen Einfluss auf Musiker beidseits der überlebte einen Herzinfarkt, erlitt Schiffbruch mit Derek Trucks als zukunftsweisend. ”Blacktop Run” dünnen Scheide zwischen Blues und Jazz übte der seinem ersten Anlauf im Music Biz, fuhr wieder Last- co-produzierte Landreth zusammen mit dem mehr- Pianist und Komponist Mose Allison aus. Mit sei- wagen, versuchte es noch einmal ... All dies wider- fachen Grammy-Gewinner Tony Daigle (Jon Cleary, nem Flair, traditionelle Elemente aus beiden Genres spiegelt sich in seiner Musik, die tief in Blues & Beausoleil, B.B. King, Jo-El Sonnier) in dessen Stu- aufzugreifen, zu verarbeiten und daraus originale Roots gründet, und mit der er sich seit der Jahr­ dio im ländlichen Louisiana. Obwohl beileibe kein und originelle Songs zu erschaffen, wurde der 1927 tausendwende einen Namen schaffen konnte. Solo, schlechter Sänger, wirkt Landreth immer, als würde in Mississippi geborene Allison von John Mayall, ohne seine Band ”The Workers” – nur als Sänger, er dem Gesang keine besondere Bedeutung zumes- Pete Townshend, Bonnie Raitt, und Slide-Gitarrist und Harmonicaspieler – hat Slim 2016 sen und mehr Zuwendung in seine reinen Instru­ The Clash ebenso verehrt, wie von Stan Getz, Gerry in seinem geliebten Oklahoma zwei Konzerte aufge- mentalstücke legen. So gefallen auch auf ”Blacktop Mulligan oder Zoot Sims. Seine Songs fanden Ein- nommen, die er nun als Doppelalbum veröffentlicht. Run” als Überflieger eher die Instrumentals. Eine gang in das Repertoire Dutzender bekannter Künst- Packend, ungekünstelt, mitreissend, pur ... eben au- schöne Abwechslung bringen die beiden Kompositi- ler. Nicht zuletzt, da Allison ein brillanter, humor­ thentisch! Marco Piazzalonga onen von Keyboarder Steve Conn, die eher im gängi- voller, ja schlitzohriger Texter war, der es ähnlich ei- gen Rockrahmen angesiedelt sind und ein Album nem Randy Newman verstand, Themen, die den abrunden, welches mit jedem weiteren Anhören Leuten unter den Nägeln brannten, auf prägnante neue, spannende Nuancen offenbart. Lyrics hinunterzubrechen­ und diese passend zu Marco Piazzalonga ­vertonen. Dieses Tributalbum nun bringt 15 Allison- Werke, innovativ interpretiert von einer illustren Schar von Künstlern aus allen musikalischen Ecken – einzig die Jazzer stehen leider aussen vor, deshalb nicht die Höchstnote dafür. Anspieltipp: Bonnie Raitts ”Everybody’s Crying Mercy”. Marco Piazzalonga

Marius Bear Not Loud Enough Marius Bear (g, p, voc) (CD – My Crown Publishing) Roomful Of Blues In A Roomful Of Blues Phil Pemberton (voc), Chris Vachon (g), Chris Anzalone (dr, perc), Der 26-jährige Appenzeller Marius Bear hat im De- John Turner (b), Rusty Scott (keys), Rick Lataille (s), zember 2019 sein erstes Album ”Not Loud Enough” Alek Razdan (s), Carl Gerhard (tp) veröffentlicht. Im Februar 2019 wurde er mit dem (CD – Alligator Records) Dawn Tyler Watson Swiss Music Award als ”SRF 3 Best Talent” ausge- Mad Love zeichnet. ”Not Loud Enough” ist ein kurzes (28 Mi- Dawn Tyler Watson (voc), Ben Racine (g, voc), Francois Dube (b), nuten!), jedoch wuchtiges Album, das eine grosse Es war in den späten 1960er-Jahren, als die noch Nicky Estor (dr), Mathieu Mousseau & Kaven Jalbert (s), Vielfalt an stimmlichen und musikalischen Klangfar- kaum 20-jährigen und Al Copley Nicolas Boulay (tp), John Sadovy (keys) plus guests ben beinhaltet. Von der zarten Piano-Roh-Pop-Bal­ Roomful Of Blues gründeten. Die Band aus Rhode (CD – www.dawntylerwatson.com) lade bis zum archaischen Ur-Blues lernen wir hier Island entwickelte sich über die Jahre zum Brut- eine neue, begabte, variantenreiche und ausdrucks- kasten exzellenter Musiker. Die Roomful-Schule starke Stimme aus der Ostschweiz kennen. Acht durchliefen neben den beiden oben genannten u. a. Geboren in Grossbritannien, ist Dawn Tyler Watson Songs und sechs verschiedene Produzenten – das Ronnie Earl, Sugar Ray Norcia, , Cur- in Kanada musikalisch gross geworden. Einst mit macht das Album herrlich abwechslungsreich und tis Salgado, Porky Cohen, Al Basile oder Greg Picco- Paul Deslauriers unterwegs, verlässt sich Watson zeigt Bear in unterschiedlichsten Klangmustern und lo. Auch die jetzige Inkarnation füllt immer noch Säle seit einigen Jahren auf die Dienste der Ben Racine Sounds. Die acht Songs entstanden hauptsächlich in und Clubs weltweit und geniesst Top Billing an den Band. Mit Letzterer gewann sie 2017 in Memphis das Finale der IBC und nahm Schwung und Band gleich mit ins Studio für die Produktion von Mad Love, ihrem bis dato fünften Album. Ihre Vielseitig- keit, aber auch ihre Schreiber-Fähigkeiten beweist die Sängerin mit neun sehr persönlichen Songs, die sich von Gospel, Soul, Rhythm’n’Blues, Rock, aber auch von Jazz und Folk inspiriert zeigen. Als roter Faden, bei diesem enorm breiten musikali- schen Spektrum, erweisen sich Dawn Tyler Watsons Stimmbänder. Ihr ausserordentliches Organ erlaubt ­32 JAZZ

JNM_03_20_32-34_HBB.indd 32 26.04.20 18:42 ihr, sich mit traumwandlerischer Sicherheit in den einem Off-Beat-Blues, folgen zahlreiche Rock'n'- Bluesharp angetrieben – den Ton geben zwei Tenor- verschiedensten Stilarten zu bewegen, sich dem Blues-Perlen. Und zum Dessert die grandiose Inter- und ein Bariton-Saxophon an. Doch nicht genug: Song, dessen Herkunft und dessen Stimmungslage pretation von Princes "Kiss". Heinz Sollberger Für ihr Album ”All Out” wurde die Bläsersektion da anzupassen. Dass Ben Racine und seine Crew, alles und dort gar um zwei Trompeten, eine Posaune und alte Hasen der Montrealer Szene, dabei ein spekta- eine Bassposaune erweitert, was dem Sound zusätz- kuläres musikalisches Feuerwerk zünden, ist Ehren- lich Dichte und Drive verleiht. Unter der Leitung von sache! Marco Piazzalonga Singer/Songwriter/Arrangeur/Tenorsaxer Mark Le­ Clerc sind Fuel Junkie entfernt vergleichbar etwa mit der Band Roomful Of Blues, frönen sie doch bro­ delndem Rhythm'n'Blues – hier in der kanadischen Version mit einem leichten Hang zum Rock’n’Roll. Die elf Songs, alle aus der Feder von Mastermind LeClerc, reichen von Stop-time-Nummern (”All Out”) Bonnie & The Groove Cats über Second Liners (”High Stress, Low Money”) bis The Gap, 1-3 zu Funk, Slow und Jump Blues – alle versehen mit Bonnie Cat (voc), Ueli Hofstetter (b, g), Didi Meier (g, mand), einem durchaus eigenständigen Stempel. Schliess- Etienne Issartel (dr), Cello Hertner (p, keys, acc) lich sei noch festgehalten, dass die Bläsermeute Jimmy Johnson (CD, Vinyl – Groove Cats Records) durchaus ein Herz für Gitarristen beweist, darf doch Everyday Of Your Life auch Antoine Loiselle hier und dort sein beachtli- Jimmy Johnson (voc, g, p), Rico McFarland (g), ches Können an den sechs Saiten durchaus ausle- Roosevelt Purifoy & John Kattke (keys), J.R. Fuller & Bonnie und ihre Cats verstehen ihren Sound als Vin- ben. Marco Piazzalonga Curt Bley (b), Pooky Styx & Ernie Adams (dr) plus backing voc tage-Rock’n‘Soul’n‘Roll. Das drücken sie bereits im (CD – Delmark/MV) Format aus, indem sie ihre neuesten Aufnahmen nicht als ein Album, sondern auf drei EPs veröffent­ lichen. Das Projekt, Altes in neuem Kleid zu realisie- 91 Lenze und immer noch voll dabei. Die hohe, kla- ren, wurde Anfang 2019 gestartet. Den Start machte gende Stimme unter die Haut gehend, die Gitarre "The Gap I" und als Hörbeispiel sei die Blues-Balla- melodiös perlend. Jimmy Johnson begeistert – un- de "Temptation" von Tom Waits zu empfehlen, auf terstützt von einer Handvoll routinierter Chicago welcher Bonnies sanfte Stimme und Ernst Buchin- Blues Cracks – mit einem wunderschönen Album, gers dumpfes Trompeten-Solo dem Stück neues welches weit mehr als nur das Prädikat ”feines Al- Flair verleihen. "The Gap II" beginnt mit hämmern- terswerk” verdient. Immer schon offen für Einflüsse den Drums im Stile des Brit-Blues-Rock, bis es auf John Primer & Bob Corritore aus Soul, Jazz, Rhythm'n'Blues und Gospel, pflegt dem anschliessenden "Peaceful Mind" – einem Stück The Gypsy Woman Told Me Johnson seinen eigenen, unverkennbaren Sound. Als von Didi Meier – funkig-soulige Töne anschlägt. Den John Primer (voc, g), Bob Corritore (harm), cleverer Songwriter – wie auch als gewiefter In­ ­Abschluss der Trilogie machen fünf Songs, begleitet Jimi Smith & Billy Flynn (g), Bob Welsh, terpret von Standards – fährt der als James Earl mit zackig-surrenden Keyboard-Salven, gurgelnder Kid Andersen & Ben Levin (keys), Thompson am 25. November 1928 geborene noch- Hammond und wirbelnden Riffs. Mit "Seet Pain" Kedar Roy, Mike Hightower & Troy Sandow, mals seine ganze Palette auf. Mit viel Gefühl intoniert verabschiedet sich die Truppe mit einem Boogie- June Core & Brian Fahey (dr) er etwa Fenton Robinsons Klassiker ”Somebody R'n'B-Swing. Zu Recht bescherten die Veröffentli- (CD – Vizztone Label Group) Loan Me a Dime” sowie die Percy-Mayfield-Ballade chungen Platz fünf in den CH-Albumcharts, die Aus- ”Strange Things Happening”. Herausragend unter zeichnung als Album der Woche bei Radio Inside, den Eigengewächsen finden wir den jazzig-grooven- Platz eins beim Wochenchart von Radio Sunshine Leicht erschreckend wirkt der Umstand, dass mit den Instrumental ”Better When It’s Wet” und die sowie diverse Radiointerviews, eine TV-Show und John Primer ein Vertreter der neueren Generation waschechte Reggae-Nummer ”My Ring”. Mit einem unzählige Live-Engagements. Heinz Sollberger von Chicago Blues Musikern auch schon in seinem ganz speziellen Zückerchen rundet Jimmy Johnson 75. Altersjahr steht. Die beruhigende Tatsache aber: dieses Album ab: Sich selbst auf dem Piano beglei- Der Gitarrist, der einst für Muddy Waters finale Band tend, schwelgt er im gospeltriefenden Bobby-Bland- spielte, erfreut sich bester Gesundheit und versteht Hit ”Lead Me on”. Marco Piazzalonga es immer noch, kernigen, packenden Windy City Blues zu intonieren. Aufgenommen wurde anlässlich einer Session bei Kid Andersen in dessen Greaseland Studios, sowie einem Meeting in Clarke Rigsbys Tempest Recording. Dabei rückte der umtriebige Produzent und Harmonica-Spieler Bob Corritore Pri- mers Fähigkeiten an der Gitarre (Regular und Bott- Fuel Junkie leneck) und beim Gesang ins beste Licht. Unter dem All Out Dutzend Songs finden sich interessante, selten ge- Mark LeClerc (voc, s), Philippe Brochu-Pelletier (s), coverte Kompositionen von Jimmy Reed, Muddy Patrice Luneau (s), Antoine Loiselle (g), Waters, Jimmy Rogers, Sonnyboy Williamson, Sax Popa Chubby Jean-Francois Charest (b), Philippe Fleury (dr) plus guests (tp, tb) Kari oder Lil’ Son Jackson, bestens arrangiert und It’s A Mighty Hard Road (CD – fueljunkieband.com) instrumentiert. Muss der Blues denn wirklich stets Popa Chubby (g, voc, b, keys), Dave Keys (p, org), Brett Bass (b), neu erfunden werden? Wir denken nein – vor allem Don Gastagno und Steve Holley (dr) nicht, wenn er dermassen spielfreudig aufgesetzt (CD, Vinyl – DixieFrog) Fuel Junkie fallen in die Kategorie ”Spektakuläre und mit viel Pep dargeboten wird! Marco Piazzalonga Neuentdeckung”. Das Sextett aus dem kanadischen Montreal wird nicht von Gitarre, Keyboards oder "Sie kennen mich? Ich bin nicht das, was du denkst. Ich bin halb Mensch, halb Tier, 300 Pfund Muskeln und Mann, ein in New York geborener Sohn eines Bäckermeisters. Aufgewachsen, zu gross, um zu ren- nen. Ich bin auf den Strassen der Bronx, von Queens und Manhattan aufgetaucht. Ich suchte auf der ­Strasse nach der Liebe, die ich zu Hause nicht fin- den konnte, aber alles, was ich fand, war Ärger, Herz- schmerz und Verzweiflung. Dann rettete mich die Musik, die Gitarre rettete mich und ich war kein fet­ ter Teddy mehr ..." Popa Chubby feiert dieses Jahr sein 30. Bühnenjubi- läum, der Schreibende hatte das grosse Vergnügen, ihn während mehr als zehn Jahren bei seinen Gast- auftritten in der Schweiz begleiten zu dürfen. Zum Jubiläum folgt nach unzähligen Pro­duktionen das festliche Werk ”It’s a Mighty Hard Road”: 15 Songs entsprechend delikat verpackt. Bereits mit dem ­ersten Track ”The Flavor Is in the Fat”, einem flüssi- gen R’n‘B, unterstreicht Popa sein Faible für Kulina- rik. Es folgt die süsse Ballade ”Let Love Free the Day” mit surrendem Gitarren-Solo und auf ”Gordito”, ei- nem instrumentalen Mainstream-Blues, tönt‘s nach The Shadows. Abgesehen von ”Enough Is Enough",

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Beauregard Boys Steve Baker & The LiveWires Avey Grouws Band Corde Cassée The Great Divide The Devil May Care Grégory Theintz (g, voc), Matthieu Orioli (v, voc), Killian Steve Baker (voc, harm, g, perc), Jan Mohr (g), Jeff Walker (b), Jeni Grouws (voc), Chris Avey (g, voc), Bryan West (dr), Randy Scartezzini (mand, voc), Cyril Francioli (bjo), Henri Jerratsch (dr), Gina Baker (voc) Leasman (b), Nick Vasquez (keys) Adrien Bastian (fiddle, v), Matthieu Perrenoud (b), (CD – Timezone) (CD – aveygrouwsband.com) Antony Corbière (dobro, harm, voc), Jonathan Ehinger (perc, voc) (CD – beauregardboys.com) Nach einer jahrzehntelangen professionellen Karrie- Rund 200 Kilometer westlich von Chicago liegen die re als hochangesehener Sideman, veröffentlichte Quad Cities: Davenport und Bettendorf in Iowa – Das Waadtland liegt so ungefähr in der Mitte zwi- Mundharmonica-Ikone Steve Baker 2018 sein erstes Rock Island und Moline in Illinois, getrennt nur durch schen den Sümpfen Louisianas und den Bergzügen Album als Sänger, Songschreiber und Frontmann. den Mississippi. Und dieser Old Man River hat die der Appalachen. Dieser festen Meinung könnte man Seit den 1970er-Jahren ist Steve Baker als Studio- schwarze Musik in jene Gegend transportiert. Auch sein, hört man sich die Lausanner Gruppe Beaure- musiker tätig und hat auf unzähligen Aufnahmen die 2017 gegründete Avey Grouws Band lebt von der gard Boys an. Das junge Oktett hat sich Americana- mitgewirkt (u. a. Howard Carpendale, Truckstop, Die- Inspiration, die sich via Fluss eingenistet hat. Das Sounds aus den Südstaaten verschrieben und schöpft ter Bohlen u. v. m.). Nun kommt mit dem zweiten So- Debutalbum der Gruppe, welche ihre Central Iowa in Sachen Cajun, Bluegrass und Stringband Music loalbum ”The Great Divide” seine neue Band ”The Blues Society 2018 und 2020 an der IBC vertrat und aus dem Vollen. Und die Boys haben ihre Hausauf­ LiveWires” dazu. Im Gegensatz zu seinem Vorgän- es bis ins Halbfinale schaffte, nimmt denn auch ge- gaben bravourös erledigt! Komplett unplugged un- ger ist ”The Great Divide” klar als Band-Album zu konnt eine breite Palette an traditionellen, alle aus terwegs, erzeugen die 2011 gegründeten Beaure- erkennen. Obwohl die Songs sehr unterschiedlich dem Süden eingesickerten Stilrichtungen auf. Die gard Boys auf ihrem zweiten Album eine mitreissen- sind, verleiht ihnen die sparsame Instrumentierung zehn reifen, gemeinsam von den beiden Bandlea- de ­Atmosphäre. Sie reproduzieren dabei nicht ein- und gleichbleibende Besetzung eine definitive Band- dern geschriebenen Songs beziehen ihre Ideen beim fach ihre Vorbilder, sie machen sich stattdessen die- Identität, einen Sound, der zusammengewachsen ist Memphis Soul, New Orleans Rhythm’n’Blues, bei se Stilarten komplett zu eigen. Die 14 live im Studio und eindeutig aus einem Guss stammt. Dennoch elektrischem Delta Blues, Rock’n’Roll und Doo Wop, eingespielten Songs fahren nicht nur in die Beine, wirkt der Bandsound phasenweise während den eher Southern Rock, ja gar beim Kansas City Swing. Ge- sondern zeigen sich durchwegs fein konzipiert und lang geratenen Songs wenig inspiriert, unaufgeregt wisse Passagen wecken beim Zuhörer starke Asso­ mit viel Spielfreude und Herzblut umgesetzt. Durch- und dynamikarm. Trotzdem spielt Steve Baker als ziationen mit Bekanntem, besitzen aber einen ganz wegs hervorragende Instrumentalisten, gefallen die Bluesharper eindeutig in der Champions League. eigenen Twist und entwickeln sich in nicht erwarte- Boys genauso mit ihren eindrücklichen Gesangsar- ”The Great Divide” ist eine Ansammlung von Songs te Richtungen weiter. Die halbe Miete jeder Band ist rangements, welche internationale Klasse besitzen. mit bluesangehauchtem Beat, Soul, Pop, Rock, Funk ihr Boden. Die sattelfeste Rhythmusgruppe West/ Leuchtendes Beispiel: die A-capella-Nummer ”Talk und Dub-Reggae, die vom Leben, der Liebe und dem Leasman unterstreicht diese Faustregel, denn Grooves About Suffering”. Ebenfalls aufgefallen: Die aufge- Streben nach Glück im Zeitalter der Lügen erzählen. und Dynamik stimmen und zünden den Funken. kratzt-lüpfige Version des Klassikers ”Ghost Riders Und ja, mit ganz vielen umwerfenden Harp-Soli. Chris Aveys Gitarre pendelt von erdig-abrockend bis in the Sky”. Liebe Veranstalter diesseits des Rösti- Michel Estermann melodiös-flüssig, und im Spotlight schliesslich steht grabens: Laissez les Bon Temps rouler – put on your Jeni Grouws, deren Stimme rotzfrech ihre Meinung Dancing Shoes – and book This Band! kundtut, aber auch gefühlvoll einzuschmeicheln ver- Marco Piazzalonga mag. Marco Piazzalonga

Das Jahr 1920 war ein wichtiges Jahr für den frühen Jazz. Die ersten Schallplatten ver breiteten swissjazzorama sich in den USA durch private Radiostationen. Chicago, Kansas City und New York wurden Zentren für die neue Musik. Musiker wie die Ein Besuch im Archiv des swissjazzorama Pianisten Jelly Roll Morton und Earl Hines, (Ackerstrasse 45 in Uster) ist anregend und die Trompeter King Oliver und Louis Armstrong lohnend. Die Sammlung an LPs, CDs, Büchern, und andere wurden einem grösseren Publikum Zeitschriften, Fotos, Plakaten und vielem mehr bekannt. 1920 wurden spätere Musik- über den Schweizer, aber auch den inter nationalen grössen geboren. Unter anderen der Saxo - Jazz, ist inzwischen riesig geworden. fonist Charlie Parker, die Pianisten Dave Brubeck und John Lewis, die Sängerinnen Carmen McRea Blue Note. Im Foyer gibt es eine sehenswerte und Peggy Lee, der Trompeter Clark Terry und Ausstellung von hervorragend gestalteten einige mehr. Interessant ist wie sich dieser LP-Covers des Label Blue Note. «Nach wuchs» entwickelte. Manche blieben eng mit dem Swing verbunden. Andere gestalteten Jazz Record Shop. Dieser ist an der Acker - neue Stile und Ausdrucks formen oder bereiteten strasse 45. Sie finden dort LPs, CDs, Bücher und die Musik des heutigen Jazz vor. Beispiele dazu vieles mehr über den Jazz, das heute schwierig sind der Bassist (1922–1979) aufzutreiben ist. Für Jazzinteressierte lohnt es und der Schlagzeuger (1924–2007). sich im Shop zu stöbern, sie werden dort auch auf Raritäten stossen. 1920 begannen sich auch in der Schweiz Profimusiker vermehrt um den Jazz zu Öffnungszeiten Büro, Archiv und Shop: Charlie Parker kümmern und Veranstalter engagierten Dienstag – Freitag, 10 – 12 und 13.30 – 17 Uhr. durchreisende ausländische Bands Individuelle Besuchszeiten nach Absprache. wie z.B. Jack Hylton oder Musiker wie den Tenorsaxofonisten Coleman Hawkins. Inseratsponsor

swissjazzorama Ackerstrasse 45 CH-8610 Uster Telefon +41 (0)44 940 19 82 [email protected] www.jazzorama.ch www. jazzdaten.ch ­34 JAZZ

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Eine packende, extrovertierte Bühnenshow, Texte, welche poetisch, sozialkritisch, aber auch ungeschminkt persönlich daherkommen, ein innovatives Suchen nach der Kraft des Songs: All dies macht den Reverend Shawn Amos aus. Dieser Tage erschien sein neues Album ”Blue Sky”. JAZZ’N’MORE sprach in Memphis anlässlich einer Showcase der Publicity- Firma Blind Raccoon mit einem der faszinierendsten Künstler der Roots-Szene. Von Marco Piazzalonga The Reverend Shawn Amos Back To The Heart Of The Song JAZZ'N'MORE: Dein neues Album ”Blue Sky” erschien unter dem Namen Reverend Shawn Amos & The Brotherhood. Was hat es mit dieser Brotherhood auf sich? Reverend Shawn Amos: Die Brotherhood besteht aus den Musikern, mit denen ich 2015 schon mein Album ”Loves You” aufnahm. Doch leider mussten anschliessend alle ihren anderen Verpflichtungen nach- gehen. Für eine Konzerttour durch die Niederlande trommelte ich aber die Gruppe wieder zusammen. Drummer Brady Blade lebt in Stock- holm, Bassist CT Thomas in Paris, Gitarrist Chris ”Doctor” Roberts in Los Angeles und ich mittlerweile in Texas. Die Konzerte gestalteten sich grossartig, die Chemie hat gestimmt, so gingen wir ”Blue Sky” als Gemeinschaft an.

JNM: Wie sah das Konzept für das Album aus? RSA: Ich wollte verschiedene Sachen unter einen Hut bringen. Zum einen suchte ich die Zusammenarbeit mit der Brotherhood. Meine letz- ten Alben schrien förmlich: Ich, ich, ich, ich (lacht)! So zog ich dies- mal beim Songwriting die Bandmitglieder – vor allem Doctor Roberts – bei. Er liess mir per E-Mail Ideen in Form von Tracks mit einem Riff oder einer Melodie zukommen. Ich hörte mir diese an, zu Hause oder während ich im Auto unterwegs war, spielte damit herum, jonglierte mit Lyrics. Um ehrlich zu sein, ich sehe mich sowieso eher als Texter,

denn als besonders versierter Musiker. Ich schleife lange und intensiv Pd/zvg/FredFoto: Siegel an meinen Texten, bis jedes Wort sitzt. Als es an die Aufnahmen ging, wollte ich auch niemandem vorschreiben, was er zu spielen hat. Die söhnen. Blues Music ist dafür geradezu prädestiniert, sie ist direkt, Arrangements im Studio sollten gemeinsam erarbeitet werden. ungekünstelt und elementar, so wenig steht zwischen dem Musiker Zum anderen hatte ich meinen Umzug ins ländliche Texas zu verarbei- und dem Zuhörer. ten. Für mich als Kind der Grossstadt war dieser Wechsel eine echte Herausforderung. All die neuen Eindrücke kennenzulernen, sie aufzu- JNM: Vor diesem Interview durften wir einen 40-minütigen Show­ saugen, mit ihnen klarzukommen, mein Texas zu finden. Ich finde, man case mit einem expressiven, das Publikum packenden Reverend spürt Texas aus dem Album heraus, die Weite, die Räume. Und man Shawn Amos erleben. Wie sehr unterscheidet sich deine Bühnen­ spürt auch meine widersprüchlichen Emotionen. persönlichkeit vom Privaten? RSA: Als ich vorhin von der Bühne kam, war ich voller Emotionen. The Background Dieses Gefühl war noch nie so stark, seit ich als Reverend Shawn Amos RSA: Ich komme ursprünglich aus der Singer-Songwriter-Ecke, aus der auftrete. Grundsätzlich geht es mir darum, mit einer guten Show mei- Americana-Richtung. Als ich mich auf meinen vorhergehenden Alben ne Musik und meine Texte rüberzubringen. Ich liebe es, den Leuten dem Blues zuwandte, beschloss ich, diesen Background zu ignorieren. etwas zu bieten. Doch dieses Mal war es sehr speziell, denn das neue Für ”Blue Sky” nun versuchte ich, diesen Aspekt wieder einfliessen zu Material live zu interpretieren – und erst noch mit dieser Band – ist für lassen und damit die Grenzen der immer noch im Blues wurzelnden mich äusserst emotional. Es macht aus mir einen anderen Performer, Songs zu erweitern. Ich mag das Resultat: Kurze, auf den Punkt kom- macht mich verletzlicher. Ich denke, mein On-stage- und Off-stage-Ich mende Songs ohne jeglichen Ballast. sind daran, sich einander anzunähern. ■

JNM: Welche Philosophie treibt dich an? The Reverend Shawn Amos & RSA: Ich denke, ich versuche vor allem einmal, mich selbst zu verste- The Brotherhood Blue Sky hen, die Welt um mich herum zu begreifen, und auf ehrliche Art zu Shawn Amos (voc, harm), Brady Blade (dr), Chris ”Doctor” ­leben. Ich höre viel zu, beobachte viel, nicht nur mich selbst, auch Roberts (g), Christopher Thomas (b) plus friends & guests die Menschen, mit denen ich zusammen bin. Und der einzige Weg (CD – shawnamos.com) für mich, daraus meine Schlussfolgerungen zu ziehen und damit klar- zukommen, ist zu schreiben und mich in Songs auszudrücken. Durch meine Musik kann ich mich mit den Dämonen meiner Vergangen- Diskographie ➤Breaks It Down (2018 – Put Together) ➤ Loves You heit und Gegenwart, den täglichen zwischenmenschlichen Proble- (2017 – Put Together) ➤Tells It (2014 – Put Together) ➤ Thank You, men oder auch den Schwierigkeiten, in denen unser Land steckt, ver- Shir-lee May (2005 – Shout! Factory) ➤ www.shawnamos.com ­35 JAZZ

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etwas habe ich dabei stets vermisst. Als ich dann mit der eigenen Band loslegte, merkte ich schnell: Was mich wirklich direkt ins Herz trifft, sind Blues und Soul.” ”Und in diese Richtung entwickelte sich auch mein Album. Wir machten vorab ein Konzept, welche Art von Songs ich mir vorstellte. Dazu- gehören sollte auf jeden Fall etwas in Rich- tung Etta James, leicht funky. Oder ein Rock- Kracher usw. Den Grossteil der Songs schrie- ben Angelo und ich zusammen, wobei das musikalische Hauptgerüst und auch die Ar- rangements von ihm stammen. Ich brachte die Texte und bei der Melodiefindung hat es sich dann überkreuzt. Da es uns gelungen ist, die ganze Produktion durch Sponsoren­- gelder zu finanzieren, konnten wir im Studio dann alles live und mit ‘echten’ Instrumen- ten einspielen. Keine programmierten Drums oder Ähnliches. Und das spürt man. Die Band- mitglieder identifizieren sich extrem mit der Musik und bringen ihren Touch an. Das ist mega-cool!” ■

ng Larissa Baumann edi

r Gotta Break Free

t Larissa Baumann (voc), Angelo Signore (p), r Giampiero Colombo (g), Lisa Scannell (b), Hannes Würgler (dr) plus perc, horns & backing voc (CD – www.larissabaumann.ch)

Foto: Robe Foto: Larissa Baumann

Wir erleben seit letztem Herbst einen erfreu- Breaking Free lichen Boom an einheimischen Produktionen Mit ihrem Album ”Gotta Break Free” setzt Larissa Baumann ein grosses Ausrufe- mit faszinierenden, stimmgewaltigen Sänge- zeichen. Stimme, Songwriting und Produktion, Talent und Frische, aber auch eine rinnen/Songwriterinnen. Nach Justina Lee beeindruckende Reife prägen das Debut der Ostschweizerin. Per Skype stand Brown und Manu Hartmann folgt nun die Ost- schweizerin Larissa Baumann mit ihrem Larissa Baumann JAZZ’N’MORE Rede und Antwort. Von Marco Piazzalonga ­”Gotta Break Free”. Pate stand der Keyboarder Eigentlich wäre für Larissa Baumann jetzt die valanfragen hiess es oft, dass nur Bands mit Angelo Signore als perfekter Co-Schreiber, Zeit, ihr Soloalbum live auf den Bühnen unse- eigenem Material engagiert werden. Letztes Arrangeur und Produzent, der es blendend res Landes vorzustellen. Doch die Sängerin Jahr nun kamen wir zu dem Punkt, wo wir uns verstand, Larissa Baumanns musikalische Vi- trägt den Lockdown mit Fassung und freut sagten: Jetzt müssen wir es einfach anpa- sionen umzusetzen. Die acht kraftvollen und sich auf den Konzerthebst, wenn es endlich cken.” abwechslungsreichen Tracks bewegen sich wieder losgeht. Denn – Musik bestimmte seit im Dreieck Blues – Soul – Pop und erhalten jeher ihren Lebensrhythmus mit Gesang, Pia- Gotta Break Free durch Baumanns leicht Jazz-angehauchte no, Gitarre und später auch Schlagzeug. Nach ”Unser Pianist Angelo Signore, der auch eine Stimme eine zusätzliche, tragende Dimensi- dem Abschluss ihrer Musischen Matur und lange Erfahrung als Produzent besitzt, hat sich on. Die Songtexte sind fein ausgearbeitet und des Semi Kreuzlingen versuchte sie schon dann anerboten, mit mir zusammen das Pro- bewegen sich weit über dem alltäglichen bald, im Business Fuss zu fassen: ”Mein pro- jekt anzugehen und Songs zu schreiben. Ur- Durchschnitt gängiger ”Girl meets Boy”-The- fessioneller Startschuss fiel vor rund zehn sprünglich war nur eine EP geplant, doch wir men. Larissas engagierte Band ist voll auf der Jahren, als ich mit Jeff Turner auf Tour ging. waren so kreativ, dass unter Beizug eines Höhe ihrer Aufgabe: laid-back shuffelnd im Diese alljährlichen Weihnachtstouren wurden Songs von unserem Gitarristen Giampiero Co- von knackigen Bläsern unterlegten ”New zur Tradition. Nebenher fing ich an, mit 'Lear- lombo und einer Fremdkomposition des eng- Chapter”, sensibel in der wunderschönen Pia- ning by Doing’ eine eigene Karriere aufzu- lischen Songwriters Stuart Emerson ein gan- no-Ballade ”When I Close My Eyes”, druckvoll bauen. Meine Auftritte liess ich jeweils filmen zes Album daraus wurde (lacht)! Lange wuss- rockend im Southern-Soul-Schmankerl ”Time und analysierte sie genauestens – ich bin te ich nicht genau, wo ich stilistisch stand. to Shine”, dynamisch im stilistisch an Percy wahrscheinlich mein härtester Kritiker. 2015 Blues hat mich immer stark berührt, doch zu Mayfield erinnernden Slow ”What Am I Doing FESTIVALDAJAZZ.CH fühlte ich mich bereit, meine eigene Band Beginn spielte ich – als Hintergrundmusik an Here?”. Ein auf der ganzen Linie beeindru- zu gründen, und zwar mit jenen Musikern, die Cüpli-Galas – auch viel Jazz und Gospel, kam ckendes Debut-Album, getragen von einer jetzt mit mir zusammen das Album einge- durch Jeff Turner mit Country Music in Kon- ausserordentlichen Stimme! spielt haben. Bald schon stand das Thema takt und fand es ungemein cool und span- host main partners partner main media partners 'eigene Songs’ im Raum, denn auch bei Festi- nend, breit abgestützt zu sein. Doch irgend­ www.larissabaumann.ch ­36 JAZZ

JNM_03_20_36-37_Larissa_Baumann.indd 36 26.04.20 18:44 Jane Monheit ANGÉLIQUE KIDJO Nicole Bernegger JOSS STONE Cécile Mc Lorin Salvant SEVEN John McLaughlin KEZIAH JONES Helge Schneider Lee Ritenour & Dave Grusin CANDY DULFER ’s Passport

Arturo Sandoval MARLA GLEN and many more … 2. JULI – 2. AUGUST 2020

FESTIVALDAJAZZ.CH presenting partner

host main partners partner main media partners

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JAZZ ne Stücke”. Schürmann nennt seine wöchent seine nennt Schürmann Stücke”. ne S keine füllen, Lücken keine wollen ”Wir streichen: unter Bandmitgliedern allen von kompositionen dem ein rundum abwechslungsreich gestaltetes Al I Quelle.” schöpfliche uner eine er ist mich für Verständnis; monisches har enormes ein hat Ideen, an Repertoire siges rie ein über verfügt Horizonten, grossen von ten E li O vonEine eigeneVision Hardbop swingt. letzten zum bis ersten vom das bum, se M zum Öffnung einer mit und Hardbop, und Swing 2017 zu diesem beschäftigten viel drei Die glücklicherweise trotz Corona-Krise erschienen. im CD die verschoben, Jahr ein M Die Schürmann. e Bandgeschichte der Höhepunkt als quasi kens ” E lungener Nachfolger des 2017 erschienenen ge ein –ist Kultur SRF2 mit Koproduktion ­er zu Imperativ kategorischem Art einer zu scheint das Trio Gutfleisch-Schürmann-Frey Ellington Duke von Motto Dieses swing”. that got ain't it if athing mean don't “It tett. Schürmann kennt den den kennt Schürmann tett. Quin bzw. Quartett zum Songs elf der Hälfte der das Jazzmusiker Basler illustre zwei K V zen leichtfüssig miteinander. tionenverschmel und Experimentierfreude Komposi jazznahe Mundart-Popsongs, tät. an der der an N Spektrum Vielfältiges geprägt.” stark mich hat Das aufgetreten. Festen anderen oder Hochzeiten an oft sind Wir kam. Klingen zum wunderbar Gesang mehrstimmige der wodurch Stimmfarben, ähnliche ­de mit und waren, engagiert Bands in teils die tern, Schwes vier ihre allem vor wurden Vorbildern Zu Kirchenlieder. meistens Kindern, den mit viel sang ” ­Deb und Handwerk textliches Ihr beherrscht. die Singer-Songwriterin, ihr musikalisches eine ist Zeitel Elian Jazzsängerin junge Die New Projects Zeitel, die in in die Zeitel, Klavierbauer, hat selber selber hat Klavierbauer, m G M E r chen Begegnungen mit der Bass-Legende Isla Isla Bass-Legende der mit Begegnungen chen ck r onzerte umfassenden umfassenden onzerte t o ach der der ach b Hardbop oder oder b Hardbop Elian Zeitel Elian Sambâle und od Dominik Bassist erklärt sollen”, scheinen andards aufwärmen, wir schreiben lieber eige lieber schreiben wir aufwärmen, andards heben. Das neue Album ”Sambâle” – eine –eine ”Sambâle” Album neue Das heben. igentlich hätte diese CD anlässlich einer zehn einer anlässlich CD diese hätte igentlich stlings ”Jazz People”. Von Ruedi Ankli Von Ruedi ”Jazz People”. stlings nen sie regelmässig gesungen hat. ”Wir hatten hatten ”Wir hat. gesungen regelmässig sie nen usik war zu Hause immer präsent”, sagt sagt präsent”, immer zu Hause war usik n Pirmin Bossart n Pirmin O inger als grosse Bereicherung: ” Bereicherung: grosse als inger utalbum zeugt von einer tiefen Musikali ern Jazz. Das Das Jazz. ern ff T egensatz zu ”Jazz People” erweitern hier hier erweitern ”Jazz zu People” egensatz harmonica- und Vibraphon-Spieler ist umist und Vibraphon-Spieler harmonica- ri enheit aus und präsentiert mit ”Sambâle” ”Sambâle” mit präsentiert und aus enheit o nicht um Hommagen, was die elf elf die was Hommagen, um o nicht M us M at ikhochschule Luzern. Damals war sie sie war Damals Luzern. ikhochschule O ura begann sie eine Jazz-Ausbildung Jazz-Ausbildung eine sie begann ura lt en aufgewachsen ist. Ihr Vater, ein Vater, ein Ihr ist. aufgewachsen en T M ou T T

ri od ri – r mit dem niederländischen niederländischen dem r mit o lebt tatsächlich eine gros- eine tatsächlich o lebt o gefunden, aus Liebe zu Liebe aus o gefunden, ern Jazz, jedenfalls geht es geht jedenfalls Jazz, ern

M Samba und Hardbop mit Stil und Swing Stil mit und Hardbop Samba T us

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M ro Ei us mpeter und Gitar und mpeter n grosses Stimmtalent mit lyrischer Kraft lyrischer mit Stimmtalent n grosses iker haben sich sich haben iker E E r l T ig T on g on ebt in Wel in ebt ri envertrieb envertrieb o auf gut o auf enerös enerös M E M ig E ut eu li en ter ter an an r ------­ - - - -

Foto: PD/ZVG/Anna-Lena Holm gend gestalteten Dramaturgie. Dramaturgie. gestalteten gend e und Rhythmik vertrackten äusserst einer grund souveränen ” Song abschliessende und elfte Auch Gutfleisch liebt Wortspiele, so heisst der rasanten seinem mit das Frey), u Albums, des Vielfalt rhythmischen bunten der in wirkt Ruhe der Insel eine wie die pretation, Inter gefühlvollen einer mit ihm es dankt fleisch als Komponist unter Beweis stellt. Christian Gut Qualitäten seine erstmals Album diesem auf der Drummer von stammt ”Clarity”, de, Vorschlägen ausgewählt wurde. Die andere Balla verschiedenen aus Publikum vom Live-Auftritt einer traurigen, eher einer mit ”Song der weil auch Feder, Schürmanns I habt. Duke gibt. Raum –viel choral oder –solo Bläsern beiden den und ist angelegt orchestral der Song, starker ri üb Der bei. Fremdkomposition einzige die auch jung gewordene Jazz-Urgestein mit steuert ” der auf wartung ” – und Schürmann-Komposition der rhythmus Grund –dem ”Samba” von Verbindung der aus Der =Sambâle Bâle de Samba Jazzcampus. des Hallen der ausserhalb auch lebt, Jazz-Szene Basler Die befreundet. Jahrzehnten drei gut seit T der wie etwas so vielleicht Formationen. anderen unzähligen in gemeinsam und Band Big dessen in doch er risten kommen. Da mischen sich sich mischen Da kommen. daher vielfältig entsprechend und sind sammelt stellt und liebte vor allem die Songs von Patent Patent von Songs die allem vor liebte und stellt einge Popmusik und Lieder romantische auf eher sch ha umzugehen, Kompositionen meinen mit Art, ruktive konst Ihre ermutigt. dazu mich hat Abbuehl sanne Su Dozentin ”Die schreiben. zu Songs begonnen, E verbinden. zu Stimmungen und Sounds geräuschhaften auch und Jazzelementen mit ausgezeichnet gelungen ist, ihre ­ih Dieser O u Stimme mit Stück ein ist ”Sonneblueme” teppich. Klang unterlegten Bläser-Soli mit dichten, einem sich aus kammermusikalisch-intimen zig ein die und Volkslied Walliser berührendes ein ist weisen fliessen. Der Ausdrucks experimentelle und jazzige in nahtlos herzerwärmenden melodisch von kann und natürlich wunderbar akzentuiert Stimme Ihre dafür. haben. ”Reprise After All” ist ein sehr gutes Beispiel T englischen mit Songs auch sie hat Songs deutschen und leichtfüssigen Handschrift. sik, im ”Honig auf nun die entstanden, Songs elf ihre auch sind Ausbildungsjahren diesen all In können.” dort rhythmisch und harmonisch sehr viel lernen E im sie während entdeckt, Improvisation die richtig ” wurde. konfrontiert Swing mit allem vor Helsinki in n O B ex en i ra li n n gens einzige ch ner vom Pianisten und Komponisten hervorra Komponisten und Pianisten vom ner rem Album ”Hong im im ”Hong Album rem teressant ist die Ballade ”Autumn Breath” aus ”Autumn Breath” Ballade die ist teressant an Zeitel hat erst während der Jazzausbildung Jazzausbildung der während erst hat Zeitel an t mir sehr geholfen.” In Luzern hat sie auch erst erst auch sie hat Luzern In geholfen.” sehr t mir d Klavier, das im Studio frei improvisiert wurde. wurde. improvisiert frei Studio im das d Klavier, âle”. âle”. bw d als Gegenpol zu ”Silverish” (ebenfalls von (ebenfalls ”Silverish” zu Gegenpol d als e Fremdkomposition. ” smus-Austauschjahr an der Sibelius Academy ten geschrieben, die eine deutlichere Jazznote Jazznote deutlichere eine die geschrieben, ten on sehr eigenen, ausdrucksstarken, lyrischen orsaxophonist Alex Hendriksen ist er ebenfalls sner mit der blumigen Lyrik von Büne Huber. Huber. Büne von Lyrik blumigen der mit sner T M itelsong ist eine echte echte eine ist itelsong ohl mir diese Welt zuerst fremd war, habe ich ich war, habe fremd zuerst Welt diese mir ohl undart-Pop, Jazz und Improvisation zu einer einer zu Improvisation und Jazz undart-Pop, T E M homas in oe fluss klingt in einigen Songs auch auf E ckel macht dabei seine spritzige Auf spritzige seine dabei macht ckel ll T ington hätte seine Freude daran ge daran Freude seine hätte ington en M T orsax von Hendriksen im Vorder im Hendriksen von orsax it oe T el in Quintettformation ist ein ro ckel seit vielen Jahren, spielte mpete. Das gerade 70 Jahre gerade Das mpete. E M rö ol T N ffnungstrack ”D’Chiäjeri” ee l-Stimmung” bei einem einem bei l-Stimmung” ach E M T ” durch, wobei es ihr ihr es wobei ” durch, in ro en twandler” entwickelt flüsse aus Volksmu aus flüsse uvaille, entstanden entstanden uvaille, T

tor dieser CD. CD. dieser tor N em ebe E M lf po gefällt. gefällt. po un en”, mit dem dem en”, mit M M n schweizer E om dart-Songs oe E lm mo T enten zu ckel ist ist ckel ar Frey,ar ee tionen tionen ” ver T en M ■ it ” ------­ - - - - - ­ ------

Foto: PD/ZVG/Adam Taubnitz S Singer- Diese aufgehoben: nicht ist geschoben Auf teilen. Publikum einem mit Songs ihre und hen ste Bühne der auf sie würde aber liebsten Am sie. sagt lernen”, zu Gitarre dran, bin und Zeit freie viel jetzt habe ”Ich nachholen. Herbst im das will und i und Plattentaufe ihre sie auch musste Leider schule. einer an sie unterrichtet Daneben begonnen. den noch Luzern in Jahr letztes N u umzusetzen diese Spagat, der gelingt Lukas ben. Far deren und Harmonien der Vorstellungen krete kon oft hatte ”Ich Derungs. Lukas Pianist ist tritt, auf Duo im oft auch sie dem mit Partner, kalischer musi längster Ihr stimmt.” menschlich es dass tig, wich auch mir war es Aber können. einbringen sie was wusste, ich denen von und hatte gespielt schon E nicht aufgehoben ist Aufgeschoben m Elmar Frey(dr),feat.ThomasMoeckel(tp),Alex Hendriksen(ts) h verschoben. www.dominikschuermann.ch wurden aufgrundderCorona-Kriseum einJahr Konzerte: DiezehnimMaiangesagten Konzerte www.zeitel.ch 04.09. NeubadLuzern(Albumtaufe) Lukas Derungs(p),MischaFrey(b),SaschaFrischknecht(dr) lian Zeitel hat ein ausgezeichnetes Sextett zusam Sextett ausgezeichnetes ein hat Zeitel lian n Elian Zeitel(voc,comp),PeterSchärli(tp),ForianWeiss(tb), o ac re Gigs aufgrund des Coronavirus verschieben verschieben Coronavirus des aufgrund Gigs re engestellt. ” engestellt. Gutfl Eigenvertrieb dominikschuermann.ch/www.elmarfrey.ch d trotzdem die eigene ngwriterin wird von sich hören lassen! lassen! hören sich von wird ngwriterin h ihrem h ihrem Christian Gutfleisch(p),DominikSchürmann(b), e is M E as s si ch ch Elian Z ter Performance hat hat Performance ter (Unit/Membran) Honig imTee nd alles alles nd Sambâle S ch M usi ürmann ürmann e M it kalität einzubringen.” us e iker, mit denen ich ich denen mit iker, M l as ter Pädagogik Pädagogik ter E

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26.04.20 18:44 us y ik ■ ------Portrait Andy Guhl Der Andy Guhl war lange Jahre Teil des Duos ”Voice Crack”. Seit bald 20 Jahren macht der Ost- Trans schweizer Künstler eigenständi- ge multimediale Projekte mit ”Erweiterter geknackter Alltags- for elektronik”. Auf seinem neuen Doppelalbum sind jetzt aktuelle ma Arbeiten im Austausch mit ver- schiedenen Musikern erschienen. Von Pirmin Bossart tor

Das Vinyl-Doppelalbum ”Flatwise Huddle” ist chen, was Musik ausserhalb der genormten Austausch mit namhaften Musikern und Künst- ein schillernder Audio-Brocken par excellen- Parameter an Inspirationen und befreienden lern aus der internationalen Noise- und Impro- ce. Dazu gibt es ein Booklet mit 32 Seiten, Impulsen auch noch freisetzen könnte. visationsszene weiterführte, machte er sich ei- welche sämtliche benutzten Instrumente il- An diesem Projekt war für Guhl die Situation nen Namen. Die Inspirationen sind geblieben: lustriert und beschreibt. Die Produktion ver- speziell, dass er fast alle seine Musikinstru- John Coltrane, Ornette Coleman, Jimi Garri- steht sich als Soundtrack für Andy Guhls mente von 1968 bis 2016 nebeneinander für son, Barre Philips, Futurismus, John Cage, ­Monographie ”Ear Lights, Eye Sounds” (2014). Konzerte und die verschiedenen Workshops , John Zorn. Sie bietet ein Konzentrat von Klangereignis- spielbereit hatte. ”Die verschiedenen Work- Er spielte weltweit Konzerte mit bekannten sen, die im Rahmen von Guhls Ausstellung shops in den Ausstellungsräumen machten Musikern der Underground- und Improszene: ”Resonance Rooms” in der Galleria Edizioni die Jahrzehnte meiner Musik physisch sehr Borbetomagnus, Jim O’Rourke, Otomo Yosi­ Periferia 2016 in Luzern live aufgenommen nahe und greifbar.” hide, Eric M, Günter Müller, Poire_Z, John wurden. Dazu kommen einige ältere Aufnah- Zorn, . Dazu kamen Projekte mit men von 1975 aus dem Schweizer Radiostu- Saiten, Geräte, Schwingungen Charlotte Hug oder Hana Ribi. dio, eine Jam-Session von 1990 mit Borbe­ Mindestens so ungewöhnlich wie das klin- Inzwischen ist er mit seinen multi-audio-vi­ tomagnus sowie kurze Sequenzen der Vibra­ gende Resultat ist die Art und Weise, wie Guhl suellen Projekten, die weite Zeit- und Denk- tionen und elektro-magnetischen Wellen der seine Klänge erzeugt. Er transformiert direkt räume verknüpfen, auch im Kunstsektor prä- Lokomotive ”Davos” auf der Strecke Sedrun- Licht zu Ton und umgekehrt, macht Bilder aus sent. Seine Videoinstallation ”Obsidian: The Landquart (”My First Sonic Lok”, 2014). Sound und Sound aus Bildern. ”Mit verschie- Silicium of the Stoneage” (2018) brachte vul- Das musikalische Gespür von Andy Guhl und denen optischen Sensoren für Lichtschwin- kanisches Gesteinsglas und Sensoren, Klang sein künstlerischer Umgang mit Klangquel- gungen wie Velolichter oder Infrarotfernsteu- und Bild, Vergangenheit und Gegenwart zu- len der alltäglichsten und obskursten Art las- erungen schaffe ich 'Resonanzräume' und ver- sammen. Worte sagen hier wenig. Erst im Er- sen Soundkreationen entstehen, für die der wende sie für meine Musik.” Diese benötigt leben von Guhls Installationen bekommen die Begriff ”Noise” bloss einen Anhaltspunkt gibt. keinen Computer. ”So wie der Kontrabass, ist Augen auch Ohren. Und umgekehrt. ■ Es mischen sich selbst gebaute Instrumen- auch ein Radio oder sonst ein Elektrogerät ein te und Samples, alte Radioaufnahmen und Resonanzelement. Statt eine Saite anzuschla- neue Impro-Kreationen, Xylophon-Hölzer und gen, taste ich z. B. deren Magnetschwankun- Sinus-Generatoren, Space und Beats. Auch gen ab.” Fühler –unter anderem Foto-Transistoren – Guhl hat aus seinen Arbeiten mit der ”ge- sind im Einsatz und generieren Klänge. knackten Alltagselektronik” eine eigene Vor- stellung über sein ideales Instrument ent­wi- Frequenz-Interventionen ckelt: ”Es geht um eine Verschmelzung, die Re- Für die Aufnahmen in der Galleria Periferia hat sonanz verschiedenster Schwingungen. Nicht Andy Guhl Musiker wie Yan Jun, Richard Jean, nur von Saiten, sondern von Magnetfeldern, Franz Hautzinger, Julian Sartorius, Gaudenz von Licht- und von Schallwellen. Dazu kommt Badrutt, Jonas Kocher oder Charles Uzor ein- das Gefühl beim Musizieren.” Dieses Set- geladen. Sie improvisieren zum Teil auf dem ting nennt er ”The Instrument”. Software und selbst gebauten Instrumentarium (”primordial Techniksysteme geben ihm interessante Vor- instruments”) von Guhl und treten in verschie- stellungen von Spiel-Abläufen, die er mit sei- denen Konstellationen in Austausch mit Guhls nen Materialien zu kreieren, zu ”hacken” ver- Andy Guhl: Flatwise Huddle Performing and Expanding Cracked Everyday aktuellen Frequenz-Interventionen und Au- sucht. ”In diesem Prozess des Hackens ent­ Electronics 1968–2016, www.flatwisehuddle.ch dio-Visuals. decke ich neue bedeutungsvolle Musik, die Hg. von: Tabea Guhl, Andy Guhl, Edizioni Periferia In einem besonderen Workshop spielen Stu- ich mir merke, aufzeichne, fotografiere, filme Sound editing: Andy Guhl Mastering: Ernst Thoma – Sound Design dierende der Musikhochschule Luzern auf ih- oder als Rauminstallation inszeniere.” Text: Peter Kraut Englisch ren eigenen und auf Guhls Instrumenten so- Andy Guhl: Ear Lights, Eye Sounds wie mit den bestehenden Sound-Installatio- Gesteinsglas und Sensoren Expanded Cracked Everyday Electronics, Edizioni Periferia, Luzern, 2016 nen der Ausstellung. Es sind instant-compo- In jungen Jahren spielte Guhl auf dem Kon­

Erhältlich bei www.periferia.ch PD/ZVG : s

sing-Tracks, die genauso archaisch wie zeit- trabass und freie Musik. Im Duo mit o www.andy.guhl.net t

genössisch klingen und einem bewusst ma- Möslang/Guhl, das später als Voice Crack den Fo ­39 JAZZ

JNM_03_20_39_Andy Guhl.indd 39 26.04.20 18:45 Neue Musik

Erstmals erhielt vergangenes Jahr eine Komponistin den grossen Ernst von Siemens Musikpreis – ein Ereignis, auf das man jahr- zehntelang warten musste. Die Engländerin Rebecca Saunders war eine verdiente Preisträgerin. Diesen Sommer nun wirkt sie als DIES SIND DIE GEPLANTEN KONZERTE, Composer-in-Residence beim Lucerne Festival. Von Thomas Meyer SOBALD WIR DEN BIRD’S EYE JAZZ CLUB WIEDER ÖFFNEN DÜRFEN, WERDEN DIE KONZERTE DURCHGEFÜHRT (BESETZUNGS- R e b e c c a ÄNDERUNGEN VORBEHALTEN). NÄHERE INFORMATIONEN FINDEN SIE AUF WWW.BIRDSEYE.CH Saunders Was für ein Trompetensolo: Wie vielen Komponisten intim und schön und wild und ruhig-erregt und Komponistinnen fällt es auch Rebecca und jäh! Wer die Festivals zeitgenössischer Saunders nicht leicht, ihre Musik zu kommen- Musik besucht, weiss, dass da eine sensib- tieren. Jeder Versuch, das Wesen einer Musik JUNI le Komponistin am Werk ist, hochintellektu- zu beschreiben, müsse unweigerlich schei-

ell, aber auch auf Klangsinnlichkeit bedacht: tern, und es sei gerade das Unnennbare, das nn

die 1967 in geborene, heute in Ber- sie fasziniere. Es gebe so viele Ebenen, die in ma r IN ZUSAMMENARBEIT MIT DER lin lebende Rebecca Saunders. Sie wird für einer Komposition stecken. Möglicherweise e ck MUSIKSCHULE DER MUSIK-AKADEMIE ihre nuancenreichen und unentwegt vorwärts- stehe am Anfang ein Kerngedanke, ein Kern- A id

BASEL r

schreitenden Stücke geschätzt, aber dieses gefühl, ein Hauch von einer Ausdruckswei- t

*DI 9.6. ENSEMBLES DER TALENT- As engelshafte Solo mit dem Titel ”blaauw” se. Während des Kompositionsprozesses tre-

FÖRDERKLASSE MUSIK SCHULE VG/

schlägt einen mehr als anderes unmittelbar in te das in den Hintergrund, verschwinde zwar /Z JAZZ BASEL Bann. Der niederländische Trompeter Marco nicht, werde aber verinnerlicht und verwandle D Taf I: Leitung: Urs Wiesner Blaauw spielt es göttlich auf einem mit zwei sich. Am Schluss kehre es zurück, als sei es Taf II: Leitung: Kaspar von Grünigen Foto: P Taf III: Leitung: Jaro Milko Schalltrichtern versehenen Instrument, auf nie weg gewesen – und helfe vielleicht dabei, MI 10. BIS SA 13.6. LATINISMO dem glissandierende und mikrotonale Effekte einen Titel zu finden. Mario Alonso: flute/alto sax, möglich sind, die zuvor undenkbar schienen. Damit beschreibt sie auch Oliver Pellet: guitar (ausser 13.6.), Eine Musik für eine solche Trompete könnte die Vielschichtigkeit ihrer Arbeit. Das Kompo- Simone Bollini: piano, leicht zur Tüftelei gerinnen, hier aber erlangt nieren sei eigentlich ein Denkprozess, sagte Roberto Koch: bass, sie eine Unmittelbarkeit, die sofort auf das sie kürzlich in einem Interview. ”Es ist eine Art Michael Wipf: drums/percussion, Hören überspringt. forschendes Mittel, mit dem wir neue virtuelle Alejandro Panetta: percussion Töne, zum Greifen nahe: So Räume, eine akustische Struktur in Modellen (nur 13.6.) möchte man mitunter ihre Musik umschrei- formen und kreieren. Die Musik ist sehr tief, ben. Saunders, die zunächst bei Nigel Osbor- eigentlich sehr fest an die Realität gebunden MI 17. UND SA 20.6 CLÉBER ALVES QUARTETO ne in Edinburgh und später bei Wolfgang und geerdet. Und dieses Fokussieren auf be- Cléber Alves: tenor/soprano saxes, Ricardo Fiuza: piano, Rihm in Karlsruhe studierte, hat ein geradezu stimmte Klänge, auf diese bestimmte sozial- Stephan Kurmann: bass, haptisches Verhältnis zum Klang. Wenn sie politische Situation, dieses Ausklammern vom André «Limão» Queiroz: drums am Schreibtisch arbeitet, ist ihr die konkrete Alltag, dem eine Stimme zu geben, das zu DO 18. UND FR 19.6. CLÉBER ALVES SEPTETO Aufführungssituation sehr präsent. Sie kom- rahmen und einen Fokus drauf zu setzen – Wolfgang Zumpe: trumpet, poniert denn auch gern für bestimmte Inter- das ist eine wirklich spannende Aufgabe.” Cléber Alves: alto sax, preten, lauscht ihrer Virtuosität nach, beob- Ein Denkprozess und mehr: Tiago Barros: tenor sax, achtet ihr Fingerspiel. Für Blaauw hat Saun- Die Neue Musik, der man gern ihre Kopflastig- Lukas Wyss: trombone, ders mittlerweile insgesamt fünf Stücke kom- keit vorwirft, hat längst eine ungemeine Kör- Ricardo Fiuza: piano, Stephan Kurmann: bass, poniert und so gezeigt, dass die Erfahrungen perlichkeit erlangt, eine Sinnlichkeit, die sich André «Limão» Queiroz: drums nicht erschöpft sind. nicht immer als Klangbad und simples Wohl- Der Titel ”blaauw” verweist gefühl umschreiben lässt. Sinnlich ist viel- IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM aber nicht nur auf den Interpreten, sondern mehr, wie den Klängen bis in die feinsten Po- ZENTRUM FÜR AFRIKASTUDIEN auch auf die Farbe, ein Thema, das die Kom- ren nachgespürt wird, bis in die Nerven- MI 24. BIS SA 27.6. TUTU PUOANE QUARTET ponistin seit Langem intensiv beschäftigt. Al- bahnen zuweilen. Das kitzelt zuweilen, kratzt, Tutu Puoane: vocals, lein die Titel einiger Stücke ergeben ein brei- reibt sich, aber es kommt von innen. Und ge- Ewout Pierreux: piano, tes Farbspektrum: von ”cinnabar”, ”albescere”, rade das macht auch die Stücke von Rebecca Brice Soniano: bass, ”vermilion”, ”Blue and Grey”, ”crimson”, ”Into Saunders emotional so stark. ”blaauw” sei ei- James Williams: drums the Blue” bis zu ”Behind the Velvet Curtain”. gentlich eine lange melodische Linie, die in Dahinter steckt freilich nicht wie etwa bei der Zeit gestreckt wird. Die Virtuosität des Alexander Skriabin oder Olivier Messiaen ein Kontrabasssolos ”fury” wirke hingegen viel synästhetisches Empfinden, sondern viel- energetischer und cholerischer. In den drei mehr der Versuch, ihre Musik zu benennen. Stücken mit dem Titel ”Stirring Stills” schliess- ”chroma”, also griechisch: Farbe, heisst eine lich reicht die Spannbreite von gewalttätig bis Werkreihe für Kammerensemble, das von resignierend. Die Stücke entwickeln sich oft 2003 bis 2017 zu zwanzig unterschiedlichen weiter, ein Thema wird neu beleuchtet. Und KONZERTZEITEN 20.30 – CA. 22.45: 1. SET 20.30 – CA. 21.30 Versionen geführt hat. Der Titel verweist auf so mutieren die Werke allmählich auch. UND 2. SET 21.45 – CA. 22.45 (*19.00 UHR) das Buch ”Chroma. A Book of Colour” des In den Werken mit Klavier TÜRÖFFNUNG: 45 MIN VOR KONZERTBEGINN englischen Filmemachers Derek Jarman, bei tritt die Klangsinnlichkeit ihrer Musik etwas DI BIS DO 14.– CHF, FR/SA PRO SET (2) 12.– CHF dem sie die Farben beschrieben fand. Es habe zurück zugunsten einer statischen und schrof- ERMÄSSIGT: DI BIS DO 8.– CHF, FR/SA PRO SET (2) 8.– CHF ihr geholfen, etwas Subjektives, ja sehr Per- feren Dramatik, etwa in ”miniata” von 2004. FÜR MITGLIEDER, UNTER 25-JÄHRIGE, ARBEITSLOSE, SOZIALHILFE- sönliches zu fassen. Nicolas Hodges, der das Stück eingespielt EMPFÄNGER, AHV-/IV-EMPFÄNGER, ASYLBEWERBER KOHLENBERG 20, CH-4051 BASEL, TEL. NR.: 061 263 33 41 www.birdseye.ch

JNM_03_20_40-41_Saunders.indd 40 26.04.20 18:46 Neue Musik mann r cke id A r t As /ZVG/ D Farbklänge und Klangräume Foto: P

hat, wird beim Lucerne Festival heuer ein neu- ”extrem lebendige, vielleicht aggressive, sehr che Kompositionsinstallation geschaffen, ei- es Klavierkonzert von Saunders uraufführen. aktive, volatile klangliche Situationen”, um gens für die architektonisch aussergewöhnli- In ”miniata” bohren sich einem die Klänge auf zu schauen, was unter der Oberfläche liegt. chen Räume der Berliner Philharmonie und intensive beunruhigende Weise ein. Der Titel ”Was passiert denn, wenn der Klang plötzlich der Kathedrale St. Eustache (Paris). Die Nähe verweist wieder auf eine Farbe: Rot. Begleitet angehalten wird? Was passiert, wenn wir die- und Ferne, die Sicht-Hör-Greifbarkeit und das wird das Stück aber von einigen Sätzen aus sem Moment des Wartens, des Nichts eigent- Verschwinden, die Erinnerung und das Ver- Samuel Becketts Text ”Company”, unhörbar, lich dann begegnen? Ich finde diesen Wider- gessen finden auch hier ihren Nachhall. aber mitlesbar, und damit erreicht er fast die spruch extrem fruchtbar. Daraus kann man Auch da wieder steht die Dimensionen einer griechischen Tragödie. eine ungeheure Energie vermitteln.” Klangerfahrung im Zentrum, so wie Björn Texte wie dieser sind stän- Ihre Musik bewegt sich Gottstein, der Leiter der Donaueschinger ­Mu- dige Begleiter von Saunders‘ Musik: vor allem deshalb oft zwischen der Stille und einem siktage, einmal schrieb: ”Saunders belehrt der unablässige innere Monolog Mollys aus kräftig farbigen, aber auch geräuschhaft rau- nicht, sondern sie beobachtet und stellt Fra- dem ”Ulysses” von James Joyce sowie immer en Klang. Es ist eine feine, ja zerbrechliche gen.” Dabei ist sie keine Künstlerin, die bei al- wieder die des 1989 verstorbenen irischen Musik, wie Saunders auch zu ”to and fro” no- ler Ausdrucksvielfalt von Stück zu Stück das Nobelpreisträgers Samuel Beckett. Seine Tex- tiert: ”Zwei Stimmen verfolgen eine einfache Thema und den Stil wechseln würde. Sie ar- te, die an der Grenze zum Schweigen verlau- Linie. Eine Erkundung von fragilen Klängen, beitet lange an ähnlichen Themen, wenn sie fen, tauchen häufig hinter ihren Kompositio- die auftauchen und in der Stille verschwin- auch meint, es sei ihr wichtig, ”mir jedes Mal nen auf. ”to and fro” für Violine und Oboe et- den. Die Violine und die Oboe sind räumlich eine komplett neue Frage zu stellen, mich mit wa basiert auf einem Libretto, einem ganz getrennt und spielen sich gegenseitig einen dem Unbekannten zu konfrontieren.” kurzen Text, den Beckett für eine Kurzoper von verlängerten melodischen Faden zu. To and Morton Feldman schrieb: ”to and fro in sha- fro – hin und her.” Und doch nennt sie es auch 2019 erhielt sie als erste dow from inner to outer shadow» (”hin und her ein ”sehr lyrisches, fast romantisches Stück”. Komponistin den grossen Ernst von Siemen in Schatten von innerem zu äusserem Schat- Im Geräuschhaften, so Musikpreis: Endlich!!! Und eine sehr gute ten”). Das Ensemblestück ”Stirrings Still” (zu möchte man sagen, leuchten subtile Klang- Wahl! ■ deutsch: ”Immer noch nicht mehr”) wieder- farbschattierungen auf. Da sind sie wieder, um geht dem Klang nach, so wie die Worte die Farben, aber nun ins Schattenhafte hin- Konzerte beim Lucerne Festival im Kopf der Beckettschen Hauptfigur um- eingedreht, subtil gelauscht – und wie in vom 16. August bis 13. Sept. 2020 herwandern. Beckett sei eine Grunderfah- ”Stirrings Still II” in den Raum verteilt. Die www.lucernefestival.ch/en/ rung, sagt Saunders: Texte von einer extre- Musik ist statisch, bewegt sich nur noch im men Sinnlichkeit in einer skelettartigen, eine Raum, oft im Pianissimo. Die Räumlichkeit der CDs: ➤ blaauw/Blue and Gray/Duo/vermilion/ schmerzhafte Wahrheit ausdrückenden Spra- Musik beschäftigt die Komponistin in den Stirrings Still – Marco Blaauw, Trompete; che. Nahe der Stille. letzten Jahren stark. Sie vergleicht einige ihrer musikFabrik (Wergo WER 6694) Und das verweist nochmals Stücke geradezu mit den Mobiles von Alex­ ➤ Quartet/Into the Blue Molly's Song 3/ dichroic seventeen – musikFabrik Stefan Asbury; auf die verhaltene und dennoch starke Ex- ander Calder. In ”Stasis-Kollektiv” (2011/2016) (Kairos) pressivität ihrer Musik: ”Es geht nicht um zum Beispiel hat sie komplexe Collage konst- ➤choler/crimson/miniata ­besondere Emotionen oder einen Ausdruck. ruiert. Die Musiker sind im Konzertsaal ver- SWR Vokalensemble Stuttgart, SWR Sinfonie- orchester (Orchestra), Rolf Hind, Nicolas Hodges, Was mich wahnsinnig interessiert, ist zu un- teilt, aber sie arbeitet auch mit dem Raum Klavier; Teodoro Anzellotti, Akkordeon tersuchen, was unsere Condition Humaine selbst und der Bewegung in ihm, sodass die (Kairos 0012762KAI) ist? Was ist das Fragile, das Fehlbare, das ei- Klangskulptur zum Mobile wird. ➤Stirrings Still II – Riot Ensemble NMC Recordings HCR20CD (www.nmcrec.co.uk) gentlich zutiefst Menschliche in unserem Le- Für das Ensemble Musik­ www.rebeccasaunders.net ben, unserem Alltag?” Und so entwickelt sie fabrik hat sie ”Yes”, eine 80-minütige räumli- ­41 JAZZ

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hauptungen und überkandidelte Aufgeregtheiten. Das konnte sie schon immer am besten. Prächtig harmonieren Hakenberger und der Pianist Roger Muraro zusammen und mit dem Sinfonikern aus Malmö. PS: Ein schöner Zufall will es, dass eine Neuwirth- Porträt-CD hereinschneit, worauf Hardenberger mit dem gleichen Stück zu hören ist, diesmal allerdings Cassandra Miller Synchrony Series mit dem Gustav Mahler Jugendorchester. Macht Quatuor Bozzini Music of Sarah Weaver and Collaborations nichts. Gern hört man diese rhythmisch so energe­ Just So Sarah Weaver (voc, electronics, cond), Gerry Hemingway (dr), tische und phantasmagorische Musik wieder, zu­ (Anothertimbre at129/anothertimbre.com) Mark Dresser (b), Joe McPhee (pocket tp), mal sich darauf noch andere ihrer Stücke finden, David Taylor (btb) u. a. m. etwa ein Bratschenkonzert mit dem Solisten Antoi­ Ana Sokolovic (CD – Sync Source 11111) ne Tamestit. Thomas Meyer Short Stories (CQB 1925/www.actuellecd.com) (www.bozzini.ca) Als Schlüsselwörter für dieses Doppelalbum gibt die amerikanische Komponistin, Musikerin, Dozen­ tin etc. Sarah Weaver folgende an: ”Network, Plura­ Es ist bei uns immer noch ein Insidertipp, obwohl lism, Maximalism, Integral Multiplicity, Dimensio­ es zahlreiche Werke des Aarauers Jürg Frey aufge­ nality, Resonance, Interconnection” – ein nicht ganz führt hat: das Quatuor Bozzini aus Montréal. Mit unbescheidenes Programm. Die kompositorischen Vehemenz engagiert es sich ausschliesslich für zeit­ Vorlagen sind für improvisierende Jazzmusiker, genössische Musik und hat etwa die bemerkens­ Solo, Duo und grössere Formationen. Das ist schon werteste Aufnahme von Steve Reichs ”Different konkreter, und im Falle von Gerry Hemingways Trains” eingespielt. Zwei seiner jüngsten Produktio­ 19-minütiger Auseinandersetzung mit ”Node 111, nen stellen Komponistinnen vor: die in London wir­ Vol. 1–3 (2011–2016)” durchaus spannend und kende Kanadierin Cassandra Miller und die in Ka­ hörenswert. Dann wäre noch der Anspruch an nada lebende Serbin Ana Sokolovic. Millers Quar­ ”Synchronie” hinzuzufügen. Interessant als Projekt tettmusik ist weitab von der europäischen Avant­ ist das 53-minütige ”Kepler/K2”, live und über In­ Judith Wegmann garde, geprägt eher vom Minimalismus und einer ternet von Musikern an verschiedenen Orten (u. a. Le Souffle Du Temps II – Réflexion leichten, aber hartnäckigen Repetitivität. Sie über­ New York, Toronto und Chicago) eingespielt. Judith Wegmann (p) malt gern bestehende Musiken, von Bach bis Co­ Gleichzeitig ist die NASA ein Partner mit der Verto­ (CD – ezz-thetics/Musikontakt) bain, was man aber meist kaum wahrnimmt. Das nung von Daten einer Mission zu 1'000 bis 3'000 alles bleibt frisch, wird nicht zur Masche. Lichtjahren entfernten Sternen, mit dem Ziel der Kurzgeschichten erzählt Sokolovic, die gerade auch Synchronisierung mit kosmischen Sounds. Sun Ra durch ihre Musiktheaterstücke bekannt geworden lässt grüssen. Ruedi Ankli Buck - Wolfarth ist. Ein Zyklus porträtiert Figuren der Commedia Edu Haubensack & dell’arte; die weiteren Stücke sind von bildender Tomas Korber: Kunst inspiriert, wie so vieles im Werk dieser Kom­ Works For Guitar & Percussion ponistin, so etwa ”Blanc dominant” von den chro­ Christian Buck (g), Christian Wolfarth (dr) matisch-abstrakten Gemälden des Kanadiers Guido (CD – ezz-thetics/Musikontakt) Molinari. Ihre Klänge dazu sind ebenso intrikat wie zugänglich, gerade auch auf emotionaler Ebene. Thomas Meyer Gabriella Smart Cat Hope, Erkki Veltheim: Stories Music for Travelled Piano Trompetenkonzerte von Betsy Jolas, Gabriella Smart (p) Sally Beamish und Olga Neuwirth (CD – ezz-thetics/Musikontakt) Håkan Hardenberger, Trompete; Roger Muraro, Klavier Malmö Symphony Orchestra; National Youth Orchestra of Scotland; Martyn Brabbins, Leitung Drei neue Veröffentlichungen des Relaunch-Labels (BIS-2293/MV) von Werner X. Uehlinger erkunden die Wirkung von Galina Ustwolskaja Klang in unterschiedlichen Settings. Judith Weg­ Suites&Poems Olga Neuwirth mann am Solo-Piano beginnt mit einer düsteren Kindersuite, Sportsuite, Tongedichte u. a. ... miramondo multiplo ... ; Reflexion, eine Stimmung, die sie im Verlauf der Leningrader Philharmoniker, Arvids Jansons, Remnants of Songs; Masaot CD wiederholt aufnimmt. Dieser stellt sie "Souve­ Jewgeni Mrawinski (cond) u. a. Håkan Hardenberger; Antoine Tamestit, Bratsche; nirs d'un instant", kurze und emotional offenere (2 CDs – Brilliant 96084/brilliantclassics.com) Ingo Metzmacher, Susanna Mälkki, Daniel Harding, Leitung Skizzen von Daniel Andres gegenüber. Drei weitere (Kairos 001501KAI/paladino media gmbh Wien) Stücke von Lim, Koch und Haubensack machen das klangforschende Konzept der Platte auf ihre eige- Diese Werke muss man nicht unbedingt kennen, ne Weise deutlich. und doch ist es hochspannend, was für Musik eine Unwillkürlich fragt man sich: Müssen die Stücke Edu Haubensack ist ebenfalls einer der Urheber der der grössten und einsamsten Komponistinnen des nicht einfach wunderbar herauskommen, wenn ei­ zweiten CD – sofern man in der Neuen Musik den 20. Jahrhunderts im Auftrag des Sowjetsystems ner wie er so schön Trompete bläst? Ja, diese Kon­ Begriff der Urheberschaft überhaupt von demjeni­ geschrieben hat: Suiten für/über Jungpioniere, Kin­ zertstücke, die der Schwede Håkan Hardenberger gen des Interpreten abgrenzen will. Zwei seiner der und Sport, aber auch drei programmatische hier vorstellt, suhlen sich nicht in Dekonstruktion, Stücke und zwei von Tomas Korber werden hier von und gewiss staatstragende Tongedichte. Diese Wer­ sondern feiern den hellen und zuweilen strahlen- Christian Buck und Christian Wolfarth intoniert. ke des sozialistischen Realismus aus den Jahren den Trompetenton. Und doch geschieht in ihnen Diese Aufnahmen sind im Vergleich zu Wegmanns 1953–61 mögen nebensächlich sein, und Galina auf jeweils besondere Weise mehr. Die Britin Sally Réflexions trocken, ermöglichen ein präzises Hören Ustwolskaja wollte sie später eigentlich aus ihrem Beamish komponiert in ihrem Konzert eine Art ur­ und Erkunden. Haubensack erforscht den Klang Werkverzeichnis eliminieren. Aber es lohnt sich banes Tagelied, in das sich Tänze, Autoschrott und eher mittels offener Stimmungen. Korber demge­ doch, die west-ideologische Hörweise mal beisei­ fremde Passanten mischen, wie sie schreibt – auf genüber geht der Klangentfaltung im Raum nach, tezulassen und zu erkennen, wie originell und ef­ unterhaltsame Weise. Eine Schicht tiefer dringt die seine Stücke entwickeln eine Atmosphärik, die den fektvoll orchestrierte Musik da entstanden ist. Hol­ Österreicherin Olga Neuwirth vor, die einst selber Hörer auf seine eigene Position darin zurückwirft. lywood hätte seine helle Freude daran gehabt. ein Miles Davis werden wollte, bis es sie eines Au­ Eine Art Verbindung dieser beiden Annäherungen Gleichzeitig wird der Spass spürbar, den die Kom­ tounfalls wegen ins Komponieren verschlug. Sie an den Klang ist Gabriella Smarts Interpretation ponistin bereits da an geschärften Dissonanzen und stimmt in ”... miramondo multiplo ...” fünf Trompe­ der Werke von Cat Hope und Erkki Veltheim. Zu­ extremen Orchestrationen hatte. Ganz schön frech ten-Arien an und schafft damit verschiedenfarbi- mindest die beiden nicht-elektronischen Stücke ba­ und zupackend, bis hin zu dem letzten offiziösen ge Assoziationsräume. Bei beiden Komponistinnen sieren auf harmonischen Strukturen, in denen die Werk, einem ”Friedensgedicht”, über das der US- klingen mitunter Jazz-Anleihen an. Und dann ist da mikrotonalen Interferenz-Veränderungen sehr sub­ amerikanische Komponist Samuel Barber meinte: noch die ausserordentliche Geschichtenerzählerin tile Bewegungen spürbar machen. Zu dritt eröffnen ”If that is peace, I prefer war.” Bis auf dieses hier aus Paris: Betsy Jolas, mittlerweile 93 Jahre alt. In diese Releases interessant korrelierende Blicke auf neu eingespielte Stück handelt es sich um Doku­ ihren ”Histoires vraies” für Klavier, Trompete und das aurale Erleben. Christof Thurnherr mentaraufnahmen aus den 1950er-Jahren. Orchester entfaltet sie eine subtil abgestufte Klang­ Thomas Meyer geschichte, brillant, aber ohne grossspurige Be­ ­42 JAZZ

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zer und bezieht auch Videos mit ein, weswegen von Abend- und Morgenröte”, wie sie wohl nur in hier eine DVD beigefügt wurde. Das Mechanische einem Land mit kurzen Sommernächten entstehen handhabt sie mit Witz und verleiht ihm doch etwas können. Flirrende und strahlende, ja schöne, darin Myster­iöses. Thomas Meyer manchmal etwas gewöhnliche und doch plötzlich wieder aufregende Musik. Ergänzt wird das Doppel­ pack um einen Porträtfilm, den Daniela Schmidt- Langels über Gražinyte-Tyla drehte. Thomas Meyer

Zeynep Gedizliogliu Verbinden und abwenden Blick der Abwesenden u.a. Klangforum Wien; Ensemble Modern u. a. (CD – Wergo WER 6428)

Oxana Omelchuk Raminta Šerkšnyte – 7 Intraden; Wow and Flutter; ballare u. a. Mirga Gražinyte-Tyla (CD und DVD – Wergo WER 6430 Tudor) Raminta Šerkšnyte: Midsummer Song; De Profundis; Songs of Sunset and Dawn Lera Auerbach Kremerata Baltica, Mirga Gražinyte-Tyla (cond); 72 Angels – In splendore lucis Wie viele Komponistinnen und Komponisten aus Litauisches Nationalsinfonieorchester, Giedre Šlekyte (cond) Netherlands Chamber Choir; Raschèr Saxophone Quartet aller Welt nach Deutschland kommen und hier (CD/DVD – Deutsche Grammophon/Universal) (CD – Alpha 593/Musikontakt) sesshaft werden, deutet die vom Deutschen Musik- rat bei Wergo herausgegebene CD-Edition an. Da ist zum Beispiel die in Izmir geborene und in Berlin An die ungewohnten Akzente und die Aussprache 72 Engelsnamen hat die kabbalistische Bibelexege­ wohnhafte Zeynep Gedizliogliu (*1977): Sie baut so wird man sich wohl allmählich doch gewöhnen se aus drei Versen des Buchs Moses (der Durch­ aparte wie tumultuöse Klanggebilde, die zuweilen müssen, allein ihretwegen: Die Dirigentin Mirga querung des Roten Meers) entschlüsselt bzw. ext­ aufbrausen und rauschen, besonders in jenem Kla­ Gražinyte-Tyla, gerade mal 33 Jahre jung und seit rahiert. Sie bilden die Grundlage dieses vielfälti- vierkonzert ”Blick des Abwesenden”. Das Abwesen­ 2016 Music Director des renommierten City of Bir­ gen Werks für Chor und Saxophonquartett: ”72 de ist die Komponistin selber, wie sie schreibt, und mingham Symphony Orchestra, ist am Durchstar­ Angels – In splendore lucis”. Die russische Kompo­ so ist manchmal manch wenig nachvollzieh-, viel­ ten. Und auf ihrem Weg nimmt sie gleich auch ihre nistin Lera Auerbach, 1973 in Tscheljabinsk im Ural leicht auch vernachlässigbares Gedankengut über Landsmänninnen mit. Auf dieser neuen Produktion geboren, lebt schon lange in New York und ist auch die Klänge gestülpt. Umso schöner, dass dennoch stellt sie mit der Kremerata Baltica zwei Streicher­ als Pianistin, Malerin und Dichterin tätig. Die Engel eine lebhafte und zugriffige Musik herauskommt. werke der litauischen Komponistin Raminta Šer- bieten ihr Gelegenheit für kurze und prägnante Kruder und schräger ist die Klangwelt der Weiss­ kšnyte vor: ein schwebendes Mittsommerlied und Charakterstücke, jedes Mal anders, mal altertü­ russin Oxana Omelchuk (*1975), die heute in Köln ein ”De Profundis”, das nun gar nicht von tragischer melnd, mal orientalisch, mal jazzangehaucht, lebt. Dass sie dort gelandet ist, mag Zufall sein, Erdentiefe, sondern vielmehr von erfreulich jugend­ manchmal auch etwas kitschig, und es ist kraftvoll aber in ihrer Musik, etwa in ihren ”Sieben Intraden” licher Luzidität zeugt. Šerkšnytes Musik ist zart ge­ und engagiert interpretiert. So postmodern bunt begegnet man einer heterogenen, collagehaften ­Ar- woben und fein gefühlt, nicht innovativ (wie so oft haben wir uns die Engelswelt gar nicht vorgestellt! beitsweise, wie man sie vom Kölner Bernd Alois bei baltikschen Kompositionen), aber von einer in­ Thomas Meyer ­Zimmermann kennt. Sie schreibt Quodlibets, neren Ruhe getragen. Eine andere junge Dirigentin mischt dabei die Comedian Harmonists mit Puccini­ – Giedre Šlekyte – leitet auf dieser CD ausserdem haftem, arbeitet gerne mit Spieluhr oder Synthesi­ ein ”Kantatenoratorium” Šerkšnytes: die ”Lieder

JNM_03_20_42-43_HBNM.indd 43 26.04.20 18:47 HÖRBAR 2001 zusammenspielen. Gilfema ist ein Paradebei­ te stammt aus 1971. Unter der Leitung des Schöp­ weghören spiel dafür, wie sich verschiedene Kulturen inspirie­ fers wurde damals das Werk von Don Cherrys New ren können und etwas Neues schaffen. Loueke, ur­ Eternal Rhythm Orchestra live in Donaueschingen sprünglich aus Benin, Westafrika, prägt mit seinem aufgeführt. Nun hat Mats Gustafsson im Auftrag warmen, gepickten Gitarrenspiel – hier auf einer des Sacrum Profanum Festivals Krakau das Stück bedingt hörbar siebensaitigen Nylongitarre zu hören – die Atmo­ mit seinem fire! orchestra neu eingespielt. Gus­ sphäre, teils groovend, teils explorierend mit Gitar­ tafsson hat dabei die komponierten Stellen und die rensynth-Klängen und anderen Effekten und gele­ improvisatorischen Räume, die Penderecki gesetzt hörbar gut gentlichem Gesang. Der ungarische Drummer Ne­ hat, neu ausbalanciert, um sowohl die Dynamik, die meth ist ein Meister, noch so komplexe Polyrhyth­ Zeitläufe und das Zusammenspiel auf eine zeitge­ mik und ungerade Metren leicht und entspannt zu mässe Ebene zu hieven. Mit 41 Minuten mehr als unbedingt reinhören interpretieren. Bassist Biolcati mit seinen italo- doppelt so lang wie die Aufführung von 1971, ge­ schwedischen Wurzeln steuert ein solides Funda­ lingt Gustafsson – gerade durch die energetische ment hinzu, sei es auf dem E-Bass oder Kontrabass. Dehnung der freien Räume – dennoch eine adäqua­ unüberhörbar spitze Der vorwärtstreibende Funkgroove auf ”Happiness” te Würdigung des Schöpfers. Hier wird ”actions” in besitzt eine hypnotische Qualität. Unbeschwerte all seinen Schattierungen weitergedacht und bis an Calypso-Nummer wie ”Fleuve Congo” geben sich die Grenzen ausgespielt, sodass sich am Ende die Jazz'n'more-tipp die Hand mit nachdenklicheren Nummern wie Biol­ Komposition in einem modernen orchestralen Jazz­ catis ”Until”. Nemeths ”Reqiuem For a Soul” geht kleid praktisch am Ort neu erfindet. Diese kreativ dann in eine melancholische Richtung und erinnert ausgelebte Freiheit ist allerdings nicht als Revoluti­ stellenweise an die Metheny Band. Gilfema ist die on gegen das Werk zu verstehen, sondern im Ge­ ”Medeski Martin & Wood” des Jazz. Mit ”Three” genteil als grosse Verbeugung vor dessen Schöp­ haben sie ihr bisher bestes Album produziert und fer. Rudolf Amstutz verdienen dafür grossen Respekt! Phil Stöckli

Wolfgang Muthspiel Angular Blues Wolfgang Muthspiel (g), Scott Colley (b), Brian Blade (dr) Eran Har Even (CD – ECM 2655/MV) Pablo Held World Citizen Ascent Eran Har Even (g), Xavi Torres (p), Haggai Cohen Milo (b), Pablo Held (p, comp), Robert Landfermann (b), Jonas Burgwin- Ivars Arutyunyan (dr) Eckiges, wie der Titel implizieren mag, gehört eben­ kel (dr), Nelson Veras (g, el-g) (CD – Challenge Records) so wenig wie Sperriges und Schroffes zur Kunst Gäste: Veronika Morschner (voc), Jeremy Viner (cl, bcl) Wolfgang Muthspiels – oder er setzt das Wider­ (CD – Edition Records/editionrecords.com) borstige zumindest fast unmerklich ein. Die Span­ Der 37-jährige israelische Gitarrist Eran Har Even nung und Schönheit seiner Musik schöpft er viel­ ist seit rund zehn Jahren Dozent am Amsterdamer mehr aus dem Harmonischen, aus der Lyrik seines Die Arbeit des 33-jährigen Pianisten Pablo Held Konservatorium und eine initiative Figur in der nie­ melodiösen Spiels. Der Gitarrenprofessor an der hat bemerkenswert viel Kontinuität und Niveau. derländischen Jazz-Szene. Die Vielseitigkeit seiner FHNW in Basel ist Meister der atmosphärischen ”Ascent” ist bereits die elfte CD seines seit 2005 Einflüsse und seiner gitarristischen Klanggestal­ Stimmung, der magischen Momente, die das Pub­ bestehenden Trios, dessen Konzept mit solisti­ tung, die er als Sideman bei allerlei Projekten ge­ likum zu ergreifen, zu fesseln, dem Alltäglichen zu schem Kontrabass eine moderne Erweiterung des zeigt hat, rückt nun auf seinem Album ”World Ci­ entreissen und in die pure Faszination zu führen ”Bill Evans Trios” ist. Held spielt das Klavier jedoch tizen” in den Mittelpunkt des Geschehens. Even vermag. Mit dem genialen Drummer Brian Blade mit bartókscher Härte. Schier seriell, aber immer pflegt in erster Linie den heute vorherrschenden und dem grossen Bassisten Marc Johnson hat er noch irgendwie tonal und nicht ohne Lyrizismus modernen Gitarrenton, der von geschmeidigen Le­ bereits 2001 "Real Book Stories" und 2004 "Air, haben seine Stücke unterdessen eine hohe Kom­ gato-Linien geprägt ist. Doch gern tritt er zwischen­ Love & Vitamins" im Trio und im Duo mit dem plexität erreicht, in denen Thematisches und Imp­ durch für einzelne Passagen auf ein Overdrive-Pe­ Drummer "Friendly Travelers" herausgebracht, und rovisiertes verschmolzen und damit eine komposi­ dal und treibt den sonst eher zarten, lyrischen Quar­ 2014 folgte "Driftwood" im Trio mit Larry Grena­ tionsartige Geschlossenheit erreicht wird. In ”Dik­ tettsound in ruppigere Register. Evens Komposi­ dier, 2016 schliesslich "Rising Grace", wo Blade mit kedeo” sind die verschlungenen Phrasen durch Lü­ tionen verweben die Besetzung mit Klavier, Bass Ambrose Akinmusire, Brad Mehldau und Larry cken getrennt und lassen besonders deutlich er­ und Schlagzeug in kammermusikalische Texturen, ­Grenadier zum Quintett gehörte. Scott Colley hat kennen, wie Held und sein eingefuchstes Team die bevor die Rhythmusgruppe wieder die Begleitfunk­ Muthspiel schon auf Tour begleitet – und beide Kleinstruktur sehr kontrastreich gestalten: zwi­ tion zu seinen melodiösen Solobeiträgen über­ Musiker setzen seine oft nachdenklichen Komposi­ schen statischer Melodik und springenden weiten nimmt. Für alle, die es interessiert, kann das Album tionen auf ideale Weise mit ihm um und steuern Intervallen, mit starken polyphonen Linien und mit überdies als Bildungsroman gelesen werden, gleich- gekonnt auch durch die andächtigen "Hüttengriffe". ständigen Wechseln der Gangart und des Rhyth­ sam als Programmmusik zu Evens Mauserung zum Seine Virtuosität stellt der Gitarrist etwa auf "Ride" mus. Dabei wirkt alles bestimmt: So und nicht an­ Weltbürger, mit Stationen wie ”Someone's Child”, unter Beweis, einer Reminiszenz und an den Bebop ders. Der geistesverwandte brasilianische Gitarrist ”Transmutation”, ”The G Spot” und dergleichen – oder auf "I'll Remember April", neben Cole Porters Nelson Veras, mit dem Held seit 2017 zusammen­ mehr. Florian Bissig "Everything I Love" das einzige nicht eigene Stück. spielt, fügt sich mühelos ins Ganze und bedeutet Derweil mutet der zweite der beiden Kanons "solo eine echte farbliche Erweiterung. in 5/4" schon fast klassisch an, was dem grössten­ Jürg Solothurnmann teils balladesken, farbigen Album in seiner Feier­ lichkeit ebenfalls sehr gut bekommt. Steff Rohrbach

Nick Walters Active Imagination Nick Walters (tp), Ed 'Tenderlonious' Cawthorne (fl, ss), fire! orchestra Jeff Guntren (ts), Rebecca Nash (p), Nim Sadot (b), actions Joseph Deenmamode (perc), Max Hallett (dr) Gilfema Krzysztof Penderecki (comp), Mats Gustafsson (cond, bs), (CD – 22a/IDOL Distribution) Three Reine Fiske (g), Andreas Werliin (dr), Alex Zethson (org), Lionel Loueke (g), Massimo Biolcati (b), Ferenc Nemeth (dr) Anna Högberg (as), Maria Bertel (tb), Susana Santos Silver (tr), (CD, Vinyl – Sounderscore Records) Elsa Bergman (b) u. a. Dass der neuste Eintrag im Katalog des Labels 22a (CD, Vinyl, DL – Rune Grammofon) mancherorts unter dem Header Afrobeat eingeord­ net wird, ist nicht grundsätzlich verkehrt. Das zent­ Nach zwölf Jahren bringt das multikulturelle Trio rale, zweiteilige Stück "The Gordian Knot" oder das um den Gitarristen Lionel Loueke die lang ersehnte Dies ist erst die zweite Aufnahme von ”Actions for beschliessende "Dansoman Last Stop" lehnen sich dritte CD heraus. ”Three” zeigt die individuelle und Free Jazz Orchestra” des jüngst verstorbenen polni­ deutlich an musikalische Traditionen unserer süd­ kollektive Entwicklung der drei Musiker, die seit schen Komponisten Krzysztof Penderecki. Die ers- lichen Nachbarn. Aber bei der aktuellen Musik aus ­44 JAZZ

JNM_03_20_44-59_HB.indd 44 26.04.20 18:48 Der Versicherungstipp

der brodelnden Szene greift jede Schubla­ ne Debut "El Camino" folgt. "Diario De Vuelo" setzt disierung zu kurz. In den Kompositionen des Trom­ sich aus ergreifend klangvollen, teils träumerischen Online bestellt. peters Walters sind die Afro-Elemente zwar durch­ Eigenkompositionen zusammen. Der Titel sugge­ aus zahlreich vorhanden, aber mit vielen anderen riert, was das Album auch tatsächlich hält: Einflüssen verflochten. Und damit wird das Präfix Es ist ein Flugtagebuch, das eine poetische Reise Nichts geliefert. "Afro-" auf ein wunderbar subtiles Anklingen be­ durch hallende Klangwelten mit minimalistischen schränkt. Zwar ist die repetitive Polyrhythmik mit Melodien und rhythmischen Betonungen darstellt. vielstimmiger Perkussion omnipräsent und folgen Mit spannenden Motiven, ausgefeilten Spannungs­ Sicher die Stücke eher einer zirkulären Struktur. Und allein bögen und experimentellen Passagen unter Einsatz schon die Grösse der Formation als Sextett und die des Synthesizers schafft es Carra, gemeinsam mit freien Rollen, die den einzelnen Stimmen zugestan­ dem Bassisten Bori Alberto und dem Schlagzeuger beraten. den werden, sorgen für einen vibrierenden Klang­ Dani Dominguez, den Hörer und die Hörerin von teppich, aus dem sich die Stücke entwickeln. Die Beginn weg zu fesseln. Sinnlicher Pianojazz mit Akkordprogressionen, beispielsweise in "So Long Drive! Luca D'Alessandro Chef", gehorchen dagegen ebenso oft einer west­ Online-Shopping ist zum lichen Harmonik, die Improvisationen sind frei – wenn nicht sogar free – und durch die Paarung mit Alltag der Schweizerinnen den mitreissenden urbanen Grooves klingt weniges fremd, sondern nach Musik aus dem Hier und Jetzt. und Schweizer geworden. Christof Thurnherr Etwa 40 Prozent drücken

Phraim mehrmals monatlich auf Tides Nina Reiter (voc), Stephan Plecher (p), Marc Mezgolits (bg), den «Kaufen»-Knopf. Peter Primus Frosch (dr) (CD – QFTF/qftf.net) Leider läuft nicht immer alles rund. Matthew Shipp Ein Quartett österreichischer Provenienz, das hälf­ The Piano Equation tig in Luzern und Basel studierte und lebt, wobei Matthew Shipp (p) man sich bereits vom Studium in Wien kennt. Nun «Kostenpflichtig bestellen» geklickt, Zahlungs- (CD – Tao Forms Records) präsentiert Phraim sein zweites Opus – und dieses modalitäten erfasst – jetzt heisst es abwarten. macht grossen Spass und trägt mit "Tides", Ge­ zeiten, auch einen treffenden Titel für eine Musik, Die Vorfreude steigt von Tag zu Tag, aber das Mit glasklaren Anschlägen aktiviert Matthew Shipp die zwischen Groove und Ballade viel Raum lässt Paket trifft nicht ein. Nicht nur die Lieferung seine ”Swing Note From Deep Space”, wie der für Nachdenklichkeit. Unüberhörbar sind mit dem ist ausgeblieben, auch das Geld ist weg. Abge- zweite Track auf seinem neuen Solo-Album heisst. cool-virtuosen Stephan Plecher am Piano, Marc sichert ist in einem solchen Fall, wer in seiner Die Klänge rollen, die tiefen Register dröhnen und Mezgolits heisser, über den Jazz hinausweisenden funkeln. Auf den elf Tracks entwickelt der New Yor­ Bassgitarre und Peter Primus Froschs perkussiver Hausratversicherung die Zusatzversicherung ker Pianist, der dieses Jahr seinen 60. Geburtstag Präsenz drei ganz formidable Instrumentalisten am «Cyber: Schäden aus der Benutzung von Inter- feiert, sein abstraktes Klang-Universum. Es ist ge­ Werk, die im Interplay, begleitend und auch in ihren net-Technologien» ergänzt hat. Dieser Zusatz prägt von einem perkussiven Gestus, mit dem die Soli bestechen: Das funktionierte auch als überaus Einzelklänge, Patterns und Clusters in Bewegung spannendes Trio hervorragend. Nina Reiters wei­ kommt auch zum Einsatz, wenn trotz aller ge- gesetzt, beschleunigt, gedehnt und akzentuiert che, feine, nie zu kräftige Stimme präsentiert sich botenen Sicherheitsmassnahmen Ihre Kredit- werden. ”Vortex Factor” ist ein Akkumulieren von in den abwechslungsreichen Stücken sehr wandel­ kartendaten oder Ihre Identität missbraucht dunklen Wellen, die sich dröhnend türmen und wie­ bar und im Leisen, Zarten am stärksten. Songs zu der zerfliessen, ohne Zerstörung zu hinterlassen. diesem Album, 15 Tracks, haben alle beigesteuert, worden sind. Ein Schauspiel der Sanftheit im Heftigen, ein kont­ und vieles ist wohl im Kollektiv entstanden; die Auf­ rolliertes Formen im Ansturm der Emotion. Auf nahme wurde in einem einzigen Dreh live im Studio ”Land of the Secrets” läuft eine sublime roman­ eingespielt: vor Publikum, das für Adrenalin und «Online gekauft – tische Note mit, das Abstrakte erhält einen Glanz eine Energie sorgt, die den Phraim-Gezeiten hörbar von Schönheit. Shipp war 16 Jahre Pianist im Da­ bekommt. Steff Rohrbach nichts geliefert?» vid S. Ware Quartet und kuratierte die elektro-­ akustisch-elektronischen ”Jazztronica”-Veröffentli­ chungen der Blue Series auf dem Thirsty Ear Label. Er spielte viel im Duo und im Trio, aber blieb mit Trifft die Lieferung ein, wurde aber versehent- über zwölf Alben stets auch dem Solo-Piano treu. lich das Falsche bestellt, besteht in der Schweiz Auf dem aktuellen Album ”The Piano Equation” grundsätzlich kein Rückgaberecht, ausser der konsolidiert und erneuert Shipp seine musikali- Verkäufer bietet dies an. Anders sieht es aus, sche Sprache, in der eine innere mathematische Struktur das Disparate zusammenzuhalten scheint wenn die falsche Ware geliefert wurde, wenn sie und auch den ruhigen Flow der Nachdenklichkeit defekt, unvollständig oder zu spät eintrifft und integriert. Es sind zelluläre Einheiten, die mit Impul­ Œstetik damit unbrauchbar geworden ist. In der Rechts- sivität und fraktalen Ballungen geformt, erweitert Coexistence und verwandelt werden. Die Energie kommt schub­ Basile Rosselet (s), Alvin Schwaar (p), Virgile Rosselet (b), schutzversicherung stehen Ihnen bei Rechts- weise, aber verausgabt sich nicht in expansiven Noé Franklé (dr) streitigkeiten mit dem Händler unabhängige Manövern. Der letzte Track hämmert sich aufge­ (CD – Hout Records 020) Fachleute zur Seite. Diese Absicherung gilt für wühlt voran, bis das Pathos in ruhigen Einzelklän­ alle Verträge – also auch für Onlinebestellungen. gen zerstäubt. ”Cosmic Juice”. Pirmin Bossart Alle vier Musiker haben an der FHNW in Basel stu­ helvetia.ch/rechtsschutz José Carra diert. Nach dem Erstling "Coïncidence" von 2018 Diario De Vuelo legt das Quartett wiederum mit Songs des Saxo­ José Carra (p, rhodes, synth), Bori Albero (b), phonisten Basile Rosselet und Alvin Schwaars Dani Dominguez (dr) nach: ein heutiger, starker Jazz mit Einflüssen aus (CD – Taghrid Records) E-Musik und Free Jazz. Dabei ist dem Album deut­ lich anzuhören, dass die vier Musiker schon länger zusammenspielen und Virgile Rosselet und Noé Der spanische Komponist und Pianist José Carra ist Franklé bestens im Gefüge integriert sind und das von der klassischen Musik, dem Jazz und der El­ek- Quartett entsprechend sicher harmoniert. Gemein­ tronik beeinflusst. In der zeitgenössisch-europäi­ sam erreichen die vier ausgeglichenen Protago­ schen Jazz-Szene spielt er keineswegs eine Neben­ nisten eine schöne Flughöhe. Und es gelingt ihnen Beny Janssen rolle. Auch international hat er bereits seine Spuren dabei erstaunlich, nicht nur im Expressiven das Ni­ gelegt. So hat er als Sideman etwa mit Sheila Jor­ veau zu halten, sondern auch, in den vielen lyrisch Generalagent dan, Eric Alexander, Chris Cheek und Stanley Jor­ fliessenden Momenten Spannung zu erzeugen und Generalagentur Biel dan die Bühne geteilt. In der Rolle des Bandleaders sie zumeist selbst dort zu halten, wo die Struktur stellt er nun sein mit seinem Trio publiziertes Album zugunsten freier Improvisation aufgelöst wird. Cha­ "Diario De Vuelo" vor, das auf das 2014 erschiene­ peau. Steff Rohrbach

JNM_03_20_44-59_HB.indd 45 26.04.20 18:48 HÖRBAR noch involvierten Gründungsmitglieder Castillo, Approach. Die Band ist ein gut eingespieltes Team, Jazz'n'more-tipp Kupka, Prestia und Garibaldi sind über 70 Jahre alt. hat einen super Blechbläsersatz – vor allem die Sie können das soulig-funkige Grooven – Gott sei Trompeten spielen wie aus einem Guss – und her­ Dank! – nicht lassen. "Step Up" ist das Motto. Nach vorragende Solisten. Ihr Leiter, Jörn Marcussen- wie vor rund zweihundert Konzerttage zählt die Wulff, hat seiner Mannschaft zusammen mit dem Band im Jahr! Während 55 Minuten verführen ei­ Pianisten Eike Wulfmeier sechs Kompositionen auf nen 14 neue (jedoch bereits 2018 eingespielte) den Leib geschneidert. ”Raubein Romantik” zeigt mitreissende Songs, die eindeutig die TOP-DNA kompositorisch und auch spielerisch, wie grosse aufweisen, auch wenn es gewisse Neuerungen gibt. Melodiebögen gestaltet werden können. Das finale Da ist zum einen auf drei Tracks der phänomenale ”Outburst” ist ein Stück wie Haydns Abschieds­ neue Leadsänger Marcus Scott zu hören, dessen sinfonie, bei dem sich immer mehr Musiker von der Kopfstimme für Gänsehaut sorgt (”The Story of You Bühne verabschieden und am Schluss nur die Bass­ and I”). Zum anderen gibt es mehr Raum für teils klarinette die schöne Melodie ausklingen lässt. Das ziemlich jazzige Soli (insbesondere Gitarrist Jerry metallische Quäken zwischendurch – als Erklärung Cortez sticht dabei neben Tenorsaxophonist Tom für alle, die noch nicht die Gelegenheit hatten, die Muhal Richard Abrams Politzer hervor) sowie (erstmals überhaupt?) zwei Band live zu sehen – ist eine alte Autohupe, eine Celestial Bird Backgroundsängerinnen. ”Look In My Eyes”, gesun­ Fette Hupe eben. Angela Ballhorn Anthony Braxton (as), Leonard Jones (b), Muhal Richard gen (inkl. Scat-Einlage) von Leader , Abrams (cl, p, synth), Thurman Barker (dr), Maurice ist gleichsam der Höhepunkt des Albums. Man McIntyre (ts), Leory Jenkins (viol), David Moore (voc) u. a. sehe sich das zugehörige Video (auf YouTube) an (CD – Karl Records) und wird sofort zustimmen, dass TOP die Bestnote verdient haben. Silvano Luca Gerosa

Das ist ein hochinteressantes und stellenweise sehr eindringliches Album, auch wenn es nicht als sol­ ches gedacht war, sondern erst jetzt so kompiliert wurde. ”Celestial Bird” enthält vier elektronische Werke des 2017 verstorbenen Pianisten Muhal Ri­ Robert Glasper chard Abrams, darunter die in höchster Intensität Fuck Yo Feelings vibrierende und 23 Minuten lange Komposition Robert Glasper (keys), DJ Jahi Sundance (turntables), Taylor ”The Bird Song” aus dem Jahr 1968. Nach einem McFerrin (sounds), Derrick Hodge (b), Chris Dave (dr) längeren Spoken-Poetry-Intro beginnen einzelne (Vinyl – Loma Vista Recordgins/Universal) Instrumenten-Stimmen zu oszillieren und zu einem Sonar with David Torn wahren Crescendo-Schwarm zusammenzuwach­ Tranceportation – Vol. 1 & 2 sen. Eine flirrende Ambient-Wolke steht unter kons­ David Torn (g, loops), Stephan Thelen (g), Bernhard Wagner (g), So provokativ der Titel "Fuck Yo Feelings" für die tanter Spannung und breitet sich aus. Nach 13 Christian Kuntner (b), Manuel Pasquinelli (dr, perc) einen klingen mag, er bringt ziemlich treffend auf Minuten wird nochmals um eine radikale Stufe zu­ (CD, Vinyl, DL – RareNoiseRecords) den Punkt, was Glasper mit seiner schlagkräftigen gelegt, und bei allem Free-Jazz-Gestus eine kom­ Truppe zusammenpappt und der hörenden Gesell­ positorische Form gewahrt: Alle Vögel dieser Welt schaft vor die Füsse knallt. Glasper geht es um ein aus einer Kehle. Eigentlich verpflichtete die Schweizer Band So- kontemporäres "Being Black". Mit seiner Musik will Muhal Richard Abrams, Autodidakt und musika­ nar 2018 den grossen US-Gitarristen David Torn er Emotionen vermitteln, vor allem Wut, allerdings lisch offener Geist, war 1965 Gründungsmitglied als Produzenten für ihr damaliges Album ”Vortex”. nicht nur. Denn auch wenn das F-Wort in den 19 der AACM (Association for the Advancement of Doch Torn war so begeistert, dass er gleich zum Tracks -zigmal wiederholt wird, zeichnet Glasper Creative Musicians), die zu einem fruchtbaren Bo­ Mitmusiker wurde. Die Kompositionen für ”Trance­ doch ein hintergründiges Bild der Gesellschaft, in den für Musiker wie Anthony Braxton, Roscoe Mit­ portation” unterscheiden sich massiv von jenen auf der er lebt. Dazu bedient er sich sehr eklektisch aus chell, George Lewis oder das Art Ensemble of Chi­ ”Vortex”, da sie nun durch David Torns Beteiligung dem reichhaltigen Fundus deren musikalischer Ge­ cago wurde. Da es im Umfeld seiner Community für eine Quintett-Formation geschrieben wurden. schichte. Mit Jahrgang 1978 ist er nicht mehr wirk­ nicht ”hip” war, elektronische Musik zu machen, Die fünftägige Session mündete in 80 Minuten Ma­ lich jung, aber doch jung genug, dass man ihm eine veröffentlichte Abrams seine elektronischen Kom­ terial, was die Band um Gitarrist Stephan Thelen persönliche Beziehung zum Hip-Hop abnimmt. Von positionen auf den B-Seiten seiner Platten. Das bewog, in zwei Teilen zu veröffentlichen. Der erste diesem heute allzu oft kommerziell verwässerten vorliegende Album bringt ein paar dieser Werke ans Teil erschien im Herbst 2019. Am 30. Juni folgt die Schlagwort legt er den Kern frei und reichert ihn an Licht. Neben ”The Bird Song” hören wir drei kürze- Fortsetzung. Sonar bewegten sich schon zuvor auf mit Elementen, Zitaten und Samples, die umso re Stücke aus späterer Zeit. Auf ”Conversation With der nach oben offenen Groove-Richterskala auf Au­ deutlicher machen, in welch marginalem Sektor The Three of Me” (1989) beginnt Abrams mit ro­ genhöhe mit Nik Bärtsch’s Ronin. Der Einbezug von sich die Möglichkeiten des schwarzen Daseins ent­ mantisch-wuchtigen Jazz-Fantasien auf dem Kla­ Torn verleiht ihrem hypnotischen Minimal-Sound falten können. Das wühlt auf, und wird so folgerich­ vier, um dann nahtlos in die Synthesizer-Welt über­ eine zusätzliche Dimension. Nun hat es in diesen tig auch verbal – nicht nur im Titel der Platte – im­ zublenden. ”Think All, Focus One” (1995) ist ein fein und äusserst detailliert gewobenen Klangarchi­ mer wieder zum Ausdruck gebracht. Die vereinzel­ auch rhythmisch experimentierfreudiges Solo-Syn­ tekturen Platz für ein frei schwebendes Element. Da ten groovigen und souligen Ausschweifungen ver­ thesizer-Stück, während auf ”Spihumonesty” (1980) fliegt plötzlich eine Gitarre weg, schaut sich das mögen die Ausweglosigkeit nicht zu vertuschen. ein Septett mit Amina Claudine Myers, Roscoe Gefüge aus der Vogelperspektive an, umkreist den Die Realität ist ganz einfach nur zum Fluchen. ­Mitchell, George Lewis und dem Theremin-Spieler zentralen Kern ein paarmal und taucht dann wieder Christof Thurnherr Yousef Yancey mit seinen so entrückten wie diffe­ ab ins Kollektiv. Wer sich dieser Musik ohne Ablen­ renzierten Klangwelten neugierig auf das gleichna­ kung hingibt, wird immer wieder neue Räume in John Ellis and Andy Bragan mige Album macht. Pirmin Bossart diesem unglaublich dichten klanglichen Labyrinth The Ice Siren finden. Rudolf Amstutz Diverse Musiker (CD – Parade Light Records)

Wenn der Saxophonist und Komponist John Ellis mit dem Dramatiker Andy Bragan zusammen­ spannt, entsteht Ungewöhnliches. Ihr zweites ge­ meinsames Projekt ist eine Jazz-Oper mit dem Na­ men ”The Ice Siren”. Zum 20-jährigen Bestehen der New Yorker Jazz Gallery, wo das Stück 2009 ur­ aufgeführt worden war, hat man nun die Aufnahme Fette Hupe erstmals veröffentlicht. Erzählt wird die traurige Step Up Modern Tradition Geschichte eines Liebhabers, der wöchentlich Blu­ Emilio Castillo (as, voc), Stephen ”Doc” Kupka (bs), Bigband, Jörn Marcussen-Wulff (cond) men in die Krypta seiner verstorbenen Liebe Melu­ Jerry Cortez (g), Roger Smith (org), Francis Rocco Prestia (el-b), (CD – Berthold Records/Cargo) sina legt und sich – gelockt von ihrem Sirenenlied David Garibaldi (dr) etc. – so weit in die Krypta vorwagt, bis ihr Geist ihn (CD, Vinyl – Mack Avenue/MV) fängt und zu einer gefrorenen Ewigkeit verurteilt. Big Bands boomen seit einigen Jahren wieder. Die Ellis' Komposition ist dramatisch, sie vereint düste­ Fette Hupe ist in Hannover zu verorten, genauer re Passagen, wiederkehrende Melodien und Disso­ ”Step up – don’t give up” ist mehr als der Refrain gesagt hat sie ihre Homebase in der Faust Waren- nanzen zu einem dichten Werk für ein elfköpfiges des Titelsongs zum neusten Album ”Step Up” von annahme des Faust Kulturzentrums. Hier finden re­ Jazz-Kammerensemble. Bragan, der schon so man­ Tower of Power (TOP), das – je nach Zählweise – gelmässig Konzerte statt und hier wurde auch che Auszeichnung für seine literarische Arbeit er­ etwa das 27. der Funkband aus Oakland sein dürf- die vorliegende CD live eingespielt. Die Fette Hupe halten hat, ergänzt diese durch ein Libretto. Ein te. Die mindestens zehnköpfige Band existiert seit spielt gekonnt vermeintlich alte Big-Band-Stücke hochambitioniertes Werk mit Tendenz zum Liebha­ 52 Jahren und die auf dem vorliegenden Album im traditionellen Klang mit einem frischen neuen berstück! Dorothea Gängel ­46 JAZZ

JNM_03_20_44-59_HB.indd 46 26.04.20 18:48 JazznMore_FP_MAY2020.indd 1 INTAKT RECORDS WWW.INTAKTREC.CHHÖRBAR Intakt CD 344 Intakt CD 342 Intakt CD 345 JAMES BRANDON LEWIS – CHAD TAYLOR INGRID LAUBROCK - KRIS DAVIS TOMEKA REID - ALEXANDER HAWKINS LIVE IN WILLISAU BLOOD MOON SHARDS AND CONSTELLATIONS James Brandon Lewis: Tenor Saxophone Ingrid Laubrock: Saxophone Tomeka Reid: Cello Chad Taylor: Drums, Mbira Kris Davis: Piano Alexander Hawkins: Piano Intakt CD 339 Intakt CD 340 Intakt CD 347 ARUÁN ORTIZ WITH ANDREW CYRILLE AND ’S SNAKEOIL THE CHOIR INVISIBLE MAURICIO HERRERA THE FANTASTIC MRS. 10 GREVE - SPERRAZZA - TORDINI INSIDE RHYTHMIC FALLS Matt Mitchell: Piano · Ches Smith: Drums, Vibraphon Chris Tordini: Bass Aruán Ortiz: Piano, Voice · Andrew Cyrille: Drums, Voice Oscar Noriega: Clarinet · Marc Ducret: Guitar Charlotte Greve: Saxophone Mauricio Herrera: Percussion, Voice Tim Berne: Alto Saxophone Vinnie Sperrazza: Drums Intakt CD 341 Intakt CD 343 Intakt CD 333 OHAD TALMOR NEWSREEL SEXTET – PAUL LYTTON OMRI ZIEGELE TOMORROW TRIO LONG FORMS COLLECTIVE CALLS (REVISITED) (JUBILEE) ALL THOSE YESTERDAYS Ohad Talmor: Tenor Saxophone, Composition Evan Parker: Tenor Saxophone Omri Ziegele: Saxophone, Voice : Trumpet · Miles Okazaki: Guitar Paul Lytton: Drums Christian Weber: Bass Jacob Sacks: Piano · Matt Pavolka: Acoustic Bass : Schlagzeug Dan Weiss: Drums Intakt CD 335 Intakt CD 338 Intakt CD 334 MICHAEL FORMANEK VERY PRACTICAL TRIO ALY KEÏTA – JAN GALEGA BRÖNNIMANN – JIM BLACK TRIO EVEN BETTER LUCAS NIGGLI KALAN TEBAN RECKON Michael Formanek: Bass, Composition Aly Keïta: Balafon, Kalimba, Voice · Jan Galega Brönnimann: Elias Stemeseder: Piano Tim Berne: Saxophone · Mary Halvorson: Guitar Contra Alto- and Bass Clarinet, Soprano Saxophone Thomas Morgan: Bass Lucas Niggli: Drums, Percussion Jim Black: Drums

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JNM_03_20_44-59_HB.inddJazznMore_FP_MAY2020.indd 47 1 3/20/2026.04.20 1:17 18:48 PM HÖRBAR er tanzt, berührt er mit seinem Körper immer wieder seiner Kompositionen werden weltweit von Jazz­ Jazz'n'more-tipp die Gegenstände, die dort lagern: Instrumente er­ musikern interpretiert und sind zu Standards ge­ klingen, alte Postkarten tanzen mit, Comic-Sprech­ worden. Die Tracks wurden Mitte Mai 2015 bei blasen werden für Sekunden zum Leben erweckt. insgesamt drei umjubelten Konzerten mitgeschnit­ Kurzum: All die Dinge verbinden sich zu einer wun­ ten, wobei Shorter selbst als Solist mit seinem un­ dersamen Collage, zu einem klingenden Ballett der verkennbaren Sound auf dem Tenor- und Sopransa­ Erinnerungen – aufgefangen von einem Akkordeon, xophon mitwirkt. Insgesamt zehn Shorter-Komposi­ das sich zum Tänzer gesellt und mit ihm einen be­ tionen aus verschiedenen Perioden zwischen 1959 schwingt-ironischen Pas de deux inszeniert. In die­ und 1985 wurden gespielt, darunter solche für Al­ sem 15-teiligen, leider nur 26 Minuten dauernden ben des Pianisten Wynton Kelly, des Schlagzeugers Hörgenuss names ”Abstract Musette” outen sich und für ihn selbst. Arrangiert wurden alle der in Berlin lebende Basler Joke Lanz (turntables) Tracks von Mitgliedern des Jazz at Lincoln Center und der Bieler Akkordeonist Jonas Kocher als Orchestras, von Victor Goines, Sherman Irby, Ted Traumpaar des ”instant composing”. #keeponsmi­ Nash, Walter Blanding, Marcus Printup und natür­ ling! Rudolf Amstutz lich auch Wynton Marsalis. Die Konzerte waren vom bekannten Jazzkritiker Ben Ratliff in der New York A ruán Ortiz/Andrew Cyrille/ Times überschwänglich besprochen worden und Mauricio Herrara tatsächlich spiegelt die Doppel-CD die einzigarti­ Inside Rhythmic Falls gen Höhepunkte der Konzerte wider. Aruán Ortiz (p, voc, comp), Andrew Cyrille (dr), Michael van Gee Mauricio Herrara (marimbula, changúi bongos, catá, bells, voc) (CD – Intakt/intaktrec.ch)

Die Evolution geht weiter. Auch die heutige afro- kubanische Musik ist nicht mehr gänzlich an be­ Om ri Ziegele Tomorrow Trio stimmte Funktionen, wie beispielsweise den Tanz, All Those Yesterdays gebunden. Zur künstlerischen ”Zuhörmusik” ge­ Omri Ziegele (as, voc), Christian Weber (b), Han Bennink (dr) worden, eröffnet sie der kreativen Fantasie gleich (CD, Intakt/intaktrec.ch) wie Jazz und Klassik neue Möglichkeiten. Das ist genau das Feld von Arúan Ortiz, der mit einer Viel­ C urt Sydnor falt von Musikarten aufgewachsen ist und sie ab­ Neben seinem 1996 gegründeten Nonett Billiger Deep End Shallow sorbiert als ”hidden voices” in seinem aktuellen Bauer spielte der Saxophonist Omri Ziegele in den Curt Sydnor (kb, voc, comp), Caroline Davis (sax), Werk wirksam werden lässt. Es sind nicht nur die letzten Jahren auch mit den Trios Noisy Minority Greg Saunier (d), Aaron Dugan (g), Michael Coltun (b) aufgeschnappten Alltags-Laute und Töne, die ihn und Where’s Africa. Nun kommt das Tomorrow Trio (CD – Out of your head Records) zu seinem neuesten Werk inspiriert haben, sondern dazu. Schon zwischen CD-Titel und Trio-Namen speziell die rhythmischen Eigenschaften, die ja das knistert die Spannung, zwischen ”all den gestern” Herzstück afrikanisch-amerikanischer Musik sind. und dem ”morgen”. Heute schon spielen, was mor­ Hier muss der Hörer zunächst einmal seine Lau­ Zu Beginn rezitieren verschiedene Sprechstimmen, gen angesagt ist. Vielleicht ist das etwas viel von scher spitzen. Der Musikstil des Keyboarders und begleitet von Perkussion polyphonisch ein Gedicht, sich verlangt, wenn Ziegele ein berühmtes Motto Komponisten Curt Sydnor ist keinesfalls leichte das an die Sklaven- und Kulturimporte aus Afrika zitiert (”Die Musik ist mir um einiges voraus, sie Kost. Er bedient sich unterschiedlichster Stile, Klän­ erinnert. Rhythmus und Sound dienen gleich wie entsteht wie von selbst. Das habe ich morgen schon ge und Texturen, versetzt diese spärlich mit Text­ Worte der Kommunikation und – ebenso wichtig – gespielt, wie die Bebopper zu sagen pflegten ...”). passagen, die schemenhaft, hölzern wirken. Seine dem optimalen Gewinn von (Lebens-)Energie. Schon Bestimmt macht diese Musik auch morgen noch hochtalentierte Entourage für dieses Album holte Wire_50_hathut.qxp_Layout 1 06.04.20 13:22 Seite 1 die anschliessende ”Conversation With the Oaks”, Spass, denn die drei Musiker bauen starke Dialoge sich Sydnor ausnahmslos aus der unkonventionel­ ein Dialog zwischen Free-Jazz-Schlagzeug und ex­ auf, überraschen sich gegenseitig immer wieder len Brooklyner Szene. Dass die Musiker allesamt pressiven Klavierclusters zeigt, dass für Ortiz ein mit Variantenreichtum und Fantasie. Die niederlän­ grossen Spass an der Improvisation und dem Aus­ Kontinuum besteht: von afrikanischer Perkussion dische Drumlegende Han Bennink hat schon immer probieren haben, ist deutlich. Die Aufnahmen leben bis zum Klavierstil Cecil Taylors und weiter. Mauri­ eher das Übermorgen als das Morgen zu interpre­ von der gegenseitigen Inspiration und den vielseiti­ cio Herrara bedient kleine kubanische Instrumente, tieren versucht und ist somit der ideale Sparring gen Hintergründen jedes Einzelnen. Der Schlagzeu­ www.hathut.com +++ www.hathut.com +++ www.hathut.com www.hathut.com die im alten Changúi-Stil geläufig sind, z. B. die Ma­ Partner für die erdigen und originellen Sax-Motive ger Greg Saunier, Mitgründer der Indie-Rock-Band rimbula, eine Art von gezupfter Bass-Kalimba mit Ziegeles. Weber ist es sich vom Trio mit Ellery Es­ Deerhoof, Caroline Davis, Bandmitglied von Whirl­ grossen Metall-Lamellen. Ob mit Herrara oder Cyril­ kelin und Michael Griener her gewohnt, gleichzeitig pool am Saxophon, Bassist Michael Coltun, be­ le, es geht immer um ebenbürtige improvisatori­ Rückgrat zu bilden und die beiden Partner mit span­ kannt als Mitglied von Les Rhinocéros sowie Aaron sche Erfindungen, beginnend oder endend mit klei­ nungsgeladenen Einfällen auf Trab zu halten. ”Don­ Dugan an der Gitarre musizieren hier gleichberech­ Polwechsel nen Ideen von Ortiz. Ein anderer Kernpunkt ist das ders Wonders” illustriert perfekt, mit wie viel kreati­ tigt nebeneinander. Die acht Eigenkompositionen & Klaus Lang interaktive Verhältnis von Repetition und Spontane­ ver Lust hier und heute am Morgen oder zumindest von Sydnor sind von einer beachtlichen Bandbreite. Unseen ität: In ”Golden Voice” führen Ortiz und Cyrille z. B. an einem auch morgen noch spannungsgeladenen Progressiver Rock wechselt ab mit Afro-Beat, El­ einen engen Diskurs mit markanten Gesten, deren Sound gebastelt wird. Ruedi Ankli ectro-Jazz und Techno. Und mitten in all dem plötz­ Quellen ebenso das Bebop-Klavier wie der Changúi lich ”Fieldgaze Variations”, ein wunderbar wohltu­ sind und die mit einer immer wilder rotierenden endes akustisches Klaviersolo. Dann geht die Ach­ Phrase enden. terbahn-Fahrt weiter – spannend! Dorothea Gängel Besonders wichtig und voller Empathie ist der Bei­ trag des 80-jährigen Drummers Andrew Cyrille. Je­ des der 14 Ereignisse hat wieder einen anderen T he Coachella Valley Trio Ansatz. ”De Cantos” ist ein freies Largo, in dessen Mid Century Modern Lücken Cyrilles flüsternde Besengeräusche hörbar Doug MacDonald (g), Larry Holloway (b), Tim Pleasant (dr), werden. Im Titelstück ”Inside Rhythmic Falls” im­ Big Black (djembe) provisieren Herrara und Cyrille über einen Kult­ (CD – dmacmusic) ezz-thetics 1016 rhythmus. In ”Angelier's Discipline” imitiert Cyrille Jazz at Lincoln Center eine Conga. Und danach mutiert sogar das Klavier, Orchestra With reduziert auf drei bis vier Töne, selbst zu einer leb­ Wynton Marsalis Was spielt man für Leute, die am Mittwochabend haften Trommel, bevor sich das Geschehen auswei­ The Music of Wayne Shorter nach einem Arbeitstag in der kalifornischen Wüste tet, gejagt vom flinken Cyrille. Es gibt nicht viele Wayne Shorter (ts, ss), Wynton Marsalis, Marcus Printup (tp), bei 50 Grad in den Sessel ihrer Bar sinken? Etwas Aufnahmen, die so organisch und bruchlos Traditi­ Sherman Irby, Ted Nash (as), Walter Blanding (ts), möglichst Leichtes und Fröhliches, etwa Standards onen und Experiment verbinden wie diese. Victor Goines (ts) u. a. m. wie ”My Shining Hour” oder ”Stranger in Paradise”, Jürg Solothurnmann (2 CDs – Blue Engine Records) oder auch mal einen humorvollen Ohrwurm wie Dizzy Gillespies ”Woody 'n You”. Das haben sich der Jazzgitarrist Doug McDonald und seine Begleiter Das rund 30 Jahre bestehende Jazz at Lincoln Cen­ wohl gedacht, als sie für einen Steady Gig im ler Trio Joke Lanz & Jonas Kocher ter Orchestra ist bekannt dafür, immer wieder be- ­Coachella Valley ihr Trio gegründet hatten. Recht Abstract Musette stimmte Schlüsselwerke, Komponisten oder Mu- schnörkellos und immer munter vorwärtsswingend Joke Lanz (turntables), Jonas Kocher (acc) siker des Jazz einzuspielen. Die neue Doppel-CD ist erfinden die Routiniers diese Klassiker nicht gerade y (Vinyl, DL – Corvo Records) dem kompositorischen Schaffen des Saxophonis­ neu, machen ihnen aber auch keineswegs Schande. ten Wayne Shorter (*1933) gewidmet, der auf eine Mit Eigenkompositionen in Latin-Rhythmen, etwa über 60-jährige Karriere zurückblickt, elf Grammy's ”Cat City Samba” oder ”Bossa Nueva”, bei denen Man könnte sich die Situation etwa so vorstellen: In gewonnen hat und zahllose LPs und CDs unter eige­ zusätzlich ein Djembe-Spieler auftritt, vermag Mc­ Zeiten von #stayathome verschafft sich ein Tänzer nem Namen als auch als Mitglied prominenter Donald immer wieder gezielte Akzente zu setzen Bewegung auf dem riesigen Dachboden. Während Bands (z. B. Weather Report) eingespielt hat. Viele und für etwas Abwechslung zu sorgen. Florian Bissig Mail Order and/or Distribution: UK: http://www.prestomusic.com/jazz · Impetus Distribution: [email protected] · France, Spain & Portugal: http://www.distrijazz.com ­48 Switzerland: http://www.musikontakt.ch · Austria: [email protected] · Germany: http://www.nrwvertrieb.de · USA: http://www.squidco.com · Japan: http://diskunion.net/ JAZZ

JNM_03_20_44-59_HB.indd 48 26.04.20 18:48 R icardo Grilli O liver Ker Ourio Heinrich von Kalnein 1962 Singular Insularity Möbius Strip Ricardo Grilli (g), Mark Turner (ts), Kevin Hays (p), Oliver Ker Ourio (harm), Grégory Privat (p, keys), Heinrich von Kalnein (as, ts, bariton s), Gina Schwarz (b), Joe Martin (b), Eric Harland (dr) Gino Chantoiseau (b), Arnaud Dolmen (dr), Inor Lukas König (dr) – Jaka Arh (ss), Jonathan Herrgesell (as), (CD – Tone Rogue Records) Sotolongo (perc), Bastien Picot (voc), Christophe Zoogonès (fl) Cristina Miguel Martinez (ts), Heirnich von Kalnein (bar s), (CD – Bonsaï 200 202/L’autre distribution) special guest: Uli Rennert (synth) (CD – Natango Music) Das konnte fast nur einem Musiker von der Süd- halbkugel einfallen: Das Geburtsjahr der Mutter Der Mundharmonicaspieler Oliver Ker Ourio ist ein zum Albumtitel zu machen. Tatsächlich stammt der grossartiger Geschichtenerzähler. Aufgewachsen in Der deutsche Saxophonist, Komponist Heinrich von in Brooklyn wohnende und wirkende Gitarrist Ricar- den Sechzigerjahren auf der französischen Über- Kalnein hat in den letzten 40 Jahren die grosse Liga do Grilli aus Brasilien. Das Datum steht indessen see-Insel La Réunion, schreibt er die drei Texte die- der Jazzsaxophonisten studiert und absorbiert und für eine weiter gefasste Rückbesinnung auf den ei- ses Albums in kreolischem Französisch. Manches daraus in Sound und Artikulation sein eigenes Jazz- genen Lebensweg mit besonderer Berücksichti- Wort scheint man zu erkennen, zumindest anhand Amalgam kreiert. Zu seinem 60. Geburtstag wartet gung der musikalischen Prägungen. So heisst ein der beigelegten Übersetzungen. So bedeutet etwa er mit einer Doppel-CD auf, die zwei ganz unter- Stück ”E.R.P.” und spielt zugleich auf Wayne Shor- der Titel des Openers ”Kossassa” so viel wie schiedliche Produktionen vereint. CD 1 ist der Im- ters ”E.S.P.” und auf Bud (E.R.) Powell an. ”183 W. ”Qu’est-ce que c’est” (Was ist das?). Gewidmet ist provisation, CD 2 der Komposition gewidmet. Den 10th St.” hingegen ist die Adresse des Jazzclubs der Song mit Erinnerungen an die Jugendzeit seiner Grundstein für CD 1 legten Soloimprovisationen, ”Smalls”, den es erst seit den 1990er-Jahren gibt. Mutter. Das ”Singular” im Titelsong bezieht sich die von Kalnein auf Initiative von Joachim Kühn in Doch Grillis Album ist kein Schlüsselroman, son- aber nicht ausschliesslich auf La Réunion, sondern dessen Studio auf Ibiza aufgenommen und im dern ein sorgfältig komponiertes und aufgebautes auf die aussergewöhnliche Konstellation dieser Nachhinein mit Bass (Gina Schwarz) und Schlag- Postbop-Album mit hervorragenden Musikern. Band. Musiker von fünf Inseln sind in einem wahr- zeug (Lukas König) erweitert hatte. Die Improvi­sa­ Mark Turner und Grilli teilen sich den Bühnenrand, lich poly-insularen Projekt vereint: Mit den drei aus tionen zeugen von einem Musiker, der einen nicht sowohl als melodienreiche Solisten wie als Inter- La Réunion stammenden Musikern gestalten Gré- einfach mit Expression zutextet, sondern seine preten von Grillis Themen. Der Gitarrist ist ein gory Privat (Martinique), Gino Chantoiseau (Mau­ ­Ideen kontrolliert sprudeln lässt. durchaus vom New Yorker Jazz geprägter Musiker, rizius), Arnaud Dolmen (Gouadeloupe) und Inor Auf CD 2 spielt von Kalnein mit einem Saxophon- doch auch die musikalische Tradition seines Her- ­Sotolongo (Kuba) ein Album von ausserordentli- Quartett eigene Kompositionen. Ein mehrteiliges kunftslands fehlt nicht. So ist das Stück ”Coyote” chem Reichtum an Rhythmen und Harmonien. Da- Auftragsstück (”3-4-5”) hat der Keyboarder Uli von einem sanften, verlangsamten Samba-Rhyth- bei entsteht aus einer gelungenen Verbindung von Rennert geschrieben. Interpretiert wird auch Blue mus getragen. Doch ”1962” schaut nicht zurück, populären Motiven mit Jazz so etwas wie ein kreoli- Train von Coltrane, im Arrangement von Cedar Wal- sondern findet im Jetzt statt und ist den zeitlos sches Manifest. Ker Ourio gelingt es hier, sein im ton. CD 2 ist musikalisch vielseitiger sowie harmo- ­relevanten Dingen gewidmet, der aufmerksamen Jazz eher seltenes Instrument zum Protagonisten nisch und klanglich reichhaltiger als das Impro- Begegnung von Musikerpersönlichkeiten. Das Re- dieses originellen Sounds zu erheben und zu einem Projekt. ”Möbius Strip” ist ein stimmiges Gesamt- sultat ist ein 70 Minuten dauerndes Zeugnis von rhythmisch vertrackten Werk zu gestalten, das paket, das die eigenen musikalischen Welten mit beachtlicher musikalischer Originalität und Reife. nicht nur Jazzfreunde ansprechen dürfte. dem päda­gogischen Feld verbindet, auf dem von Florian Bissig Ruedi Ankli Kalnein seit über 30 Jahren tätig ist. Pirmin Bossart Wire_50_hathut.qxp_Layout 1 06.04.20 13:22 Seite 1

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Polwechsel Noah Kaplan & Klaus Lang Quartet Unseen Out Of The Hole

Sun Ra Arkestra Albert Ayle Heliocentric Worlds 1964 1 & 2 Prophecy Revisited Revisited

ezz-thetics 1016 ezz-thetics 1017 ezz-thetics 1103 ezz-thetics 1104 New York Marion Brown Albert Ayler Quartet Contemporary Five Why Not? With Don Cherry Consequences Porto Novo! European Recordings Revisited Revisited Autumn 1964 Archie Shepp Don Cherry Revisited John Tchicai Don Moore ler Trio J.C. Moses y

ezz-thetics 1105 ezz-thetics 1106 ezz-thetics 2-1107

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Bang seinerseits vano, Holland, Harrell und vielen mehr. speist Samples ein, moduliert, verfremdet und Mit seinem verblüffenden Trio präsentiert Williams, transformiert das Material, oft bis zur Unkenntlich­ 1950 in Ohio geboren, mit Carmen Staaf hier eine keit seiner Herkunft. Eingewoben in diese Sound­ weitere erstaunliche Unbekannte: Die 1981 gebo­ scapes sind auch Beiträge von Nils Petter Molvær rene, in Seattle aufgewachsene Pianistin, die u. a. (tp), Hilde Norbakken (p), Anders Engen (dr, perc), bei Danilo Pérez studierte, lenkt so frappant lässig Audun Erlien (Bass) und (voc sam­ wie flink und einer an Monk erinnernden, wohltuen­ ples). Der poetische Albumtitel (frei übersetzt den Schräge durch die elf an einem einzigen Tag ”Schnee fällt auf ihre Wimpern”) gibt einen Ein­ aufgenommenen, von allen beigesteuerten, teils ra­ druck von der Zartheit und der filigranen Klanglich­ Jason Palmer santen Tracks. Die hingen fast noch etwas im Be­ keit dieser Musik, die sachte dahinströmt, jenseits The Concert. 12 Musings for Isabella bop, hätten sie nicht eine verblüffende Offenheit von Hektik und Zeit. Pirmin Bossart Jason Palmer (tp), Mark Turner (ts), Joel Ross (vib), und mindestens drei starke Beine in der Improvisa­ Edward Perez (b), Kendrick Scott (dr) tion. Michael Formanek lässt mit seinem hochmelo­ (Doppel-CD – Giant Step Arts GSA 004/giantsteparts.org) diösen Spiel ganz im Dienst des Triosounds, seinen herrlichen Soli und auch mit dem gestrichenen Bass die Scheibe erst recht zum Hochgenuss wer­ Der amerikanische Trompeter Jason Palmer ist ein den. Steff Rohrbach hochdekorierter Musiker, der sich seine Sporen an der Seite von Leuten vom Kaliber eines Roy Haynes, Herbie Hancock, Jimmy Smith, oder Phil Woods abverdient hat, wobei diese Aufzählung nicht einmal vollständig ist. Er hat in Boston Wur­ K affeehausorchester zeln geschlagen, was für die Folge dieser Bespre­ Jazzpuccino chung noch von Belang sein wird. Seine neuste Andreas Renggli (p), Marcel Suk (el-b), Martin Kissling (dr) Veröffentlichung ”The Concert: 12 Musings For Isa­ (CD – Splendormusic/kaffeehausorchester.ch) bella” ist, wie der Name antönt, ein in New York entstandener Live-Mitschnitt, auf dem eine hochka­ rätige Band zu erleben ist. Die zwölf ”Träumereien” BECCA STEVENS Aus Bern kommt "Jazzpuccino", eine interessante bilden eine in sich geschlossene Abfolge musika­ Wonderbloom Studioproduktion des Kaffeehausorchesters. Es ist lischer Tableaus, die ganz ohne programmatischen Becca Stevens (comp, voc), u. a. Jacob Collier, Michael League dies die dritte Produktion dieses Piano-Jazz-Trios Überbau auskommen. Die atmosphärische Musik, (GroundUp/nur digital: The Orchard) und könnte mit seinen fünf Titeln als Extended die samt und sonders vom Leader Palmer geschrie­ Play durchgehen. Ein auf zwanzig Spielminuten be­ ben worden ist, oszilliert zwischen modernem Bop grenztes Präsent, das sich Pianist Andreas Renggli, und ”klassischem” Free Jazz in der Tradition des Die wunderbare Singer-Songwriterin Becca Ste­ Bassist Marcel Suk und Schlagzeuger Martin Kiss­ frühen Ornette Coleman. Die verspielten Melodien vens hat ein neues Album veröffentlicht. Das be­ ling zum fünfzehnten Bandjubiläum gönnen. Drei sind von leichtfüssigen Grooves unterlegt, wobei deutet, dass man wieder das Unerwartete erwarten Titel sind Überarbeitungen von Evergreens aus den sich das rhythmische Fundament ausnehmend darf. Seit 2008 lotet die Sängerin alle möglichen Bereichen des Pop-Rock und des Jazz: Soundgar­ transparent ausmacht. Ein Grund dafür, und sicher­ Genres und Grenzen mit ihrer Musik aus, von Jazz dens Chris Cornell "Black Hole Sun", Bronislaw lich nicht der Geringste, ist die Besetzung der Pia­ über Irish Folk bis hin zu Indie Pop. Dem namens­ ­Kapers Klassiker "Green Dolphin Street" und "Won­ no-Position durch ein Vibraphon, was der Rhyth­ gebenden Titanenwurz (”wonderbloom”), der acht derwall" von der britischen Britpop-Band Oasis. musgruppe einen ausgesprochen eleganten Touch Jahre braucht, um seine Blütenpracht zu entfalten, Letztes ist originell arrangiert, sanft gespielt und ja, verleiht. Inspiriert wurde das zwölf Teile umfassen­ fühlte sich Becca Stevens mit ihrem Album ver­ es groovt. Mit "Jazzpuccino" veröffentlicht das Trio de Opus von einer ”cause célèbre”. In den frühen wandt: Dass in langen Studiotagen etwas Schönes zum ersten Mal überhaupt auch zwei Eigenkom­ Morgenstunden des 18. März 1990 wurde das Isa­ erblühen kann, begeistert die Sängerin. Mehr als positionen: "Before The Storm" stammt vom Pia­ bella Stewart Gardner Museum in Palmers adop­ 40 Musiker haben bei der CD dazu beigetragen, nisten Andreas Renggli und besticht durch seinen tierten Heimatstadt Boston zur Zielscheibe eines unter anderem Snarky Puppys Leader Michael Le­ Drum'n'Bass-Grooveteil. Als Kontrast dazu ist die dreisten Kunstraubs. Dreizehn Kunstwerke wurden ague am Bass, Jacob Collier und sogar David Cros­ Komposition von Schlagzeuger Martin Kissling gestohlen, darunter solche von Vermeer, Rem­ by persönlich, in dessen Lighthouse-Band Becca "Song For M", zumindest was den Aufbau betrifft, brandt, Manet und Degas. Trotz einer ausgelobten Stevens mitwirkt. 14 sehr eindrückliche Songs sind von Jazzstandards inspiriert. "Jazzpuccino" sieht Belohnung von zehn Millionen Dollar ist bislang für das Album entstanden, tiefgründig in den Tex­ sich als elegante Visitenkarte des Trios. keines der verschwundenen Werke wieder aufge­ ten, vielschichtig in den musikalischen Strömun­ Luca D'Alessandro taucht. Damit die Erinnerung an das Geschehen gen. Definitiv wenig Jazz, dafür viele Stücke in nicht verblasst, hängen anstelle der verschwunde­ Richtung Independant Rock, mit ordentlich funky nen Gemälde leere Rahmen im Museum. Und die- Einschlag. Mein Lieblingsstück ist ”Good Stuff”, se Platzhalter sind es, welche die Aufmerksamkeit funky-poppig, ein wahrer Ohrwurm, der gute Laune von Jason Palmer auf sich gezogen haben. Seine macht. Angela Ballhorn Kompositionen tragen die Titel der verschollenen Werke, denen gewissermassen ein musikalisches Denkmal gesetzt wird. Aber wie bereits gesagt, diesen programmatischen Überbau benötigen Pal­ mers Stücke gar nicht: Die Musik spricht für sich. Georg Modestin E van Parker/Paul Lytton Collective Calls (Revisited) (Jubilee) Evan Parker (ts), Paul Lytton (dr) (CD – Intakt/intaktrec.ch)

E ivind Aarset/Jan Bang Snow Catches On Her Eyelashes Seit Evan Parker den Drummer Paul Lytton 1969 (g, b, electr), durch eine Radiosendung entdeckte, haben sich die Jan Bang (samples, programming, synth, editing) Wege der beiden immer wieder gekreuzt. Beteiligt (CD, Vinyl – Jazzland/Edel:Kultur) an der Entwicklung der britischen Free Music ha- ben die zwei längst ihren eigenen Stil gefunden, den sie immer noch mit gleichem Engagement Jeff Williams Geisterhaft klingen die Stimmen und seufzenden praktizieren. Die elf Spontankreationen mit abrup­ Bloom Klangfragmente auf ”Purplebright”, dem kurzen Er­ ten Schlüssen sind skizzenhaft und eng verwandt Carmen Staaf (p), Michael Formanek (b), Jeff Williams (dr) öffnungstrack des Albums. Dann wälzt sich auf wie eine Serie von Grafiken, die sich nur durch flim­ (CD – Whirlwind WR4737/Indigo) ”Asphalt Lake” ein dunkler Klangstrom mit pochen­ mernde Mikrostrukturen unterscheiden. Mit be­ dem Puls durch die Weite des Klangraums. Stücke einflusst von Erfindungen der elektronischen Musik wie ”Before the Wedding” oder ”Two Days in June” entstehen Klangflächen mit verschiedener, aber Jeff Williams? Im bird's eye war der kaum bekannte klingen wieder sehr sanft und vertraut, mit Klavier­ ­immer hoher Dichte und vom Atem gelenkter an- Drummer im Quartett Martin Speakes mit Ethan klängen und einer schwebenden Melodik. Das erste und abschwellender Dynamik. Diese und die Mikro­ Iverson zu hören: mit seinem nonchalant wirken­ gemeinsame Album von Eivind Aarset und Jan strukturen bestimmen die Handlung, die auch der den, leichthändigen, ungemein swingenden und vor­ Bang, die schon seit den frühen 1990er-Jahren zu­ lebhaften Kommunikation zwischen Lebewesen ­50 JAZZ

JNM_03_20_44-59_HB.indd 50 26.04.20 18:48 HÖRBAR oder der wilden Fahrt eines ratternden Karrens glei­ oder Latin – sowohl auf die Bühne des Clubs, aber chen. Parkers Spielfluss wird mit Kreisatmung und auch auf den Dancefloor oder in den Background schnellen Zungenschlägen und Rotationen der Fin­ einer coolen Lounge. Dazu scheut der Jazzer Boyd ger erzeugt, wobei sich Töne, Mehrklänge und Ge­ auch nicht davor zurück, die verschiedenen Guest- räusche durchmischen. Dem entspricht das flinke Vocals sehr innovativ einzuflechten: Im Track "Only Up-Tempo-Spiel Lyttons total. In den Fluss mit im­ You" ist sie nur als Sample gesetzt. "Shades of You" mer gleichem Klangspektrum mischen sich Ein­ mit Poppy Ajudha entwickelt durchaus eine Ten­ sprengsel der Pauke und kleiner Instrumente. Man­ denz zur Club-Hymne. Und "Dancing in the Dark" che Tracks beginnen auch verhalten, aber in Nach­ mit Obongjayar baut – vor einem rollenden Hindi- folge von Coltrane, Albert Ayler, und Beat – die Dringlichkeit von Spoken Word auf. Hin­ anderen Schöpfern des Free Jazz kommen die zwei ter jeder Ecke lauert Unerwartetes. Christof Thurnherr immer wieder zur Kumulation von Energie und stei­ gern sie bei jedem neuen Anlauf erneut. Jürg Solothurnmann

Ja mes Brandon Lewis & Chad Taylor Live In Willisau S tefano Bollani James Brandon Lewis (ts), Chad Taylor (dr, mbira) Jesus Christ Superstar (CD, DL – Intakt/intaktrec.ch) Stefano Bollani (p) (2 Vinyl – Alobar 1007/Presto Jazz) Um es gleich vorwegzunehmen: Was Saxophonist James Brandon Lewis und Schlagzeuger Chad Tay­ Am 3. April 2020 erschien das neue Piano-Solo-Al- lor am 1. September 2019 am Jazz Festival Willi­ bum von Stefano Bollani, exakt 50 Jahre nach der sau vollbrachten, war schlichtweg grossartig. Sol­ Veröffentlichung der LP ”Jesus Christ Superstar” che Duo-Konzerte haben eine lange Tradition in von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice, die Vorla­ Willisau: Man denke nur an Dewey Redman & Ed ge zur Premiere des gleichnamigen Musicals im Blackwell oder Max Roach & Archie Shepp. Die Er­ Oktober 1971. Als Bollani das Musical als Film ent­ wartungshaltung ist dementsprechend gross, wenn deckte, war er 14 Jahre alt. Er verliebte sich sofort sich eine neue Generation dieser Herausforderung in das Musical und lernte alle Texte auswendig, stellt. Lewis und Taylor überzeugten bereits auf ih­ wagte es aber nie, diese für seine persönliche Ent­ rem Studioalbum ”Radiant Imprints” (2018), auf wicklung wichtige Musik öffentlich zu interpre­ dem sie sich vor dem legendären Duo John Coltra­ tieren. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ne/Rashied Ali verbeugten. Doch die beiden sind zu Bollani, angeregt von Enrico Rava, vom Pop-Sektor sehr auf die Zukunft fixiert, als würden sie bloss schon früh zum Jazz wechselte. Regelmässig be­ Denkmalpflege betreiben. Man hört hier, wie man reichert Bollani den Jazz mit Themen aus Pop und Geschichte neu schreiben kann, indem man sich Unterhaltungsmusik, seien es Canzoni der 1930er- zwar auf altbekannte Protagonisten verlässt, die Jahre, seien es brasilianische Popsongs. Und nun, aber zu Vogelfreien erklärt und sie mit neuen Aben­ fast paradoxal im Ansatz, eine Interpretation des teuern konfrontiert. In ”Radiance” taucht Coltrane wohl bekanntesten Musicals aller Zeiten im Allein­ auf, in ”Come Sunday” Duke Ellington, in ”Wata­ gang. Und es gelingt ihm, wie fast alles, was er sich kushi No Sekai” Mal Waldron und mit ”Willisee” vornimmt, ziemlich leichtfüssig und doch auf per­ von Dewey Redman findet gleichzeitig auch noch manent hohem Niveau. Elegant kürzt er breitge­ eine würdige Verortung des Geschehens statt. Es walzte Originalstellen ab und meditiert dafür umso sind aber auch die eigenen Kompositionen, in de­ intensiver an den lyrischen Passagen. Dabei greift nen dieses Duo in stupender Manier über die Mög­ er auf seine enorme Stilkultur aus, von Ragtime bis lichkeiten des kreativen Dialogs philosophiert. Das hin zu modalen Ansätzen. Man kann sich vorstellen, Resultat: Musik für die Ewigkeit! Rudolf Amstutz wie sehr dieses Opus, von Bollani live exklusiv vor­ gestellt, durch immer neue improvisatorische Mä­ ander und spontane Blitzlichter bereichert wird. B ossarenova Trio Ruedi Ankli Atlantico Konzert: 25. Juni, Kunstmuseum Basel Paula Morelenbaum (voc), Joo Kraus (tp, electronics), Ralf Schmid (p, electronics) (CD – Skip Records)

Kennengelernt haben sich die brasilianische Sän­ gerin Paula Morelenbaum und die beiden deut­ schen Musiker und Elektronik-Aficionados Joo Kraus und Ralf Schmid 2009 im Rahmen des Bossareno­ va Big-Band-Projektes der SWR Bigband. Nach mehreren Konzerten in dieser Grossformation heg­ Moses Boyd ten die drei bald den Wunsch, als Trio weiterzuzie­ Dark Matter hen und das brasilianische Genre des Bossa nova (CD – Exodus) nach eigenem Gusto zu gestalten. Dieser Wunsch ist inzwischen Realität geworden: Das Bossarenova Trio sieht sich als elektronisch angehauchte, euro­ Bereits mit dem Opener "Stranger Than Fiction" päisch-südamerikanische Antwort auf die in den zieht Moses Boyd den Hörer direkt ins Epizentrum späten 1950er-Jahren entstandene Musikbewe­ seiner Musik. Mit einer spannenden Mischung aus gung der Bossa nova und der Música Popular Bra­ gespielten und programmierten Beats kreiert der sileira. Auf der aktuellen CD "Atlantico" bietet das Drummer ein klangliches Vexierbild, wobei die Auf­ Trio Neuarrangements – oder in anderen Worten – merksamkeit mal vom mechanischen Groove, mal renovierte Klassiker aus der Feder von Cateano Ve­ von den pulsierenden Breaks beansprucht wird. loso ("Sou Voce"), Carlos Lyra ("Se É Tarde Me Per­ Die Mitwirkung des Keyboarders Joe Armon-Jones doa"), Edu Lobo ("Veno Bravo") oder Marcos Valle macht den Mix wohl am deutlichsten für den Jazz- ("Nao Tem Nada Nao"). Wer nun eine gewöhnliche Interessierten spannend. Viele der anderen Live-In­ Reinterpretation dieser Klassiker erwartet, wird strumente dagegen sind raffiniert gefiltert so selbst beim Hören eines Besseren belehrt. Mit grösster EDM-Puristen kaum missfallen. Boyd spielt ge­ Sorgfalt setzt sich das Trio mit dem brasilianischen konnt mit der subtilen Grenzüberschreitung und so Songbook auseinander. Es setzt dort Akzente, wo passen alle stilistischen Anleihen – ob Jazz, Afro dies angezeigt ist. Luca D'Alessandro

JNM_03_20_44-59_HB.indd 51 26.04.20 18:48 HÖRBAR darauf – in gewohnter Nähe zum Singer-Songwri­ sich zum Mass aller Dinge erklären. Stattdessen Jazz'n'more-tipp ter Genre – einschneidende Erlebnisse wie Krebs­ lassen sie Kopf und Herz vibrieren, wobei auch ein tod und Selbstmord Nahestehender als auch ihre junges, von Clubmusik bezirztes Publikum Gefallen eigene Erkrankung aufgrund verschimmelter Mau­ daran finden wird. Man kann zu dieser Musik tan­ ern in ihrem Aufnahmestudio. Die zehn resultieren­ zen, aber auch die Gedankenschnipsel zappen las­ den Eigenkompositionen strotzen vor Optimismus, sen. JZ Replacement sind ein energetisches Duo zeitloser Eleganz und Fokussierung auf das We­ mit dem englischen Schlagzeuger Jamie Murray sentliche. Bialis ausdrucksstarke und nuancierte (Sun Ra Arkestra) und dem russischen Altosaxo­ Stimme überzeugt und gewinnt einen sofort, etwa phonisten Zhenya Strigalev (Ambrose Akinmusire, in ”Wendy’s Song”. Silvano Luca Gerosa Eric Harland). Für dieses Album haben sie mit dem Bassisten Tim Lefebvre (David Bowie, Elvis Costel­ lo, Donny McCaslin, Mark Guiliana) einen klugen Schachzug gemacht. Lefebvre powert mit seinen fetten Linien, seinem fliessend funky Spiel und gu­ ten elektronischen Effekten den Sound auf, verleiht D ave Douglas ihm Raum und Tiefenwirkung. ”Disrespectful” bie­ Dizzy Atmosphere: Dizzy Gillespie at Zero Gravity tet eine erfrischende Mischung aus Experiment und (tp), Dave Adewumi (tp), Matthew Stevens (g), Emotion. 35 Minuten Hörvergnügen. Pirmin Bossart Fabian Almazan (p), Carmen Rothwell (b), Joey Baron (dr) (CD – Greenleaf Music/greenleafmusic.com) A lexander Hawkins/ Tomeka Reid Hommagen an Musiker vergangener Jazzepochen Shards and Constellations sind heute an der Tagesordnung, seien es Reprisen, Alexander Hawkins (p), Tomeka Reid (vc) neu interpretierte Evergreens etc. Wirklich originell (CD – Intakt Records/intaktrec.ch) wird das Unterfangen, wenn sich Musiker für die rhythmischen und harmonischen Ideen hinter dem Werk einer innovativen Persönlichkeit vergangener Nach einigen jagenden Läufen, Clusters, verwobe­ Epochen interessieren. Nach Wayne Shorter, Mary nen Texturen und fragmentierten Interaktionen lässt Lou Williams, Jimmy Giuffre und Carla Bley hat es sich beim fünften Stück erstmals durchatmen. sich der Trompeter Dave Douglas nun Dizzy Gille­ ”Peace on You” ist eine Komposition des AACM- Wauwau Adler spie vorgenommen, den anderen grossen Bläser Mitbegründers Muhal Richards Abrams. Sie schafft Happy Birthday Django 110 des Bebop, neben Charlie Parker. Douglas ist mit einen weiten und ruhigen Raum, in dem das Piano Wauwau Adler (g), Alexandre Cavalière (vl), dieser Demarche nicht alleine, haben sich doch in und das Cello lyrisch driften und das getragene Hono Winterstein (g), Joel Locher (b) den letzten Jahren etwa Ellery Eskelin dem Swing Thema dennoch expressiv ausloten. Auf dem Duo- (CD – GLM Music Edition Collage EC 589-2/Soulfood) oder Franco D’Andrea der Schnittstelle zwischen Album ”Shards and Constellations” begegnen sich Dixie und Swing um 1930 auf innovative Weise die Cellistin Tomeka Reid aus Chicago und der bri­ angenähert. Vielleicht ist das die neue Herausforde­ tische Pianist Alexander Hawkins. Die beiden sind S tochelo Rosenberg & rung an die stetig wachsende Anzahl akademisch so furchtlos wie sorgfältig, was für ausdrucksstar­ Jermaine Landsberger ausgebildeter JazzmusikerInnen? kes Repertoire an strukturell und harmonisch expe­ Gypsy Today Der Auftakt mit ”Mondrian” gibt eine präzise Vor­ rimentierfreudigen Stücken garantiert. Reid arbei­ Stochelo Rosenberg (g) und Jermaine Landsberger (p), stellung von Douglas’ Annäherung. Einerseits hatte tet mit Texturen und verwinkelten Pizzicato-Clus­ Didier Lockwood (vl), Joel Locher (b), André Ceccarelli (dr) u. a. er die Melodie von Gillespies ”Bebop” im Kopf, an­ ters, ist aber auch in harmonisch-melodischeren (CD – GLM Music Edition Collage EC 588-2/Soulfood) dererseits setzte er sich mit Piet Mondrians letztem Breitengraden präsent. Hawkins wechselt zwischen Bild ”Broadway Boogie Woogie” von 1942 ausein­ verschachtelten Pianolinien von hoher Dichte, blitz­ ander. ”Con Almazan” ist auf das bekannte ”Con schnellen Tastenfiguren und reduzierteren Patterns. Gs i mo Graf Trio alma” aufgepfropft, setzt aber den jungen und be­ Zu den ruhigeren Stücken gehören ”Serene and A Trio’s Decade gabten Pianisten Fabian Almazan in den Fokus, und Playful” mit seinen kirchenliedhaften Motiven und Gismo Graf (g), Joschi Graf (g), Joel Locher (b), somit auch dessen wesentlichen Beitrag zum Al­ Cello-Obertönen sowie das von Tomeka Reid mit Cheyenne Graf (voc) bum. Gillespie hatte immer einen jüngeren Trompe­ kühler Leidenschaft gestrichene ”Albert Ayler (His (CD –GLM Music Edition Collage EC 585-2/Soulfood) ter – wie etwa Lee Morgan – an seiner Seite, und mit Life Was Too Short)”, einer Komposition des Violi­ Dave Adewumi findet auch Douglas einen kongeni­ nisten Leroy Jenkins, ebenfalls ein Musiker der ers­ alen Partner. In ”Cadillac”, das an ”Sing Low, Sweet ten AACM-Generation. Das abschliessende ”Is Be­ Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. So weit das Cadillac” anlehnt und mit dem Finale des Spirituals comes If” nimmt mit präparierten Instrumenten den Sprichwort. Allerdings ”fallen” Fest nicht einfach, ”Swing Low, Sweet Chariot” verschmolzen wird, ersten Track ”If Becomes Is” wieder auf und kittet sondern sie werden festgelegt – gerne auf runde demonstrieren die beiden eine selten verschworene mit seinem lyrisch gefärbten Reduktionismus die Jubiläen, die einem auf besonders einprägsame Einheit. ”Scherben und Konstellationen” (Albumtitel) stim­ Weise den Lauf der Zeit vergegenwärtigen. Ob sich Bei einer 2018 live am Lincoln Center präsentierten mig zusammen. Pirmin Bossart der hundertzehnte Geburtstag von Django Rein­ Urfassung dieses Projekts fiel diese Rolle Ambrose hardt (gest. 1953) als Jubiläum aufdrängt, bleibe Akinmusire zu, während an der Gitarre Bill Frisell dahingestellt. Er gab jedenfalls Anlass zum vor­ spielte. Letzterer wird hier durch den jungen liegenden Album von Josef ”Wauwau” Adler. Der Matthew Stevens ersetzt, der seine Qualitäten ins­ 1967 in Karlsruhe geborene Gitarrist, der aus einer besondere auf ”See Me Now” zur Geltung bringt. deutschen Sinti-Familie stammt, besitzt einen brei­ Die Rhythmus-Gruppe mit dem jungen Carmen ten musikalischen Horizont, der bis zum Jazzrock Rothwell und dem ewig jung gebliebenen Joey Ba­ reicht. Auf ”Happy Birthday Django 110” geht die ron zeigt nicht nur im von afro-kubanischen Rhyth­ Reise jedoch zurück zu den Wurzeln, zur Musik men geprägten ”Manteca” ihre Klasse, dies übri­ Django Reinhardts, und zwar zu dessen ”klassi­ gens wie ”Pickin’ the Cabbage” – geschrieben in scher” Phase (die Reinhardts Experimentieren mit der Zeit, als Dizzy in der Bigband von Cab Calloway J Z Replacement dem Bebop vorausging). Das Ergebnis ist eine ge­ war – ein direkt aus Gillespies Repertoire übernom­ Disrespectful diegene Produktion, traditionell in der Besetzung, mener Titel. Jamie Murray (dr), Zhenya Strigalev (as), traditionell im Repertoire (mit vier Reinhardt-Origi­ Diese Aufnahmen sind ein wunderbares Beispiel für Tim Lefebvre (el-b, effects) nalen), ja sogar traditionell im Sound. Dieser wird inspirierten Jazz – Atmosphäre! – und macht Lust (CD – Rainy Days Records) mittels einer historischen Gitarre und Retro-Mikro­ darauf, Gillespie selber wieder einmal aus dem Ar­ phonen erzeugt und rundet die Produktion klanglich chiv hervorzukramen. Ruedi Ankli ab. Was ist das Respektlose an dieser Musik, wie es der Adlers junger belgischer Geiger Alexandre Cavali­ Albumtitel suggerieren mag? Vielleicht, dass dieses ère erhielt einst Impulse des französischen Star-­ L aila Biali Trio leichtfüssig zwischen den Genres wildert, den Violinisten Didier Lockwood (1956–2018). Dieser Out of Dust Rockpuls liebt, die Improvisation, den freien Aus­ erscheint als Gast auf drei Titeln des Albums ”Gy­ Laila Biali (p, voc), Glenn Patscha (org), Rich Brown (el-b), bruch, die Punk-Frische, die gebrochenen Rhyth­ psy Today”, das unter dem Namen des Gitarristen George Koller (b), Larnell Lewis & Ben Wittman (dr), div. Bläser men, manchmal auch das Balkan-Folk-Melodische. Stochelo Rosenberg und des Pianisten Jermaine (CD – ACT/MV) Im engeren Jazzbereich könnte man diesen Sound Landsberger erschienen ist. Mit von der Partie ist u. irgendwo zwischen Ornette Coleman und John a. auch der Bassist Joel Locher, der auf der ein­ Zorn verorten. Aber respektlos ist diese Musik gangs angesprochenen Reinhardt-Hommage für Ihr zweites Album für das Label ACT ”Out of Dust” nicht, dafür ist sie bei all ihrem Draufgängertum das musikalische Fundament besorgt ist. Die Prota­ ist ein intimes vielschichtiges Portrait der über- (”Displacement A”, ”Bee Bee”) und rhythmischer gonisten auf ”GypsyToday” sind jedoch Rosenberg aus sensiblen Sängerin und Pianistin Laila Biali so­ Raffinesse (”Five Cymbals For Jamie”) zu überra­ und Landsberger, die variierenden Besetzungen wie die gekonnte Verarbeitung einer turbulenten schend und zu vielseitig, zu form- und strukturbe­ vorstehen. Der 1968 in den Niederlanden geborene Zeit. Die bald 40-jährige Kanadierin thematisiert wusst. Die Tracks wollen nicht dekonstruieren oder Gitarrist Rosenberg erhielt seinen Ritterschlag, als ­52 JAZZ

JNM_03_20_44-59_HB.indd 52 26.04.20 18:48 HÖRBAR er in jungen Jahren von Stéphane Grappelli mit auf Moment entstehen liess. Denn der gesamte Korpus Tournee genommen wurde. Der aus Niederbayern basiert auf wenigen Skizzen. Diese hat Kleiner am stammende Landsberger entstammt ebenfalls einer Flügel weiterentwickelt und schliesslich auf "Pia­ Sinti-Familie. Der Pianist hat sich früh gegenüber noskop" verewigt. Charakteristisch für diese Pro­ dem progressiveren Jazz geöffnet, und er war es duktion sind die markanten Wechsel zwischen auch, der Rosenbergs eigenen Worten zufolge die­ groovigen Passagen und besinnlichen Momenten. sen dazu ”getrieben” habe, ”viel moderner zu spie­ Alles in allem handelt es sich hierbei um eine ent­ len” als zuvor. Das Resultat lässt sich hören: ”Gypsy deckungswürdige Produktion, die keinem Schema Today” ist ein beschwingtes Modern-Jazz-Album, gerecht werden will. Und das ist gut so. T hundercat auf dem der ”jazz manouche” ”ideell” nach wie vor Luca D'Alessandro It Is What It Is mitklingt, das aber dem moderneren Mainstream Thundercat (voc, el-b), diverse Mitmusiker gegenüber sehr aufgeschlossen ist. Zwei Rein­ (CD, Vinyl – Ninja Tune/Phonag) hardt-Titel sind Teil eines Repertoires, das von Ei­ genkompositionen der beiden Leader geprägt ist. Einen noch weiteren thematischen Bogen, nämlich Thundercat, bürgerlich Stephen Lee Bruner, 35 von Chopin über die obligate Referenz Django Rein­ Jahre, virtuoser E-Bassist und vermehrt als Sänger hardt bis zu Michael Jackson und Amy Winehouse, mit markdurchdringender Kopfstimme, ist ein über­ spannt das Trio des 1992 in Stuttgart geborenen aus aktiver Musiker auf verschiedensten Hochzei­ Gitarristen Gismo Graf. Das vorliegende Album er­ ten. Neben zahlreichen Studiojobs spielte er auf innert an das zehnjährige Bestehen dieser Formati­ Jonatan Sariskoski Kendrick Lamars Meister-Album ”To Pimp a Butter­ on, der in unveränderter Originalbesetzung Gismos Search Party fly” sowie auf Kamasi Washingtons ”The Epic”. Auf eigener Vater Joschi Graf an der Rhythmusgitarre The Time is ripe seinem vierten Album ”It Is What It Is” verarbeitet und (einmal mehr) Joel Locher am Bass angehören. Tobias Pustelnik (ts), Timo Kämäräinen (g), Thilo Seevers (p), er biographische Ereignisse wie Liebe und Verlust Im Rahmen von Gastauftritten ist auch Gismos Vesa Ojaniemi (b), Jonatan Sarikoski (dr) (u. a. seines Rapper-Freundes Mac Miller) in Form Schwester Cheyenne zu hören, sodass die CD den (CD – Unit/Membran) von 15 meist kürzeren Songs/Kompositionen. Ein Charme einer Familienproduktion erhält. Auf dieser buntes – ab und an etwas beliebig anmutendes – wird den Hörerinnen und Hörern ein musikalisches Potpourri, tief verwurzelt im Funk und Soul der Wunschkonzert im Geiste Reinhardts geboten. Der 1990 in Helsinki geborene Drummer Jonatan 1970er, aber auch im Hip-Hop der Gegenwart, ge­ Georg Modestin Sarikoski ist seit 2017 in der Wiener Szene aktiv spickt mit virtuosen Bassfills à la . Im und gibt mit diesem Debutalbum eine hörenswer- Titelsong ”Black Qualls” sind mit dem 22-jährigen te Meditation über die Zeit ab. Der Titel macht es Gitarristen und Sänger Steve Lacy, dem singenden klar: Die Zeit ist reif für diese Jungs aus dem hohen Childish Gambino sowie mit der Funk-Ikone der Norden und aus Mitteleuropa, denn sie haben die Kultband Slave, dem 64-jährigen Drummer Steve Sprache(n) des Jazz auf bemerkenswerte Art ver­ Arrington, alle Generationen vertreten. innerlicht und verfügen darüber – wohlverstan- Silvano Luca Gerosa den, mit den Eigenkompositionen des finnischen Drummer-Leaders – mit einer gewissen Souveräni­ tät. Zwar scheinen sie im Auftakt (”A Duel for Dusk”) R oss McHenry noch mit dunklen Schatten – der Tradition? – zu Nothing Remains Unchanged kämpfen, meditieren dann aber fast schon senti­ Ross McHenry (el-b), Ben Wendel (s), Matthew Sheens (p), mental in einer melancholischen Ballade über die Eric Harland (dr) ”Early Days”, um schliesslich – immer noch eher im (CD – First World Records/Clandestine) Grauschleier der Nostalgie – den Zahn der Zeit an den Pranger zu stellen (”The Tooth of Time”). Dann folgt (endlich) rhythmischer Aufwind (”The Boost”). Wenn auch nur zu viert, wird hier gespielt mit der Nach einem weiteren melancholischen Rückblick Orgzeptor Absicht, den Raum zu füllen. Ross McHenry am (”These Peculiar Times”) und einer gelungenen Bal­ 1972 Bass führt seine Mitmusiker subtil durch seine lade (”Arturus”) kommt der Höhepunkt zuletzt: ”Ho­ Loris Nuzzi (g), Roberto Nuzzi (org), Walter Vitale (d) Kompositionen. Er leitet über sein Instrument und vering” überzeugt mit einem satten und kontinu­ (CD – FONTASTIX Swiss Music Distribution/orgzeptor.ch) in seiner Stimme gibt es auch dann viel zu entde­ ierlich gesteigerten Rhythmus, löst das Verspre­ cken, wenn sie im Mix nur dezent beigegeben ist. chen des CD-Titels definitiv ein und damit ein Ver­ Ben Wendel – vor Kurzem mit seinem Album "The sprechen für die Zukunft ab. Ruedi Ankli Das zweite Album dieses Schweizer Trios steht, wie Seasons", aber auch aus der Formation "Kneebo- bereits das Debutalbum ”Welcome”, ganz im Zei­ dy" und zahlreichen Kollaborationen in der West- chen der Hammond Orgel. Mit grosser Spielfreude Coast-DJ-Szene aufgefallen – ist der hervorragen­ tischen die drei ihrer Hörerschaft eine gelungene de Sideman und bekommt erwartet viel Platz im Mischung aus spritzigem Jazz, groovigem Blues Rampenlicht. Seine Klasse erfordert ebenbürtige und Old-School Funk auf. Das macht Appetit, zumal Mitstreiter und mit Matthew Sheens an den Tasten Gastmusiker wie die Sängerin Martina Notargia­ und Eric Harland an den Trommeln haben hier sol­ como oder der Saxophonist Pius Da Mutten für che zusammengefunden. Der Wahl-New-Yorker ­zusätzlichen Drive sorgen. So ist ”Don’t Change Sheen liefert quirlig sprudelnde Gegenthesen zu Horses in the Middle of a Stream” eine wunderbar Wendels lyrisch gebundenem Spiel. Harland kon­ kehlig vorgetragene Bluesnummer und der mehr­ trastiert auf rhythmische Weise, indem er in ruhi­ Y uri Honing Acoustic Quartet fach gecoverte Evergreen ”Sunny” kommt so ele­ gen Passagen leise und doch hektisch und in ra­ Bluebeard gant und beschwingt daher, dass man gerne ein­ santen Parts mit getragenen Grooves Gegensteuer Yuri Honing (s, voc), Wolfert Brederode (p, harmonium, vibes), stimmen würde. Der perfekte Soundtrack für die gibt. Neun ausschweifende Kompositionen, in de­ Gulli Gudmundsson (b), Joost Lijbaart (dr) kommenden Sommertage! Dorothea Gängel nen ein Höhepunkt durch den nächsten abgelöst (CD – Challenge Records Int) wird. Christof Thurnherr P aul Shaw Quintet Der Saxophonist Yuri Honing ist seit Jahrzehnten Moment of Clarity eine feste Grösse der holländischen Jazz-Szene. Alex Sipiagin (tp), Brad Shepik (g), Gary Versace (p), Seine klare musikalische Vision im eigenen Instru­ Drew Gress (b), Paul Shaw (dr) mental- und auch in seinem Bandsound bereichert (CD – Summit Records) die europäische Jazzlandschaft. Sein neues Album ist im Quartett eingespielt, und es ist mehr als apart, dass Wolfert Brederode sein Klangspektrum Nach einer längeren Karriere als Big-Band-Drum­ am Klavier noch um Harmonium und Vibraphone mer in verschiedenen amerikanischen Militärorches­ U lf Kleiner erweitert. Mit Schlagzeuger Joost Lijbaart und Bas­ tern stellt Schlagzeuger Paul Shaw erstmals eigene Pianoskop sist Gulli Gudmundsson spielt der Saxophonist Kompositionen vor. Sein Quintett ist mit klingenden Ulf Kleiner (p) ebenfalls schon lange. Das aktuelle Album beginnt Namen besetzt, die Musik bewegt sich in konventi­ (CD – Klangraum Records/Pool Music) mit ”Bluebeard Maze”, ein wolkenverhangenes, onellen Jazz-Gefilden zwischen sanft swingenden nebliges Labyrinth mit einem kleinen Streifen Licht Up-tempo-Nummern und balladeskeren Momenten am Horizont. Mit grossem Atem und noch grösse­ mit lyrisch-impressionistischen Melodien. Als Kom­ Der aus Bayreuth stammende Pianist und Fender- rem Ton am Tenorsaxophon spielt sich Honing ponist schaut Shaw auf eine ausgewogene Grund­ Rhodes-Experte Ulf Kleiner zog sich für dieses Pro­ durch die verschlungenen Wege und die Rhyth­ temperatur, in der ein entspanntes Interplay mit jekt in die Mainzer Filmmusikstudios "Klangraum" musgruppe schlägt harmonisch immer wieder an­ vielen kleinen Überraschungen und solistischen zurück, wo er in zwei Tagen und einer Nacht am dere interessante Wege ein. Ein atmosphärisch Höhenflügen gedeihen kann. Ein angenehmes Jazz- Flügel insgesamt 19 Klangfragmente, Melodiemus­ dichtes Album, das wie Filmmusik ohne Bilder album mit feinen Motiven und leichtfüssigen Varia­ ter und Collagen einspielte. Oder besser gesagt: im funktioniert. Angela Ballhorn tionen. Pirmin Bossart ­53 JAZZ

JNM_03_20_44-59_HB.indd 53 26.04.20 18:48 HÖRBAR tuation in groovenden Jazz hinüberrutschen. Und Jazz'n'more-tipp die Orchestermusiker sind den Passagen mit kom­ plexer Jazzrhythmik absolut gewachsen. Ein Film­ musikhaftes, ständiges Hin und Her und Mit-, Durch- und Gegeneinander mit wechselnden Soli, Farben, Formen und Rhythmen. Auf die Dauer ver­ misst man höchstens eine Mitte, eine Achse. Jürg Solothurnmann R aul Midón The Mirror Raul Midón (g), Richard Hammons (b), Andres Forero (dr), Joe Locke (vibes), John di Martino (p), Boris Kozlov (b), Vincent Cherico (dr), Gary Alesbrook (tp) (CD – Mack Avenue/MV)

C hristy Doran's Für seine letzten beiden Alben ”Bad Ass & Blind” Sound Fountain (2017) und ”If You Really Want” (2018) wurde Raul Lift the Bar Midón für einen Grammy in der Kategorie ”best vo­ Jacky Terrasson Christy Doran (el-g, comp), Franco Fontanarrosa (el-b, comp), cal jazz album” nominiert. Auf seinem elften Album 53 Lukas Mantel (dr, perc) ”The Mirror” bewegt sich der blinde Singe-Song­ Jacky Terrasson (p), Ali Jackson (dr), Gregory Hutchinson (dr), (CD – Between the Lines/New Arts International) writer und Gitarrist aus New Mexico elegant in den Sylvain Romano (b), Géraud Portal (el-b, b) etc. Gefilden zwischen Soul, Folk, Jazz und Funk. Das (CD – Blue Note/Universal) Album wird eröffnet mit einem entspannten tropi- Für ehemalige Mitmusiker Christy Dorans mag das cal Bossa-nova-Groove, fliessenden Gitarrenlinien, etwas bitter klingen, doch im Pressetext zu seinem Gesang und den Backgroundstimmen von Lauren Der französisch-amerikanische Jazzpianist Jacques- neusten Album sagt er es deutlich: Er ist froh, mit Kinhan und Janis Sigel (Manhattan Transfer). Mi­ Laurent Terrasson, besser bekannt als Jacky Terras­ der ”New Bag”-Band und anderen Ensembles abge­ dón hat eine sanfte und eher dunkle Stimme, die er son, hat das aktuell vorliegende Album "53" im schlossen zu haben und sich endlich nur noch auf auch in zwei Spoken-Word-Stücken einsetzt. Ein Laufe seines 53. Lebensjahres komponiert und mit die Band konzentrieren zu können, die ihm mehr feiner Höhepunkt ist der Titelsong ”The Mirror” mit drei unterschiedlichen Trios eingespielt. Entspre­ bedeutet als alle früheren, nämlich sein Trio ”Sound seinem soften Latin-Funk, der Midóns tadelloses chend abwechslungsreich kommen die 16 Titel da­ Fountain”. Letztes Jahr 70 geworden, ist Doran die Gitarrenhandwerk hören lässt. Sein Spiel kommt her: Während die einen einen Bossa-Einschlag ha­ Lebenszeit kostbar geworden und er hebt die Mess­ auch auf der akustischen Jazz-Folk-Ballade ”Deep ben, sind andere eher balladesk aufgebaut. Dritte latte noch einmal an. ”Lift the bar”, so verlangt er Dry Ocean” gut zur Geltung, die er mit dem Pianis­ wiederum sind Terrassons Idolen nachempfunden. auch im Albumtitel. Der Verdienste von Dorans frü­ ten Gerald Clayton geschrieben hat. Eine milde In "Kiss Jannett For Me" wird Keith Jarrett und im heren Projekten ungeachtet, ist seine Konzentration Aura liegt über den zehn Tracks des Albums. Nichts Opener "The Call" dem Pittsburger Jazzpianisten auf das Trio mit Lukas Mantel und Franco Fon­ wird forciert, der Pegel der Dynamik ist ruhig. Den­ Ahmad Jamal Respekt gezollt. Die Erfahrung, die tanarrosa ein Glücksfall. Nach sechs Jahren konti­ noch ist eine feine Musikalität zu hören, die sich in Terrasson in seinen Jahrzehnten auf den Jazzbüh­ nuierlichen Zusammenspiels ist das Ensemble her­ den lyrischen Soul-Jazz-Stücken am besten ent­ nen erlangt hat, ist in jeder Note spürbar. Wer "53" vorragend abgestimmt. Jeder Akzent noch in der falten kann. Midón spielt mit sanfter Leidenschaft hört, muss auf die Flexibilität des Pianisten gefasst rasendsten Passage wird von Bass und Schlagzeug und versteht es, seine Songs mit lyrischen Schat­ sein und sich von ihr mitreissen lassen. Die spiele­ präzis mitgespielt und dynamisch verstärkt. Das tierungen auszukosten. Pirmin Bossart rische Dynamik und die Improvisationskraft, ja, der Trio ist eine schlagkräftige, scheinbar intuitiv inter­ Wille, all das auskosten zu können, was der Jazz agierende Interpretationsmaschine für Dorans Kom- naturgemäss bietet, ist riesig. Und gerade dieser positionen. Diese machen vor Rock und Metal Forscherdrang kommt dem Konzept "53" zugute. ebensowenig halt wie vor freier Improvisation und Ein tolles Album, das – wie der Grossteil Terrassons Geräusch. Oft geradezu brachial röhrend und don­ Vorgängeralben – bei Blue Note erschienen ist. nernd, ist der vorwärtstreibende Groove gerne Luca D'Alessandro durch rhythmische Verzwicktheiten gebrochen, in einer wunderbaren Balance von wild und gezähmt, von geradlinig und kompliziert. ”Sound Fountain”, Christy Dorans Klangquelle, sprudelt lustvoll und ideenreich und schafft tatsächlich das Kunststück, Marius Neset/ sich noch mal selbst zu übertreffen. Florian Bissig Viaduct Marius Neset (ts, ss, comp), Ivo Neame (p), Jim Hart (vib, mar, perc), Petter Eldg (b), Anton Eger (dr, Perc), Geoffrey Paterson (cond) (CD – ACT/MV) C harlie Porter Immigration Nation Charlie Porter (tp), Nick Biello (ts), Oscar Perez (p), Gunther Schullers einstige Vision eines ”Third David Wong (b), Kenneth Salters (dr), Sabine Kabongo (voc) Stream” zwischen Jazz und Klassik ist für heutige (CD, Vinyl – OA2 Records/New Arts International) Musiker*Innen fast normal geworden. Und sei‘s, dass man sich daran gewöhnt hat oder dass die Woodwille3 Repräsentanten dieser Tendenz informierter und Charlie Porters ”Immigration Nation” ist eine zwei­ A-Live geübter geworden sind, die anfänglich auffallenden teilige Hardbop-Suite mit politischer Message im Will Wood (p), Timmy Leiser (dr), Hannes Fankhauser (b) ungelenken Brüche und Reibungen der frühen Stile Wynton Marsalis. In den zwölf Eigenkompo­ (2 CDs – Unit/Membran) Third-Stream-Projekte sind in heutigen Werken je­ sitionen zelebriert er Amerikas Tradition als eine denfalls nicht mehr spürbar. Postmoderne Kompo­ Nation von Immigranten. Die Frontline besteht aus sition und Jazz haben sich klanglich und formal Porter mit seinem warmen, vollen Trompetensound Ein Live-Album einzuspielen, zeugt von grossem kreuzweise beeinflusst und kommen mit der jeweils und dem feurigen Altsaxer Nick Biello, der hier erst­ Selbstbewusstsein, denn es kann kaum etwas korri­ anderen Mentalität grundsätzlich zurecht. Aber mals auf dem Tenorsaxophon zu hören ist. Die Me­ giert oder verbessert werden. Das Klaviertrio um trotzdem: Der musikalisch zweisprachige Norweger lodielinien besitzen einen New-Orleans-Charakter den Pianisten Will Wood wollte die besondere Ener­ Marius Neset ist ein Ausnahmetalent. Der 34-jähri­ und werden unterstützt durch dunkle Piano/Bass- gie einfangen, die Konzerte vor Publikum bieten. ge Saxophonist mit Einflüssen von Brecker bis Ostinati und polyrhythmische Grooves von Drum­ Damit ist der Aufbau der Spannungsbögen auch Shorter glänzt nicht nur als eloquenter Jazzsolist. mer Salters. Porters Kompositionen sind kraftvolle anders als im Studio, live kann sich die Band mehr Mit einem klassische Kompositionsstudium zeigt er und eingängige Vehikel für solistische Höhenflüge Zeit lassen, und die Solospots sind meist länger als ebenfalls in diesem Stil eine beachtliche Gewandt­ wie auf ”Flight” oder ”The Privileged Few”. Porter, auf Studioalben. Will Wood hat sich für seine CD heit. Seinen zehnteiligen Brückenschlag ”Viaduct” der sowohl in Klassik als auch Jazz ausgebildet und ”A-Live” eine gute Mischung aus Jazzstandards wie – eine enge Kombination oder Verschmelzung ver­ preisgekrönt ist, vereint Einflüsse aus Swing, Jazz, ”Nardis”, ”Nature Boy” oder ”In Walked Bud” und schiedenster Stileinflüsse – hat er mit seinem nor­ Funk, New Orleans, Afro-Kuba und Klassik. Für die eigenen Stücken gewählt. Dem viel zu selten ge­ wegisch-britischen Quintett und der 19-köpfigen Abschlussnummer ”Chant” hat Porter Social-Me­ spielten Monk-Stück wurde ein schickes Latin-Ar­ London Sinfonietta aufgenommen. Da hört man al­ dia-Beiträge von Musikern aus der ganzen Welt zu rangement verpasst, das gut losgeht. Will Wood, lerlei modern-klassische Einflüsse heraus wie Neo­ einer Song-Collage zusammengetragen. Ein tolles Timmy Leiser und Hannes Fankhauser ist die Freu­ romantik, Ives, Stravinsky, Bartók und Messiaen. Album mit Message und Konzept, und inspirierten de am Zusammenspiel und der Spass an den Publi­ Auffällig ist, wie gut die Jazzmusiker sich als Solis­ Solobeiträgen aller Musiker. kumsreaktionen anzuhören. Ein Live-Album war ten ohne Identitätsverlust in dieses Divertimento Phil Stöckli hier definitiv die richtige Wahl! Angela Ballhorn einfügen und etwa aus einer total romantischen Si­ ­54 JAZZ

JNM_03_20_44-59_HB.indd 54 26.04.20 18:48 HÖRBAR

Joe Rosenberg Ensemble Malia Jean-Philippe Bordier 4tet Marshland The Garden of Eve 4 is More Joe Rosenberg (ss), Bart Maris (tp, flh), Daniel Erdmann (ts, ss), Malia (voc), Tommy Baldu (d, perc), Lars Cölln (b, g), Jean-Philippe Bordier (g), Guillaume Naud (organ), Arnault Cuisinier (b), Edward Perraud (dr) Nils Kötting (p, wurlitzer, organ), Joo Kraus (t), Pascal Bivalski (vibes), Andreas Neubauer (dr) (CD – Quark Records) Reiner ”Kallas” Hubert (d), Edward Maclean (b) (CD – Black & Blue BB 1089 2/fnac.com) (CD – MPS/Edel:Kultur)

Cool, aber risikofreudig. Der Bostoner Sopransaxo­ Erst Anfang 2020 war das Quartett des französi­ phonist Rosenberg (*1955) lebt seit den 1990er- Die in Malawi geborene Sängerin Malia zog mit 14 schen Gitarristen Philippe Bordier in Deutschland Jahren vorwiegend in Südostasien und in Paris und Jahren nach London und ist seither in Europa zu und den angrenzenden Ländern auf Tournee, bevor jede seiner CDs ist anders. Hier erweitert er sein Hause. 2013 gewann sie als ”Internationale Sänge­ Covid-19 auch seine Konzerte abrupt stoppte. Da­ Trio mit zwei Bläsern. Klanglich dem Westcost Jazz rin des Jahres” den ECHO Jazz Award mit ihrer für gibt es aber eine ganz neue CD auf dem franzö­ verpflichtet und verwandt mit Persönlichkeiten wie Hommage an Nina Simones ”Black Orchid”. Nun sischen Traditionslabel Black & Blue mit dem Titel John Carter und Bill Dixon, vertritt er gestalterisch liegt ihr achtes Album vor und beim ersten Reinhö­ ”4 is More”, aufgenommen im April 2019. Und die­ und emotional eine kammermusikalische Position ren fallen zwei Dinge auf: Malias grandiose, kraft­ se CD präsentiert das, was das Quartett im Beson­ zwischen Tonalität und Pantonalität und mit ge­ volle Stimme und ihre unglaubliche Vielseitigkeit. deren auszeichnet: Swing, Latin-Sounds, Blues, schriebenem und improvisiertem Kontrapunkt. Die Düster und doch optimistisch beginnt das Album Balladen und Funk, also Musik, die nicht von unge­ CD gewinnt Geschlossenheit, indem Rosenberg die mit ”Hope”. Malia hat in ihrem Leben bereits so ei­ fähr an die Gitarre-Orgel-Combos der 1960er-Jah­ zwei Themen ”Marshland” und ”La Danse” je in drei nige Schwierigkeiten gemeistert. Das hat sie stark re erinnert, als solche Grössen wie Wes Montgo­ sehr verschiedenen Verarbeitungen präsentiert. Nach gemacht. Manches verarbeitet sie in ”The Garden mery oder George Benson mit enorm swingenden Anfängen mit gedämpften ausgehaltenen Clustern, of Eve”. So die Auseinandersetzung mit dem Tod und groovenden Aufnahmen reüssierten und damit Loops oder vibrierenden Klangflächen entwickelt anlässlich einer Brustkrebsdiagnose vor drei Jah­ einen Boom auslösten, der viele Jahre anhalten sich ein kollektives Geflecht von Linien mit ähnli­ ren. ”Death”, eine beschwingte Bluesnummer, ist sollte. Bereits seit drei Jahrzehnten ist der Ausnah­ chem Charakter wie Jimmy Giuffres freie Aufnah­ eine Zwiesprache mit dem Tod, aus der die Prota­ megitarrist Jean-Philippe Bordier, der in Paris lebt, men. Der lebhafte Sopransaxophon-Ausbruch in gonistin als Siegerin hervorgeht. Nein, sie fürchtet unterwegs und huldigt den Klängen dieser Zeit. ”Funazushi” erinnert an Eric Dolphy, einen anderen ihn nicht, den Tod, wiederholt Malia mehrfach. Mit Dazu hat der auf seiner klassischen Jazzgitarre Einfluss. Ein Höhepunkt ist eine verwickelte Impro­ zwei Ausnahmen besteht das Album aus Eigen­ leichthändig grandios improvisierende Bordier visation der zwei Sopransaxophone. Manchmal kompositionen. ”The Thrill Is Gone” von B.B. King auch die passenden musikalischen Mitstreiter ge­ mehrteilig haben alle acht Stücke eine klare Linie ist ein Klassiker des elektrischen Blues, an den sich funden: den Orgelvirtuosen Guillaume Naud, den und bleiben transparent, sogar wenn mehrere zu­ nur wagt, wer diesen sowohl versteht wie auch be­ Vibraphonisten Pascal Bivalski und den Schlagzeu­ sammen improvisieren. Backgrounds hinter den herrscht. Dem Song ”Love in Vain”, der in der Versi­ ger Andreas Neubauer. Alle zwölf Tracks der CD Solisten leiten über zum nächsten Teil oder zum on der Rolling Stones Bekanntheit erlangte, nimmt stammen aus der Feder von Bordier, der zusammen Schluss. Besonders in den beiden letzten Tracks Malia einiges an Melancholie. Mit ihrer emanzi­ mit seinen Partnern über eine Stunde lang dermas- dominieren lange mehrstimmige Arrangements. pierten und kraftvollen Ausdrucksweise versehen, sen groovt und swingt, dass es eine helle Freude ist Relaxed sorgen Cuisinier und Perraud für ein soli­ klingt dieser alte Schmachtfetzen wohltuend ent­ und die Füsse nicht zur Ruhe kommen lässt. Wie des Fundament, und der Bassist engagiert sich staubt. Ein wunderbares Werk, das erfrischend in heisst es so treffend am Ende der Liner-Notes: ”4 is auch solistisch. Jürg Solothurnmann unsere Zeit passt. Dorothea Gängel More” est un Must”. Michael van Gee

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Wolfgang Muthspiel Scott Colley Brian Blade AVISHAI COHEN BIG VICIOUS ECM Angular Blues

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Wolfgang Muthspiel Avishai Cohen Angular Blues Big Vicious Scott Colley / Brian Blade Avishai Cohen: trumpet, synthesizer Wolfgang Muthspiel: guitar Uzi Ramirez: guitar Scott Colley: double bass Jonathan Albalak: guitar, bass Brian Blade: drums Aviv Cohen: drums ECM 2655 CD / LP Ziv Ravitz: drums, live sampling ECM 2680 CD / LP

Distribution Schweiz: Musikvertrieb Record Division ECM Newsletter Schweiz über ecm@musikvertrieb÷ch www÷ecmrecords÷com

JNM_03_20_44-59_HB.indd 55 26.04.20 18:48 HÖRBAR O liver Schwerdt dem in Zürich lebenden Bratschisten Frantz Loriot Storming Bauhaus Jazz'n'more-tipp kreiert auf sieben Tracks ein Kontinuum von faszi­ Oliver Schwerdt (p) nierenden Klangverwebungen und Sound-Attacken. (CD – Euphorium/euphorium.de) Unzählige Mikropartikel und Fraktalbewegungen schwirren im freien Raum und werden mal impul­ siver, mal besonnener zu Klang-Ereignissen gebün­ Diese Doppel-CD ist schwere Kost, auf die sich der delt, die tiefe Gänge in das Erdinnere musikalischer Zuhörer richtig einlassen muss. Auf gar keinen Fall Vorstellungen bohren und die nackte Schönheit im­ zum nebenher Hören geeignet ist das Tastenfeuer­ provisierter Musik immer wieder neu ans Tageslicht werk von Oliver Schwerdt, der das 100. Baumusik- fördern. Manchmal lassen es die Instrumentalisten Jubiläum im letzten Jahr als Anlass zu einem gross schlummern und murmeln, bis sich das kollektive angelegten CD-Projekt genommen hat. Aufgenom­ Magma wieder regt und die entfachte Energie men wurden die zwei langen Sets stilecht im Bau­ Schlünde öffnet und rauere Interaktionen beflügelt. haus in Dessau. Oliver Schwerdt ist Musikwissen­ Musik für übermorgen, wenn die Alarmbereitschaft schaftler und Musiker im Bereich der Neuen Musik, für den Ernstfall zum courant/corona normal ge­ seine Vortragsreihen beschäftigen sich vor allem G il Scott-Heron worden ist. Pirmin Bossart mit Free Jazz und aktuell auch mit der Verbindung I'm New Here – von Jazz und dem Bauhaus. Er hat sich an seinem 10th Anniversary Expanded Edition musikalischen Ziehvater Günter ”Baby” Sommer (CD – XL Recordings/xlrecordings.com) und dessen ”Storming of the Winter Palace” orien­ tiert und seine ganz persönliche Version des Erstür­ mens des Bauhauses aufgenommen. Kräftezehrend Bei der ursprünglichen Veröffentlichung vor zehn ist es, dem Spannungsbogen über zweimal eine Jahren wurde "I'm New Here" nicht nur positiv auf­ volle Stunde zu folgen. Schön, dass zwischen allem genommen. Es sei mit knapp 30 Minuten kaum ein rhythmischen Aufbäumen auch Momente der Be­ vollwertiges Album, musikalisch zu heterogen und sinnung und luftige Passagen sind. Etwas für Bau­ Scott-Herons Stimme nur noch ein Schatten ihrer haus-Fans und Freunde des Free Jazz! selbst. Tatsächlich war der gerade mal gut 60-jäh­ N oah Kaplan Quartet Angela Ballhorn rige Poet von langjähriger Drogensucht, mehreren Out Of The Hole Anstaltsaufenthalten und seiner AIDS-Erkrankung Noah Kaplan (ts, ss), Joe Morris (g), Giacomo Merega (b), hörbar gezeichnet, als er sich nach mehr als 15 Jason Nazary (dr, electronics) Avishai Cohen Jahren noch einmal vor das Mikrophon setzte. (CD – ezz-thetics 1017/Musikontakt/NRWVertrieb) Big Vicious Doch aller hartnäckiger Vorbehalte zum Trotz be­ Avishai Cohen (tp, effects, synth), Uzi Ramirez (g), Yonatan gann sich bereits kurz nach dem Erscheinen der Albalak (g, b), Aviv Cohen (dr), Ziv Ravitz (dr, live samples) Aufnahmen die langfristige Wirkung des Albums Mit diesen Aufnahmen von 2012 vervollständigt (CD – ECM/MV) rasch zu entfalten. 2011 widmete der Londoner Pro- sich die Trilogie dieses Quartetts. 2012 war ”De­ duzent Jamie xx den neuen Tracks das eigene Re­ scendent” erschienen (aufgenommen 2008), 2017 mix-Album "We're New Here". 2015 erschien dann ”Cluster Swerve” (aufgenommen 2011), beide Wie bringt man die elementare Energie von Punk, mit "Nothing New" eine Art Making-of mit rührend noch auf hatOLOGY. Der kalifornische Saxophonist New Wave oder Elektrorock mit Beethovens ”Mond­ intimen Neuaufnahmen aus seinem grossen Reper­ durchlief mit 18 Jahren die mikrotonale Schulung schein-Sonate” zusammen? Eine Antwort auf diese toire, die Scott-Heron alleine – nur Stimme und Pi­ von Mat Maneri. An der Seite des 1984 geborenen Frage bringt das neu formierte Quintett Big Vicious ano – ebenfalls 2010 im Studio aufgezeichnet hat­ Saxophonisten wirkt Joe Morris, ein langjähriger des Trompeters Avishai Cohen. Von der Besetzung te. Gleichzeitig mit der aktuellen Reissue wurden Partner Maneris, wie der grosse Bruder der drei her erinnert das Quintett mit alten Freunden aus Tel die Stücke von Makay McCraven auf "We're New jüngeren Musiker. Aviv an Paolo Fresus Devil Quartet. Der Unterschied Again" re-imaginiert. Die grosse Aufmerksamkeit, Die erst im Nachhinein gesetzten Titel der Kompo­ ist die Besetzung gleich mit zwei Drummern und die Scott-Herons Spätwerk zukommt, ist Beleg da­ sitionen Kaplans dienen eher zum Nachdenken, wie einem Bassisten, der auch als Gitarrist in Erschei­ für, dass Scott-Herons Stimme auch kurz vor sei­ ”Aprosexia”, das laut den Liner Notes von Art Lan- nung tritt. ”Vicious” (”bösartig”) steht hier nicht für nem frühen Tod 2011 noch immer die Kraft seiner ge für die Schwierigkeit steht, sich auf ein einzi- ein Pendant zu den entfesselten Teufeln Fresus, ersten Alben in den frühen 1970er-Jahren hatte. ges Objekt zu konzentrieren. Mit solch metaphysi­ sondern eher für einen sphärischen Trip, dessen Der Opener "Broken Home" ist ein Höhepunkt der scher Spielerei auf den Spuren Epikurs hielt Kaplan Vorzüge im Detail liegen. Aus einem homogen ge­ sprachlichen Gewalt, mit der er sein eigenes Leben unsere auditive und intellektuelle Wahrnehmung stalteten Dark-Sound mit Groove-Appeal sticht Co­ – und das vieler seiner Landsleute – beschrieb. schon auf ”Cluster Swerve” tüchtig auf Trab. Hier hens klare Trompete wie eine lichtbringende Stim­ Stücke wie "New York Is Killing Me" zeugt von der geht es jedoch ums konzentrierte Zuhören bei ei­ me hervor. Leider überwiegt in der zweiten Hälfte Tiefgründigkeit seines Humors, mit dem er der Bit­ nem feinsinnig gesponnenen Prozess. Die vier Mu­ des Albums ein Hang zu gepflegter Langeweile. terkeit seines Lebens begegnete. Auf "Me And the siker bilden trotz manchmal kontrastiv divergieren­ Ruedi Ankli Devil" stellt er noch einmal sein Feingefühl unter den Ideen immer ein Kollektiv, das zwar seine Fahrt­ Beweis, mit dem er seiner Poesie ein musikalisches richtung kennt, dabei aber gerne Umwege macht. In Gewand gab und das so eindrückliche Klassiker einem spannungsvollen Interplay halten sich wan­ G régoire Maret wie "The Revolution Will Not Be Televised" in der delnde Strukturen und satte Improvisationen die Americana Ur-Version von 1970 oder "Work For Peace" von Waage. Grégoire Maret (harm), Romain Collin (p, Moog Taurus, pump 1994 hervorbrachte. Und nicht zuletzt ist gerade Seit 2012 hat Kaplan Kompositionen für ein Strei­ organ, add eff), Bill Frisell (g, banjo), Clarence Penn (dr) die Brüchigkeit seiner Darbietung das deutlichste cherquartett, ein Orchester und sogar eine Oper (CD – ACT/MV) Zeugnis für den Ernst der Themen, die Scott-Heron geschrieben. Vielleicht wird diese CD dazu beitra­ in Worte fasst und zum Klingen bringt. gen, die Aufmerksamkeit für diesen vielseitig be­ Die Reissue enthält die Bonus-Tracks der ursprüng­ gabten Musiker auch in Europa zu erhöhen. ”Americana ist auch eine Bezeichnung für einen von lichen Special-Edition-Vinyl-Ausgabe von 2010 Ruedi Ankli der Folk-, Blues-, Rhythm-and-Blues- und Country­ plus die zwei bisher unveröffentlichten Aufnahmen musik abgeleiteten Musikstil, der teils auch thema­ "Handsome Johnny" und "King Henry". Mehr Grün­ tisch die US-amerikanischen Überlieferungen und de, sich dem Werk Scott-Herons wieder einmal zu Traditionen aufgreift.” (Wikipedia) Seltsamerweise widmen, braucht es wohl nicht. Christof Thurnherr beginnt dieses Album mit ”Brothers In Arms”, einst ein Welthit der britischen Band Dire Straits. Der in Genf aufgewachsene Mundharmonicaspieler Maret mit (afro-)amerikanischen Wurzeln lebt seit gut 20 Jahren in New York, wo er Freunde von Rang und Namen hat, wie etwa Bill Frisell, der sich in den G ordon Grdina Septet letzten Jahren akribisch mit den ländlichen Roots Resist der USA auseinandergesetzt hat. Den beiden ge­ Gordon Grdina (g, oud), Jon Irabagon (ts. ss), Jesse Zubot (v), lingt der perfekte Coup eines Slow-Motion-Sound­ Eyvind Kang (vla) Peggy Lee (vc), Tommy Babin (b), tracks im Zeitalter des Corona-Virus. Der in extre­ Kenton Loewen (dr) mer Zeitlupe zerdehnte Song ”Witchita Lineman” E rb Loriot Morishige (CD – Irabagon Records) von Jimmy Webb gibt ein Bild davon, was ge­ Dry schieht, wenn man Reibung und rhythmische Her­ Christoph Erb (ts, ss), Frantz Loriot (vla), Yasumune Morishige (vc) ausforderung ganz aus seinem musikalischen Vo­ (CD – Veto Records/veto-records.ch) Nachdenkliche Musik des Widerstands aus Van­ kabular gestrichen hat. Dass es auch anders sein couver. Wenn der neulich erschienene Trio-Release könnte, zeigt Marets Eigenkomposition ”The Sail”, ”Nomad” des 43-jährigen Gordon Grdinas (vgl. in dem der wahre Star dieses Albums, der franzö­ Eine weitere Scheibe purer Improvisation legt Sa­ JNM 2/2020) permanent dicht und fast brachial sische Multiinstrumentalist Romain Collin, seine xophonist und Labelbetreiber (Veto Records) Chris­ daherkommt, so tönt die 2017 aufgenommene Visitenkarte ablegt. Ruedi Ankli toph Erb vor. Das auch tourerprobte Trio mit dem Septett-CD beträchtlich anders. ”Resist” ist Grdi­ japanischen Cellisten Yasumune Morishige und nas erstes langes Werk, postmodern und durch­ ­56 JAZZ

JNM_03_20_44-59_HB.indd 56 26.04.20 18:48 HÖRBAR komponiert. Sounds und Techniken der vier Streich­- könnte, sind Reibungsflächen, die über den Aufbau nicht in seiner ”kanonischen” Ausprägung, wie sie ins­trumente entstammen moderner und moderns­ einer Climax – wie etwa in ”Ohne Tole” – hinaus- etwa von den verschiedenen Ausgaben der Light­ ter, auch aleatorischer Kammermusik, während weisen. Wohlverstanden, es ist ein ästhetisch ge­ house All Stars geprägt worden ist, sondern in der Grdina und besonders der Supertechniker Jon lungenes Album, technisch auf beachtlichem Ni­ von einem Jimmy Giuffre vermittelten unkonven­ ­Irabagon eine exzessiv improvisatorische Position veau, mit einem glasklaren Klang und durchaus tionellen Form. Von Jimmy Giuffre, der vom soge­ einnehmen – zwischen leise nuschelnden freien ­homogen im Stil. Die acht Eigenkompositionen bö­ nannten West Coast Jazz zu freieren Ausdruckswei­ Sounds und fetzendem Free Bop. Die fünf verschie­ ten sich als potenzielle Soundtracks an. Den letzten sen vorgestossen ist, stammt denn auch der ”New den langen Sätze unterscheiden sich nicht nur un­ Titel, ”Scenarios”, verstehe ich diesbezüglich als York Blues”, der von Koglmann neu arrangiert wor­ tereinander, auch ihre Binnenstrukturen sind kon­ Fingerzeig. Ruedi Ankli den ist. Dasselbe hat er mit ”The Wind” des Pia­ trastreich. Das 23-minütige ”Resist” beginnt getra­ nisten Russ Freeman und mit dem Jazzstandard gen mit einer Cello-Kantilene, der sich die anderen ”East of the Sun” getan, der die Hinterlassenschaft Streicher anschliessen. Dann entfesselt sich ein des im Oktober 1937 vier Tage vor seinem 24. Ge­ Tutti mit elektrischer Gitarre mit einem aufstamp­ burtstag tödlich verunfallten Brooks Bowman ist. fenden chromatischen Marsch. Darüber schraubt Das restliche Repertoire besteht aus Originalkom­ sich das Tenorsaxophon hoch in eine notenreiche positionen der beiden Leader, die für ihre bemer­ Improvisation. Nach einer Beruhigung folgt ein lan­ kenswerte Produktion eine Topbesetzung aufbieten ges arabisch beeinflusstes Unisono von Oud und konnten. Georg Modestin Bratsche, an welches das Ensemble ein langes Free-Jazz-artiges schnatterndes Crescendo an­ setzt. Nach einem abrupten Absturz in fast totale Z ack Clarke Trio Stille steigt eine lange dunkle Melodie herauf, zu Vertical Shores der sich allmählich polyphone Zusatzstimmen ge­ Zack Clarke (p), Kim Cass (b), Dre Hocevar (dr) sellen. Die darübergelegte Improvisation Irabagons (CD – Clean Feed/cleenfeed-records.com) klingt wie elektronische Musik. Nach einem Ab­ bruch bleibt nur ein kurzer düsterer Ausklang des Kontrabasses. Quer und klug. Der texanische Pianist und Kompo­ Grdinas Multistilistik steht im Dienst der starken nist Zack Clarke befasst sich mit Interaktionen von Dramatik und wirkt nie beliebig. Und die verschie­ (Free) Jazz mit Neuer Musik. Doch vielseitig infor­ Seh ms Bendali Quintet denartigen Improvisationen haben immer einen miert, zitiert er die Konventionen nie, sondern ver­ Choukheads ­Bezug zur Komposition – vertiefend, erweiternd schmilzt und manipuliert Stile und Formen kreativ. Shems Bendali (tr), Arthur Donnot (ts), Andrew Audiger (p), und auch opponierend. Mit ”Ever Onward” – einem Nach seinen elektroakustischen Projekten ist diese Yves Marcotte (b), Marton Kiss (dr), Jean-Lou Treboux (vibes) orientalisch-balkanischen Dialog von Zubot und Trio-CD wieder akustisch. Damit steuert er mit sei­ (CD, DL – Eigenvertrieb/shemsbendali.com) Kang und einer transparenten Kollektivimprovisa­ ner bewährten Formation zu neuen Ufern und ver­ tion klingt die CD aus. Jürg Solothurnmann teilt die Rollen oft auf ungewohnte Weise. Wich­ tigste Inspiration sind die Trios von Bill Evans und Beeindruckend, was der 22-jährige Lausanner Trom­ Paul Bley. Clarke beansprucht die alleinige Autoren­ peter, Komponist und Bandleader Shems Bendali schaft, aber was und wie viel komponiert ist, bleibt auf dem ersten Album mit seinem Quintett präsen­ verborgen. Man vermutet eher freie Diskurse, wobei tiert. Überraschend kommt es zwar nicht, kam er der spezifische Flow wichtig ist und dem Ganzen doch 2018 bis ins Finale des ZKB Jazzpreises und auch Jazzcharakter gibt. Fast alle der neun Ereig­ erhielt den ”Mentoring Jazz Prize” am Cully Jazz nisse beginnen und enden skizzenhaft, im Vorder­ Festival verliehen. Natürlich schwebt hier über al­ grund steht das lebendige Teamwork mit dem Be­ lem die Ehrfurcht gegenüber dem grossen Miles streben, aus auftauchenden kleinen Einfällen wech­ Davis Quintet, doch Bendali hat die Grossen seiner selnde Strömungen zu gestalten – ähnlich wie etwa Zunft alle intensiv studiert – von Clifford Brown bis N igel Hitchcock bei den australischen ”The Necks”, aber weniger hin zu Ambrose Akinmusire und . Hitchgnosis beharrlich. Mit Akzent auf den entstehenden Moods Das Resultat ist betörend – zu gleichen Teilen reif (as, ss), (el-b), gibt es kaum thematische Entwicklungen. Clarke und unverbraucht. Die Kompositionen sind klar Miles Bould (perc), Chris Dagley (dr), Hitchgnosis Orchestra füttert den Prozess laufend mit unterschiedlichen strukturiert und doch nach allen Seiten offen, so­ (CD – Eight Inch Clock) Clustern und repetierten chromatischen Figuren, dass seine Mitstreiter immer genug Luft zum At­ die oft irregulär durchsetzt sind mit kleinen Unter­ men haben. So integriert sich auch Vibraphonist brüchen. Ebenso wichtig ist der virtuose LaFaro-­ Jean-Lou Treboux auf zwei Stücken wie selbstver­ Der grossartige Saxophonist Nigel Hitchcock hat artige Kontrabass, immer in Interaktion mit dem ständlich ins Kollektiv. Trotz des weiten Spektrums sich bei seinem fünfjährigen Aufenthalt auf der Isle Klavier, hochtönig und oft gar initiativer als dieses. an (sanft hörbaren) stilistischen Einflüssen, bleibt Of Skye von der dortigen Landschaft inspirieren Dabei mutiert der polyrhythmische Zeitfluss stän­ das Quintett den Traditionen treu. Hier wird inner­ lassen. Auf seinem (erst) dritten Album unter eige­ dig – mal schwappend und sprunghaft, mal vor­ halb eines klar abgesteckten Rahmens experimen­ nem Namen mischt der Alt- und Sopransaxopho­ wärtsschiessend. Der Schlagzeuger konzentriert tiert, um der Tiefe weitaus mehr Raum zu geben als nist gekonnt schottische Einflüsse mit Tango, pop­ sich häufig auf einen diskreten Hintergrund mit wi­ der Breite. Auch dies ein Zeichen von Reife. pigen Melodien und fast klassischen Kompositio­ schenden und zischenden Sounds. Rudolf Amstutz nen. Dabei steht ihm nicht nur ein gutes Quartett Jürg Solothurnmann zur Seite, sondern auch sein Hitchgnosis Orchestra, ein vielköpfiges Sinfonieorchester, das Hitchcocks Lettuce Kompositionen eine ganz andere Tiefe verleiht. Be­ Resonate sonders heraus stechen der fulminante Tango und Adam Deitch (dr, perc), Adam ”Shmeeans” Smirnoff (g), der funky Blues ”Skye Blues” im ungewohnten 7/4- Erick ”Jesus” Coomes (b), Ryan Zoidis (s), Takt, in dem sich nicht nur der Bandleader total Eric ”Benny” Bloom (tp), Nigel Hall (vocals, keys) austoben kann, sondern auch Hitchcocks Bassist (CD, Vinyl – digital Round Hill Music/The Orchard) Laurence Cottle, wieder schön umrahmt von sinfo­ nischen Klängen. Wenn ein Aufenthalt in der Land­ schaft der Isle of Skye so inspirierend sein kann, zu Georg Graewe Berlin, frannz Club, Anfang März: Das erste Konzert so stimmigen Kompositionen führt und direkt in die Franz Koglmann Quintet der US-Band Lettuce in Berlin ist zugleich persön­ Stücke einfliesst (”Blaven Mist” oder ”Skye Blues”), West of the Moon lich für mich das letzte Konzert vor Corona. Allein dann sollte man Nigel Hitchcock raten, immer mal Franz Koglmann (flh, tp), Georg Graewe (p, org, vibes), Michael schon deshalb werde ich mich immer an diese Band wieder einen Abstecher in den Norden zu machen! Moore (cl, as), Robert Landfermann (b), Gerry Hemingway (dr) erinnern, aber auch musikalisch hat der Abend ei­ Angela Ballhorn (CD – Handsemmel Records/Galileo Music Communication) nen grossen Eindruck hinterlassen. Die Band, die es schon seit mehr als 25 Jahren gibt, ist eine kom­ Tmrois I aginaires pakte Funk-Kapelle mit Rhythmusgruppe, zwei Blä­ Fantastiques Der Wiener Trompeter und Flügelhornspieler Franz sern, Gesang, alles knackig und auf den Punkt Anatole Buccella (g), Pino Zortea (b), Samir Böhringer (dr) Koglmann und der deutsche Wahlwiener Georg ­gespielt. Musikalisch ist das Sextett, das 2019 für (CD – Unit/Membran) Graewe, seines Zeichens Pianist und Orchesterlei­ einen Grammy nominiert war, irgendwo zwischen ter, sind zwei Monumente des europäischen Jazz, James Brown und Tower of Power anzusiedeln. deren Karrierestarts in die frühen Siebzigerjahre Groovende Gitarrenriffs, knallender Bass, ein voran­ Der temperierte Wohlklang einer E-Gitarre hat et­ zurückreichen. Das Album, das die beiden älteren treibendes Schlagzeug, schneidende Bläsersätze was Beruhigendes. Diese Botschaft scheint das De­ Herren nun vorlegen, hört sich wie ein Panorama und blubbernde Keyboard-Sounds sind die Zutaten butalbum ”Fantastiques” der drei jungen Schweizer der jeweiligen Erfahrungen an: Zum einen werden dieses Salats. ”Funk ist eine Musikrichtung, die Musiker mit dem originellen Namen Trois Imagin­ diese von der neueren europäischen Kunstmusik bleibt”, ist das Dogma der sechs Musiker, und ihr aires vermitteln zu wollen. Der Sound bewegt sich gespeist, zum anderen vom US-Jazz, wobei Kogl­ sechstes Album sollte Lettuce noch mehr Bekannt­ entschieden näher bei der Pop-Kultur als beim Jazz. mann eine Vorliebe für den Cool Jazz der amerika­ heit bringen. ”Resonate” ist sowohl zu Hause auf Es klingt alles linear und schön, als wären die Sha­ nischen Westküste hat. Dieser klingt auf ”West of dem Sofa gut anzuhören und live ein absolutes Er­ dows wieder auferstanden. Was allenfalls fehlen the Moon” denn auch prominent nach, allerdings lebnis. Hoffentlich bald wieder! Angela Ballhorn ­57 JAZZ

JNM_03_20_44-59_HB.indd 57 26.04.20 18:48 HÖRBAR ist weit mehr als ein herausragender Begleiter. Er Ivan Belvis, einem Tontechniker mit Grammy-Nach­ Jazz'n'more-tipp unterstützt Elling aufmerksam und, wo es sein weis. ”Seven Steps to Heaven” und "Someday My muss und es die Musik gestattet oder verlangt, Prince Will Come” erinnern beide an die bekannten setzt er seine eigene Lyrik und Virtuosität ein – klas­ Versionen von Miles Davis, nicht zuletzt wegen der se! Von seinen Akzenten lebt das Album ebenso wie gedämpften Trompeten der beiden Amerikaner den übrigen Musikern und vom Höhepunkt des Jones und Vernick, welche hervorragende Soli bei­ ­Albums überhaupt: Ellings Zwiegespräch mit Mi­ steuern. Höhepunkte des Sets bilden Herbie Han­ guel Zenón, unterstützt von Piano, Perkussion und cocks ”Dolphin Dance”, das durch Barretos Flöte Drums. Steff Rohrbach einen schwebenden Charakter erhält und Brubecks ”In Your Own Sweet Way” in brasilianischem Ge­ wand. Authentischer Latin Jazz vom Besten! Phil Stöckli

B recker Brothers Live and Unreleased (tp, voc), Michael Brecker (ts), Mark Gray (keys), Barry Finnerty (g), Neil Jason (el-b, voc), Richie Morales (dr) (CD, Vinyl – Leopard/Good To Go) K laus Doldinger’s Passport Motherhood Klaus Doldinger (s, voc), Michael Hornek (keys), Man soll nicht alles Pulver am Anfang verschiessen Martin Scales (g), Patrick Scales (el-b), Christian Lettner (dr), S tefan Schönegg – dennoch einleitend ein paar Adjektive zu diesem Ernst Ströer (perc) Enso - Zyklus Doppel-Live-Album: frisch und erfrischend, frech, (CD, Vinyl – Warner Music) Leonhard Huhn (as), Nathan Bontrager (clo, vl), funky, tight, atemberaubend, mitreissend, umwer­ Stefan Schönegg (b), Etienne Nillesen (dr) fend, outstanding, einzigartig, zeitlos, epochal und monumental. Was die 1975 gegründete Kultband Wer in seinem musikalischen Leben derart produk­ S tefan Schönegg Brecker Brothers an jenem 2. Juli 1980 am Ende tiv war wie der bald 84-jährige deutsche Saxopho­ BIG Enso ihrer fünfwöchigen Europa-Tournee im intimen nist und Komponist (u. a. der Tatort-Titelmelodie) zus. Miako Klein (recorder), Elena Kakaliagou (frh), Nora Krehl ­Setting des Hamburger Clubs Onkel Pö’s Carnegie Klaus Doldinger darf auch mal zurücklehnen – wür­ (clo), Rie Watanabe (bass dr) Hall gespielt hat, ist ungemein fesselnd und ver­ de man meinen. Doldinger scheint sich aktuell ge­ (CDs – Impakt) mutlich bis in die Gegenwart unerreicht. Das so­ rade mit Biographiearbeit zu erholen. Sein neues eben veröffentlichte Album ”Live and Unreleased” Album ”Motherhood” ist eine Art Remake, gleich­ ist viel mehr als ein musikhistorisch bedeutsames sam Rückblick und Standortbestimmung. ”The Mo­ Was haben wir uns an Musik im Grenzbereich von Zeitdokument (zumal es von den Brecker Brothers therhood” war nämlich Projektname seiner damali­ Jazz, Neuer Musik, Noise, konzeptueller und ganz aus jener Epoche mit ”Heavy Metal Be-Bop” bislang gen Formation, welche 1969 und 1970 zwei Alben "freier" Improvisation nicht schon angetan, live und nur eine ­Liveaufnahme gab). Es ist kommt quasi ei­ veröffentlichte, auf welchen Doldinger seine musi- auf Tonträgern. Im Guten versinken wir im Hören, ner Re­ferenz für das Konglomerat Jazz-Funk-Fusi­ ka­lische Sprache neu ausrichtete und erweiterte. und das aufmerksamer und verschärft – Schlechtes on gleich. Die beiden Brüder Randy (*1945) und Zehn Kompositionen dieser beiden Alben fanden langweilt bloss. Stefan Schönegg ist u. a. ­Bassist Michael (*1949) Brecker scheinen sich schon da­ nun den Weg auf das aktuelle Passport-Album. im Eva Klesse Quartett und im Simon Na­batov Trio. mals auf dem Höhepunkt ihres Schaffens zu befin­ Vom Dixieland kommend, über Bebop, Film- und Mit gemischten Gefühlen schieben wir das Quartett den. Im fanfarenartigen Intro zu ”Strap Hangin’” Werbemusik tauchte Doldinger damals in die Welt in den Player – und sind positiv überrascht: Ja, es verweist Randy auf seine klassische Ausbildung, des Soul und Jazzrock ein, welche er in Folge mit gehört zu jener Sorte, die, obwohl nicht immer nur um später im Solo seine Trompete durch ein Wah­ Passport massgebend mitprägte. Idealtypisch dafür leicht konsumierbar, durchaus Sinn ergibt. Das dem wah-Pedal zu jagen. Keyboarder Mark Gray experi­ steht ”Locomotive”, ursprünglich auf dem Album Lebenszyklus gewidmete Format überzeugt mit klu­ mentiert mit den damals ganz neuen Tasteninstru­ "Ataraxia" (1978) von Passport zu hören, das aktu­ ger Dramaturgie, kontemplativen, teils medita­tiv- menten Prophet V und Mini-Moog, während E- ell relaxt aber durchaus hip groovend daherkommt, mystischen Momenten und einer Rhythmik, die Bassist Neil Jason gerne sein Däumchen springen einen Doldinger zeigt, der das Tenorsaxophon im­ ­anfänglich eher eine verborgene ist, sich auch mal lässt. Höhepunkt ist vielleicht Michael Breckers fast mer noch überaus souverän und mit verblüffender zur Dominanten entwickelt, Klang- und Geräusch­ zehn-minütiges Solo (ohne Band!) auf dem Tenor­ Leichtigkeit bläst, bevor ihm dann die Hammond flächen weicht und zuletzt in ein einfaches, erha­ saxophon und dem EWI in ”Funky Sea, Funky Dew”. die Aufmerksamkeit abtrünnig macht. Bemerkens­ benes, nachdenkliches Miteinander mündet. Die Die schön aufgemachte CD mit den lesenswerten wert sind auch der Opener ”Soul Tiger”, der in Form Schritte und Interaktionen des Quartetts sind lo­ ausführlichen Liner Notes von Bill Milkowski ist der Originalaufnahme von 1969 daherkommt oder gisch nachvollziehbar, das Album verströmt eine gleichermassen Trouvaille wie Must-have! ”Devil Don’t Get Me” mit Udo Lindenbergs Original­ versöhnliche Stimmung und gefällt auch in seiner Silvano Luca Gerosa gesang von 1970. Kurzum: ein Album von musik­ Stringenz. Gleiches lässt sich vom Oktett sagen, historischem Gehalt. Silvano Luca Gerosa das von denselben Qualitäten lebt: Im Doppelpack sind die beiden Alben etwas üppig – einzeln wohl­ tuende Inseln für Ohr, Kopf und Herz. Steff Rohrbach

KURT Elling C alle Loiza Jazz Project Secrets Are The Best Stories There will never be another you Kurt Elling (voc), Danilo Pérez (p), Chico Pinheiro (g), Xavier Barreto (fl), Melvin Jones, Gordon Vernick (tp), Clark Sommers (b), Rogério Boccato (perc), Johnathan Blake (dr) Mark Monts de Oca (p), Tony Batista (b), André Avelino (g), S habaka & The Ancestors (CD, Vinyl – Editon Records/editionrecords.com) Jimmy Rivera (dr) u. a. We Are Sent Here By History (CD, Vinyl – calleloizajazzproject.com) Shabaka Hutchins (ts, cl), Mthunzi Mvubu (as), Siyabonga Mthembu (voc), Gontse Makhene (perc), Welch schöner Albumtitel für die erstmalige Zu­ Ariel Zamonsky (b), Tumi Mogorosi (dr) sammenarbeit mit Danilo Pérez, bei der Kurt Elling Frischer Latin Jazz aus Puerto Rico. Die Musiker (CD, Vinyl, DL – Impulse Records/Universal) Stücke von , Wayne Shorter, Django dieses Kollektivs sind einander durch jahrzehnte­ Bates, Vince Mendoza und dem panamaischen Pia­ lange Freundschaft verbunden, begonnen in der nisten selbst präsentiert, der bekanntlich auch das Calle Loiza, einer für Kultur und Musikclubs be­ In der Londoner Jazz-Szene ist Shabaka Hutchings Berklee Jazz Global Institute leitet. Mit eigenen Er­ kannten Strasse in Santurce, Puerto Rico. Der der Mann der Stunde. Unermüdlich werkelt er mit­ zählungen, Texten des 2015 verstorbenen Dichters Schlagzeuger Jimmy Rivera gilt als Guru der kari­ hilfe von drei verschiedenen Formationen an einem Franz Wright, "Eisenhans" Robert Bly und der Nor­ bischen Jazz-Drums und hat weltweit unzählige klingenden Statement zwischen Tradition und Mo­ wegerin Sidsel Endresen verbindet er seine wun­ Jazzmusiker beeinflusst. Zusammen mit den hoch­ derne, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Mit dervoll satte Stimme mit engagierten Lyrics. Sein karätigen Perkussionisten und dem E-Bass-Virtuo- dem Quartett Sons of Kemet erkundet er seine kari­ Bariton knüpft zwar an den grossen Mark Murphy sen Tony Batista sorgt er für ein groovendes rhyth­ bischen Wurzeln, mit dem Trio The Comet is Co­ (und dessen amerikanischen Vorläufer) an – abge­ misches Fundament. Das Repertoire besteht aus ming forscht er an Elektro-Versionen des Jazz und sehen vom zuweilen etwas üppigen Vibrato und acht arrangierten Standards aus dem Great Ameri­ mit Shabaka & The Ancestors reicht sein afrofutu­ freilich, leider, ohne sich je scattend oder sonst wie can Songbook. Die beherzte Jamsession fand in ei­ ristischer Ansatz bis tief hinein in die afrikanische wirklich auf die Äste hinaus zu lassen. Danilo Pérez nem privaten Wohnhaus statt, aufgenommen von Diaspora. Nach ”Wisdom of Elders” von 2016 ist ­58 JAZZ

JNM_03_20_44-59_HB.indd 58 26.04.20 18:48 HÖRBAR ”We Are Sent Here By History” das zweite Album mehrmals die Temperatur, wobei besonders Talmor bloss zwei Jahren wieder auflöste. Was von Roses dieses Projekts. Als Township meets Sun Ra liesse selbst und Endsley herrliche Soli auf die Scheibe Traum blieb, ist das spannende Debutalbum, das sich diese Musik vereinfacht umschreiben. Aber: zaubern. Überhaupt machen die beiden Bläser Freu­ die Formation kurz vor ihrem Ende im Studio ein­ Hutchings verleiht vor allem im Zusammenspiel mit de, besonders zuweilen auch im Unisono. Geschickt gespielt hat. Diese LP war lange Zeit kaum zu finden Altsaxophonist Mthunzi Mvubu dieser Musik viel wird variiert, die Möglichkeiten werden vom Solo, und dank der sorgfältigen Restaurierungsarbeit des Individualität und Klasse. Allerdings lässt einen am in dem sich jeder brillant in Szene zu setzen weiss, Labels BBE endlich auf CD erhältlich. Das Zeitdo­ Ende der Wunsch nicht los, dass es noch eine Prise bis zum Sextett ausgelotet, die Musik changiert kument klingt nicht nur nach den zahllosen musika­ spannender werden könnte, würde Hutchings in zwischen balladesken, lyrischen, träumerischen lischen Inspirationen des Wandermusikers: vom Zukunft versuchen, all seine Projekte zu einem und nachdenklichen Momenten bis zum einneh­ klassischen Blues, über Funk bis hin zu lateinameri­ grossen Ganzen zusammenzuführen. Rudolf Amstutz menden Beat. Steff Rohrbach kanisch gefärbter Fusion. Ebenso verkörpern die acht Songs die Aufbruchstimmung in einer bro­ delnden Szene, in welcher auch Musiker für einen Moment Stars waren, auch wenn sie später nie den Sprung auf die grossen Bühnen schafften. Christof Thurnherr

A ndy Trinkler G rand Mother's Funck Drive On The Big Pie Andy Trinkler (g, harp, voc), Mich Schärer (b, voc), Rich Fonje (voc), Daniel Bohnenblust (as, ts), Bernhard Häberlin Ndu Wyss (d, perc), Ursi Moser (voc), Stöffu Vogt (g) (g), Andreas Michel (p, keys), Ohlê Gagneux (perc, fl), Thomas (CD – ATM-Productions) Reinecke (b), Daniel Aebi (dr) Marie Kruttli Trio (www.gmf.ch) The Kind Of Happy One Marie Kruttli (p), Lukas Traxel (b), Jonathan Barber (dr) Die Berner sind ein bodenständiges Völkchen. Sie (CD – QFTF/qftf.net) gehen ihren Weg fernab jeglicher Trends, kompro­ Das zwölfte Album von GMF bringt zehn neue Stü­ misslos und beständig. Ein Paradeberner ist Andy cke plus Bonus-Tracks und die Groove-Maschine Trinkler und seine Fans lieben ihn dafür. Über 25 knattert geölt wie noch nie: jedes Rädchen der sie­ Mit ”The Kind of Happy One” hat Marie Kruttli be­ Jahre ist der Gitarrist und Sänger auf in- und aus­ benköpfigen Gang greift reibungslos ins nächste, reits das vierte Album am Start. Die junge Pianistin, ländischen Bühnen aktiv und bleibt dabei seinem die abwechslungsreichen Kompositionen sind fun­ die im Jura aufwuchs und heute in Berlin lebt, un­ Stil treu. Das Geheimnis seines Erfolgs sind seine kensprühend arrangiert, glasklarer Gesang teilt sich terstreicht auf dem neuen Album ihre Vielseitig- Songs – unspektakulär, doch höchst eingängig. das Rampenlicht mit coolen Soli. Die CD-Taufe, ge­ keit, aber auch eine neue Souveränität im Spiel mit Trinkler versteht sein Handwerk, er trifft den Ton, plant auf Anfang April, wurde aus dem Home-Of­ Technik und Intuition, Virtuosität und Emotion. ”I weiss zu formulieren und punktet mit einer saube­ fice 'erledigt', doch leider sieht es in den nächsten definitely tried to be connected to my own soulful ren Produktion. Musikalisch zwischen Rock, Folk Wochen noch düster aus und GMF werden mit ih­ self and see how honest I could be with it”, schreibt und Blues zu verorten, wecken seine Songs Erinne­ rem neuen Programm so bald noch nicht auftreten Marie Kruttli zu ihren neuen Stücken. Das neue Ma­ rungen an Don Henley oder Tom Petty. Subtil, stil­ können. Für alle, die sie noch nicht live erleben terial lässt denn auch in seinen melodischen Ent­ sicher, hin und wieder auch ironisch sind die Tex- durften, ist "The Big Pie" eine Art Amuse Bouche, wicklungen sowie in den abstrakteren Klangprozes­ te. Sie handeln vom Verlassen und Verlassenwer­ das zwar schmerzlich bewusst macht, was wir im sen vermehrt das Ruhige und Beseelte durchschei­ den (”Boring Alice”), von tristen Städten (”Level­ Moment alles verpassen, das aber den Appetit so nen. Die Musik kommt leichtfüssig über die Tasten, land”) und planlosen Roadtrips (”Drive On” und richtig anregt, damit dann im Herbst alles nachge­ gleichzeitig gibt das Trio mehr Space, was auch mit ”Dashee”). Seine Storys kommen aus dem Leben. holt werden kann. Christof Thurnherr dem neuen Schlagzeuger Jonathan Barber aus New Wie fühlt es sich an, wenn man zum ersten Mal der York zu tun hat, der das musikalische Geschehen Ex mit ihrem Neuen begegnet (”Another Rocket sehr diskret begleitet. Auch Bassist Lukas Traxel Man”)? Was passiert am Ende einer Party, wenn nur L arry Rose Band lässt mit seinem warmen Sound der Pianistin viel noch die Gastgeberin, ein Musiker und eine Flasche The Jupiter Effect Platz sich zu entfalten. Kruttli studierte Jazz in Lau­ Rotwein übrig bleiben (”They Don’t Know Any­ Larry Rose (el-p, synth, voc), Stanley Davis (b, g), Paul Pinto (g), sanne und Luzern, nachdem sie sich während vie- thing”)? Optisch ist das neue Album ein kleines Toon Janssen (dr, perc), Theo van Halen (s) len Jahren mit klassischer Musik beschäftigt hat- Kunstwerk. Der Schweizer Reisefotograf Christian (CD – BBE Music/The Orchard) te. Mit viel Ernsthaftigkeit und Ambition ist die Pia­ Heeb hat neben dem Text zu ”Rita And the Gun” nistin daran, diese beiden Welten in ihrer persönli- auch wunderbar stimmungsvolle Landschafts- und chen Klangsprache verschmelzen zu lassen. Sie Porträtaufnahmen für das Cover beigesteuert. Ein Anfangs der 1970er-Jahre verliess Larry Rose das spielt mit verschiedensten Melodiefiguren, die nie sehr persönliches Album, das erneut begeistern College ohne Abschluss und übersiedelte nach kitschig werden. Aber sie sucht auch die bluesigen wird. Dorothea Gängel Amsterdam, wo er seinen Traum als wandernder und jazzigen Wurzeln, in Kombination mit dem ei­ Musiker lebte. Mit allen möglichen Gelegenheits­ genen Ausdruck. Obwohl sie dieses Album see- jobs und vereinzelten Gitarrenstunden hielt er sich lenvoller denn je in Angriff genommen hat: In Marie über Wasser und liess sich dabei von allem beein­ Kruttli lebt weiterhin eine unruhige und entde­ flussen, was seinen Weg kreuzte. 1975 formierte er ckungsfreudige Ader. Das hält sie wach und gibt mit seinem Landsmann Stanley Davis, der in der der Musik diese kraftvolle und vorwärtsdrängende lokalen Szene als Singer-Songwriter herumgereicht Note, die viele ihre Kompositionen in sich tragen. wurde, eine Band, die sich dann allerdings nach Pirmin Bossart

O had Talmor Newsreel Long Forms Ohad Talmor (ts, fl, cl), Shane Endsley (tp), Miles Okazaki (g), + swiss engineering + swiss made + Jacob Sacks (p), Matt Pavolka (b), Dan Weiss (dr) (CD – Intakt/intaktrec.ch) „The VOVOX cable Der in Genf aufgewachsene Ohad Talmor – Eigen­ deklaration: Kosmopolit – startete mit dem Piano, is the only one that fand als Austauschschüler in Florida zum Saxophon delivers on the und lebt seit 1995 und seinem Studium an der Manhattan School in New York. Es heisst, Lee Ko­ promise!” nitz und Steve Swallow hätten ihn unter ihre Fitti­ che genommen, mit Ersterem hatte er auch ge­ meinsame Bands. Talmor ist eine feste Grösse in John Patitucci der New Yorker Szene, beschäftigt sich ebenso kontinuierlich mit Bruckner wie mit nordindischer Musik und schrieb auch schon für Jason Moran und Martha Argerich. Dass er ein hervorragender Holzbläser ist – zuletzt spielte er auch die Bansuri – beweist dieses Album eindrücklich. Es beginnt ­fulminant, wird schnell ruhiger und wechselt, vom hier etwas hölzern wirkenden Drummer begleitet, www.vovox.com

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. 3 /2020 Mai/Juni Nr / Österreich € 6,90 Magazin Schweiz CHF 11.00 / Deutschland Blues Jazz & Das Schweizer t s

ROO ' N s ' E B l u JAZZ‘ N 'MORE

El BEN WENd chNEidER MaRia s gRaM Nils WO & stOffNER aNNa shaWN aMOs REvERENd a hERzEN JaN NtER/ fEigENWi OEstER/PfaMMl attER EliaN zEitE NN Nik schüRMa dOMi sauNdERs REBEcca guhl aNdy EaRs adRiaN M BEavER liNdsay s lEROy WilliaM BauMaNN laRissa JazzfEstival schaffhausEN idE McBR d istiaN EMENt REvisitE chR thE MOv gEN d-BEsPREchuN R als 100 c 26.04.20 18:55 Mit MEh

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”The album you are holding in your hands, will prove that the heavy metal band wor­ shipped by millions around the world are in fact nothing more than musical charlatans, thieving the music from a bedridden, hospi­ talised genius.” Nun kommt also die Wahrheit ans Licht. ”Jazz Sab­ bath” heisst das 50 Jahre lang als verschollen ge­ goltene Album, das beweist: Vier junge Burschen aus Birmingham – , , Wo men In Jazz Paolo Fresu/OJdM/ und – nannten sich nach The Women, The Legends & Their Fight Paolo Silvestri dem Hören dieser Jazzplatte und Von Sammy Stein Norma klauten sämtliche Kompositionen, die einst der 8TH HOUSE PUB Montreal 2018, Philipp Reclam jun. Paolo Fresu (tr, flh, multieffects), ­Pianist Milton Keynes mit seinem Trio eingespielt Ditzingen 2019, 260 Seiten, Paperback Orchestra Jazz del Mediterraneo (OjdM), hatte. ”Jazz Sabbath” erblickte nie das Tageslicht, (ISBN 978-1926716558) Paolo Silvestri (cond, arr) weil kurz vor der Veröffentlichung Keynes einen (CD – Tuk Music, 2019/Phonag Records) Herzanfall erlitt und hospitalisiert wurde. Und da in der Folge die Halle, in der ”Jazz Sabbath” wegen Auch in der Jazz-Szene holen Frauen all­ des verzögerten Liefertermins gelagert wurde, dem mählich gegenüber den Männern auf und Hier trifft Jazz auf Belcanto. Auf dem neuen Feuer zum Opfer fiel, wurde aus Keynes ein verbit­ werden von jüngeren Kollegen anerkannt. Album ”Norma” nimmt sich Paolo Fresu mit terter Mann ohne physischen Beweis, der tatenlos Doch bis nur noch das Talent und nicht das dem Orchestra Jazz del Mediterraneo unter dem Siegeszug der neuen Giganten des Heavy Me­ Geschlecht eine Rolle spielt, ist noch viel zu der Leitung von Paolo Silvestri des gleich­ tals zusehen musste. So weit, so gut. Natürlich ist tun. Warum und wie ist die Situation heute namigen berühmten Bühnenwerks des sizi­-­ dies alles erfunden. Doch in Zeiten von Fake News genau? Davon handelt das neue Buch der li-anischen Komponisten Vincenzo Bellini und dem wiedererwachten Hunger nach verscholle­ Jazz-Journalistin Sammy Stein, die beson­ (1801–1835) an, das 1831 an der Mailänder nen Alben, dank Veröffentlichungen von John Col­ ders in Grossbritannien und Commonwealth- Scala uraufgeführt wurde. trane bis Thelonious Monk, punktet ”Jazz Sabbath” Ländern einen Namen hat als Autorin von Bei diesem Album – bei Fresus eigenem Musiklabel mit mehr als bloss einem ironischen Kommentar Radiosendungen, Büchern wie ”All That‘s Tuk Music erschienen – einfach von einer verjazzten zum heutigen Zeitgeist. Jazz” (Tomakawk Press 2017) und als ehe­ Oper zu sprechen, wäre zu kurz gedacht. Vielmehr malige Leiterin des internationalen Festivals nehmen Paolo Silvestri, der die Orchesterarran­ ”London Jazz Platform”. gements verantwortet, und Paolo Fresu die be­ Die erste Hälfte des Buchs bietet Geschichtsnach­ kanntesten Melodien aus Bellinis Oper als Aus­ hilfe. Stein skizziert, unter welchen sozialen Bedin­ gangspunkte, um etwas Neues zu kreieren. Die Titel gungen der Jazz entstanden und was mit Jazz heu­ der einzelnen Albumtracks entsprechen zwar den te gemeint ist. Es gibt keine Bücher speziell über jeweiligen Musiknummern der Vorlage, jedoch geht Männer im Jazz, denn ”Jazz is still a man‘s world”, Silvestri sehr frei mit deren chronologischer Ab­ schreibt Sammy Stein. Überall – im Publikum, auf folge wie auch mit den Tempi um, wodurch die der Bühne und im Business – sind Frauen stark in Stücke einen anderen Charakter als im Original er­ der Minderheit. In den ersten Jahrzehnten existierte halten. der Jazz in einer Halbwelt mit Diskrimination und Fresu macht sich mit der Trompete – gelegentlich Kriminalität, die dem guten Ruf, den nur Frauen zu auch mit dem Flügelhorn – die Gesangspartien zu verlieren hatten, meistens abträglich war. Aber eigen. Zu Beginn der einzelnen Tracks ist die ent­ Hinter Milton Keynes stecken Adam Wakeman, trotzdem, auch ausserhalb des Reservats der da­ sprechende Opernmelodie jeweils deutlich heraus­ Sohn des Yes-Keyboarders Rick Wakeman und sei­ maligen reinen Damenbands (1920er- bis 1940er- zuhören; die ”singende” Trompete des Sarden wird nes Zeichens langjähriges Tour-Mitglied von Black Jahre) behaupteten sich von Anfang an immer von der Big Band begleitet. Im Verlauf der Tracks Sabbath, und Ozzy Osbourne. Und er war sich hör­ ­wieder Frauen, von denen Stein chronologisch ein wird mit den Melodien in Form von Improvisationen bar bewusst, dass die Musik eine grössere Halb­ paar porträtiert, von Bessie Smith und Billie Holiday gespielt. Immer wieder flackern dabei einzelne Me­ wertszeit besitzen muss als der sie begleitende bis Alice Coltrane und Carla Bley. lodiefetzen der Hauptmelodie der jeweiligen Mu­ Witz. Die Tracks auf ”Jazz Sabbath” sind den ersten ”Women in Jazz Today”, der zweite Teil, stützt sich siknummer auf. beiden Alben von Black Sabbath entnommen. Die stark auf Interviews mit 34 aktiven Instrumentalis­ Bezeichnenderweise steht Bellinis berühmteste Klassiker ”Iron Man”, ”Rat Salad” oder ”Evil Wo­ tinnen, Sängerinnen und Managerinnen – weniger Arie ”Casta Diva”, eine der wenigen Musiknummern man” bearbeitet Wakeman nicht als Jazzcover von bekannte und prominente wie Jane-Ira Bloom, Jane aus der Oper ”Norma”, die auch vom Werk losge- Rocksongs, sondern baut sie mithilfe der Jazz-­ Bunnet, Terri Lyne Carrington und Claire Martin, die löst im Konzertsaal zu hören und auf zahlreichen Tradition neu auf, sodass sie die Behauptung, sie Stein mit langen Zitaten ausgiebig zu Wort kom­ Arienalben zu finden ist, an erster Position der wären zuvor entstanden, deutlich untermauern. Tief men lässt. Dabei wird ein breites Spektrum von Trackliste. Fresus Trompete imitiert hier die Stimme verwurzelt im Blues und bisweilen mit flottem Fragen diskutiert und es herrscht keineswegs nur der Protagonistin. Mit dieser gesanglich höchst Swing vorgetragen, eröffnen sie neue Perspektiven Einigkeit. Offener Sexismus, wird festgestellt, ist ­anspruchsvollen Kavatine, Normas Auftritts-Arie, auf Songs, die man zuvor nur in schleppenden zwar seltener, aber versteckt oft noch vielerorts stellt sich die Titelfigur und Primadonna des Doom-Metal-Tempi kannte. Was die Mär über eine vorhanden. Und der Einsatz von weiblichem Charme Abends erstmals dem Publikum vor. In der Oper er­ alte, vergessene Session etwas trübt, ist die quali­ und Glamour wird ambivalent bewertet, denn einer­ folgt dies erst in der vierten Musiknummer, da es in tativ hoch­stehende Produktion. Zudem hätte das seits kann er Frauen in der Männerwelt nützen, an­ der damaligen Musiktheatertradition üblich war, Milton Keynes Trio vollends ausgereicht, doch dererseits dient er Sexisten als Vorwand. Dazu dass die zentrale Figur nicht bereits zu Beginn des ­Wakeman holt an verschiedenster Stelle Gäste an kommt, dass auch Frauen untereinander eklig sein Stückes auftrat, sondern – um die Spannung zu Elektrogitarre, Saxophon oder Hammond-Orgel können. Das alte Klischee ”Männer spielen Jazz, steigern – zunächst noch auf sich warten liess. hinzu, was ebenfalls zur Erleuchtung des noch so Frauen singen” wird zunehmend relativiert und ein Beim letzten Track ”Guerra! Guerra!/Qual cor tra­ ­naivsten Hörers beiträgt, dass er hier einem histori­ Saxophon oder eine Trompete gelten nicht mehr als disti/Deh! Non volerli vittime”, der mehrere Mu­ schen Scherz zum Opfer zu fallen droht. Doch trotz unweiblich. Aber Frauen müssen sich oft immer siknummern aus der Oper zusammenfasst – mitun­ diesen Einwände: Die Musik auf ”Jazz Sabbath” ist noch doppelt beweisen, um professionell akzeptiert ter auch das Schlussfinale –, ist die Bellinische weitaus grösser als die erdachte Legende und auch zu werden. Allmählich werden erfolgreiche Musi­ Vorlage am besten herauszuhören, da er durch die ohne deren Begleitung ein toller Hörspass. kerinnen ihre eigenen Manager und Produzenten Klangsteigerung eine ähnliche Dynamik wie im Ori­ Ein Muss ist auch die 15-minütige Dokumentation, und Vorbilder für jüngere Frauen. Die geltende Indi­ ginal entfaltet. Von Belcanto bis Jazz lässt sich die man auf YouTube sehen kann. Darin wird mit vidualisierung des Jazzspiels begünstigt auch in auch eine Brücke schlagen: Auch die italienische allen Mitteln der Kunst die (unwahre) Geschichte der Genderfrage ein egalitäres Klima und den Mut, Gesangstechnik des Belcanto lässt Möglichkei- von ”Jazz Sabbath” erzählt, und zwar anhand pro­ zur eigenen Persönlichkeit zu stehen und zur Eigen­ ten der ”Improvisation” – beispielsweise durch im­ minenter Zeitzeugen von Whitesnake bis zu The initiative als Bandleader. provisatorisch verzierte Umspielungen von Melodi­ Ramones. Höhepunkt ist jene Stelle, in der Wake­ Stein bezieht die Situation und Meinungen anderer en – zu. man junior einen Seitenhieb auf seinen berühmten Professionals ein – Publizistinnen, Promoterinnen, Fazit: Man muss sich auf dieses Jazz-Opern-Expe­ Vater zum Besten gibt, mehr soll hier aber nicht Managerinnen und Radio- und TV-Frauen – und riment einlassen. Zu Beginn wirkt es noch etwas verraten werden. Einfach nur geniessen: zuerst den behandelt auch Fragen der Ausbildung, Förderung, sperrig, von Stück zu Stück findet man jedoch in die Film, dann die Musik. ”Does Humor belong in mu­ Karriere und Beruf und Familie. Ein informatives, Musik hinein; es ist kein Klangschwelgen à la Bel­ sic?”, fragte schon Frank Zappa. Die Antwort darauf anregendes Buch und zu dieser Thematik sicher lini, aber allemal ein jazziger Hörgenuss. liefert ”Jazz Sabbath” auf wundervoll ironische nicht das letzte. Jürg Solothurnmann Carmen Stocker Weise. Ruedi Amstutz ­60 JAZZ

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Make It New Reshaping Jazz in the 21st Century T he Rise of Von Bill Beuttler David Bowie 1972-1973 vorgelassen worden, sei dessen Vertrauter gewor­ Lever Press/Open Access Von Mick Rock (Fotos), den, weil seine Präsenz Bowies Image aufbauen www.fulcrum.org/leverpress Texte von Barney Hoskyns und Michael Bracewell half, reflektiert Mick Rock im abgedruckten Inter­ (ISBN 978-1643150055) Taschen Verlag, 300 Seiten, view. Seine Bilder dokumentieren die Faszination, English, Deutsch, Français. 30 Euro mit der der Fotograf dem Idol begegnete. Sie zeigen (ISBN 978-3836583244) den Star auf der Bühne, wie er die Masse bespielt, Es gehört zu den Aufgaben von Musikkritike­ und im Privaten, vor der Show am Schminktisch rinnen und -kritikern, ein spezifisches Genre oder danach umgeben von Freunden. Und sie zei­ nicht nur isoliert anhand von laufenden Ver­ 1972 war David Bowie längst zur Kunstfi- gen ihn zwischen den Auftritten, bei sich zu Hause, öffentlichungen und Konzerten zu beurtei­ gur mutiert. Ob in der Inkarnation des Ziggy auf dem Weg oder auf Partys zusammen mit ande­ len, sondern die Gegenwart mithilfe der Ver­ Stardust oder kurze Zeit später als Aladdin ren Berühmtheiten. Und in jedem der festgehalte­ gangenheit in einen Kontext zu stellen. Erst Sane machte keinen Unterschied mehr – er nen Augenblicke ist Bowie in seiner Rolle: Er koket­ damit wird das grosse Ganze ersichtlich und war Image. "Ziggy Stardust war eine Farce tiert, verführt, zieht die volle Aufmerksamkeit auf es lassen sich auch Schlüsse für die Zukunft mit offenem Ausgang, mit der der eigene sich, selbst wenn er scheinbar gedankenversunken ziehen. Mythos und die Mythologie des Pop erkun­ in die Ferne blickt. Diese ungebrochene Präsenz Der Jazz ist im Umbruch, obwohl: Das war er schon det wurden", so Michael Bracewell im einlei­ macht das Medium und die Umstände der Entste­ immer. Dixieland, Swing, Be-Bop, Free Jazz, Jazz­ tenden Aufsatz. hung der Bilder vergessen. Er habe sich nie vertieft rock: Es gehört zu der Grund-DNA des Jazz, dass Als Mick Rock, damals ein junger Cambridge-Ab­ mit fotografischer Technik beschäftigt, meint Rock. er klanglich soziale, politische und existenzielle Er­ solvent mit einem Einsteigerjob beim Magazin Oz, "Just get the bloody picture!", sei eher seine Ein­ eignisse und Entwicklungen reflektiert. Und so auf Bowie aufmerksam wird, treffen zwei ideale stellung gewesen. Und tatsächlich ist es die Abwe­ nutzt jeder Musiker, jede Musikerin die Tools, die er Komponenten aufeinander. Hier der Star mit der senheit des Fotografen, durch die das Bild Bowies oder sie in seinem, ihrem Leben gesammelt hat, um Mission, sein artifizielles Bild zu projizieren, da der in seinen Fotografien ungefiltert auf den Betrachter daraus ein hörbares Statement zu machen. Es er­ willfährige Journalist mit dem Zugang zu den ge­ trifft und wenn auch nicht den Menschen, dafür staunt deshalb nicht, dass heute der Einfluss von wünschten Medien. Nach einem ersten bebilder- umso deutlicher dessen beabsichtigtes Klischee Rock, Soul oder Hip-Hop präsenter ist im Jazz. Ge­ ten Artikel sei er in den inneren Zirkel um Bowie gestochen scharf wiedergibt. Christof Thurnherr rade dort, wo diese neuen Stilmittel in Relation zu der reichen Geschichte des Jazz genutzt werden, um Neues zu schaffen, beginnt die Geschichts­ schreibung des Jazz im 21. Jahrhundert. Der US-Kritiker Nate Chinen hat dies eindrücklich dokumentiert in seinem Buch ”Playing Changes – Jazz for the New Century”. Nun folgt ein weiteres Buch zum Thema: Bill Beuttlers ”Make It New: Res­ haping Jazz in the 21st Century”. Während Chinen als Narrativ eine thematische Struktur wählte, hat sich Beuttler entschieden, uns anhand von acht umfangreichen Porträts ein Gesamtbild zu vermit­ teln. Das hat den Vorteil, dass man das Buch nicht von Anfang bis zum Ende lesen muss, sondern sich die einzelnen Kapitel in nicht chronologischer Rei­ henfolge zu Gemüte führen kann. Porträtiert werden Jason Moran, Vijay Iyer, Rudresh Mahanthappa, The Bad Plus, Miguel Zenón, Anat Cohen, Robert Glasper und Esperanza Spalding. Allesamt gehören sie zu einer Generation, die die Geschichte hochhält, indem sie sie nicht bloss be­ wahren will. Man könnte denken, Beuttler vernach­ lässige wichtige Akteure mit diesem Format oder unterschlage auch die starke weibliche Fraktion, die in den letzten Jahren grossen Einfluss ausübte auf ein jahrzehntelang männlich dominiertes Genre. Doch der Autor nutzt die Hauptakteure, um über die Länge des Buches hinweg ein Netz zu spannen, dem kaum ein wichtiger Name entgeht. Im informa­ tiven Vorwort skizziert (und verteidigt) Beuttler die­ ses Vorgehen und gesteht auch ein, dass das Un­ terfangen, den Jazz als Momentaufnahme einzu­ fangen, eine knifflige Aufgabe sei, da die Künstle­ rinnen und Künstler ja unentwegt in Bewegung sind. Um mit dieser Gangart Schritt halten zu kön­ nen, kündet der Autor im Nachwort die Möglichkeit eines zweiten Bandes an. Bei den laufenden Ent­ wicklungen ist ein solches Buch in der Tat ”nur” ein Schnappschuss, allerdings ein zwingend notwendi­ ger. Es macht daher Sinn, dass das Werk physisch nur als Print-on-Demand erhältlich ist, dafür aber auf obiger Webseite als kostenloser Download zur Ver­ fügung steht. Rudolf Amstutz

JNM_03_20_60-61_HBSp_LB.indd 61 26.04.20 18:50 Unsung Hero

Leroy Williams Der vor 83 Jahren in Chicago geborene Schlagzeuger Leroy Williams ist seit über einem halben Jahrhundert der Lieblingsschlagzeuger des vor 91 Jah- ren in Detroit geborenen legendären Bebop-Pianisten Barry Harris: Schon alleine diese Tatsache sichert Williams einen Eintrag im Register der ”Unsung Heroes”. Von Tom Gsteiger

eroy Williams definiert seine Hauptrolle ders NPR kann man einen Trio-Gig mit Ray n den 1970er-Jahren, als der Jazz vom Rock L als Schlagzeuger folgendermassen: ”keep Drummond am Bass aus dem Jahre 2010 I regelrecht an die Wand gedrückt wurde, the music swinging”. Darüber hinaus gehe es hören). hielten Musiker wie Barry Harris und Leroy ihm darum, das was um ihn herum passiere Williams die Fahne des Bebop hoch. Im Pro- zu verschönern und jeden Solisten so gut wie illiams wuchs in Chicago auf und als duzenten Don Schlitten fanden sie einen Ver- möglich klingen zu lassen. Mit anderen Wor- W Jugendlicher bewunderte er Musiker bündeten: Einige der schönsten Aufnahmen, ten: Williams ist kein offensiver Schlagzeuger, wie , Gene Ammons, Wilbur auf denen Harris und Williams gemeinsam zu der das musikalische Geschehen massgeb- Ware usw., in der lokalen Szene aktiv waren. hören sind, entstanden für dessen Label Xa- lich mitprägt (wie zum Beispiel ein Elvin Jones Als er Schlagzeug-Unterricht bei Oliver Cole- nadu Records. An erster Stelle zu nennen ist oder ein Billy Hart), sondern ein zurückhalten- man nahm, gehörte auch Steve McCall zu hier eine gloriose Piano-Trio-Trilogie, die aus der Schlagzeuger, der mit subtilen Mitteln dessen Schülern (McCall wurde später be- den Alben ”Barry Harris plays Tadd Dameron” dafür sorgt, dass die Musik ihren Elan nicht kannt als Schlagzeuger im Trio Air, das durch (1975; mit Gene Taylor am Bass), ”Live in verliert. Für mein Empfinden kombiniert Wil- Henry Threadgill und Fred Hopkins vervoll- Tokyo (1976; mit Sam Jones am Bass) und liams die ”looseness” eines Louis Hayes (ohne ständigt wurde und das aus der AACM her- ”Barry Harris plays Barry Harris” (1978; mit dessen Draufgängertum) mit der tänzerischen vorging). Der Bassist Ware wurde zu Williams’ George Duvivier am Bass) besteht. Auf Xana- Eleganz eines Billy Higgins (ohne dessen Prä- Mentor. 1967 dislozierte Williams von Chica- du gibts noch zwei weitere wunderbare Alben gnanz). Schlagzeuger wie Leroy Williams wer- go nach New York, wo er Harris traf. aus dem Jahr 1976, die ebenfalls den Titel den in der Regel von ihren Kollegen sehr ge- ”Live in Tokyo” tragen - einerseits ein Album schätzt, aber in der Historiographie des Jazz ass sich die Wege von Harris und Wil- des Altsaxophonisten Charles McPherson mit nur am Rande wahr genommen. D liams kreuzten, kann als Fügung des dem Barry Harris Trio, andererseits ein Album Schicksals bezeichnet werden. Dem US-Jazz- des Gitarristen Jimmy Raney mit Jones und eroy Williams spielte zwar mit etlichen journalisten Ted Panken erzählte Williams fol- Williams. ■ L Jazzkoryphäen wie Thelonious Monk, gende Geschichte: ”Als ich Barry zum ersten Sonny Rollins oder Stan Getz, da aber aus Mal hörte, spielte er im Duo mit Paul Cham- dieser Zusammenarbeit keine berühmten Auf- bers. Ich flüsterte meinem Kumpel zu, genau nahmen hervorgingen, taucht sein Name so müsse diese Musik gespielt werden. (...) kaum in Zusammenhang mit ihnen auf. Dafür Später lud mich Charles McPherson zu einer wurde Williams Ende der 1960er-Jahre zum Jam-Session ein, bei der auch Barry dabei wohl wichtigsten Weggefährten des legen- war. We just kind of fell in love and jammed.” dären Bebop-Pianisten und -Pädagogen Barry Seine Bewunderung für Harris erklärt Williams Harris, der in seiner Geburtsstadt Detroit u. a. folgendermassen: ”Er hat die Tiefe und er hat mit Lester Young, Charlie Parker und Miles die Schönheit, um die Musik wunderbar zu Davis auftrat, bevor es ihn nach New York zog. machen. (...) Er glaubt wirklich an diese Mu- Obwohl heutzutage beide über ein biblisches sik.” Mit dieser Musik meint Williams natürlich Alter verfügen – Harris hat Jahrgang 1929, den Bebop, also die Musik von Charlie Parker, Williams kam 1927 auf die Welt –, treten sie Bud Powell, Thelonious Monk & Co., die in der nach wie vor gemeinsam auf: Der bisher letz- ersten Hälfte der 1940er-Jahre während Jam- te Auftritt im Village Vanguard fand letztes Sessions in Harlem entstand und die es ab Jahr stand (auf der Webpage des Radiosen- 1945 auch auf Platten zu hören gab.

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JNM_03_20_62_UH_Leroy_Williams.indd 62 26.04.20 18:50 TROUVAILLES Unverhoffte Sternstunde ist eine lange Zeit, vor allem, wenn man sich ”monstres sacrés” erfüllte: ”Red Garland is vor Augen führt, dass – so Peppers eigene looking at me, and my mind is a total blank”. Worte – das Musikerleben demjenigen eines Der Unbill zum Trotz gelang es, ein professionellen Basketball-Spielers gleicht, Programm zusammenzustellen: Peppers eige- aber sie war höchstwahrscheinlich stark über- nes ”Straight Life”, zwei Impromptu-Titel, ein trieben, wie Peppers Diskographie nahelegt. Blues und ein Walzer, die von Red Garland, So oder so, die Situation des Saxophonis- Paul Chambers und Art Pepper selbst signiert ten war nicht ideal, und sie wurde dadurch worden sind, sowie einige Standards, darun- nicht verbessert, dass sein Instrument infolge ter – eine wahre Kuriosität – ”Jazz Me Blues”, nachlässiger Lagerung in einem erbärmlichen ein Foxtrott, der u. a. von der Original Dixie- Zustand war (wir schenken uns die in der Au- land Jazz Band eingespielt worden war. tobiographie ausgeführten Einzelheiten) und Das Ergebnis des besagten Samstag- notdürftig zusammengeflickt werden musste. nachmittags transzendiert die widrigen Ent- Die Aufnahmesitzung in Los Angeles stehungsumstände auf wundersame Weise: war von Lester Koenig zusammen mit Peppers Garland, Chambers und Jones liessen all ihre damaligen Ehefrau Diane organisiert worden, Klasse walten und Pepper übertraf sich selbst. die den Saxophonisten bis zum Morgen des Seine Improvisationen sind von einer Dring- Trotz widriger Ausgangsbedingungen 19. Januar darüber im Dunkeln liessen, um lichkeit und einer Intensität, die vielleicht der entstand 1957 aus der Begegnung ihn – im Vertrauen auf seine tief verwurzelte Situation geschuldet war, wobei ihn die des Saxophonisten Art Pepper mit Professionalität – vor vollendete Tatsachen zu Rhythmiker auf samtbehandschuhten Händen Miles Davis’ Rhythmusgruppe ein stellen. trugen: Ihre Grooves sind von einer merklich Meisterwerk. Von Georg Modestin Im Studio traf Pepper tatsächlich DIE leichten, tänzerischen Qualität, und zudem Rhythmusgruppe, nämlich den Pianisten Red kommen Garland, aber auch Chambers häufig Bringen unglückliche Menschen die Garland, den Bassisten Paul Chambers und solistisch zum Zug, was die Aufnahen zusätz- bessere Kunst hervor? Hier ist nicht der Ort, den Schlagzeuger Philly Joe Jones, die mit lich aufwertet. ■ um diese romantische Vorstellung zu diskutie- ihrem Leader Miles Davis nach Hollywood ren – auch wenn sie sich im Fall des vorlie- gekommen und gerade verfügbar waren. Art Art Pepper genden Albums aufdrängt. Wobei ... was be- Pepper schildert in seinem Erinnerungen den Meets The Rhythm Section deutet Unglück? Nimmt man die wiederkeh- Zustand der Leere, der den völlig unvorberei- (Jazz Images 38033/MV) renden Widrigkeiten des Alltags, die einem teten Saxophonisten im Angesicht der drei hochtalentierten Musiker das Leben be- schwerten, als Massstab, so war Art Pepper nicht immer ein glücklicher Mensch. Aus schwierigen Familienverhältnissen stammend, die hier nicht weiter ausgebreitet werden müssen, startete der 1925 geborene Saxo- phonist im Alter von siebzehn Jahren seine Laufbahn bei Benny Carter und Stan Kenton. In den 1950er-Jahren galt er bei vielen als ­ einer besten Altsaxophonisten des Jazz. In der Down-Beat-Leserwahl des Jahres 1952 wurde er nur von Charlie Parker, einem ande- ren tragischen Jazzhelden, geschlagen. Der aus Kalifornien stammende Pepper war meist an der amerikanischen Westküste tätig und wurde mit der dortigen ”unterkühlt” wirken- den Jazzspielart in Verbindung gebracht. Frei- lich überwand er diese West-Ost-Dichotomie in seiner Kunst, wie gerade die Aufnahmen für ”Art Pepper Meets The Rhythm Section” aufs Schönste zeigen. Peppers Dasein als Musiker wurde durch wiederholte Gefängnis- aufenthalte unterbrochen, die durch seine Heroinsucht bedingt waren. In San Quentin formte er eine Zuchthausband, der u. a. mit Frank Morgan ein weiterer Saxophonist, der Trompeter Dupree Bolton und der Schlagzeu- ger Frank Butler angehörten, eine Traumbe- setzung ”verlorener Seelen”, die leider nie auf- genommen worden ist. Am 19. Januar 1957 ging es Pepper nicht gut. Die Aufnahmesitzung, die das Al- bum ”Art Pepper Meets the Rhythm Section” ergeben sollte, begann ”auf die denkbar schlechteste Art”, wie der Produzent Lester Koenig schrieb. Pepper hatte, wie er in sei- ner Autobiographie festhält, sein Saxophon während sechs Monaten nicht angerührt. Dies

JNM_03_20_63_Trouvailles.indd 63 26.04.20 18:51 Farewells Hal Willner, 1956–2020 folg und kehrte nach nur drei Monaten nach New Orleans zurück. In der Lobby im inzwischen zum Er sei einer der wenigen gewesen, die das Motel ausgebauten Geschäft des Vaters fand er Amerikanische der amerikanischen Musik eine für ihn passende Bühne und gleichzeitig be- erkannten und die inneren Zusammenhänge gann er am New Orleans Center for the Creative mit der Aktualität aufzeigen konnten. Die- Arts zu unterrichten. Mit seinem vollen, strahlenden ses Zitat stammt vom Living Color-Gitarris- Spiel und seinem enzyklopädischen Wissen über ten Vernon Reid, der auf verschiedenen von die Geschichte des Piano-Jazz beeindruckte er Ge- Willners abenteuerlichen Tribute-Projekten nerationen junger Musiker. beteiligt war. Am 1. April verstarb er im Alter von 85 Jahren in- Geboren in Philadelphia zog es Willner im Alter von folge einer Covid-19-Infektion. Christof Thurnherr 18 Jahren nach New York City, wo er erste Erfah- rungen unter den Flügeln von Joel Dorn, Produzent Bill Withers, 1938–2020 von Alben für Bette Midler und Roberta Flack, sam- melte. Seine Faszination für die Tradition der popu- Mit Hits wie ”Ain't No Sunshine”, ”Just the lären Musik liess ihn bereits 1980 ein erstes bahn- Two of Us” oder ”Lean on Me” erlangte Bill brechendes Projekt realisieren, eine Neuinterpreta­ Withers Anfang der 1970er-Jahre Weltruhm. tion der Kompositionen von Nino Rota aus Filmen Dann zog er sich fast komplett aus der von Federico Fellini, durch eine illustre Schar an Öffentlichkeit­ zurück. Musikern – von Carla Bley und Wynton Marsalis bis ”Ich bin im Zeitalter von Barbra Streisand, Aretha Jarrett zu nennen, das durch Garbarek und den Debbie Harry. Weitere Alben folgten, beispielsweise Franklin und Nancy Wilson aufgewachsen. Das war Bassisten Palle Danielsson vervollständigt wurde zur Musik aus Disney-Filmen, von Monk, Mingus, eine Zeit, als eine fette, hässliche Tussi, die singen und von dem auf ECM zwei Studioalben (”Belon- oder mit alten Piratenliedern. Und immer wählte er konnte, noch wertgeschätzt wurde. Jetzt geht alles ging”, ”My Song”) sowie drei Konzertmitschnitte die mitwirkenden Musiker ebenso eklektisch wie um Image. Das hat keine Poesie. Es ist einfach nicht (”Nude Ants”, ”Personal Mountains”, ”Sleeper”) er- die Themen und vereinte auf Tonträgern John Zorn meine Zeit”, erklärte Withers dem ”Rolling Stone” schienen. Aber nicht vergessen sollte man auch das mit Peter Frampton, Tom Waits mit Charlie Haden, einmal seine Entscheidung, sich zurückzuziehen. Garbarek/Stenson Quartet (ebenfalls mit Daniels- Sun Ra mit Los Lobos, oder Henry Rollins mit Dia- Seit 1985 lebte der Musiker privat in den Bergen son) mit seinen zwei wunderbaren Studioalben manda Galás. Nicht zu vergessen ist sein langjähri- von Los Angeles, nur 2015 trat er ausnahmsweise ”Witchi-Tai-To” und ”Dansere”. Dann ist Christen- ges Engagement in der wöchentlichen Show "Sa- noch einmal kurz auf, bei seiner Aufnahme in die sen auch auf dem ersten Album des von Ebernhard turday Night Live", deren Sketches er mit treffender Rock and Roll Hall of Fame. Am 30. März ist Wi- Weber geleiteten Quartetts Colours (”Colours”) zu musikalischer Untermalung bereicherte. thers im Alter von 81 Jahren in Los Angeles an hören und auf dem Album ”Solstice” des Gitarris- Die Todesursache des erst 64-Jährigen sei nicht Herzbeschwerden gestorben, wie seine Familie mit- ten . Die unberechenbare Seite des eruiert, aber die Symptome würden in eine traurige teilte. pd älteren Christensen kommt z. B. besonders schön Richtung deuten, heisst es aus dem familiären Um- zur Geltung auf dem 1997 eingespielten Trio-Al- feld des Verstorbenen. Christof Thurnherr Jon Christensen, 1943–2020 bum ”War Orphans” des Pianisten Stenson sowie auf Ketil Björnstads Konzeptalbum ”The Sea II”, das Obwohl er weder als Bandleader noch als ein Jahr später entstand. Tom Gsteiger Ellis Marsalis, 1934–2020 Komponist in Erscheinung trat, hatte Jon Noch mit über 80 Jahren war er eine ein- Christensen einen enormen Einfluss auf die Lee Konitz, 1927–2020 drückliche Erscheinung auf der halbhohen Entwicklung des Jazz nach 1970. Dank der Bühne des Snug Harbor Jazz Bistro in New Edition of Contemporary Music (ECM) ist Der Altsaxophonist Lee Konitz ist am 15. Orleans. sein wirkungsmächtiges Schlagzeugspiel auf April in New York im Alter von 82 Jahren ­ unzähligen Alben dokumentiert. Am 18. Feb- an den Folgen einer Ansteckung mit dem ruar 2020 starb Christensen in Oslo, wo er Corona-Virus gestorben. Mit ihm verliert der am 20. März 1943 auf die Welt gekommen Jazz einen der einfallsreichsten Improvisa­ war. tionskünstler aller Zeiten. In einem kurzen Nachruf, den er auf seiner Websei- Auf die Frage, ob er ein Lieblingsalbum von sich te veröffentlichte, hatte Ethan Iverson grosses Lob selbst habe, nannte mir Lee Konitz im Jahre 2004 für Jon Christensen parat: Er sei der erste europäi- ohne langes Zögern das Album ”Motion”. Auf die- sche Schlagzeuger gewesen, der einen massgebli- sem Album von 1961 wird Konitz vom Bassisten chen Einfluss auf amerikanische Kollegen gehabt Sonny Dallas und vom Schlagzeuger Elvin Jones habe. Und in einem Interview meinte Charles Lloyd begleitet. ”Vor den Aufnahmen war ich total nervös. einmal, als er Christensen zum ersten Mal gehört Für mich war Elvin damals der wilde Mann. Aber im habe, habe er gemeint, es handle sich um Jack De- Studio fühlte ich mich vom ersten Ton an in gu- Johnette. ten Händen”, fügte Konitz hinzu. Was Christensens Spiel auszeichnet, ist u. a. eine Mischung aus Leichtigkeit und unheimlichem Drive. Er selbst hat sein Spiel als wellenartig bezeichnet. 1960 gewann Christensen einen Preis an einem Amateurfestival. Rund ein Jahrzehnt später gehörte er zur progressiven Speerspitze des europäischen Der ehemals grosse Mann mit den riesigen Schu- Jazz. 1970 nahm er an der Seite des Saxophonisten hen sass etwas bucklig hinter dem Piano, doch sei- Jan Garbarek das avantgardistische Album ”Afric ne Rechte wieselte noch immer flink über die Tas- Pepperbird” auf, das zu den herausragenden Eman- ten, während seine Linke locker wippende Akkorde zipationserklärungen des Euro-Jazz gehört (ver­ daruntersetzte. Im überschaubaren Lokal an der vollständigt wird die Band auf diesem Album durch Frenchman Street spielte Ellis Marsalis seit den den Gitarristen Terje Rypdal und den Bassisten Ar­- frühen 1980er-Jahren jeden Freitagabend zwei ild Andersen). Erschienen ist ”Afric Pepperbird” auf Sets, meist ein paar Stücke im Quartett, bevor er der 1969 von Manfred Eicher ins Leben gerufenen sich dann aufs Begleiten konzentrierte und die Edition of Contemporary Music (ECM). Es war die ­Bühne wechselnden Sängerinnen überliess. siebte Veröffentlichung auf ECM und aufgenom- Marsalis' Stern war relativ spät aufgegangen, ei- men wurde es von dem im letzten Jahr verstorbe- gentlich erst gegen Ende der 1970er-Jahre, nach- nen Toningenieur Jan Erik Kongshaug. Von diesem dem Wynton, der berühmteste seiner sechs Söhne Zeitpunkt an gehörte Christensen zum festen Kern die Jazz-Welt zu teilen begann. Doch Ellis war mehr der ECM-Mannschaft. Gemäss dem Diskographen Tatsächlich zählt ”Motion” zu den Sternstunden als die Touristenattraktion, als die er sich in seinen Tom Lord war Christensen an 171 Aufnahmesitzun- unklischierter und spontaner Improvisationskunst letzten Jahren in seiner Heimatstadt vermarkten gen beteiligt, ein Grossteil davon sind ECM-Auf- ohne Netz und ohne doppelten Boden (1996 nahm liess. Als er 1934 das Licht der Welt erblickte, war nahmen. Konitz mit Ron McClure und Billy Hart die CD ”It’s sein Vater einer der ersten Schwarzen, die ein ei­ Als zugleich einfühlsamer und draufgängerischer You” auf, die man als Fortsetzung von ”Motion” be- genes Geschäft – eine Tankstelle – betrieben. Da Schlagzeuger hatte Christensen einen massgebli- trachten kann). Wenn es um das Improvisieren Musik in der Volksschule nicht auf dem Lehrplan chen Einfluss auf die Dynamik, die Energieflüsse, ging, hatte Konitz sehr hohe Ansprüche – die meis- stand, wurde Ellis auf eine katholische Musikschule die Groove-Intensität dieser Aufnahmen – wobei er ten Jazzmusiker waren für ihn keine echten Im­ geschickt. Er interessierte sich für die Klarinette, sein Spiel im Laufe der Jahre immer unberechen­ provisatoren, sondern Licks-Spieler. Diese hohen musste die Schule allerdings bald verlassen, da barer wurde, aber auch an technischer Raffinesse Ansprüche übernahm Konitz von seinem Lehrmeis- "das Praktizieren von Jazz" nicht toleriert wurde. einbüsste. Ob diese Entwicklung mit seinem Alko- ter Lennie Tristano. Später an der lokalen Dillard University wechselte holproblem zu tun hatte, darf zumindest vermutet Ab der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre begann der

er an das Piano, nach dem Abschluss versuchte er werden. In den 1970er-Jahren gehörte Christensen blinde Pianist musikalische Jünger um sich zu : PD/ZVG sein Glück an der West Coast. In Los Angeles traf er zu einer Reihe bahnbrechender Gruppen. An erster scharen, um ihnen seine Vision von Improvisations- o

auf Ornette Coleman, hatte selbst aber wenig Er- Stelle ist das European Quartet des Pianisten Keith kunst in strikten Lektionen zu vermitteln – dabei F tos ­64 JAZZ

JNM_03_20_64-67_FW_.indd 64 27.04.20 08:52 Farewells ging es u. a. um die Verinnerlichung von Harmo- nutzen, aber nicht Rot! Ich finde, das war armselig zur Hauptstadt der afrikanischen Musik. Dibango niekadenzen. Konitz und der Tenorsaxophonist und ziemlich primitiv.” verband drei Kontinente, war ”schwarz” in einem Warne Marsh waren die unbestrittenen Meister- Ab den 1980er-Jahren wurde es ruhiger um ihn. neuen Verständnis und vermochte allen Stil-Moden schüler Tristanos: Sie haben mit ihm, aber auch Bis zuletzt war er als Dirigent unterwegs, nicht nur zu trotzen, weil er unvergleichlich eigenständig war. ohne ihn viele gemeinsame Aufnahmen gemacht, eigener Werke. Zahlreiche Konzerte und Sinfonien Am 24. März starb Dibango als eines der ersten die von einem nie versiegenden Einfallsreichtum entstanden, acht insgesamt an der Zahl. Kammer- prominenten Corona-Opfer der Musikwelt, kurz vor in der Auseinandersetzung mit Standards-Formen musik rückte in den Fokus, genau ausgehörte Mu- seiner Farewell-Tournee, die bis 2021 hätte dauern zeugen. Parallel zu den Aktivitäten mit Tristano ge- sik, nicht mehr auf Effekt bedacht. Daneben wid­ sollen. Ruedi Ankli hörte Konitz zwischen 1948 und 1950 zu einem mete er sich intensiv seinem Arboretum, einem Nonett, das von Miles Davis geleitet wurde und Park mit über 1'500 Bäumen. Little Charlie Baty, 1953–2020 dessen Aufnahmen als ”The Birth of the Cool” in die Und ja, er mochte den Jazz. 1971 komponierte er Jazzgeschichte eingegangen sind. Dass er das zusammen mit Don Cherry für die Donaueschinger Baty feierte seine grössten Erfolge mit sei- fragwürdige Etikett Cool Jazz nie richtig los wurde, Jazzsession die ”Actions”. Mit dabei an diesem ner Band Little Charlie & The Nightcats, mit kommentierte Konitz einst mit einem Bonmot: denkwürdigen Anlass war das New Eternal Rhythm welcher er zwischen 1987 und 2008 neun ”Ich könnte in der Hölle schmoren und man würde Orchestra mit einer Topbesetzung, geleitet von Alben auf Alligator Records veröffentlichte mich immer noch cool nennen.” ­Penderecki selber. Thomas Meyer und intensiv weltweit tourte. Tatsächlich stellt Konitz' Spielweise, die im Laufe Baty wurde am 10. Juli 1953 in Birmingham, Ala- der Jahre sparsamer und spröder (also gewisser- bama, geboren und zog im Alter von acht Jahren Manu Dibango, 1933–2020 massen essenzieller) wurde, eine Alternative dar nach San Francisco. Er begeisterte sich für den zur bluesigen Expressivität eines Charlie Parker (ge- ”Ma-ma-ko-ma-ma-sa-ma-ma-makossa!” Blues, begann zuerst Harmonica, dann Gitarre zu rade weil Konitz Parker bewunderte, versuchte er Mit dieser Silben-Spielerei über den Makos- spielen, und liess sich von B.B. King und Buddy Guy nie, ihn zu kopieren). Doch kühl oder gar unterkühlt sa-Rhythmus seines Heimatlandes Kamerun inspirieren. 1975 traf er in Sacramento den Sänger im Sinne von emotionslos ist Konitz’ Spielweise ist Manu Dibango in die Musikgeschichte und Bluesharper Rick Estrin, mit dem er seine mitnichten: dafür ist sie viel zu fokussiert und kon- eingegangen. Nightcats gründete, welche auf der lokalen Szene zentriert. Abgesehen von einem hochkarätigen No- Der ”Makossa Man” wird mit ”Soul Makossa” ge- sofort Aufsehen erregten. Batys flüssige, varianten- nett in den 1970er-Jahren trat Konitz kaum je als nauso identifiziert wie ein mit ”Georgia reiche Gitarrenläufe ergänzten sich hervorragend veritabler Bandleader in Erscheinung, sondern ze­ on my Mind”. Aufgenommen hat er den Song 1972 mit Estrins packendem Harp-Spiel. Eines seiner lebrierte seine Improvisationskunst in zahlreichen als B-Seite einer 45-Touren-Single anlässlich des grössten Komplimente bekam Charlie von keinem Ad-hoc-Konstellationen. Bei einem Auftritt im Bird- 8. Afrikanischen Nationen-Fussballcups. Das Heim- Geringerem als John Lee Hooker, der augenzwin- land in New York mit Brad Mehldau, Charlie Ha- team Kamerun schied im Halbfinal gegen den Kon- kernd meinte: ”You’re dangerous with that guitar, den und Paul Motian entstand 2009 eine Art hoch- go aus, aber der Song wurde in den USA im Soge man. They gonna put you in jail!” 2008 beschloss gradig fokussierter und enigmatischer Geisterjazz der ”Black is Beautiful”-Welle ein Nummer-1-Hit. Baty, müde des Tourneestresses, kürzer zu treten (Konitz, Haden und Mehldau hatten über ein Jahr- 1974 trat Dibango im Apollo Theater vor 40'000 und Estrin die Band zu überlassen. zehnt zuvor bereits zwei sublime Trio-Einspielungen Leuten auf und wurde definitiv zum Weltstar. Mi- Die folgenden Jahre lotete er die jazzige Seite des realisiert). chael Jackson klaute ihm übrigens das Motiv des Blues aus und trat mit seinem Trio Little Charlie & Der Hartnäckigkeit des britischen Journalisten Songs für seine epochale ”Thriller”-CD. Der Erfin- Organ Grinder Swing auf, begleitete Kollegen, wie Andy Hamilton verdanken wir den hochgradig auf- der der Disco-Music jedoch war Dibango, mit zehn , Duke Robillard, Kim Wilson und schlussreichen Interviewband ”Conversations on Jahren Vorsprung auf den Rest der Welt. Anson Funderburgh, und veröffentlichte 2017 das the Improviser’s Art”, in dem Lee Konitz über sein Soloalbum ”Skronky Tonk” (Ellersoul Records). Am Schaffen, seine ästhetischen Vorlieben, seine Art 6. März verstarb der Gitarrist Little Charlie Baty an des Improvisierens etc. Auskunft gibt. Sinngemäss Herzversagen. Marco Piazzalonga sagt er an einer Stelle: Um unvorbereitet zu sein, brauche es sehr viel Vorbereitung. Dieses Paradox Susan Weinert, 1965–2020 ist die Quintessenz von Konitz’ Jazzphilosophie: Maximale Spontaneität lässt sich nur dann errei- Müsste die deutsche Gitarristin Susan Wei- chen, wenn man seine Hausaufgaben gemacht hat. nert mit nur einem Wort beschrieben wer- Tom Gsteiger den, wäre ”strahlend” sicher passend. So wunderbar sympathisch, meistens bestens Krzysztof Penderecki, 1933–2020 gelaunt, immer ernsthaft und fokussiert, wenn es um ihre Musik ging, das war Susans Er war kein Mann der zarten Töne, zog viel- Ausstrahlung. Doch genauso fokussiert wie mehr kräftige Striche und baute massige auf der Bühne war die Musikerin im Ge- Klanggebilde auf. Damit wurde Krzysztof spräch mit Fans, der Presse oder mit Schü- Penderecki, der am 29. März in Krakau ver- lern bei den unzähligen Masterclasses, die storben ist, rasch berühmt. 1959 gewann der sie gegeben hat. junge Geiger und Komponist, geboren 1933 1965 im saarländischen Neunkirchen geboren, in Dubica, gleich alle drei ersten Preise beim machte Susan erst eine Lehre zur Zahnarzthelferin, Warschauer Kompositionswettbewerb. Im Der 1933 in einer protestantischen Familie in Dou- bevor sie den mutigen Schritt zur Profimusikerin Jahr darauf erklang ”Anaklasis” für Strei- ala geborene Dibango reiste 1949 per Schiff nach wagte. Sie wurde zum Vorbild vieler Frauen, denn und Perkussion bei den Donaueschinger Frankreich, wo er die Matura machen sollte. Im Ge- Susan Weinert war Ende der 1980er-Jahren noch Musiktagen und musste wiederholt werden päck hatte er drei Kilo Kaffee für seine Gastfamilie, eine der wenigen Instrumentalistinnen, die mit ih- – eine Seltenheit an diesem Ort. was den Titel seiner 1995 erschienenen Autobio- rer eigenen Band auf Tour waren. Die rauen, geräuschgeladenen Klangflächen fanden graphie ”Trois kilos de café” erklärt. Das Diplom Von Anfang an immer dabei und fast symbiotisch viele Nachahmer, etwa im Film. Seine Musik war schaffte er im zweiten Anlauf, denn er entdeckte die verschmolzen war Ehemann Martin, am E-Bass in effektvoll, dramatisch und daher auch operntaug- Musik, lernte zunächst Klavier spielen, dann Saxo- den ersten jazzrockorientierten Trios, später am lich. 1969 brachte er seine Oper ”Die Teufel von phon und Vibraphon. Er tingelte jahrelang durch Kontrabass in den ruhigeren Akustikprojekten. Sus- Loudun” auf die Bühne, die eine sexuelle Massen- Klubs und Landkneipen. Zu seinem Markenzeichen an Weinerts letzte Band, ihr Rainbow Trio mit hysterie im Nonnenkloster thematisierte. Kirchliche gehörte vor allem das wuchtige Saxophon, zu sei- ­Martin am Kontrabass und Sebastian Voltz am Kla- Kreise reagierten entsetzt. Dabei waren sie zuvor nen grossen Vorbildern zählte er Charlie Parker, vier, war ebenfalls eine akustische Besetzung. Im von seiner ”Lukas-Passion” so begeistert gewesen. Louis Armstrong und Duke Ellington. Er zog in den Herbst hatten die drei noch ein neues Album, ”Der Mit diesem eindringlichen Oratorium habe er der Sechzigerjahren nach Belgien, wo er seine Frau Baum vor meinem Fenster” eingespielt, das im Ok- unterdrückten katholischen Kirche im kommunis­ Coco kennenlernte und im Kontakt mit kongolesi- tober erscheinen wird. tischen Polen eine Stimme geben wollen, sagte schen Musikern tief in die afrikanische Musik ein- Im Sommer konnte man das Trio am Jazzbaltica Penderecki später. Zu seinen Freunden aus früher tauchte. Festival sehen, das Publikum war verzaubert von Zeit gehörte Karol Wojtyla, zu dessen Papstwahl Ende des Jahrzehnts kehrte er nach Frankreich zu- der magischen Musik der drei Instrumentalisten. 1978 er ein ”Te Deum” schrieb. Mit einem ”Lacri- rück, wo er Dick Rivers und Nino Ferrer begleitete. Susan sah immer glücklich aus, wenn sie das ma- mosa” wiederum reagierte er auf die Verhängung Gleichzeitig nahm er seine ersten Singles für den chen konnte, was sie am meisten liebte: Musik auf des Kriegsrechts 1981. französischen Markt auf, viel wichtiger waren aber der Bühne. Sah man sie, war das Instrument zweit- Mit bruitistischen Clustern, grellen Akzenten oder die Platten, die er für den erst in den Anfängen ste- rangig, Gitarre war nur das Mittel zum Zweck – auch witzigen Volten entzückte er die Avantgarde, henden afrikanischen Musikmarkt einspielte. Er ohne Zweifel hervorragend gespielt und ausgetüf- erregte jedoch bald Argwohn, denn schon seine verfügte über zwei verschiedene Repertoires, eines telt im Sound –, aber doch ”nur” ein Vehikel, um Passion enthielt Dur-Akkorde. Und als er 1977 mit für Afrika, eines für Europa, wo er als ”Négropoli- ihre traumhaften und oft hochkomplizierten Kom- seinem Violinkonzert bewusst eine Wende hin und tain” galt. Seine verschiedenen Retouren nach Afri- positionen auszudrücken. zurück zur Romantik und zur Tonalität einleitete, ka waren jeweils von finanziellen Pleiten begleitet, Am 2. März ist Susan Weinert im Alter von 54 viel wurde er als ”Verräter der Avantgarde” beschimpft mehr als einmal wurde ihm auch eine giftige zu früh an einer Krebserkrankung verstorben. Mei- – was er sichtlich genoss. ”In der Zeit der Zwölf­ Schlange in sein Schlafgemach gelegt. Dibango ne Gedanken und mein Mitgefühl gehen an Martin, tontechnik durfte man keinen reinen Dreiklang be- war ein einzigartiger Vertreter einer neuen, nicht in der mit Susan nicht nur sein ganzes musikalisches nutzen. Das ist so idiotisch. So hätte man etwa ei- der Folklore stehen gebliebenen Afro-Musik, und Leben verbracht hat, sondern auch 30 Jahre ver­ otos : PD/ZVG

F nem Maler sagen können: Du darfst alle Farben be- Paris wurde in den Achtzigerjahren auch dank ihm heiratet war. Angela Ballhorn ­65 JAZZ

JNM_03_20_64-67_FW_.indd 65 27.04.20 08:52 Farewells den Rhythmusgruppen und Solisten wie Joe Hen- sprechen. Er schöpfte aus dem Anekdoten-Schatz derson, Wayne Shorter, Azar Lawrence, John Blake, seines Jazz-Erlebten: Und es war manchmal, als Mike Brecker und Bobby Hutcherson. Nach 2000 würde man eine helvetisch-deutsche Variante des begannen sich gesundheitliche Probleme zu mel- berühmten Amerikaners Nat Shapiro hören, der im den. Sein grosser Erfolg hielt an, bis er in jüngerer Buch ”Hear me talkin’to ya” aus dem Leben der US- Zeit aus gesundheitlichen Gründen seine Energie Jazzmusiker und ihrer Innensicht berichtet hatte. verlor und kürzer treten musste. Geier war dabei auch immer mehr als nur Jazzmu­ Aus Tyners Leben gibt es nichts Ausserordentliches siker. Er war ein Belesener. Bei sich zu Hause in zu berichten. Als Teenager konvertierte er zum Is- Winterthur stand das Gesamtwerk etwa von Rudolf ler

l lam und trug vorübergehend den Namen Sulieman Steiner; der Begründer der Anthroposophie prägte ü Saud. Er war ein mystischer, sozial gesinnter und den Kontrabassisten wesentlich. geradezu demütiger Mensch, der nie jemandem K.T. Geier verstarb am 21. März unvermittelt, nach- indm seinen Respekt verweigerte. Die Zeit bei Coltrane dem er sich bei einem Sturz eine Kopfverletzung W hatte ihn bleibend geprägt: ”Tatsächlich, ich habe zugezogen hatte. Christoph Merki wee in einer grossartigen Band gespielt, die wie eine ee

: Person funktionierte. Da waren auf der Bühne nicht Wallace Roney, 1960–2020 vier, die jeder sein eigenes Ding machte. Alles McCoy Tyner, 1938–2020 oto F musste P in Bezug zum Ganzen stehen. Für mich ist Nur 59-jährig wurde der afrikanisch-ameri- Am 2. März ist McCoy Tyner, einer der be- es eine wunderbare Art, nicht nur so zu denken, kanische Trompeter Wallace Roney am 31. deutendsten Jazzpianisten und Komponis- sondern sich auch entsprechend zu verhalten – Zu- März ein Opfer einer Covid-19-Infektion. ten, 81-jährig in New Jersey verstorben. Ty- vorkommenheit ins Leben und in die Gesellschaft Roney wuchs in Philadelphia in einer bürgerlichen ner war nicht nur mit dem ”John Coltrane zu bringen, damit man sich selbst in Verbindung Familie auf und früh wurde seine Begabung erkannt Quartet” (1960–1965) Teil eines absoluten mit anderen Menschen sieht. Was ich tue kann Ein- und profund gefördert. Bereits als Mittelschüler Jazz-Höhepunkts. Ein ähnlich einflussrei- fluss auf andere haben, denn wir müssen uns be- machte er in den 1970er-Jahren Jazz-Aufnahmen, cher Pianist war in den letzten 50 Jahren nur wusst sein, dass wir nicht autonom funktionieren.” erhielt klassischen Unterricht von einem Trompe- noch Bill Evans. Man kann regelrecht unter- Jürg Solothurnmann ter des Baltimore Symphony Orchestra, spielte mit scheiden zwischen dem Jazzklavier vor und dem Philadelphia Brass Ensemble und absolvierte nach Tyner. Alle, auch sehr Prominente wie Karl Theodor ”K.T.” Geier, 1932–2020 eine vollständige Musik-Ausbildung an der Howard Herbie Hancock und Chick Corea, waren sei- University und am Berklee College in Boston. Roney ne Schüler. Ein grosser Anreger der Zürcher Musikszene. nahm auch Unterricht bei Clark Terry und Dizzy Gil- Wie Coltrane und viele andere namhafte Jazzmusi- Es waren die Zeiten, als viele Jazzmusiker lespie und später bei Miles Davis. ker wurde Tyner in der damals sehr lebendigen hierzulande noch ohne akademischen Ruck- Szene Philadelphias gross. Mit 13 begann er Kla- sack auskamen, als man vielleicht an einer vier zu spielen und studierte später an der Temple Universität oder technischen Hochschule, University. Von 16 an hatte er bereits Engagements nicht eigentlich aber Jazz studierte – und und begann mit 17 mit Coltrane zu jammen. Wich- doch wollten diese Jung-Akademiker und tige Impulse erhielt er auch von seinen Nachbarn, Jung-Musizierenden vor allem Jazz spielen, den Pianisten Bud und Richie Powell. Zu seinen Fa- in diesem Feld weiterkommen. Und lange voriten gehörten auch Monk und Art Tatum. 1959 hiess da die erste Lern-Adresse im Gross- wurde er Mitglied des Art Farmer–Benny Golson raum Zürich: Karl Theodor Geier. Kurz: Jazztet; sechs Monate später holte ihn Coltrane ”K.T.” (nachdem er Steve Kuhn gekündigt hatte) ins neue Die halbe heutige Deutschschweizer Jazz-Szene Quartett mit Jimmy Garrison und Elvin Jones. Col- war seit den 1970er-Jahren bei K.T. Geier in Work- trane hatte Tyners Talent früh erkannt und erklärte, shops, wöchentlich stiegen seine Eleven Mittwochs er entspreche seinen Absichten am besten. Tyners oder Donnerstags die Stiegen hinunter in den Spielweise habe ”etwas Mysteriöses”: ”Er spielt ein ”Bazillus”-Club an der Ausstellungsstrasse beim paar Sachen, von denen ich nicht weiss was sie Zürcher Hauptbahnhof. Unten umfing einem die sind.” Den 13 Jahre jüngeren Pianisten behandel- Dunkelheit eines Jazzkellers. Und auch der swin- Schon Ende der 1970er-Jahre arbeitete Roney mit te er von Anfang an ebenbürtig und liess ihm viel gende Kontrabass von K.T. Geier, der von seinem Abdullah Ibrahim. Aber erst von 1986 an fasste er Spielraum, wie bereits auf ihrer ersten gemeinsa- Instrument jahrzehntelang seine Workshops diri- in der Szene richtig Fuss. Für mehrere Jahre wurde men Impulse-Platte ”Coltrane” zu hören. So ent- gierte. er ein festes Mitglied der Band von Tony Williams, stand hochenergetische symbiotische Zusammen- und im selben Jahr löste er Terrence Blanchard bei arbeit. den Jazz Messengers ab. Zu Blakey kehrte er wie- Wie der finnische Gitarrist Sami Linna in einer Dis- derholt zurück, am Schluss (1987) in der Funktion sertation analysiert, fand die wesentliche Entwick- als musikalischer Leiter. 1987 entstand auch ”Ver- lung von Tyners Stil in der Periode bei Coltrane ses”, seine erste Platte als Leader. Er arbeitete in der (1960–65) statt. Aufbauend auf die Blues- und Folge häufig mit einer eigenen Band, wurde aber Bebop-Tradition absorbierte Tyner Einflüsse von sehr auch oft von anderen Postbop-Musikern enga- Komponisten wie Debussy und Strawinsky und von giert. Roney Aufnahmen sind auf den Labels Muse, afrikanischer Musik und hatte früh die neue moda- Warner Bros. Concord und am Schluss High Note le Spielweise zu entwickeln begonnen mit penta­ erschienen. ”A Place in Time” (2016) und ”Blue tonischer Melodik und in Quarten geschichteten Dawn - Blue Nights” (2019) sind seine letzten CDs. Akkorden. Beide lassen ohne Terzen offen, ob die Interessanterweise verblieb Roney meistens quasi Tonalität Dur oder Moll ist und erlauben Interpre­ in einer Aspiranten-Rolle. 1979 und 1980 erhielt er tationsfreiheit. Dazu kam Tyners Marimba-artiger den Down Beat Award als Bester junger Musiker Power-Anschlag mit rhythmisierten Pedaltönen der des Jahres und zehn Jahre später kürten ihn die linken Hand. Mit dem ”inside-outside”-Spiel Coltra- Ein ”Learning by Doing” war es: Geier hielt nicht viel Kritiker zum ”Best Trumpeter to Watch”. Roney nes und Tyners wurde die tonale Mehrdeutigkeit von theoretischen Erwägungen. Spiel, oder lass es war auch von Trompetern beeinflusst wie Clifford noch weiter getrieben. Tyner begann gegen die Pe- bleiben, könnte seine Losung geheissen haben. Brown und Woody Shaw, aber blieb vor allem un- daltöne mit Rechts Dominantakkorde in Form von Und genauso, indem man ganz praktisch Benny überhörbar ein Fan des mittleren Miles Davis. Die- Patterns schrittweise zu verschieben und so stän- Golsons ”Stablemates” oder Horace Silvers ”Song ser hatte ihm 1983 eine seiner Trompeten ge- dig aus der Tonalität hinaus- und wieder hineinzu- For My Father” spielte, regte K.T. Geier in seinen schenkt und ihn aktiv zu fördern begonnen. In wei- schlüpfen. Workshops unzählige später bekannt gewordene teren Kreisen bekannt wurde Roney als er im Aber noch weiter wollte er schlussendlich nicht ge- Schweizer Musiker an: Heinz Geisser, Elmar Kluth, ­Sommer 1991 beim Jazz Festival Montreux teil­ hen. Als Coltrane die Intensität nochmals steiger- Matthias Ziegler, Bernhard Schoch und viele ande- weise für Davis einsprang, denn Davis, der noch mit te, Instrumente verdoppelte, kollektiv improvisieren re mehr. Bis in die jüngsten Tage auch nachstos­ dem Gil Evans Orchestra und der George Gruntz liess und in Richtung freier Tonalität tendierte, kün- sende Musiker der jüngsten Generation wie den Pi- Concert Jazz Band auftrat, war bereits schwer digte Tyner 1965 in aller Freundschaft, und erklär- anisten Javier Leutenegger oder den Drummer Sa- krank († 28.09.1991). An der Seite von Wayne te später: ”Ich hörte nur viel Lärm. Ich konnte kein mir Böhringer. Shorter, Herbie Hancock, Ron Carter und Tony Wil- Gefühl für diese Musik entwickeln, und wenn ich K.T. war eine Zürcher Ein-Mann-Institution. Seine liams übernahm er Davis‘ Rolle auch in der Memo­ kein Gefühl habe, dann spiele ich nicht.” Schüler wussten, wen sie vor sich hatten. Der 1932 rial Band. Seit damals galt Roney als Davis‘ Thron- Obschon er bereits in der Zeit bei Coltrane mit eige- in Köln geborene Musiker hatte US-Musiker wie folger, blieb aber meistens bei solidem Hard- und nen Platten auf sich aufmerksam gemacht hatte, oder Dexter Gordon begleitet, arbeite- Postbop und entwickelte nie eine vergleichbare folgte nach seinem Austritt eine Durststrecke, und te seit den 1960er-Jahren in der Schweiz, musi- ­Kreativität. er nahm jeden Job an, sogar als Begleiter von Ike & zierte mit der Elite des Schweizer Jazz wie George Bis Mitte der 2000er-Jahre war Roney mit der mu- Tina Turner. Doch von 1967 an etablierte er sich Gruntz, hatte bei der DRS-Bigband zehn Jahre die sikalisch wohl bedeutenderen Pianistin und Musik-

international immer mehr als Leader eigener Bands. Basssaiten gezupft. wissenschafterin Geri Allen (1957–2017) verheira- : PD/ZVG Anfänglich in kurzen Abständen, präsentierte er Und wenn er seine Workshops damit endete, dass tet. Wallaces jüngerer Bruder ist der Tenorsaxo­ o

nebst seinem festen Trio Aufnahmen mit wechseln- er noch in die Beiz wollte, dann begann K.T. Geier zu phonist Antoine Roney. Jürg Solothurnmann F tos ­66 JAZZ

JNM_03_20_64-67_FW_.indd 66 26.04.20 18:52 Farewells Adolf ”Buddha” Scheidegger, von Aufnahmen mitgewirkt, freilich vielfach ohne Der Bassist Andy González (*1951) verstarb am 1940–2020 dass sein Name auf den Covers erschien. 8. April in New York. Der Sohn puertoricanischer Seine Sporen verdiente sich Pizzarelli in einer Einwanderer gründete 1964 zusammen mit seinem Adolf ”Buddha” Scheidegger war ein Multi- Dance Band ab, 1952 wurde er Studiomusiker beim Bruder, dem Trompeter Jerry González (1949- talent. Neben seiner beruflichen Laufbahn Sender NBC, zwölf Jahre später Mitglied der To- 2018) das ”Latin Jazz Quintet”, aus dem 1979 die als Oberrichter brillierte er als Jazzpianist in night Show Band. Als die Tonight Show 1972 von populäre langlebige ”Fort Apache Band” wurde. Mit diversen Formationen. New York nach Kalifornien verlegt wurde, blieb Piz- seinem perkussiven Powerstil war Andy ein Motor 1940 geboren und aufgewachsen im St.Galler zarelli aus familiären Gründen im Big Apple und des neuen Latin Jazz. Er arbeitete u. a. mit Mongo Rheintal, besuchte er das Gymnasium im Internat verlegte sich vermehrt auf die Clubszene der Stadt, Santamaria, Ray Baretto, Eddie Palmieri, aber auch in Schiers, absolvierte die Matur und anschlies- wodurch sich auch sein Bekanntheitsgrad vergrös- Dizzy Gillespie und Arturo O'Farrill. Mit der ”Grupo send sein Studium der Jurisprudenz in Zürich. Es serte. Dabei kam ihm seine Vielseitigkeit zugute: Folklorico Y Experimental” probierte er neue Kom- folgte eine klassische Juristenkarriere, vom Auditor Er war solo zu hören (wobei er auf seiner besonde- binationen von modernem Jazz und lateinamerika- und Gerichtsschreiber bis zum Staatsanwalt und ren siebensaitigen Gitarre selbst eine begleitende nischer Musik aus. Präsident der zweiten Strafkammer des Zürcher Basslinie spielen konnte), als Leader eigener Klein- Obergerichts, bis er Ende 2003 in den Ruhestand gruppen, aber auch als Begleiter von Jazzgrössen Richard Teitelbaum (*1939) verstarb am 9. April trat. wie Zoot Sims oder Bud Freeman. Als besondere in Kingston NY an einem Schlaganfall. Der Kompo- Für seinen Übernamen lieferte er denen, die danach Auszeichnung ist es zu werten, dass auch die Gei- nist und Improvisator war ein Pionier des Synthe­ fragten, eine charmante Erklärung: Der erste Grund genlegenden Stéphane Grappelli und Joe Venuti sizers und der Live-Elektronik. Er studierte u. a. in dafür sei, dass er als Zwanzigjähriger ungefähr 110 auf seine Dienste zurückgriffen. Während zwei Italien bei Luigi Nono und Goffredo Petrassi und Kilogramm gewogen habe. ”Der zweite Grund ist Jahrzehnten arbeitete er auch immer wieder mit war Mitbegründer des Ensembles ”Musica Elettro- mein sanft abgeklärtes Wesen.” : Bis zu Goodmans Tod 1986 ge- nica Viva”. Er befasste sich auch mit Weltmusik und Abschalten vom Beruf konnte ”Buddha” Scheideg- hörte er öfters dessen Kleingruppen in New York an spielte mit Jazzmusikern wie Anthony Braxton, ger beim Musikmachen, wobei er ein äusserst ta- und bereiste mit ihm viermal Europa. Ab den George Lewis, Karl Berger, , Andrew lentierter Jazzpianist war: Mit der ”swingendsten 1980er-Jahren präsentierte sich der Veteran, der Cyrille und Leroy Jenkins. Band der Schweiz”, den Buddha's Gamblers wurde Django Reinhardt, Freddie Green und George Van er in Europa bekannt und hatte bis vor wenigen Epps als Vorbilder zitiert hat, mit seinem Sohn Der bulgarische Jazzflötist, Komponist und Musik- Jahren noch regelmässig Auftritte. Daneben war er John, der sich einen eigenen Namen als Gitarrist professor Simeon Shterev verstarb 72-jährig am aber auch mit den Swiss Dixie Stompers auf Tour- gemacht hat. Durch den Zuzug von Pizzarellis Sohn 26. März. Nach Anfängen mit dem Akkordeon und nee, trat als Solist und als Buddha's Evening im Martin am Bass wurde das Familienduo bisweilen einem Musikstudium startete er nach 1960 als Duo mit Hans Schläpfer auf und nahm Alben mit zum Trio. Georg Modestin klassischer Interpret. Auch weil in sozialistischen Beryl Bryden, Bill Coleman, Neville Dickie, den Pic- Ländern der Jazz mit einem (proletarischen) Volks- cadilly Six, Benny Waters und den Swiss Dixie musik-Bezug eher toleriert war, gründete Shterev Stompers sowie mit Mike Goetz auf. Inm Me oriam das Folk-Jazz-Quartett ”Fusion'65”, das 1967 am Dem Flügel und seiner Liebe zur Musik blieb er bis ersten Montreux Jazz Festival den Kritikerpreis ge- fast zum Schluss treu. Bekannte von ihm erzählen, Es war eine Sensation, als 2002 der totgeglaub- wann. Die Band begünstigte damals in Jazzkrei- im Pflegeheim habe er in den Tagen vor seinem Tod te Henry Grimes (*1935) auf die Bühne zurück- sen die internationale Entdeckung der speziellen noch Klavier gespielt und das Publikum mit seiner kehrte. Der charismatische Bassist war 1969 in Los Volksmusik Bulgariens und des Balkans. Shterev Musik erfreut. Nun ist das Multitalent Adolf ”Bud- Angeles untergetaucht. Grimes, der nun am 17. blieb als Radio- und TV-Mitarbeiter und Dozent für dha” Scheidegger am 26. Februar, kurz vor seinem April verstorben ist, war zuvor ein gefragter Musi- Flöte über 40 Jahre aktiv und hatte auch Auftritte 80. Geburtstag in Zürich gestorben. pd ker, den ebenso Bennie Goodman und Gerry Mul­ mit Chick Corea, Milcho Leviev, Albert Mangels- ligan engagierten wie Thelonious Monk und neuere dorff und Kenny Wheeler. Bucky Pizzarelli, 1926–2020 Hardbop-Vertreter wie Sonny Rollins. Von Mingus wegen seiner Technik und Neugier gefördert, wur- Mit dem am 21. März verstorbenen Ray Mantilla Nach einer langen musikalischen Karriere, de Grimes zu einem der wichtigsten Bassisten der (*1934) verschwindet eine weitere Leitfigur des die allerdings erst in der zweiten Hälfte un- neuen Free-Szene an der Seite von Albert Ayler, Latin und Afro-Cuban Jazz in NYC. Der in der Bronx ter den Augen der Öffentlichkeit verlief, ist Steve Lacy, Archie Shepp und . Ver- aufgewachsene Schlagzeuger, Perkussionist und der Gitarrist Bucky Pizzarelli im Alter von 94 schiedene Aufnahmen mit Grimes an der Seite bei- Bandleader förderte Fusionen des aktuellen Jazz Jahren verstorben. spielswiese von Cecil Taylor, Don Cherry und Roy mit den afro-kubanischen Traditionen. Mantilla ging Unter den Opfern, welche das Corona-Virus in den Haynes/Roland Kirk gelten heute als Klassiker. mehrere Jahre lang mit Art Blakey international auf Vereinigten Staaten fordert, befindet sich auch der Tournee, spielte aber z. B. von 1960 an auch mit Gitarrist John Paul ”Bucky” Pizzarelli, der am 1. Am Ostermontag verstarb der Gitarrist und Musik- , Max Roach (Freedom Now Suite), April im hohen Alter von 94 Jahren verstorben ist. computer-Spezialist Rio Kawasaki 73-jährig in Mingus (Cumbia & Jazz Fusions), , Joe Abgesehen von seinem Alter, gehörte er nach ei- Tallinn. Der Japaner lebte schon seit 20 Jahren in Farrell, , Dizzy Gillespie und Muhal Ri- nem Schlaganfall und einer Lungenentzündung in Estland und spielte mit dortigen Musikern, am chard Abrams. Er trat solo auf und war besonders den Jahren 2015–2016 zu einer speziellen Hoch­ Schluss mit seiner Fusion-Band ”Level 8”. Kawasaki erfolgreich mit seiner ”Ray Mantilla Space Station” risikogruppe. Das Erstaunliche ist, dass er sich zog 1973 von Tokyo nach NYC, wo er mit Gil Evans und ”The Jazz Tribe”. Seine letzte CD ”High Volta- durch diese Unbill nicht entmutigen liess und Ende (Jimi Hendrix, There Was a Time), Chico Hamilton ge” (Savant), präsentierte er 2017. 2016 wieder spielte. So führte er eine Karriere wei- und Elvin Jones zusammenarbeitete. Auf Tournee mit Joanne Brackeen wurde er auch in Europa be- An seinem 90. Geburtstag verriet er einem Inter­ kannt. Nach einem Studium in Quantenphysik bau- viewer: ”Ich habe diese besondere Neugier, die im- te Ryo Orgeln, wurde in Japan Studiomusiker, Ton- mer herausfinden will, was für Dinge man noch mit meister und Plattenproduzent und entwickelte zu- der Klarinette tun kann.” In Seattle verstarb am 29. sammen mit Korg und Roland erste Gitarren-­ Februar William Overton ”Bill” Smith (*1926). Synthesizer und Programme. Er galt als ”musikali- Der Klarinettist und Komponist bewegte sich zwi- sches Chamäleon”, perfektionierte ständig seinen schen Bebop und Neuer Musik und ebnete mit Cool Sound und hatte eine schnelle, harte Spielweise, Jazz und Third Stream heutigen Tendenzen den aber kam mit ganz verschiedenen Gitarren und Weg. Die frühen Einflüsse des Kaliforniers waren ­Stilen zurecht – von Klassik, Flamenco, Wes Mont- Bennie Goodman und Stan Kenton. Am Mills Col- gomery und Django Reinhardt bis Hendrix. Begon- lege studierte er bei Darius Milhaud und leitete um nen mit ”Juice” (1976) hinterlässt er eine interes- 1950 mit Dave Brubeck ein Oktett. Längere Zeit sante Diskografie. studierte er in Paris und Rom, wo er aktuellste Ten- denzen der Neuen Musik kennenlernte und ein 94-jährig ist am 11. April der legendäre Hardbop- ­Multiphonics-System für Klarinette entwickelte. Di- Bassist Jymie Merritt gestorben. Seine antrei- verse Komponisten wie Gunther Schuller und John bende Phrasierung mit Triolen machten Merritt zum Eaton widmeten ihm Stücke. Mit dem ”American gesuchten Begleiter. In den 1940er- und 1950er- Jazz Ensemble” ging er international auf Tournee Jahren pendelte er zwischen R'n'B und Jazz und und leitete von 1963 an sein Bebop-orientiertes ter, die lange Zeit über sehr unspektakulär verlaufen arbeitete ebenso mit Coltrane und Bennie Golson Quintett u. a. mit . Zugleich führte er mit war. Bucky Pizzarelli war ein gestandener, wenn wie – als Pionier des E-Bass – mit B.B. King. Jahre- Brubeck und dem ”Orchestra USA” Third-Stream- auch anonymer Studiomusiker und Sideman gewe- lang war er Mitglied von Art Blakey‘s Jazz Mes­ Kompositionen auf und leitete von 1966 an in sen, bevor er in den 1970er-Jahren von sich reden sengers und spielte von 1962 an auch mit Chet Seattle die ”Contemporary Music Group”. Seine machte und zu einer festen Grösse auf der tradi­ Baker, Max Roach, Dizzy Gillespie und dann bis in zahlreichen klassischen Werke mit Jazzeinfluss er- tionelleren New Yorker Jazzszene wurde. Pizzarellis die 1970er-Jahre mit Lee Morgan. Merritt war ein schienen unter dem Namen William O. Smith. In – vergleichsweise später – Ruhm führte auch zu Pionier mit dem Ampeg, einer selbstentwickelten seinem späteren Leben konzentrierte er sich an der einer Präsenz ausserhalb seines Heimatlandes; so Kreuzung von Kontra- und E-Bass, und mit ”Fore- Ostküste auf sein Lehrtätigkeit. Jürg Solothurmann war er wiederholt am Jazzfestival Bern zu Gast. Zu runner”, einer Musiker-Selbsthilfe in Philadelphia. diesem Zeitpunkt hatte er – der mit siebzehn Jah- ren ein professioneller Musiker geworden war – als otos : PD/ZVG

F Rhythmusgitarrist und Solist bereits an Hunderten ­67 JAZZ

JNM_03_20_64-67_FW_.indd 67 26.04.20 18:52 Konzert-Tipps

Auf Grund der aktuellen Situation bezüglich Festivals und Veranstaltungen, verzichten wir auf Konzertangaben. Bitte kontaktiert die jeweilige Website der Clubs oder Veranstalter, um genaue Informationen zu erhalten. Wir hoffen in der nächten Ausgabe wieder den gewohnten Service bieten zu können.

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Restaurant Klybeck Casino Klybeckstrasse 34 La Spirale 4057 Basel Place du Petit-St-Jean 39 Telefon 061 681 66 49 1701 Fribourg www.laspirale.ch

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JNM_03_20_68-72_Kon.indd 70 26.04.20 19:12 Radio-/Fernsehtipps Jazz & Globale Musik, Schweizer Radio SRF 2, www.drs.ch

Sendedatum Sendezeit Titel Sendegefäss Redaktion 1.5.2020 21-22 Jazz & World aktuell (Z) Jazz & World aktuell Annina Salis 1.5.2020 22-24 Lisette Spinnler Siawaloma@ Schaffhauser Jazz Festival 2010 Late Night Concert Jodok Hess 2.5.2020 17-18.30 Sharon Jones & The Dap-Kings mit Roman Hosek (Z) Jazz Collection Jodok Hess 2.5.2020 22-24 Late Night Jazz Late Night Jazz Andreas Müller-Crepon 5.5.2020 20-21 Jazz & World aktuell Jazz & World aktuell Roman Hosek 5.5.2020 21-22 Co Streiff mit Beat Blaser Jazz Collection Jodok Hess 8.5.2020 21-22 Jazz & World aktuell (Z) Jazz & World aktuell Roman Hosek 8.5.2020 22-24 George Robert Tentett @ Schaffhauser Jazz Festival 2010 Late Night Concert Jodok Hess 9.5.2020 17-18.30 Co Streiff mit Beat Blaser (Z) Jazz Collection Jodok Hess 9.5.2020 22-24 Late Night Jazz Late Night Jazz Andreas Müller-Crepon 12.5.2020 20-21 Jazz & World aktuell Jazz & World aktuell Jodok Hess 12.5.2020 21-22 Genesis mit Stefan Strittmatter Jazz Collection Eric Facon 15.5.2020 21-22 Jazz & World aktuell (Z) Jazz & World aktuell Jodok Hess 15.5.2020 22-24 Erika Stucky Bubble Family@ Schaffhauser Jazz Festival 2010 Late Night Concert Roman Hosek 16.5.2020 17-18.30 Genesis mit Stefan Strittmatter (Z) Jazz Collection Eric Facon 16.5.2020 22-24 Late Night Jazz Late Night Jazz Andreas Müller-Crepon 19.5.2020 20-21 Jazz & World aktuell Jazz & World aktuell Roman Hosek 19.5.2020 21-22 Matthieu Michel mit Mats Spillmann Jazz Collection Annina Salis 22.5.2020 21-22 Jazz & World aktuell (Z) Jazz & World aktuell Roman Hosek 22.5.2020 22-24 Nicholas Masson@ Schaffhauser Jazz Festival 2010 Late Night Concert Roman Hosek 23.5.2020 17-18.30 Matthieu Michel mit Mats Spillmann (Z) Jazz Collection Annina Salis 23.5.2020 22-24 Late Night Jazz Late Night Jazz Andreas Müller-Crepon 26.5.2020 20-21 Jazz & World aktuell Jazz & World aktuell Annina Salis 26.5.2020 21-22 Wallace Roney mit Jazz Collection Jodok Hess 29.5.2020 21-22 Jazz & World aktuell (Z) Jazz & World aktuell Annina Salis 29.5.2020 22-24 Feigenwinter 3@ Schaffhauser Jazz Festival 2010 Late Night Concert Jodok Hess 30.5.2020 17-18.30 Wallace Roney mit (Z) Jazz Collection Jodok Hess 30.5.2020 22-24 Late Night Jazz Late Night Jazz Andreas Müller-Crepon

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Radio Swiss Jazz – Radio RaBe Radio.fr Wochenprogramm Empfang: in der Region Bern WOP BOP A LOO BOP www.radioswissjazz.ch auf 95,6 MHz, DAB+ oder jeden Montag von 20 - 23 Uhr auf www.rabe.ch/empfan- auf Radio fr. Jazz Made in Switzerland Donnerstag BLUES SPECIAL täglich von 11 bis 14 Uhr 11:00 - 14:00 - gen Als Livestream und als Podcast auf www.radiofr.ch Drei Stunden Musik Jazz Made in Switzerland Crisscross, die Sendung mit aus der Schweiz. 19:00 - 22:00 - Jürg Solothurnmann Jazz for Dinner Jazz for Dinner Sendezeit: 23:00h – 24:00h täglich von 19 bis 22 Uhr Freitag Drei Stunden Programm 11:00 - 14:00 - 07.05. CD News – Radio X mit internationalem Jazz. Jazz Made in Switzerland Jazz & ethnische Musik www.radiox.ch 19:00 - 22:00 - 21.05. John Coltrane – Ascension jeden Sonntag von 21 – 22:00h Montag Jazz for Dinner 04.06. CD News Jazzsendungen mit 11:00 - 14:00 - Samstag 18.06. CD News Danielle Bürgin, Urs Blindenbacher, Jazz Made in Switzerland 11:00 - 14:00 - jeden Sonntag von 10 – 11:00h: Debra Richards und Urs Musfeld 19:00 - 22:00 - Jazz Made in Switzerland Jazz am Sunntig Jazz for Dinner 19:00 - 22:00 - jeden Sonntag von 15 – 17:00h: Empfang: Dienstag Jazz for Dinner Blues Zeppelin Radio X über UKW: 94.5 MHz 11:00 - 14:00 - J Sonntag Grossraum Basel, 93.6 MHz Liestal azz Made in Switzerland 11:00 - 14:00 - und Umgebung, 19:00 - 22:00 - Jazz Made in Switzerland 88.3 MHz Arlesheim, Jazz for Dinner 19:00 - 22:00 - RTS Espace 2 jeden Montag von Dornach und Umgebung, Mittwoch Jazz for Dinner über DAB+ 11:00 - 14:00 - 22:40h bis 24:00h: émission JazzZ mit oder auf www.radiox.ch Jazz Made in Switzerland https://radiox.ch/hoeren/ 19:00 - 22:00 - Yvan Ischer und Ivor Malherbe musik/jazz–X.html Jazz for Dinner

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