Hartmut Riehl / Jürgen Alberti

Burgen und Schlösser im Kraichgau

verlag regionalkultur  Hartmut Riehl, Jürgen Alberti, geb. 1940 in Mannheim. 1959 Abitur am Mannheimer Tulla-Gym- geb. 1937 in Jena/Thüringen. 1953 Flucht aus der DDR nach Nord- nasium. 1959–1963 Studium in Heidelberg, Germanistik, Erdkunde, rhein-Westfalen, Abitur am Nathan-Söderblom-Gymnasium in Geschichte, Pädagogik. 1963 Lehrer, seit 1965 im Kraichgau. Langjähri- Espelkamp. 1959 Studium der Biologie und Geographie in Tübin- ger Rektor der Grund- und Haupt- mit Werkrealschule Hoffenheim. gen und Münster, 1. Staatsexamen 1965, 2. Staatsexamen für das Verheiratet, ein Sohn. Lehramt 1967, 1967–2000 Lehrer an der Realschule Mingolsheim. 1955 erste Burgentour in den Kraichgau. Seit 20 Jahren Vorträge, Verheiratet. Ehrenamtliche Mitarbeit im Naturschutz (NABU) und Exkursionen und Veröffentlichungen, insbesondere zur Kunst und mehreren wissenschaftlichen Vereinigungen, Autor zahlreicher Bild- Geschichte des Kraichgaus. und Textveröffentlichungen zur Geographie, Geschichte, Naturkunde und Kultur des Kraichgaus.

Titel: Burgen und Schlösser im Kraichgau Autor: Hartmut Riehl (erste Auflage) Hartmut Riehl und Jürgen Alberti (überarbeitete, aktualisierte und ergänzte Neuauflage) Bildnachweis: soweit nicht anders angegeben: Jürgen Alberti Umschlaggestaltung: Jochen Baumgärtner, vr Satz: Andrea Sitzler, vr Endkorrektorat: Henrik Mortensen, vr

ISBN 978-3-89735-500-2

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Burgen und Schlösser im Kraichgau

verlag regionalkultur 3 Burg Zuzenhausen ...... 47 Wasserschloss Münzesheim...... 95 Inhalt Schloss „Agnestal“ in Zuzenhausen...... 48 Burg Oberacker...... 96 Burg und Schloss Hoffenheim...... 48 Burg Bauerbach...... 96 Kraichgau – Land der Burgen und Schlösser...... 5 Wasserschloss Flehingen...... 96 Epitaphien...... 50 Übersichtskarte...... 9 Die Burgen von Sickingen...... 98 Der östliche Kraichgau...... 51 „Turmburg“ Oberderdingen...... 100 Wappen...... 10 Königspfalz Wimpfen am Berg...... 52 Ober- und Unterburg in Neibsheim...... 101 Der nördliche Kraichgau...... 11 Schlösschen Hipfelhof bei Frankenbach...... 55 Stadtburg ...... 101 Burg ...... 12 Schloss Klingenberg...... 55 Burg „Salzhofen“ bei Bretten...... 101 Schloss Neuhaus bei Ehrstädt...... 12 Schwaigern...... 56 Schloss Diedelsheim...... 102 Schloss Ehrstädt ...... 13 Die Schlösser von Gemmingen...... 57 Schloss Gondelsheim...... 102 Schlösschen Eulenhof...... 14 Burg Streichenberg...... 59 Burg Obergrombach...... 104 Burg Reihen...... 14 Schloss Schomberg...... 60 Burg Helmsheim...... 106 Burg Steinsberg ...... 14 Burg Rohrbach a.G...... 61 Heidelsheim...... 106 Burg Hilsbach...... 17 Wasserburg Grombach...... 61 Burg „Schmalenstein“ bei ...... 107 Schlösschen Weiler...... 18 Burg Richen...... 62 Die Burgen von Wössingen...... 107 Eichelberg – Burg Wigoldesberg...... 18 Burg Adelshofen...... 62 Burg Jöhlingen...... 107 Burg Waldangelloch...... 19 Schloss ...... 63 Steinmetzzeichen...... 108 Schloss Michelfeld...... 19 Schloss Treschklingen...... 64 Wasserschloss Eichtersheim...... 21 Schloss Fürfeld...... 65 Der südliche Kraichgau...... 109 „Jagdschlösschen“ Eschelbach...... 23 Burg Kirchardt...... 66 Die Ravensburg...... 110 Burg Rotenberg...... 24 Schloss Babstadt...... 66 „Pforzheimer Schloss“, „Amalienhof“ Sulzfeld...... 112 Burg Horrenberg...... 25 Schlösschen Oberbiegelhof...... 67 Wasserschloss Kürnbach...... 113 Schloss Tairnbach...... 26 Burg und Schloss Obergimpern ...... 68 Jagdschloss Maulbronn...... 115 Schloss Rauenberg ...... 26 Schloss Massenbach...... 68 Burg ...... 116 Burg ...... 27 Wasserschloss Kirchhausen...... 69 Burg Freudenstein...... 116 Schloss ...... 27 Wasserschloss Rappenau ...... 70 Burg ...... 117 Der Freihof in Wiesloch...... 28 Die Bonfelder Schlösser...... 72 Schloss Bauschlott ...... 117 Wasserburg Altwiesloch...... 29 Schloss Heinsheim...... 73 Wasserschloss Königsbach...... 118 Schlösschen Nußloch...... 30 Burg Ehrenberg...... 74 Burg Stein...... 120 Turmburg Hohenhardt bei Baiertal...... 31 Burg Guttenberg...... 76 Burg Neidlingen bei Ispringen...... 121 Wasserschloss Schatthausen...... 33 Schloss Hochhausen...... 78 Burg Remchingen...... 121 Burg und Jagdschlösschen „Sorgenfrei“ zu Mauer..34 Burg Hüffenhardt...... 80 Schlösschen Ottenhausen...... 122 Wasserburg Gauangelloch...... 35 Schloss Siegelsbach...... 80 Wasserschloss Weiler a. d. Pfinz...... 122 Burg „Kühberg“ bei Wiesenbach...... 37 Burg Untereisesheim...... 81 Burg Langensteinbach...... 123 Burg Kleinsteinbach...... 123 Schloss Langenzell...... 37 Baustile...... 82 Schloss Mönchzell...... 37 Burg Söllingen...... 123 Burg Neidenstein...... 38 Der westliche Kraichgau...... 83 Schloss Berghausen...... 123 Burg und Schloss Eschelbronn...... 40 Schloss ...... 84 Burg Stupferich ...... 124 Burg Aglasterhausen...... 40 Bischöfliche Burg zu Bruchsal...... 87 Schloss Hohenwettersbach...... 124 Burg Asbach...... 41 Ubstadt...... 87 Schloss Augustenburg in Grötzingen...... 125 Burg Kälbertshausen...... 41 Zeutern...... 87 Schloss „Karlsburg“ in Durlach...... 126 Wasserburg Schwarzach...... 41 Schloss Unteröwisheim...... 87 Turmberg-Ruine bei Durlach...... 127 „Steinhaus“, Neues Schloss Neckarbischofsheim....42 Schloss Oberöwisheim...... 89 Die Helmstädter Schlösser...... 44 Wasserburg Menzingen...... 89 Glossar...... 128 Flinsbach...... 45 „Schwanenburg“ Menzingen ...... 91 Anmerkungen...... 129 Die Schlösser von Waibstadt...... 45 „Wasserburg“ Neuenbürg...... 92 Quellen und Literatur...... 131 Burg und Schloss Daisbach...... 46 Schloss Gochsheim...... 93 Kraichgau – Land der Burgen und Schlösser

Der Kraichgau ist fast der Edelleut, schreibt schon Sebas- Hier lebten Steinzeit- und Bronzezeitmenschen, Kelten, tian Münster 1544 in seiner Cosmographia. Tatsächlich Römer, Alamannen und Franken. Alle haben sie ihre entstammen über hundert Adelsgeschlechter den nur Spuren hinterlassen, das Land geprägt durch ihre Sied- etwa 200 Dörfern und Städtchen des Kraichgaus, jener lungsformen; und spätestens seitdem die Alamannen 260 kleinen, wenig berühmten und weithin unbekannten Hü- n. Chr. den Limes überrannten, ins römische „Zehntland“ gellandschaft, gerne auch „Badische Toscana“ genannt. eindrangen und es auf ihre eigene Weise erschlossen, Dies ist das Land zwischen und Schwarzwald, ist der Kraichgau sowohl das Land der Bauern als auch Oberrheinebene, Neckarland und Zabergäu, uraltes das der Edelleut´. Beide, zumeist mit-, manchmal auch Durchgangsland von West nach Ost und durch den gegeneinander, haben dem Kraichgau ihren Stempel Fund des mit etwa 600.000 Jahren (bis vor ganz kurzer aufgedrückt, der bis heute in den Ansiedlungen und auch Zeit noch) ältesten Europäers, des „Homo heidel- in der Kulturlandschaft erkennbar geblieben ist. bergensis“ aus Mauer, als Urlandschaft des Menschen Der Kraichgau war nur in seinen Randgebieten Fürs- ausgewiesen. tenland. Die Kurpfalz, die Markgrafschaft Baden, das Seit der mittleren Steinzeit geht der Pfl ug durch den Herzogtum Württemberg, das Fürstbistum Speyer und Kraichgau. Er ist ein fruchtbares, wasserreiches, ein- andere weltliche und geistliche Herrschaften haben ladendes Land mit sehr guten Lössböden, dazu offen zwar jahrhundertelang versucht, ihre Positionen im und leicht zugänglich, mit mildem Klima, kurz: eine Kraichgau auszubauen und vor allem den Kraichgauer „Gunstlandschaft“ für den Menschen. Kulturell gestaltet Adel „landsässig“, also abhängig zu halten; das ist bis und gewachsen in Jahrtausenden, präsentiert sich so der zum Ende des Alten Reiches 1803/1806 nicht gelun- Kraichgau heute als „Flickerlteppich“, als harmonisches gen. Der Kraichgauer Adel behauptete in besonders In- und Miteinander kleinräumiger Landschaftsbausteine. hartnäckiger Weise seine Unabhängigkeit: Keine andere In bunter Vielfalt, immer überschaubar, nie ins Ungewis- Obrigkeit duldeten diese „Freiherren“ über sich als den se ausufernd, stets einen nahen Horizont begrenzend, Kaiser allein; nur vor dem Reichskammergericht ver- reihen sich Wiesen und Wälder, Felder und Weiden, antworteten sie sich. Sie waren zusammengeschlossen Weinberge und Obstgärten aneinander. Anmutig sind insbesondere im „Ritterkanton Kraichgau“ (mit Sitz in sie gegliedert durch Flüsse und Bäche, Pappelreihen und ) und in der „Turniergesellschaft zum Oberen Alleen, durch Tal- und besonders Höhenwege, die als Esel“. Alle Angelegenheiten der Ritterschaft wurden dort „Hohe Straßen“, „Römerstraßen“ oder „Heerwege“ intern geregelt und die Ritter wählten unter sich ihren ein beträchtliches Alter dokumentieren und tatsächlich „Ritterhauptmann“. zumeist in vorgeschichtliche Zeiten zurückweisen. Nichtsdestoweniger begaben sich die Kraichgauer Nicht zuletzt wegen dieser Offenheit ist der Kraichgau Adligen – sowohl aus fi nanziellen als auch aus stan- immer wieder Durchzugsgebiet für Völker und Heere despolitischen Erwägungen heraus – immer wieder gewesen und in allen Kriegsläuften bis hin zum Zweiten in die Dienste der umliegenden Fürstenherrschaften, Weltkrieg Schauplatz militärischer Aktionen und furcht- besonders der Kurpfalz. Als Lehensträger, Obervögte, barer Zerstörungen geworden. Hofmeister, Diplomaten, hohe Beamte und Heerführer

5 sind sie über Jahrhunderte an den großen Höfen und in Unbekannt ist noch die Menge der in den Kraichgau ein- den Fürstenstädten präsent: Fürstendienst und Reichs- gewanderten, eingeheirateten oder Grund und Rechte unmittelbarkeit schließen einander nicht aus! besitzenden Adligen. Allein rund 500 Adelsgeschlechter Eine große Bewährungsprobe für den Kraichgauer sind nach meinen Forschungen im Kraichgau durch Adel stellte die Reformation dar. Viele der führenden Wappen vertreten: an die 4000 Adelswappen konnte ich Kraichgauer Edelleute waren u. a. 1521 in Worms dabei, (H.R.) im Kraichgau nachweisen; kaum sonst irgendwo in als Luther vor Kaiser und Reich stand. Viele von ihnen Deutschland ist die auf die Siedlungen bezogene Anzahl haben dann in jenen Jahren lutherische Prediger in ihre adliger Sitze, Denkmäler, Grablegen und Kirchen so Gemeinden geholt und sich der Ungnade selbst des Kai- dicht wie im Kraichgau! Und: diese Tradition ist bis zum sers ausgesetzt. Im Zuge der Gegenreformation und der heutigen Tag ungebrochen, wenn auch von den aus dem Rekatholisierung der Kurpfalz im 18. Jahrhundert kehrten Kraichgau stammenden Geschlechtern nur eine Handvoll etliche Geschlechter ganz oder in einzelnen Linien zum übrig geblieben ist. Zwar sind einige Adelsfamilien erst alten Glauben zurück, um sich gegen eingewanderte im letzten Jahrhundert ausgestorben, aber immer noch katholische Adelsfamilien behaupten zu können. sitzen die Gemmingen, die Göler von Ravensburg, die Im späten 12., hauptsächlich aber im 13. Jahrhundert Massenbach, die Mentzingen, die Neipperg und die werden die Kraichgauer Adelsgeschlechter urkundlich Venningen auf ihren angestammten Schlössern! greifbar. Nur wenige Edelfreie sind noch unter ihnen, Trotz alledem ist das Bewusstsein um die Schätze ad- die meisten sind aus der Unfreiheit durch Reiterdienste ligen Lebens und Wirkens im Kraichgau relativ gering. emporgestiegene „Ministerialen“ oder Dienstadelige. Sie Seit der Aufhebung der Adelsprivilegien zum Ende der werden „Niederadel“ – im Gegensatz zum hohen, fürst- Kaiserzeit 1918 lebt und wirkt der Adel im Kraichgau lichen Adel – genannt. In der Regel nennen sie sich nach und anderswo eher im Hintergrund. Dennoch gilt die ihrem Stammsitz, einem Dorf oder einer Burg. Je nach Gleichung: Kraichgau, Land der Edelleut’ – unbekanntes Stellung sind sie „Edelknechte“, Ritter, Freiherren oder Land der Burgen und Schlösser! Grafen. Standesbewusst nennen sie sich auf ihren Grab- Über 150 Adelssitze sind im Kraichgau nachweisbar; es platten „edel und fest“, auch „edel und gestreng“, ihre gibt Orte mit bis zu drei Anlagen. Obwohl nicht wenige Damen „edel und tugendsam“. Vom Volk der Bauern der alten Burgen „abgegangen“ sind und heute der Pfl ug sondern sie sich bewusst ab durch die adlige Behausung, über sie hinweggeht und wieder andere nur in Wall- und die Statussymbole Helm, Schwert, Rüstung und Wappen Grabenresten überkommen sind, zeigt sich doch noch und die verfeinerte „höfi sche“ Lebenskultur. eine so große Anzahl erhaltener oder in Ruinen stehender Reinhard, der „Gelehrte“ von Gemmingen, schreibt 1631 Wehr- und Wohnbauten des Adels, dass sie immer noch in seinem „Stammbaum“: „In dem Bezirk des Kraichgaues das äußere Erscheinungsbild des Kraichgaus mitprägen! hat es einen sehr großen Adel von alters her gehabt Sicher verbergen sich etliche in Parkanlagen oder hinter und zwar nach dessen Größe und Bezirk noch mehr Mauern in dörfl ichen Randpositionen. Ein gewisser „vor- als in einigem Distrikt des ganzen Teutschlandes...“ 87 nehmer Rückzug“ ist Kennzeichen mancher Barock- oder Familien zählt er auf , der Unvollständigkeit sich bewusst. auch späterer Schlösschen. Andere dagegen dominieren Mone kommt im 19. Jahrhundert auf 107; tatsächlich selbstbewusst ihre Umgebung, beherrschten Verkehrs- dürften es 130 bis 140 Adelsfamilien gewesen sein, die wege, schützten Ansiedlungen und gestalten dadurch dem Kraichgau entstammen! Reinhard von Gemmingen Landschafts- und Ortsbilder. schreibt dann weiter: „Von allen diesen Geschlechtern Zum Beginn des Burgenzeitalters ist der Adelssitz immer seyn heutiges Tages mehr nicht als noch 10 am Leben; gleichzeitig Wohn- und Wehrbau mit einer ganzen Rei- o caducitatem rerum humanorum“ (O Hinfälligkeit der he weiterer Funktionen. Erst mit dem Aufkommen der menschlichen Dinge!) ... Geschütze im 15. Jahrhundert wird die Wohn- von der 6 Wehrfunktion allmählich getrennt. Die reinen Wohnanla- anzupassen. Zwinger werden um die alten Burgkerne gen werden zu offenen, kaum befestigten Schlössern, die gelegt, Flankierungstürme gebaut, zusätzliche Toranlagen reinen Wehranlagen (die sich der niedere Adel in aller errichtet, Wohn- und Wirtschaftsgebäude vergrößert, Regel nicht mehr leisten kann) zu mächtigen Festungen, Vorburgen angelegt usw. Nur sehr wenige Burgen des deren Wohnwert zur Kaserne herabgedrückt wird. Niederadels werden im 15. und 16. Jahrhundert den Die Burgen und Schlösser im Kraichgau entstammen, so- Erfordernissen „moderner“ Kriegsführung angepasst: weit sie heute noch erhalten sind, frühestens der ersten Eine seltene Ausnahme im Kraichgau bilden die Ge- Hälfte des 13. Jahrhunderts, der Epoche der Stauferkai- schütztürme der Ravensburg, auch diese aber nur für ser. Die spätesten Schlösser datieren aus der zweiten leichtes Geschütz eingerichtet. Kaiserzeit, um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und bis zum Mit dem ungeheuren Einschnitt des Ersten Weltkriegs Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 1618 setzt ein hört das Zeitalter der Schlösser ganz auf. Für viele endet förmlicher „Bauboom“ bei den Burgen und Schlössern ihre Hauptaufgabe, Wohnsitz eines Adelsgeschlechts des Kraichgaus ein. Im Wissen um die Unzulänglichkeit bzw. Hofgut eines landwirtschaftlichen Großbetriebs aller bisherigen Verteidigungsanlagen werden besonders zu sein. Etliche werden in bürgerliche Wohnungen die Wohngebäude der Burgen vielfenstrig geöffnet, im verwandelt, andere werden Schulen, Kindergärten, Rat- Innern mit Fresken ausgemalt (Neidenstein, - häuser, Altenheime, ja sogar zwischendurch auch mal zu bischofsheim), im Äußeren durch reliefgezierte Erker und Diskotheken. Einige verwandeln sich zu Romantikhotels, Altane (Neuhaus, Sickingen) und vor allem durch auf- Burgwirtschaften, Museen, Ausfl ugszentren. Das Fehlen wändige Prunkportale geschmückt (Neckarbischofsheim, jeder Nutzung aber treibt Burgen und Schlösser in den , Gemmingen). Auf diese Weise de mons- Untergang! triert der Adel Macht, Reichtum, Standesbewusstsein, Die frühesten Erwähnungen von Kraichgauburgen Kunstsinn, Mäzenatentum, nicht selten auch Ahnenstolz entstammen dem 12. Jahrhundert (Steinsberg 1109). und Religiosität speziell lutherischer Prägung. Etwa ab dieser Zeit werden auch die ersten ansässigen Diese Bauseligkeit endet schlagartig mit Beginn der Geschlechter genannt. Von Anlagen des 12. Jahrhunderts verheerenden Kriegsgeschehen des 17. Jahrhunderts. sind keine Reste auf uns gekommen. Erst mit dem Hö- Zwischen 1618 und 1693 erlischt fast alle Bautätigkeit. hepunkt staufi scher Machtentfaltung ab 1200 werden Die Kraichgauer Ritter gehören zu den am meisten in aus den älteren hölzernen, von Wällen und Gräben Mitleidenschaft gezogenen deutschen Adligen: Viele geschützten Burganlagen richtige Steinburgen – diese Geschlechter verarmen oder erlöschen (die Angelloch, dann aber rasch in großer Vielfalt: einfache „Feste Häu- Hirschhorn, Landschad von Steinach, Lomersheim u. a.). ser“, Turm und Wohnhaus in einem (Oberderdingen), Sehr zögernd erst setzt sich barockes Bauen durch. konzentrische „Turmburgen“ in Gipfellage (Steinsberg), Hauptsächlich im mittleren Drittel des 18. Jahrhunderts ist „Abschnittsburgen“ in Hanglage (Zuzenhausen), Was- der Kraichgauer Adel wieder in der Lage, repräsentative serburgen, zumeist in „Quellmuldenlagen“ oder in Schlossbauten zu errichten. Diese werden nun völlig un- Talauen (Daisbach, Grombach) und sogar Kaiserpfalzen befestigt, meist nur durch Parkmauern umgeben, zwischen (Wimpfen). Siedlung und freier Landschaft errichtet (Massenbach, Diese Entwicklung setzt sich im 13. und bis ins 14. Bonfeld, Amalienhof Sulzfeld, Heinsheim, Bruchsal). Zu- Jahrhundert rapide fort. Etwa um die Mitte des 14. Jahr- nehmend ist gegen Ende des Jahrhunderts und im folgen- hunderts ist die eigentliche Zeit der Burgengründungen den die Tendenz erkennbar, vor allem kleinere Schlösser abgeschlossen. Was folgt, ist ein fortwährender Ausbau völlig losgelöst von den Ortschaften zu erbauen oder in und Umbau, um die alten Anlagen an die gestiegenen Parkanlagen hinein zu komponieren (Schomberg, Hip- Wohn-, Wehr- und Repräsentationsanforderungen felhof, „Sorgenfrei“ bei Mauer, „Eulenhof“ bei Ehrstädt). 7 Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammen- 800 Jahre Burgen und Schlösser im Kraichgau! Ein hang das Weinbrenner-Schloss Bauschlott. Reichtum der Geschichte, der Baukunst, der Wehr- und Die Romantik als gestaltendes Element ist im Kraich- Wohnarchitektur, der Selbstdarstellung und Lebenskul- gauer Schlossbau fast nicht vertreten, nur einige klei- tur des Adels. Sicher ist dessen Zeit als staats tragen de nere Parkanlagen sind von ihr inspiriert. Die künstliche Macht abgelaufen, und damit ist auch seine Möglichkeit, Ruine, ihr Inbegriff, fi ndet sich nur im Schlosspark von all diese Schätze zu wahren und zu bewahren, begrenzter Schwaigern. Dagegen wartet die „Gründerzeit“, das geworden. Um so mehr sieht der Adel (und ebenso die letzte Drittel des 19. Jahrhunderts, als die „Freiherren“ nichtadeligen Schlossbesitzer) aber die aus der Tradition wieder einen „Kaiser“ über sich hatten (wenngleich erwachsene Verpfl ichtung, die ererbten Sitze und ihre unter ganz anderen Vorzeichen) noch einmal mit bauli- Kultur über den Tag hinaus zu pfl egen und zu erhalten chen Überraschungseffekten der adeligen Herrschaften – keine leichte Aufgabe und auch keine populäre; um so auf. Die märchenhafte, oft genug überladene, zwischen mehr verdient sie Würdigung, Dank und Anerkennung! allen Stilarten pendelnde Architektur jener Zeit, lange Das ist auch ein Anliegen dieses Buches! verpönt, heute wieder im milderen Licht eines gewan- Gewachsen ist es aus der Fülle einer bald 50 Jahre wäh- delten Kunst- und Geschichtsverständnisses gesehen, renden Beschäftigung mit der Kunst und der Geschichte fi ndet sich nicht selten im Kraichgau und ist sicher nicht des Kraichgaus, besonders der des Adels, seiner Sitze, ohne Reiz, obwohl viele in ihr ein „Disneyland“ der seiner Denkmäler und Inschriften und seiner Heraldik. In Schlossbaukunst erblicken. Elemente pseudo-mittelal- dieser Zeit hat Hartmut Riehl nahezu alle Grabdenkmä- terlicher Burgengestaltung werden aufgegriffen: Söller, ler, Inschriften und Wappen des Adels von ihrem ersten Erker, Türmchen, Zinnen, Staffelgiebel, Altane, dazu Vorkommen bis heute aufgenommen, einige davon sind Wappen, Adler, Löwen, Fabeltiere, Maßwerk usw. Je in diesem Buch enthalten. Es wendet sich aber nicht Bernhard von Sternenfels; Kürnbach bunter zusammengestellt, je besser, Köstlichkeiten eines an den Wissenschaftler, sondern an den interessierten besonderen Geschmacks, die nur dann als störend und Laien, der für seine Entdeckungsreisen in das „Land der verfälschend empfunden werden, wenn sie mit alter, tausend Hügel“ einen kundigen Führer sucht. Es werden originaler Bausubstanz vermengt werden. Reizvolle sich Fehler und Ungenauigkeiten eingeschlichen haben. Beispiele im Kraichgau sind die Schlösser Gondelsheim, Wir sind für jeden Verbesserungsvorschlag dankbar! Langenzell und Obergrombach. Alle Schätze dieser kleinen Landschaft zu heben, reicht Seinen Ausklang fi ndet der Schlossbau im Kraichgau im aber ein Menschenleben kaum aus; möge dieses Buch Jugendstil. Letzte größere Bauleistungen sind Bab stadt wenigstens dazu beitragen, die wunderbare Welt der oft und die neueren Bauten von Gondelsheim. Noch später noch unbekannten Kraichgauer Burgen und Schlösser mit allerdings schließt der „Burgenbau“ mit dem Wiederauf- offenen Augen und erlebnisbereitem Herzen zu sehen bau der speyerischen Burg Rotenberg 1920. und zu verstehen!

Hinweise: Alle Abbildungen – insbesondere die Fotografi en – stammen, soweit nicht anders angegeben, von Jürgen Alberti. Die im Buch wiedergegebenen Inschriften sind buchstabengetreu aufgenommen und kursiv/eingerückt abgedruckt. Inschriften in Groß- buchstaben entsprechen hauptsächlich der gotischen Majuskel bzw. der Kapitalis, in Kleinbuchstaben der gotischen Minuskel bzw. Fraktur. Zeilenumbrüche werden durch Schrägstrich, Übergänge auf andere Inschriftträger bzw. das Ende einer Inschrift durch Doppel- schrägstrich markiert. Nicht mehr vorhandene oder ergänzte Inschriftteile werden in eckigen Klammern wiedergegeben. Aufl ösungen von Abkürzungen werden in runde Klammern gesetzt, Erklärungen und Übertragungen ins Neuhochdeutsche ebenso, aber eingeleitet Von einem Göler-Epitaph; Sulzfeld/ durch ein =-Zeichen. evangelische Kirche Sollten Sie die Burgen und Schlösser im Kraichgau selbst besichtigen wollen, beachten Sie bitte die jeweiligen Zugangsregelungen. 8 Heidelberg Lobbach Schwarzach Lobenfeld Aglasterhausen Leimbach Wiesenbach Leimen Asbach Elz Mauer Lobbach Mosbach Rhein Gauangelloch 319 Mönchzell Hochhausen Hirschberg Meckesheim Helmstadt Nußloch Neckar Schatthausen Eschelbronn Neidenstein Helmstadt-Bargen Flinsbach Kälbertshausen Wiesloch Zuzenhausen Waibstadt Baiertal Haßmersheim L Daisbach Schwarzbach Gundelsheim o 290 bdengauHorrenberg Kriegbach Neckarbischofsheim Hüffenhardt Dielheim Garnberg E a u Neckarmühlbach Rauenberg l s e n z g Hoffenheim Tairnbach Sinsheim Siegelsbach Rotenberg uUntergimpern Rohrbach Hasselbach Heinsheim Eschelbach Mühlhausen Ehrstädt Obergimpern Babstadt Eichtersheim Bad Rappenau AngelbachtalAngelbach Bad Rappenau a Treschklingen Michelfeld Grombach Bad Östringen Reihen Bonfeld Bad Wimpfen Waldangelloch 333 Schönborn Weiler Steins- Östringen 324 berg 250

Hilsbach Elsenz Fürfeld Eichelberg g Kirchardt Eck-Berg Untereisesheim Stettfeld Eichelberg Ittlingen Zeutern 263 Katzbach Massenbachhausen Scheuerberg Kirchhausen Ubstadt-Weiher Richen Massenbach Ubstadt Adelshofen h Gemmingen Frankenbach Oberöwisheim Neuenbürg Stebbach Unteröwisheim Rohrbach Kraichbach Schwaigern Menzingen Lein Bruchsal Eppingen a u Münzesheim c g Heilbronn 310 h c Klingenberg S Zaisenhausen Ottilienberg a Sulzfeld t Heidelsheim r 274 a Gochsheim i Flehingen a Michaelsberg l Untergrombach Helmsheim G Grombach z Kürnbach Obergrombach Büchig Bauerbach g Oberderdingen Neibsheima Gondelsheim Sternenfels Zaber Weingarten u Gölshausena Bretten Diedelsheim 304 Jöhlingen Freudenstein Z Kupferhaldenkopf a b Knittlingen e r g ä u Walzbachtal Grötzingen r Diefenbach Pfi nz Kirchbach Berghausen Wössingen Durlach Maulbronn Pfi nztal Wöschbach Hohenwetters- Söllingen Metter bach P Neulingen f KleinsteinbachKönigsbach-SteinK Stupferich i Remchingenn Königsbach Stein Bauschlott Ettlingen 283 z Heustätt g Kämpfelbach Waldbronn a u Langensteinbach Weiler a.d. Pfi nz Ispringen Ottenhausen 9