Interview mit Bei der deutschen Power Metal-Institution Rage hat sich 2006 einiges getan. Ein neues Album, das wieder Elemente der klassischen Musik enthält, eine Tour, die zumindest in Aschaffenburg auf großartige Resonanz stieß. Zeit mal bei der Band nachzufragen, wie sie selbst ihren derzeitigen Status beurteilt. Heraus kam ein sehr interessantes Gespräch mit Drummer Mike Terrana.

Mike: Ihr schreibt also für ein Internet Magazin?  Master Of Puppets: Ja, wir benutzen dort allerdings Pseudonyme, ich nenne mich Master Of Puppets, mein Kollege nenn sich Red Totem  Mike: OK, dann nehme ich mir auch ein Pseudonym, ich heiße Bob. (zeigt auf sein Bild in einem Dollarzeichen auf den Tourpass ) Habt ihr den Typen schon mal gesehen?  Master Of Puppets: Klar, sehr bekannter Mensch.  Mike: Gut, dann bin ich jetzt professionell und heiße Mike  Master Of Puppets: Wie läuft die Tour bisher?  Mike: Fürchterlich. Nein, das war ein Scherz. Die Tour läuft gut. Wahrscheinlich eine der besten Tourneen, die wir je gespielt haben. Das Publikum ist klasse. In Skandinavien sind wir nicht so bekannt, deswegen war der Zuspruch dort nicht so toll. Aber in Deutschland ist das Interesse seitens des Publikums sehr stark. Spanien und Italien war auch toll.  Master Of Puppets: Habt ich dort viele Fans?  Mike: Ja, das war überraschend. Denn viele Bands gehen in großen Packages auf Tour, und haben nicht zu viele Leute gezogen. Aber ich nehme an, die Tatsache, dass wir bei der neuen CD wieder mit einem Orchester aufgenommen haben hat viele Leute neugierig auf den Mix von Klassik und Heavy Metal gemacht. Vielleicht hat das sie zu den Shows gezogen. 2004 haben wir ja schon alle Register zu unserem 20jährigen Jubiläum gezogen, was später zu einem großartigen CD/DVD-Set wurde.  MasterOf Puppets: Du hast ja schon die neue CD „“ erwähnt. Habt ihr schon erste Resonanzen von Fans oder der Presse mitbekommen?  Mike: Offensichtlich scheinen es die Leute zu mögen. Das Album ging in die Charts, und die Reviews waren auch gut. Ich denke zwar nicht, dass es ein Multi-Platin-Album wird, aber wir können trotzdem in Bars spielen. (lacht) Aber es kommt gut an, wir haben sehr gute Reviews bekommen. Im Soundcheck des Metal Hammer hat sich zwar ein Sänger negativ geäußert, dass er die klassischen Samples nicht möge. Aber wir haben auf unserer CD ein richtiges Orchester, also weiß ich nicht was er sich angehört hat. Da spielen wirklich klassische Musiker.  Master Of Puppets: Ich denke auch, dass die orchestralen Parts auf dem aktuellen Album die harmonischsten sind, die man bei Rage jemals gehört hat, auch im Vergleich zu „Lingua Mortis“, “XIII“ oder „Ghosts“.  Mike: Der Ruhm dafür gebührt Viktor (Smolski, Gitarrist). Er ist deswegen extra nochmals zur Schule gegangen und hat Cellospielen gelernt. Also versteht er mittlerweile auch, wie man für klassische Orchester komponiert und diese Kompositionen arrangiert. Sein Vater ist übrigens auch Dirigent. Â

1/5 Master Of Puppets: Ich bin zwar kein Gitarrist, aber dennoch habe ich den Eindruck, dass die Gitarren sich teilweise sehr klassisch anhören.  Mike: Ich spiele auch nicht Gitarre.  Master Of Puppets: Eigentlich spiele ich gar kein Instrument, ich kann nicht mal singen.  Mike: Dann bist du ein Drummer. Das sind die besten Vorraussetzungen dafür (lacht). Ich gebe dir Unterricht. Hör einfach auf den Typen hier, Bob (zeigt auf seinen Tourpass). Häng mit diesem Typen rum, und du wirst zum Drummer.  Master Of Puppets: Werde ich bei Gelegenheit mal versuchen. Aber was war eure Intention, wieder mit einem Orchester zusammenzuarbeiten, wieder einen Schritt in Richtung Klassik zu unternehmen?  Mike: Wenn man sich die Geschichte von Rage ansieht, war ihr größter Erfolg das Album „XIII“. Hierfür erhielt die Band wahrscheinlich die meiste Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, auch wenn diese Tour sehr viel Geld verschlang. Es waren 80 Leute auf Tour, die man auch in Hotels unterbringen musste. Es war ein großer Event mit einer sehr gute Promotion und deswegen wurde sehr viele Exemplare dieses Albums verkauft. Aber bezüglich des Tourens hat es sich nicht ausgezahlt. Aber trotzdem scheint diese Zeit der Höhepunkt der Bandgeschichte zu sein. Zusätzlich hat Viktor das Talent diese Art Musik zu schreiben, also haben wir uns gesagt: „Wir haben die Jubiläums-Tour hinter uns gebracht, also müssen wir jetzt mal was anderes machen. Wenn wir jetzt ‚nur’ ein weiteres Heavy Metal-Album aufnehmen, wir veröffentlichen ein Album alle zwei Jahre im Schnitt, wenn man dann immer das gleiche Album aufnimmt, was ist daran dann so interessant?“. Als nächstes zeichnen wir wahrscheinlich die Show in St.Petersburg auf, dort spielen wir in einem großen Stadion, und machen daraus eine DVD. Diese Show wird also in gewisser Weise verewigt, für alle Zeiten festgehalten. Diese DVD wird im nächsten Jahr veröffentlicht. Zwischenzeitlich werden wir wahrscheinlich ein weiteres Album komponieren, das wahrscheinlich auch einige Akustik-Songs beinhaltet. Wir haben ja mal während einer Tour einige Songs mit Akustik-Gitarren gespielt. Das hat vielen Menschen gefallen, hast du das auch gesehen?  Master Of Puppets: Ja, beim Konzert in der Live-Arena in Münster bei Darmstadt. Das war faszinierend. Eins der besten Rage-Konzerte die ich gesehen habe, neben dem Auftritt beim Strange Noise Open Air in Dietzenbach, bei dem auch das komplette Orchester vertreten war.  Mike: Ja, wenn wir die orchestrale DVD veröffentlicht haben und die Akustik-Songs aufgenommen haben, verbinden wir vielleicht auch die beiden Elemente und machen eine besondere Weihnachtstour in Deutschland mit vier oder fünf Shows, inklusive einem Orchester und den Akustik-Songs. Ein spezieller Event also. Und ich ruiniere dann alles mit einem Drumsolo.  Master Of Puppets: Das stelle ich mir sehr interessant vor. Letzte Woche habe ich Subway To Sally unplugged gesehen, das war auch ziemlich interessant, bekannte Stücke mal in einer anderen Version zu hören.  Mike: Eigentlich haben wir auch versucht mal was mit Apocalyptica zu machen. Ich hab das mal vor langer Zeit vorgeschlagen, aber Peavy meinte, dass die das nie machen würden. Aber warum nicht? Bei einem einmaligen Anlass würde das doch funktionieren. Klar sind die viel größer als wir, und ziehen viel mehr Publikum, aber diese Zusammenarbeit wäre wirklich cool, denn die Jungs spielen sehr heavy. Das wäre doch eine nette Sache.  Master Of Puppets: Das fände ich cool, beide Bands, Apocalyptica und Rage, spielen live mit viel Energie.  Mike: In diesem Moment ist es nur eine Idee. Aber wir versuchen konstant neue Wege zu beschreiten. Viele Bands beschweren sich, dass kaum jemand zu ihren Shows kommt, oder dass keiner mehr Metal mag. Aber

2/5 dafür gibt es einen Grund, denn viele spielen ähnliche Musik, sehen gleich aus, das wird auf Dauer auch langweilig. Wir brauchen mehr Leute mit Mohawks. (zeigt auf seine Frisur)  Master Of Puppets: Mit meinem Haarwuchs ist das leider schwer möglich  Mike: Klar geht das. Es gibt spezielle Perücken, ich kann dir bei dem Problem helfen. Meine Mutter hat auch einen Mohawk. (lacht)  Unterbrich das Interview mal, druckst du meine Witze auch ab?  Master Of Puppets: Klar, aber ich fürchte deine Mutter wird es nicht verstehen.  Mike: Ich werde es ihr übersetzen. Sie ist sehr interessiert an meiner Karriere, sie ruft mich jeden Tag an. Nein, (lacht) wenn ich sie anrufe, ist meistens der Anrufbeantworter dran und sie ruft mich nie zurück.  Master Of Puppets: OK, zurück zum Interview, Rage sind schon seit über 20 Jahren aktiv, denkst du, euer Status ist angesichts der langen Karriere angemessen?  Mike: In Europa schon, da sind wir ziemlich bekannt. Man muss auch berücksichtigen, dass diese Besetzung erst seit sieben Jahren aktiv ist, und fast bei Null anfangen musste, nachdem vier Bandmitglieder auf einmal Rage verlassen haben. Deswegen denke ich, dass unser Status hier ganz gut ist. In Amerika sieht das anders aus. Wenn ich dort jemand erzähle, dass ich in bei Rage spiele, denkt er sofort an Rage Against The Machine, und ich muss ihm dann erzählen, dass es noch eine Band namens Rage gibt.  Master Of Puppets: Wenn man Rage live sieht, fällt einem auf, dass ihr eigentlich durchweg sehr gute Konzerte spielt. Schlechte Shows kennt man von euch nicht. Welchen Stellenwert haben Konzerte für euch?  Mike: Einen sehr hohen, da man mittlerweile nur noch bei Konzerten richtig Geld verdienen kann. Studioproduktionen sind nicht gerade billig, und ein Album hat nicht mehr den Stellenwert wie früher in den 60ern oder 70ern. Damals war eine neue Platte noch was besonderes, das ist heute nicht mehr so. Angesichts der vielen Veröffentlichungen, Special Editions, DVD’s ist der Markt überflutet. Dadurch werden einzelne Alben weniger gekauft.  Master Of Puppets: Live spielt ihr auch viele Soli. Welcher Sinn steckt dahinter?  Mike: Es kommen teilweise auch Musiker zu unseren Shows, denen wollen wir natürlich auch etwas besonderes bieten. Außerdem bin ich ein großer Fan der Musik der 60er und /0er Jahre. Damals waren Soli Standard während den Konzerten. Zu der Zeit hat auch keinen interessiert, ob man mit Musik Geld verdienen kann. Wenn man Musik gemacht hat, war Geld nicht der Grund. In den 60ern und 70ern war Musiker auch kein Beruf. Man wurde Musiker, wenn man gerade keinen Job haben wollte. (lacht) Jeder hat dich gehasst. Damals gab es auch noch keine Techniker. Techniker waren die Leute, die gerne Dope rauchten, Bier tranken und kein Instrument spielen konnten. Also haben sie den Musiker ihre Instrumente auf die Bühne getragen. Ich denke jedenfalls, dass es so angefangen hat. Aber dann hat man mit der Zeit realisiert, dass Leute zu den Shows kommen, dass man verschiedene Dinge ausprobieren kann, dass man die Musik in gewisser Weise manipulieren kann, dadurch hat sich die ganze Angelegenheit verändert. Wenn ich in der Zeit zurückgehe, gehe ich ins Internet. Da suche ich auch nicht nach neuen Bands, sondern suche mir die Alben, die man nicht mehr auf CD kaufen kann und obskure Platten die ich schon in den 70ern hatte und höre mir das an. Weil damit bin ich aufgewachsen, und das lustige ist: Diese Platte halten dem Test der Zeit stand. Und das ist doch auch das interessante an echter Musik. Viele Leute sagen „Oh, du spielst handgemachte Musik“. Ich erzähl dir was über handgemachte Musik. Jeder nimmt doch vieles nur noch mit Computern auf. Deswegen hört es sich langweilig an. Wenn alles perfekt oder künstlich nachgebessert ist, fehlt die menschliche Emotion und der Geist. Die Kunst, Musik einzufangen und zu erschaffen ist weg. Ich bin zum Beispiel ein großer Sinatra-Fan. Wenn Frank Sinatra manchmal aufnahm, hat er nur einmal gesungen. Die Band war da, das ganze Orchester war da, die Mikrophone waren eingestellt, dazu gab es ein großes Fenster, hinter dem Marylin Monroe oder Sammy Davis Jr. und andere eingeladene Menschen

3/5 saßen, und ihm beim Singen zuhörten. Er ist aufgetreten, hat gesungen und ist wieder gegangen. Diese Version wurde mitgeschnitten und dieses Aufnehmen hatte etwas cooles. So ist es leider nicht mehr und ich bin ja auch mit daran schuld. Manchmal spiele ich Drums in einem Raum, habe meine Kopfhörer auf, und sonst ist kein Mensch da. Ich spiele dann meine Musik und es ist schwer, dann emotional zu werden. Â Master Of Puppets: Deswegen mag ich auch Livealben sehr. Da hat man noch Emotionen und wenn mal ein Fehler passiert, muss man eben improvisieren und es hört sich wieder gut an. Â Mike: Klar. Das ist ja auch das schöne an Liveauftritten. Es ist niemals dasselbe. Du steckst immer etwas mehr Energie in dein Spiel, und die Zuschauer geben dir die positive Energie zurück. Das steigert sich zu einem richtig netten Energieaustausch hoch. Es kann natürlich auch anders herum laufen. Es ist aber immer ein gewisser Adrenalinrausch. Es ist als ob man sich unterhält, ohne etwas zu sagen, eine andere Form der Kommunikation. Ich glaube viele Leute haben den Punkt dieser ganzen Sache verloren. Â Master Of Puppets: Es handelt sich dabei ja auch um eine globale Kommunikation. Â Mike: Ja, natürlich. Musik ist eine internationale Sprache, durch das Notensystem ist sie sogar schriftlich. Man kann auf die andere Seite der Welt fliegen, eine A-Note aufschreiben, und die Menschen dort wissen was man meint. Das ist cool, das kann man mit keiner anderen Sprache machen. Hat man nicht mal so etwas mit diesem Esperanto versucht? Das hat nicht funktioniert, nichtwahr? Hört mir eigentlich noch jemand zu? (lacht) Ich rede mit mir selbst in diesem Raum. Â Master Of Puppets: Was waren denn die Höhe- und Tiefpunkte deiner Karriere? Du hast in so vielen Bands gespielt, bist jetzt bei Rage, was würdest du als die besten und schlechtesten Momente deiner Karriere bezeichnen? Â Mike: Möchtest du erste den Höhe- oder den Tiefpunkt wissen? Â Master Of Puppets: Was dir lieber ist. Â Mike: Der Tiefpunkt war Barcelona vor zwei Tagen. (lacht) Nein, ich mach nur Spaß, aber ich sag dir nicht was passiert ist. (kurze Pause) Ich wurde sexuell belästigt. (lacht) Von mir selbst. Ich habe Vorteile von mir selbst genommen. Nein, was war das schlimmste was mir passiert ist? (überlegt) Ich denke ich fange mit dem besten an. Weißt du, manchmal mache ich diese Drum-Clinics, bei denen ich Schlagzeug spiele. Einmal spielte ich auf einer Drum-Clinic in San Francisco mit Steve Smith, dem Drummer von Journey. Er ist in gewisser Weise mein Idol. Das bedeutet wahrscheinlich niemandem etwas, außer mir, aber für mich war es der beste Tag meines Lebens. Denn ich konnte mit ihm Schlagzeug spielen, rumhängen und mich mit ihm unterhalten. Er war nett zu mir und hat all meine Fragen beantwortet. Kommen wir zum Tiefpunkt. Ich weiß nicht so genau. Aber ich denke das war, als ich Yngwie Malmsteen auf der Bühne verließ, in Columbus/Ohio, Newport Music Hall. Er hat seine Gitarre in meine Drums geschmissen und ich bin gegangen. Â Master Of Puppets: Während des Interviews hast du ja schon einige Einblicke in die Zukunft von Rage gegeben, mit der DVD und den Akustik-Songs. Kannst du dir, anch der Zusammenarbeit mit dem klassischen Orchester auch vorstellen, irgendwann mal einen Schritt weiter zu gehen und eine komplette Rock-Oper aufzunehmen? Â Mike: Das kann ich mir vorstellen, solange ich das Zeug einsinge. Hast du mich jemals singen gehört? Â Master Of Puppets: Noch nicht. Â Mike: Ich singe sehr schön. Nein eigentlich doch nicht. Ich denke auch nicht, dass wir eine Oper komponieren werden. Weißt du, diese Nightwish-Sängerin macht das, sie ist sehr schön, deswegen geht das

4/5 bei ihr und nicht bei uns. Wir sind nicht sehr schön. Â Master Of Puppets: Ich hatte bei der Frage auch das Avantasia-Projekt des Edguy-Sängers Tobias Sammet im Hinterkopf. Ihr mischt Klassik und Metal zusammen, wie keiner sonst, also warum nicht mal in Richtung Oper gehen. Â Mike: Vielleicht würde es funktionieren. An einem Punkt haben wir auch Tarja von Nightwish gefragt ob sie mal auf einem unserer Alben singen möchte. Weißt du was sie gesagt hat? „Ich mag keinen Heavy Metal.“ Wir kamen uns vor, als ob wir uns für unsere Anfrage entschuldigen müssten. Es kam dann auch zum großen Kampf zwischen uns. Â Master Of Puppets: Wer hat denn gewonnen? Â Mike: Peavy. Er hat sie mit seinen Muskeln zerstört. Nein, so war das natürlich nicht, wir hatten keinen Kampf. Aber sie mag wirklich keinen Metal. Â Master of Puppets: OK, vielen Dank für das Interview. Â Mike Terrana erwies sich im Anschluss an das Interview noch als genialer Alleinunterhalter mit dem man herrlich über Gott und die Welt philosophieren konnte. Ich hatte selten so einen lockeren Interviewpartner. Vielen Dank noch mal für das Gespräch Mike, you rule!

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