Denkmalpflege in Niederösterreich Friedhof und Denkmal und Denkmal Friedhof

Mitteilungen aus Niederösterreich Nr. 5/2009 P.b.b.-Verlagspostamt 3100 St. Pölten Zulassungsnummer 02Z032683M Aufgabepostamt 3109 St. Pölten

Band 42

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Friedhof und Denkmal

Vorwort

Friedhöfe sind – so ungewöhnlich das im ersten Moment klingen mag – Orte der Begegnung. Man trifft auf geliebte und geschätzte Personen, aber auch auf viele Unbekannte. Friedhöfe stellen die Verbindung zu diesen Menschen aus früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten dar und laden zum Innehalten und Gedenken ein. Den Menschen wurde mit ihrer Grabstätte ein Andenken gesetzt, die Verbindung von Friedhof und Denkmal ist somit eine sehr unmittelbare. Die letzte Ruhestätte ist oft sehr einfach gestaltet, manchmal jedoch in Epitaphen oder Mausoleen in einer künstlerischen Formensprache errichtet.

Diese Broschüre berichtet von den Grabmälern, aber auch von den Friedhofsanlagen und deren Gestaltung im Wandel der Zeiten. Sie zeigt, dass Grabstätten wichtige Fundquellen für die Archäologie darstellen, und das kann gerade in Niederösterreich mit der Grabstelle der Zwillingskinder am Kremser Wachtberg als einem der bedeutendsten archäologischen Funde europaweit veranschaulicht werden. Das Aussehen der Friedhöfe ist neben ästhetischen Aspekten vor allem von kulturellen Überlegungen, vom Respekt gegenüber der Stätte der Toten geprägt. Dabei soll gerade auf die jüdischen Friedhöfe in Niederösterreich nicht vergessen werden, ein Artikel beschäftigt sich mit diesem Thema. So wird klar, dass es in der Denkmalpflege auch bei Friedhöfen und Grablegen noch viele Aufgaben gibt, die wir in Niederösterreich mit Elan angehen.

Den Leserinnen und Lesern dieser Broschüre wünsche ich interessante Einblicke in den großen Schatz des kulturellen Erbes in Niederösterreich und persönlich wünsche ich Ihnen die Zeit zum Innehalten an den Grabmälern unserer Vorfahren.

Dr. Erwin Pröll Landeshauptmann von Niederösterreich Friedhof und Denkmal Gerhard Lindner geben. Aber ichbinsicher, Sie findennochvielmehr. Lassen Sie sichüberraschen. den Kulturen werden. Die Gräber“ Listeder„berühmten sollIhnen einpaarAnhaltspunktedazu suchenden Blick zwischendenGräbern. EskanneinFlanieren zwischendenZeiten undzwischen zu erhalten. Formspezielle deskulturellen Ausdrucks derMenschheitsgeschichte unddaherselbstverständlich Aufmerksamkeit bekommen.Die AnzahlderDenkmäler undGrabstätten isthoch.Sie sindeine dannwürdenErinnerung, auchdieRäumedafürundKunstdenkmäler darinwiedermehr manchmal auchdieGräber gestaltetvon Berühmten. dem Vergessen anheim.Und erhaltenwerden nurdie„Highlights“, dieGräber derBerühmten, die Erhaltung derkünstlerischenDenkmäler. Dann fallendieStätten langsam derErinnerung unserem barocken Verständnis entsprechend wird lieberGeld inbunteBlumen alsin investiert an denaltenGräbern. Oft istderPflegeaufwandnacheinigen Jahren schonzuviel,und Grabkultur undvor allemauchwenig Verständnis fürdiedenkmalpflegerischen Notwendigkeiten Gedenkstätten geflissentlich. Damit einhergehenabereineprimäran Standards orientierte Freiraum nichtmehr. Er wird nurzudenPflichtterminenbesucht,ansonstenmeidetmandie an Spaß undSport Freizeitgesellschaft orientierte, oftkontemplative passtdieserdurchgrünte, Flanieren umdieKirchen wöchentlichbesuchtundgepflegt. genutztoderrund In dieheutige, – vielekünstlerischeAusdrucksmöglichkeiten findensichaufden Friedhöfen wieder. Trauernde Engel oderabstrakteSteine zwischen einfachenKreuzen undganzen Kapellenbauten und letztendlichauchdas Vermögen derHinterbliebenen bestimmendieForm desDenkmals. dürfen. diemeistauchalskünstlerischeAussageBegräbnisstätten geführt, ihrer Zeit angesehenwerden beim Schmerz Verlust einesMenschen habeninderwestlichen Kultur und zuErinnerungs- Wiederfindens. Der Glaube andas Weiterleben nachdem Tod, diesseitsundjenseits,der desGedenkens,Es sindabernichtnurOrte sondernauchdesAbschieds, der Trauer unddes Die –dasistes,wasmanden Pflegeder Erinnerung Gräbern und Denkmälern zuschreibt. Editorial Ich hoffe,wirkönnen Sie animieren zueinem Spaziergang aufdem Friedhof, zu einem Notwendig wäre einselbstverständlicherer Umgang mitdem Tod undmitdemThemader Friedhöfe waren immervielbesuchteFreiräume, inmanchenLändernfastwieParks zum Der Zugang zum Tod, dieStellung des Verstorbenen inderGesellschaft, Verordnungen Friedhof und Denkmal

Werner Kitlitschka Restaurierbeispiel Grabmal und Grabkult – Eine Einführung 6 Otmar Rychlik Ernst Lauermann Die Grabkapelle der Familie Pacher von Grabbrauchtum in der Urgeschichte 12 Theinburg auf dem Friedhof von Schönau an der Triesting 45 Franz Humer Ableben, Begräbnis und Friedhofskultur vor etwa 2000 Jahren in Carnuntum 18 Blick über die Grenzen

Patrick Schicht Martin Grüneis Der Friedhof im Mittelalter 23 Ignaz Joseph Pleyels Ruhestätte am Pariser Friedhof Père-Lachaise 48 Tina Walzer Jüdische Friedhöfe in Niederösterreich 26 Andreas Lebschik Jüdische Friedhöfe in der Tschechischen Alfred Benesch Republik entlang der Waldviertler Grenze 50 Friedhöfe als Frei- und Grünräume 30

Natascha Müllauer Aktuelles aus der Denkmalpflege Grabungen in und um Kirchen 35 in Niederösterreich 52

Peter Fritz Buchbesprechung 60 Kriegsgräber in Niederösterreich 38 Buchempfehlung 61 Christian Gurtner, Martin Pliessnig Nicht nur das Andenken, auch das Literaturhinweise 61 Denkmal gilt es zu bewahren! 40 Ausgewählte Museen 62 Margit Kohlert Bedeutende Grablegen in Niederösterreich 42 Grabmal und Grabkult – Eine Einführung

Werner Kitlitschka Der Umgang mit dem Tod und das Verhalten „Geschichte des Todes“ und „Bilder zur Geschichte gegenüber den Verstorbenen zählen zu den elemen- des Todes“ 1976, 1980 und 1984 auch in deut- tarsten kulturellen Äußerungen der Menschheit. scher Sprache erschienen sind. Auch in jüngster Totenbrauchtum, Begräbnis, Grab und Friedhof Zeit wurden mehrere einschlägige Arbeiten, dar- greifen heute wie in vergangenen Zeiten tief in die unter ansprechende Bildbände, veröffentlicht. In psychischen Befindlichkeiten und Verhaltensweisen äußerst verdienstvoller Weise widmete sich Ralph der Menschen ein. Gälzer in seinem 2006 publizierten Buch „Gärten Wesentliche Basisinformationen zur umfas- des Friedens“ den ländlichen Friedhöfen in Nieder- Baden, Helenenfriedhof senden Thematik der Sepulkralkultur sind den österreich. Den bislang ausführlichsten und fun- Baden-Weikersdorf Forschungen des französischen Historikers Phi- diertesten Überblick über die außerordentliche Grabmal Familie lippe Ariès zu verdanken, die unter den Titeln Vielzahl und Vielfalt plastischer Werke zur Todes- Reichert „Studien zur Geschichte des Todes im Abendland“, thematik vermittelt der Kunsthistoriker Erwin Panofsky in seinem Buch „Grabplastik – Vier Vor- lesungen über ihren Bedeutungswandel von Alt- Ägypten bis Bernini“. Ein eigenes Institut samt Museum in Kassel, Deutschland, ist der Sepulkral- kultur gewidmet. Die Grabkultur der Antike brachte neben der auch für das 19. und 20. Jahrhundert wichti- gen Stele (freistehender Pfeiler) zwei weitere künst- lerische Massenphänomene mit enormer Auswir- kung hervor: das monumentale und das kleine Haus der Toten – Mausoleum und Sarkophag. Eines der wesentlichsten Elemente der römischen Grabmalkunst stellt die imago clipeata, das medail- lonförmige Brustbild der Verstorbenen, dar, wel- ches zuweilen die Figuren von Schlaf und Tod flankieren. Häufiger jedoch tragen das Porträtme- daillon hilfreiche Wesen, wie Viktorien, Eroten oder Allegorien der Jahreszeiten in die Sphäre der Unsterblichkeit empor. Zeitlich späteste Auswir- kungen dieses antiken Typus sind gewissermaßen die kleinen, auf fotografischem Wege in kerami- scher Technik hergestellten Rundporträts Verstor- bener, die um 1900 in Mode kamen. Zahlreiche Motive der frühchristlichen Sepulkralkunst ent- stammen traditionellen antiken Vorstellungswel- ten, wurden allerdings durch Einfügung in die

6 neuen Sinnbezüge der jungen Religion gewisserma- Die Verstorbenen sollten der Strahlkraft der Reli- ßen christianisiert. So trugen nun etwa, gleich den quien teilhaftig werden und mit Hilfe des oder römischen Viktorien, Engel einen clipeus (Medail- der betreffenden Heiligen besonders wirkungs- lon) mit den Bildnissen der Verstorbenen oder voll in das erwartete Auferstehungsgeschehen ein- einen Lorbeerkranz mit dem Monogramm Christi bezogen werden. Platzgründe und vermutlich auch empor. sanitäre Erwägungen machten es allerdings nach Während im klassischen Altertum die Toten einiger Zeit nötig, das Begräbnis innerhalb der keinesfalls im Inneren oder in der Nähe von Hei- Gotteshäuser von einem Anrecht Vieler auf ein ligtümern, sondern nur außerhalb der Stadtmau- Vorrecht Weniger zu beschränken. Jedenfalls legte ern beigesetzt werden durften, ist der frühchrist- man bis ins 18. Jahrhundert größten Wert darauf, liche Bestattungsort der Kirchenraum, und zwar wenn schon nicht innerhalb, so doch wenigstens Stockerau, Grabmal ein Platz in möglichster Nähe des mit dem Altar in in nächster Nähe einer Kirche begraben zu wer- Familie Hellmer, 1910 Verbindung stehenden Märtyrergrabes. den. Mönche und Nonnen fanden ihre Ruhestätte in den Kreuzgängen der Klöster und Stifte, Laien in den Kirchhöfen. Da die Begräbnisplätze häufig knapp waren, kam es oft bereits nach kurzer Zeit zur Entnahme der Gebeine und deren Lagerung in den Untergeschossen der besonders für Nieder- österreich charakteristischen Karner, wie sie im 13. Jahrhundert etwa in Bad Deutsch-Altenburg, Mödling, und Tulln entstanden. Die Anlage unzähliger Grabstellen, dicht gedrängt auf engstem Raum innerhalb der Kir- chen, Kreuzgänge oder Kapitelsäle, führte zur Ent- stehung der Grabplatte als einer neuen, spezifisch mittelalterlichen Grabmalform. Vor allem im 16. Jahrhundert erlangte das Epitaph als neuer Grabmaltypus große Bedeutung. Es konnte an Wänden angebracht und zur Darstel- lung inhaltlich komplexer religiöser Programme in Verbindung mit Porträts verwendet werden. In der Pfarrkirche Murstetten sowie in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Laach am Jauerling etwa befinden sich besonders herausragende Beispiele für diese Gattung. Von den Kirchen räumlich völlig getrennte weitläufige Begräbnisorte und damit Friedhöfe im heutigen Sinne wurden unter dem Druck des mit- unter rapiden Bevölkerungswachstums mancher- orts verhältnismäßig früh angelegt, in Frankreich bereits ab dem 12. Jahrhundert. Allerdings waren diese großen neuen Bestattungsplätze den Kirchen benachbart. Die innerhalb des 18. Jahrhunderts in ganz Europa um sich greifende Tendenz, die beste- henden Friedhöfe in den Siedlungen aufzulassen

7 und außerhalb neue zu begründen, wurde auch Ebenso war des Kaisers Reformidee, die Toten in Wien und Niederösterreich zu einem die wei- ohne Särge, nur in Leinensäcke gehüllt der Erde zu tere Entwicklung des Friedhofwesens bestimmen- übergeben, zum Scheitern verurteilt. dem Faktor. Für Wien bedeutete in diesem Zusam- Die Bestattungsreform Kaiser Joseph II. menhang die Hofentschließung Kaiser Joseph II. war der Entstehung einer Grabmalskunst auf brei- vom 9. Oktober 1783 den entscheidenden Schritt. ter Basis keinesfalls förderlich, waren Einzelgrä- Darin wurde die Anlage neuer Friedhöfe außer- ber doch nicht vorgesehen und Grabmale nicht halb des Linienwalls befohlen, sämtliche innerhalb erlaubt. Lediglich an den Friedhofsmauern durften der Stadtmauern gelegenen Gottesäcker hinge- Gedenksteine angebracht werden, wobei aber diese gen waren zu schließen. Diese Initiative des Kai- Regelung aus praktischen Gründen der Instandhal- sers hatte eine nachhaltige Auswirkung in allen tung der Umfassungsmauern bald wieder fallenge- Kronländern. lassen wurde. Joseph II. Absicht, auf den Friedhöfen nur Im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhun- Schachtgräber zuzulassen, was die Rückkehr zu derts begann man schließlich von den Schacht- Hinterbrühl, Friedhof, einer im Mittelalter und der frühen Neuzeit über- gräbern, in denen je nach Gegebenheiten zehn bis Grabmal von Fritz Hall, wiegend praktizierten Bestattungsform bedeutet fünfzehn Beisetzungen erfolgten, abzugehen und 1918 hätte, erwies sich als auf Dauer nicht durchführbar. strebte die Bestattung in Einzelgräbern an. Diese Tendenz bedingte enorme Friedhofsvergrößerun- gen und Erstellungen genauer Planungen mit Fest- legung der in den einzelnen Teilbereichen jeweils ansässigen Grabtypen. Eine Regierungsverordnung vom 2. März 1830 gestattete nunmehr die Errich- tung eigener Gräber und bleibender Denkmale, wozu Steine ebenso wie eiserne Kreuze zählten, mit der Auflage der Einholung einer besonderen Bewil- ligung der Niederösterreichischen Landesregierung. Diese amtlich genehmigten Grabdenkmäler waren, solange dafür Raum zur Verfügung stand, entlang der Friedhofsmauern anzuordnen und durften nur unter besonderen Bedingungen innerhalb des noch unbelegten Friedhofsgeländes frei situiert wer- den. Ohne Vorliegen entsprechender behördlicher Bewilligungen war lediglich die bescheidene Kenn- zeichnung der Grabhügel mittels einfacher Kreuze aus Weichholz von maximal zwei Schuh Höhe – das ist etwas mehr als 60 cm – zulässig. Diese Regelung bedeutete gewiss einen wichtigen Impuls für die Grabmalkunst des Bieder- meier, die sich vor allem antiker Architekturformen und Symbole bediente. Insbesonders sei diesbezüg- lich auf trauernde Genien mit gesenkten Lebensfa- ckeln sowie auf die sich in den Schwanz beißende Ewigkeitsschlange, auf Urnen, Lorbeerkränze oder auch auf Schmetterlinge als Sinnbilder der Men- schenseelen verwiesen.

8 Wenngleich die Menschen des 19. Jahrhunderts Grablegen ist ein neues Friedhofsverständnis, das im Kauf eines eigenen Grabes mit Grabmal ein fas- sich in der europäischen Öffentlichkeit ab dem zinierendes Statussymbol erblickten, bestand für ausgehenden 18. Jahrhundert entwickelte. Nicht die Mehrzahl der Bevölkerung aus finanziellen mehr als Orte schmerzvoller Trauer und schau- Gründen doch nur die Möglichkeit, in einem her- riger Konfrontation mit dem Tod gelten nun die kömmlichen Schachtgrab die letzte Ruhe zu fin- Begräbnisstätten, sondern als weihevolle Bezirke den, wobei die Erwerbung eines Sarges zumeist das eines neuartigen Kultes der Toten und der Gräber, Maximum des von der großen Masse erreichbaren der die Verstorbenen im Gedächtnis der Leben- Begräbnisstandards bedeutete. den dauerhaft zu verankern trachtet. Der öffent- Für die wohlhabenden Schichten wurden liche Friedhof wurde im Laufe des 19. Jahrhun- Gräber mit Denkmal und Umgitterung im Laufe derts zu einer gewissermaßen kulturell-religiösen des 19. Jahrhunderts zunehmend die geschätzteste Institution. Grabart. Sie galten als besonders vornehm und ele- Die zum Indikator gesellschaftlicher Bedeu- gant. Die umgitterte Grablege, die durch ihren tung der Verstorbenen und ihrer Familien gewor- hohen Anschaffungspreis allerdings lediglich für dene Grablege und das Denkmal als eine der zent- einen exklusiven Teil der Bevölkerung in Betracht ralen künstlerischen und soziokulturellen Aufgaben kam, kann neben der Villa als eines der signifikan- des Historismus verschmolzen zum Phänomen testen Statussymbole des späteren 19. und frühen des Grabdenkmals in breit gefächerter bildhaueri- 20. Jahrhunderts gelten. Das Gitter bot die Mög- scher Ausformung. In Verbindung mit der Garten- lichkeit distanzierender Abgrenzung gegenüber den kunst entstanden mitunter höchst wirkungsvolle benachbarten Gräbern und konnte auch mit sei- Gesamtkunstwerke, die zahlreiche Grabdenk- nem individuell gestalteten Zierrat zur Intensivie- male in architektonisch strenger bis malerisch rung der autonom-repräsentativen Wirkung der lockerer Anordnung zu einem stimmungsvol- Grabanlage eingesetzt werden. Schmiedeeisenla- len Ganzen vereinigten. Bereits gegen Ende des ternen, Porträtdarstellungen und weibliche Trau- erfiguren in Nachfolge der antiken Klagefrauen ergaben zusammen mit den hoch aufragenden Inschriftsteinen aus exquisiten Marmor- oder Gra- nitsorten künstlerische Ensembles von suggestiver Wirkung. Zu solch’ aufwändigen Anlagen gehör- ten auch die entsprechend pompösen Begräbnisse, an die etwa die beiden prunkvollen Leichenwa- gen im Heimatmuseum von Klosterneuburg-Kier- ling erinnern. Als repräsentative Kulminationspunkte ent- standen in der Ära des Historismus zahlreiche, mit- unter auch aufwändig ausgestattete Gruftkapellen, die für manchen Friedhof eine geradezu wahrzei- chenhafte künstlerische Bereicherung darstellen. Ein signifikantes Beispiel hierfür ist etwa das Mau- soleum Schüler auf dem Mödlinger Friedhof, ein Werk des Architekten Alexander Wielemans aus Hinterbrühl, Friedhof, dem Jahre 1895. Grabmal Dr. Josef Eng verknüpft mit diesem Streben nach Scheimpflug, 1900 möglichst eindrucksvollen repräsentativen

9 18. Jahrhunderts definierte der Gartentheoretiker Christian Cay Lorenz Hirschfeld den Friedhof als melancholischen Garten. Analog zur Situierung von Denkmälern in den öffentlich zugänglichen Gärten und Parkanla- gen schuf man vor allem während der Regierungs- zeit Kaiser Franz Josephs gartenarchitektonisch strukturierte und gärtnerisch ausgestattete Begräb- nis- und Denkmalhaine. Hierbei kommt den in die Gestaltungen einbezogenen Gebilden der Natur, wie Bäumen, Sträuchern, Rasenflächen, Topfpflan- zen und Blumen, neben ihrer ästhetisch-künstleri- schen Funktion auch die Aufgabe zu, Zeichen zu sein für den Kreislauf des Lebens sowie Hinweis auf Auferstehung und erhoffte Wiedergeburt. Als traditionelle Symbole unvergänglichen Lebens fin- den sich insbesonders immergrüne Pflanzen wie Thujen (Lebensbäume) und Efeu. Eine frühe und besonders eindrucksvolle Schöpfung solcher Art stellt der im niederösterrei- chischen Ort Kleinwetzdorf gelegene so genannte „“ dar, den ab dem Jahre 1849 der Armeelieferant Joseph Gottfried Pargfrieder als eine der großartigsten und zugleich originellsten Begräbnis- und Denkmalanlagen Europas zu Ehren der österreichischen Armee anlegen ließ. Stadt und Land trifteten hinsichtlich Bestattungs- und Grabkult im Laufe des 19. Jahr- hunderts erheblich auseinander. Im Gegensatz zu den pompös-luxuriösen Gepflogenheiten der Stadt- und Stadtrandbewohner mit zunehmend wachsendem Bedürfnis nach immer größeren und aufwändigeren Grabmalen unter Einbezie- hung porträthafter und symbolisch-allegorischer bildhauerischer Werke schildert Robert Weißen- hofer 1888 im Band „Niederösterreich“ der Pub- likationsreihe „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ die vergleichs- weise schlichte Praxis der Landbevölkerung. Auf dem Lande habe man besonderes Gepränge ver- mieden, aber „dafür möglichst viel der Seele des Dahingeschiedenen zugute kommen“ lassen. Klosterneuburg - Weid- Darum „kein Luxus mit Kränzen oder in Ausstat- ling, Friedhof, Grabmal tung der Grabmonumente … das einfache Holz- von Familie Olbricht kreuz genügt noch fast überall.“ An die Stelle der

10 Holzkreuze traten etwas später auf vielen Fried- Die Massenproduktion des 20. Jahrhunderts und höfen in Niederösterreich neben eher seltenen auch der Gegenwart bestimmt der relativ einfa- Schmiedeeisenarbeiten Gusseisenkreuze mit einer che Grabstein kleineren Formats in Stelenform, Vielzahl unterschiedlicher Figurenprogramme wobei sich markante Unterschiede kaum in ästhe- oder eher nüchtern wirkende Steinstelen, deren tischer Hinsicht, sondern zumeist nur bezüglich bevorzugtes Material graugeäderter Wachauer des gewählten, mehr oder weniger teuren Materi- Marmor bildete. als feststellen lassen. Nur verhältnismäßig wenige, Für die zahlreichen im Laufe der zweiten individuell geprägte künstlerische Schöpfungen Hälfte des 19. Jahrhunderts oder später in Nieder- ragen aus der Unzahl serieller Routineerzeugnisse österreich angelegten Friedhöfe gab gewiss der am heraus. Allerdings sehen zeitgenössische Künstler 1. November 1874 eröffnete Wiener Zentralfried- und Steinmetzbetriebe in den Grablegen doch auch hof mit seinen Ehrengräbern ein strukturell und immer wieder die Chance für individuelle künstle- künstlerisch anregendes Vorbild ab. rische und kunsthandwerkliche Gestaltung. Mit dem Ende der Monarchie kamen die Neben den Bemühungen um die Bewahrung aufwändigen pathetischen Repräsentationsgrabstät- und mitunter auch Wiederverwendung überliefer- ten ab und neuartigen, in Form, Größe und Mate- ter Grabmale kommt der Suche nach neuen zeitge- rial bescheidenen Grabsteinen gehörte nun die mäßen Lösungen große Bedeutung zu, kann doch Zukunft. Es kann geradezu von einer Reform des besonders in der künstlerischen Auseinanderset- Grabmals die Rede sein, an der führende Künst- zung mit der Thematik von Tod und Hoffnung die ler, wie Architekt Josef Hoffmann und einige seiner künstlerisch-kulturelle Kreativität des Menschen in Schüler, ab dem zweiten Jahrzehnt des 20. Jahr- ihrer faszinierenden Vielfalt Ausdruck finden. Eine hunderts besonderen Anteil hatten. Grabmalent- moderne Denkmalpflege wird sich daher der Fried- würfe für die ersten gefallenen Soldaten des Ersten höfe und Grabmale in ihrer historischen, künstle- Weltkrieges spielten hierbei eine impulsvermit- rischen und kulturellen Vielschichtigkeit engagiert telnde Rolle. Ungeachtet dieser Reformbestrebun- annehmen. Vor allem in der gegenwärtigen Dyna- gen wirkt die heroische Formensprache des Histo- mik kultureller Aufbrüche und Neuorientierungen rismus in den zahlreichen „Kriegerdenkmälern“ der gehören diese zu den maßgeblichsten psychischen Zwischenkriegszeit noch nach. Impulsvermittlern und Speichern geschichtlicher Informationen. Die durch nichts ersetzbare gesell- schaftspolitische Funktion des Lern- und Gedenk- ortes „Friedhof“ machen in besonderer Weise die zahlreichen israelitischen Begräbnisstätten in Nie- derösterreich bewusst.

Kleinwetzdorf, Heldenberg

11 Grabbrauchtum in der Urgeschichte

Ernst Lauermann Gräber gehören zu den wichtigsten und zu den fas- Charakters und der Entwicklung der materiellen zinierendsten Quellen der Archäologie. Soziale Kultur. Sie gehören zu den Grundquellen der prä- Stellung, Verwandtschaftsverhältnisse, Krankheits- historischen Wissenschaft, obgleich der Inhalt der bilder etc. spiegeln das Leben wider. Die Beerdi- Gräber den Querschnitt der damaligen Kultur als gung der Körper der Toten auf eine bestimmte pie- ein Ganzes nicht wiedergibt und zumeist nur eine tätvolle Art, die Zurichtung des Grabinneren und subjektive Auswahl vorstellt. Fehlen Beigaben, wird Ausstattung des Beerdigten sind ein Abbild der die Datierung wesentlich schwieriger. Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. In Wie die Oberschicht in der Urzeit ausgese- diesen Handlungen spiegeln sich die verschiede- hen hat, lässt sich nur aufgrund der Gräber vorstel- nen Formen dieser Entwicklung und auch religiöse len. Die ersten Anzeichen reicher Gräber gehen bis Vorstellungen wider. ins Neolithikum zurück. Aber auch in der Bron- Die ersten wirklichen Beerdigungen mensch- zezeit und besonders in der Hallstattzeit erreichen licher Überreste können nach dem derzeitigen For- diese Gräber imposante Ausmaße. Es ist natürlich, schungsstand mindestens vom Mittelpaläolithikum dass zwischen den reichen Gräbern aus verschie- an verfolgt werden. Sie zeugen vom allmählich sich denen Zeiten wesentliche Unterschiede hervortre- verbreitenden Totenkult, von den Totenbräuchen ten und dass ihre Interpretation in Einzelheiten Krems, Wachtberg, und den damaligen Vorstellungen. mit der guten Kenntnis der gesamten archäologisch Doppelbestattung zweier Durch die Beigaben wurden die Gräber zu erfassbaren Umgebung im Einklang stehen muss. Säuglinge einer wichtigen Erkenntnisquelle hinsichtlich des Der eigentliche Bestattungsritus hat zu verschie- denen Zeiten seine spezifischen Merkmale. Die grundsätzliche Unterscheidung kennt zwei grund- verschiedene Bestattungsarten: Einmal die Körperbestattung, hier wird der Körper des Toten unverbrannt beigesetzt. Wir unterscheiden nach der Art der Beisetzung des Toten Hockerlage, gestreckte Rückenlage, Bauch- lage, sitzende Stellung etc., eventuell auch nach dem Schrein für die sterbliche Hülle. Für etli- che urgeschichtliche Kulturen sind Einzelgräber typisch. Aber auch in diesen Zeiten kommen Grä- ber von zwei oder mehreren Individuen vor, wir sprechen hier von Mehrfachgräbern. Wenn der Körper des Toten verbrannt wird, und die unverbrannten Reste im Grab beigesetzt werden, sprechen wir von der Brandbestattung. Wir teilen in der Regel ein in Urnengräber, wo die Körperreste in eigenen Urnen beigesetzt wer- den, und in Brandgrubengräber: Hier werden die

12 Knochenreste in der Brandgrube mit Scherben und Eine wahre archäologische Sensation wurde am Asche vermengt. Kremser Wachtberg entdeckt. Im Bereich einer Der Begriff „Sonderbestattung“ wurde in der Mulde wurde ein Mammutschulterblatt gefunden, Archäologie zur Bezeichnung von Bestattungsfor- darunter befanden sich in einem schmalen Hohl- men eingeführt, die von den Normen der jeweili- raum von einer starken Rötelschicht bedeckt die gen Kultur oder Epoche abweichen. Aufgabe der Knochen zweier Säuglinge in stark angehockter Archäologie ist es, die Ursachen zu erforschen, die Lage. Es handelt sich bei dieser Doppelbestattung zu den „Sonderbestattungen“ führten. Glückliche um das erste bisher entdeckte erhaltene Grab aus Befundbeobachtungen können zur Erklärung in dem Jungpaläolithikum in Österreich. Einzelfällen führen. In allen prähistorischen Perioden, vor allem Neolithikum mit dem Aufkommen der Metallbeigaben, konnte (6.000/5.000 – 2.300/2.200 v. Chr.) die nachträgliche Störung von Gräbern immer wie- Erst im Neolithikum wird das abstrakte Denken der beobachtet werden. geboren, der Gedanke des Jenseits, der Gedanke Grabraub und Leichenschändung galten des Ewigen, das über den Dingen steht. Dadurch wohl zu allen Zeiten als schwerwiegende Vergehen, wird die Spaltung in Körper und Seele geschaffen. die meist sehr streng geahndet wurden. Mit dem Ab dem 6. Jahrtausend lagen kleine Bestat- Begriff Grabfrevel ist die Entehrung eines Grabes tungsplätze außerhalb der Siedlungen, wo die Ver- gemeint. Der Grabraub bezeichnet die sekundäre storbenen meist in Hockerlage in Gruben beige- Öffnung eines Grabes zur Entnahme von wert- setzt wurden. Neben Keramikgefäßen, die wohl vollen Ausstattungsteilen. Beraubt wurden Gräber Speise und Trank enthielten, bekamen Verstorbene vor allem aus materiellen Gründen, aber auch aus religiös-kulturellen.

Paläolithikum / Mesolithikum (bis 6.000/5.000 v. Chr.) Aus der Fülle der Bestattungen, die aus dem Paläoli- thikum gefunden worden sind, ergibt sich ganz deut- lich, dass der Mensch seine Toten nicht einfach hat liegen lassen, sondern dass er sie sorgfältig bestat- tete. Dem Toten werden Waffen, Werkzeuge und Schmuck mitgegeben, damit er weiterleben kann wie bisher. Er wird in der Nähe des Herdes bestat- tet, damit der Köper nicht friere, er wird bedeckt mit Ocker, damit die blasse Farbe des Toten verschwin- det, und damit das Leben dem Toten symbolisch wiedergegeben wird. Der Mensch lebt im Diesseits, er fühlt sich den Dingen und den Tieren zugeord- net, er ist ein Teil und ein Stück von ihnen. Stirbt er, dann löst sich nicht die Seele ab, dann geht die Seele nicht ins Jenseits, der Tote verbleibt vielmehr weiter hier, er lebt wie vorher, an anderer Stelle und unsicht- Niederhollabrunn, bar. Er ist ein lebender Leichnam. Man muss ihm Hockerbestattung einer seinen Schmuck lassen, man muss ihm zu essen und älteren Frau zu trinken geben, und man muss ihn wärmen.

13 in der Regel auch ihren Schmuck und Werkzeuge, enthielten normalerweise Nahrungsmittel, wenn- wie Steinbeile mit ins Grab. Rötelstreuung könnte gleich davon zumeist keine Spuren mehr festzu- auch auf Körperbemalung hinweisen. stellen sind. Vielfach war es herrschender Brauch, Die vorherrschende Bestattungsart war auch den Toten mit Schmuck zu versehen, Halsketten im 5. und 4. Jahrtausend nach wie vor die Beiset- und Anhänger aus Muscheln waren üblich. In den zung des unverbrannten Leichnams in einer ein- Männergräber finden sich auch Waffen. fachen Grabgrube. Zeitweise wurde in der For- Ab dem Spätneolithikum bilden sich ver- schung die Vermutung geäußert, die Ausrichtung schiedene soziale Gruppen heraus, wie Handwerker bzw. die Blickrichtung der neolithischen Bestattun- und Krieger, die in Gräberfeldern durch Werkzeug- gen habe eine religiöse Bedeutung, indem sie auf und Waffenbeigaben archäologisch nachweisbar ein Totenreich oder auf Jenseitsvorstellungen Bezug sind. Jetzt beginnen Brandbestattungen eine grö- nehme. Rücksicht auf den Stand der Sonne zum ßere Rolle zu spielen. Über religiöse Vorstellun- Zeitpunkt der Bestattung mag sich als nahe lie- gen, die hinter der Totenverbrennung zu vermuten gende Annahme aufdrängen. Weiters wurde beob- sind, wurden mancherlei Überlegungen angestellt. achtet, dass der menschliche Schädel mitunter ritu- Zumeist gehen diese von späteren Kulturen und ell besonders behandelt wurde. Religionen aus, bei denen die Brandbestattung ver- Die Beigabenausstattung weist sehr bezeich- bunden ist mit dem Glauben an den Dualismus Unterhautzental, Doppel- nende Züge auf. Die Tongefäße stehen an ers- von Leib und Seele: Die Seele als der unsterbli- bestattung zweier Kinder ter Stelle der unvergänglichen Materialien. Sie che Teil müsse nach dem Tod des Körpers durch

14 die Verbrennung von diesem getrennt werden, gräberkultur“. Das beste Beispiel sind die Nekropo- damit sie zu dem ihr gemäßen Weiterleben befä- len von Pitten im südlichen Niederösterreich. Hier higt werde. liegen drei Friedhöfe übereinander. Flachgräber wer- den von horizontalen Hügelgräbern überdeckt, in Bronzezeit denen sich anfangs Körper- und Brandbestattungen (2.300/2.200 – 1.300/1.250 v. Chr.) nebeneinander, zuletzt nur mehr Brandbestattungen Prinzipiell herrschte in der Frühbronzezeit die Kör- finden. Die Nadeln, Gürtel und Schmuckstücke der perbestattung in Form von Hockergräbern vor. mittleren Bronzezeit zeigen oft übergroße Formen. Bewaffnung, Trachtbestandteile und Speisenbeiga- Die Gewänder der Frauen wurden mit zwei, die der ben in den entsprechenden Gefäßen gehörten zur Männer mit einer oft extrem langen Bronzenadel auf Grabausstattung. der Schulter zusammengehalten. Neben den Nadeln Siedlungsgruben dienten oft als Bestat- wurde auch Brust-, Hals, Arm- und Beinschmuck tungsplatz, Doppel- und Mehrfachbestattungen getragen. ermöglichen gelegentlich Einblicke in das Sozial- gefüge des Menschen der frühen Bronzezeit; ähn- Urnenfelderzeit lich verhält es sich mit abnormen Beisetzungen (1.200 – 800 v. Chr.) von Einzelindividuen. In dieser Epoche trat im Totenkult und Jenseits- In der Mittelbronzezeit wurde die Sitte der glauben eine Wende ein, wie sie einschneidender Großmugl, Hügelgrab Grabhügel üblich, daher auch der Name „Hügel- kaum zu denken ist.

15 Als Urnenfelderkultur ging dieses Phänomen in die wir das ablesen. Sie ließen sich riesige Hügelgrä- Geschichte ein. Sie lässt sich auf den Nenner brin- ber errichten, in denen sie wie in Böhmen und gen Brandgrab statt Körpergrab – eine geradezu in Süddeutschland auf einem vierrädrigen Wagen spektakuläre Neuerung. Die Leichenverbrennung innerhalb einer fest gefügten Bohlenkammer mit und die Urnenbestattung der Asche beginnen ihren Schmuck und Bewaffnung ihre letzte Ruhestätte Siegeszug. fanden. Ganz sicher liegen diesen kulturellen Doch bald bildeten sich Schwerpunkte der Umwälzungen, dieser folgenschweren Kulturre- kulturellen Entwicklung heraus, die sehr deutlich volution neue Vorstellungshorizonte zugrunde. zwei Gruppe unterscheiden lassen: den Westhall- Durch die Verbrennung des Leibes sollte die stattkreis und den Osthallstattkreis. „Seele“ freigesetzet werden, ein neues Phänomen. Ein früher Höhepunkt in der ersten Phase Der Leib wurde nicht mehr für die Fortexistenz der Hallstattkultur erfolgte im Osthallstattkreis in nach dem Tode benötigt. einem Gebiet, das auch Niederösterreich umfasste. Urnen mit Leichenbrand lösen die auf- Das Grabhaus war oft sehr geräumig. Pferde wurden wendigen Grabanlagen früherer Epochen ab. Die zwar nie mit ins Grab gegeben, aber die Zugvorrich- Mulde der „kleinen“ Leute war nun nicht ein- tung. Pferdetrensen zeigen uns deutlich den starken mal mit Steinen ausgekleidet, die Urne war von Einfluss der „Thrako-Kimmerischen“ Welle. einfachster Form. Die Bestattung an sich war Die östlichen Fürstengräber der älteren Phase somit unauffällig, der Aufwand bei der Totenfeier geben uns noch andere interessante Einblicke. Man durch die Errichtung des Scheiterhaufens und das fand dort eine wohl nur für den Grabgebrauch Zusammensammeln der Überreste jedoch wesent- angefertigte Keramik. Sie ist meist nicht sehr gut lich größer und vielleicht andersartig als bei den gebrannt und schon auf Grund ihrer Form für den Leichenfeiern früherer Epochen. täglichen Gebrauch ungeeignet. Ihre Verzierung Reguläre Begräbnisstätten dieses Zeitab- ist aber künstlerisch hochstehend ausgeführt, die schnittes kennen ausnahmslos die Beisetzung in Oberfläche ist mehrfärbig (rot und schwarz) und Brandgräbern, vielfach in Keramikurnen und zeigt geometrische Ornamente. kleinen Grabgruben. Sie lassen nur selten einen aufwendigen Grabbau erkennen, wie wir ihn Latènezeit in Gestalt der aufgeschütteten Hügel der Mit- (400 v. Chr. – 1. n. Chr.) telbronzezeit oder der Hallstattzeit kennen. Die Der Brauch, der in der späten Hallstattzeit verbrei- Gräberfelder machen so einen uniformen Ein- tet ist, wird mit der Latènezeit allmählich durch die druck, auch in den Beigaben ist arm und reich Beisetzung in Flachgräbern abgelöst. Durch Grup- weitgehend angeglichen und offensichtlich stren- penbildungen innerhalb der Friedhöfe deuten sich gen Sitten unterworfen. Sippen- und Familienverbände an. Nicht nur Hügel-, sondern auch Flachgräber Hallstattkultur werden öfters von kleineren Kreis- oder Viereckgrä- (800/750 – 450/400 v. Chr.) ben umgeben. Oberirdische Kennzeichnungen sind Die so genannte „Thrako-Kimmerische“ Wan- anzunehmen, jedoch nur vereinzelt tatsächlich in derung brandete an die um 800 v. Chr. in Ent- Form kaum bearbeiteter größerer Steinplatten auf wicklung befindliche Hallstattkultur. In weite uns gekommen. Prächtige Steinskulpturen werden Gebiete der Hallstattkultur Mitteleuropas hinein dabei allerdings wohl Ausnahmen gewesen sein. zeigt sich bei der Anlage von Gräbern eine Ent- Vorherrschende Bestattungsart in der späte- wicklung, die eine soziale Vorrangstellung von ren Hallstatt- und frühen Latènezeit war die Kör- einzelnen Fürstengeschlechtern erkennen lässt. perbestattung. Der Verstorbene wurde auf dem Besonders an den Gräbern dieser Edlen können Rücken liegend begraben. Am Ende der frühen

16 Langenlebarn, Grab- hügel, Stierkopfgefäß

und beginnenden Mittellatènezeit ist dann ein all- gefundenen Gefäßen, Fleischbeigaben und Gerät- mählicher Übergang von der Körperbestattung zur schaften greifbar. Brandbeisetzung zu beachten. Flaschen, Schüsseln, Tassen und Becher stel- Unterschiedlich war auch die Behandlung len das Hauptinventar dar. Als Fleischbeigaben der sterblichen Überreste nach der Einäscherung. dienten in den meisten Fällen Teile von jungen Sie wurden entweder in eine Erdgrube gestreut Schweinen, aber auch Knochen von Schaf/Ziege oder sorgfältig ausgelesen und in einem Behälter und Rind kommen zum Vorschein. Eiserne Mes- deponiert. ser dienten zum Zerlegen der Fleischstücke. Neben Auch die Behandlung der Beigaben und diesen Beigabenkombinationen gehören Tracht- der Totenausstattung war unterschiedlich gere- und Schmuckbestandteile, Waffen und Gegen- gelt. Die einen wurden in ihrer Tracht verbrannt, stände des täglichen Lebens zur Totenausstattung. ihre verbrannten Überreste wurden ebenfalls in der Grabgrube mit deponiert. Anderen wurden die Trachtbestandteile unverbrannt in die Grabgrube mitgegeben. Auch mit den Beigaben wurde so und so verfahren. In der Spätlatènezeit (im späten 2. und 1. Jahrhundert v. Chr.), sind keine Gräber und Bestattungsplätze mehr archäologisch nachweisbar, der Bestattungsbrauch hatte sich geändert. In vielen Gegenden war es der Brauch, Nah- rungsmittel sowie Ess- und Trinkgeschirr in das Grab zu stellen. Diese Sitte wird vornehmlich in den Körperbestattungen an den in den Gräbern

17 Ableben, Begräbnis und Friedhofskultur vor etwa 2000 Jahren in Carnuntum

Franz Humer Zu jeder zivilen und militärischen Siedlung, zu der Toten und die Welt der Lebenden: Die Vorbei- jeder ländlichen Siedlung gehörten in der römi- fahrenden sahen die mehr oder weniger prunkvol- schen Antike ein oder mehrere Friedhöfe. In den len, farbig gefassten Grabbauten am Straßenrand Städten wurde die Wahl des Platzes von den römi- und den Wunsch, den regelmäßigen Kontakt zwi- schen Gesetzen bestimmt: Schon das älteste römi- schen der Welt der Lebenden und den Toten auf- sche Grundgesetz, das so genannte Zwölf-Tafel- rechtzuerhalten. Die antiken Nekropolen waren Gesetz aus der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr., darum nicht wie heute hinter Mauern versteckt. verbot, die Toten in der Stadt zu begraben oder zu Auch wenn die Grabstätten gelegentlich durch verbrennen. Diese Vorschrift, die ursprünglich nur einen Zaun oder Graben eingefasst waren, die den für die Stadt Rom galt, beachteten die Römer über- sakralen Bereich begrenzten, so blieben sie im Prin- all im Imperium bis in die Spätantike hinein sehr zip offene und begehbare Zonen. Die meisten Dreidimensionale virtu- elle Rekonstruktion der genau: Sie bestatteten ihre Toten daher auf oft aus- Bestattungsplätze sind entlang der Ausfallstraßen Gräberstraße von Carn- gedehnten Gräberfeldern außerhalb von Dörfern, der Siedlungen entstanden, und es bildeten sich untum mit bemalten Städten und Legionslagern beidseitig der dorti- richtiggehend „Gräberstraßen“. Diese hervorge- Grabsteinen (2006) gen Ausfallstraßen. Dort begegneten sich die Welt hobenen Ruhestätten unmittelbar an den Straßen

18 waren besonders teuer und weitgehend den begü- Gemeinschaft gewürdigt, wodurch zugleich der terten Bewohnern vorbehalten. Bis zur Randzone hinterbliebenen Familie Ehre zuteil wurde, ande- der Gräberfelder gab es dann ein deutliches soziales rerseits war der Grund für das Bestattungszere- Gefälle. In Carnuntum führte der älteste Friedhof moniell Furcht vor Unheil, das vom Toten ausge- über mehr als drei Kilometer vom Legionslager in hen könnte, der nunmehr in Kontakt zu Mächten Bad Deutsch-Altenburg nach Südwesten in Rich- stand, zu denen die Lebenden keinen Zugang besa- tung Bruck an der Leitha und weiter nach Italien. ßen. Aber auch die Verstorbenen waren angewiesen Stellenweise sind dabei Bestattungsbereiche und auf die Einhaltung der in der Gemeinschaft übli- handwerkliche Zonen (Werkstätten, Lagerhäuser) chen Bräuche, da ihnen sonst der Übergang in die einander unmittelbar benachbart. neue Seinsform verwehrt blieb und sie als Untote Da standen hügelartige tumuli neben Grab- umhergeistern mussten. Gerade dann konnten tempeln und hoch aufragenden Grabstelen; da sie den Lebenden aus Rache für die nicht erlangte lagen architektonisch gefasste Grabgärten neben Ruhe, sei sie als ewig oder als zeitlich begrenzte breit ausladenden Grabaltären und abgeschlossenen Phase bis zu einer Wiedergeburt gedacht, gefähr- Grabkammern für Aschenurnen von Generationen. lich werden. Aus dieser Angst erklärten sich die Man las die Inschriften der Grabdenkmäler, erfuhr Bedeutung der Totenfürsorge und auch die Not- Namen, Herkunft, Alter und Beruf der Bestatteten. wendigkeit, Vorsorge für ein ordentliches Begräb- So lebten Ruhm und Ansehen der Verstorbenen im nis zu treffen. Der Tote ging in die Reihe der Gedächtnis der Nachwelt weiter und so waren die Ahnen ein und war schon deswegen verehrenswür- Toten, denen nach römischem Glauben im Reich dig. Zudem konnte er den Hinterbliebenen mit der Schatten nur ein freudloses Dasein beschieden den anderen Vorfahren Hilfe gewähren. Zwischen war, zumindest im Diesseits durch ihre Taten und den Lebenden und den Toten bestand somit eine in der Tradition ihrer Nachfahren unsterblich. Von dieser „Gräberstrasse“ stammen auch die meisten beschrifteten Stelen, die vor allem über die Solda- ten der XV. und XIV. Legion Auskunft geben. Darüber hinaus war die römische Provinz- hauptstadt in einem weiten Bogen von großen Gräberfeldern umgeben. Der aktuelle Kenntnis- stand zu den meisten dieser Gräberfelder ist auf- grund unzureichender Fundüberlieferung aller- dings gering. Dem Verstorbenen, dessen Leichnam zuvor gewaschen, gesalbt, in Festtagskleider gehüllt und bekränzt worden war und auf einer Kline lag, wurde persönlicher Besitz (Schmuck, Toi- lette-Artikel) mit auf den Scheiterhaufen gegeben. In ringsum aufgestellten Räucherkelchen wurde Weihrauch verbrannt. Eine Weinspende (libatio) war die letzte Ehrung für den Toten, zugleich aber auch die Weihe des Scheiterhaufens. Eigens gedun- Säuglingsbestattung des gene Klageweiber und die Familienangehörigen 3. Jhdts. n. Chr. in der sangen die Totenklage. villa urbana der Zivil- Durch die Beisetzung wurde einerseits stadt Carnuntum (2006) der Verstorbene als ehrenvolles Mitglied der

19 Steinsarkophag mit Beschriftung D(iis) M(anibus) im Gräber- feld am Westrand von Petronell-Carnuntum (2009)

enge Verbindung, die zum gegenseitigen Schutz aussortiert und gewaschen, in einem Behäl- aufrechterhalten werden musste und konnte, sofern ter (Urne) gesammelt und dann beigesetzt. Diese die nötigen Riten eingehalten wurden. Urnen waren meist Gefäße aus Ton, seltener aus Damals glaubte man, die Verstorbenen hätten Glas, Stein oder Metall. In den in die Erde ver- im Jenseits ähnliche Bedürfnisse wie die Lebenden senkten Urnen wurde der von den Angehörigen in Diesseits; deshalb gab man ihnen entsprechende aus der Grube der ustrina geborgene Leichenbrand Beigaben mit ins Grab: Speisen und Getränke, geborgen und anschließend mit oder ohne Beiga- Geschirr und sonstiges Hausgerät oder auch Geld. ben in ausgehobenen Gruben beigesetzt. Ob und Oft bestanden die Grabbeigaben jedoch nur aus wie diese Gräber in der Antike an der Oberfläche symbolischen Gegenständen wie Lampen als Weg- gekennzeichnet waren, entzieht sich im Detail oft leuchten in der Unterwelt, Rasseln zur Abwehr unserer Kenntnis. Häufig wurde das Grab durch von Dämonen. Reliefs und Grabaufsätze in Form eine beschriftete Stele gekennzeichnet. Anstelle der drohender Mischwesen – halb Mensch halb Tier kostspieligen Steinstelen wurden vermutlich oft (Sphingen) – sollten sowohl etwaige Grabräuber auch solche aus Holz verwendet. In manchen Fäl- abschrecken, d.h. die Ruhe der Toten garantieren, len werden vielleicht nur kleine Erdhügel oder aus als auch die rächenden Totengeister (Manes) fern- Steinen gelegte Einfassungen darauf hingewiesen halten und somit die Lebenden schützen. haben, dass sich darunter ein Grab befand. Im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. verbrann- Eine beliebte Form der Brandbestattung war ten die Römer in Carnuntum genauso wie im das so genannte bustum: Hier wurde der Scheiter- gesamten Niederösterreich (damals noch aufge- haufen genau über der Grabgrube errichtet, in der teilt auf die beiden Provinzen Pannonia Supe- später die Urne beigesetzt werden sollte. Die Bau- rior und Noricum) gewöhnlich ihre Toten (Brand- weise der Scheiterhaufen in Verbindung mit Gru- bestattung). Die dafür notwendigen öffentlichen ben stellte gegenüber den ebenerdig errichteten Verbrennungsplätze (ustrinae) gab es auf jedem Holzstapeln vorrömischer Zeit eine Neuerung dar. Friedhof. Nach dem Niederbrennen des Scheiter- Auf den meisten antiken Friedhöfen fällt die haufens wurde die noch glühende Asche mit Wein geringe Zahl der Kinderbestattungen auf. Viele und Wasser gelöscht, der Leichenbrand säuberlich Kindergräber liegen in Carnuntum zwischen den

20 Bestattungen der Erwachsenen. Doch fehlen ins- nahe stehenden Person, die das Monument auf- besondere kurz nach der Geburt oder in den ers- stellen ließ. Häufig handelt es sich um „regelhafte“ ten Lebenswochen verstorbene Säuglinge, obwohl Formulierungen. Nicht selten endete das Inschrif- gerade ihre Sterblichkeitsrate hoch gewesen sein tenformular mit der Feststellung hic situs est (hier muss. Für die römische Epoche wie auch für die liegt er begraben!) oder mit dem Wunsch sit tibi vorangegangenen Perioden lässt sich die Sitte der terra levis (möge dir die Erde leicht sein). Körperbestattung von Neugeborenen im eigenen In gleicher Weise suchten gesellschaftli- Haus auch in Carnuntum regelmäßig nachwei- che Aufsteiger, denen der Zugang zu Ämtern und sen. Solche Bestattungen findet man in Stadthäu- damit ein respektables Ansehen verwehrt blieb, auf sern (z. B. in der rekonstruierten villa urbana des privatem Weg durch repräsentative Grabmonu- Wohnstadtviertels im Freilichtmuseum Petronell). mente den Mangel an Sozialprestige auszugleichen Meistens handelt es sich um sehr einfache, beiga- und ihren Erfolg öffentlich zu machen. Vor allem benlose Körperbestattungen in einer Grube. wirtschaftlich erfolgreiche Einheimische nutzten in An der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert stolzem Selbstbewusstsein die Möglichkeit, durch n. Chr. setzte sich der Brauch der Körperbestat- ihre Grabpräsentation nach außen zu wirken und tung durch. Die Toten wurden nun in verzierten ihren sozialen Aufstieg innerhalb des neuen Gesell- Steinsarkophagen, einfachen Steinkisten, Ziegel- schaftsgefüges der Öffentlichkeit teils mit überaus plattengräbern, gemauerten Gräbern oder Holzsär- deutlichem Hinweis auf den erlangten Wohlstand gen beigesetzt. Viele dieser Bestattungen waren mit vorzuführen. hochkant gegeneinander gestellten Ziegelplatten abgedeckt (Ziegelplattengräber). Auch hier waren die Bestattungen oberirdisch durch Grabsteine, Grabaltäre oder gar Grabpfeiler und Grabtempel gekennzeichnet. Ob die Aufstellung einer beschrif- teten Stele auf dem Grab in der Antike allerdings die Regel war (so wie es heute ja Brauch ist), wis- sen wir nicht genau. Man kann sogar eher anneh- men, dass sie Ausnahmen blieben und beinahe ausschließlich einer finanzkräftigen Schicht vor- behalten waren. Dennoch bleiben Grabstelen und Grabaltäre aus Stein die häufigsten und am besten bekannten Zeugnisse einer Grabmarkierung, auch wenn sie später oft für andere Zwecke wiederver- wendet wurden und nur selten an ihrem ursprüng- lichen Aufstellungsort zutage kamen. Meistens handelt es sich bei diesen Denkmälern der antiken Sepulkralkunst um längliche, senkrecht aufgestellte Steinblöcke, die teilweise mit Reliefs dekoriert sind. Die Grabinschriften beginnen in der Regel mit einer Weiheformel für die Götter der Unter- welt (Manen), gefolgt vom Namen des oder der Ziegelkistengrab im Verstorbenen. Gelegentlich folgen biographische Gräberfeld am Westrand Informationen (Lebensalter, öffentliche oder mili- von Petronell-Carnuntum tärische Ämter, Beruf, bei Frauen ein Priesteramt). (2009) Dazu kommen die Namen der verwandten oder

21 Man scheute bereits in der Antike nicht davor im engeren Sinn. Denn zumeist sind der antike zurück, Grabsteine und Grabdenkmäler frühe- Gehhorizont und damit auch die Oberflächenge- rer Jahrhunderte für verschiedenste Zwecke wie- staltung der Gräber nicht erhalten. Noch seltener derzuverwenden. So konnte bei den aktuellen Gra- gelingt es, Spuren am Grab vollzogener Riten fest- bungen des Archäologischen Parks Carnuntum zustellen. Derartige Handlungen, die vor, wäh- im Bereich der Zivilstadt Carnuntum am West- rend und nach einem Begräbnis durchgeführt rand von Petronell-Carnuntum beobachtete wer- wurden, lassen sich, sofern sie überhaupt archäo- den, dass Grabsteine und reliefverzierte Blöcke von logisch nachweisbar sind, meist allein mit Hilfe Grabtempeln aus älteren Friedhöfen herausgerissen des antiken Schriftguts erschließen und im Sinn- und zerteilt wurden, um neue Steinkistengräber der gehalt verstehen. Ein wesentlicher Bestandteil der Spätantike bauen zu können. Sogar die Abdeck- zum Totenbrauchtum gehörenden Zeremonien des platten einer im Juni 2009 auf mehr als 200 m frei- römischen Carnuntum bleibt damit weitgehend im gelegten römischen Wasserleitung aus der 2. Hälfte Dunkel. des 3. Jahrhunderts n. Chr. wurden aus wiederver- wendeten älteren Grabsteinen eines bestehenden Carnuntiner Gräberfeldes hergestellt! Ein großes methodisches Problem ist, dass durch die feldarchäologische Freilegung in der Regel nur ein Ausschnitt des Grabes erfasst wird, nämlich der unterirdische Teil bzw. die Bestattung

Grabsteinfragment des L. Varius Verecundus in Zweitverwendung zur Abdeckung einer spätantiken Wasserleitung (2009)

22 Der Friedhof im Mittelalter

Patrick Schicht Heute verfügt praktisch jede Gemeinde in Nieder- Jahrhundert kennen wir in Niederösterreich einige österreich über einen außerhalb gelegenen Fried- ausgedehnte Gräberfelder überregional bedeuten- hof, der durch ein achsiales System von Reihengrä- der Siedlungen, etwa in Gars-Thunau und Bad bern sowie eine Aufbahrungshalle geprägt ist. Diese Deutsch-Altenburg. Dank ihrer relativ guten Erfor- Form der geordneten Begräbnisstätten geht bereits schung bieten sie wertvolle Einblicke zum hoch- auf antike Formen zurück, setzte sich am Land mittelalterlichen Alltag, etwa zur extrem hohen jedoch erst im 18. Jahrhundert durch, als nach Kindersterblichkeit. Seuchen und unhaltbaren hygienischen Zuständen Bereits mit der Entwicklung von territorialen der Totenkult aus den Siedlungen verbannt wurde. Pfarrsprengeln unter den Karolingern ab dem 8. Bis dahin hatte der Tod seinen festen Platz Jahrhundert war der Friedhof stark an die jeweilige im Leben der Landgemeinden. Nach dem Abzug Pfarrkirche gebunden. Gemeinsam mit dem Tauf- der Römer, die ihre Verstorbenen sowohl in gro- recht hatte die Kirche somit das Bestattungsrecht ßen Nekropolen als auch entlang der Straßen monopolisiert, sie konnte ein Begräbnis daher bestattet haben, zeigen nach der Völkerwanderung bei Selbstmördern und Sündern auch verweigern. frühe bairische Kolonien in den Ostalpen wie- Im unmittelbaren Umkreis des geweihten Altars der ähnliche Reihenanlagen. Aus dem 10. und 11. – und daher auch meist rundlich – entwickelte

Kühnring, frühgotischer Karner mit barockem Laternenaufsatz

23 Taufkapellen, ihr einziger Zweck war der einer Auf- bahrungshalle sowie einer darunter gelegenen Bein- kammer. Der kapellenartige Hauptraum zeigt tra- ditionell eine Altarnische, meist mit nach außen vortretender Rundapsis, und ist herkömmlich dem Erzengel Michael, dem Seelenwäger geweiht. Das gruftartige Untergeschoß war nicht allge- mein zugänglich und diente zur endgültigen Lage- rung von alten Knochen neuerlich belegter Gräber. Somit konnte man den Platzmangel am Friedhof einigermaßen ausgleichen. Während Karner nur vereinzelt im 12. Jahr- hundert zu finden sind (), kommt es im 13. Jahrhundert parallel zur rasanten Bevölke- rungsvermehrung zu einem regelrechten Bauboom, dessen zahlreiche Beispiele noch heute einen festen Platz in Niederösterreichs Kulturlandschaft haben. Neben Rundbauten entwickelten sich rechteckige (Winzendorf) und polygonale (Tulln) Sonderfor- men. Vereinzelt wurden auch Grüfte (Sollenau) Bad Deutsch-Altenburg, sich ein abgegrenzter Totenbereich um die Kir- und Grotten (Pitten) adaptiert. In der Spätroma- spätromanischer Karner chen. Direkt innerhalb dieser bzw. möglichst nahe nik etablierten sich Karner zu qualitätvollen Schau- mit Stufenportal beim Altar ließen sich die adeligen Grundher- stücken der zeitgenössischen Kunst. So zeigen etwa ren sowie die Geistlichen begraben. Außen unter die Bauten in Mistelbach, Bad Deutsch-Altenburg der Traufe des Altarraums finden sich seit dem 12. und Hainburg reich gestaltete Prachtportale, der Jahrhundert ausnehmend viele Gräber von Neuge- Karner in Pulkau dürfte sogar als architektonisches borenen. Eventuell wurden so zu früh Verstorbene nachträglich „getauft“, vereinzelt gab es jedoch auch abgetrennte Areale für ungetaufte Kinder und Wöchnerinnen. Entgegen heutigen Gepflogenheiten wurden die Toten einheitlich nach Osten ausgerichtet und in eng aneinander liegenden, oftmals überlappen- den Gruben bestattet. Nur selten finden sich stei- nerne Grabplatten, ab dem 14. Jahrhundert meh- ren sich einfache Leichensteine, während stehende Steinkreuze erst ab 1500 belegt sind. Tulln, 11-eckiger Drei- Bereits früh sind Klagen wegen überfüllter königskarner für Herzog Friedhöfe bekannt. Spätestens im 12. Jahrhundert Friedrich II. Die Form entwickelte sich daher ein neuer Gebäudetypus – wird auf den Kettendom der Karner. Aus dem lateinischen Wort carnarium in Jerusalem, dem über- lieferten Gerichtsplatz der („Fleischkammer“) abgeleitet, steht dieser meist biblischen Könige David runde Grabbau unmittelbar neben dem Altar- und Salomon zurückge- raum der Kirche, jedoch frei am Friedhof. Entge- führt. gen zahlreicher Deutungen dienten Karner nie als

24 Tulln, Fresken im Karner, Ausschnitt der Hölle (links)

Mödling, Fresken im Karner, Anbetung Mari- ens mit Kind durch die Könige (rechts) Symbol passauisch-bischöflicher Macht im Baben- Welt, aber auch in der Wachau zeugen noch heute bergerreich gedient haben. Den Höhepunkt die- zahlreiche burgartige Wehrkirchhöfe von diesem ser Entwicklung lieferte der letzte Babenbergerher- Kampf auf dem Friedhof gegen den eigenen Tod. zog Friedrich II. (1230-46), dessen ambitioniertes Bauprogramm auch Karner umfasste. Sein Abkom- men mit dem Kaiser, Österreich zum Königreich zu erheben, wurde durch entsprechend ausgestal- tete Prunkkarner in Wien, Wr. Neustadt, Möd- ling, Tulln und Hartberg betont. Dominierend sind hier die prachtvollen freskalen Ausstattun- gen mit bevorzugter Darstellung von Königen und Herrschaften. Im Spätmittelalter dienten Friedhöfe als belebte Orte der Begegnung. Steinerne Totenleuch- ten, Kalvarienberge, Kreuzwege und Totentanzdar- stellungen, private Stifterkapellen und Verkaufs- buden begleiteten Prozessionen, Trauungen und Predigten. Für die Gemeinde konnten sie als Ver- sammlungs- und Richtstätten dienen. Auch Volks- feste und ausgelassene Tänze sind bis in die frühe Neuzeit überliefert. Nicht zuletzt konnten Friedhöfe als Schutz- ort für die Bevölkerung helfen und Vieh und Getreide aufnehmen. Seit frühester Zeit besaßen vor allem Grenzgemeinden das Recht, den Fried- hof zur Verteidigung zu nutzen. Aus dem 12. Jahr- hundert haben sich in Bernhardstal und Leobers- dorf entsprechende Mauerreste erhalten, 1252 ist Mödling als Hort gegen Ungarneinfälle schrift- Mödling, Karner für Herzog Friedrich II. lich dokumentiert. Im 1254 erlassenen Land- Das Stufenportal wird recht Ottokars II. wurde diese Befestigung zwar von einer Loggia für verboten, jedoch erforderten ständige Bedrohun- Reliquien bekrönt. gen eher neue Anlagen. Vor allem in der Buckligen

25 Jüdische Friedhöfe in Niederösterreich Entwicklungen und status quo

Tina Walzer Jüdische Friedhöfe zählen zu den letzten übrig Vertreibung und Ermordung der durch den NS- gebliebenen Orten jüdischen Lebens in Österreich Staat als Juden verfolgten Menschen benutzt. Nur und legen Zeugnis ab von einer untergegangenen an Orten, wo sich nach 1945 wieder eine jüdische Welt, von der Vergangenheit dieses Landes und Gemeinde bilden konnte, erfüllt auch der Fried- von einem wesentlichen Aspekt der Geschichte hof weiter seine ursprüngliche Funktion, alle ande- Österreichs. In Österreich sind derzeit 67 jüdi- ren jüdischen Friedhöfe sind geschlossen, ihre Exis- sche Friedhöfe bekannt, 31 davon alleine in Nie- tenz ist heute vielfach unbekannt. Sie sind verwaist: derösterreich. Ihr Erhaltungszustand ist generell Die ausgelöschten jüdischen Gemeinden und ihre schlecht. ermordeten oder vertriebenen Angehörigen kön- Die Halacha, das religiöse Gesetz des jüdi- nen für die Sanierung der österreichischen jüdi- schen Glaubens, verpflichtet die jüdischen schen Friedhöfe keine Verantwortung mehr tragen, Gemeinden zur immerwährenden Erhaltung ihrer und ihre Nachfolgeorganisationen sind bei wei- Friedhöfe und aller Grabstätten. Nach der Hala- tem zu klein, um diese Aufgabe alleine überneh- cha gehört ein jüdisches Grab ausschließlich dem men zu können. Die Israelitische Kultusgemeinde Toten. Es ist auf ewig unantastbar. Dem religiösen Wien (IKG) hat als Rechtsnachfolgerin aller zer- Gebot folgend müssen daher ein jüdisches Grab störten jüdischen Gemeinden in Niederösterreich Mödling, vorbildlicher und ein jüdischer Friedhof auf ewige Zeiten beste- und dem Burgenland seit 1945 insgesamt mehr als Pflegezustand. Umgefal- hen bleiben. 350.000 Grabstellen zu versorgen. Das überschrei- lene Grabsteine wurden Die jüdischen Friedhöfe Österreichs wurden tet die Anzahl ihrer heutigen Mitglieder und damit provisorisch an die Fried- von den lokalen jüdischen Gemeinden angelegt auch ihre Kräfte um ein Vielfaches. hofsmauer gelehnt. und bis zu deren Zerstörung und der Enteignung, Die denkmalpflegerischen Herausforderun- gen der einzelnen Friedhöfe sind in ein breites Spektrum aufgefächert, variieren die Erscheinungs- formen doch zwischen Arealen bzw. Grabsteinen aus dem 15. und solchen aus dem 20. Jahrhun- dert, zwischen Anlagen von mehreren hundert und solchen mit nicht einmal 10 Grabstellen. Pflege- arbeiten werden von lokalem Engagement getra- gen. Eine Sanierung der Schäden aus der NS-Zeit hat kaum stattgefunden. Neben baulichen Män- geln stellen sie für das Fortbestehen dieser religi- ösen Einrichtungen eine ernsthafte Gefahr dar. Dazu kommen Schäden durch Vandalismus, Diebstahl, Umwelteinflüsse sowie Beschädigun- gen durch laienhafte Betreuung und unsachge- mäße Wiederherstellungsversuche. Insgesamt ist ein massiver Substanzverlust an Grabdenkmälern feststellbar. Im Weißbuch über Pflegezustand und

26 , Gedenkstein Sanierungserfordernisse der jüdischen Friedhöfe an der Stelle des vollstän- in Österreich, einem unveröffentlichten Gutach- dig zerstörten jüdischen ten von Tina Walzer im Auftrag der IKG Wien aus Friedhofes dem Jahr 2001 (sowie Aktualisierung 2008) wurde erstmals eine gesamtösterreichische Bestandsauf- nahme vorgenommen.

Jüdische Begräbnisstätten in Niederösterreich In Niederösterreich sind derzeit 31 jüdische Fried- höfe bekannt. Sie lassen sich in eigenständige Friedhofsanlagen, die im Grundeigentum der zuständigen jüdischen Gemeinde stehen, sowie konfessionelle Abteilungen auf Kommunalfriedhö- fen einteilen. Daneben existieren Grabstellen von Juden außerhalb von Friedhofsverbänden – Mas- sengräber auf freier Flur, aus den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges, in denen die Opfer der so genannten Todesmärsche verscharrt sind. All jene, die in der Nachkriegszeit aus solchen Massen- Horn, Klosterneuburg (Chewra Kadischa), Krems, gräbern umgebettet worden sind, ruhen heute auf Michelndorf, Mistelbach, Mödling, Neulengbach Opferfriedhöfen, Gedenkstätten oder in gekenn- (Miriam-Verein), Neunkirchen, Oberstockstall, zeichneten Massengräbern im Verband lokaler alter jüdischer Friedhof St. Pölten, Stockerau, Friedhofsanlagen. Zu den eigenständigen jüdi- Tulln, Waidhofen an der Thaya, Wiener Neu- schen Friedhöfen im Eigentum der Israelitischen stadt. Zu den jüdischen Abteilungen im Verband Waidhofen an der Thaya, Kultusgemeinde Wien in Niederösterreich zählen, von Kommunalfriedhöfen, aber im Eigentum der links im Bild sowie im in alphabetischer Reihenfolge: Baden, Deutsch- zuständigen Kultusgemeinde Wien zählen in Nie- Hintergrund das Areal Wagram, Dürnkrut, Gänserndorf, Göttsbach an derösterreich der neue jüdische Friedhof St. Pöl- des jüdischen Friedhofes der Ybbs, Groß-Enzersdorf, Hohenau, , ten sowie die jüdische Abteilung auf dem Syrnauer Friedhof Zwettl. Gegebenenfalls wurden über sol- che jüdischen Friedhofsabteilungen auf Kommu- nalfriedhöfen, die im Grundeigentum der Orts- gemeinden stehen, zwischen der Kultusgemeinde Wien und den lokalen Behörden Vereinbarungen über eine Bestandszusicherung auf Friedhofsdauer getroffen, und zwar in sowie in Kor- neuburg. Im Verband von Kommunalfriedhöfen wurden zerstört: Bruck an der Leitha (Grundeigen- tum Stadt, ungekennzeichnet), Marchegg (Grund- eigentum Stadt, Denkmal), Zissersdorf (Grund- eigentum Ortsgemeinde, Denkmal). Vermutlich existierte in ein eigener jüdi- scher Friedhof, der 1945 in einen russischen Sol- datenfriedhof umgewandelt wurde. Folgende jüdi- sche Friedhöfe stehen im Privateigentum Dritter, zumeist sind sie zerstört, teilweise auch überbaut:

27 Horn, Friedhofsgebäude alter jüdischer Friedhof Ybbs, alter jüdischer Fried- im historistischen Stil hof Krems. Zusätzlich zu den jüdischen Gräbern in Friedhofsverbänden sind auf dem Gebiet von Nie- derösterreich derzeit 34 Massengräber bekannt, davon wurden 3 exhumiert, 2 wurden möglicher- weise aufgelassen, 1 Grab wurde überbaut.

Status quo der jüdischen Friedhöfe in Niederösterreich Im Januar 2001 schloss die österreichische Bun- desregierung mit der Regierung der USA und dem Bundesverband der jüdischen Gemeinden Öster- reichs das Washingtoner Abkommen (BGBl. III beseitigt. Einen Grundkonsens über die Instandset- Nr. 121/2001) zur Regelung von Fragen der Res- zung und Erhaltung der jüdischen Friedhöfe her- titution und Kompensation jüdischen Eigentums, beizuführen wäre daher zur langfristigen Sicherstel- das während der NS-Zeit geraubt worden ist, ab. lung von kontinuierlicher Pflege und fachgerechten Es bezieht sich auch auf die jüdischen Friedhöfe in Sanierungen dringend notwendig. Österreich. Seither wird zwischen Bund und Län- Seit dem Abschluss des Weißbuches 2001 dern um eine politische Lösung zur Umsetzung haben sich in einigen Gemeinden private Grup- dieses vertraglichen Zugeständnisses gerungen. pen gebildet, die sich auf lokaler Ebene freiwil- Grundsätzlich hat das Weißbuch 2001 bei lig für die Pflege und Instandsetzung der jüdischen Behörden zu einer sensibilisierten und durchwegs Friedhöfe engagieren. Die Vereine, Interessierten konstruktiven Haltung im Umgang mit jüdischen und Volontäre leisten wertvolle Arbeit, die wesent- Deutsch-Wagram, Friedhöfen geführt. Die Pflege der Areale wird lich dazu beiträgt, dass sich das Erscheinungsbild Einfriedung. Der Zaun von lokalem Engagement getragen – viele Ortsge- der jüdischen Friedhöfe in den von ihnen betreu- ist nur lückenhaft meinden führen in Eigeninitiative diese Aufgaben ten Gemeinden verbessert hat. Dieses freiwillige vorhanden. Der jüdische aus, so gut sie es vermögen. Instandsetzungsarbei- Engagement führt das große Interesse der örtlichen Friedhof wurde voll- ständig zerstört, nur ein ten jedoch liegen meist außerhalb der Möglichkei- Bevölkerung an den jüdischen Friedhöfen und ihre Gedenkstein verweist ten von Ortsgemeinden. Im Allgemeinen werden Bereitschaft, für die Erhaltung der Reste jüdischen heute auf die eigentliche auf den jüdischen Friedhöfen lediglich die gröbsten Lebens in ihren Orten einzutreten, vor Augen. Es Bedeutung des Ortes. baulichen Mängel aus Gefahrengründen mitunter ist auch geeignet, Wege aufzeigen, wie in größe- rem Rahmen – auf Länder- und Gemeindeebene – in der Frage der jüdischen Friedhöfe vorgegangen und kooperiert werden könnte. Das Engagement der lokalen Zivilgesellschaft kann die langfristig, kontinuierlich von Bund und Ländern zu leistende Unterstützung jedoch sicherlich nicht ersetzen.

28 Jüdische Friedhöfe in Niederösterreich

Name Belegungszeitraum Anzahl erhaltener Gräber / Grabsteine Bad Pirawarth 20. Jh. 10 Gräber erkennbar / 7 Steine Baden 19. und 20. Jh. 1.798 Personen Bruck an der Leitha unbekannt Keine / Grabstellen neu belegt / keine Steine / 1 Massengrab Deutsch-Wagram 19. und 20. Jh. Anzahl Gräber unbekannt / keine Steine Dürnkrut 19. und 20. Jh. 14 Gräber erkennbar / 9 Steine Gänserndorf 19. und 20. Jh. 120 Gräber erkennbar Göttsbach an der Ybbs 19. und 20. Jh. 136 Gräber erkennbar / 97 Grabsteine Großenzersdorf 19. und 20. Jh. 86 Gräber erkennbar Hohenau 19. und 20. Jh. 128 Gräber erkennbar / 85 Steine Hollabrunn 19. und 20. Jh. 150 Gräber erkennbar / 130 Steine u. 4 Grüfte Horn 19. und 20. Jh. 107 Gräber erkennbar / 177 Personen Klosterneuburg 19. und 20. Jh. 652 Gräber erkennbar Korneuburg 19. und 20. Jh. 9 Steine und 12 Grabtafeln / 1 Massengrab Krems 19. und 20. Jh. 500 Gräber erkennbar Laa an der Thaya unbekannt Anzahl Gräber unbekannt / keine Steine Marchegg 19. und 20. Jh. Anzahl Gräber unbekannt / keine Steine Michelndorf 19. und 20. Jh. 6 Gräber und 5 Steine erkennbar Mistelbach 19. und 20. Jh. 131 Gräber erkennbar Mödling 19. und 20. Jh. 373 Personen Neulengbach 19. und 20. Jh. 71 Gräber erkennbar / 56 Steine Neunkirchen 19. und 20. Jh. 150 Gräber erkennbar Oberstockstall 19. und 20. Jh. 44 Steine St. Pölten alt 19. Jh. Anzahl Gräber unbekannt / keine Steine St. Pölten neu 19. und 20. Jh. 181 Gräber erkennbar / 1 Massengrab Stockerau 19. und 20. Jh. 136 Gräber erkennbar Tulln 19. und 20. Jh. 13 Gräber erkennbar / 15 Symbolsteine Waidhofen an der Thaya 19. und 20. Jh. 171 Gräber erkennbar Wiener Neustadt 19. und 20. Jh. 250 Gräber erkennbar; auch Steine Mittelalter Ybbs unbekannt Anzahl Gräber unbekannt / keine Steine Zissersdorf unbekannt Anzahl Gräber unbekannt / keine Steine Zwettl 19. und 20. Jh. 14 Grabsteine

29 Friedhöfe als Frei- und Grünräume Christliche Kirch- und Friedhöfe als besondere öffentliche Frei- und Grünräume

Alfred R. Benesch Dort, wo sich Menschen im Laufe ihres Lebens die Totenäcker den Namen Friedhof vorgezogen“. mehrmals und ein letztes Mal treffen, sind mythi- Im Kern des Wortes liegt bereits das, was diesen sche und außergewöhnliche Orte entstanden – als Ort besonders macht: ursprünglich ein eingeheg- unabdingbarer Teil unserer Siedlungslandschaft: ter Raum als Vorhof zum Haus, später um Kir- Kirch- und Friedhöfe. Diese waren in erster Linie chen („atrium ecclesiae“), dessen Bedeutung dort immer ganz besondere soziale Treffpunkte und rechtlich als im Freien liegender Asylort angesehen Kommunikationsräume und werden gegenwärtig wurde. Gleichzeitig hat die urchristliche Praxis von ästhetisch wie gemütsmäßig als „sakrale Tabuzo- vorzugsweisen Bestattungen in der Nähe von Heili- nen“ außerhalb der Alltagswelten empfunden. Sie gen und Märtyrern oder später deren Reliqiuen zu sind Drehscheiben öffentlichen Lebens, Freiräume der rechtlichen auch eine spirituelle, sakrale gesell- persönlichen Er- und Ab-Lebens – anfangs inmit- schaftliche Bedeutung mit sich gebracht. Die so ten der Siedlungen gelegen. Über die Jahrhun- entstandenen Kirchhöfe waren räumlich nicht nur Mittelalterliche Fresken derte zunehmend räumlich an die Ränder oder vor zentrale Begräbnisplätze mit geweihter Erde (apud an der Kirchenwand, der Stadt gelagert. Eine räumliche Verschiebung, sanctos = bei/in der Nähe von Heiligen), in denen am Beispiel Kirchhof die auch mit der kontinuierlich veränderten gesell- alle Christen ihre letzte Ruhestätte (der eigentliche St. Michael/Wachau. Lehrreiche Paradiesszene schaftlichen Wahrnehmung des Todes und Ster- Begräbnisplatz, das „coemeterium“) fanden, son- als räumliche Erwei- bens inmitten des Alltagslebens zu tun hat. dern hatten offene, unbebaute und nicht mit Grä- terung und ästhetische Der Begriff Friedhof ist ein relativ junger, bern belegte Flächen rund um die Kirche. Diese Aufwertung des mittelal- noch 1888 schreibt das Meyers Konversations- Kirchhof-Gliederung in atrium ecclesiae und coeme- terlichen Kirchhofes Lexikon „neuerdings (hat man zweckmäßig) für terium ergibt sich aus der über Jahrhunderte übli- chen, vielfältigen Nutzung als der zentrale soziale Raum der lokalen Gemeinschaft: Neben Asylraum wurden sie zu Gemeindeversammlungen, als Sam- melplatz bewaffneter Mannschaften, für Märkte, Volksfeste, als Viehweide („sie ist des glockners khu, die darf auch auf dem kirchhof grasen gehen“ Sprichwort aus 1588) etc. verwendet. Noch in den 1520ern beschwerte sich Martin Luther darüber, dass es keinen unruhigeren, gemeineren Ort in der ganzen Stadt gäbe als den Kirchhof, über den Tag und Nacht Menschen und Vieh laufen und „aller- ley drauff geschicht, vielleicht auch solche stüke, die nicht zu sagen sind“. Es ist also kaum vorstellbar, wie die Kirchhöfe etwa bis zur Reformation ausgese- hen haben – schmutzige, ungeordnete, unbefestigte Allzweckplätze, ohne die Verstorbenen würdigende Grabdenkmäler (außer an den Kirchenwänden), Stätten ohne Ruhe. Vielleicht waren neben den

30 herrschaftlichen Grabmälern an den Kirchenwän- hygienischen Überlegungen getragen war. Bis den auch vielerorts Stelen mit Fresken üblich, die dahin hatte es nur Siechen- und Seuchen-Begräb- neben dem typischen Totentanz paradiesische Sze- nisstätten abseits der Siedlungen gegeben, neben nen bzw. lehrreiche biblische Bildfolgen darstellten den eigenständigen Friedhöfen der Klöster. Die so und somit den Freiraum optisch erweiterten, ver- entstandenen „Gottesäcker“ – so die Bezeichnung schönerten und mit gemalter Bepflanzung versahen. für jene außerhalb eines Wohnbezirks angeleg- Reste davon sind z. B. aus dem 16. Jahrhundert auf ten Friedhöfe – waren zwar weiterhin Orte unter- dem ca. 600 Jahre alten Kirchhof von St. Michael/ schiedlichster Nutzungen, sollten für Andacht, Wachau zu finden. Ehrfurcht und als Orte der Stille verstanden wer- Die Situation wurde im Mittelalter zusätz- den, vor allem mittels Betonung der Grab(gedenk) lich durch die unverletzliche Totenruhe (wie bis mäler, anstelle des bisherigen Totenkultes und sei- dato auf jüdischen Friedhöfen gültig) erschwert, ner Liturgie. Ab ca. 1600 wurden auch einige in die eine regellose Überfüllung des Raumangebo- Niederösterreich angelegt, wie z. B. in St. Peter in tes mit Bestattungen zur Folge hatte. Erst mit der der Au, Spitz/Donau, Großrust, Waidhofen/Ybbs. zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert eingeführ- In der Gegenreformation wurde die Liturgie wie- ten, auf wenige Jahrzehnte beschränkten Grabes- der aufs Höchste gefördert, wie die große Anzahl ruhe und den dazu beigestellten Beinhäusern/Kar- von Weihen, Segnungen und Räucherungen, kirch- nern als neuem baulichem Element der Kirchhöfe, lichen Feiern und Prozessionen in Kirchen und Erscheinungsbild eines konnten sich die Zustände bessern. damit innerhalb von Kirchhöfen dieser Zeit zeigt. Kirchhofes im 17. Jahr- Mit Einführung der protestantischen Auf- In dieser Zeit wurden viele der bis heute erhaltenen hundert am Beispiel Traismauer, noch ohne fassung, dass nicht der Ort an/um die Kirche das Kirchhöfe mit teilweise prunkvollen Einfassungen, Barockisierung Grab heiligt, sondern das Grab den Ort, hat sich Portalen, Skulpturen-Schmuck und v. a. exklusiven (Quelle: Votivbild im Zeitalter der Reformation die erste Welle von Grabdenkmälern der Oberschichten, oft gleichzei- 1668 – Heimatmuseum Begräbnisorten-Neugründungen außerhalb der tig mit barocken Kirchenerneuerungen und ver- Traismauer) Siedlungszentren ergeben, die auch von den ersten stärktem Landschaftsbezug, verschönert. Beispiele von späteren überlieferten Ansichten der Kirch- höfe von Traismauer und Mank zeigen ähnliche Situationen. Die zweite für Niederösterreich wesentlich bedeutendere Welle neuer Friedhofsformen lös- ten die in den 1780er einsetzenden Reformen des Bestattungswesens durch Kaiser Joseph II aus. Nachdem alle innerhalb von Ortschaften liegen- den Kirch- oder Friedhöfe zu schließen waren, mussten neue, meist rasterförmige, nach genauen Vorgaben geordnete, Begräbnisorte errichtet wer- den. Die planmäßige Anlage nach wissenschaft- lichen Kriterien im Sinne der Aufklärung wurde von der damals in Hochblüte stehenden Garten- kunst aufgenommen, die sich von nun an für die Anlage und Gestaltung von Friedhöfen zustän- dig sah. Die damit einhergehende neue Sichtweise und ästhetische Zuordnung fasste einer der wich- tigsten Gartentheoretiker, Christian Cay Lorenz Hirschfeld 1785 so zusammen: „Begräbnißplätze,

31 die demnächst außer den Städten anzuweisen sind, Vorstellung des ungefähren damaligen Eindruckes müssen eine Lage haben, die reinigenden Winden dieser aufklärerischen, ästhetischen Kriterien gibt den Zugang verstattet, und eine ruhige, einsame eine Beschreibung des mittlerweile völlig abgekom- und ernste Gegend. Sie gehören zu der melancholi- menen evangelischen Friedhofs in Obergrafendorf schen Gattung von Gärten.“ Eine Generation spä- von 1837: „(...) Mitten im Schoße einer ländli- ter präzisiert Ludwig Sckell 1825: „Also nur durch chen Natur, umgeben von schattiger Eichenwal- Pflanzungen kann ein solcher Trauer-Ort verschö- dung, ist dieses liebliche Plätzchen, ein wahrer Ort nert, und sein schauerlicher Charakter in ein heim- der Ruhe und des Friedens, der seinen Sitz in den lich mildes Bild verwandelt; nur durch sie und eine so freundlichen Auen aufgeschlagen hat.“ Nicht entfernt vom Wohnsitze der Lebenden gewählte nur die Nutzung, sondern v. a. die gesellschaftli- nördliche Lage kann seine Ausdünstung auch weni- che Bedeutung des Friedhofes hat sich damit radi- ger gefährlich gemacht werden.“ Auch wenn diese kal verändert. Das kommt auch in der Diskussion Theorien vornehmlich für städtische Räume Wir- um den wichtigen Anteil der Bepflanzung bei Neu- kung fanden, wurde eine Vielzahl neuer Begräbnis- gestaltungen zum Ausdruck, die sowohl Teil der stätten in Niederösterreich seit Ende des 18. Jahr- hygienischen Planung (z. B. Verwendung bestimm- hunderts neu angelegt. ter Kräuter, Sträucher zum Einsaugen der „schäd- Erscheinungsbild eines Sie alle zeigen aber, so weit die Quellen lichen Dünste“) als auch des gewollten ästheti- Kirchhofes im 18. Jahr- zugänglich sind, einfache Einfriedungen ohne wei- schen Erscheinungsbildes waren. Der Unmut vieler hundert am Beispiel tere Ausschmückungen durch Bepflanzung. Sol- Bevölkerungsschichten, die trotzdem den Kirchhof Mank, mit Barockisie- che wie die empfohlenen, mit Friedhof-umfas- weiterhin als Kommunikations-, aber auch Reprä- rung und Einbindung des Karners in Kreuzweg- senden Baumzeilen (v. a. Pappeln und Linden), sentationsraum nutzten, gegenüber den einschnei- Stationen rasterförmigen Grasflächen mit niederen Sträu- denden aufklärerischen Reformauflagen ist heute (Quelle: Tafelbild 1738 chern (v. a. duftende, wie Jasmin, Geißblatt, Flie- schwer nachvollziehbar. Bei den meisten Kirchhö- – Sakristei Pfarrkirche der) oder/und Blumen waren vermutlich eher fen, die in Niederösterreich bis dato die dominante Mank) im städtischen Raum zu finden. Eine bildliche Ausprägung sind, haben die Josefinischen Refor- men erst viel später – oder nie – gegriffen. Der nächste große Entwicklungsschritt vom Kirchhof über den Gottesacker hin zum völlig eigenständigen Frei- und nun v. a. Grünraum war ab 1870 getan – weg vom spirituell, sakral gepräg- ten, hin zum ästhetisch kategorisierten Ruhe- und „Empfindungs-Raum“, der von einer staatlichen Instanz per Gebühren verwaltet und erhalten wird, unter professioneller planerischer Anleitung und gärtnerischer Aufsicht. Der weitere gestalterische Schritt hin zu jenen Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen, großen, planmäßigen Friedhofsan- lagen war damit vorgegeben: Fast ausschließlich in den anwachsenden Städten wurden nun Begräbnis- stätten im Sinne von „Park-Friedhöfen“ gestaltet, zunächst noch in formalen Mustern, später in land- schaftlicher, unregelmäßiger Form, alle mit eigenen Friedhofsgärtnereien ausgestattet. Sämtliche gro- ßen Stadtfriedhöfe – z. B. St. Pölten, Wiener Neu- stadt, Korneuburg, Waidhofen/Ybbs, Stockerau

32 Die Weiterentwicklung der Park- zu regelrechten Waldfriedhöfen lässt sich vereinzelt auch im länd- lichen Raum beobachten, wo die Friedhofsanla- gen förmlich im umliegenden Naturraum zu ver- schwinden scheinen. Dieses Konzept weitergeführt bringt jene in jüngster Zeit zunehmenden Natur- Bestattungsformen mit sich, für die keine Fried- höfe mehr benötigt werden, oder jene virtuellen Friedhöfe, die nur mehr im Internet existieren. Erst in der Zwischenkriegszeit setzte im deutschen Sprachraum eine rationalere Gegen- bewegung ein, die sich gegen die Idyllisierung der Friedhöfe richtete, hin zu einer funktiona- len Gestaltung. Wie der Stadtplaner Hugo Koch bereits 1914 schreibt, „Der Park, wie wir ihn ken- nen gelernt, soll eine Erholungsstätte für die Masse des Volkes sein; er soll dem Drang nach Spiel und Barocke Überreste im usw. – stammen aus dieser Zeit, wurden danach Sportbewegung entsprechen und in seinem weite- Ravelsbacher Friedhof noch oftmals umgestaltet, erweitert, ein Teil ihrer ren Teil reinen Naturgenuss bieten. Beides vermag Grünraumausstattung ist heute noch prägend. der Friedhof nicht. Die Stätte des Todes gleich der Die spätestens dann aufgelassenen bzw. teil- Stätte des Lebens zu gestalten, ist verfehlt.“ weise bis heute erhaltenen Kirchhöfe wurden eben- Der Begräbnisort ist daher zu einem vom All- falls den neuen Gestaltungskriterien, so weit wie tag ausgelagerten Freiraum geworden, mit rational möglich, angepasst oder in zentrale Platz- bzw. abwickelbarem Sterben und Trauern als Massenphä- Ein Kirchhof am Ende seiner Nutzungszeit, am Grünanlagen umgewandelt. Solche vom Kirch-/ nomen. Typisch für Niederösterreich ist jedoch, dass Beispiel von – ein Friedhof zum Park gewordenen Anlagen sind z. B. diese Entwicklung vorwiegend in den wenigen gro- Wiesengarten mit blu- der Kirchenpark in Retz, Stadtpark Stockerau, Kir- ßen Städten stattgefunden hat, während im ländli- menpflückenden Kindern chengarten Hohenau, Schillerpark Waidhofen/Ybbs. chen Raum noch alle Übergangsformen von Kirch- und Friedhöfen zu finden sind, wobei die dörflichen Kirchhöfe immer noch überwiegen. Die Anonymisierung, die Säkularisierung und die räumliche Lage abseits alltäglicher Kom- munikations-Orte und Treffpunkte bringt bei allen Friedhofstypen eine weitgehende Nivellierung des Erscheinungsbildes mit sich: Die gestalterische Qualität der vor 100 Jahren stark durchgrünten Freiräume entwickelt sich auf den ländlichen, zeit- genössischen Friedhöfen deutlich weg von den um die Jahrhundertwende gepflegten Idealen ästhe- tisch ansprechender Grün- und Parkräume, hin zu pflegeleichten, pflanzenarmen und von Grab- steinen dominierten Flächen. Ein Prozess, der den gegenwärtigen gesellschaftlichen Konventio- nen der Ökonomisierung und Rationalisierung bei gleichzeitiger Säkularisierung entspricht: besser ein

33 großer Grabstein mit Steinplatte und eine Vase als ein grünes, pflegeintensives Grab, mit Kieswegen dazwischen anstelle von Wiese oder Rasen. Aus denkmalpflegerischer Sicht sind daher unbedingt die individuellen Qualitäten jedes Fried- hofes als spezielles, kulturelles Ensemble zu begrei- fen, das neben den spirituellen, sakralen Kompo- nenten jene der baulichen und der Grabdenkmäler sowie die Freiraum-/Grünraumgestaltung bein- haltet. Den Friedhofserhaltern und -„Nutzern“, also allen, ist es überlassen, ohne weiteres Hinter- grundwissen um die kulturgeschichtliche Bedeu- tung „ihres Friedhofes“ diese Frei- und Grünräume pfleglich zu erhalten und gestalten. Wie bei vie- len im Alltag belebten und genutzten Kulturdenk- mälern werden allerdings die Qualitäten als soziale Freiräume ebenso wie als gemeinsames Kultur- gut meist übersehen. Friedhöfe unterliegen daher gegenwärtig generell einer laufenden Abwertung hin zu einheitlichen, weitgehend „gesichts- und geschichtslosen Grabfeldern“ – was allerdings Aus- druck unserer gegenwärtigen Gesellschaft und ihres Umgangs, ihres Verhältnisses zum Tod ist. Kirch- und Friedhöfe sind daher dringend in ihren Quali- täten als ganz spezielle Orte in unserer Alltagswelt zu erkennen und schützen, bevor sie behutsam wei- terentwickelt und den jeweiligen zeitgenössischen Bedürfnissen angepasst gestaltet werden können.

Der Friedhof als Park am Beispiel des St. Pöltner Stadtfriedhofes

Zur Veränderung von Kirchhöfen im Laufe der Generationen: Fotoserie des bis heute bestehenden Kirchhofes von Zelking um 1900, in den 1980ern und 2009 als typisches Beispiel für die drastische Veränderung des Erscheinungsbildes, der Grünraumaus- stattung und damit der Freiraumqualitäten eines ländlichen Kirchhofs. Deutlich erkennbar wird parallel zur Veränderung der Grabmäler (von Gusseisen hin zu Stein) das Verschwinden der ausschließlich stauden- und blumendominierten Grabflächen mit Wiesenflächen dazwischen, hin zu polierten, flächigen Stein-„Wüsten“ (links)

34 Grabungen in und um Kirchen „…, dass kein Toter in der Kirche bestattet werden soll…“

Natascha Müllauer Seit den ersten Kirchengründungen wurden Men- der Reformkaiser Joseph II. mit seiner Bestattungs- schen in oder bei Kirchen bestattet. Der Wunsch reform zu unterbinden. Es dauerte allerdings eine der gläubigen Christen möglichst nahe einem Mär- ganze Weile, bis sich diese Tradition endgültig auf- tyrergrab oder dessen Reliquien beim Altar beige- löste. Er selbst aber hat sich mit der Bestattung der setzt zu werden, um dadurch ewiges Seelenheil zu Habsburger in der Kapuzinergruft eine Ausnahme erlangen, verband Kirche und Grab über Jahrhun- geschaffen. Wien, Grundriss der derte hin. Der Drang, dem Heiligsten auch im Tod alten Hütteldorfer Pfarr- Die ursprünglich bestehende räumliche möglichst nahe zu sein, führte zu einer feinen Sozi- kirche, nach einem Plan Trennung zwischen Siedlungs- und Bestattungsort altopographie der Grablegen in der Kirche und aus dem Penzinger Be- wurde dabei immer mehr aufgeweicht. Archäolo- im Kirchhofsbereich, die durch den archäologi- zirksmuseum von Bodal, gische Befunde zeigen deutlich das Spannungsfeld schen Befund sichtbar gemacht werden kann. War Grabungsbefunden und ausgegrabenen Kirchen- zwischen dem kanonischen Recht, dass dieser Ten- es anfangs nicht so relevant, ob die Grablege in gräbern. (Planbearbei- denz mit Verboten und Ausnahmeregelungen ent- oder außerhalb der Kirche angelegt wurde – die tung: N. Müllauer/G. gegenzuwirken versuchte, und der Praxis, in den Kirchenmauern wurden nicht zwingend als Barri- Reichhalter) Kirchen zu bestatten. Diese Praxis versuchte auch ere zum Heiligsten gesehen – kam es im Laufe der Jahrhunderte zu einer starken sozialen Differenzie- rung zwischen Kirchen- und Friedhofsgräbern. Der prominenteste Platz in der Kirche war sicherlich vor dem Altar. Während zunächst nur Kleriker und Stifter bzw. Stifterfamilien in den Kir- chen ihre Ruhestätte fanden, wurde dieses Privi- leg in Folge auf vornehmlich männliche Angehö- rige privilegierter Bevölkerungskreise, Wohltäter und wohlhabende Bürger ausgedehnt. Aber auch Frauen haben in diesem Bereich ihre letzte Ruhe- stätte gefunden, wiewohl bei archäologischen Gra- bungen festzustellen ist, dass Frauengräber im Kir- cheninneren durchwegs unterrepräsentiert sind. Einen besonderen Befund stellt hier die Bestat- tung einer wohlhabenden Frau aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts in der Pfarrkirche von Kleinwien/ Paudorf/NÖ dar. Sie wurde direkt vor dem Altar zur Ruhe gelegt, bekleidet mit einem kostbaren Gewand aus Seide. Letztendlich war es aber sicher- lich eine Kostenfrage, wie nahe der Reliquie man begraben werden konnte. Doch nicht nur innerhalb der Kirche, auch im Friedhofareal kam es zu einer Art hierarchischer

35 Paudorf, Kleinwien, Aufteilung der Grablegen. Die Position unter der St. Blasien, Bestattung Dachtraufe war die bestmögliche außerhalb der einer jungen Frau mit Kirchenmauern. Innerhalb des Friedhofes gab es Resten der Kleidung aus unterschiedlich würdige Plätze, die auch bestimm- Seide ten Bevölkerungsgruppen wie Mönchen oder Taufkindern zugeordnet sein konnten. Im Fried- hofsbereich zeigt sich anfangs eine kreisförmige Anordnung der Gräber um die Kirche. Die Gräber wurden, anders als im Kircheninnern, durch nach- folgende Bestattungen gestört, da sich der Brauch, einen genauen Lageplan der Grabstellen anzulegen, erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts allgemein durchgesetzt hatte. 16. Jahrhundert durch die Beigabe von christlichen Neben der Lage in oder außerhalb der Kir- Glaubenszeichen wie Rosenkränzen, Wahlfahrts- che macht auch die Art der Beigaben die soziale zeichen, Kreuzen und Amuletten als Ausdruck der Differenzierung sichtbar. Anhand archäologischer persönlichen Frömmigkeit verstärkt. Sie wurden Befunde lässt sich aber auch ein Mentalitätswan- den Verstorbenen um den Hals gelegt oder um die del im Umgang mit den Toten und den Glaubens- zum Gebet gefalteten Hände geschlungen. vorstellungen darstellen. Die Toten wurden im Die Zuversicht des Mittelalters auf eine Wie- Mittelalter meist in Totenhemden oder Leinen- derauferstehung dürfte durch die Reformation und tücher eingehüllt bestattet. Auch wenn sich Särge die darauffolgende Reaktion der katholischen Kir- und Totenbretter vereinzelt schon sehr früh archäo- che einer verbreiteten Unsicherheit gewichen sein, logisch nachweisen lassen, so setzt sich die Sarg- den Menschen schien es notwendig ihr gottgläubi- bestattung doch erst im 17. Jahrhundert allge- ges Leben auch im Grab zu demonstrieren. mein durch. Üblicherweise wurden die Toten im Die religiösen Vorstellungen der Menschen, Mittelalter gestreckt am Rücken liegend begra- die regional sehr unterschiedlich sein können, spie- ben, die Arme seitlich am Körper angelegt. Ab dem geln sich in den Bestattungen wieder. Mit dem Hochmittelalter ändert sich die Armhaltung. Die Brauch, ab dem 16. Jahrhundert wieder Beiga- Arme werden über dem Körper angewinkelt und ben und persönliche Gegenstände mit ins Grab zu die Hände auf der Brust oder im Schoß zu einem geben, werden auch die Ausprägungen des Volks- betenden Gestus gelegt. Dieser Gestus wird ab dem glaubens in der Archäologie verstärkt greifbar.

Güssing, Franziskaner- kloster, Aurora Forman- tini († 1653) auf dem Totenbett, unbekannter Maler, 1653, Öl auf Leinwand, 103 x 220 cm

36 Verstorbenen wurde auf die gefalteten Hände ein großer Steinbrocken gelegt. Die Vermutung, dass dieser während des Verfüllens bzw. im Laufe des Zerfalls des Grabes an diese Stelle gelangte, hält nicht stand, denn auf dem Gesteinsbrocken lag ein Gagatrosenkranz mit einem Wallfahrtsanhän- ger aus Maria Zell, der dem Toten um den rechten Unterarm gelegt wurde. Der Stein wurde also nachweislich vor Verschluss des Sarges auf die Hände des Verstorbenen gelegt. Kirchengräber und Gräber aus dem Fried- hofsbereich sind in der Interpretation nicht von- einander zu trennen. Nur beide gegenübergestellt geben die Möglichkeit, über das soziale Gefüge der Gemeinde Auskunft zu geben. Nicht selten haben spätere Bauphasen der Kirche den ehemaligen Friedhofsbereich überbaut und dadurch Bestattun- gen, die ursprünglich am Friedhof gelegen sind, zu Kirchenbestattungen gemacht, die von echten Kir- chenbestattungen nur durch genaue stratigrafische Beobachtung zu unterscheiden sind. So bringt jede einzelne Kirchen- und Friedhofsgrabung neue Ein- blicke in die Mentalität unserer Vergangenheit und hilft Archäologen, Anthropologen und Histori- kern zahlreiche Fragen zum Totenbrauchtum, dem Umgang mit dem Tod, aber auch zum sozialen Gefüge der Gemeinde zu beantworten.

Brixen, Südtirol, Dom So wurden beispielsweise unverheirateten Mädchen Kreuzgang, 11. Arkade, eine Totenkrone aus kunstvoll geformten Blüten, Werke der Barmherzig- Perlen und leonischem Draht mit Gewürzen und keit – Tote begraben, getrockneten Blumen als Hochzeitsschmuck mit Freskomalerei, 1420- ins Grab gegeben. 1430 Aber auch die tief sitzende Furcht, dass Ver- storbene aus dem Totenreich zurückkommen, ist hinter vielen mysteriösen Befunden zu vermuten. Gerade Bestattungen, bei denen der Tote durch Steine oder Nägel im Grab befestigt, gefesselt, geköpft oder am Bauch liegend bestattet wurde, werden mit der Angst vor Wiedergängern erklärt. So könnte es sich auch bei der Bestattung eines Bestattungsgesten Mannes in der ehemaligen Hütteldorfer Pfarrkir- (Grafik: G. Reichhalter) che in Wien um einen solchen Fall handeln. Dem

37 „… die großen Prediger des Friedens!“ Kriegsgräber in Niederösterreich

Peter Fritz Soldatenfriedhöfe – ein Thema für Niederösterreich? Erster Weltkrieg Knapp unter 50.000 Opfer des Ersten Weltkrie- Im Ersten Weltkrieg befanden sich hier viele Laza- ges und etwa 35.000 Opfer des Zweiten Weltkrie- rette und Kriegsgefangenenlager. Vor allem unter ges sind in eigenen Grabanlagen oder Ortsfriedhö- den Kriegsgefangenen gab es hohe Opferzahlen auf fen beerdigt. Nicht zu vergessen jene Tausenden, die Grund schlechter Ernährung und Hygiene, Epide- in Feldgräbern liegen oder als vermisst gelten. Hinzu mien und Überbelegung in den Lagern. kommen noch einige Gräber aus dem Krieg von Insgesamt wurden nach Kriegsende 39 1866. Nach Auskunft des Österreichischen Schwar- Anlagen für Opfer aus der Zeit 1914-18 errich- zen Kreuzes/Kriegsgräberfürsorge (ÖSK) gibt es tet. Die heute noch erhaltenen größten Anla- etwa 200 Anlagen im gesamten Bundesland. Hinzu gen sind die Lagerfriedhöfe von Sigmundsherberg Der sowjetische Soldaten- friedhof Baden mit 579 kommen unzählige Denkmäler und Gedenktafeln (2.494 Bestattete), St. Georgen/Ybbsfeld (1.839) beigesetzten „Rotarmis- für Kriegsopfer, oft mehrere in einer Gemeinde. Die oder Hart bei St. Georgen/Steinfeld (1.819). Nicht ten“ unmittelbar neben große Zahl an Anlagen in Niederösterreich hat his- mehr erhalten ist der Friedhof des Flüchtlings- und dem Stadtfriedhof torische Gründe. Deportiertenlagers von Gmünd. Dort sollen Schät- zungen zufolge über 30.000 Personen begraben worden sein. Umfangreiche Bestattungen gibt es weiters auf Stadtfriedhöfen wie Wiener Neustadt (1.032) oder St. Pölten (809).

Zweiter Weltkrieg Bei den Kämpfen zu Kriegsende 1945 starben über 45.000 Soldaten der Deutschen Wehrmacht und etwa 25.000 Sowjetsoldaten auf österreichischem Boden. Ein Hauptschauplatz der Kämpfe war Nie- derösterreich, wo sich „Rote Armee“ und die Reste der Deutschen Wehrmacht, SS-Verbände, die Hit- lerjugend usw. gegenüberstanden. Hauptziel der Sowjets war der möglichst weite Vorstoß in den Westen des Landes. Laut ÖSK waren Kriegstote zu Anfang der 1970er Jahre auf über 900 Gemeinde- und Pfarr- friedhöfen verteilt, darunter viele Namenlose. In den 1970er und 1980er Jahren wurden diese Grä- ber geöffnet, die Leichen wo möglich identifi- ziert und in Sammelfriedhöfe umgebettet. Die größten darunter sind Blumau (4.402), Ober- wölbling (4.027) oder Allentsteig (3.911). Von den österreichweit 216 Anlagen für Soldaten und

38 Am Sammelfriedhof St. Pölten wurden 1.449 Soldaten aus dem Zwei- ten Weltkrieg begraben. Gleich daneben befindet sich die Anlage für Tote des Ersten Weltkrieges.

Kriegsgefangene aus der Sowjetunion befinden sich Ruherecht und sie sind dauernd zu erhalten. Die alleine 100 in Niederösterreich. Verantwortung dafür liegt beim Innenministe- Von besonderer Bedeutung ist der Lager- rium. Pflege und Erhaltung trägt vor allem ein pri- friedhof von Sommerein mit laut ÖSK zumindest vater Verein, das ÖSK. Und heute? Sie sind nicht 10.000 Bestatteten aus dem Kriegsgefangenenlager „Heldengräber“, sondern Stätten der Mahnung. Kaisersteinbruch. In Summe sollen in Niederös- Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer formu- terreich etwa 50.000 Kriegsgefangene beider Welt- lierte es so: „Die Soldatengräber sind die großen kriege aus Europa und Asien beerdigt worden sein. Prediger des Friedens.“

Gestaltung, Betreuung und Pflege Dass diese Anlagen zum Großteil heute noch beste- hen, hat mehrere Gründe. Humanitäre Aspekte, Informationen im Internet unter: die Wahrung des Andenkens an die Toten und www.osk.at Österreichisches Schwarzes Kreuz – Kriegsgräberfürsorge die Mahnung an die Gräuel des Krieges spielen eine große Rolle. Den Angehörigen geht es vor www.bik.ac.at Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung, allem darum, Gewissheit über die letzte Ruhe- Vermisstensuche stätte, einen Ort für die Trauer zu finden. Recht- www.bmi.gv.at lich besteht für alle diese Grabstätten von Solda- Bundesministerium für Inneres, ten, Kriegsgefangenen und Zivilinternierten ewiges Abt. IV/7 Gedenkstätten und Kriegsgräberfürsorge

Auf den beiden Lager- friedhöfen Wieselburg I und II sind 2.519 Kriegs- gefangene des Ersten Weltkrieges begraben, der Großteil davon Russen.

39 Nicht nur das Andenken, auch das Denkmal gilt es zu bewahren!

Christian Gurtner Die Friedhöfe Mitteleuropas, mit der oft Als Folge dieser Gesinnung ist der Aspekt der Martin Pliessnig unglaublichen Anzahl an Grabdenkmalen, Konservierung und Restaurierung bei Erhaltungs- sind von Natursteinen geprägte Kulturräume. maßnahmen von Grabdenkmalen bedauerlicher Der Reichtum an verschiedenen Steinvarietä- Weise unterrepräsentiert und kommt eigentlich ten kennt hier praktisch keine Grenzen, der nur bei bedeutenderen Objekten und Ehrengrä- Bestand umfasst sowohl regionale als auch bern zum Tragen. Im Sinne der denkmalpflegeri- importierte Gesteine. Ein sprunghafter Anstieg schen Erhaltung der Ensembles in all ihren his- der Gesteinsvielfalt geht mit der einsetzenden torischen Facetten wäre jedoch die generelle Industrialisierung und dem Ausbau des Eisen- Einbeziehung des Fachrestaurators in besonde- bahnwesens im 19. Jahrhundert einher. ren Friedhofsarealen wünschenswert, da die ansäs- Parallel dazu offenbart sich in der Gestal- sigen Steinmetzbetriebe und Gärtner oft nicht tung der Grabmale und der Bestattungs- über den substanzschonenden- und erhaltenden orte der jeweilige Zugang einer Gesellschaft Zugang verfügen. Wien, Währingerfried- zu Sterben und Tod. Da die Beziehung zum Das Spektrum der Problemstellung im Rah- hof, jüdischer, historisch Tod in der heutigen Zeit weitestgehend ver- men einer Konservierung und Restaurierung von bedeutender Biedermeier- friedhof mit umfassenden drängt ist, werden Friedhöfe eher als notwen- Grabdenkmalen ist aufgrund der Materialviel- statischen und konser- dige sanitäre Einrichtungen wahrgenommen falt und der freien Expositur allumfassend und vatorischen Problemstel- und ihre Bedeutung als Denkmalbestand oft- stellt dementsprechend hohe Anforderungen. Es lungen mals vernachlässigt. gilt eine Vielzahl von unterschiedlichen Verwit- terungsformen der einzelnen Gesteine richtig zu lesen und, auf Grund dieser Kenntnis, die geeig- neten Methoden zur Erhaltung anzuwenden. Ein wesentlicher Aspekt ist die Einarbei- tungszeit in die jeweiligen Gepflogenheiten der einzelnen Friedhöfe, die unterschiedlichen Tradi- tionen und Kulte der verschiedenen Glaubensge- meinschaften, die es zu respektieren gilt. Die auf einem Friedhof allgemein man- gelnden infrastrukturellen Rahmenbedingungen erfordern erhöhte Aufwendungen, um die heute in der Steinrestaurierung üblichen Methoden der Substanzerhaltung- und Sicherung zu ermögli- chen: Die Zuleitung von Wasser und Strom muss für Arbeiten in situ bisweilen über weite Weg- strecken erfolgen. Die über den Bearbeitungs- zeitraum erforderliche wetterfeste Einhausung der Grabmale wäre oftmals ebenso unerlässlich wie ein Abbau in Teilen oder zur Gänze zwecks

40 Verbesserung einer schadhaften Fundamentierung oder für dringlich erforderliche Entsalzungs- und Festigungsarbeiten. Einhausung und Abbau: Zwei aus Pietätsgründen und aus kultischer Sicht nur in wenigen Einzelfällen gestattete Eingriffe. Schlussendlich die Tatsache, dass beson- ders in der bürgerlichen Grabkunst des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts die Materialkom- bination von Stein und Metall sich besonderer Beliebtheit erfreute. Für eine seriöse und zeitge- mäße Bearbeitung ist hier eine enge Koopera- Zwischenzustand der Technisch aufwendige Entsalzung im Unterdruckver- tion der Restaurierungssparten Stein und Metall Entfernung dichter Be- fahren zur Minimierung der Schadsalze unabdingbar. moosung an einem jüngst Lassen sich, in gegenseitiger fachlicher entdeckten jüdischen Wertschätzung, restauratorische Ansätze mit der Grabstein aus Wiener Erfahrung des Steinmetzen zugunsten der optima- Neustadt (mittelalterlich) len Erhaltung unserer Grabkultur vereinen?

Wien, Friedhof St. Marx, unterschiedliche Verwit- terungsformen im Regenschatten an porösen und Wien, Zentralfriedhof, Prunkvolle metallische saugfähigen Kalksandsteinen des Leithagebirges Appliken an bürgerlichen Grabanlagen (Leuchter, – Krustenbildung mit nachfolgender Abplatzung, Grabgitter etc.) Versalzung, biogene Besiedelung

Wien, Zentralfriedhof, thermisch bedingt irrever- sibel verformte Inschrift- tafel aus feinkristallinem Marmor

41 Bedeutende Grablegen in Niederösterreich

Margit Kohlert Die Babenberger Grablege im Kapitelsaal des der 1996 erfolgten Rekonstruktion des Hochgra- Stiftes Heiligenkreuz bes konnten nicht nur seine stilistischen Vorbil- Der Kapitelsaal des Klosters dient nicht nur als der in Frankreich lokalisiert werden, sondern auch Versammlungsraum der Mönche, sondern auch Erkenntnisse zu der weit über die Landesgrenzen als Grablege der fürstlichen Förderer des Klosters, hinaus ragenden Bedeutung des Herrschers gewon- unter anderen befinden sich zehn Grabstätten von nen werden. Babenbergern, darunter regierende Herzöge und deren Familienmitglieder, im Kapitelsaal. Die Grabdenkmale der Familie Kuefstein in der Überwiegend erinnern einfache, in den Pfarrkirche Mariae Heimsuchung in Maria Laach Boden eingelassene Grabplatten mit Inschriften am Jauerling an die Verstorbenen. Das Hochgrab von Friedrich Als die dem protestantischen Glauben angehö- II., dem Streitbaren, († 1246) ragt unter den Grab- renden Grafen Kuefstein das Patronat inne hat- denkmalen wegen seines Typus und seiner künstle- ten, erlangte die Kirche als Grablege des Grafenge- rischen Qualität hervor: schlechts einen neuen künstlerischen Höhepunkt. Ein mit Säulchen gegliederter Sarkophag Fünf monumentale Totenschilder der Fami- trägt die Grabplatte mit der lebensgroßen, rund- lie Kuefstein aus den Jahren 1603 bis 1628, das plastischen Figur des letzten Babenberger Herzogs. Epitaph der Anna von Kuefstein (1615) und das Er liegt in strammer Haltung in Waffenrüstung Freigrab des Johann Georg III. von Kuefstein Heiligenkreuz, Stift, und hält Schwert und Landeswappen in Händen. (bez.1607) zählen zu den bedeutendsten Renais- Kapitelsaal, Hochgrab Das Grab Friedrichs II. ist ein Hauptwerk sancegrabdenkmälern Niederösterreichs. Friedrichs II. frühgotischer Skulptur in Österreich. Im Zuge Die Totenschilder aus farbig gefasstem Holz, mit Inschriften und Wappen, repräsentierten die Verstorbenen im Kirchenraum und waren meist nahe ihrer Grabstätte angebracht. Das Epitaph der Anna von Kuefstein zeigt in der Mitte die Auferstehung Christi, ein aus Solnhofer Schiefer bestehendes, fast vollplasti- sches Relief von großer Feinheit. Es wurde ver- mutlich von einem aus der Werkstatt des Hofbild- hauers Alexander Colin aus Mecheln stammenden Künstler geschaffen, ebenso wie auch das Hoch- grab des Johann Georg III. von Kuefstein, das ursprünglich im Chor vor dem Altar errich- tet wurde. Der monumentale Kenotaph trägt Kriegstrophäen, Bibelsprüche und biographische Inschriften des Verstorbenen und seiner Söhne und belegt das starke historiographisch-geneaolo- gische Interesse.

42 Das Mausoleum für Johann Pargfrieder, die Feld- marschälle J.W. Graf von Radetzky und M. von Wimpffen und die Ruhmesstätte für die österrei- chische Armee am Heldenberg Nach den siegreichen Feldzügen der österreichi- schen Armeen in Italien und Ungarn ließ der Unternehmer Joseph Pargfrieder, der als k.k. Armeelieferant und Gutsbesitzer reich geworden war, im Jahr 1849 einen Denkmalhain anlegen, bestehend aus einer Säulenhalle, zwei Siegessäulen und Zyklen von Büsten von Feldmarschällen und Kommandeuren, dem Kaisergarten mit einer Allee mit Büsten von Kaisern und Helden, allesamt in Eisen- und Zinkguss. Die Mitte der Anlage bildet das Mausoleum des Bauherrn in Form eines schlanken Obelisken mit einem goldenen Todesgenius an der Spitze. In der Gruft ruhen Joseph Pargfrieder (1863) und – als würden sie sein Grab wie zwei Wächter flan- Maria Laach, Pfarrkir- Der Verstorbene kniet überlebensgroß in vol- kieren – der von Pargfrieder hoch verehrte Feld- che, Hochgrab des Johann ler Rüstung auf einem Polster, den abgenomme- marschall Radetzky (1858) und Maximilian Frei- Georg III. Kuefstein nen Helm vor sich hingestellt, die Hände zum herr von Wimpffen (1854), Generalstabschef in (rechts) Gebet gefaltet. Sporen und Schwert sind realitäts- der Schlacht von Aspern. Totenschild des Hans Wil- getreu aus Metall, die Figur aus hellem Marmor. Die steile Treppe hinab schreitend trifft helm Kuefstein (oben) Johann Georg ist „in ewiger Anbetung“ zum Altar man auf Skulpturen trauernder Frauen, in der ers- Epitaph der Anna von gewendet, ein in Österreich seltenes Beispiel eines ten Gruftkammer auf geharnischte Ritter und Kuefstein (unten) Renaissancegrabmales mit vollplastischer Darstel- die Grabplatten Radetzkys und Wimpffens. Der lung eines Betenden. Zugang zur Grabstätte Pargfrieders befindet sich unter einer eisernen Falltür im zweiten Gruftraum. Pargfrieder machte den Heldenberg Kaiser Franz Josef zum Geschenk, der ihn später der k.k. Armee vermachte. Die spätklassizistische Gedenk- anlage zählt zu den eigenartigsten Denkmalszena- rien, die das 19. Jahrhundert hervorgebracht hat.

Lithographie aus dem Album G. J. Pargfrieders von 1858, Der Heldenberg im Park zu Wetzdorf

43 Eine Auswahl bedeutender Grabstätten in Niederösterreich Ort Person Daten

Alt-Weitra Eduard Egon Landgraf zu Fürstenberg 1843-1932 Geheimer Rat, k.u.k. Kämmerer Artstetten (Schloss) Franz Ferdinand, Erzh. von Österreich-Este 1863-1914 österr. Thronfolger Sophie Herzogin von Hohenberg (geb. Chotek) 1868-1914 Gemahlin des österr. Thronfolgers Bad Deutsch-Altenburg Karl Leopold Hollitzer 1874-1942 akad. Maler Baden bei Wien (Städt. Friedhof) Richard Genée 1823-1895 Dirigent, Komponist, Librettist („Fledermaus“, „Bettelstudent“, „Nacht in Venedig“, „Gasparone“ u.a.) Baden bei Wien (Helenenfriedhof) Rudolf Graf Montecuccoli degli Erri 1843-1922 österr. Admiral, 1904-1912 Bad Vöslau Robert Schlumberger Edler von Goldeck 1814-1879 Industrieller, Gründer der Wein- und Sektkellerei Schlumberger Berndorf Dr. h.c. Arthur Krupp und seine Gemahlin Margret 1856-1938 Fabrikant Dürnstein Max Suppantschitsch 1865-1958 Professor, akad. Maler, „Wachau-Maler“ Dunkelstein (bei Neunkirchen) Graf Ernst Hoyos-Sprinzenstein Vizepräsident des Herrenhauses Eggenburg Johann Krahuletz 1848-1928 Forscher und Sammler, Büchsenmacher und Eichmeister, Prof. der Geologie Eggenburg (Burg Schleinitz) Freifrau Anna von Sazenhofen 1874-1948 Romanschriftstellerin Marianne Hainisch 1839-1936 Begründerin der österr. Frauenbewegung Feistritz (Pfarrkirche) Ritter Wilhelm I. von Rottal und Gemahlin Gaming (Pfarrkirche) Herzog Albrecht II. von Österreich und 1268-1358 Sohn von Albrecht I., Stifter der Kartause Gaming seine Gemahlin Johanna von Pfirt Göttweig (Stiftskirche) Altmann, Bischof von Passau um 1015-1091 Gründer des Stiftes Göttweig, wird als Heiliger verehrt Gumpoldskirchen (Ordenskirche) Alois Graf von Harrach 1728-1806 Generalfeldmarschallleutnant, Kämmerer Gutenstein Ferdiand Raimund, eigentl. F. Raimann 1790-1836 Schauspieler und Dramatiker Hardegg (Gruftkapelle) Johann Karl Fürst Khevenhüller-Metsch, 1839-1905 kämpfte mit Kaiser Maximilian in Mexiko gen. der „Mexicaner“ Heiligenkreuz (Stiftskirche) Martin Altomonte, eigentl. Hohenberg 1657-1745 österr. Barockmaler Friedrich der Streitbare, Herzog von Österreich 1211-1246 letzter Babenberger Heiligenkreuz (Friedhof) Marie Freiin von Vetsera 1871-1889 Geliebte des Kronprinzen Rudolf, schied gemeinsam mit ihm in Mayerling aus dem Leben Ferdinand Ritter von Mannlicher 1848-1904 Waffenfabrikant Hollenburg (Wehrkirche) Johann Heinrich Frh. von Geymüller 1754-1824 Bankier Horn Reichsgraf Franz Karl von Walderdorff Kämmerer Kirchstetten Josef Weinheber 1892-1945 Lyriker („Adel und Untergang“, „Kammermusik“) Wystan Hugh Auden 1907-1973 Englischer Dichter („Zeitalter der Angst“), Prof. für Dichtkunst an der Univ. Oxford Klosterneuburg, Stift Leopold III., der Heilige, Markgraf von Österreich um 1075-1136 Stifter der Klöster Heiligenkreuz und Klosterneuburg, Patron von Österreich, 1485 heilig gesprochen Klosterneuburg-Weidling Joseph Frh. von Hammer-Purgstall 1774-1856 Diplomat, Orientalist, Schriftsteller, Übersetzer orientalischer Dichtungen Nikolaus Lenau, eigentl. Nikolaus Franz 1802-1850 Schriftsteller, Lyriker der Spätromantik, starb in geistiger Umnachtung Niembsch, Edler v. Strehlenau Krems an der Donau (Friedhof Stein) Martin Johann Schmidt, gen. Kremser-Schmidt 1718-1801 Maler und Radierer Kreuzenstein (Burgkapelle) Johann Nepomuk Graf Wilczek 1837-1922 Weltreisender, Abenteurer, Schriftsteller, Gründer der Wr. Freiw. Rettungsges., Wiederhersteller der Burg Kreuzenstein Lichtenegg Johann Jakob Tschudi 1818-1889 Naturforscher, Staatsmann Lichtenwörth-Nadelburg Anton Hainisch 1775-1837 Fabrikant bei Wr. Neustadt Lilienfeld (Stiftskirche) Königin Margarethe 1205-1266 Gemahlin von König Ottokar II. von Böhmen Johann Ladislaus Pyrker von Felsö-Eör (von Oberwart) 1771-1847 Abt des Stiftes Lilienfeld, Patriach von Venedig, Erzbischof von Erlau, Epiker und Dramatiker Lilienfeld Mathias Zdarsky 1856-1940 Skipionier Hugo Graf Abensberg und Traun 1828-1904 Diplomat Maria Laach am Jauerling (Pfarrkirche) Johann Georg III., Frh. von Kuefstein 1536-1603 Kriegsheld, gotisches Hochgrab des flämischen Bildhauers Alexander Colin und seine Gemahlin Freifrau Anna von Kuefstein Maria Schutz am Semmering Franz Panhans 1869-1913 Gründer und Besitzer des gleichnamigen Hotels am Semmering Vinzenz Panhans 1865-1905 Gründer und Besitzer des gleichnamigen Hotels am Semmering Miesenbach Friedrich Gauermann 1807-1862 akad. Maler und Graphiker Murstetten Familie Althan Epitaphe in der Kirche und Mausoleum oberhalb des Ortes Perchtoldsdorf Josef Hyrtl 1810-1894 österr. Anatom und Philantrop Preßbaum-Dürrwien (Ortsfriedhof) Egon Caesar Conte Corti 1886-1953 Historiker und Schriftsteller („Das Haus Rothschild“, „Elisabeth, die seltsame Frau“) Purgstall an der Erlauf (Pfarrkirche) Volkhard von Auersperg und Gemahlin 1626-1659 St. Andrä-Wördern Konrad Lorenz 1903-1989 Verhaltensforscher, Nobelpreis-Träger für Medizin 1973 St. Pölten (Dom) Jakob Prandtauer 1658-1726 Baumeister (Stift Melk) Heldenberg Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz 1766-1858 österr. Feldmarschall, Oberbefehlshaber der österr. Truppen, begraben gemeinsam mit Feldmarschall Max v. Wimpffen und Josef Pargfrieder Wiener Neustadt (St. Georg Kirche) Kaiser Maximilian I. 1459-1519 Kaiser von Österreich, Sohn von Friedrich III. Wiener Neustadt (Neukloster) Kaiserin Eleonore (Leonore von Portugal) 1436-1567 Gemahlin von Friedrich III. und Mutter von Maximilian I.

44 Die Grabkapelle der Familie Pacher von Theinburg auf dem Friedhof von Schönau an der Triesting

Otmar Rychlik

Grabkapellen waren – besonders im Tassilo Festetics dessen ungarisches 19. Jahrhundert – bei Architekten Schloss Keszthely prachtvoll umge- geschätzte Aufträge, zumal sie sich baut hat), das Mausoleum für Fried- bei diesen anspruchsvollen Kleinbau- rich Schüler von Alexander von Wie- ten, die der Repräsentation namhaf- lemans auf dem Mödlinger Friedhof ter Familien gedient haben, künst- oder die vom Architekten stolz „sig- lerisch oft besonders frei entfalten nierte“ Kapelle der Familie Ludwig konnten. Hervorzuheben wäre etwa Schneider von Johann Scheiringer auf die Gruftkapelle der Freiherren von dem Friedhof von Bad Vöslau. Eines Erlanger auf dem Friedhof von Pay- der interessantesten Beispiele seiner erbach, die Heinrich von Ferstel ent- Art bietet die Gruftkapelle der Indus- worfen hat, das Mausoleum der Fami- triellenfamilie Pacher von Theinburg lie Krupp in Berndorf von Victor auf dem stimmungsvollen Privatfried- Rumpelmayer, einem in Vergessen- hof im Anschluss an den Ortsfried- Restaurierbeispiele heit geratenen bedeutenden Architek- hof von Schönau an der Triesting, von ten (der beispielsweise für den Fürsten der hier noch ausführlicher die Rede sein wird. Die Gründungsgeschichte und 1839 an Ignaz Freiherrn von Dobl- das weitere Schicksal der Tonwaren- hoff gekommen sein, und es muss fabrik in Wagram (zwischen Kot- keinesfalls als Zufall gewertet wer- tingbrunn und Leobersdorf gelegen), den, dass der junge preußische Archi- die als erste Niederösterreichs mit tekt Victor Brausewetter in demselben der Produktion von Bauterrakotten Jahr von dem Eigentümer angestellt wesentlich zur Ausbreitung des Histo- wurde; vielmehr darf angenommen rismus beigetragen hat, lässt sich inso- werden, dass Doblhoff den Wagra- fern nur schwer rekonstruieren, als mer Betrieb bereits mit der Absicht das Fabrikarchiv im Zweiten Welt- gekauft hat, ihn auf eine Bauterrakot- krieg vollkommen zerstört wurde, tenproduktion umzustellen und dazu und die Forschung sich besonders im der Erfahrungen eines Mitarbeiters Hinblick auf deren Besitzer Victor bedurfte, der zumindest künstlerisch, Brausewetter in erster Linie auf Fami- vermutlich aber auch technisch mit lienerinnerungen berufen muss, die in diesem für Österreich neuen Zweig schriftlicher Form vorliegen. der Kunstindustrie vertraut war. Die bereits bestehende, aller- dings auf Dachziegel, Steingutgeschirr Schönau an der Triesting, (Weißgeschirr) und kleinere Zierge- Privatfriedhof, Gruftkapelle genstände spezialisierte Fabrik dürfte Pacher von Theinburg

45 denen Brausewetter-Terrakotten zum lungen gliedern. Das Bauwerk wurde Einsatz kamen, sind die 1846 in der inschriftlich (unter der Traufe der Wiener Herrengasse errichtete „Nie- westlichen Längswand) 1847 errich- derösterreichische Statthalterei“ von tet und gehört somit zu den frühesten Paul Sprenger, die 1849 erbaute „Villa bisher bekannten von der Wagramer Pereira auf der Herrschaft Königstet- Fabrik ausgestatteten Objekten. Der ten im Tullner Boden nächst Wien“ Baukörper ist architektonisch klar dis- – das Hauptwerk der Architektenge- poniert und erhält seinen wesentli- meinschaft Ludwig Förster und Theo- chen Akzent durch den Mittelpfei- phil Hansen – und die von Wurzbach ler der Fassade, von dem aus sich die In diesem Sinn ist wohl eine Textpas- erwähnte Altlerchenfelderkirche bzw. beiden Bögen öffnen, eine gekup- sage Ludwig Försters in dessen „All- das „k. k. Arsenal vor dem Belvedere“. pelte Bogenstellung ausbildend, wie gemeiner Bauzeitung” von 1847 zu Während Förster und Hansen sie für den „Rundbogenstil“ des frü- verstehen, die den Eindruck erweckt, bis 1851 gemeinsam und nach Been- hen Historismus typisch ist, wiewohl als habe Doblhoff die Fabrik um der digung ihrer Zusammenarbeit noch die damit angedeutete, im Innenraum Bauterrakotten willen – denen allein bis Mitte der fünfziger Jahre Brau- keineswegs weitergeführte „Zweischif- das Interesse Försters gehörte – völ- sewetter mit mehreren Aufträgen figkeit“ der Kapelle ein singuläres Fas- lig neu begründet: Anton Freiherr bedachten, erwuchs der Firma in der sadenmotiv ausbildet. von Doblhoff wird als Unterneh- 1851 gegründeten „Thonwaaren und Diesem schlichten und eher mer erwähnt, „dessen Kunstliebe die Terracottenfabrik“ von Alois Mies- strengen architektonischen Ges- Errichtung der Thonwaarenfabrik zu bach und Heinrich Drasche – der Fa. tus antwortet nun die schönste Fülle Wagram bei Baden verdankt wird, Wienerberger – eine bedeutende Kon- dekorativer Versatzstücke, überall wo welche der Architekt Herr Brause- kurrenz, die bereits in der zweiten es möglich ist und wo bis zum Ein- wetter mit großer Umsicht und glän- Hälfte der fünfziger Jahre als Partner satz dieser neuartigen, industriell ver- zendem Erfolge leitet“. Victor Brau- Hansens bevorzugt in Erscheinung vielfältigten Bauplastik die viel teurere sewetter war jedenfalls bereits ab trat und in den sechziger Jahren als und in der Herstellung zeitrau- 1839 Mit- und ab 1849 vermutlicher Massenproduktionsbetrieb die Wagra- bende Steinmetzarbeit Verwendung Mehrheitseigentümer des Unterneh- mer Terrakottenfabrik bei weitem fand: Die Kapitelle, die Füllungen mens, zumal Ludwig Förster in sei- überflügelte. Dennoch konnte sich nen Erläuterungen über das „Frei- Victor Brausewetter auch in den fol- herrl. v. Rieger’sche Haus“ – von ihm genden Jahrzehnten mit seinen qua- selbst und Theophil Hansen entwor- litätvollen Produkten auf dem Markt fen – in der Wiener Wollzeile im Jahr behaupten, wobei er vor allem klei- 1852 ausdrücklich anmerkt: „Die nere Bauten, Wohnhäuser und Villen, Ornamente an den Faßaden und in dekorativ ausstattete. der Eingangshalle sind von gebrann- Die Schönauer-Pacher-von- tem Thon aus der wagramer Thon- Theinburg-Kapelle, die aller Wahr- waarenfabrik des Hrn. Brausewet- scheinlichkeit nach von Victor Brau- ter“. Weitere wichtige Gebäude, an sewetter selbst entworfen wurde, hat die Gestalt einer kleinen, offe- nen Pfeilerloggia auf hohem Stein- Schönau an der Triesting, Privatfriedhof, sockel, deren zweibogige Hauptfront Gruftkapelle Pacher von Theinburg, von einem gedrückten Dreiecksgie- Fassadendetail (oben) bel bekrönt wird, während sich die Marienstatue (unten) Längsseiten in dreifache Bogenstel-

46 sämtlich in Terrakotta angefertigt und stellen insgesamt fast ein Musterbuch der Anwendungsmöglichkeiten die- ser revolutionären baukünstlerischen Erfindung dar. Den Höhepunkt bildet aber der Altar, ebenfalls ganz aus Terrakotta, mit Altartisch, dreibogigem Altarauf- bau unter seichtem Dreiecksgiebel, darauf Kruzifix mit flankierenden männlichen Heiligen, vor der mitt- leren der drei Nischen des Retabels auf reichem Sockel eine Madonna mit Kind, die der Verfasser als Werk der Brüstungen zwischen den hohen von Anton Dominik Fernkorn, der Sockeln der Pfeiler an den Längssei- in seiner Jugend nachweislich für die ten aus quadratischen, durchbroche- Wagramer Fabrik gearbeitet hat, iden- nen Platten, die Zwickelfelder über tifizieren konnte, welche offenbar Berndorf, Mausoleum Krupp den Bogenstellungen mit Mohnblu- über Jahrzehnte produziert worden (oben links) menmotiven, die symbolisch auf den ist. Der Inventarkatalog des „Tech- Schlaf des Todes anspielen, die viel- nischen Kabinetts“ der Technischen Bad Vöslau, Gruftkapelle Schneider fältigen Gesimse und Gesimsfriese, Hochschule Wien, dessen Bestände (oben rechts) eine Fensterrosette in der Altar- sich heute im Technischen Museum Payerbach, Gruftkapelle Erlanger wand, der reich verzierte Säulen- befinden, verzeichnet die Sammlungs- (unten links) schaft an der Rückseite der Kapelle zuwächse offenbar fortlaufend und Mödling, Mausoleum Schüler (wohl um eine Laterne zu tragen, unter der Nummer 33480 die noch (unten rechts) deren Schein die Fensterrosette von heute vorhandene „Madonna mit außen magisch erhellt), selbst die Fül- dem Christuskinde nach Fernkorn, lungen der Kassetten an den Innen- ausgeführt in Terracotta; auf einem seiten des offenen Dachstuhls sind hölzernen Postament, Dobblhoff (sic!) Wagram 1847“ – wobei „nach Fern- korn“ hier „nach Fernkorns Modell“ meint. Unter den zahlreichen, dem Verfasser bisher bekannt gewordenen Ausgaben dieser – für die österreichi- sche Skulptur am Beginn des Histo- rismus bedeutenden – Madonna wären etwa noch die bemalte Version am Chorhaupt der Stephanskirche in Baden, die ungefassten Exemplare der Pfarrhöfe von Bad Vöslau (um 1870) und Kottingbrunn (um 1900) oder die entlegenere silberbestrichene, an der Ortskapelle von Großhaslau bei Zwettl zu erwähnen.

47 Ignaz Joseph Pleyels Ruhestätte am Pariser Friedhof Père-Lachaise

Martin Grüneis

Im 20. Pariser Arrondissement und und Protestanten, von Juden und somit im Osten der französischen Muslimen nebeneinander, aber auch Hauptstadt befindet sich der Friedhof für Freimaurer, Atheisten oder Selbst- Père-Lachaise. Zwar liegt er abseits mörder ist Platz. Père-Lachaise gilt als der Hauptsehenswürdigkeiten, doch erster nicht konfessionsgebundener wird der als Prominentenfriedhof titu- und moderner Friedhof, der wohl aus lierte Ort der letzten Ruhe von vie- diesem Grund große Anziehungskraft len Besuchern aufgesucht, um den auf die Bohème ausübte. hier bestatteten Größen aus Politik, Erste Bestattungen am Père- Wissenschaft, Kunst und Kultur an Lachaise fanden ab 1804 statt, doch ihrer letzten Ruhestätte zu begegnen. erfolgte erst ab 1808 durch den So kann man in dieser Totenstadt Architekten Alexandre-Théodore an den Gräbern von Frédéric Cho- Brongniart die planmäßige Anlage der Blick über die Grenzen Blick International Denkmalpflege pin, Sarah Bernhardt, Yves Montand, kurvenreichen Wege und schattigen Oscar Wilde, Gilbert Bécaud, Marcel Alleen im Auf und Ab des hügeligen Proust, Edith Piaf, Amadeo Modig- Geländes. Der rund 9 Hektar große liani, Max Ernst, Jim Morrison und älteste Teil von Père-Lachaise wird unzähligen weiteren berühmten Per- als „romantischer Bezirk“ bezeichnet sönlichkeiten vorbeiflanieren oder in und bildet den Kern der jetzt 44 Hek- Gedenken anhalten. tar großen Anlage. Sie ist die größte Zu Beginn des 19. Jahrhun- Grünfläche der Metropole. derts wurden damals noch außerhalb Im Zentrum der Gräberan- der Grenzen der Hauptstadt drei neue lage, nahe des Carrefour du Grande- Friedhöfe angelegt. Neben jenen von Rond in der Division 13, befindet Montparnasse im Süden und Mont- sich die letzte Ruhestätte eines großen marte im Norden der cimetière du Niederösterreichers. Hier liegt der Père-Lachaise. Dieser bezieht seinen 1757 in Ruppersthal geborene Ignaz Namen vom Beichtvater von Louis Joseph Pleyel bestattet, der als Kom- XIV, dem Père de la Chaise, und liegt ponist europaweiten Ruhm erlangte. auf einem der sieben Hügel von Paris. Er, einst Schüler von Joseph Haydn, Napoléon Bonaparte als gro- galt um 1800 als meistgespielter ßer Reformer des Rechtswesens ver- Komponist und hat ein beachtliches änderte auch die Bestattungsnormen. Oeuvre hinterlassen. Schon Mitte So hatte nun jeder Bürger das Recht 20 ging er anfänglich nach Straß- Informationen im Internet unter: auf eine Bestattung, unabhängig von burg und ließ sich später in Paris nie- www.pleyel.at www.pere-lachaise.com Herkunft oder Religion. Daher finden der. Hier hat er zunächst einen Ver- sich die Grabstätten von Katholiken lag und später auch die bis heute

48 bestehende Klaviermanufaktur „La Ehrengrab des Komponisten, beste- Ruhestätte von Pleyel nieder. Über die Maison Pleyel“ gegründet. Mit 74 hend aus einer Säule ohne Kapitell auf Restaurierung gibt eine kleine Mar- Jahren starb Pleyel im Jahr 1831 in quadratischem Sockel und umgeben mortafel Auskunft. Paris und wurde in einem Ehrengrab von einem schmiedeeisernen Zaun, Ein Besuch der Ruhestätte am Friedhof Père-Lachaise beigesetzt. restauriert. Von der gelungenen Sanie- von Ignaz Joseph Pleyel am Fried- Pleyel genießt hohe Wertschätzung rung machte sich Landeshauptmann hof Père-Lachaise sollte beim nächs- in Frankreich. Über seine Mitwir- Dr. Erwin Pröll Mitte Juni selbst ein ten Paris Aufenthalt jedenfalls einge- kung an der Komposition der Franzö- Bild und legte einen Kranz an der plant werden. sischen Nationalhymne, der Marseil- laise, wurde immer wieder spekuliert, sie ist aber nicht nachweisbar. Das Andenken an den Niederösterreicher bleibt mit der „Salle Pleyel“, einem der wichtigsten Pariser Konzertsäle, im aktuellen Musikgeschehen der französischen Hauptstadt lebendig. Heute hält die Internationale Ignaz Joseph Pleyel Gesellschaft (IPG) unter der Leitung von Professor Adolf Ehrentraud die Erinnerung an den Ruppersthaler wach und bemüht sich um die Pflege seines kulturellen Ver- mächtnisses. Sie betreibt auch ein kleines Museum am Geburtsort von Pleyel. Auf Initiative der IPG und auf Kosten des Landes Niederöster- reich wurde im heurigen Frühjahr das

Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll und Prof. Adolf Ehrentraud am Grab von Ignaz Joseph Pleyel

49 Jüdische Friedhöfe in der Tschechischen Republik entlang der Waldviertler Grenze

Andreas Lebschik

Es war ein sonniger Frühsommertag, Zeit die größere Hälfte die jüdische einem Hang mit Blick auf einen gro- als wir unter kundiger Führung von Gemeinde bildete. Ab1848, mit der ßen Teich. Herrn Ing.arch. Jaroslav Klenovský Revolution, wurden Juden in Öster- Es ist eine beeindruckende von der jüdischen Gemeinde Brünn reich gleichberechtigte Staatsbür- Stimmung, die hier herrscht, am jüdische Friedhofe entlang der Wald- ger, was zur Folge hatte, das viele von größten jüdischen Friedhof dieser viertler Grenze auf tschechischer Seite ihnen aus wirtschaftlichen Gründen Gegend. Seine Dimension lässt auf aufsuchten. ihre alten Wohnorte verließen und die bedeutende Größe der jüdischen Unsere erste Station war Šafov in die Großstädte und Zentren der Gemeinde von Schaffa schließen. Ca. (Schaffa). Der kleine unschein- Monarchie zogen. Aus diesem Grunde 950 Grabsteine stehen oder liegen bare Ort, unweit der österreichi- wurde auch die jüdische Gemeinde scheinbar kreuz und quer auf dem schen Grenze in der Nähe von Lan- von Schaffa immer kleiner. Ihr völli- großen zum Teil bewaldeten Grund- gau und Riegersburg war einst eine ger Niedergang war einerseits durch stück. Viele von ihnen, meist aus dem blühende Stadt mit einer großen jüdi- die Grenzsituation ab 1919 zu Öster- 18. und 19. Jahrhundert tragen wun- schen Gemeinde. 1671 kamen zahl- reich begünstigt, andererseits vor derschöne Ornamente und Reliefs. reiche jüdische Familien infolge der allem durch den Nationalsozialismus Herr Ing.arch. Klenovský erklärte uns Judenvertreibung Kaiser Leopold I. mit dem Zweiten Weltkrieg, der alle die Symbole auf den Grabsteinen, die aus Wien hierher. Von 1848 bis 1919 Juden aus Schaffa vertrieb und ermor- meist auf den Namen, auf den Beruf bestand Schaffa aus zwei politischen dete und die Synagoge zerstörte. Ein- oder auf Eigenschaften des Verstorbe- Gemeinden, aus der christlichen und zig der Friedhof ist erhalten geblieben. nen verweisen. aus der jüdischen Gemeinde. Die bei- Man findet den Friedhof außer- Das nächste Ziel unserer klei- den Gemeinden waren annähernd halb des Ortes im Nordwesten unter- nen Reise war der Ort Pisečné (Pies- Staré Město gleich groß, wobei allerdings lange halb der ehemaligen Stadtmauer auf ling), nördlich von Raabs bzw. Wei- kertschlag an der Thaya. Auch hier, ähnlich wie in Schaffa, kamen die Juden 1671 nach der Vertreibung aus Wien und Niederösterreich und machten den Ort zu einer blühen- den Gemeinde. Ebenso verlief das tragische Ende durch den Zwei- ten Weltkrieg, 1948 wurde die Syn- agoge abgerissen. Der Friedhof ist als einziges Zeugnis erhalten geblie- ben und er liegt etwas versteckt in einen Waldstück ca. 400 m nach dem südwestlichen Ortsende. Im Gegen- satz zu Schaffa wirkt dieser Fried- hof kompakt und gut erhalten. Das rührt nicht nur von der vollständig

50 bestehenden Friedhofsmauer mit im Schatten mehrerer Bäume. Eine einer kleinen Leichenhalle her, son- neue Informationstafel vor dem Fried- dern auch von dem Umstand, dass bis hof gibt in tschechischer, englischer 1989 niemand diesen Friedhof betre- und deutscher Sprache umfangrei- ten durfte, er lag in der militärischen che Auskunft über die sehr alte örtli- Sperr- und Todeszone zu Österreich che jüdische Gemeinde und den jüdi- und war dadurch großteils vor Vanda- schen Friedhof. lismus und Zerstörung bewahrt. Die Der vierte Friedhof, den wir Stimmung und das Licht an diesen besuchten, liegt ca. 1 km nörd- Ort der Ruhe waren einzigartig. Viele lich von der Ortschaft Nova Bystrice der von Efeu überwachsenen Grab- (Neubistritz) an der Hauptstraße Pisečné steine sind leicht zu entziffern, da sie nach Jindřichův Hradec rechts auf deutsche Inschriften tragen, so findet einer kleinen Erhebung. Dieser Fried- man zum Beispiel unter vielen den hof unterscheidet sich wesentlich von Namen Johanna Oesterreicher. Auf- den anderen drei nicht nur in sei- fällig ist, dass es in diesen jüdischen ner Größe und Erscheinung, son- Friedhöfen nur Inschriften in hebrä- dern auch durch seine Geschichte. ischer oder deutscher Sprache gibt. Die jüdische Gemeinde und somit Viele der ca. 450 Grabsteine zieren auch der Friedhof von Neubistritz Jugendstilornamente. sind im Gegensatz zu Schaffa, Piesling Der dritte Friedhof entlang der und Altstadt relativ jung. Die Kultus- Waldviertler Grenze, den wir besuch- gemeinde Neubistritz wurde erst im ten, liegt 600 m nördlich außer- Jahre 1893 errichtet, vorher gehörte halb des Ortes Staré Město pod Neubistritz zur Kultusgemeinde von Landštejnem (Altstadt) nördlich von Altstadt. Der Friedhof wurde in den Šafov Kautzen und 9 km westlich von Sla- Jahren 1878/79 angelegt und ist der vonice. Der Friedhof mit seinen ca. kleinste in dieser Gegend mit ca. 170 Grabsteinen befindet sich etwas 100 Grabsteinen, die zumeist deut- Nova Bystrice isoliert inmitten einer großen Wiese sche Inschriften tragen. Im Gegen- satz zu den anderen drei Friedhö- fen haben fast alle Gräber erhaltene Grabeinfassungen. Diese kleine Erkundungsfahrt machte bewusst, wie eng unser Bun- desland mit seiner nördlichen Nach- barregion geschichtlich und wirt- schaftlich verbunden war, denn all die Friedhöfe mit ihren Grabsteinen und der Stimmung, die dort herrscht, sind stumme Zeugen dieser Vergangenheit. Herzlichen Dank an Herrn Ing.arch. Jaroslav Klenovský.

51 Auf den folgenden Seiten informieren wir Sie über die wichtigsten derzeit laufenden Restaurierungen und die anstehenden Probleme im Bereich der Denkmalpflege in Niederösterreich. Beiträge von Franz Beicht, Kurt Bleicher, Patrick Schicht, Petra Weiss, Gorazd Živkovič

Dürnstein, Rathaus, Rechteckportal umgewandelt wor- Fassadenrestaurierung den sein. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhielt es dann den Das in seinem Kern spätgotische barocken profilierten Schweifgiebel. Rathaus von Dürnstein dient schon Das restauratorische Ziel der Fassa- seit 1547 als Sitz der Gemeindever- denrestaurierung war die Konser- waltung. Die siebenachsige Fassade vierung der zuletzt erfolgten Fassa- wurde Mitte des 16. Jahrhunderts denrenovierung im Jahr 1963, um mit ornamentalen Sgraffitorahmun- den Charakter des gealterten Er- gen, profilierten Fenstergewänden scheinungsbildes zu bewahren. Mit und steinernen Fensterkreuzen ver- Sumpfkalkschlämmen konnte das sehen. Das Portal hat bereits mehre- Erscheinungsbild der Nullflächen re Veränderungen erfahren. Vermut- ausgeglichen und die Sgraffitoglie- Aktuelles Niederösterreich in aus der Denkmalpflege lich war es zu seiner Entstehungszeit derungen, wo unbedingt notwendig, rundbogig, 1563 scheint es – wie aufgefrischt werden. Im Bereich der Dürnstein, Rathaus die Inschrift zeigt – zu einem Sockelzone musste der stark salzbe- lastete Putz in Kalktechnik erneuert werden. Besonderes Augenmerk lag im Zuge der ebenfalls durchgeführ- ten Dachneudeckung auf histori- scher Handwerkstechnik und denk- malgerechter Dachausführung mit eingemörtelten Firsten, Graten und Gaupen sowie dem Erhalt der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Regensinkkästen. (P.W.)

Engelhartsstetten, Schloss Hof, Brunnenrekonstruktion

Nach mehr als 2 Jahren Grundla- genarbeit, archäologischen Grabun- gen durch das Bundesdenkmalamt und detailgetreuer Wiederher- stellung wurde im Juni 2009 das Schloss Hofer „Große Bassin“ in Be- trieb genommen. Das Bassin bildet

52 Engel- harts- stetten, Schloss Hof

den Abschluss der aus sechs Brun- 1683 oder bald danach erbaut. In und zeigt sich daher noch weitge- nen bestehenden Brunnenkette, die verputztem Ziegelmauerwerk errich- hend als authentisches Zeugnis sei- in der zentralen Achse die 7 Gar- tet, wird der dreiseitig in Nischen ner Zeit. tenterrassen verbindet. Eine beson- und Felder gegliederte Pfeiler von Aufgrund von Straßenverbreite- dere Herausforderung stellte die einem Ziergiebel bekrönt und ent- rungen des 20. Jahrhunderts be- Auffindung der zentralen Figuren- hält ein Tafelgemälde der Hl. Drei- fand sich der Bildstock zuletzt di- gruppe dar: Durch einen Zufalls- faltigkeit. Dieses Wegzeichen doku- rekt neben der Fahrbahn, war wohl fund konnte im Rahmen einer die mentiert die religiös geprägte Kultur in Folge von Straßvenverdichtungs- Skulpturenausstattung von Schloss der ländlichen Bevölkerung im Ba- arbeiten in eine extreme Schrägla- Hof betreffenden Diplomarbeit die rockzeitalter. Auch wenn sein/e Stif- ge gekommen und durch Spritzwas- originale Figurengruppe in Süd- ter/in und die konkrete Ursache für ser und Schneeräumung in seiner deutschland, Schloss Zeil, lokali- die Errichtung heute nicht mehr Putzsubstanz stark geschädigt. Auf siert werden. Mittels Scanverfahren festgestellt werden können, ist der Initiative eines tatkräftigen Maler- wurde die Grundlage für eine Kopie Bildstock ein Zeichen für den Glau- meisters wurde eine durchgreifen- geschaffen. Mit knapp 30 m Seiten- ben der Bevölkerung jener Epoche, de Rettungsaktion gestartet, wobei länge und 370.000 l Wasser gehört die so die oft hereinbrechenden har- die Straßenmeisterei den Bildstock das Becken in Österreich zu den ten Schicksalsschläge im Glauben um etwa 5 Meter versetzt hat. Die größten seiner Zeit, einst geschaffen zu überwinden gesucht hat. Dabei engagierte und professionelle Ak- um 1730 nach Plänen von Lukas v. entsprechen der Typus des Breit- tion hat glücklicherweise keinerlei Hildebrandt. (P.S.) pfeilerbildstockes, dessen Nische Schäden am Originalbestand verur- ein Andachtsbild aufnimmt, und sacht. Der nun in sicherem Abstand Ernegg, Bildstock bei Haus Nr.8 die übrige Gestaltung dem Formen- zur Straße und am Anfang einer vokabular der im 4. Viertel des 17. für das Mostviertel typischen Reihe Der bei einer Wegabzweigung zum Jahrhunderts gebräuchlichen Bau- von alten Birnenbäumen stehende Schloss Ernegg an der Straße Steina- und Dekorationsformen. Seit seiner Bildstock kündigt die am Ende der kirchen-Purgstall stehende Pfeiler- Entstehung blieb der Bildstock von Baumreihe sichtbare Pfarrkirche von bildstock wurde im Türkenjahr Radikalrenovierungen verschont Steinakirchen in eindrucksvoller

53 Weise an. Das unter einem Blech- Die damals im Kirchenboden vor- mit hydraulischer Klebemasse bzw. bild zum Vorschein gekommene gefundenen gotischen Grabsteine Epoxidharz verklebt, mit Calcitmehl und nunmehr restaurierte Tafelbild wurden nach einer Konservierung im Niederdruck-Rotationswirbel- der Sonntagberger Dreifaltigkeit, im Inneren aufgestellt. Nunmehr verfahren gereinigt, mit Restaurier- die rekonstruierte Marmorierung erfolgte eine Restaurierung der Epi- mörtel ausgebessert und dann farb- und das zuvor von Efeuranken ver- taphe, wobei drei aus Adneter Kalk- lich mit Erdfarbpigmenten an den formte, nun gerade gebogene und stein in der Nord- und Westfassade Altbestand angeglichen werden. Die neu vergoldete Aufsatzkreuz werden eingemauert und zwei aus Zogels- Grabsteine aus Zogelsdorfer Kalk- aufgrund des Engagements vieler an dorfer Kalkstein an der Südfassade stein, deren Inschriften und Wap- diesem Projekt beteiligter Personen angestellt waren. Die zwischen 1545 pen wohl durch das Jahrhunderte auch in Zukunft von der kulturellen und 1678 datierten, mit Wappenre- lange Begehen im Kircheninneren Vielfalt der Region Zeugnis ablegen. liefs versehenen Grabplatten wurden bereits stark reduziert sind, ließen (K.B./G.Ž.) aus dem Mauerwerk ausgelöst bzw. sich mit Nylonbürsten und neutra- von der Mauer weg gehoben und ler Invertseife von Algen und Flech- Hollenburg (Krems an der Donau), ins Atelier gebracht. Zuerst begann tenbewuchs reinigen und dann mit Pfarrkirche, Restaurierung von der Restaurator mit der Reinigung einem in der Zusammensetzung Epitaphen der Grabplatten von Mörtelres- und der Farbe genau an den Stein ten und unpassenden Kittmateria- angepassten Mörtel und einer farb- Die Innenrestaurierung der mittelal- lien mit dem Mikrosandstrahl. Die lichen Lasur ausbessern. Durch die terlichen Pfarrkirche in Hollenburg Epitaphe aus Adneter Kalkstein gewissenhafte Restaurierung, u. a. am Südufer der Donau gegenüber konnten dann im Vakuum-Kreis- die nachhaltige Festigungsmethode von Krems liegt einige Jahre zurück. laufverfahren gefestigt, Ausbrüche mit dem Vakuumverfahren, konnten

Ernegg, Bildstock Ernegg, Bildstock vor der Restaurierung (links) nach der Restaurierung (Mitte) Hollenburg, Pfarrkirche, Epitaph

54 die Grabplatten dann an deren bis- dem darunter befindlichen Gna- Mank, Hauptplatz 3, Heimat- herigen Aufstellungsorten im Freien denbild erfuhr es nun eine sorgsa- museum, Fassadenrestaurierung wiederversetzt werden. (F.B.) me Restaurierung. Bei den Arbei- ten an den Gemälden, für die der Das an der Ecke Hauptplatz und Krems an der Donau, Piaristenkir- gesamte Hochaltar eingerüstet wer- Herrenstraße, gegenüber der Pfarr- che, Restaurierung des Hochaltar- den musste, zeigte sich aus nächster kirche liegende ehemalige Pecher- bildes, der Figurenausstattung und Nähe die starke Verschmutzung der Haus wurde vor Jahrzehnten als der Kanzel die vier Evangelisten darstellenden Heimatmuseum adaptiert und da- Hochaltarfiguren. Dies führte zur mals zuletzt umgebaut und saniert. Die prägnant über Krems stehende, Reinigung und Konservierung die- Den markanten zweigeschossigen spätmittelalterliche Piaristenkirche ser Hochaltarfiguren, der vielen wei- Bau kennzeichnet sein städtisches enthält eine außerordentlich reiche teren Figuren im Chorraum und im Formenvokabular im Heimatstil mit barocke Ausstattung. Der Hochaltar Hauptschiff sowie der frühbarocken sparsamen secessionistischen Ele- wurde 1756 nach Plänen von Josef Kanzel. Durch die bemerkenswerten menten. Das klar herausgebilde- Mathias Götz errichtet. Zeitgleich Bemühungen der die Kirche betreu- te Mansarddach und der mit einem entstand das Altarblatt Mariae enden Personen, laufend eingehen- Türmchen akzentuierte Eckerker be- Himmelfahrt von Martin Johann de Spenden von privater Seite sowie ziehen sich bewusst auf seine Positi- Schmidt, dem „Kremser Schmidt“. Förderungen aus Denkmalpflege- on im Ortsbild. Bei der österreichweiten Kampagne mitteln des Bundes, des Landes, der Im Zuge der nun erfolgten Restau- der Konservierung der Gemälde des Stadtgemeinde und der Diözese St. rierung wurden Gesimse und Fens- Malers anlässlich der 200. Wieder- Pölten können in vorbildlicher Wei- terbänke dezent verblecht und die kehr seines Todestages im Jahr 2001 se kontinuierliche Konservierungen überkommene sandfarbene Färbe- war dieses Meisterwerk damals nicht und Restaurierungen vorgenommen lung aufgefrischt. Die dekorativen behandelt worden. Gemeinsam mit werden. (F. B.) Füllungsfelder sind in gebrochenem

Krems an der Donau, Mank, Heimatmuseum Piaristenkirche, Hochaltar

55 Maria Weiß gehalten, der Kacheldekor Enzersdorf, verblieb im originalen Blau. Die Burg Liech- zweiflügeligen originalen Kasten- tenstein fenster mit mehrfach unterteilten Oberlichten wurden tischlermä- ßig repariert und neu gestrichen. (G.Ž.)

Maria Enzersdorf, Burg Liechten- stein, Dachrestaurierung

Die Stammburg der heutigen Fürs- tenfamilie Liechtenstein bei Möd- ling geht zu einem Gutteil auf die Kernanlage des mittleren 12. Jahr- hunderts zurück und stellt in Kon- zeption und handwerklicher Qua- lität ein überregional bedeutendes Baudenkmal des profanen Hoch- mittelalters dar. Im Historismus wurde im Sommer 2009 eine nach- Kapellenturms wurde abgedich- entstand ein romantisch-pittores- haltige Dachrestaurierung durchge- tet und der Dachstuhl konsolidiert. ker Aufbau mit Türmen und Er- führt. Die gefährdeten Turm- und Ein Schwerpunkt lag auf der kom- kern. Nach statischen Problemen Erkerzonen erhielten eine versteck- plexen Dachdeckung. So wurde das und mehrfachem Wassereintritt te Armierung, der Steinaufsatz des stark verwitterte Hauptdach mit vorpatinierten Ziegeln erneuert, am Bergfried kamen eigens gegossene Mönch-Nonnen-Formate in meh- reren Farben zur Ausführung, die angedrahtet und in ein armiertes Mörtelbett gelegt sind. Somit wur- de gewährleistet, dass die Burg wie- der für die nächsten Generationen geschützt ist, jedoch ihr berühmtes ehrwürdiges Erscheinungsbild ge- wahrt bleibt. (P.S.)

Melk, Linzerstraße 3 und 5, ehem. Poststation

Josef Freiherr von Fürnberg gab 1792 dem Wiener Baumeister Franz Wipplinger den Auftrag zum Bau

Melk, ehem. Poststation, Detail

56 einer repräsentativen Poststation. durch Kalkputzplomben ersetzt. Die Sie markiert stilistisch den Über- abschließende Kalkfarbe wurde in gang vom Spätbarock zum Frühklas- sechs bis sieben dünnen Anstrichen sizismus. Eingelassene Stuckrelief- aufgetragen. Der originale Farbton tafeln, die inhaltlich zur Poststation der Fenster konnte anhand verdeck- Bezug nehmen, zieren die Fassa- ter Spuren rückgeführt werden. Die den. In den Medaillons sind alte gut erhaltene Ölvergoldung musste Postmeister, unter ihnen vermut- nur trocken gereinigt werden. lich auch das Porträt des Bauherrn Das erfreuliche Ergebnis zeugt von selbst, sowie Merkur als Nachrich- handwerklichem Können und wird tenüberbringer dargestellt. Über der Bedeutung des alten Posthauses dem Merkur sind Sinnbilder für das gerecht. (G.Ž.) Post- und Kriegswesen der Römer angebracht, die an der Donau die Ottenschlag, Pfarrkirche zum hl. erste Nachrichtenübermittlung or- Jakobus d. Ä., Außenfärbelung ganisiert haben. Auch bäuerliches Gerät und Abzeichen der Postrei- Die Pfarrkirche von Ottenschlag ter, wie Sattelzeug, Kuriertasche und findet 1490 ihre erste urkundliche Reitstiefel sind dargestellt. Diese Erwähnung. 1696 erfolgte der Aus- Kombination soll auf die Erschlie- bau des Langhauses. Das für die Ottenschlag, Pfarrkirche zum hl. Jakobus d. Ä. ßung der Gegend durch das Fürn- Pfarrkirche in Ottenschlag so cha- bergsche Postwesen anspielen. rakteristische Schopfwalmdach mit Seit annähernd 50 Jahren ist im Gaupen sowie der Putzdekor mit Schallaburg, Schloss, Kleiner Arkadenhof Untergeschoss das Melker Stadt- Rundbögen und Quaderung an museum eingerichtet. Zuletzt wur- Ecken und Strebepfeilern datiert den die Fassaden im Jahr 1998 re- in die Jahre 1908 bis 1911. An der stauriert. Dennoch haben Schäden nordöstlichen Gebäudekante wurde eine neuerliche Intervention not- die Figur des hl. Johannes Nepomuk wendig gemacht. Das restauratori- – eine Schenkung der Stadt Wien sche Ziel war die Konservierung des – positioniert und mit einem Holz- überkommenen Zustandes, wobei schindeldach bekrönt. man sich bei der Färbelung am An- Die Außenfärbelung der Pfarrkirche strichsystem und der Farbgebung orientierte sich in Anstrichsystem des vorgefundenen Bestandes ori- und Farbgebung am vorgefundenen entierte. Sämtliche Arbeiten wur- Bestand mit silikatischem Anstrich den vom stadteigenen Bauhof unter und stellte lediglich eine Auffri- fachlicher Anleitung eines Restau- schung der überlieferten Färbelung rators vorgenommen. Der überaus dar. (P.W.) engagierte Einsatz der gemeindeei- genen Arbeiter hat zu einer nach- Schallaburg, Schloss weislichen Verbesserung in der Sub- stanz und Erscheinung beigetragen. Im Zuge der Ausstellungserwei- Sämtliche ältere Putz- und Spach- terung auf die Bereiche der mit- telplomben, die nicht in Kalktech- telalterlichen Burganlage waren nik ausgeführt waren, wurden nun teils erhebliche Eingriffe in die

57 Denkmalsubstanz vorzunehmen. und offene oder sandende Fugen Zwecks seriöser Dokumentation repariert. Im Vorfeld dieser Maß- der Maßnahmen wurde als Vorbe- nahmen konnten durch die archäo- reitung des Umbaus eine bauhis- logische Grabung im Kapellenhof torische Befundung und während maßgebliche Erkenntnisse zur Bau- der Arbeiten eine Baubegleitung geschichte der Burg gewonnen wer- durch Bauforscher durchgeführt. So den. Dem zeitgemäßen Ausstel- konnte sichergestellt werden, dass lungsstandard entsprechend erfolgte Durchbrüche und bauliche Verän- im Zuge der Adaptierungsarbeiten derungen nicht in sensiblen Berei- auch eine klare Trennung der beste- chen erfolgten. Etwa an der für den henden Architektur von der Aus- Ausstellungsrundgang erforderli- stellungsarchitektur. Dazu wird die chen Südwand der Burgkapelle, wo historische Raumhülle, das ist das in Folge nachweisbarer Umbauten Mauerwerk und seine Architek- aus der Zeit der Romanik, der Go- turoberfläche, nicht mehr Teil der tik, des Barock und des 19. Jahr- ständig wechselnden Ausstellungs- ausgestattet, jedoch nicht mehr an- hunderts eine Stelle für die neu zu einrichtung und -farbe sein. Sen- lässlich jeder Ausstellung neu ausge- schaffende Tür gefunden und fest- sible Bereiche wie die Kapelle, die malt werden. (G.Ž.) gelegt wurde. Während in den meis- ehemalige Schatzkammer, aber auch ten anderen Bereichen eine Kon- Räume der frühen Neuzeit, die zwi- Wieselburg, Bartensteinkapelle servierung der ältesten Bauetappe schen die romanische Beringmau- aus dem 12. Jahrhundert erfolgte, er und Wohnburg eingebaut wur- Die Ende des 17., Anfang des 18. wurden an der Kapellensüdwand le- den, werden daher künftighin mit Jahrhunderts errichtete und im letz- diglich grobe Baumängel behoben Vitrinen und Ausstellungsstücken ten Viertel des 19. Jahrhunderts umgebaute und erweiterte Brau- erei war zuletzt in so schlechtem Zustand, dass sie vor einigen Jah- ren abgebrochen und durch das neue Einkaufszentrum ersetzt wur- de. Einzig die neugotische Kapel- le in diesem Areal wurde damals unter Denkmalschutz gestellt und blieb erhalten. Aufsteigende Feuch- te hat an der Kapelle Schäden ver- ursacht, die saniert werden mussten.

Schallaburg, Schloss, Zwischentrakt- Wappenbild nach Freilegung und Restaurierung (oben)

Schallaburg, Schloss, Kapellenhof während der archäologischen Grabung (links)

58 Ergänzungen des Sockelbereichs Altar in seiner ursprünglichen Form Hinweis zur Restaurierung des und einiger Stupfquader wurden in wieder hergestellt, indem die Ma- Carolusdenkmals am Semmering Kalk-Trassmörtel ausgeführt, die donnenstatue mit Kind, die durch Färbelung analog dem Vorzustand radikale „Freilegung“ ihre Farb- Im Band 40 dieser Broschürenrei- in Silikatfarbe, jedoch dem Stil der fassung verloren hatte, neu gefasst he haben wir über oben genann- Zeit entsprechend sandfarben ein- wurde. Einzig die Rekonstrukti- tes Projekt berichtet. Dr. Günter färbig und nicht wie zuletzt in baro- on der Innenausmalung gemäß der Schusta weist auf den Umstand hin, cker Manier. Analog der gewissen- Jahrhundertwende hätte ein noch dass nicht die innerösterreichischen haften Reparatur und Farbfassung authentischeres Ergebnis zur Folge Stände („ interior“), sondern der neugotischen Tür erfolgte auch gehabt, musste jedoch mangels aus- jene aus „Austria inferior“ und da- die Behandlung der zeitgleichen reichender Befunde unterbleiben. her die niederösterreichischen Stän- Verglasung. Im Inneren wurde der (G.Ž.) de 1728 den Auftrag für die Errich- tung des Monuments gaben.

Wieselburg, Bartensteinkapelle (rechts)

Wieselburg, Bartensteinkapelle, Altar, Madonnenstatue (unten)

59 Buchbesprechung

Kurt Farasin

Im Sinne größtmöglicher Authentizi- Baumkronen. Beim Blättern durch tät kamen bei der Restaurierung – wo das Kapitel über den weitläufigen immer dies machbar und zweckmä- Meierhof des Schlosses entfaltet sich ßig erschien – ausschließlich sol- schließlich ein nachgerade idealty- che Materialien und Handwerkstech- pisches ländliches Idyll. Hier lust- niken zum Einsatz, die auch in der wandelt man durch Obst-, Gemüse-, Barockzeit Verwendung gefunden Nasch- und Kräutergärten, entdeckt hatten. Das eindrucksvolle Ergebnis in den Beeten des Weinviertler Gar- dieser Bemühungen hat der mit zahl- tens allerlei selten gewordene kulina- reichen internationalen Preisen aus- rische Preziosen und begegnet in den gezeichnete Fotograf Lois Lammer- Stallungen und auf den Weiden zahl- huber in einem prächtigen, mehr als reichen liebenswerten und exotischen 250 Seiten starken Buch festgehal- Vierbeinern. Nach der Lektüre weiß ten. Seine Bilder und die begleiten- man zum Beispiel, wie viele Tonnen Das kaiserliche Festschloss Hof den Texte entführen den Leser auf Blütenblätter von der Damaszener- eine reizvolle virtuelle Reise durch die rose für einen einzigen Liter Rosenöl Lois Lammerhuber, Rudolf Novak 2007, Eigenverlag, 256 Seiten große Vergangenheit und die höchst von Nöten sind, was das Habsbur- ISBN 978-3-200-01102-1 vitale Gegenwart des Ensembles. Sie gische Kaiserhaus mit Weißen Eseln Verkaufspreis: € 34,50 (erhältlich im Buchhandel und in Schloss Hof) gewähren Einblick in die original aus- verband und woher die Reisetomate gestatteten Appartements der einsti- ihren Namen hat. gen Besitzer Prinz Eugen und Maria Theresia, führen in einen der impo- Informationen im Internet unter: Es war und ist noch immer eines der santesten frühklassizistischen Fest- www.schlosshof.at ambitioniertesten Kulturprojekte in säle des Landes und in die kuppel- der Geschichte der Zweiten Republik: überspannte barocke Schlosskapelle, In mehrjähriger, aufwendiger Sanie- in der 1766 eine der glücklichsten rungsarbeit wurde Österreichs größte Ehen in der habsburgischen Famili- Schlossanlage auf dem Lande am engeschichte geschlossen wurde. Im Beginn unseres Jahrtausends dem dro- Garten, dessen Schönheit und Raffi- henden Verfall entrissen und so detail- nesse einst in ganz Europa Bewunde- getreu wie irgend möglich wieder rung erregte, hat Lammerhuber die in das ursprüngliche Erscheinungs- überbordende Pracht der kunstvol- bild versetzt. Mit Hilfe alter Pläne, len Broderiebeete und der großzügi- archäologischer Befunde, umfängli- gen Plâte-bandes ebenso souverän mit cher Archivrecherchen und dreier von seiner Kamera eingefangen wie den Bernardo Bellotto im Auftrag Maria kostbaren Skulpturenschmuck und Theresias geschaffener Veduten erhielt die mächtigen Brunnenanlagen, die das barocke Gesamtkunstwerk Schloss romantischen Bosketten und die Lin- Hof seinen einstigen Glanz und seine den- und Kastanien-Alleen mit ihren alte Würde zurück. typisch barocken bienenkorbförmigen

60 Buchempfehlung

Welche Stimmung kann zeitgenös- „Wolkenturm“ in Grafenegg von the sische Architektur erzeugen? Welche next enterprise. Anforderungen werden an Kultur- Stimmungsvolle Fotografien von bauten gestellt? Wie gehen Architek- Bruno Klomfar zeigen die Kultur- ten mit den speziellen Anforderun- bauten in ihrer Funktion und leben- gen der Nutzung um? „Bau(t)en für digen Nutzung. In Interviews geben die Künste“ bietet einen ansehnli- die Architekten Einblicke in ihre chen Überblick über die eindrucks- speziellen Zugänge zu den gestell- vollen Bauten für Kunst und Kul- ten Anforderungen. Ein historischer tur in Niederösterreich der letzten Rückblick sowie ein umfassendes 20 Jahre. Verzeichnis der vorgestellten Kultur- Neben vielen kleinen werden vor bauten runden das Werk ab. allem überregional wirksame Kultur- bauten präsentiert: das Festspielhaus Bau[t]en für die Künste St. Pölten von Klaus Kada, das Nie- – Building[s] for the Arts derösterreichische Landesmuseum von Hans Hollein, die Kunsthalle Fritz Grassegger, Alexandre P. Tischer Herausgegeben von Amt der NÖ Landesregierung Krems von Adolf Krischanitz, das 2009, Springer Wien, 288 Seiten Karikaturmuseum Krems von ISBN 978-3-211-99147-3 Gustav Peichl und die Freiluftarena Verkaufspreis: € 29,95

Ausgewählte Fachliteratur zum Thema „Friedhof und Denkmal“ Ariès Philipp, Geschichte des Todes, Großes LEXIKON der Bestattungs- Memento Mori (Beinhäuser, Karner): dtv wissenschaft 4407, München 1982 und Friedhofskultur. Wörterbuch zur http://bks.tugraz.at/~neuwirth/ Sepulkralkultur. Hrsg.: Zentralinstitut neuweb/weblehr/webseiten/ Ariès Philipp, Bilder zur Geschichte für Sepulkralkultur Kassel, Bd. 1 und karner_einleitung.pdf des Todes, München-Wien 1984 2, Braunschweig 2002 und 2005 Bilderdatenbank mit jüdischen Gälzer Ralph, Alte Dorfkirchhöfe in Panofsky Erwin, Grabplastik – Vier Grabsteinen: Österreich: Zeugen unserer Kultur Vorlesungen über ihren Bedeutungs- www.grave-pictures.at/bilderforum – Wege zu ihrer Erhaltung, Gaaden wandel von Alt-Ägypten bis Bernini. bei Wien 2003 Hrsg. von Horst W. Janson, Köln 1964

Gälzer Ralph und Ilona, Gärten des Steines Patricia, Lohrmann Klaus Friedens. Ländliche Kirchhöfe und und Forisch Elke, Jüdische Friedhöfe Friedhöfe in Niederösterreich, in Wien, Niederösterreich und Bur- Gaaden bei Wien 2006 genland, Hrsg.: Club Niederösterreich, Wien 1992 Kitlitschka Werner, Grabkult & Grab- skulptur in Wien und Niederösterreich. Westerhoff Wolfgang, Karner in Ös- Fotos von Ingeborg Kitlitschka-Strem- terreich und Südtirol, St. Pölten-Wien pel, St. Pölten-Wien 1987 1989

61 Bestattungsmuseum Wien

Das Bestattungsmuseum Wien der Bestattung Wien wurde im Jahre 1967 gegründet und 1987 neu kon- zipiert. Mit 1000 Objekten bietet es einen weltweit einzigartigen Gesamt- überblick über Totenkult und Bestat- tungsrituale, die Bundeshauptstadt Wien bildet dabei den Schwerpunkt. Die Thematik Sterben und Tod wird anhand der gezeigten Exponate in pietätvoller Weise als kulturelle Dreh- scheibe des Vergänglichen präsentiert und ein nachvollziehbarer Übergang Informationen: Goldeggasse 19 zum heutigen Totenkult geschaffen. 1040 Wien Telefon: 0043 1 501 95-0 Email: [email protected] Internet: www.bestattungsmuseum.at

Museum für Sepulkralkultur

Tod und Sterben, Bestatten und Erin- nern, das sind die zentralen Themen, mit denen sich das in Deutschland einzigartige Museum für Sepulkral- kultur in Kassel beschäftigt. Es kon- zentriert sich in einer ständigen Sammlung auf die Realien des Toten- brauchtums und des Totengeden- kens im deutschsprachigen Raum. Gegenstand der Darstellungen sind dabei die kulturellen Hintergründe und Ausprägungen des Todes aller Art Stiftung Zentralinstitut und sowie zeitgenössische Auseinanderset- Museum für Sepulkralkultur zungen, Entwicklungen und Tenden- Informationen: zen. In den zahlreichen Sonderausstel- Weinbergstraße 25-27 lungen werden jeweils Detailaspekte D-34117 Kassel Telefon: 0049 (0) 561 91893 0 der Sepulkralkultur beleuchtet. Telefax: 0049 (0) 561 91893 10 E-Mail: [email protected] Internet: www.sepulkralmuseum.de

Anhänger in Sargform, Deutschland nach 1661

62 Bisher sind erschienen: Nachbestellung, Bezug Band 1 Stift Dürnstein * Wenn Sie die Broschüre der Reihe „Denkmalpflege in Niederösterreich“ 2 Kleindenkmäler * noch nicht regelmäßig erhalten haben und die kostenlose Zusendung 3 Wachau * wünschen, senden Sie uns bitte die Antwortkarte ausgefüllt zu. 4 Industriedenkmäler * Verwenden Sie bitte die Antwortkarte auch für allfällige Mitteilungen, 5 Gärten * Anregungen und Adressänderungen. Schreiben Sie bitte an: 6 Handwerk * Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten 7 Rückblicke – Ausblicke oder senden Sie uns ein E-Mail an [email protected] 8 Sommerfrische * bzw. senden Sie uns ein Fax unter 02742/9005-13029 9 Denkmal im Ortsbild * 10 Verkehrsbauten * Hinweis 11 Elementares und Anonymes * Vergriffene Broschüren können im Internet heruntergeladen werden 12 Burgen und Ruinen * unter: http://kultur.noe.at/denkmalbroschuere 13 Kulturstraßen * Auf Wunsch können Ihnen alle verfügbaren Broschüren zugeschickt 14 Zur Restaurierung 1. Teil * werden. 15 50 Jahre danach 16 Zur Restaurierung 2. Teil * 17 10 Jahre Denkmalpflege in Niederösterreich 18 Zur Restaurierung 3. Teil * 19 Umbauten, Zubauten *

20 Leben im Denkmal Bitte frankieren 21 Speicher, Schüttkästen * ausreichend 22 Der Wienerwald * 23 Die Via Sacra * 24 Blick über die Grenzen 25 Die Bucklige Welt 26 Die Wachau, UNESCO Weltkultur- und Naturerbe 27 Südliches Waldviertel 28 Most- und Eisenstraße 29 Semmering UNESCO Weltkulturerbe An Herrn Landeshauptmann Erwin Pröll Dr. Landhausplatz 1 Polten 3109 St. 30 St. Pölten, Landeshauptstadt und Zentralraum 31 Waldviertel 32 Archäologie 33 Weinviertel 34 Gemälde 35 Holz 36 Menschen und Denkmale 37 Stein 38 Wallfahren 39 Lehm und Ziegel 40 Klangdenkmale – Orgeln und Glocken 41 Glas – Baustoff und Kunstwerk Die mit * versehenen Titel sind bereits vergriffen. Kein Nachdruck vorgesehen! Ich habe die Broschüre „Denkmalpflege „Denkmalpflege habe die Broschüre Ich noch nicht erhalten in Niederösterreich“ kostenlos und möchte diese in Zukunft zugesandt Verpflichtung und ohne jede bekommen. Absender bitte in Blockbuchstaben Telefon

63 Spenden Autoren von Band 42 Impressum Gelegentlich erhalten wir eine Nachricht Dipl.Ing. Dr. Alfred R. Benesch Herausgeber und Verleger über die Bereitschaft zu einer Zahlung für Melk, Büro land.schafft © Amt der NÖ Landesregierung die Denkmalpflegebroschüre. Abteilung Kultur und Wissenschaft Dir. Kurt Farasin Hierzu dürfen wir festellen, dass die Leiter: HR Dr. Joachim Rössl Marchfeldschlösser Revitalisierungs- und Broschüre weiterhin kostenlos erhältlich ist. Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten Betriebsges.m.b.H. Spenden zur Erhaltung bedeutender Broschürenbestellung Denkmäler sind jedoch sehr willkommen, Mag. Peter Fritz [email protected] beispielsweise für: Graz, Ludwig Boltzmann-Institut für Tel. 02742/9005-13093 Kriegsfolgen-Forschung Karner in Pulkau Fax. 02742/9005-13029 Förderverein zur Renovierung des Karners Mag. Friedrich Grassegger Redaktionskomitée und der Sankt Michaels Kirche Amt der NÖ Landesregierung, Edith Bilek-Czerny Weinviertler Sparkasse stellv. Leiter der Abt. Kultur und Hermann Dikowitsch BLZ 20220, Konto-Nr.: 19 0000 66 00 Wissenschaft Friedrich Grassegger Jüdischer Friedhof Klosterneuburg Mag. Martin Grüneis Martin Grüneis Komitee zur Erhaltung des jüdischen Amt der NÖ Landesregierung, Margit Kohlert Friedhofs Klosterneuburg Abt. Kultur und Wissenschaft Andreas Lebschik Raiffeisenbank Klosterneuburg Gerhard Lindner Univ.lekt. Mag. art Christian Gurtner BLZ 32367, Konto-Nr.: 34694 Renate Madritsch Wien, Atelier Gurtner Verwendungszweck „Gräber“ Christine Pennerstorfer Mag. Franz Humer Patrick Schicht Archäologische Kulturpark Niederösterreich Alexandre Pierre Tischer Betriebsgesellschaft m.b.H. Abbildungsnachweise Koordination Univ.-Doz. Dr. Werner Kitlitschka Edith Bilek-Czerny Titelbild Klosterneuburg Gerhard Lindner Großes Bild : Friedhof Payerbach an der Rax HR Mag. Ing. Margit Kohlert Lektorat (Foto: A. Lebschik) Bundesdenkmalamt, Else Rieger, Wien Kleines Bild: Nova Bystrice (Foto: A. Landeskonservatorat für NÖ Lebschik) Layout Bild Rückseite: Niederhollabrunn (Foto: NÖ HR Dr. Ernst Lauermann David Peters, Wien Archäologische Kulturpark Niederösterreich Museum für Urgeschichte Asparn/Zaya) Hersteller Betriebsgesellschaft m.b.H. Innenteil Druckerei Sandler, Marbach BDA, Fotoarchiv: 23-25, 43, 52-59; HR Mag. Andreas Lebschik Linie S. Fembek: S. 6-10; Heldenberg: S. 11 (Foto: Amt der NÖ Landesregierung, Informationen über denkmalpflegerische J. Stefan); Österreichische Akademie der Abt. Kultur und Wissenschaft Vorhaben im Land Niederösterreich, Wissenschaften: S. 12; NÖ Museum für Mag. Natascha Müllauer in Zusammenarbeit mit dem Bundes- Urgeschichte Asparn/Zaya: S. 13-17; APC, Wien, Archäologie und Kulturmanagement denkmalamt, Landeskonservatorat für Bad Deutsch-Altenburg (Graphik: digital- Niederösterreich. Namentlich gezeichnete graphics & 7reasons, Wien): S. 18; APC, Mag. kand. Martin Pliessnig Beiträge müssen nicht unbedingt die Bad Deutsch Altenburg: S. 19-22; T. Walzer: Klosterneuburg Meinung der Redaktion bzw. des S. 26-28; A. R. Benesch (Büro land.schafft ©): Dr. Otmar Rychlik Herausgebers darstellen. S. 30-33 (oben), 34 (rechts); Stadtarchiv Retz: Bad Vöslau S. 33 (unten), 34 (oben); Franziskanerkloster St. Pölten, Oktober 2009 Güssing: S. 36 (unten); J. Wagner: S. 36 Dipl.Ing. DDr. Patrick Schicht (oben); Imareal Krems (Foto: P. Böttcher): Bundesdenkmalamt, S. 37 (oben); Österr. Schwarzes Kreuz/ Landeskonservatorat für NÖ Kriegsgräberfürsorge: Mag. Alexandre P. Tischer S. 38, 39; Chr. Gurtner: S. 40, 41; Stift Amt der NÖ Landesregierung, Heiligenkreuz: S. 42; O. Rychlik: S. 45-47; Abt. Kultur und Wissenschaft NLK (Foto: Pfeifer): S. 49; A. Lebschik: S. 50, 51; Bestattung Wien GmbH.: S. 62; AFD, Mag. Tina Walzer Museum für Sepulkralkultur: S. 62 Wien, Historikerin

Informationen zu den NÖ Museen im Internet unter: www.noemuseen.at

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Denkmalpflege in Niederösterreich Friedhof und Denkmal und Denkmal Friedhof

Mitteilungen aus Niederösterreich Nr. 5/2009 P.b.b.-Verlagspostamt 3100 St. Pölten Zulassungsnummer 02Z032683M Aufgabepostamt 3109 St. Pölten

Band 42

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