Gitarrist Mit Musikalischer Vision Nick Mulvey Aus England
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1 SWR2 Musikpassagen Gitarrist mit musikalischer Vision Nick Mulvey aus England Von Marlene Küster Sendung: Sonntag, 03. Februar 2019 Redaktion: Anette Sidhu-Ingenhoff Produktion: SWR 2019 SWR2 Musikpassage können Sie auch im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de und auf Mobilgeräten in der SWR2 App hören Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. 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Denn diese Klänge haben dort die von mir bevorzugten Elemente: Hier stehen Basslinien, Perkussion und ein 6/8 Taktschema im Zentrum. Außerdem ist dieser Sound sehr ekstatisch und spirituell. Nick Mulvey macht sich viele Gedanken über seinen Sound. Musikrecherchen haben den experimentierfreudigen Briten schon in diverse Länder geführt: nach Marokko, Kuba und Indien beispielsweise. Der gut aussehende Künstler erzeugt mit seiner Gitarre nicht nur Akkorde, sondern kreiert leichte durch den Raum schwebende Klangfiguren. Auch wenn er anfangs nur einen einzigen Ton auf seiner Gitarre zupft, hat er den Zuhörer schon in seinen Bann gezogen. Musik Nick Mulvey The World To Me Nick Mulvey ist nicht nur ein brillanter Gitarrist. Er hat auch noch andere Instrumente wie beispielsweise das Hang in der Band Portico Quartet gespielt. Als eines der Gründungsmitglieder tourte Nick Mulvey bereits auf der ganzen Welt. Als er und sein Freund, der Schlagzeuger Duncan Bellamy, das Hang entdecken, beschließen sie 2005 eine Band zu gründen. Es kommen noch Saxophonist Jack Wyllie und Kontrabassist Milo Fitzpatrick hinzu. Das Hang – ein im Jahr 2000 von Felix Rohner und Sabina Schärer in Bern erfundenes Instrument. Es besteht aus zwei miteinander verklebten Halbkugelsegmenten aus Stahlblech. Auf der oberen Halbschale befinden sich Klangfelder, die mit Hämmern ins Blech eingearbeitet sind. Das Hang wird waagerecht oder senkrecht auf dem Schoß gehalten und mit den Fingern und Händen gespielt, was den Namen ergab: Hang ist das berndeutsche Wort für Hand. Das Portico Quartet erzeugt einen Sound aus Jazz, minimalistischen Einflüssen und repetitiven Elementen. Nick Mulvey: Mir war im Portico Quartet bewusst, dass wir eine harmonische Balance gefunden hatten. Jeder von uns hatte seinen ganz eigenen musikalischen Hintergrund. Ich beispielsweise lege großen Wert auf einfache Harmonien und Melodien. Duncan Bellamy dagegen hatte eine Vorliebe für Disharmonien, erzeugte mit dem Schlagzeug seltsame Klänge und suchte auch nach elektronischen sowie industriellen Geräuschen. Wir beide hatten wirklich eine gegensätzliche Herangehensweise, aber wir beide fanden gerade ein gutes Gleichgewicht zwischen diesen Klängen, eine Art gemeinsamen musikalischen Nenner. Fürs erste Album „Knee-deep In The North Sea“ erhalten die vier britischen Musiker eine Nominierung für den Mercury Music Prize. Hier das Titelstück des Albums. Musik Portico Quartet: Knee-deep In The North Sea 3 Nach über fünf Jahren im Portico Quartet hat Nick Mulvey das Bedürfnis, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Er verlässt das Quartett und findet ein Studio, in dem er seine Instrumente unterbringt. Dort arbeitet er kontinuierlich jeden Tag über ein Jahrlang. Er komponiert, übt und schreibt Liedtexte. So entsteht sein erstes Album First Mind: zwölf Songs mit ruhigen Tönen. Musik Nick Mulvey Cucurucu Das Album First Mind konzipiert Nick Mulvey als Raum. Jedes Mal, wenn er ihn betritt, geht er in dieses Album und lebt darin. Er füllt dieses Album mit allen ihm wichtigen Dingen: mit Erinnerungen an Freundinnen und mit realen Gegenständen wie Büchern, Bildern sowie Gemälden. Für ihn bedeutet der Beginn seiner Solokarriere gleichzeitig auch das Wiederentdecken einer alten Liebe: der zur Gitarre. Er hat die mantrahaft sich wiederholenden Perkussionsstrukturen vom Portico Quartet übernommen und trommelt zuweilen auch auf Gitarrenkorpus und Griffbrett ein. Er lässt auch immer wieder erstaunlich flinke Melodielinien aus den Fingern fließen, die ihn fast in die Nähe von alten Gitarrenhelden wie Mark Knopfler rücken. Musik Nick Mulvey Alisa Craig Im Titelsong „First Mind“ hebt Nick Mulvey hervor, wie wichtig es ist, sich auf die eigenen Erfahrungen und Gefühle zu verlassen. Nick Mulvey: Die Hauptaussage des Songs steckt in der Frage des Refrains. Da heißt es: Warum hinterfragen wir immer wieder alles, obwohl wir doch genau wissen, dass der erste Gedanke der richtige ist. Das ständige Zweifeln an unserer Wahrnehmung und dem ersten Eindruck bringt uns doch immer wieder Frust und Verwirrung. Warum können wir uns nicht einfach auf unsere Erfahrung verlassen? Wir müssen unserem Instinkt vertrauen. Musik Nick Mulvey First Mind Für Nick Mulvey ist die Trennung von der Band Portico Quartet ein wichtiger Schritt. Musikalisch entwickelt er sich enorm weiter und bringt mehr Persönlichkeit in die Musik ein. Er nutzt seine Stimme als Instrument und singt zeitweise mit leicht angekratzter Stimme über die großen und kleinen Gefühle. Nick Mulvey: Als ich den Mut hatte, meine Songs mit Erlebnissen und Elementen meines realen Lebens anzureichern, wurden sie viel besser. Es tauchten wirkliche Personen und Orte auf. So hauchte ich diesen Songs Leben ein und machte sie plastischer. Wichtig war, einen tiefen Einblick ins Innere der Personen, also in ihre Vorgänge wie Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle, zu vermitteln. Wirklich das Wesentliche, was diese Gestalten ausmacht, realistisch zu charakterisieren. Auf diese Weise können sich meine Zuhörer mit den Inhalten meiner Songs viel besser identifizieren und an gemeinsame Erfahrungen anknüpfen. Musik Nick Mulvey, Meet Me There Mühelos tanzen Nick Mulveys Finger auf der Gitarre von Saite zu Saite, hypnotisch immer auf und ab. 4 Musik Nick Mulvey, Fever To The Form Nick Mulvey: Für mich beginnt die ganze Kreation erst einmal mit der Musik. Damit meine ich natürlich meine Gitarrenkomposition. Dabei steht besonders das Fingerpicking meiner rechten Hand im Zentrum meines gesamten Song-Universums. Dieses simple repetitive Muster der rechten Hand hat Einfluss auf den Aufbau des ganzen Songs. Sie bestimmt alle weiteren Elemente dieses Stücks so zum Beispiel die Melodie, die Worte, die Instrumente wie Keyboards, Streicher oder Synthesizer. Meistens bestimmt die Gitarre, wo es lang geht. Musik Nick Mulvey, Venus Aufgewachsen ist Nick Mulvey in einem sehr musikalischen Haushalt. Nick Mulvey: In Cambridge bin ich geboren und groß geworden. Schon immer habe ich mich für Musik interessiert. Meine Mutter ist Opernsängerin. Mein Vater spielte auf der Gitarre Beatles und Songs von Van Morrisons und Bob Dylan. Das sind die Einflüsse meiner Eltern. Für mich war es vollkommen selbstverständlich als Teenager selbst Songs zu schreiben und Musik zu machen. Zuerst hab ich mit Schlagzeug angefangen, wechselte dann zum Klavier und schließlich zur Gitarre. Die Gitarre war mein Instrument, mit der ich mich auf Anhieb instinktiv verbunden fühlte und Songs kreierte. Ich ging nach der Schule nach Kuba und studierte dort Musikethnologie. Denn ich interessierte mich für Musik aus der ganzen Welt. Musik Nick Mulvey, Nitrous Auf seiner aktuellen Platte „Wake Up Now“ setzt sich Mulvey mit dem Zeitgeschehen auseinander: Nick Mulvey: Der Titel „Wake Up Now“ bringt eine politische Botschaft zum Ausdruck. In dieser derzeit äußerst angespannten Situation ist es wichtig, über sich selbst und seine Haltung nachzudenken und sein Bewusstsein zu schärfen. „Wacht jetzt auf“ – ein Appell des Gitarristen und Sängers Nick Mulvey auf seiner aktuellen Veröffentlichung „Wake Up Now“. Im Song „Myela“ lenkt der britische Künstler die Aufmerksamkeit auf das Schicksal von Flüchtlingen: da hat Ibrahim beispielsweise seine in Schutt und Asche liegende Heimat verlassen und sich auf den Weg durch das Bekaa-Gebirge im Libanon gemacht. Und die 21-jährige Sonda Jade aus dem Sudan, im vierten Monat schwanger, ist nach einer lebensgefährlichen Bootsfahrt übers Mittelmeer in Lampedusa gestrandet. Musik Nick Mulvey, Myela Nick Mulvey: Wenn ich die Augen vor der Flüchtlingsproblematik verschließe, ist es so, als würde ich den Untergang auf einem sinkenden Schiff nicht wahrhaben wollen. Ich musste einfach darüber sprechen. Mir war es wichtig im Song Myela dem Leiden eine positive, lebensbejahende Energie entgegenzusetzen.