SATHYA SAI BABA DER WELT-AVATAR

Ansprachen von 2002 Verlagshinweis:

Die Herausgabe dieses Buches wird durch den Rosenkreis-Verlag und seine Freunde ermöglicht.

Übersetzungen aus dem Englischen erfolgten durch Sai-Devotees.

1. Auflage 2006, Rosenkreis-Verlag, Reinertstr. 6, 4515 Oberdorf, Schweiz Website: http://www.rosenkreis.ch

Printed by KCC, Reinertstrasse 6, CH-4515 Oberdorf, Schweiz

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort ...... 7 14. Januar - Lebt im göttlichen Bewusstsein ...... 9 19. Januar - Entzündet das Licht der Moral in euren Herzen ...... 21 24. Februar - Heiligt euer Leben durch das Singen des Namens Gottes . 31 12. März - Shivaratri, abends - Idole sind Wegweiser zur Göttlichkeit. . . . 41 13. März - Shivaratri, morgens - Realisiert die innere Magnetkraft ...... 51 13. April - Feiert Ugadi durch Reinigung des Herzens...... 63 14. April - Erlöst eurer Leben durch das Singen des Namens Gottes . . . . 73 21. April - Verankert Ramas Namen in euren Herzen ...... 85 6. Mai - Die Mutter ist euer erster Gott...... 89 16. Mai - Der Körper ist vergänglich ...... 105 17. Mai - Harmonie und Schönheit des Ramayana ...... 119 18. Mai - Das Ramayana - Ein Ideal für jede Familie ...... 129 24. Mai - Das Göttliche Selbst - Das höchste und wirkliche Selbst . . . . . 145 26. Mai - Sinnenkontrolle ist die höchste spirituelle Disziplin...... 155 21. Juli - Verwirklicht Göttlichkeit durch selbstloses Dienen ...... 165 22. Juli - Beschränkt die Wünsche und erreicht Nähe zur Göttlichkeit . . 173 23. Juli - Spiritualität ist das erste Ziel ...... 185 23. Juli - Gurupurnima - Entwickelt Weitherzigkeit und erfahrt Göttlichkeit ...... 195 21. August - Das Ich ist - Gott ...... 205 31. August - Göttliche Spiele reflektieren die Heiligkeit der Avatare . . . . 215 10. September - Die Bedeutung der Verehrung von Ganesha (Vinayaka, Ganapati oder Gananatha) ...... 229 9. Oktober - Gott wohnt in euren Herzen ...... 239 10. Oktober - Der Friede liegt in euch ...... 249 11. Oktober - Die Allgegenwart Gottes ...... 259 12. Oktober - Die Einheit in der Vielfalt ...... 269 14. Oktober - Das ganze Universum basiert auf Dienen ...... 283 20. Oktober - Jahrestag der Verkündung der Avatarschaft ...... 295 4. November - Einheit in der Vielfalt ist die fundamentale Wahrheit . . . 305 19. November - Tag der Frau ...... 315 20. November - Charakter, das Ende der Erziehung...... 325 22. November - Universitätsversammlung...... 335 23. November - Hört auf den Meister des Universums und transformiert euch selbst in ideale Menschen ...... 349 25. Dezember - Liebe und Moral - das Gebot der Stunde ...... 363

Anhang: Die Körperhüllen ...... 375

Glossar, in dem alle, beim ersten Erscheinen kursiv geschriebenen Wörter und Namen nach dem spirituellen Wörterbuch von Martin Mitwede (ISBN 3- 932957-02-4) näher erklärt sind...... 377

Vorwort

Feste bei Sathya Sai Baba

Wer das Glück hat, bei einem der Feste im Ashram Sathya Sai Babas dabei zu sein, wird bestätigen, dass es jedesmal ein ganz besonderes Fest ist. Da wird gesungen, musiziert, Theater gespielt, sakrale Tänze werden vorgeführt, Ansprachen werden gehalten und als Krönung des Festes gibt es meistens eine Ansprache von Sathya Sai Baba selbst. In diesen Ansprachen vermittelt er uns seine Lehre, erklärt den inneren Sinn der Feste und Rituale, welche Anlass des Festes sind und be- schliesst das Fest durch das gemeinsame Singen eines Lobliedes mit den Devotees. Alle Frauen sind farbenfroh und wunderschön gekleidet, die Männern erscheinen in Weiss. Die Frauen sitzen auf einer Seite des Raums, die Männer auf der anderen. Dadurch, dass alle auf dem Boden sitzen, fasst “die Festhütte Gottes” viele tausend Gäste. Oft erhalten die Devotees zum Abschluss auch noch ein Prasad, eine heilige kleine Speise, oder bei grossen Festen sogar ein einfaches ganzes Essen. Er gibt uns ein Beispiel dafür, wie man ein grosses Fest bescheiden gestalten und dafür viele Tausend Gäste empfangen kann.

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14. Januar

Lebt im göttlichen Bewusstsein

Die Sonne erscheint heiter und friedvoll, die Tage werden kürzer und der kalte Wind weht ungestüm. Die goldene Ernte ist auf den Feldern herangereift. Die Bauern singen voller Freude, und die Blütenknospen erblühen an den Ufern der Flüsse gleich Girlanden. Das süsse Sankrantifest ist gekommen und füllt unsere Häuser mit dem frisch geernteten Getreide. (Gedicht in Telugu)

Wenn die Menschen Hass und Gewalt aufgeben, sich mit Empfindungen der Liebe füllen und die Weisheit erlangen, die einen die Einheit der Menschheit erkennen lässt, dann wird die Erde wahrhaft zum Himmel werden. (Gedicht in Telugu)

Verkörperungen der Liebe, Jungen und Mädchen! Während der ver- gangenen vier Tage sah Prashanti Nilayam wie eine einzigartige Welt aus. Die Studenten der Universitäten Prashanti Nilayam, Anantapur und Brindavan und die Schüler der Oberschule und Grundschule ar- beiteten hart, mit Ergebung und Hingabe, und bewiesen auf allen Ebe- nen ihre Fähigkeiten. Nicht nur die Schüler und Studenten, sondern auch die Lehrer, junge wie alte, gaben den Schülern und Studenten bei der Vorbereitung jede mögliche Hilfe. Wahrhaft gesprochen können diese Prinzipien der Liebe, Einheit, Hingabe und Ergebung in keiner anderen Institution der Welt gefunden werden. Wenn es überall solche Institutionen gibt, wird die Welt aller Probleme ledig sein.

Die Schüler und Studenten, Jungen wie Mädchen, zeigten erstaunliche Vorführungen voller Fähigkeit und Schönheit. Zusätzlich zum akade- mischen Bereich haben die Schüler und Studenten in verschiedenen anderen Bereichen ihre Talente gezeigt. Bewusstheit ist Leben. Unsere Schüler und Studenten haben sich nicht nur in Sport und Spiel hervor- getan, sondern haben auch mit der Musikkapelle und Nadasvaram (ei-

9 ne Musikgruppe, die lange hornartige Blasinstrumente spielt) alle er- freut. Die Löwentanzgruppe bestand sowohl aus Jungen von unteren Klassen, als auch aus Studenten nach dem ersten Studienabschluss. Sie vollbrachten ihre Vorführungen mit grossem Enthusiasmus und Perfektion und machten jeden glücklich. Die Mädchen der Anantapur- Universität haben mit Experten geübt und Nadasvaram erlernt. Sie wer- den vor allem, an Festtagen wie Swamis Geburtstag und der Zusam- menkunft der Universitäten spielen. Auch heute Morgen konntet ihr sie spielen hören. Sie haben an den Sport-, Musik- und Kulturvorstellun- gen, nicht um ihrer eigenen Zufriedenheit willen teilgenommen, son- dern in der alleinigen Absicht, Swami zu erfreuen. Sie gingen mit starker Entschlusskraft durch viele Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten und waren erfolgreich.

Ihr habt soeben die Rede des Studenten von Darjeeling gehört. Er ist Mitglied der Löwentanzgruppe. Während einer Probe kletterte er zwölf Fuss hoch, um ein wagemutiges Kunststück vorzuführen. Swami warn- te ihn, nicht so hoch zu klettern, aber in seinem Enthusiasmus, Swami zu erfreuen, ignorierte er Swamis Worte. Er verlor sein Gleichgewicht und fiel runter. Sein Hals hatte eine Beule. Ich wies ihn daraufhin an, ein paar Tage auszuruhen. Er erwiderte: „Swami, ich bin den weiten Weg von Darjeeling nur dafür hierher gekommen, um mich deinen Füs- sen zu ergeben. Was immer meinem Körper geschieht, ich werde mei- nen Entschluss nicht aufgeben.“ Er war entschlossen, am Löwentanz teilzunehmen. Ich freute mich über sein starkes Vertrauen und seine grosse Entschiedenheit. Ich berührte seinen Nacken sanft mit meiner Hand und sagte ihm, alles wäre in Ordnung. Er wurde völlig geheilt. Ich reagiere auf jeden von euch entsprechend der Gefühle, die ihr mir ge- genüber hegt. Mein Wille gründet sich auf eure Empfindungen. Der Jun- ge zeigte sich schliesslich der Lage gewachsen und vollführte ein be- wundernswertes Kunststück.

Ihr könnt heute viele Menschen, junge wie alte finden, die mittels ihrer starken Entschlossenheit gewaltige Aufgaben vollbringen. Aber es ge- lang bisher niemandem, das Geheimnis von Geist und Materie zu ent- hüllen. Alle Aktivitäten, welche die Menschen von morgens bis abends ausführen, stehen mit diesen beiden in Verbindung. Nicht einmal hoch- gebildete Menschen versuchen, dieses Geheimnis zu verstehen. Wenn man sie fragt, was Geist ist, antworten sie: „es ist egal“ und ar- gumentieren, es sei nutzlos zu versuchen, das Wesen des Geistes zu verstehen. Wenn man sie fragt, was Materie sei, erwidern sie: „Küm-

10 mere dich nicht darum!“ Der Mensch sollte zuerst die zwischen Geist und Materie bestehende Beziehung verstehen. Wer das Wesen des Geistes nicht kennt, verdient die Bezeichnung „Dummkopf“. Wer das Wesen des Geistes erfasst, ist wahrhaft erhaben. Welche Form hat der Geist? Wo ist sein Ursprung? Wie ist sein Wesen? Welches Geheimnis befindet sich dahinter? In dieser Weise sollte man nachforschen.

Mit Atman, dem Göttlichen Selbst, sind drei Kräfte verbunden:

1. Manas, der Geist mit seinen Gedanken und Empfindungen.

2. Buddhi, Unterscheidungskraft, Intellekt, höhere Intuition.

3. Samskara, die Eindrücke und Tendenzen des Geistes, die aus früheren Leben entstanden sind; Samskara bedeutet aber auch Erziehung, Verfeinerung, Fähigkeit, Neigungen.

Als erstes der Geist. Die Weite des Geistes ist unbeschreiblich. Er kann im Nu jegliche Entfernungen zurücklegen. Seine Kraft ist unbeschreib- lich und jenseits des menschlichen Fassungsvermögens. Ohne die Kraft des Geistes kann man keine Aufgabe vollbringen. Der Geist hat keine Form. Er funktioniert allein mit Hilfe der atmischen Kraft. Dem- zufolge ist es das innewohnende Göttliche Selbst, das durch den Geist wirkt und so alle Aktivitäten in der Welt vollbringt. Auch wenn man sich Zeitalter lang bemüht - es reicht nicht aus, um das Wesen des Geistes zu erfassen.

Als zweites die Kraft des Intellekts und der Unterscheidungskraft (bud- ). Sie ist voller Licht und unterscheidet zwischen Gut und Böse, ohne Raum für Selbstsucht zu lassen.

Als drittes die Kraft von Samskara. Die Ergebnisse von Samskara wer- den nicht nur in diesem, sondern auch in künftigen Leben erfahren. Samskara, im Sinne von Verfeinerung, Erziehung, besteht darin, Schlechtes aufzugeben und in Gedanke, Wort und Tat das Gute zu kul- tivieren. Weil kein Buch detailliert die Kräfte von Geist, höherer Unter- scheidungskraft und Samskara beschreiben kann, habe ich mich ent- schlossen, den Schülern und Studenten diese drei zu erläutern.

11 Versucht als erstes die Beziehung zwischen Geist und Materie zu ver- stehen. Das Eine kann ohne das Andere nicht existieren. Hier ist eine Rose, die zum Bereich der Materie gehört, aber ohne Geist könnt ihr diese Rose nicht sehen. Der Geist basiert auf den Prinzipien der Re- aktion, des Widerhalls und der Widerspiegelung. Derjenige ist ein wahrer Mensch, der das Wesen des Geistes und seine Wirkung erkennt. Ihr glaubt, der Geist sei eine Ansammlung von Ge- danken. Woher kommen dann die Gedanken? Das Göttliche Selbst (At- man) ist die Grundlage der Gedanken. Sie gehen aus Bewusstheit (cai- tanya) hervor. Jeder besitzt Weisheit (vijnana), aber einige törichte Menschen sind stolz auf ihr Buchwissen. Solche Leute kann man nicht wahrhaft gebildet nennen. Ohne das Wissen und die Erkenntnis des Selbst sind alle anderen Formen des Wissens nutzlos. Nehmt zum Beispiel einen Menschen, der im körperlichen (materiellen) Sinn hochgebildet ist. Wenn ihr ihn fragt: „Wer bist du?“ wird er trotz seiner hohen Qualifikation nicht fähig sein, die rechte Antwort zu geben. Vielleicht antwortet er: „Ich bin Rama Shastri.“ Dies ist der Name, der dem Körper gegeben wurde, aber es hat nichts mit seinem wahren Selbst zu tun. Wenn ihr ihm diese Frage nochmals stellt, wird er ant- worten: „Ich bin ein Gelehrter!“ Auch das ist nicht die rechte Antwort, denn es bezieht sich auf seine weltliche Bildung und hat ebenfalls nichts mit seinem wahren Selbst zu tun. Wenn ihr ihn wieder dasselbe fragt, wird er antworten: „Ich bin ein Inder.“ Er kann nicht verstehen, dass we- der sein Name noch sein Beruf noch seine Nationalität sein wahres Selbst sind. Körper und Geist sind nur Instrumente. Sie stehen unter eurer Kontrol- le. Identifiziert euch nicht mit diesen Instrumenten. Ihr seid der Meister. Meistert euren Geist, und der Geist wird meisterhaft. Wenn ihr es dem Menschen in dieser Weise erklärt, wird er die Wahrheit erkennen und die rechte Antwort geben:

„Ich liess mich die ganze Zeit durch Bindung an den Körper täuschen. Ich erkenne jetzt, dass ich Atman, das Göttliche Selbst bin, das den Körper und die Zeit transzendiert und durch weltliche Bildung nicht er- fassbar ist.“

Der unsichtbare Atman bringt den Körper zum Funktionieren. Die Men- schen vergessen Atman, den Meister, und lassen sich durch ihre Bin- dung an den Körper in die Irre führen. Alles, was sich auf den Körper bezieht, Name, Beruf und Bildung, sind vorübergehend.

12 Wahrheit ist dein Name. Ihr seid das ewige Göttliche Selbst (atman.) Gebt deshalb die Bindung an den Körper auf und lebt im atmischen Be- wusstsein, im Bewusstsein des Göttlichen Selbst. So lange ihr an den Körper gebunden seid, könnt ihr niemals die Weis- heit Atmans erlangen. Ihr könnt dann vielleicht die Schriften zitieren, aber das hat nur mit Bücherwissen zu tun, das euch nicht zu eurem wahren Selbst führen kann. Ihr seid Atman, die Quelle aller Kräfte. Um die Kraft Atmans zu verstehen, solltet ihr als erstes das Wesen des Gei- stes erforschen. Die Auswirkungen des Geistes sind mit Worten nicht zu beschreiben. Der Geist ist verantwortlich für Geburt, Tod, Handeln, Familie, Kindheit, Alter, Glück, Leid, Erfolg und Versagen. Das gesamte Leben gründet sich auf den Geist. Wenn ihr das Wesen des Geistes versteht, werdet ihr auch das Wesen von Materie kennen. Um das Wesen des Geistes zu verstehen, solltet ihr eure Sinne beherrschen. Wie könnt ihr über an- dere herrschen, wenn ihr eure eigenen Sinne nicht beherrschen könnt? Um ein guter Führer zu werden, solltet ihr eure Sinne beherrschen.

Der Geist ist sehr machtvoll. Ohne seine Kraft zu verstehen, ist der Mensch stolz auf sein begrenztes Wissen. Es ist höchste Torheit. Der Mensch glaubt, er wüsste alles. Er richtet seinen Geist auf unbedeu- tende Dinge, ohne zu versuchen, Atman, das Göttliche Selbst, zu ken- nen. Aus diesem Grund erlebt der Mensch Schwierigkeiten und Leid. Ihr selbst seid für euer Leid oder Glück verantwortlich. Ihr solltet nicht anderen für eure Situation die Schuld geben. Aufgrund eurer Unfähig- keit, euer wahres Selbst zu verwirklichen, erfahrt ihr die Dualitäten von Freude und Leid. Wenn ihr euer wahres Selbst kennt, werdet ihr von diesen Dualitäten nicht beeinträchtigt werden. Es ist eine Sünde, anderen die Schuld für euer Leid zu geben. Ihr leidet aufgrund falschen Verhaltens und weil es euren Empfindungen an Mo- ral mangelt. Euer Schicksal basiert auf eurem Charakter, und euer Cha- rakter auf euren Handlungen. Handlungen wiederum beruhen auf Ge- danken. Kultiviert deshalb Moral und heilige Gedanken. Niemand kann dem Gesetz des Handelns, dem Gesetz von Ursache und Wirkung ent- kommen. Es basiert auf dem Geist.

Verkörperungen der Liebe! Ohne Geist könnt ihr nicht existieren. Der Geist ist immer mit euch. Nur wenn ihr das Wesen des Geistes kennt, könnt ihr Mensch genannt werden. Das ist die Lehre des . Ve- danta ist die Essenz der Veden, welche die Weisheit des Göttlichen Selbst lehren.

13 Atman, das Göttliche Selbst, gleicht dem “Kontrollraum“. Wenn ihr Zu- gang zum Kontrollraum bekommt, werden all eure Sinne und der Geist unter eurer Kontrolle sein. Wenn der Hauptschalter des Hauses ein- geschaltet ist, leuchten die Glühbirnen in allen Räumen. Atman, das Göttliche Selbst, gleicht dem Hauptschalter und die Sinne den Glüh- birnen in den verschiedenen Räumen. Nehmt zum Beispiel ein Gebäu- de mit verschiedenen Räumen wie Schlafzimmer, Lagerraum, Esszim- mer, Badezimmer, Küche usw. Ihr habt diese Räume selber geschaffen. Jedes Zimmer ist durch eine Wand von den anderen Zim- mern getrennt. Wenn die Mauern eingerissen werden, bleibt nur eine grosse Halle. Bindung an den Körper gleicht der Mauer, die einen vom anderen trennt und die der Verwirklichung des Selbst im Wege steht. Wenn diese Mauern eingerissen werden, werdet ihr das unendliche, unsterbliche Göttliche Selbst verwirklichen. Aber statt das unendliche, unsterbliche Selbst zu verwirklichen, entwickelt ihr während vieler Le- ben Bindung an den Körper. Entwickelt wenigstens von diesem Leben an Loslösung. Ihr betrachtet etwas als euer Eigentum, aber es gehört euch nur so lange wie euer Körper existiert. Was ihr zuvor zu eurem Eigentum erklärt habt, wird nach eurem Tod jemandem anderem ge- hören. Wenn das der Fall ist, warum solltet ihr euch dann an Besitztü- mer binden? Das menschliche Leben beruht auf „ich“ und „mein“. „Ich“ bezieht sich auf Atman und „mein“ auf Materie. Der Geist ist aus Atman entstanden. Die Materie ist die Auswirkung des Geistes. Wenn ihr das Wesen des Geistes und der Materie kennt, kennt ihr auch alles andere.

Schüler, Studenten! Vor euch liegt ein langes Leben. Wartet nicht, bis ihr alt seid, um den spirituellen Weg einzuschlagen. Beginnt früh, fahrt langsam und kommt sicher an. Seid in diesem Alter sehr achtsam und verschwendet eure Zeit nicht mit trivialen Zielen. Zeit ist sehr kostbar, und verlorene Zeit kann man nie wieder zurückerhalten. Unternehmt, während die Kapazitäten eurer Sinne stark ist, jede Anstrengung, um das zu wissen, was ihr wissen solltet. Wenn ihr das jetzt nicht tun könnt, könnt ihr es niemals mehr in eurem Leben tun.

Oh Mensch, sei nicht stolz auf deine körperliche Schönheit, Jugend und Kraft der Sinne. Sehr bald wirst du altern, dein Haar wird grau, deine Haut faltig und deine Sicht unscharf werden. Die Kinder werden sich über dich lustig machen und dich einen alten Affen nennen. Dein Körper ist nichts anderes als eine aus Haut gefertigte Puppe.

14 Versuche, das Geheimnis hinter diesem Puppenspiel zu verstehen.

Wer wird im Alter zu eurer Rettung kommen? Nutzt deshalb eure Sinne in rechter Weise und verlasst euch auf euch selbst. Niemand kann mit Sicherheit vorhersagen, was dem Körper im nächsten Augenblick ge- schehen wird. Entwickelt deshalb keine Bindung an den Körper. Aber ihr solltet euch in rechter Weise um ihn kümmern, damit ihr nicht von anderen abhängig seid. Erledigt eure Pflicht aufrichtig. Ihr sprecht von euch selbst als „Ich“. Dieses „Ich“ ist nichts anderes als Atman, das Göttliche Selbst. Lasst euren Körper unter der Herrschaft Atmans und nichts anderem sein. Wenn ihr fragt: „Wer ist Ramaiya?“, dann wird jemand aufstehen und „Ich!“ sagen. Wenn ihr fragt: „Wer ist Anil Kumar?“, wird die hier stehende Person „Ich!“ antworten. In dieser Weise ist das Ich-Prinzip die Grundlage und ist in jedem anwesend. So wie von einem Licht ein anderes angezündet wird, ebenso sind aus dem zugrunde liegenden „Ich“ alle anderen „Ichs“ hervorgegangen. Dersel- be Strom erleuchtet alle Glühbirnen. Jedes Wesen gleicht einer Glüh- birne und Gott einem Generator.

Sollte dich jemand fragen: „Wer bist du?“, solltest du mit Überzeugung sagen, dass du Atman, das Göttliche Selbst, bist. Was ist der Geist? Er ist ein Aspekt des Selbst. So wie Zucker die Grundlage aller Süs- sigkeiten ist, ebenso ist Atman die Basis für Körper, Geist und Intellekt. Man sollte voll Überzeugung an diesem grundlegenden Prinzip fest- halten. Ihr gehört zur Menschheit. Lasst nicht zu, dass euer Geist sich wie ein Affe verhält. In Wahrheit ist der Affe besser als der Mensch in- sofern, weil der Affe am Dienst für Rama teilnahm. Einst erteilte ein Affe einem Menschen die folgende Lektion: „O du Tor! Du machst dich über mich lustig, aber tatsächlich bin ich weitaus besser als du. Nimmst du teil am Dienst für Gott, so wie ich es tat? Ich gehorchte Gott Ramas Anweisung, überquerte das Meer und fand heraus, wo Mutter Sita sich befand. Ich stand wie ein gehorsamer Diener vor Gott Rama und bot dem Dämonen Ravana kraftvoll die Stirn. Entsprechend solltet ihr de- mütig vor den Edlen sein und den Bösen mit Mut begegnen. Der Mensch verhält sich heutzutage wie ein verrückter Affe. Der Mensch hat vielleicht keinen Schwanz, aber er hat die Wesenszüge ei- nes Affen. Gebt die affenähnlichen Wesenszüge auf und schlagt den heiligen Weg ein, mit Atman als eurem Ziel. Erkennt, dass ihr der Funke Atmans seid und versucht, Geist, Intellekt und den Prozess der Ver- feinerung in Einklang zu bringen. Die Verfeinerung ist sehr subtil. Ihr mögt jetzt nicht ihre Bedeutung verstehen. Der Prozess der Verfeine-

15 rung folgt euch gleich einem Schatten von Leben zu Leben. Ihr habt die Kraft, euch zu verfeinern, aber ihr nutzt sie nicht. Ihr müsst euch selbst verfeinern. Das ist die heilige Lehre der indischen Kultur. Die indische Kultur gleicht reinem Gold, aber diese kostbare Kultur wird heute ignoriert. Die Menschen achten ihre Eltern und Älteren nicht mehr. Sie haben die heiligen Werte der Liebe und Demut vergessen. Sie messen allein der weltlichen Bildung und materiellem Besitz Be- deutung bei. Diese beiden sind nur mit euch solange ihr lebt. Wenn ihr den Körper verlasst, folgen euch nur Samskara, eure innewohnenden Neigungen, und nicht samsara, die Familie, das weltliche Leben, nach. Aber ihr ignoriert Samskara, lasst euch vom weltlichen Leben Samsara, einfangen und leidet, weil es euch an Frieden mangelt. Trotz seiner Bildung und Intelligenz wird ein törichter Mensch sein wah- res Selbst nicht kennen und ein niedrig gesinnter Mensch wird seine üblen Eigenschaften nicht aufgeben. Moderne Bildung führt nur zu Ar- gumentation, nicht aber zur vollkommenen Weisheit. Was bringt welt- liche Bildung, wenn sie einen nicht zur Unsterblichkeit führt? Erwerbt das Wissen, das euch unsterblich macht. Nur wenn ihr das Wissen um das Selbst erlangt, werdet ihr Unsterb- lichkeit erlangen. Oh Schüler und Studenten! Ihr bemüht euch hart im Leben, nur, um euren Bauch zu füllen. Ihr erwerbt viele Formen des Wissens in verschiedenen Bereichen. Überprüft und erforscht selber welch grosses Glück ihr dadurch erlangt habt, dass ihr all eure Zeit von morgens bis abends damit verbringt, Wissen zu erlangen und Geld zu verdienen und dabei Gott zu vergessen. Könnt ihr behaupten, ihr hättet die ganze Welt bereist, nur indem ihr einen Blick auf die Weltkarte werft? Entsprechend bringt blosses An- sammeln von Buchwissen nichts. Erforscht selber, was ihr dadurch ge- wonnen habt, dass ihr Gott vergesst und euer Vertrauen in die Welt setzt. Absolut nichts! Auch wenn ihr ins Ausland geht und Abermillionen Rupien verdient - könnt ihr auch nur einen Pfennig mit euch nehmen, wenn ihr diese Welt verlasst? Was bringt es dann, nur die Welt zu um- kreisen? Erfährt der Löffel, der benutzt wird, um verschiedene Speisen wie Sau- ce, Chutney, Suppe und süssen Reis auszuteilen, die verschiedenen Geschmäcker dieser Gerichte? Entsprechend besucht der Mensch verschiedene Länder und liest verschiedene Bücher, ohne dass es ihm Nutzen bringt.

Verkörperungen der Liebe! Schüler, Studenten! Entwickelt Liebe und teilt sie mit anderen. Verwandelt diese Welt in ein Paradies der Liebe.

16 Dann wird überhaupt kein Elend mehr herrschen. Versteht das Wesen des Geistes und werdet erlöst. Ihr habt am Sportfest teilgenommen, grosses Talent gezeigt und viele Preise gewonnen. Das ist auch aus weltlicher Sicht sehr wesentlich. Weltliche Bildung dient dem Leben hier in dieser Welt, spirituelle Bil- dung dem Leben danach. Beide sind also wichtig. Weltliche Bildung gleicht dem linken Bein, spirituelle dem rechten. Beide Beine sind zum Gehen notwendig. Entsprechend braucht es beide Arten der Bildung, um im Leben voranzukommen. Das linke Bein (die Welt) muss eines Tages zurückgelassen werden, das rechte (Spiritualität) ist immer „recht“. Die meisten von uns verrichten ihre Arbeit mit der rechten Hand. Was bedeutet das? Es bedeutet, wir sollten nur rechte Dinge tun und jeden glücklich machen. Auch im täglichen Leben wird, gemäss der in- dischen Sitte, die linke Hand zur Reinigung von Schmutz benutzt, die rechte, um die eigenen Pflichten zu erfüllen.

Was ist das Ziel des menschlichen Lebens? Man muss die zugrunde liegende Wahrheit, das Atman-Prinzip, erkennen. Es befindet sich in euch. Man kann das nur durch den Intellekt (buddhi) erkennen, denn buddhi besitzt Unterscheidungskraft. Wenn ihr eine Orange essen wollt, müsst ihr erst die bittere Schale entfernen. Sogar ein Affe schält die Banane bevor er sie frisst. Entsprechend sollte der Intellekt Schlechtes aufgeben und das Gute annehmen. Was bringt das menschliche Leben, wenn der Mensch sich wie ein Affe oder Büffel ver- hält? Sogar von Büffeln und Kühen ist etwas zu lernen. Sie grasen auf den Weiden ohne eine Minute Zeit zu verschwenden, und sie zerkauen das Gegessene geruhsam. Entsprechend solltet ihr, wenn euch etwas Gutes begegnet, es unverzüglich annehmen, später darüber nachden- ken und es geistig verdauen.

Schüler, Studenten! Sogar Vögel und andere Tiere verhalten sich ent- sprechend ihrem Wesen. Aber der Mensch hat trotz seiner Bildung sein wahres Wesen vergessen und verhält sich wie ein Narr. Was bringt es, eine Prüfung mit 100 % Erfolg zu bestehen, ohne das grundlegende Prinzip des Lebens zu kennen? Ihr füllt euren Kopf mit Buchwissen und speit es in der Prüfung aus, um gute Noten zu bekommen. Aber wie viele gute Noten habt ihr im Bereich der Spiritualität gesichert? Es bringt nichts, im Bereich der weltlichen Bildung den ersten Rang zu erhalten und in spiritueller Bildung durchzufallen. Noten sind zweifelsohne wich- tig, aber ihr solltet auch darauf achten, keine schlechten Kommentare zu erhalten.

17 Der Junge der zuvor sprach erzählte von seinem Erlebnis. Als er wäh- rend einer Probe des Löwentanzes hinunterfiel, glaubte er, er hätte sei- ne Chance verloren und fühlte sich extrem traurig. Er betete zu mir, ihn vom Schmerz zu heilen, um am Löwentanz teilnehmen zu können. Als ich seine Entschiedenheit und sein Vertrauen sah, heilte ich ihn sofort. Um die göttliche Gnade zu gewinnen braucht es dieses Vertrauen und diese Entschlossenheit. Der Heilige Purandaradasa sagte: „Oh Gott! Wenn du deinen Verehrer beschützt bist du Rama, und wenn du die Bösen bestrafst bist du Yama, der Todesgott. Prahlada erschienst du als Gott Narayana, dem Dämo- nen Hiranyakashipu hingegen als der Todesgott Yama. Du manife- stierst dich selber in derselben Weise, in welcher der Gottergebene an dich denkt. Hilf immer, verletze nie. Dasselbe sagte auch der Weise : „Man erhält Verdienst, indem man anderen dient, und sündigt, indem man andere verletzt.“ Wer Gott kritisiert ist der schlimmste Sünder. Keine Hölle ist schrecklicher als die, sich von Gott zu entfernen. Ihr könntet jetzt argumentieren, viele Menschen in der Welt haben Gott vergessen und führen doch ein bequemes Leben. Kein Zweifel, sie leben, aber ihr Leben gleicht dem von Hunden und Füchsen. Man sollte danach streben, wie ein Gottergebener zu leben, um die göttliche Gnade zu verdienen.

Schüler, Studenten! Haltet den guten Ruf des Instituts aufrecht und seid Vorbilder für die Gesellschaft. Das ist die Dankbarkeit die ihr dem In- stitut dafür zeigen solltet, dass es euch kostenlose Ausbildung gewährt hat. In anderen Instituten erhaltet ihr keinen Studienplatz ohne eine Ge- bühr zu bezahlen. Aber hier wird die Ausbildung völlig kostenfrei ge- geben. Geld kommt und geht, Moral hingegen kommt und wächst. Ent- wickelt deshalb Moral. Ihr habt Swamis Liebe empfangen; deshalb sollte jeder eurer Blutstropfen von Dankbarkeit erfüllt sein. Ein kleines Beispiel hierzu: Der Vizekanzler rief in Singapur an und bat einen Trainer, hierherzukommen und die Jungen im Löwentanz aus- zubilden. Dementsprechend reiste der Trainer hierher und bildete die Jungen aus. Gestern rief ich den Leiter des Studentenwohnheimes und fragte ihn: „Der Trainer kam hierher und machte uns glücklich. Wie kön- nen wir ihm gegenüber unsere Dankbarkeit ausdrücken?" Der Leiter antwortete, er hätte keine Ahnung. Ich schlug vor, wir sollten ihm 40’000 Rupien für sein Reiseunkosten geben. In dieser Weise schenke ich je- dem Jungen und jedem Trainer persönliche Aufmerksamkeit. Ihr glaubt vielleicht, Swami sei irgendwo und wüsste nicht, was geschieht; aber

18 Swami ist hier, dort und überall als das atmische Prinzip. Ich stelle jeden zufrieden und nehme alle Schwierigkeiten und Verluste auf mich, die aus euren Handlungen entstehen mögen. Aber ihr seid unfähig, das zu verstehen.

Alle Lehrer arbeiteten hart, um das Sportfest zu einem grossen Erfolg zu machen. Radhasamy und Ramamurthi arbeiteten trotz ihres fortge- schrittenen Alters unermüdlich und unterstützten die Schüler und Stu- denten. Sogar nach ihrer Pensionierung dienen sie in unserem Institut. Alle haben in Einheit gearbeitet. Wo Einheit ist, dort ist Göttlichkeit. Wenn die Göttlichkeit mit euch ist, folgt alles andere nach. Der Erfolg des Sportfestes ist das Ergebnis kollektiver Bemühung. Es gibt kein In- stitut wie unseres. Die hier zu findende Einheit, Harmonie und Liebe sind nirgendwo sonst zu finden. Die Ursache von all dem ist Swami. Swamis Liebe hat diese Einheit erzeugt. Ich bin bereit, zum Wohl der Schüler und Studenten Millionen und Abermillionen von Rupien aus- zugeben. Mein einziges Ziel besteht darin, ideale Bürger aus ihnen zu machen. Manche Menschen handeln, nachdem sie Swamis Liebe in Fülle er- halten haben, in undankbarer Weise. Es ist ihr Los. Wo immer ihr hin- geht, haltet den guten Ruf des Instituts aufrecht. Das ist es, was ich von euch wünsche. Ich bin bereit euch zu geben, worum immer ihr mich bittet. Viele Leute die hierher kommen sind sehr glücklich, wenn sie un- ser Institut sehen. Auch die Studentinnen aus Anantapur haben sehr hart gearbeitet. Wahrhaft gesprochen sind die in Puttaparthi Lebenden sehr gesegnet, denn sie können Swami täglich sehen, ihn berühren und mit ihm spre- chen. Aber die Studentinnen von Anantapur geniessen nicht dieses Pri- vileg. Obwohl es 12 Jahre her ist, seit ich Anantapur besuchte, arbeiten sie mit Stetigkeit und Hingabe in der Überzeugung, dass Swami immer bei ihnen ist. Ihre Hingabe und Aufrichtigkeit wird sicherlich reichlich belohnt werden. Sehr bald werde ich Anantapur besuchen und ihnen allen Glückseligkeit schenken. Jede Handlung bringt ein Ergebnis, aber man muss auf die rechte Zeit warten. Viele Menschen sind heutzutage voller Angst und glauben, zwischen Pakistan und Indien würde ein Krieg entstehen. Es wird keinen solchen Krieg geben. Indien wird gesegnet sein. Indien ist ein heiliges Land und wird immer sicher sein. Hier und dort mag es kleinere Scharmützel ge- ben. Heutzutage herrscht noch nicht einmal in einer kleinen vierköpfi- gen Familie Einheit. Wie kann dann in einer solchen Situation ein Land mit einer Bevölkerung von Abermillionen Menschen frei von kleineren

19 Konflikten sein? Aber es wird keinen Krieg geben. Alle werden vereint wie ein Familie zusammenhalten. Betet aus ganzem Herzen für das Wohlergehen der Menschheit - mögen alle Welten glücklich sein. Ihr könnt nur dann glücklich sein, wenn die Welt glücklich ist. Zwischen euch und der Welt besteht eine enge untrennbare Verbindung. Singt den Göttlichen Namen. Betet für das Wohlergehen der Welt und nehmt an Seva-Aktivitäten, am Dienst für andere teil. (Ansprache zum Abschluss des Sportfestes in Prasanthi Nilayam)

20 19. Januar

Entzündet das Licht der Moral in euren Herzen

Jemand mag alle Formen des Wissens meistern, seine Gegner in einer Debatte bezwingen, mit Kraft und Mut auf dem Schlachtfeld kämpfen, als Kaiser über weite Königreiche herrschen, Kühe und Gold als Akt der Barmherzigkeit verschenken, die unzähligen Sterne am Himmel zählen, die Namen der verschiedenen Lebewesen auf der Erde benennen, ein Experte in den acht Formen des sein oder sogar den Mond erreichen - aber gibt es irgendjemanden, der Körper, Geist und Sinne kontrollieren kann, seine Sicht nach innen richtet und den höchsten Zustand des geistigen Gleichmuts erreicht? (Gedicht in Telugu)

Duldsamkeit ist die wahre Schönheit dieses heiligen Landes Indien. Von allen Ritualen ist Festhalten an der Wahrheit die grösste spirituelle Disziplin. Das Empfinden der Liebe der eigenen Mutter gegenüber ist das nektargleiche Empfinden in diesem Land. Charakter wird weit hö- her geschätzt als das Leben selbst. Die Menschen haben die grund- legenden Prinzipien dieser grossen Kultur vergessen und imitieren heute die westliche Kultur. Ach! Was ist mit diesem Land geschehen? So wie ein mächtiger Elefant sich seiner eigenen Stärke nicht bewusst ist, ebenso sind sich die Inder der Grösse ihres eigenen kulturellen Er- bes nicht bewusst.

Verkörperungen der Liebe! Der Mensch bemüht sich in jeder Hinsicht, um den Zustand der Vollkommenheit zu erreichen. Es ist die Kultur, die den Menschen zu diesem Zustand der Vollkommenheit führt. Um seine Reinheit, Kultur und seinen Charakter aufrechtzuerhalten, muss der Mensch heilige Handlungen durchführen. Liebe ist das zugrunde lie- gende Prinzip des Lebens. Füllt eure Leben mit Liebe. Liebe ist Gott, lebt in Liebe. Der Mensch ignoriert dieses heilige Prinzip der Liebe und missbraucht sein Leben, indem er üble Eigenschaften wie Hass, Eifer- sucht, Pomp und Zurschaustellung entwickelt und hegt.

21 Die Ehre einer Nation hängt von der Moral seines Volkes ab. Mangel an Moral wird eine Nation sicherlich in Verruf bringen. Die wahre menschliche Rasse ist diejenige, die an Moral festhält. Hört auf diese Wahrheit, o starke Söhne von Bharat (Indien)! Die Moral ist heutzutage unter den Menschen verfallen. Jemand ohne Moral kann nicht Mensch genannt werden. Entzündet in euren Herzen das Licht der Moral; nur dann könnt ihr ein wahres menschliches Leben führen. Nur Moral kann dem Menschen Gesundheit und Wohlstand ver- leihen. Man sollte keine unangebrachte Bindung an den vergänglichen Körper entwickeln. Jeder Mensch besitzt ausser dem Körper Geist und das Göttliche Selbst (Atman). Der Mensch sollte sein Leben auf der Grundlage der Moral führen. Er sollte die Wahrheit erkennen, dass das menschliche Leben dazu gedacht ist, Moral aufrechtzuerhalten.

Die gesamte Welt wird von Geist und Materie durchdrungen. Man muss sich bemühen, das Wesen dieser beiden zu erfassen. Wenn man den modernen Menschen fragt: „Was ist Geist?“, antwortet er: „Es ist egal“; wenn man ihn wiederum fragt, „was ist der Geist?“, wird er antworten: „Es kümmert mich nicht.“ Wie kann so jemand, der das Wesen von Geist und Materie nicht kennt, das Menschsein verstehen? Seid nicht der fal- schen Auffassung, der aus den fünf Elementen bestehende Körper al- lein mache einen Menschen aus. In Wirklichkeit besteht das Mensch- sein aus drei Aspekten, nämlich Geist, Intellekt und Unterscheidungs- vermögen. Diese drei haben ihren Ursprung in Atman, dem Göttlichen Selbst. Auf dieser Grundlage erklärt die Bhagavadgita: Der Geist ist ein Aspekt Atmans. Haltet ihn nicht für ein blosses Bündel von Wünschen. Aus weltlicher Sicht mag der Geist ein Bündel von Wünschen sein, aber aus spiritueller Sicht ist der Geist gebündelte Göttlichkeit. Um die Göttlichkeit zu erlangen, muss der Mensch als erstes Einheit entwickeln. Wahre Kultur liegt in der Einheit. Einheit ist das Ideal, nach dem der Mensch streben sollte. Durch Einheit kann jede grosse Auf- gabe vollbracht werden. Der Mensch hat Unabhängigkeit erreicht, aber die Einheit muss er noch erreichen. Wir sehen nur Verschiedenheit und Getrenntheit. Manche Leute glauben, Swami hätte dieses Super Speciality Hospital errichtet, um den Leuten von Karnataka zu helfen. Aber in Wahrheit habe ich es nicht für die Leute einer bestimmten Region errichtet; ich habe es für die ganze Nation getan. Der Mensch sollte sich bemühen, die Einheit in der Vielfalt zu sehen und dadurch die Göttlichkeit zu erlangen. Einheit führt zu Reinheit, und wo Reinheit ist, dort ist Göttlichkeit. Nur durch Einheit, Reinheit und

22 Göttlichkeit kann man Glückseligkeit erlangen. Ohne das Gefühl der Verschiedenheit aufzugeben und den Geist der Einheit zu entfalten, könnt ihr niemals Glückseligkeit erlangen. Gesundheit ist das grund- legende Erfordernis, um die vier Ziele des menschlichen Lebens, näm- lich rechtes Handeln, Wohlstand, Wunscherfüllung und Befreiung zu erlangen. Aber wenn ihr den Zustand der Glückseligkeit erreicht habt, könnt ihr immer gute Gesundheit geniessen. Der Mensch lässt sich durch das Gefühl täuschen, durch den Erwerb von Wohlstand und Autoritätsstel- lung könne er ein glückseliges Leben führen. Weder Wohlstand noch Autoritätsstellung können euch Glückseligkeit vermitteln. Ihr könnt nur dann Glückseligkeit erfahren, wenn ihr die Einheit in der Vielfalt seht. Wenn ihr das Prinzip der Einheit nicht versteht und keine Glückseligkeit erlangt, werden alle Hilfsaktivitäten wie die Errichtung von Kranken- häusern wenig bringen. Jeder der in einem Krankenhaus arbeitet, ob Ärzte, Krankenschwe- stern, die Assistenten der medizinischen Mitarbeiter oder Techniker, sollte den Geist der Einheit besitzen. Dieses Krankenhaus demonstriert das Ideal der Einheit. Alle Mitarbeiter in diesem Krankenhaus arbeiten mit dem Empfinden, dass sie einer Familie angehören. Unser Kran- kenhaus steht für Einheit in der Vielfalt. Es gibt hier kein Verlangen nach Geld, Name und Ruhm. In alten Zeiten wurden Ausbildung, Gesund- heitsfürsorge, Nahrung und Wasser kostenlos zur Verfügung gestellt. Ich habe beschlossen, diese alle kostenlos zu geben. Unser Krankenhaus ist kein Geschäftszentrum. Die meisten Kranken- häuser sind zu Geschäftszentren geworden. Ein Krankenhaus mit dem alleinigen Ziel zu führen, Geld zu verdienen, ist die schlimmste Sünde. Ihr solltet einsehen, dass auch ihr eines Tages krank werden könnt. Deshalb solltet ihr die Patienten mit Liebe behandeln, ohne irgendeine Gegenleistung zu erwarten. Ihr solltet nicht nach ihrem Geld streben. Nachdem ich dieses Krankenhaus in Betrieb genommen habe, wurden viele Ärzte eifersüchtig auf mich und begannen, Hindernisse in den Weg zu legen. Komme was will, ich werde diese heilige Aufgabe nie- mals aufgeben. Ihre Eifersucht wird mich nur mehr dazu motivieren, weiterhin heilige Aktivitäten durchzuführen. Ihre Eifersucht wird sie letztlich ruinieren. Nur wenn die Menschen Hass und Gewalt aufgeben, sich mit Empfindungen der Liebe füllen und die Einheit der Menschheit realisieren, werden Friede und Sicherheit in der Welt herrschen.

23 Man sollte niemals auf das Wohlergehen anderer eifersüchtig sein. Ei- fersucht ist die schlimmste Eigenschaft.

Asuya (Eifersucht) und Anasuya (ohne Eifersucht; Name einer Gott er- gebenen Frau) sind Schwestern. Anasuya wurde mit drei Söhnen, der Göttlichen Dreieinigkeit Brahma, Vishnu und Shiva gesegnet. Auch Asuya, die Eifersucht, hat drei Söhne, nämlich Verlangen, Zorn und Hass. Wenn ihr die Eifersucht aufgebt, könnt ihr die Gnade der Gött- lichen Dreieinigkeit gewinnen. Ihr solltet an guten Aktivitäten teilneh- men und mit denen kooperieren, die sie durchführen. Wenn ich eine heilige Aufgabe einmal begonnen habe, werde ich sie niemals aufgeben. Viele arme und unterdrückte Menschen leiden an mangelnder angemessener medizinischer Versorgung. In grossen Krankenhäusern kümmert sich niemand um sie, weil sie sich teure Be- handlungen nicht leisten können. In manchen Krankenhäusern werden sie nicht einmal durchs Haupttor gelassen. Gibt es eine grössere Sün- de? Es ist meine Absicht, all diesen armen und unterdrückten Men- schen freie medizinische Versorgung zu verschaffen.

Für ein glückliches gesundes Leben braucht es neben angemessener medizinischer Betreuung auch reines Trinkwasser. Mein Handlungs- plan für das Wohlergehen der Menschheit ist gewaltig. Der Plan wird gelingen. Wenn man eine heilige Aufgabe in Angriff nimmt, braucht man sich wegen der Ressourcen nicht zu sorgen. In unserem Land Indien herrscht kein Mangel an Ressourcen. Aber es gibt nur sehr wenige, wel- che die edle Absicht hegen, der Gesellschaft Gutes zu tun. Wenn ihr eine heilige Aufgabe durchführt, wird sogar die Natur selbst alle ihre Hilfe zur Verfügung stellen. Das heilige Epos Ramayana legt dafür reichlich Zeugnis ab. Als Rama, die Verkörperung der Göttlichen Ord- nung, auf dem Weg nach Lanka war, um seine Gemahlin Sita zu er- retten, erwies die Natur ihm alle Mithilfe. Ihm wurde von Affen und sogar von einem kleinen Streifenhörnchen geholfen. Wenn ihr heute eine gute Handlung sät, erntet ihr morgen Verfeinerung dafür. Verfeinerung führt zu Reinheit, was wiederum Verdienst verleiht. Der Mensch sollte immer bereit sein, gute Aktivitäten durchzuführen. Er sollte sie nie aufschieben. Anlässlich dieser heiligen Gelegenheit habe ich mich entschlossen, noch ein anderes Hilfsprojekt durchzuführen. In Madras herrscht Man- gel an Trinkwasser. Die Reichen können es sich leisten, sich Wasser durch Tankwagen und Lastwagen liefern zu lassen, aber wie steht es mit den Armen? Sie verderben ihre Gesundheit, indem sie aus Weihern

24 und Lachen verseuchtes Wasser trinken. Deshalb habe ich beschlos- sen, wie schwierig es auch sein mag, die Leute von Madras mit Trink- wasser zu versorgen. Das Wasser der Godavari und Krishna-Flüsse wird in das Meer abgelassen ohne recht genutzt zu werden. Auch in Rayalaseema leiden die Menschen an Wasserknappheit. Die Distrikte von Bellary, Anantapur, Cuddapah und Karnool werden als zurückge- bliebene Gebiete eingestuft. Ich will auch diese vier Distrikte mit reinem Trinkwasser versorgen. Dieses Projekt wird zweifelsohne erfolgreich sein.

Der Mensch sollte unerschütterliches Vertrauen besitzen. Aber der Mensch vertraut heutzutage nicht sich selbst. Wie kann er dann Gott vertrauen? Die Menschen sind erblindet, indem sie die Augen des Glaubens und Vertrauens verloren haben. Nur jemand mit Vertrauen kann ein wahrer Mensch genannt werden. Der Mensch missbraucht sein so heiliges Leben. Helft anderen. Nur dann kann euer Leben Erfüllung finden. Wisst ihr, wozu euch Hände gegeben wurden? Nur um zu essen? Nein. Die Hän- de sind dazu gedacht, anderen zu dienen. Ihr wisst, wozu die Zunge gegeben wurde. Um sich in unnützem Geschwätz zu ergehen? Nein; sie ist dazu da, den Göttlichen Namen zu singen. In dieser Weise sollten alle Sinne in rechter Weise genutzt werden. Buddha vollbrachte dies. Er studierte verschiedene heilige Schriften, traf viele edle Seelen und hörte ihren Lehren zu, aber es stellte ihn nicht zufrieden. Schliesslich realisierte er, dass spirituelle Übungen nichts bringen, wenn man seine Sinne nicht in rechter Weise nutzt.

Seht nichts Schlechtes, seht Gutes. Hört nichts Schlechtes, sondern Gutes. Sprecht nichts Schlechtes, sondern Gutes. Denkt nichts Schlechtes, sondern Gutes. Tut nichts Schlechtes, sondern Gutes. das ist der Weg zu Gott.

Um eure Sinne zu heiligen, solltet ihr sie für den Dienst an anderen nut- zen. Wie ihr denkt, so werdet ihr. Wenn ihr Schlechtes seht, schlechtem Gerede zuhört, an schlechten Aktivitäten teilnehmt, werdet ihr euch schliesslich selbst ruinieren. Wenn ihr keinen Dienst erweisen könnt, dann sprecht wenigstens sanft und süss. Ihr könnt nicht jeden Gefallen tun, aber ihr könnt gefällig sprechen.

25 Der Mensch spricht heute harsche Worte, welche die Gefühle anderer verletzen. Er missbraucht seine Sinne; wie kann er dann erwarten, glücklich und gesund zu sein? Um völlig gesund zu sein, nutzt eure Sin- ne in heiliger Weise. Ob ihr arm seid oder ein Millionär, ob ihr Geld habt oder nicht, Gott hat jeden von euch mit fünf Sinnen ausgestattet. Nutzt sie in rechter Weise und heiligt euer Leben.

Verkörperungen der Liebe! Jeder von euch besitzt ein Herz. Das Herz ist das, was mit Mitgefühl erfüllt ist. Aber der Mensch hat heutzutage ein Herz aus Stein. Wahrhaft gesprochen besteht der Mensch nicht aus schlechten Eigenschaften, sondern aus Tugenden. Es heisst, das menschliche Leben sei das kostbarste, aber wenn der Mensch sich be- stialischen und dämonischen Charakterzügen hingibt, wie können wir dann behaupten, er sei anderen Wesen überlegen? Der Mensch sollte seine Bildung, seinen Wohlstand und seine Energie für das Wohler- gehen anderer nutzen. Geld ist zweifelsohne notwendig, aber man soll- te nicht danach verlangen, Geld anzuhäufen. Man kann Abermillionen Rupien für den Bau eines Krankenhauses ausgeben, aber man sollte nicht vielfachen Gewinn erwarten. Man sollte wenigstens die Hälfte des verdienten Geldes für wohltätige Zwecke ausgeben. Die Ärzte geben heutzutage keinem einzigen Patienten kostenlose Medizin. Die Kosten für Medikamente sind heute gestiegen.

Es sind zehn Jahre vergangen seit wir das Super Speciality Hospital in Puttaparthi errichtet haben. Ob ihr es glaubt oder nicht, wir haben bisher 70’000 Operationen kostenlos durchgeführt. Dieses Kranken- haus hier in Whitefield ist seit einem Jahr in Betrieb, und auch hier ha- ben wir Tausende von Operationen am offenen Herzen und Bypass- Operationen durchgeführt. Jeden Monat geben wir zig Millionen Rupien aus. Viele sind sich dessen nicht bewusst. Auch wenn ich Billionen aus- geben muss, ich werde diese heilige Aufgabe nicht aufgeben. Ich will, dass dieses Krankenhaus sich ausweitet und den Bedürftigen dient. Unser Ministerpräsident Krishna hat uns bei der Errichtung dieses Krankenhauses sehr geholfen. Neben anderen Dingen hat er uns das Land kostenlos überlassen. Sein Herz ist mit Opfergeist erfüllt. Der Ministerpräsident von Maharashtra, der heute hier unter uns weilt, will, dass ein ähnliches Krankenhaus in Mumbai errichtet wird. Er ist bereit, das erforderliche Land dafür zu geben. Aufgrund der Umweltverschmutzung wird das Leben in Mumbai zunehmend schwieriger. Für das Vollbringen jeglicher Aufgabe ist Gesundheit

26 sehr wesentlich. Das menschliche Leben ist nicht dazu gedacht, Geld anzuhäufen. Könnt ihr, wenn ihr die Welt verlasst, auch nur ei- nen Pfennig mit euch nehmen? Wenn der Mensch von der Welt geht, kann er nicht einmal eine Handvoll Sand mit sich nehmen; anson- sten würde sogar Sand rationiert werden! Was ihr letztlich mit euch tragt, ist allein das Ergebnis eurer Handlungen, Verdienst oder Sün- de. Begeht deshalb keine sündvollen Taten. Führt verdienstvolle Ak- tivitäten durch. Man erhält Verdienst, indem man anderen dient, und sündigt, indem man andere verletzt. Verrichtet im euch möglichen Ausmass barmherzige Taten und helft je- dem. Füllt eure Herzen mit Liebe. Wir betrachten es als unsere Pflicht, die Patienten zu behandeln und ihr Leiden zu mildern. Pflicht ist Gott. Arbeit ist Gottesdienst. Ich tue es mit Liebe. Es kommt aus der Quelle, nicht aus Zwang.

Ich möchte euch noch einen anderen Punkt verdeutlichen. Die Leute, einschliesslich derer die hier sitzen, ergeben sich wilden Phantasien über den Vorfall, der vorgestern stattfand. (An dem Tag wurde im Dar- shan jemand mit einer Art Spielzeugpistole, mit der man Vögel ab- schiessen kann, gefunden, was zu wilden Gerüchten bezüglich eines Attentats auf Swami führte; diese Gerüchte gingen durch die Presse und die ganze Welt; A.d.Ü.) Tatsächlich liegt kein Funken Wahrheit dar- in. Lasst die Leute denken, was immer sie wollen. Die Zeitungen sind hauptsächlich verantwortlich für diese Unruhe. Sie sind nur daran in- teressiert, schlechte Nachrichten zu veröffentlichen, nicht daran, gute Neuigkeiten mit anderen zu teilen. Was ist der Sinn einer Zeitung? Sie sollte aus den vier Himmelsrichtungen Norden, Osten, Westen und Sü- den Neuigkeiten sammeln und diese verbreiten. Aber statt authenti- sche Informationen zu sammeln, schreiben die Leute heutzutage in den Zeitungen was sie wollen. Es gibt allerdings auch ein paar gute Zei- tungen wie die Times of India und der Hindu, die korrekte Information vermitteln. Die Zeitungen sollten die Fakten so präsentieren wie sie sind. Aber sie verdrehen die Wahrheit und veröffentlichen das in sen- sationeller Aufmachung, nur um Geld zu verdienen. Berichtet die Ereignisse, gute wie schlechte, so wie sie geschahen. Ver- breitet keine falschen Nachrichten. Was vorgestern passierte war nur ein Bruchteil von dem, was durch Presse und Fernsehen übertrieben berichtet wurde. Auch das Fernsehen scheint nichts anderes zu tun zu haben als solch falsche Neuigkeiten zu verbreiten. Ich bin jetzt 76 Jahre alt. Bis heute habe ich keinen Kontakt weder mit der Presse noch dem

27 Fernsehen gehabt. Ich habe nichts mit Zeitungen zu tun. Man kann si- cherlich Freundschaft mit denen entwickeln, welche die Wahrheit be- richten. Aber was bringt es mit solchen zu sprechen, die Unwahrheit veröffentlichen? Es ist eine Sünde, Unwahrheit zu verbreiten. Wenn ihr nur einmal die Unwahrheit sprecht, werdet ihr die Folgen davon in vielen Leben austragen müssen. Wenn das der Fall ist, könnt ihr euch sehr gut das Los derer ausmalen, die sich täglich Hunderte von Malen in Un- wahrheit ergehen. Die Zeitungen sollten die Geschehnisse genau so berichten, wie sie geschehen sind. Niemand hat etwas dagegen. Aber es ist eine Sünde, falsche Nachrichten zu verbreiten. Was vorgestern geschah ist absolut nichts. Ich ging bis zur letzten Rei- he der Darshanhalle, kam sogar nahe zu denen, die draussen sassen, sammelte von ihnen Briefe ein und sass dann vierzig Minuten lang auf der Bühne. Nichts geschah. Danach ging ich nach innen, ass ein wenig und besuchte das Krankenhaus, um die Vorkehrungen dort zu beauf- sichtigen. Bis ich von dort nach Brindavan zurückkehrte, waren überall alle Arten falscher Nachrichten verbreitet worden. Ich sah niemanden und niemand trat nahe an mich heran. Aber die Zeitungen berichteten, jemand sei mir mit einer Pistole nahe gekommen. Ist es nicht eine glatte Lüge? Hat irgendeiner der Journalisten den Vorfall mit seinen eigenen Augen gesehen? Warum sollten sie die Unwahrheit berichten? Schlies- slich war die gefundene Pistole nichts als eine Luftpistole, die genutzt wird, um Vögel abzuschiessen. So ein kleiner Vorfall wurde übertrie- ben. Es ist ein grosser Fehler. Lasst die Journalisten glauben, was sie wollen. Ich habe nichts mit Zeitungen zu tun. Mein Herz ist mit Liebe, und nichts als Liebe, gefüllt. Ich teile meine Liebe mit jedem. Alle sind mein und ich gehöre allen. Ich hege niemandem gegenüber Hass. Alle lieben mich und ich liebe alle. Liebe ist die enge nahe Verbindung zwi- schen euch und mir. Die Zeitungen machten aus einer Mücke einen Elefanten und versetz- ten viele in Angst und Sorge. Was für eine Sünde sie begangen haben! Ihre Eifersucht sollte sich in Grenzen halten. Devotees aus verschie- denen Ländern wie Amerika, Japan, Deutschland, England usw. schickten mir Telegramme, die ihre Betroffenheit ausdrückten.

Der amerikanische Präsident sagte, die Terroristen sollten vernichtet werden. Wer sind die Terroristen? Zorn und Eifersucht sind die Terro- risten. Diese üblen Charakterzüge sind in jedem Menschen anwesend. Der Mensch sollte sich in jeder Hinsicht bemühen, diese auszulöschen. Nur dann kann die Welt sich weiterentwickeln. Man sollte nicht seine Mitmenschen töten, sondern die inneren „Terroristen“ zerstören und

28 Tugenden entwickeln. Das ist es, was ich von euch will. Das Land wird nur dann Fülle und Wohlstand erlangen und der übrigen Welt ein Vor- bild setzen, wenn Eifersucht und Zorn völlig ausgelöscht sind.

Verkörperungen der Liebe! Wir begehen heute den ersten Jahrestag unseres Krankenhauses. Ich bin nicht an solchen Feierlichkeiten inter- essiert. Ich will, dass jeder von euch Reinheit, Liebe und Mitgefühl kul- tiviert. Es gibt in dieser Welt keinen Menschen ohne Liebe. Liebe ist heilig, unendlich und höchst wundervoll. Ihr seid mit dieser göttlichen Liebe versehen; warum verhaltet ihr euch dann in einer Weise, die eu- rem wahren Wesen entgegengesetzt ist? Ich wünsche, dass ihr eure Leben mit Liebe führt und dieses Land zu einem idealen Vorbild macht. Damit segne ich euch alle und beende meine Rede.

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24. Februar

Heiligt euer Leben durch das Singen des Namens Gottes

Verkörperungen der göttlichen Liebe! Ein Geist, der kühl wie der Mond ist, und Weisheit, die gleich den Strahlen der Sonne leuchtet, sind die wichtigen Wesensmerkmale des Menschen.

Solange im Menschen Ego ist, wird niemand, nicht einmal seine eige- nen Verwandten, ihm Liebe entgegenbringen. An dem Tag, an dem der Mensch frei von diesem Ego ist, wird die gesamte Welt ihn lieben. Des- halb ist es für jeden Menschen in erster Linie notwendig, sein Ego zu disziplinieren. Das Ego gleicht einer Bombe, die den Fall und Ruin des Menschen verursacht. Solange im Menschen Zorn ist, kann er dem Leid nicht entrinnen. An dem Tag, an dem der Mensch den Zorn in sich überwindet, werden alle ihn achten. Die Habgier im Menschen ist wie ein Bazillus, der Leid mit sich bringt. Wenn der Mensch fähig ist, diese Habgier in sich auszulöschen, wird nicht nur er glücklich sein, sondern er wird auch andere glücklich machen. Ego, Zorn und Habgier machen den Menschen zum Dämonen.

Wenn man in dieser Welt das Eine kennt, kennt man auch alles andere. Aber wenn man das Eine vergisst, wird man, egal wie viel man über alles andere auch weiss, sich immer noch im Zustand der Unwissenheit befinden. Wenn man an die Eins Nullen hängt, erhöht sich der Wert. Aber wenn man die Eins beseitigt, besitzt keine der Nullen irgendeinen Wert. Liebe zum Göttlichen Selbst ist für den Menschen die Eins. Wenn ihr diese Liebe zum Göttlichen Selbst einmal erwerbt, erhöht das, auch wenn ihr andere Formen der Liebe aufgebt, noch ihren Wert. Das gesamte Universum ist göttlich. Wer ist Gott, der Herr, der Meister? Die Bewusstheit, die alle Körper, alle Wesen, alle Geschöpfe durch- dringt, ist die Göttlichkeit.

Verkörperungen der göttlichen Liebe! Nur wenn ihr ständig Gottes Na- men wiederholt, könnt ihr Wege finden, euch zu befreien. Wie viel Freu- de, Glück oder Wohlergehen ihr in dieser Welt auch genossen habt, wenn ihr keine Liebe zu Gott empfindet, ist alles vergeblich. Es gibt in

31 diesem Land Indien Millionen Gottesanhänger, die Gottes Namen sin- gen, selbstlos dienen und dies in der ganzen Welt verbreiten. Dienst am Nächsten ist sehr wichtig. Ihr solltet daran glauben, dass Gott in jedem Wesen wohnt, Ihr solltet mit diesem festen Glauben jedes We- sen achten und jedem Wesen dienen und in diesem Dienen euer Ego überwinden. Solange ihr empfindet, dass ihr selber anderen dient, kann man nicht von Dienen sprechen. Ihr müsst anderen in dem Geist die- nen, dass aller Dienst Gott erfreut. Es gibt viele Leute, die helfend die- nen, aber erfahren sie das Ergebnis davon? Ihr müsst den Hauptaspekt des Dienens erkennen. Ihr müsst euch selbst im Dienen vergessen, euch eurer eigenen Göttlichkeit bewusst sein und den Dienst Gott dar- bringen; nur dann ist es wahres Dienen. Der Mensch bindet sich an sei- nen Körper und an andere, liebt seine Individualität und achtet sich selbst, ohne Gott zu lieben. Der erwiesene Dienst ist nur wertvoll, so- lange man Liebe zu Gott empfindet. Sogar wenn der Dienst nur klein ist, wenn er im Geist der Liebe zu Gott getan ist, kommt er einer ge- waltigen Aufgabe gleich.

Verkörperungen der göttlichen Liebe! Wem wird gedient? Wer erweist wem den Dienst? Der, welcher dient, und der, dem der Dienst gilt, sind ein und derselbe. Es gibt nur Einen, der überall gegenwärtig ist. Es gibt nur eine Wahrheit, nicht viele! Nur Eines existiert. Wie viele Gottesna- men ihr auch rezitiert, es gibt nur einen Gott, der viele Namen trägt. Namen sind nicht wichtig, Formen sind nicht wichtig, aber das Emp- finden. Gott liebt das Empfinden und richtet sich nicht nach äusserli- chen Dingen. Diesem Gott solltet ihr im Geiste aufrichtigen Empfindens dienen. In den vergangenen 16 Tagen sind Devotees aus Vijayawada hierher gekommen, haben Bhajans gesungen und den umliegenden Dörfern geholfen. Einige Tausend Devotees aus Shirdi sind hergekommen, nachdem sie verschiedene Tempel und Stätten wie Kanyakumari be- sucht haben. Das ganze Leben wird so zum Dienst. Das Leben sollte in Dienst transformiert werden. Wofür ist der Körper gedacht? Der Kör- per ist zum Handeln gedacht. Gott hat den Körper gegeben, damit man der Welt dient. Ihr solltet den dieser Aufgabe geweihten Körper niemals missbrauchen. Ihr solltet nicht den falschen Weg einschlagen und euch nicht in falscher Gesellschaft aufhalten. Ihr müsst gute Taten tun, um den Körper zu heiligen. Es ist die Hauptpflicht des Menschen, am Dienst an der Gesellschaft teilzunehmen, indem er mit guten Empfindungen gute Werke in Angriff nimmt. Ihr müsst diesen Körper als ein Instrument betrachten, von Gott gegeben, um in dieser Welt mit Liebe zu dienen.

32 Durch Gott findet der Vorgang des Ein- und Ausatmens statt. Gott ist in allen Wesen als der ewige Zeuge anwesend. So’ham: Ich bin Gott. Dieses göttliche Prinzip spiegelt sich im Atemprozess wider, der täglich 21’600 Mal stattfindet. Warum benimmt sich der Mensch so töricht, wenn dies doch die ständige innere Unterweisung der Göttlichkeit ist? Der, welcher tut, und der, welcher das Tun veranlasst sind ein und der- selbe. Ihr solltet jede Bemühung unternehmen, um das Empfinden der Einheit zu entfalten. Für alles gibt es nur einen Gott. Euer Atmen, euer Sprechen, euer Hören, eure Arbeit – alles wird mit nur einem Körper ausgeführt. Ihr wirkt nicht für irgendjemanden sonst, sondern ihr dient euch selbst. Die vier Veden haben der Menschheit vier Lehren gegeben:

Ich bin Gott, du bist DAS, Weisheit ist Gott, dieses Selbst ist wahrhaft Gott.

Wenn der Menschheit solche Lehren übermittelt wurden, warum scheint der Mensch sie dann vergessen zu haben? Auf Schritt und Tritt begegnet dem Menschen überall nur seine eigene Widerspiegelung. Hinter jedem geäusserten Wort kann man die Wahrheit gesprochen se- hen. In jeder Handlung leuchtet Rechtschaffenheit. In jedem Atemzug strahlt die Göttlichkeit. Obwohl ihr ein so göttliches Leben angenom- men habt, handelt ihr als wäret ihr Narren und wüssten nichts. Ihr seid voller Bewusstheit. Im Menschen befindet sich Göttlichkeit, um diese Wahrheit zu verwirklichen.

Ehe ihr esst betet ihr zuvor: “Die Nahrung wird Gott dargebracht.” Aber wo befindet sich Gott? Ihr erhaltet als Antwort ”Ich befinde mich in dir. Du Tor glaubst, du würdest Gott im Aussen etwas darbringen, aber ich bin in dir gegenwärtig; das bedeutet, dass du es tatsächlich deinem ei- genen Selbst opferst.”

Glaubt nicht, ihr verletzt jemand anderen, denn sogar diese Verletzung fügt ihr nur euch selbst zu. Glaubt nicht, ihr würdet jemand anderem schaden, denn sogar diesen Schaden fügt ihr nur euch selbst zu. Ob ihr Gutes oder Schlechtes tut, es wird zu euch zurückkommen. Wen auch immer ihr grüsst und verehrt, es kommt der Verehrung Gottes gleich. Irgendjemanden zu verleugnen bedeutet, sich selbst zu ver-

33 leugnen. Ihr glaubt, ihr würdet jemandem anderem Gutes tun, aber in Wahrheit helft ihr euch selbst. Es gibt nur einen Gott, der in jedem anwesend ist. Das göttliche Prinzip, das auf Einheit beruht, wurde vergessen. Ihr geht auf Pilgerreisen, be- sucht Tempel und singt Gottes Namen, aber die Grundlage dahinter ist Gott. Welcher Name gegeben, welcher Ort auch aufgesucht wird, es gibt nur einen Gott. Ihr vergesst das Einheitsprinzip. Ihr solltet das Prinzip der Einheit in der Vielfalt im Blick behalten. Aber leider seht ihr heute nicht die Einheit in der Vielfalt, sondern ihr seht in der Einheit die Vielfalt. Das ist der falsche Weg. Ihr solltet niemals das Eine in viele aufspalten, sondern ihr solltet die Einheit in der Vielfalt sehen. Das ist der grösste Dienst, den der Mensch Gott erweisen muss. Wo immer ihr hinschaut, es gibt nur einen Gott. Denkt an Gott, der in euch ist. Habt Gott in eurem Herzen und arbeitet unaufhörlich! Denkt an Gott und fahrt mit eurer Arbeit fort – dann wird alle Arbeit Gott erfreuen. Mit diesem Empfinden solltet ihr dienen. Aber ihr scheint heute keinen Glauben an den erwiesenen Dienst zu haben. Ihr habt in all diesen Jahren zugehört, Erfahrungen gemacht, seid nachgefolgt und habt gedient – aber wie viel und was habt ihr erreicht? Was habt ihr erkannt? Worin liegt das Geheimnis? Es gibt überhaupt kein Geheimnis. Ihr solltet euer Verhal- ten weiter entwickeln. In eurem Verhalten sollte ein Wandel stattfinden. Euer Sprechen und eure Sicht sollten sich wandeln.

Seht nur das Gute, sprecht nur das Gute, hört nur das Gute.

Wenn ihr diese drei in Ordnung bringt, wird das Gute spriessen, was euch wiederum hilft, einen guten Ruf zu erwerben. Nur wenn ihr eine gute Sichtweise entfaltet, werdet ihr in der Lage sein, die Befreiung, zu erlangen. Um den Zustand der Befreiung zu erreichen, müsst ihr eine gute Sichtweise entfalten. Wenn ihr Tempel oder Andachtsräume auf- sucht, grüsst ihr den Gott im Tempel. Grüsst ehrfurchtsvoll jeden, wen immer ihr seht, dann wird es Gott erreichen. Kein Körper existiert ohne Gott. Gott wohnt jedem Wesen inne. Ihr habt so vielen Philosophien zugehört, ihr lest weiterhin viele Bücher und besucht viele Orte – aber was bringt das? Der Geist des Menschen ändert sich kein bisschen. Der Dienst am Nächsten wird mit einer hartherzigen Einstellung ver- richtet. Eure Herzen wurden zu Stein. Nein, nein! Der Geist muss weich sein wie Butter, der Intellekt so kühl wie das Mondlicht und das gespro- chene Wort sollte Nektar gleichen. Das sind die wichtigen Werte der

34 Sathya Sai Organisation, dies sind ihre wahren Schmuckstücke. Ihr habt diesen heiligen Schmuck und eine verborgen liegende mächtige Kraft – aber was bringt das? Ihr führt nichts anderes als weltliche Leben. Eure Blicke sollten kühl wie das Mondlicht sein. Es ist die Hauptaufgabe des Menschen, diese höhere Wahrheit zu erkennen und zu praktizie- ren. Eure Blicke sollten nicht hart sein. Eure Worte anderen gegenüber sollten gewinnend sein. Aber ihr benutzt barsche Worte. Aufgrund die- ser barschen Worte schlagt ihr falsche Wege ein. Euer Geist sollte süss wie Honig sein. Das Herz sollte süss wie Honig sein. Eure Worte sollten in keiner Weise barsch sein. Süsse Worte sind eine Gabe, die durch Gottes Gnade der Menschheit gegeben wurden. Obwohl euch dieser Segen gegeben wurde, missbraucht ihr ihn. Statt diese Segensgabe zu missbrauchen, solltet ihr sie in rechter Weise nutzen.

Verkörperungen der göttlichen Liebe! Wie gesegnet die Menschheit ist! Von allen Lebewesen ist die Geburt als Mensch selten und kostbar. Über die Generationen hinweg ist die menschliche Geburt die heiligste der von Gott gegebenen Gaben. Warum missbraucht ihr dieses menschliche Leben? Wenn jemand euch grüsst, antwortet liebevoll. Wenn jemand euch anschaut, grüsst ihn mit einem Lächeln auf dem Gesicht. In keinem Menschen sind heute solche heiligen Eigenschaften zu finden. Ihr haltet euch heutzutage für Devotees, für Gottergebene. Nein, nein. Ihr lauft mit euren Körpern umher, aber der Geist schlägt den falschen Weg ein. Der Geist muss den rechten Weg gehen. Ihr soll- tet gute Taten vollbringen und an gute Dinge denken. Das macht die Achtung im menschlichen Leben aus. Achtung und Wertschätzung für Menschen sollten durch das Verhalten verdient werden. Der Mensch sollte dieses heilige Verhalten verdienen. Der Mensch sollte sich nicht nur als Mensch betrachten. Das Individuum ist Gott. Das ist Indiens hei- lige Philosophie. Individuum und Gott sind nicht voneinander getrennt. Gott ist in allen Wesen gegenwärtig. Es gibt nur einen Gott, der in allen Wesen lebt. Dies ist die Antriebskraft, die heilige Bedeutung. Heiligt eure Leben, indem ihr euer Herz mit solch heiligen Gedanken füllt und im täglichen Leben gute Taten durchführt. Ihr seid als Menschen ge- boren und solltet niemals den falschen Weg einschlagen. Obwohl ihr als Menschen geboren seid, ist euer Geist der eines Affen. Es bringt nichts, euch als Menschen zu betrachten, ohne eure Mentalität und Ein- stellung zu ändern. “Ich bin ein Mensch, ich bin ein Mensch, ich bin ein Mensch” – verdient diese heilige Reputation. Was ist Spiritualität? Spi- ritualität besteht nicht darin, Gottesdienste durchzuführen, Bhajans zu singen oder zu beten. Spiritualität bedeutet, das Tierhafte auszulö-

35 schen und das menschliche Leben in ein göttliches Leben zu transfor- mieren. Das ist wahre Spiritualität. Das tierische Wesen im Menschen muss vernichtet, zerstört und ausgelöscht werden. Solange das tieri- sche Wesen da ist, kann der Mensch die Göttlichkeit nicht erreichen. Die tierischen Eigenschaften nehmen Tag für Tag zu, und das göttliche Wesen wird nicht erreicht. Ihr seid keine Tiere. Ihr solltet anderen keine Angst einjagen, denn ihr seid keine wilden Tiere, um so zu handeln. Ihr seid Menschen, geboren, um allem kühn und mit Mut zu begegnen. Obwohl ihr als Menschen geboren seid und die Göttlichkeit in euch tragt verschwendet ihr eure Zeit.

Verkörperungen der göttlichen Liebe! Vernachlässigt nicht die so oft von Sai Baba wiederholten Worte. Die göttliche Kraft des Menschen ist grenzenlos. Die Wissenschaftler haben ausgiebige Forschungen über diese The- men durchgeführt. Wenn man die kleinsten Teilchen eines Atoms nimmt, entsteht eine mächtige Kraft im Ausmass von Tonnen. Das klei- ne Senfkorn besitzt die Kraft von 12’000 Tonnen. Wenn das Ausmass der Kraft des Teilchens selbst so gross ist, wie viel mehr Kraft hat dann Gott?

Gott ist das Kleinste des Kleinen und das Grösste des Grossen, er ist subtiler als das Subtilste und mächtiger als das Mächtigste.

Nichts existiert darüber hinaus. Deshalb ist es töricht, zu versuchen, das Wesen Gottes als so oder so zu beschreiben. Niemand kann Gott in spezifischer Weise beschreiben. Wie sehr auch immer jemand Gott zu beschreiben sucht, alle Kennzeichnungen gehen an der Realität vor- bei. Alle Beschreibungen Gottes dienen nur zur Befriedigung des Men- schen – es ist eine kleine geringfügige Befriedigung gegenüber dieser unendlichen Macht. Der Geschmack ist im Kleinsten wie im Grössten derselbe. Geht zum Meer, schöpft Wasser in eure Hand und trinkt es. Es wird salzig schmek- ken. Auch wenn ihr einen Krug mit Meerwasser füllt, wird das Wasser salzig sein. Der Unterschied liegt in der Quantität, aber die Qualität ist dieselbe. Ihr müsst nach eurer Qualität suchen. Die in euch liegende Qualität ist in Wirklichkeit makellos. Gott sieht immer die Qualität, nicht die Quantität. Auch wenn Tonnen von Eselsmilch da sind, sind sie nutz- los, aber ein Teelöffel Kuhmilch reicht aus und gibt euch grössere Be-

36 friedigung. Auch wenn die Menge geringer ist, könnt ihr sie freudig trin- ken. Strebt nicht nach dem was mehr ist, seid nicht habgierig. Habgier ist sehr schlecht. Sie verursacht Leid. Geniesst die kleinen Dinge in der Fülle. Daraus werdet ihr unendliches Glück erhalten.

Verkörperungen der Liebe! In der heutigen Welt suchen zahllose Men- schen nach Gott und folgen verschiedenen Pfaden. Wenn man sie nach ihrem Tun fragt, antworten sie, sie würden Gott suchen. Was genau ist diese Suche nach Gott? Wo befindet sich Gott? Gott ist allgegen- wärtig. Hier, dort und in jedem ist Gott anwesend. Warum sollte man nach so einem Gott suchen? Wo immer ihr hinschaut ist Gott. Glaubt nie, dass er an einem Ort sei, aber nicht an einem anderen. Wo immer ihr sucht, er ist dort. Prahlada war ein Schüler, aber er wusste das. Als er zum Unterricht geschickt wurde, setzten ihn seine zwei Lehrer harten Strafen aus. Aber Prahlada kümmerte all das nicht: Gott war sein höch- stes Ziel. Er sah alles als Narayana (Gott). Sein Vater rief ihn einst zu sich: „Du hast so viele Dinge erlernt. Wiederhole sie!“ Er erwiderte: „Die Lehrer haben mich zum Lernen gebracht, ich habe viel gelernt. Ich habe die Geheimnisse des Wissens studiert.“ Der Vater fragte ihn nach die- sem Geheimnis. Prahlada antwortete: „Ich verneige mich vor Gott Narayana”. Seinem Vater schwindelte der Kopf. Er schlug seinen Sohn und warf ihn hinaus. Sein Vater hasste Gott. Der Sohn liebte Gott. Prahl- ada war voller Liebe. Welch ein Unterschied zwischen Liebe und Hass! Nur wenn die Worte von Liebe erfüllt sind kann das menschliche Wesen in Göttlichkeit transformiert werden.

Verkörperungen der Liebe! Empfindet niemals Hass, entwickelt nie Ei- fersucht, versagt niemals dabei, das Ego auszulöschen. Vernichtet als erstes euer Ego! Dann verliert das Ego seine Stellung, und an seiner Stelle wird Liebe erblühen. Nur durch Liebe könnt ihr Gott erreichen. Wie melodiös ist Gottes Lied! Dieses Gefühl wird nur von denen freu- devoll erfahren, die dieses Empfinden besitzen, nicht von denen, die es bloss hören.

Verkörperungen der Liebe, wenn es euch nicht möglich ist, irgendeine spirituelle Disziplin wie Beten des Rosenkranzes, Meditation oder Yoga durchzuführen, dann wiederholt Gottes Namen. Fangt nicht irgendwel- che bedeutungslosen spirituellen Disziplinen an. Wählt den leichten Weg. Im Goldenen Zeitalter (yuga) war Meditation der Weg, im Silber- nen Zeitalter spirituelle Opferhandlungen, im Kupfernen Zeitalter Ver- ehrung, und im Eisernen Zeitalter ist es die Wiederholung des Namens

37 Gottes. Singt den göttlichen Namen. Es gibt keinen leichteren Weg, Gott zu erreichen. Versucht deshalb euch zu erlösen, indem ihr Gottes Namen wiederholt. Nichts geht darüber hinaus.

Verkörperungen der Liebe, Schüler und Studenten, Pilgerreisende und Dienende, alle verrichten Dienst am Nächsten, hören Geschichten über Gott zu, singen zur Ehre Gottes, denken an Gott, verehren die Füsse des Herrn, Verneigen sich und beten Gott an, dienen dem Herrn, halten Freundschaft mit ihm. – Die Menschen versuchen die Göttlichkeit zu erreichen, indem sie diese neun Wege der Hingabe einschlagen. Aber trotz der vielen Wege gibt es nur ein Ziel. Erreicht deshalb dieses Ziel. Entfernt euch nicht von dem Ziel. Kritisiert Gott nicht. Handelt niemals Gott entgegen. Entwickelt keine Selbstsucht. Selbstsucht wird euch da- hin bringen, nur um euch selber zu kreisen und wird euch von der Spi- ritualität entfernen. Ihr müsst deshalb euer Eigeninteresse opfern und andere lieben. Weiht euch Gott. Nur wenn ihr einen so heiligen Weg einschlagt, werdet ihr göttliche Energie erhalten. Heute sind einige tausend Menschen aus Shirdi hergekommen. Sie alle sind auf Pilgerfahrt gegangen, haben heilige Plätze aufgesucht, sich an die heiligen Namen Gottes erinnert und heute Prashanti Nilayam er- reicht. Aber die Hauptsache von all diesem ist die Wiederholung des Namens Gottes. Die Pilgerzentren mögen unterschiedlich sein, aber der Bewohner ist in allen derselbe. Ohne den Bewohner Gott ist es überhaupt kein Pilgerzentrum. Egal wie viele Plätze man besucht, ihr müsst euer Herz rein halten. Ihr müsst den Gebrauch barscher Worte reduzieren. Ihr solltet aufhören, schlecht von anderen zu reden. Denkt nicht an andere. Ihr solltet nur an das Göttliche denken. Das allein ist wahre spirituelle Disziplin. Dient, helft anderen in dem euch möglichen Ausmass. Ein kleines Beispiel dazu: Viele ehemaligen Schüler und Studenten ge- hen in die Dörfer, wie zum Beispiel nach Brahmanapalli, Bidupalli und Yenumulapalli und leisten dort Hilfsdienste. Sie dienen ihren Nächsten, aber in welcher Weise? Der Dienst muss im richtigen Empfinden getan werden: „Sir, wir sind hierher gekommen um euch zu helfen. Nimm auch du daran teil. Schliesse dich uns an, lerne und diene gemeinsam mit uns. Menschen kommen von aussen und helfen in den Nachbardörfern. Wenn du lernst, wie man helfen kann, kannst auch du den Dörfern re- gelmässig dienen. Weil die Dörfer sehr unhygienisch und voller Abfall sind leiden wir und unsere Kinder an ernsthaften Krankheiten.“ Die Dör- fer müssen sauber gehalten werden. Das Wasser muss gereinigt wer- den und alle müssen reine Luft einatmen können. Nur dann werden

38 auch die Herzen rein sein. Gute Blicke, gute Worte, Gutes hören, gute Arbeit und gute Gedanken – wenn all diese fünf rein und heilig sind, wird man heilig werden. Nur dann erhaltet ihr das was ihr verdient. Die Einheit mit Gott wird erreicht werden. Das Bewohnen der gleichen Him- melssphäre, Nähe zu Gott, Identität mit Gott und Verschmelzung mit Gott. Zuerst sollte man Gott nahe sein, Nähe gewinnen, sich in der Iden- tität mit Gott verankern und schliesslich mit Gott verschmelzen. Der Fluss strömt aus weiter Entfernung und vereint sich nach einer langen Reise schliesslich wieder mit dem Meer. Wozu ist der Fluss geboren? Um wieder in den mächtigen Ozean einzugehen. Dasselbe gilt für den Menschen. Wozu ist der Mensch geboren? Nicht nur um Bequemlich- keiten und Freuden zu geniessen und einfach glücklich zu sein. So- lange ihr lebt könnt ihr euch an was auch immer erfreuen, aber ihr solltet schliesslich wieder in das Göttliche eingehen. Fragt euch selbst, warum ihr dieses Leben erhalten habt: Ihr seid gekommen, um mit Gott zu ver- schmelzen. Ihr seid gekommen, um Gott zu sehen und zu erfahren. Aber was erfahrt ihr stattdessen? Ihr erfahrt Gott nicht, ihr schaut Gott nicht und werdet nicht mit Gott eins. Ihr seid gekommen, um die Welt zu erfahren, ihr lebt mit der Welt und vergeht in der Welt. Ist das der Sinn des menschlichen Lebens? Dieser niedrige Weg macht nicht das menschliche Leben aus. Das menschliche Leben ist heilig, es ist gött- lich, es ist erhaben. Ihr macht dieses Leben bedeutungslos.

Studenten, Pilger! Schlagt alle den heiligen Weg ein, heiligt eure Leben, indem ihr den göttlichen Namen singt. Es ist nicht möglich, eure Zeit auf andere Weise zu heiligen. Sogar während des Gehens könnt ihr den Namen singen. Sogar während ihr schlaft, kann es getan werden. Das Wiederholen des Namens kann während dem Sitzen geschehen. Während ihr reist könnt ihr Gottes Namen wiederholen. Kein Hindernis steht der Wiederholung im Weg. Für alles gibt es ein Hindernis. Wenn wir etwas wollen, müssen wir dafür Gebühren zahlen. Sogar wenn der Fluss nahe ist, müssen wir etwas bezahlen, um Wasser zu holen. Um Strom zu bekommen müsst ihr die Stromrechnung bezahlen. Aber für die Wiederholung des göttlichen Namens braucht ihr keine Gebühr zu bezahlen. Niemand befragt euch deswegen und keine Schwierigkeit ist damit verbunden. Es ist so einfach erhältlich. Warum seid ihr nicht in der Lage es zu tun? Der Mensch lässt sich das leicht Erhältliche heut- zutage durch die Finger rinnen. Er hält das was schwierig zu bekommen ist für gut. Es ist eine falsche Vorstellung. Das leicht Erhältliche ist heilig. Gottes Liebe ist ohne Schwierigkeit und ohne Leid zu erhalten und ihr bekommt sie leicht wo immer ihr auch seid. Diese Liebe ist wahre Hin-

39 gabe. Ohne diese Liebe gibt es keine Hingabe. Wie viele Rosenkränze ihr auch betet, wie viel Askese, Meditation, Yoga und rituelle Opfer- handlungen ihr auch vollbringt – Liebe zu Gott ist der Lebensatem selbst. Ohne Liebe könnt ihr nicht einmal eine kleine Handlung durch- führen. In jeder Angelegenheit, ob weltlich oder nicht weltlich, ist die Liebe das Wichtigste. Für alle Suchenden, ob sie Reichtum hinterher jagen oder Wissen suchen, ist Liebe das wichtigste. Im Theismus wie im Atheismus, ist Liebe das Wichtigste. Entwickelt diese heilige Liebe. Ihr solltet niemals jemanden kritisieren, niemals jemanden beschuldi- gen, euch niemals über jemanden lustig machen, sondern ihr solltet an- dere erfreuen indem ihr sie liebt. Eure Bemühungen andere zu erfreuen ist spirituelle Disziplin. Erfahrt den leichten Weg, erfahrt dadurch Glück und heiligt so eure Leben.

40 12. März Shivaratri, abends (Vor der Hervorbringung des goldenen Lingas)

Idole sind Wegweiser zur Göttlichkeit

Gott ist die Grundlage des Universums. Wahrheit ist Gottes Essenz. Die Tugend erhabener Seelen ist Wahrheit. Solch erhabene Seelen sind wahrhaft göttlich.

Verkörperungen der Liebe! Unsere Vorfahren erforschten mittels vieler Wege das Wesen der Göttlichkeit, aber es gelang ihnen nicht, die Wirk- lichkeit zu erkennen. Deshalb begannen sie die Schöpfung zu vereh- ren. Danach begannen die Inder, Idole zu verehren. Jedes in dieses Universum geborene Geschöpf hat eine Form. Weil Idole leblos sind und nicht die Eigenschaften des Mitgefühls, der Liebe, der Duldsamkeit usw. besitzen, sind manche Menschen gegen die Verehrung von Ido- len. Diese Einstellung beruht auf Unwissenheit. Um auf eine bestimmte Sache wie eine Blume oder einen Becher zu zeigen, benutzt ihr euren Zeigefinger. In entsprechender Weise sind Idole gleichsam Wegweiser zur Göttlichkeit. Wenn ihr die Göttlichkeit einmal erkennt, braucht ihr die Wegweiser, die Idole, nicht mehr. Ist es in dieser Situation nicht tö- richt, die Verehrung von Idolen abzulehnen? Verehrt ihr nicht die Bilder eurer Eltern und Grosseltern? Sind diese Bilder lebendig? Nein, und sie besitzen auch keine Eigenschaften wie Mitgefühl, Liebe, Opfergeist usw. Was bringt es dann, diese Bilder zu verehren? Diese Bilder erin- nern euch an die Tugenden und die Ideale, welche die Eltern und Gros- seltern verkörperten. Nehmt zum Beispiel einen Hundert-Rupien- Schein von der Grösse von 18 x 10 cm. Diese Banknote besitzt weder Leben noch die Tugenden der Liebe, des Mitgefühls usw. Dennoch lie- ben die Leute sie und wollen sie besitzen. Gibt es irgendjemanden in dieser Welt der Geld nicht mag? Jeder liebt Geld, unabhängig vom Land oder von der Religion. Es gibt unzählige Beispiele dafür, dass Leute ihr Leben um des Geldes willen aufgaben. Das Geld erhält seinen Wert durch das Siegel der Regierung. Entsprechend achten wir die Landes- flagge wegen des Wertes, den sie symbolisiert, obwohl sie nichts als ein lebloses Stück Stoff ist. Wenn man die Verehrung von Idolen als töricht betrachtet, sollte dasselbe für die Liebe zum Geld und die Ach-

41 tung für die Nationalflagge gelten, die genau so leblos sind. Der Mensch gründet seine Glaubenssätze auf seine Vorlieben und Abneigungen.

Jedes Wesen verkörpert Gott. Es heisst auch, Gott wohnt allen Wesen inne. Er ist in allen Wesen in der Form von Bewusstsein gegenwärtig. Gott ist Meister der sechs Formen des Wohlstands: Rechtes Handeln, Wohlstand, Ruhm, Kraft, Weisheit und Loslösung. Ishvara (Gott) hat noch einen anderen Namen, nämlich Shankara. Dieser bezieht sich auf die Glückseligkeit des Bewusstseins und auf die Glückseligkeit des Göttlichen Selbst. Shankara ist also jemand, der ewige Glückseligkeit verleiht. Jedem Wort wohnt eine tiefe innere Bedeutung inne. Nehmt zum Beispiel den Namen Sathya Sai. Sathya steht für Rigveda; sa, a und ya in Sai stehen jeweils für Samaveda, Atharvaveda und Yajurve- da. Deshalb ist Sathya Sai die Personifizierung der vier Veden selbst. Was bedeutet der Begriff Linga (Hiranyagarbha)? Er ist ein Symbol für die Göttlichkeit, da das Linga weder Anfang noch Ende hat. Im Herzen eines jeden Menschen befindet sich die Göttlichkeit in Form des Hira- nyagarbha. Hridaya (Herz) bedeutet das, was mit Mitgefühl (daya) er- füllt ist. Demzufolge ist die Göttlichkeit die Verkörperung des Mitge- fühls. Die Menschen sind heutzutage nicht fähig, das Prinzip der Göttlichkeit zu verstehen. Obwohl sich die Formen der Verehrung unterscheiden, richten sie sich alle auf die verschiedenen Formen desselben Gottes. Ob ihr ihn Rama, Krishna oder Ishvara nennt, alle sind eins. Sie be- ziehen sich auf denselben Gott. Jeder Mensch verehrt eine bestimmte Form entsprechend seiner persönlichen Vorlieben. Manche Menschen verehren Rama, weil sie sich von Ramas Name und Form angezogen fühlen. Es heisst: “Rama ist der, welcher die Herzen eines jeden an sich zieht.” Heute ist Shivaratri, das bedeutet: die Segen bringende Nacht. Shiva symbolisiert den Atemprozess “So’ham“, der in jedem Menschen statt- findet. Er wird Hamsa-Gayatri genannt. „Ham“ bezieht sich auf "ich", und “so“ bedeutet Gott. Diese Botschaft „Ich bin Gott“ wird 21’600 Mal am Tag durch den Atemvorgang vermittelt. Seit alten Zeiten sind solche Lehren verbreitet und praktiziert worden. Es ist der Finger, der auf eine Blume zeigt. Entsprechend verweisen Idole auf die Göttlichkeit. Aus diesem Grund kann man die Verehrung von Idolen nicht als töricht ansehen. Missachtet niemals Idole im Glau- ben, sie seien leblos. Sogar in leblosen Dingen befindet sich Bewusst- sein. Dieses Bewusstsein ist im Kleinsten bis zum Grössten gegen- wärtig. Aus eurer Sicht mag ein Objekt leblos erscheinen, aber aus

42 vedischer Sicht ist alles Bewusstsein. Es ist töricht, die Existenz von Bewusstsein, nicht wahrzunehmen. Man mag nun fragen: Wenn Be- wusstsein allgegenwärtig ist, warum ist es dann dem blossen Auge nicht sichtbar? Wie ihr alle wisst, enthält jeder Tropfen Milch Butter. Könnt ihr die Existenz der Butter abstreiten, nur weil sie dem blossen Auge nicht sichtbar ist? Um Butter zu erhalten, muss man die Milch ge- rinnen lassen und dann zu Butter verarbeiten. Zwei Irrtümer machen es dem Menschen unmöglich, dieses Prinzip des Bewusstseins wahrzunehmen:

1. Er übersieht seine eigenen unzähligen Fehler, und 2. er bauscht die kleinsten Fehler anderer auf.

Man kann die Göttlichkeit nur dann erreichen, wenn man aufhört, seine eigenen Fehler zu verbergen und die der anderen herauszustreichen. Nach den Fehlern anderer zu suchen ist eine grosse Sünde. Sucht statt- dessen nach euren eigenen Fehlern. Betrachtet euren kleinsten Fehler als ein grosses Vergehen und versucht, diesen Fehler zu korrigieren. Ignoriert die Fehler anderer, egal wie gross sie sein mögen. Kritisiert nicht andere, sondern kritisiert und hinterfragt stattdessen euch selbst: “Ich bin als Mensch geboren; ist das die Art und Weise, wie ich mich verhalten sollte?“ Wahre spirituelle Disziplin besteht darin, die eigenen Fehler zu entdecken und sie zu korrigieren. Es umfasst das Aufgeben schlechter Neigungen und das Entwickeln edler Charakterzüge. Das ist spirituelle Disziplin (sadhana). „Sa“ symbolisiert die Göttlichkeit, die alle Formen des Wohlstandes (dhana) verkörpert. Heute steigt die Zahl der Menschen, die nach den Fehlern anderer suchen, ständig an. Das ist Ursache für die Friedlosigkeit in der Gesellschaft. All jene, die Frie- den wollen, sollten ihre Fehler beseitigen. Nur dann könnt ihr die Gött- lichkeit verwirklichen.

Der Mensch wird zur Beute seines Zorns. Wer wird durch diesen Zorn beeinträchtigt? Nicht die anderen, sondern nur er selbst. Es heisst:

Zorn ist der eigene Feind, Frieden ist der Schutzschild, Mitgefühl ist der wahre Verwandte, Glück ist wahrhaft der Himmel und Leid die Hölle. (Gedicht in Telugu)

43 Bemüht euch deshalb, euren Zorn zu beherrschen. Glaubt nicht, ihr wä- ret anderen überlegen. Wo ist Gott? Er ist in jedem Menschen und in jedem Lebewesen an- wesend. Deshalb heisst es: Gott wohnt allen Wesen inne. Gott nimmt die Form des Menschen an. Wenn ihr alle als göttlich wahrnehmt, wer- det ihr euch nie in Kritik ergehen. Gott beurteilt einen Menschen nach seinen Gefühlen, nicht nach seinen Handlungen. Gott liebt das Gefühl, nicht das Äussere. Bemüht euch deshalb, eure Schau nach Innen zu richten. Ein wahrer Mensch schaut nach innen. Sobald ein Tier ein grü- nes Fleckchen Land erspäht, rennt es sofort zu der Stelle ohne das Für und Wider abzuwägen. Es ist des Menschen Pflicht, sein Unterschei- dungsvermögen zu nutzen und dementsprechend zu handeln. Der Mensch sollte sich immer seiner Pflichten bewusst sein; ansonsten muss er einen schweren Preis zahlen. Wenn ein Bus oder ein Flugzeug verspätet ankommen, beginnen die Passagiere all die für die Verspä- tung Verantwortlichen wegen mangelnder Sorgfalt bei der Pflichterfül- lung zu kritisieren. Entsprechend wird der Mensch zur Zielscheibe von Kritik, wenn er seine Pflichten nicht sorgsam erfüllt. Ehe er nicht die menschlichen Werte Wahrheit, Rechtes Handeln, Frie- den, Liebe und Gewaltlosigkeit praktiziert, kann der Mensch nicht Mensch genannt werden. Diese Werte sind gleichsam die fünf Lebens- atem des Menschen. Das Fehlen dieser Lebenshauche kommt einem lebenden Tod gleich. Jeder ist für seinen eigenen Niedergang verant- wortlich. Der Mensch vernichtet sich selbst durch das Nichterfüllen die- ser menschlichen Werte.

Verkörperungen der Liebe! Liebe ist euer grösster Besitz. Entwickelt Liebe und sprecht immer die Wahrheit. Die Wahrheit klingt bitter, wo- hingegen die Menschen durch Falschheit leicht zu erfreuen sind. Die Menschen schätzen nicht die Milch, die an ihre Türschwelle gebracht wird, aber sie sind bereit, kilometerweit zu reisen, um eine Flasche Schnaps zu trinken. Falschheit ist zur Tagesordnung geworden. Lüge mag andere erfreuen, aber nicht euer Gewissen. Strebt danach, euer Gewissen zufrieden zu stellen, bevor ihr andere zufrieden stellt. Folgt unter allen Umständen dem Weg der Wahrheit. Falls das Sprechen der Wahrheit euch in Gefahr bringt, bewahrt Schweigen. Ein Einsiedler war tief in die Kontemplation über Gott versunken. Er hat- te gelobt, immer die Wahrheit zu sprechen. Gott Ishvara wollte ihn te- sten. Gott nahm die Gestalt eines Jägers an und verfolgte einen Hirsch, der sich aus Angst hinter einem Busch in der Nähe der Einsiedelei ver- steckte, was der Einsiedler bemerkte. Als der Jäger fragte, wo der

44 Hirsch sei, befand sich der Einsiedler in einem Dilemma. Er konnte nicht Unwissenheit vorschützen und behaupten, er hätte den Hirsch nicht ge- sehen, denn das wäre eine Lüge. Zugleich konnte er nicht das Versteck des Hirsches aufdecken, weil der Jäger es dann töten würde, und er dadurch an einem Verbrechen teilhätte. Er betete fieberhaft zu Ishvara, ihm einen Ausweg zu zeigen. Durch Gottes Gnade erhielt er blitzartig einen grossartigen Einfall. Gott ist immer mit dir, in dir, um dich herum und über dir und führt und beschützt dich. Warum sich fürchten, wenn er doch nahe ist? Der Einsiedler erwiderte: “Oh Jäger, das was sieht (das Auge) kann nicht sprechen, und das, was spricht (die Zunge) kann nicht sehen.“ Durch diese kluge Antwort hielt der Einsiedler an der Wahrheit fest und schützte zugleich das Leben des Hirsches. Ishvara manifestierte sich daraufhin in seiner wahren Form und erklärte: “Diese Klugheit, die sowohl deine Interessen als auch die der anderen schützt, ist wahres Yoga.“ Aus diesem Grund heisst es: “Wahrheit ist das Leben der Zunge, rechtes Handeln das Leben der Hände, Gewaltlosigkeit das Leben des Herzens.”

Shivaratri wird gefeiert, um den Menschen die Bedeutung dieser Werte zu lehren. Shiva steht auch für Demut. Jemand mit Demut ist Shiva, segensreich, freundlich, gütig, jemand mit Ego hingegen ist wahrhaftig ein Leichnam. Durch ständiges Beten kann der Mensch jede schwierige Situation überwinden. Ihr solltet erhabene Gedanken entfalten und den Bedürf- tigen helfen. Verletzt niemanden. Der Schaden, den ihr anderen zufügt, wird, gleich einem Bumerang, auf euch zurückkommen. Kritik und Be- schuldigung sind weltliche Wesenszüge und negativer Natur. Entwik- kelt positive Neigungen. Was bringt all eure Bildung, wenn ihr eure üb- len Neigungen nicht aufgeben könnt?

Trotz all seiner Bildung und Intelligenz wird ein törichter Mensch sein wahres Selbst nicht erkennen, und ein niedrig gesinnter Mensch wird seine üblen Eigenschaften nicht aufgeben. Die moderne Bildung führt nur zu Argumentation, nicht aber zur vollkommenen Weisheit. Was bringt das Erlangen weltlicher Bildung, wenn es einen nicht zur Unsterblichkeit führen kann? Erwerbt das Wissen, das euch unsterblich machen wird. (Gedicht in Telugu)

45 Man erhält Verdienst, indem man anderen dient, und sündigt, indem man andere verletzt. Hilf immer, verletze nie. Das ist die Essenz der 18 heiligen Epen. Lass es dich nicht bekümmern, wenn du selber zu leiden hast, aber füge anderen kein Leid zu. Gott wird für dich sorgen. Euer Verhalten sollte eurer menschlichen Geburt ebenbürtig sein. Mo- ral und Integrität sind die Lebensprinzipien der menschlichen Rasse. Entwickelt Moral und führt ein ehrliches Leben. Nur dann könnt ihr das Gottesprinzip erlangen. Die in der Vielfalt liegende Einheit zu verwirklichen, ist die Hauptlehre von Indiens Kultur. Aber aufgrund seiner Engstirnigkeit spaltet der Mensch heutzutage die Einheit in Vielfalt auf.

Verkörperungen des Göttlichen Selbst! Gebt Empfindungen von „ich und mein“ niemals Raum. Erkennt als erstes euch selbst. Fragt euch selbst: “Wer bin ich?“ Wenn ihr wisst, wer ihr in Wahrheit seid, werdet ihr die Einheit von allem erkennen. Wenn ihr erkennt, dass ihr die Ver- körperung des Göttlichen Selbst seid, werdet ihr wissen, dass alle an- deren ebenfalls die Göttlichkeit verkörpern. In eurem täglichen Leben ist es jedoch auf der Grundlage von Bekenntnis, Stand und Beruf schwierig, diese Gleichheit zu erkennen. Was ist Spiritualität? Wahre Spiritualität besteht darin, tierische Eigen- schaften zu beseitigen und sich zur Ebene der Göttlichkeit zu erheben. Wahre Spiritualität ist das, was mit dem ewigen Atman in Verbindung steht. Wahre Spiritualität besteht in der Erkenntnis der Wahrheit, dass ich und du eins sind. Als Dharmaraja Krishna die erste Opfergabe anbot, empfand der ver- ruchte Shishupala, dass Krishna es nicht verdiente. Er beschimpfte Krishna unaufhörlich und sagte: “Glaubst du, dir stünde diese Ehre zu, weil du die Saris der Gopikas stahlst, während sie badeten, oder weil du den Gopikas Streiche spieltest? Beende diese Selbstüberschätzung und halt deinen Mund!“ Krishna erwiderte lächelnd: “Ja, du hast recht, und du sprichst die Wahrheit.“ Dharmaraja fühlte sich zutiefst verletzt, fiel Krishna zu Füssen und sag- te: “Oh Herr, wie kannst du angesichts solch harter Kritik weiterhin lä- cheln? Du magst lächeln, ich aber vergiesse Tränen des Leids.“ Krish- na erwiderte daraufhin: “Dharmaraja, Lob oder Anschuldigung beziehen sich auf den Körper, nicht aber auf Atman, das Göttliche Selbst. Warum sollte man sich deprimiert fühlen, wenn man kritisiert wird, und grossartig, wenn man gepriesen wird? Tatsächlich kritisieren wir selber unseren Körper, weil er verschiedenen Krankheiten Raum

46 gibt und uns leiden lässt. Erkenne deshalb, dass, wer immer deinen Körper kritisiert, dir in Wirklichkeit einen Gefallen tut.“ Dharmaraja war über Krishnas Erwiderung tief ergriffen und erkannte: “Weil es heutzutage an solchen Lehrern mangelt, leiden die Leute an Unwissenheit.“ Wie stand es mit Duryodhana? Er war kein Unwissender, aber obwohl er alles wusste, verfiel er dem Weg der Unwissenheit. Er forderte Dhar- maraja ebenfalls auf, den Mund zu halten. Was ist Schweigen? Man sollte niemals schlecht von anderen spre- chen. Aus Schweigen kann kein Streit entstehen. Grüsse die, welche dich beleidigen. Erwidere Beleidigung nicht mit Kränkung. Wenn du in derselben Weise wie dein Gegner handelst, wie kannst du dann wach- sen? Wenn du behauptest, der andere handle falsch, dich aber in der- selben Weise verhältst, bist du dann im Recht? Handle niemals in die- ser Weise! Lass die, welche dich beleidigen, mit ihrem kränkenden Verhalten fortfahren. Du solltest niemals reagieren. Wünsche jedem Wohlergehen. Wenn alle glücklich sind, schliesst es dich mit ein. Wir beten für das Wohlergehen, den Wohlstand und die Gesundheit von allen. Wünsche niemals einer anderen Person Unglück. In dieser Welt ist kein Raum für Hass. Alle sind Freunde. Wenn du in dieser Weise beharrlich bleibst, jedem Gutes wünscht und für ihr Wohlergehen betest, wirst du ein Vor- bild für die ganze Welt. Allein um dieses Vorbilds willen bist du in diese Welt geboren worden. Hinter der Erschaffung eines jeden Einzelnen liegt ein Zweck. Aus diesem Grund hat Gott dich geschaffen. Und dafür ist dir die Fähigkeit zu lieben geschenkt worden. Handle entsprechend deinem Gewissen. Weihe Gott jede deiner Handlungen.

Oh Herr! Das Herz, das du mir geschenkt hast, und all seine Handlungen bringe ich dir wieder dar. Mit was sonst könnte ich deine Füsse verehren? Bitte nimm es, zusammen mit meiner ehrerbietigen Verneigung, an. (Gedicht in Telugu)

Der Gläubige sagt: “Liebe ist die eine wertvolle Gabe, die du mir ver- liehen hast. Es ist meine Pflicht, diese Liebe mit all meinen Mitmen- schen zu teilen. Das ist das Kennzeichen dafür, dass ich deine Gabe verstanden habe.“ Jemand der von Zorn, Hass und Neid erfüllt ist, wird von all jenen gemieden, die ihm nahe sind, einschliesslich seiner Frau und seiner Kinder. Deshalb solltet ihr diese üblen Neigungen vermei-

47 den. Wenn ihr das Liebesprinzip versteht, werden all diese schlechten Neigungen euch von selbst verlassen. Das Menschsein ist in der Es- senz göttlich. Wenn ein Kind geboren wird ist es natürlicherweise rein, aber wenn es heranwächst beginnt es mehr und mehr, schlechte Ten- denzen zu entwickeln. Die schlechten Neigungen sind eure eigene Schöpfung, und sie werden letztlich euer Menschsein selbst zerstören. Ruiniert nicht euer menschliches Wesen. Wie heilig, erhaben, demütig und wertvoll das Menschsein ist! Diese erhabene Menschlichkeit wird von euch bewusst ruiniert. Schadet anderen niemals, um eurer selbst- süchtigen und habgierigen Wünsche willen. Freut euch am Glück der anderen. Nur dann werdet ihr das Menschsein verwirklichen. Ihr seid als Mensch geboren; werdet nicht niedrig. Grausamkeit ist das Wesen von Tieren. Wenn ihr andere verletzt, verliert ihr eure Menschlichkeit und werdet zum Tier. Wenn ihr andere bedroht, werdet ihr zum wilden Tier. Wenn ihr euch von jemandem ängstigen lasst, werdet ihr zum Beu- tetier. Ihr seid weder ein jagendes Raubtier noch ein Beutetier. Ihr seid Menschen. Verletzt niemals jemanden. Pflegt die Haltung des inneren Glücks in euch. Dann werdet ihr doppelt glücklich sein. Gott sagt stän- dig: “So sei es, so sei es.“ Wie du es wünscht, so wird es geschehen. Wenn deine Absichten schlecht sind, wird Schlechtes die Folge sein. Wenn du immer mit guten Absichten erfüllt bist, werden diese gleicher- massen von Gott gesegnet sein. All eure Handlungen werden als Folge die entsprechende Reaktion bewirken. Vielleicht nicht sofort, aber das Ergebnis kommt mit Sicherheit früher oder später. Ihr solltet deshalb leben, ohne andere zu verletzen und ohne von anderen verletzt zu wer- den, und in dieser Weise ein glückseliges Leben führen. Nutzt euer Wis- sen in guter Weise. Schenkt Achtung und erhaltet Achtung. Das ist wah- res Menschsein. Liebt und werdet wiederum geliebt. Eure Ausbildung ist dafür gedacht, solche Tugenden zu entfalten.

Die Studenten erlernen irgendein begrenztes Fachgebiet. Welchen Wert hat so eine Spezialisierung? All diese akademischen Unterneh- mungen sind im Wesentlichen negativ. Es gibt ein Sprichwort in Telugu, ein Wäscher sei besser als ein Gelehrter. Wenn der Wäscher die Klei- dung von eurem Haus einsammelt, stellt ihr eine detaillierte Liste von Anzahl und Art der Kleider auf, zumindest durch ein paar Striche an der Wand, wenn nicht irgendwo sonst. Aber der Wäscher braucht diese Mittel nicht, sondern bewahrt alle Informationen in seinem Kopf und gibt euch eure Kleider ordnungsgemäss gewaschen und gebügelt zurück. Was hat er studiert? Ihr solltet positive Dinge lernen. Eure Erziehung

48 und Ausbildung sollte der Gesellschaft als Ganzem zugute kommen. Nur wenn ihr anderen helft, werdet ihr rein. Unsere Vorfahren verehrten die Natur. Es ist die Natur, die uns Nah- rung, Kleidung und Schutz gibt. Darüber hinaus schenkt sie uns kost- bare Metalle wie Gold und Silber. Was ist dann falsch daran, die Natur zu verehren? All die Arten der Verehrung, die unsere Vorfahren prak- tizierten, waren überaus heilig. Mutter Erde, die Kuh, die Veden und die eigene Mutter müssen verehrt werden. Weil die Menschen aufge- hört haben, Gott zu verehren, finden wir in der ganzen Welt Chaos. Die Leute werden in Leid gestürzt, weil sie das Vertrauen in das Selbst ver- loren haben. Was bringt ein Leben ohne Selbstvertrauen? Allein die Verehrung Gottes kann die Nation schützen. Wenn die Menschen be- ginnen an Gott zu denken, wird das Land mit Fülle und Wohlergehen gesegnet sein, und die Menschen werden ein glückliches Leben führen. Im Rahmen unserer täglichen Gebete wiederholen wir dreimal den Frie- densmantra (shanti, shanti, shanti). Was bedeutet das? Ihr solltet auf drei Ebenen, nämlich der körperlichen, mentalen und spirituellen Frie- den erlangen. In der äusseren Welt findet ihr keinen Frieden. In Wahr- heit liegt der Friede in euch. Bemüht euch, euren inneren Frieden zu manifestieren.

Verkörperungen der Liebe! Verbringt die ganze Nacht mit dem Singen des heiligen Namens, und gebt diese spirituelle Energie an die ganze Welt weiter. Wer ist Shiva? Er ist allgegenwärtig. Ebenso wie der Wind unbegrenzt überall weht, so finden wir das Göttliche Prinzip überall ge- genwärtig. Teilt eure Liebe mit allen und verbreitet den göttlichen Na- men in der ganzen Welt.

49

13. März Shivaratri, morgens

Realisiert die innere Magnetkraft

Mit der tanzenden Mondsichel auf dem Haupt, den wogenden verfilzten Locken, zwischen denen die kühlen Wasser des Ganges fliessen, das dritte Auge mitten auf der Stirn milchig scheinend, der purpurne Nacken gleich einer schimmernden schwarzen Beere funkelnd, mit der Kobra als Armreifen an der Hand, mit einem Gürtel aus Schlangenhaut, der gesamte Körper mit Asche beschmiert, die Stirn geschmückt mit dem roten Kumkum-Punkt, die Lippen durch den Saft vom Betel gerötet, die mit Gold verzierten diamantenen Ohrringe schwingend, der ganze dunkelhäutige Körper glühend, weilt der Herr von Kailas, der König der Könige, heute in Person in eurer Mitte.

Verkörperungen der göttlichen Liebe! Die gesamte Erde ist von Ma- gnetkraft durchdrungen. All die Lebewesen und Dinge auf dieser Erde besitzen ebenfalls diese magnetische Kraft. Die strömenden Flüsse, die wehenden Winde, die blühenden Blumen usw. – alles ist mit ma- gnetischer Kraft versehen. Aufgrund der Magnetkraft fliessen die Flüs- se auf der Erde. Auch der Wind weht ständig aufgrund der magneti- schen Kraft. Die Magnetkraft ist alldurchdringend.

Wir besuchen Tempel. Es sind Menschen mit Hingabe und Aufrichtig- keit, die zu den Tempeln gehen. Auch diese Hingabe und Ernsthaftig- keit tragen die magnetische Kraft in sich. Die Blumen und Früchte, wel- che die Menschen mit Hingabe in den Tempeln opfern, besitzen ebenfalls diese magnetische Kraft. Weil Tausende von Gottergebenen mit all ihrer magnetischen Kraft hier zusammenkommen, ist unser Tem- pel mit Magnetkraft erfüllt. Deshalb scheint in diesem Tempel die all- gegenwärtige Magnetkraft mit zusätzlicher Leuchtkraft. Aufgrund des ständigen Zustroms Tausender von Devotees steigt diese Magnetkraft ständig an. Aufgrund seiner Verbindung mit dem Magneten wird sogar

51 ein eiserner Nagel selber zum Magneten. In ähnlicher Weise werden Menschen, die den Tempel besuchen, und alle Opfergaben von Ma- gnetkraft erfüllt. Woher kommt dieses Mysterium des Tempels? Allein die magnetische Kraft der Devotees lädt den Tempel mit starken Kräf- ten auf. Jeder Einzelne ist von Kopf bis Fuss von Magnetkraft erfüllt. Aber der Mensch erkennt sein eingeborenes Potential nicht und sucht Tempel auf, um Segen und Gnade zu empfangen.

Im Tempel sind keine spezielle Kraft und kein spezielles Potential. Es ist allein die eigene innere magnetische Kraft, die sich im Aussen wi- derspiegelt. Die Leute besuchen verschiedene Pilgerzentren wie Tirup- ati, Haridhwar, Rishikesh usw. Die in den Pilgerzentren anwesende Kraft hat ihre Ursache allein in der Kraft der Hingabe und des Glaubens, welche die Pilger in ihren Herzen tragen. Der Mensch verkörpert, so wie Gott auch, alle Formen des Wohlstands: Pracht, Barmherzigkeit, Ruhm, Weisheit, Wohlstand und Glückselig- keit. Es sind alles Gottes Gaben. Sie sind in jedem Menschen latent vorhanden, aber weil er unfähig ist, sie in rechter Weise zu nutzen, ver- liert er sie. Wenn der Mensch diese sechs Formen des Wohlstandes in rechter Weise nutzt, wird er den Nutzen davon haben, und die Gött- lichkeit leuchtet im Menschen voller Glanz. Auf dem Gesicht eines je- den Menschen ist göttliches Strahlen.

Wie Venkataraman erwähnte, kommt als erstes Materialisation. Der menschliche Körper mit all seinen Gliedern und Muskeln ist als Mate- rialisation bekannt. Es wird bezeichnet als die erste Ebene, für die man sich selber hält. Als Nächstes kommt Schwingung, die Lebenskraft. Beide, Materialisation und Vibration, werden von der atmischen Kraft, die Strahlung genannt wird, koordiniert. Der Mensch ist die Kombina- tion von Materialisation, Vibration und Strahlung. All die göttlichen Kräf- te und Fähigkeiten liegen auch im Menschen verborgen. Aber der Mensch richtet seine Aufmerksamkeit nicht auf sie. Er denkt nur an sei- nen Körper und identifiziert sich mit seinem Körper, obwohl er in Wirk- lichkeit nicht der Körper ist. Wenn er der Körper wäre, warum sollte er dann sagen: „Dies ist mein Körper“? Wenn du sagst: „Dies ist mein Kör- per“, heisst das, dass du verschieden von ihm bist. Der Mensch lässt sich täuschen im Glauben, er sei die Materialisation des Körpers. Auf- grund dieser falschen Identifizierung verliert er seine Göttlichkeit, sein göttliches Strahlen.

52 Die Schwingung symbolisiert den Atemprozess, Ein- und Ausatmung. Ihr glaubt, es sei nur das Einatmen und Ausatmen von Luft, aber es ist die Lebenskraft. Die Lebenskraft ist Schwingung, die im Atempro- zess symbolisiert wird. Manchmal sagen die Leute: „Meine Atmung funktioniert nicht richtig“. Es zeigt, dass ihr verschieden vom Atem seid. Von dem, was ihm nicht gehört, behauptet der Mensch, es sei sein. Die- se falsche Identifizierung, sich für das zu halten und das als sein zu erklären, was man nicht ist, ist Illusion und Torheit.

Derjenige ist ein Tor, dessen Augen sehen und der doch die Realität nicht erkennen kann.

Weil der Mensch sich mit etwas identifiziert, von dem er völlig verschie- den ist, versinkt er in Unwissenheit.

Als drittes Strahlung. Es ist die göttliche Kraft, und sie ist das wahre Wesen des Menschen. Ihr sprecht nicht von „meiner Göttlichkeit“, weil ihr nicht getrennt von der göttlichen Kraft seid. Beide sind eins. Es ist die in jedem Menschen verborgen liegende magnetische Kraft. Des- halb ist alles diese magnetische Kraft. Dieselbe göttliche Kraft ist in den Tempeln, die alle anziehen. Die magnetische Kraft ist voller Göttlich- keit. Magnetismus ist das Wesen aller Tempel. In der Wissenschaft sprechen sie von den Magnetkräften, von magne- tischen Teilen, und nennen es „materieller Magnet“. Die magnetische Kraft scheint in jedem Menschen. Woher kommt die Kraft der Strah- lung? Alles kommt von innen. In jedem Menschen befindet sich Gold. In jedem Menschen befinden sich Eisen und verschiedene andere Me- talle. Sie kommen nicht von aussen. Alle Metalle sind in euch.

Worin liegt die Bedeutung der Hervorbringung des Lingas? Gott ist Hir- anyagarbha, der goldene Keim, das goldene Ei, aus dem die Schöp- fung hervorgeht; hiranya bedeutet golden, garbha ist auch der Bauch, der Mutterleib. Sein Leib (garbha) besteht aus Gold. Die in Gottes Schoss anwesende goldene Essenz bewegt sich, sammelt sich an ei- nem Platz und nimmt die Gestalt eines Lingas an. Linga bedeutet Sym- bol oder Zeichen. Wie ihr sehen könnt, hat das Linga keine Unterschei- dungsmerkmale wie Augen, Gesicht usw. Es hat weder Kopf noch Füsse. Es kann auf jede Weise hingelegt werden. Wo ist der Kopf, wo sind die Füsse? Linga symbolisiert die formlose Göttlichkeit.

53 Linga ist das, in das alle Formen eingehen und wohin alle Formen sich entwickeln. Es ist ohne Anfang und Ende.

Diese Verschmelzung ist das Ziel. Das Linga ist die Grundlage von al- lem. Nachdem sie die Form eines Lingas angenommen hat, tritt die gol- dene Essenz als Linga hervor. Um Gold zu schmelzen braucht man Feuer. Entsprechend schmilzt das innere Feuer das Gold und formt es in die Gestalt eines Lingas. Daher kommt die Schwierigkeit (der Schmerz) zur Zeit seines Hervortretens. Die goldene Essenz muss die Form eines Lingas annehmen und hervorkommen. Ihr empfindet, dass Swami zur Zeit der Hervorbringung des Lingas viel Schmerz ausgesetzt ist. Es ist nicht wirklich ein Leiden, sondern eine Lehre für euch. Ist es nicht natürlich für eine Mutter, Geburtsschmerzen zu erleiden, während sie ein Kind gebärt? Wird irgendeine Mutter ihr Kind verwünschen, nur weil sie viel Leid ausgesetzt ist? Die Mutter betet immer für das Wohl- ergehen des Kindes. In derselben Weise empfindet Swami zur Zeit der Hervorbringung des Lingas keinerlei Schmerz. Ich werde es niemals als Schmerz betrachten. Ich bin glücklich, dass ich so vielen von euch eine bedeutende Lehre vermitteln kann. Es ist Reaktion, Widerspiege- lung und Widerhall. Gott hat absolut überhaupt keinen Schmerz, keine Sorgen und keine Schwierigkeiten. Aber ihr empfindet, Swami erlebe grossen Schmerz und grosses Leid. Für die Bildung dieses Lingas hat mein Körper sich in den letzten zwei Tagen in einen Magneten ver- wandelt. Aus diesem Grund fiel mir in den letzten Tagen das Gehen schwer, weil meine Füsse aufgrund der magnetischen Zugkraft am Bo- den haften blieben. Es war schwierig, die Füsse zu heben, und wo im- mer ich ging, blieben die Füsse haften. Entsprechend blieben alle Ge- genstände, die ich berührte, an meinen Händen haften. Nicht jedem kann dies geschehen. Allein in der Göttlichkeit findet ihr eine so hoch- gradig starke magnetische Kraft. In den letzten drei Tagen fiel mir das Gehen schwer. Es bereitete mir keine Mühe. Es ist natürlich, weil mein ganzer Körper magnetisch wurde. Wenn ich den Becher berührte, blieb er haften. Diese Dinge kann man nicht jedem enthüllen. Jeder Mensch trägt so einen göttlichen Magneten in sich, aber unter bestimmten Be- grenzungen. Die Göttlichkeit ist jenseits aller Begrenzungen. Ihr haltet die magnetische Kraft für begrenzt. Der Magnet ist höchst machtvoll. Die ganze Welt ist voller Luft. In der Luft ist Magnetismus, im Wasser, im Essen, in der Luft, die wir einatmen, im Klang, der zu uns kommt. Alles ist voller Magnetismus. Wenn ihr tief nachforscht erkennt ihr, dass die magnetische Kraft unbegrenzt ist.

54 Das gesamte Universum steht unter Gottes Herrschaft. Alles gehört zu Gottes Reich. Wahrheit ist die Essenz Gottes. Alles ist im Prinzip der Wahrheit enthalten. Wenn ihr an der Wahrheit festhaltet, werden sich all die göttlichen Kräfte in euch manifestieren. Wahrheit steht unter der Herrschaft der Tugend der erhabenen Seelen. Wer ist eine erhabene Seele? So jemand ist voller Frieden, Liebe und Mitgefühl. Solche er- habenen Seelen sind wahrhaftig das höchste Göttliche. Das ist der rechte Weg, und Gott zeigt den rechten Weg.

Auch der Mensch besitzt diese heilige Kraft. Der Mensch begibt sich auf Pilgerfahrten auf der Suche nach Gott, weil er sich seiner eigenen verborgenen göttlichen Kraft nicht bewusst ist. Wer die in sich verbor- gene göttliche Kraft erkennt, braucht keine solche spirituelle Disziplin durchführen.

Eine russische Frau namens Brigitte war voller magnetischer Kraft. Wenn immer sie auf der Strasse langging, wurden Eisenspäne zu ihr hingezogen. Sie durfte kein Geschäft betreten, weil die Gegenstände darin an ihr haften blieben. Es reicht nicht aus, im Besitz magnetischer Kraft zu sein, man sollte auch in der Lage sein, diese Kraft voll zu be- herrschen. Sie hatte keine Kontrolle über ihre magnetische Kraft. Sie konnte nicht einmal mehr essen. Als Folge davon starb sie nach ein paar Tagen. Obwohl sie die göttliche magnetische Kraft besass, starb sie verfrüht, weil sie nicht die Fähigkeit besass, diese Kraft zu kontrol- lieren. Wenn ihr die Kontrolle habt, seid ihr erfolgreich. Wer ein Auto fährt sollte auch in der Lage sein, es zu beherrschen. Man sollte wissen, wann man die Bremse betätigen sollte. Wenn ihr es zu beherrschen wisst, seid ihr zum Fahren fähig. Wenn ihr während des Fahrens keine Kontrolle über den Wagen habt, werdet ihr mit Sicherheit einen Unfall haben und sterben.

Unser Körper kann mit einem magnetischen Auto verglichen werden. Die Augen sind die Scheinwerfer, der Mund die Hupe, der Geist das Steuerrad und der Magen der Tank. Die vier Ziele des menschlichen Lebens – Handeln gemäss der von Gott gesetzten Ordnung, Wohl- stand, Wunscherfüllung und Befreiung sind wie die vier Reifen. Ihr soll- tet diese Reifen mit der Luft des Vertrauens füllen. Der Reifendruck in den Vorderreifen sollte verschieden von dem der Hinterreifen sein. Zu viel Luft muss beseitigt, wo zu wenig Luft ist, muss der Reifen aufge- pumpt werden. Das ist das Wesen eines Autos. Der Magen ist der Tank. Ihr müsst essen, aber das Essen sollte rein und heilig sein. Das Essen,

55 mit dem der Magen gefüllt wird, sollte rein sein. Wenn die Nahrung, un- rein ist, kann eine Blockade entstehen. Aus diesem Grund solltet ihr reines Essen zu euch nehmen. Ihr solltet keine unreine Nahrung zu euch nehmen. Das Wasser, das ihr trinkt, sollte ebenfalls rein und un- verschmutzt sein. Nur dann wird euer Körper, in guter Verfassung sein und euch zu eurer Bestimmung bringen. Das Leben des Menschen wird nur dann geheiligt, wenn er das Prinzip seines Körpers versteht.

Für all dies ist der Magnetismus sehr wichtig. Es gibt keinen Platz ohne magnetische Kraft. Wo immer ihr sucht, wo immer ihr hingeht, ist er zu finden, hier, dort, überall. Aber ihr macht euch Sorgen.

Geboren zu werden ist eine Sorge, auf der Erde zu sein ist eine Sorge, die Welt und auch der Tod sind Anlass zur Sorge. Die ganze Kindheit wie auch das Alter sind eine Sorge. Das Leben, Versagen, alle Handlungen und Schwierigkeiten verursachen Sorge. Sogar Glück selbst ist eine geheimnisvolle Sorge.

Es sind alles die im Körper gegenwärtigen Sorgen. Glück oder Sorge gründen auf euren Empfindungen. Wenn ihr den Körper als eine Wurzel der Sorge betrachtet, wird es so sein. Wenn ihr den Körper andererseits als heilig anseht, als das Instrument, mittels dem ihr das höchste Glück erreichen könnt, wird er eine Quelle des Glücks für euch sein. In Wirk- lichkeit gibt es nichts Schlechtes im Menschen. Alles ist heilig und voll magnetischer Kraft. Der Körper gleicht einem Tempel mit magnetischer Kraft. Deshalb sollten all eure Handlungen in diesem Tempel heilig sein. Wenn ihr unrecht handelt, müsst ihr den Folgen davon begegnen.

Spirituelle Übungen wie Rosenkranz beten oder Meditieren geben euch nur vorübergehende Befriedigung. Sie können nicht magnetische Kraft in den Menschen bringen. Sie werden als weltliche Wege gelehrt. Es gibt neun Wege der Hingabe: Geschichten über Gott hören, Gottes Namen singen, sich an Gott erinnern, seinen Lotosfüssen dienen, sich ehrfurchtsvoll verneigen, Anbetung, Freundschaft mit Gott, Dienstbe- reitschaft und Selbsthingabe. Erst Freundschaft, dann Dienstbereit- schaft. Dienstbereitschaft kommt erst nach der Freundschaft mit Gott. Deshalb solltet ihr versuchen, Freundschaft mit Gott zu entwickeln. Wenn ihr befreundet seid und die Freundschaft stärkt, erhaltet ihr po- sitive Ergebnisse. Freundschaft mit Gott führt zur Selbstergebung.

56 Ohne Freundschaft mit Gott könnt ihr den Zustand der Selbsthingabe nicht erreichen. Ehe ihr den Zustand der Selbsthingabe erreicht, könnt ihr das alldurchdringende Prinzip der göttlichen magnetischen Kraft nicht verstehen. Welche Aktivität auch immer ihr durchführt, die ma- gnetische Kraft ist die Grundlage dafür.

Tempel sind nichts als Zentren magnetischer Kraft. Welche Kraft auch immer ihr in einem Tempel erfahrt, ihre Ursache liegt allein in der An- wesenheit der magnetischen Kraft. Ihr empfindet, in Tirupati befinde sich eine grosse Kraft. Es ist nicht die Kraft der herrschenden Gottheit Venkateshvara Swami. Es ist die Kraft des Glaubens und der Ergebung der Gottesverehrer. Deshalb ist dort diese ungeheure magnetische An- ziehungskraft.

Gott besitzt die Kraft der Anziehung. Ihr könnt jeden Tempel als Beispiel nehmen. Allein die magnetische Kraft ist dort anwesend. Es ist die Kraft der Göttlichkeit. Sie kann nur in den Tempeln und nirgendwo sonst er- fahren werden. Was ist der Grund dafür? Die in den Tempeln instal- lierten Gottheiten, das für die Waschung des Idols benutzte Wasser, die zur Anbetung verwendeten Blumen, der gelbe Reis, der ganze Vor- gang der Anbetung, alles ist voller magnetischer Kraft. Aus diesem Grund fühlen sich die Menschen zu Tempeln hingezogen. Auch der Priester dort ist ein Magnet. Jeder, der den Tempel betritt, ist voll ma- gnetischer Kraft.

Auch unser Körper gleicht einem Tempel mit magnetischer Kraft. Des- halb muss er für heilige Zwecke benutzt werden. Wenn ihr schlechten Wesenzügen wie Zorn, Eifersucht und Hass Raum gebt, werdet ihr viel eurer magnetischen Kraft verlieren. Die Sinne des Geruchs, der Be- rührung, des Geschmacks usw. sind nur die Auswirkung von magne- tischer Kraft. Auch die Lichtstrahlen enthalten Magnetkraft. Ein von der Radiostation in Delhi oder Madras ausgesandtes Programm kann zu gleicher Zeit hier gehört werden. Was ist die Ursache dafür? Die ma- gnetische Kraft befördert die Klangwellen. Kein Wissenschaftler oder Ingenieur kann dies verstehen. Kann ein Wissenschaftler den Vorgang der Verdauung und der Blutkreislaufes erfassen und erklären? Nein. In jedem Lebewesen schlägt das Herz eine bestimmte Anzahl pro Mi- nute. Welcher Wissenschaftler kann dies erklären? All dies ist von Gott bestimmt. Die Ärzte sind stolz auf ihre Errungenschaften. Aber in Wahr- heit kann ohne den göttlichen Willen niemand irgendetwas erreichen. Sie wissen, wie ein Herz schlägt, aber sie wissen nicht, warum es das

57 tut und wer es zum Funktionieren bringt. Der Körper funktioniert nicht aufgrund menschlicher Bemühung, sondern aufgrund des göttlichen Willens. Da ist der Blutkreislauf, aber sie Ärzte wissen nicht, was die Ursache davon ist. Es ist Gottes Wille. Gottes Wille ist das alles durch- dringende Prinzip, nicht aber menschliches Bemühen. Aber der Mensch ist aufgrund seines Egos und seinem Empfinden, der Han- delnde zu sein, nicht fähig, dies zu verstehen. Ohne Zweifel, der Mensch muss eine eigene Anstrengung machen, aber ohne Gottes Wil- len ist der Mensch nicht in der Lage, irgendetwas zu tun.

Hier ist ein Beispiel: Gott hat Reis erschaffen, aber ihr könnt den Reis so wie er ist nicht essen. Ihr müsst die Hülse entfernen, den Reis kochen und das Essen zubereiten. Dieser Vorgang der Verfeinerung wird Samskara genannt. Er liegt im Bereich menschlichen Bemühens. Aber die Schöpfung, die Erschaffung, liegt in Gottes Händen. Jeder sollte festes Vertrauen in Gott haben. Ob es sich um einen Theisten oder Atheisten handelt – sie sollten Gottes Willen verstehen. Die Unwissen- den glauben nicht an Gottes Existenz. Aber sogar solche Leute geben die Existenz einer Kraft zu, welche die Schöpfung durchdringt. Eben diese Kraft ist Gott. Ohne Energie kann der Mensch nichts tun. Wie seid ihr zum Sprechen in der Lage? Woher erhaltet ihr die Energie? Es ist die Göttlichkeit in euch.

Wie ich zuvor sagte, ist der Mensch eine Kombination aus Materiali- sation, Vibration und Strahlung. Mithilfe der Strahlung des Göttliche Selbst und der Vibration der Lebenskraft kann der Mensch sein Leben führen, indem er die Ebene der Materialisation, den Körper, als Instru- ment nutzt. Der Körper ist die Grundlage zum Handeln. Er symbolisiert den Weg des Handelns. Vibration, Schwingung, hilft dem Menschen zu denken. Strahlung ist verantwortlich für das Funktionieren von Vi- bration und Materialisation. In den Veden wird dies als “das Göttliche ist Bewusstsein” bezeichnet. Es ist nicht bloss herkömmliches Be- wusstsein, sondern beständige integrierte Bewusstheit. Ihr mögt sie für herkömmlich halten, aber die Bewusstheit von der die Veden sprechen, die Kraft des Bewusstseins muss beständige integrierte Bewusstheit genannt werden. Sie kann weder geschnitten, gebrochen noch zusam- mengefügt werden. Sie existiert überall und jederzeit in ihrer Totalität. Sie ist in allen drei Zeitperioden, in Vergangenheit, Gegenwart und Zu- kunft überall gegenwärtig. Sie unterscheidet nicht zwischen Tag und Nacht. Sie transzendiert die drei Zustände des Wachens, des Traumes und des Tiefschlafs. Alle Zeitperioden sind ein und dasselbe.

58 Diese Wahrheit, ist die göttliche magnetische Kraft. Dieser Magnetis- mus ist in jedem. Der Mensch bringt diese magnetische Kraft in den Tempel. Der Tempel ist Wohnort der magnetischen Kraft. Sie kann jede Form annehmen. Ihr könnt jede Form visualisieren. Wenn ihr Krishna sehen wollt, verwandelt sich die magnetische Kraft in Krishna, Rama, Ishvara etc., je nach den Empfindungen der Gottergebenen. All diese Namen und Formen sind eure Vorstellungen, aber in Wirklichkeit hat Gott weder Name noch Form. Nehmt zum Beispiel Wasser. Es hat kei- ne spezifische Form, aber es nimmt die Form des Gefässes an, in das es gegossen wird. Entsprechend ist Luft formlos, aber sie nimmt die Form eines Ballons oder Fussballs an, wenn sie darein gefüllt wird. Die fünf Elemente, die fünf Lebensprinzipien haben keine Form. Namen und Formen beruhen auf eurer eigenen Vorstellung und eure Schöp- fungen und Vorstellungen müssen irgendwann wieder verschwinden. Alles, was ihr durch menschliches Bemühen erreicht, ist weltlich. Haltet deshalb an dem grundlegenden einen Prinzip der Göttlichkeit fest.

Verkörperungen der Liebe! Ihr könnt alles andere vergessen, aber ver- gesst niemals Gott. Gott zu vergessen heisst, sich selbst zu vergessen. Der Mensch kann heute nicht lange leben. In alten Zeiten lebten die Menschen 110 bis 120 Jahre lang, weil sie während ihrer Leben ständig an Gott dachten. Sie litten nie an irgendwelchen Krankheiten. Sie nah- men einfache Nahrung zu sich. Sie wussten nichts von Vitaminen und Proteinen. Sie nahmen nie Tabletten wie Vitamin A, B, C usw. ein. Aber sie nahmen ihre Nahrung mit göttlichen Empfindungen zu sich. Wenn das Essen Gott geweiht wird, erhaltet ihr von selbst all die Vitamine und Proteine.

Wenn ihr euer Vertrauen in Gott stärkt, könnt ihr alles im Leben errei- chen. Ihr könnt jede Form sehen. Tatsächlich werdet ihr Gott selbst wer- den. Gott ist nicht von euch getrennt. Ihr seid nicht von Gott verschie- den. Ihr und Gott seid eins. Versteht diese Wahrheit und erreicht den Zustand der Einheit.

(Swami zeigt den Devotees das goldene Linga und fährt fort):

Wie ihr alle sehen könnt ist dieses Linga eher gross. Dahinter steht eine Bedeutung. Es wiegt fünfzig Gramm. In jedem Menschen befindet sich die goldene Essenz von fünfzig Gramm, die als Hiranyagarbha (der gol- dene Keim) bekannt ist. Wahrscheinlich wisst ihr, dass manche Arz- neien Gold enthalten. Der Arzt sagt: „Ich gebe dir eine goldene Medi-

59 zin“, aber das ist nur, um den Preis zu erhöhen! Gold repräsentiert die Energie im Menschen und ist die Ursache seiner Strahlung. Wenn ihr Energie habt, strahlt euer Gesicht. Der Goldgehalt in jedem Körper be- trägt nur so viel. In geschmolzener Form durchdringt das Gold den gan- zen Körper. Es ist diese goldene Essenz, welche die Augen sehen und die Ohren hören lässt. In unserer Zunge befinden sich tausende von Geschmacksknospen und in unserem Auge sind hunderttausende Lichtstrahlen. Ihr könnt einen Lichtstrahl nicht völlig sehen. Wenn ihr die Augen halb schliesst, seht ihr die Lichtstrahlen von all den Lampen hier. Es ist alles die Wirkung desselben Prinzips. Im Magneten ist Licht, Kraft. Geschmack, Hören, Sehen, alles ist in der magnetischen Kraft enthalten. Die goldene Essenz durchdringt den ganzen Körper als ein Schutzschild. Direkt unter der normalen Haut befindet sich eine dünne Schicht weisser Haut, die als Schutzschild für das Blut agiert. Nur wenn diese weisse Haut durchschnitten wird, beginnt der Vorgang des Blu- tens. Um des Schutzes willen hat Gott die weisse Haut unter die nor- male Haut getan. Was immer Gott tut dient dem Wohlergehen aller. Das ist auch die Bedeutung des Gebets:

Das Bhagavatam sagt:

Die Geschichten Gottes sind so geheimnisvoll, heilig in allen drei Welten, so nahe, verehrt von den Heiligen und Weisen. Das ist die Herrlichkeit, die Geschichte Gottes. Die Geschichten Gottes gleichen Sicheln, welche die Schlingpflanzen der weltlichen Bindung durchtrennen.

Die Gopikas hatten unerschütterliches Vertrauen und konnten dadurch ihre Leben heiligen. Was ist die Ursache für Befreiung? Wenn der Ma- gnet des Glaubens und Vertrauens völlig da ist. Glaube, Vertrauen, ist die magnetische Kraft, welche die Göttlichkeit anzieht. Obwohl ihre Schwiegermütter sie beschimpften und ihre Ehemänner sich über sie ärgerten, zahlten die Gopikas es nie heim. Sie öffneten nicht ihren Mund, sie waren nicht ärgerlich, sie gingen nirgendwo hin, sie schliefen nicht einmal. Sie hatten keine Angst. Wieso? Es ist die Geschichte Got- tes. Gottes Form, die süsse Form Krishnas, war ihren Herzen einge- prägt, so wie ein Bild auf Papier gedruckt ist. Sind Bild und Papier von- einander zu trennen? Nein. Entsprechend war Krishna unerschütterlich in den Herzen der Gopikas verankert. Ein so starker Glaube und eine

60 so starke Hingabe sind das Ergebnis von Verdiensten, die über viele Leben angesammelt wurden. Es beruht auf verdienstvollen Taten in vergangenen Leben. Die Gopikas sagten. “Gott ist die Essenz. Nichts geht darüber hinaus”. Mitgefühl ist die Essenz von allem. Es ist die Es- senz der Liebe. Nichts geht über Liebe hinaus. Der Geschmack von Liebe ist jenseits aller Beschreibung, und von vielfacher Dimension. Es ist nicht nur ein Geschmack , sondern viele unbekannte. Er berauscht einen, lässt einen vergessen, er ist höchst heilig und bringt einen dazu, sich selbst in Ekstase zu vergessen. Der Weise Narada beschrieb die Liebe folgendermassen:

Wenn er DAS erreicht hat, erfährt der Mensch völlige Zufriedenheit, Erfüllung, Ekstase und Glückseligkeit.

Wenn ihr den Göttlichen Namen mit Liebe singt, vergesst ihr euch selbst. Gottes Namen lässt euch alles andere vergessen, er berauscht euch und lässt euch alles überschreiten. Das ist der Zustand der Tran- szendenz. Er ist unbeschreiblich. Das ist das Wesen von Gottes Liebe. Ihr lebt nur dann ein wahres Leben, wenn ihr diese Liebe habt. Um diese Liebe zu erlangen, muss der Magnet der Liebe täglich stärker werden.

Wenn ihr die magnetische Kraft der Liebe in euch habt, wird, was immer ihr studiert, sich eurem Herzen einprägen. Wenn ihr diese magnetische Kraft nicht besitzt, können eure Unternehmungen niemals gelingen, egal wie sehr ihr es versucht. Auch wenn ihr Tag und Nacht studiert, es wird dann nichts bringen. Wenn ihr versucht zu studieren, werdet ihr von der Göttin des Schlafs übermannt werden. Kumbhakarna, ein Dämon, der ständig schlief, wird euch zum Schlafen bringen. Wenn ihr andererseits die magnetische Kraft in euch entwickelt, werdet ihr euch während des Studierens nie schläfrig fühlen. Kumbhakarna wird es dann nicht wagen, euch auch nur anzuschauen, und ihr sorgt euch auch nicht über Essen.

Die Schüler und Studenten verschwenden heutzutage viel Zeit. Sie ver- suchen nur zum Zeitpunkt der Prüfungen zu lernen. Vorher haben sie das Buch nicht einmal berührt. Warum solltet ihr euch damit brüsten, alle Bücher gelesen zu haben?

61 Oh Mensch! Sei nicht stolz auf deine Bildung. Wenn du Gott nicht deine Ehrerbietung darbringst und nicht mit Hingabe an ihn denkst, wird all deine Bildung nutzlos sein.

Denkt wenigstens einmal am Tag an Gott. Zollt dem was andere sagen keine Beachtung. Wenn jemand zu euch kommt und behauptet, es gäbe keinen Gott, solltet ihr sogleich fragen: „Um welchen Gott geht es? Um meinen oder deinen Gott? Dein Gott mag für dich nicht exi- stieren, aber welches Recht hast du, die Existenz meines Gottes ab- zustreiten?“

In dieser festen Überzeugung solltet ihr mit ihnen argumentieren. Jeder hat seinen eigenen Glauben. Aber die Menschen sind heute leider blind geworden und haben die Augen des Vertrauens und Glaubens verlo- ren. Das ist nicht unsere geweihte Nahrung. Das ist nicht unser Leben und nicht unser Weg. Um das Ziel zu erreichen braucht es Glauben. Wenn ihr euren Glauben nicht ausdrücken wollt, müsst ihr ihn im Her- zen bewahren. Glaube allein wird euch unter allen Umständen beschüt- zen. Aber ihr gebt dieses beschützende Prinzip auf und begebt euch in das strafende Prinzip. Die Kinder geben heutzutage schlechten Emp- findungen Raum Um wen auch immer es sich handelt, erlaubt nicht, dass schlechte Empfindungen in euch eindringen. Denkt nicht daran, anderen zu schaden. Kritisiert andere nicht. Fügt niemandem Leid zu. Wenn ihr andere verletzt, werdet ihr die Folgen davon umso mehr er- leiden - nicht nur ihr, sondern auch eure Familie. Dies ist die Wahrheit; bewahrt sie in eurem Geist. Wenn ihr das Wohlergehen eines jeden wünscht, wird Gott auch für euch und eure Familie sorgen. Entwickelt also gute Empfindungen, habt heilige Gedanken und nutzt eure Zeit in heiliger Weise. (Vollständige Übersetzung der Ansprache in Prasanthi Nilayam an Shivaratri, morgens, nach der Hervorbringung des Linga)

(Zur Erläuterung: Swami brachte am 12.03. abends nach seiner An- sprache, als die Akandabhajan begonnen hatten, ein goldenes Linga aus seinem Körper hervor (lingodbhava), und materialisierte am 13.03. morgens zusätzlich noch ein goldenes Linga mit der Hand; im An- schluss daran hielt Swami die folgende Ansprache, A. d. Ü.)

62 13. April

Feiert Ugadi durch Reinigung des Herzens

Warum geschehen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang absolut regelmässig in einer disziplinierten Weise? Und warum verblassen die Sterne, deren Licht nachts am Himmel funkelt, während des Tages?

Verkörperungen der Liebe! Wir haben die Feier der Ankunft des neuen Jahres, Ugadi, über Zeitalter und Generationen hinweg erlebt. Indien hat in der ganzen Welt Frieden, Sicherheit und Spiritualität verbreitet. Deshalb beten wir inbrünstig für das Wohlergehen, den Frieden und Wohlstand der ganzen Welt. Heutzutage ist der Mensch körperlich und weltlich vorangekommen. Aber ethisch gesehen ist der Mensch nicht in der Lage, seine niedrigen Wünsche und engherzigen Empfindungen zu kontrollieren. Wenn ihr nach der Ursache forscht, erkennt ihr, dass das Herz des Menschen von Selbstsucht und Eigeninteresse erfüllt ist. Der Mensch ist heutzutage nicht fähig, Dinge um ihrer selbst willen zu lieben. Er liebt niemanden um seiner selbst willen. Er betet nicht für den Schutz und das Wohlergehen seines Landes. Was immer der Mensch sieht, sagt und denkt, dient alles nur seinem eigenen Interesse. An dem Tag, an dem ihr Engstirnigkeit und Engherzigkeit aufgebt, wer- det ihr sicherlich den Segen der Feier von Ugadi ernten. Seit Morgen- anbruch seid ihr damit beschäftigt, eure Haare zu waschen, neue Klei- der anzulegen und Süssspeisen vorzubereiten. Äusserlich sauber zu sein und neue Kleider zu tragen, ist leicht; aber im Inneren des Herzens sind schlechte Gefühle, Manipulation und Intrigen. Nur von dem Tag an, an dem ihr eure Herzen reinigt, sie heilig und selbstlos macht, könnt ihr dieses Ugadi wahrhaft feiern und den Segen daraus in Anspruch nehmen.

Das menschliche Herz ist höchst heilig, und das Leben als Mensch ist die kostbarste aller Lebensformen. Obwohl ihr diese seltene kostbare Gabe des menschlichen Lebens erhalten habt, führt ihr euer Leben nicht in einer menschlichen Weise.

63 Der Mensch ist ein Bündel von Wünschen. Er ist heutzutage von Kopf bis Fuss von Wünschen erfüllt. Er ist glücklich, wenn seine Wünsche erfüllt werden, aber nur der Zustand der Wunschlosigkeit verleiht wahre Glückseligkeit. Wenn ihr eure Wünsche aufgebt könnt ihr erhoffen, glückselig zu sein.

Verkörperungen der Liebe! Zeitalter sind vergangen und Generationen sind vorbeigezogen, aber das Herz des Menschen hat keine Transfor- mation erfahren. Die Bildung wird immer mehr, aber sie trägt zur Ver- wirrung und zum Aufruhr bei. Ihr glaubt, Erziehung und Bildung könnten das menschliche Herz reformieren. Es erfährt zweifelsohne eine Ver- änderung, aber in welche Richtung? Es folgt einem verzerrten, perver- tierten Weg. Der Mensch lernt nicht das, was er lernen sollte. Er ent- wickelt tierische Wesenszüge, seine Einstellung ist dämonisch, und er verschwendet so sein ganzes menschliches Leben. Das ist es nicht, was ihr tun solltet, um das Fest zu feiern, und es entspricht nicht eurem Wesen. Die indische Kultur verlangt, dass ihr die Einheit in der Vielfalt verwirklicht und dafür arbeitet, das Ziel des Göttlichen Selbst zu errei- chen. Aber ihr schlagt den entgegen gesetzten Weg ein. Tatsächlich spaltet ihr die Einheit in Vielfalt und Verschiedenheit auf. Wir finden im- mer mehr Intellektuelle und Gebildete, welche die Vielfalt in der Einheit wahrnehmen, aber es gibt niemanden, der die Einheit in der Vielfalt sieht. Die Inder sind nicht fähig, die Erhabenheit und Grösse ihrer eigenen Kultur zu verstehen. Das Leben der Inder besteht darin, glücklich zu sein, wenn andere glücklich sind. Diese Weitherzigkeit und heiligen Empfindungen fehlen heute.

Heilige Empfindungen liegen im Menschen verborgen, aber der Mensch ist unfähig, diese Gefühle zu verwirklichen und zu erfahren. Zeit ist höchst heilig. Ihr könnt selber darüber nachsinnen, wie diese wertvolle Zeit verschwendet wird. Einmal vergangene Zeit kehrt nicht wieder zurück. Die Zukunft ist unsicher. Es ist die Lehre Indiens, dass man in der Gegenwart leben und den gegenwärtigen Moment in der besten Weise nutzen sollte. Aus diesem Grund wird die Zeit in den Ve- den in verschiedener Weise gepriesen:

Zeit ist Gott, Gott ist Meister der Zeit, Gott transzendiert die Begrenzungen der Zeit. Zeit ist Gottes Form, und Gott ist jenseits der Zeit.

64 Die Alten verbrachten ihre Zeit in voller Wahrnehmung der Einheit in der Verschiedenheit und sie erfuhren die immer neue Göttlichkeit. Vor dem Beginn dieses modernen Zeitalters wünschten die Weisen und Se- her die Harmonie und Einheit der Gemeinschaft.

Lasst uns zusammen sein, lasst uns gemeinsam wachsen. Lasst uns mit unserem erlernten Wissen zusammen leben. Lasst uns ohne jeden Konflikt in Freundschaft zusammen sein und wachsen.

Die indische Kultur verlangt, dass ihr ohne jeden Konflikt und Streit ge- meinsam wachst und zusammenlebt. Aber nirgendwo finden wir glück- liches Zusammensein. Wenn vier in einem Haus leben, haben sie Mei- nungsverschiedenheiten. Einheit macht das menschliche Leben aus, und diese Einheit zu praktizieren ist das Ziel. Diese göttliche Einheit ist heute verloren gegangen.

Heilige Bewohner Indiens! Keiner hat bis heute die Bedeutung der in- dischen Kultur in ihrer Fülle verstanden. Die Kapazität und das Potential der indischen Kultur ist einzigartig, und ihr Glück ist unbegrenzt. Jeder Mensch will heute glücklich sein. Um dieses Glück zu erlangen, liest er viele Bücher, geht auf Pilgerreisen und hört erhabenen Seelen zu. Er hält Gottesdienste, verrichtet Askese und wiederholt Mantren. Aber in diesen Aktivitäten liegt keine Spur Glückseligkeit.

Der menschliche Körper besteht aus fünf Hüllen: (siehe Anhang)

Die Hülle der Nahrung, die Hülle der Lebenskraft, die Hülle des Geistes, der Gedanken und Gefühle, die Hülle der Weisheit und die Hülle der Glückseligkeit.

Obwohl ihr die Hülle der Glückseligkeit besitzt, fehlt diese Glückselig- keit heute völlig. Es ist überhaupt keine Spur Glückseligkeit zu finden. All die Wellen des Glücks und Vergnügens, die ihr heute erfahrt, sind begrenzt. Das Glück, das der Mensch erfährt, kann nicht als solches eingestuft werden. In Wirklichkeit ist all dies „Glück“ begrenzt. Alles er- worbene Eigentum und der ganze angehäufte Reichtum sind begrenzt.

65 Zu glauben, Geld und Wohlstand könnten euch Glückseligkeit bringen, ist ein Zeichen von Torheit. Woher kommt wahre Glückseligkeit? Wahre Glückseligkeit ist jenseits aller Begrenzungen. Sie kommt aus dem Her- zen, aus dem Inneren, nicht von Aussen. Sie kommt aus dem Inneren. Das Herz ist der Wohnsitz, der Altar Gottes. Als erstes muss der Mensch starkes Vertrauen entwickeln. Durch Glaube und Vertrauen al- lein kann der Mensch Liebe erfahren. Aus dieser Liebe heraus kann der Mensch die von Gott gesetzte Ordnung praktizieren. Aus heraus findet er Wahrheit. Wenn der Mensch dem Weg der Wahrheit folgt, kann er die Manifestation Gottes erfahren. Das ist nur durch Liebe möglich. Gott ist die Grundlage für Glückseligkeit. Wahrheit bringt euch zu Gott. Rechtschaffenheit bringt euch zur Wahrheit, und Liebe bringt euch zur Göttlichen Ordnung. Liebe beruht auf Vertrauen. Der Mensch hat heutzutage kein Selbstvertrauen. Er führt gleichsam ein Leben ohne den Atem von Glaube und Vertrauen, er verliert allen Glauben. In dieser Weise führt er sein Leben. Die alten Weisen haben die Be- deutung von Glauben und Vertrauen hervorgehoben. Die modernen Menschen haben die Augen des Vertrauens völlig verloren und sind völlig blind. Das eine sind die Schriften, das andere Gottes Gebote. So- gar die Kaste der Brahmanen, der Priester und Gelehrten, vernachläs- sigt die Göttliche Ordnung und die Schriften. Die Brahmanenkaste soll- te die Schriften als Wahrheit betrachten. Die Kaste der Krieger allein ist bereit, sich in einem Krieg zu opfern. Die Kaste der Geschäftsleute und Händler betreiben die Wirtschaft des Landes. Der Stand der Dienstleistenden kümmert sich u. a. um die Landwirtschaft. Es wird Zeit verschwendet. Das gegenwärtige tägliche Leben verleiht nicht einmal einen Bruchteil Glück und Frieden. Dankbarkeit ist die Hauptgabe, die Gott uns gegeben hat. Basierend auf der alten Kultur Indiens verehren wir den Sonnengott. In diesem Gebet ist ein interes- santer Begriff: In den Augen eines jeden Menschen befindet sich Licht. Der Mond ist die über unsere Gedanken und Gefühle herrschende Gott- heit. Ein Mensch, der all die ihm erwiesene Hilfe vergisst, ist undankbar, was einem Verlust beider Augen gleichkommt. Undankbare Menschen kann man als völlig blind bezeichnen. Tatsächlich entzieht die Sonne den Augen solcher Menschen, um wen auch immer es sich handelt, Licht. Man sollte die empfangene Hilfe nicht vergessen. Man sollte eher sein Leben verlieren, als die empfangene Hilfe zu vergessen. Obwohl ihr Hilfe und Dienst erhaltet, seid ihr euch der erhaltenen Hilfe nicht be- wusst. Das ganze Leben des Menschen gründet auf Selbstsucht, Selbstsucht und nochmals Selbstsucht. Wie könnt ihr da erwarten, dass das Leben der Menschen von menschlichen Werten geprägt ist?

66 Was bedeutet Spiritualität? Ihr glaubt, Spiritualität bestände darin, an das immerwährende Selbst zu denken. Nein, nein. Ihr müsst das Tier- hafte in euch töten und das menschliche Wesen in Göttlichkeit trans- formieren; das ist Spiritualität. In Wahrheit ist das menschliche Leben dämonisch geworden. Ihr bemüht euch nicht, es in göttliche Qualitäten zu transformieren. In dieser Transformation liegt wahre Spiritualität. Dieses heilige innewohnende Wesen der Spiritualität ist in Vergessen- heit geraten. Ihr glaubt, Spiritualität bestände darin, mit Festlichkeit und Freude Feste zu feiern. Das ist nicht Spiritualität. Ihr solltet über die in- nere Bedeutung eines jeden Festtages nachsinnen und das Ziel errei- chen. „Ich bin nicht nur ein menschliches Wesen, ich trage die Gött- lichkeit in mir” – so sollte euer Leben sein. Nur dann wird das Tierhafte in weite Ferne rücken. Weil der Mensch sein menschliches Wesen ver- gessen hat, ist er tierisch geworden.

Verkörperungen der Liebe, egal, um welches Land, welche Region, welchen Menschen und welche Zeitperiode es sich handelt, niemand sollte die menschliche Qualität vergessen. Ihr müsst das im Geiste be- wahren und niemals eure Zeit verschwenden. Gott schickte Narada auf die Suche nach einer wahrhaft edlen Seele, die ihre Zeit in einer heiligen Weise verbringt. Narada wollte wissen, wie er so einen Gottergebenen finden könne. „Wer Gottes Namen Ra- ma, Krishna oder Govinda aus ganzem Herzen singt, ist ein wahrer Mensch. Wer ein reines Herz hat ist ein wahrer Mensch. Aus reinem Herzen heraus sollte er den heiligen Namen Gottes singen. So ein Mensch ist gut.“ Ihr verwickelt euch in weltliche Angelegenheiten. Es sind alles weltliche Neigungen. Ein wahrer Mensch ist nicht auf die Welt zentriert. Alles weltliche Glück ist vergänglich. Wer an so einem heiligen Tag nicht den Namen Gottes singt, ist über- haupt kein wahrer Mensch. Im Hinblick darauf sagte Narada: „Swami, ich wiederhole deinen Namen Govinda, Narayana unaufhörlich. Wahr- haftig gibt es keinen Augenblick, wo ich nicht diesen Namen gesungen hätte. Gibt es einen grösseren Gottergebenen als mich?“ Da nimmt Ego seinen Anfang. Sich selbst für einen Gottergebenen zu halten ist Ego. Es gibt Unmengen solcher Devotees in der Welt. In jedem Haus, überall sind solche Devotees zu finden. Das ist keine wahre Hingabe. Diese heilige Qualität der Hingabe sollte aus dem Herzen strömen, unseren Körper einhüllen und sich in all unserem Tun ausdrücken. Die Nahrung, die man zu sich nimmt, gelangt in den Magen, wird dort verdaut und ihre Essenz breitet sich im ganzen Körper aus. In derselben Weise soll-

67 te der Name Gottes in das Herz, in Augen, Ohren, Zunge, Hände, Füsse usw. dringen. Die Göttlichkeit sollte sich in eurem ganzen Körper ma- nifestieren. Nur dann ist es wahres Singen des Namens. Wenn die Nah- rung der Göttlichkeit in die Augen dringt, werden die Augen zu Augen der Göttlichkeit. So beginnt göttliche Aktivität. Wenn sie die Zunge er- reicht, wird euer Sprechen heilig sein. Wenn die Göttlichkeit eure Ohren erreicht, ist alles, was ihr hört, heilig. Wenn sie in eure Füsse dringt, geht ihr den Weg der Göttlichkeit. Wenn die Göttlichkeit in die Hände dringt, werden die Hände heilige Taten tun. Wenn alle Gliedmassen des Körpers heilige Werke tun, seid ihr ein wahrer Mensch.

Narada reiste umher, aber sein Ego hatte ihn noch nicht verlassen. Im Wald traf er auf einen Jäger, der mit geschlossenen Augen Gottes Na- men sang. Narada fragte ihn, wer er sei. Er antwortete: „Ich bin bloss ein Jäger. Ich bin ein glühender Gottesverehrer.“ Narada war über- rascht. Er fragte: „Wenn du ein glühender Gottesverehrer bist, wofür trägst du dann ein Schwert in deiner Hand?“ „Mit diesem Schwert will ich vier Dinge tun“, erwiderte der Jäger. „Was für Dinge?“, fragte Nara- da. „Als erstes will ich Draupadi töten.“ Narada fragte überrascht: „Drau- padi ist eine grosse Gottergebene, die unaufhörlich „Krishna, Krishna“ singt, nicht wahr? Gott selbst kam um sie zu retten. Warum willst du sie töten?“ – „Sie ist fürwahr eine grosse Gottesverehrerin, aber als Krishna einst beim Essen sass, rief sie nach ihm, und Krishna eilte zu ihr. Weil sie Krishna nicht erlaubte, in Ruhe zu essen, will ich sie töten“, erklärte der Jäger. „Als Nächstes Prahlada. Prahlada sang ständig den Gottesnamen „Narayana“. Er erlaubte durch das ständige Anrufen Narayanas diesem nicht, zu ruhen, zu essen oder zu trinken. Und Narayana sollte sich so- gar von Elefanten zertrampeln lassen. Ist das die Hilfe, die Prahlada Gott Narayana erwies? Aus diesem Grunde sollte ich Prahlada töten.“ „Die nächste Person, die ich töten will, ist Narada. Mit der Tambura in der Hand singt er unaufhörlich Narayanas Namen. Das ist nicht spiri- tuell, sondern völlig selbstsüchtig. Aus diesem Grund sollte ich auch ihn töten.“ Narada war erschüttert und dachte bei sich, dass alles geschehe auf- grund seines Egos. „Dann Mira. Diese Mira wiederholte unaufhörlich den Namen Giridha- ra.“ Trotz dieser Namenswiederholung konnte sie nicht die Glückse- ligkeit erfahren. „Als ihre Schwiegermutter sie ohrfeigte und Mira un- terdessen Giridharas Namen sang, gingen all die Schläge, die sie

68 erhielt, zu Giridhara. Es kommt einer Verletzung Gottes selbst gleich. Deshalb sollte ich Mira töten.“ Nachdem er dies gehört hatte, kehrte Narada nach Vaikuntha zurück.

Die Geschichte Indiens ist voll heiliger Geschichten. Verbreitet die Bot- schaft des Gutseins in der ganzen Welt. Trotz all eurer Hingabe solltet ihr Gott nicht belästigen. Wenn ihr Gott belästigt, ist er enttäuscht und nicht erfreut über euch und das verletzt wiederum euch. „Gottes Glück ist mein Glück. Mein Glück ist Gottes Glück.“ In beidem sollten wir den Geist der Einheit besitzen. „Ich und Gott sind eins.“ Ihr solltet die Einheit, die Harmonie von beidem erkennen. Der moderne Devotee ist immer selbstsüchtig. Er denkt nur an sich selbst, egal was aussen passiert. Gott ist die Verkörperung der Liebe, die in jedem ist. Ihr solltet der gött- lichen Liebe nicht im Weg stehen. Teilt diese göttliche Liebe. Das ist Gottes Wille. Seit alten Zeiten haben die Inder diese heilige Kultur in der ganzen Welt verbreitet. Sie haben Gott nicht als etwas Einzelnes betrachtet, sondern erkannt, das Gott in den Vielen geschaut und erfahren werden muss. Gott ist in jedem, er ist in jedem Kopf und Herzen. Gott kann nicht auf eine Kirche, einen Tempel, eine Moschee begrenzt werden. In Wahr- heit ist Gott in jedem Herzen. Obwohl Gott in der Gestalt des Menschen gekommen ist, kritisiert ihr ihn weiterhin, macht euch über andere lustig und vergesst die wahre Form. Die Veden haben erklärt: „Wen klagt ihr an, wen kritisiert ihr, wen macht ihr lächerlich?“ Ihr kritisiert weiterhin andere, aber tatsächlich kritisiert und verletzt ihr euch selbst. Der, den ihr anklagt, ist in euch selber. Wenn ihr den anderen Menschen liebt, liebt ihr tatsächlich euch selbst. Deshalb solltet ihr niemanden kritisie- ren. Es kommt auf euch zurück. Erkennt, dass, wenn ihr jemanden lä- cherlich macht, ihr tatsächlich Gott lächerlich macht. Gott ist allwissend und allgegenwärtig. Wen immer ihr kritisiert, es erreicht Gott. Wem im- mer ihr eure Achtung erweist, es erreicht Gott. Wenn ihr jemanden mit aller Demut achtet, erreicht es Gott. Wen immer ihr kritisiert, es kommt einer Kritik Gottes gleich. Ihr hegt die falsche Vorstellung, ihr würdet jemand anderen hassen. Nein, nein. Tatsächlich hasst ihr euch selber.

Verkörperungen der Liebe! Heute ist Ugadi. Seit Anbeginn der Zeit wird es als Ugadi gefeiert, aber die schlechten Empfindungen in eurem Her- zen sind nicht weniger geworden. Der wahre Festtag von Ugadi ist dann, wenn euer Herz voller Liebe ist und wenn ihr mit Opferbereit- schaft teilt. Es bedeutet nicht nur, mit neuen Kleidern fröhlich zu feiern. Wie lange hält ein neues Hemd? Was heute neu ist, wird morgen

69 alt. Ihr lest nicht ständig dieselbe alte Zeitung. Die Zeitung von heute ist der Abfall von morgen. Man kann nicht immer dieselbe alte Zeitung lesen. Euch ist dieses Leben geschenkt worden, erfahrt es, das ist alles. Lasst euch kein nächstes Leben haben. Das bisherige ist genug, es ist der Schluss. Ihr habt die Zeitung gelesen, ihr habt Freude und Leid erfahren. Gott hat euch das Leben gegeben. Sagt: “Ich will kein näch- stes Leben mehr. Lass mich nicht mehr geboren werden.“ Wie Adi Shankaracarya sagte:

“Der Mensch wird wieder und wieder geboren, liegt immer wieder im Mutterleib und durchläuft die Erfahrungen von Freude und Schmerz.”

Tatsächlich war Adi Shankaracarya allwissend, und er verfasste so viele Verse. Einst bemerkte er einen Mann, der nahe dem Fluss Ganges unter einem Baum sass. Dieser Mann studierte die Gram- matikregeln und war sich der Vorbeigehenden nicht bewusst. Adi Shankaracarya war, von seinen Schülern begleitet, auf dem Weg zum Ganges, um ein heiliges Bad zu nehmen. Der Gelehrte sass mit geschlossenen Augen und wiederholte die Grammatikregeln. Adi Shankaracarya war noch ziemlich jung. Er sandte einen seiner Schüler, um herauszufinden, was vor sich ging. Der Schüler berich- tete ihm, dass der Gelehrte die Grammatikregeln wiederholte. Dar- aufhin ging Adi Shankaracarya zu ihm und fragte: “Was ist die Essenz von all dem, was du gelesen hast?“ Und Adi Shankaracarya sang:

“O du Tor, wiederhole den Namen Gottes. Wenn der Zeitpunkt deines Todes herannaht, wird nichts zu deiner Hilfe kommen. Die Grammatikregeln werden dich nicht vom Tode erretten. Wiederhole Gottes Namen und besinge seine Herrlichkeit.”

Adi Shankaracarya verfasste viele vedantische Schriften, aber er folgte auch dem Weg der Hingabe, der Wiederholung des Namen Gottes. Das war die Hauptlehre Adi Shankaracaryas. Auch ihr singt Gottes Namen, aber erfahrt nicht die Essenz davon. Wofür ist dieses Leben gedacht? Nur um immer wieder geboren zu werden und zu sterben? Um wieder und wieder im Mutterleib zu liegen?

70 Es ist so schwierig, das Meer des Lebens zu überqueren. O Gott, sei mir gnädig, hilf mir, dieses Leben zu überqueren.

In dieser Welt geschehen viele Dinge. Ihr erfahrt viele Dinge, ohne Glück darin zu finden. Glückseligkeit ist weder aus weltlichen Dingen, weltlichen Handlungen, Gelehrsamkeit, Visionen, das Sehen und Be- rühren von Gott oder das Sprechen mit ihm, zu erhalten. Wenn ihr euer Herz rein und heilig macht, werdet ihr Gott erfahren. Liebt alle, glaubt an jeden. Macht jeden glücklich. Das wird euch schliesslich glücklich machen. Wenn ihr euer Herz rein und heilig macht, könnt ihr Gott er- fahren und glücklich sein, nicht aber, wenn andere unglücklich sind. Was solltet ihr an diesem Tag Ugadi also tun? Ihr solltet von diesem Tag an alles tun, um euer Herz zu reinigen. Die Vergangenheit ist vor- bei, sie kehrt nicht zurück. Den schon gegangenen Weg müsst ihr nicht zurückgehen. Die Zukunft ist unsicher. Ihr wisst nicht, was morgen ge- schehen wird. Denkt weder an die Vergangenheit noch an die Zukunft. Lebt im Augenblick. Die Gegenwart ist wichtig. Es ist keine gewöhnliche Gegenwart; die Allgegenwart liegt in ihr. Heiligt den Augenblick. Wenn die Gegenwart heilig ist, wird auch die Zukunft sicher sein. Heute ist für die Leute aus Andrah Pradesh der Neujahrstag, morgen für die aus Tamil Nadu; dann für die aus Kerala. Ein Festtag folgt auf den anderen. Wir haben keinen Mangel an Festtagen. Aber ihr müsst die Festtage in ihrer Tiefe erfahren.

Verkörperungen der Liebe, gebt von heute, von diesem Moment an, alle schlechten Gedanken und Gefühle auf und macht euer Herz rein und heilig. Nur dann werdet ihr glückselig sein. Gelehrsamkeit wird euch nicht helfen. Auch das Aufsuchen heiliger Seelen wird euch nicht helfen. Macht einfach eure Herzen heilig. Seid rein und heilig. Last all eure Handlungen erhaben sein. Nur so arbeitet ihr für eure Erlösung. Darin liegt die Bedeutung von Ugadi.

Morgen ist das Neujahrsfest der Tamilen. Viele Leute sind aus Madras gekommen. In alten Zeiten war Madras die Hauptstadt. Wie ihr wisst, wurden die Staaten geteilt, aber Swami kennt keine Trennung. Swami kennt nur Einheit. Alle sind eins, seid zu jedem gleich. Die Reichen in Madras kaufen sich Trinkwasser, aber die Armen, die sich das nicht lei- sten können, trinken Abwässer. Sie sollten sauberes Trinkwasser ha- ben und ihre Gesundheit erhalten. In dem Wunsch, dass sie ein glück- liches Leben haben, fasste ich einen Entschluss. Gestern wandten sich der Geschäftsführer des Central Trust, Cakravarthi, Srinivas aus Ma-

71 dras und Indulal Shah aus Bombay an die Verantwortlichen der Welt- bank und erklärten ihnen, dass die Versorgung mit Trinkwasser nicht ein Almosen, sondern eine Hilfe ist, die wir geben, ohne irgendetwas dafür zu erwarten. Sie alle wiederholten Swamis Worte, es sei ein selbstloser Dienst, der Millionen zugute komme. Die Leute der Welt- bank kamen hierher. Diese Art Unternehmung hat es in der Welt in der Geschichte der Menschheit bisher nicht gegeben. Zum entfernten Ma- dras wird Trinkwasser gebracht werden. Die Weltbank ist bereit, Mittel zu geben. Heute ist der Neujahrstag. Heilige Empfindungen werden gute Ergebnisse zur Folge haben. Es ist Zeichen der Grösse der Ver- antwortlichen der Weltbank, diese Weitsicht zu haben. Es hat nicht ein- mal 12 Stunden gedauert. Gestern kamen sie um 7 Uhr hierher. Als ich heute Morgen herausging, kam der Telefonanruf mit der Zusage. Habt ihr es erkannt? Wenn ihr durch reine heilige Gedanken motiviert seid, werdet ihr wunderbare Ergebnisse haben. Tatsächlich braucht es keinen Beweis; Bhagavan ist das lebende Beispiel dafür. Jede Aufga- be, die ich unternehme, ist selbstlos. In mir ist keine Spur Selbstsucht. Alles gilt dem Wohlergehen der anderen. Aber nicht viele erkennen die- se Wahrheit, sondern glauben, es stände ein Motiv dahinter. Es gibt nur ein einziges Motiv dafür. Wenn alle glücklich sind, bin auch ich über- aus glücklich. Sai-Devotees sollten dem Weg Bhagavans folgen, damit auch sie wunderbare positive Ergebnisse haben. Wenn ihr dem Weg Bhagavans folgt, werdet auch ihr glücklich sein und einen sehr guten Ruf erhalten. Ihr braucht nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde zu warten. Was Bhagavan einmal sagt, wird eintreten. Sai-Devotees soll- ten Selbstsucht aufgeben, jedem dienen und ein wunderbares Leben führen. Gebt Kritik und Anklage auf und grüsst jeden ehrfurchtsvoll. So lange in euch Hass ist, werdet ihr euch selber ruinieren. Hass ist sehr schlecht. Ihr solltet keine bösen Absichten hegen. Entfaltet Liebe. Liebt jeden. Es gibt so viele arme Menschen. Helft ihnen soweit wie möglich. „Hilf immer, verletze nie“. Vyasa selber gab diese Anweisung. Es ist das Hauptprinzip der indischen Kultur. Es ist verdienstvoll, anderen zu hel- fen, und es ist eine Sünde, andere zu verletzen. Wenn ihr andere ver- letzt, schadet ihr dadurch euch selbst. Wenn ihr anderen helft, wird die- se Hilfe zehnfach auf euch zurückkommen. Wenn ihr anderen schadet, wird diese Verletzung ebenso zehnfach auf euch zurückkommen. Ihr solltet das immer im Blickfeld behalten. Von diesem Tag an sollten alle zu Verkörperungen der Liebe werden. Füllt eure Herzen mit Liebe und unternehmt mit dieser Liebe heilige Aktivitäten. (Vollständige Übersetzung der Ansprache an Ugadi, Telugu-Neujahr, in Brindavan, Whitefield)

72 14. April

Erlöst euer Leben durch das Singen des Na- mens Gottes

Wenn man Reichtum, Freunde, seine Ehefrau oder seinen Landbesitz verliert, kann man diese wiedererlangen. Aber wenn man seinen Körper verliert, kann man ihn nicht zurückerhalten.

Verkörperungen der göttlichen Liebe! Zeit ist endlos. In diesem unend- lichen Ablauf der Zeit durchlebt man verschiedene Erfahrungen. All die- se Erfahrungen erscheinen und verschwinden mit dem Ablauf der Zeit. Vielleicht verliert der Mensch im Lauf der Zeit Reichtum, aber er braucht sich deswegen nicht zu sorgen, weil man Reichtum wiedergewinnen kann. Das Gleiche gilt für Freunde. Ihr trefft im Verlauf eures Lebens viele Freunde, aber keine dieser Freundschaften dauert ewig. Im welt- lichen, körperlichen Sinn währen weder Freundschaft noch Freunde an. Man erwirbt während eines Lebens viele solch vorübergehender Freunde und verliert sie wieder. Ähnliches gilt für die Ehefrau oder den Ehemann. Viele Menschen in der Welt gründen eine Familie, um die Freuden der Ehe und des Familienlebens zu erfahren. Aber weder Ehe- mann noch Ehefrau sind ewig. Mit dem Ablauf der Zeit sieht man viele Veränderungen. Wenn man seine Ehefrau verliert, kann man wieder heiraten. Man kann Land und Eigentum erwerben. Aber gezwungen durch Zeit und Umstände kann man beide verlieren. Ihr verliert Geld und erhaltet es vielleicht nicht zurück. Ihr verliert Freunde und bekommt die gleichen Freunde nicht wieder. Man kann den Ehepartner verlieren, ohne denselben wiederzugewinnen. Man kann Land verlieren, und dasselbe Stück Land nicht zurückerhalten. Aber wenn man den menschlichen Körper einmal verloren hat, kann man ihn niemals zu- rückbekommen. Solange der Körper existiert, erfährt man alle Arten der Freude, kör- perliche, weltliche, moralische, spirituelle oder wissenschaftliche. Der Mensch besitzt materielle Güter, wie Geld und Eigentum. Aber er er- fährt auch Verluste, Sorgen, Prüfungen und grosses Leid. Was ist die

73 Wurzel, die Ursache, die Basis für all dies? Es sind drei Formen der Bindung und Wünsche, nämlich:

1. der Wunsch nach Reichtum 2. der Wunsch nach einer Ehefrau oder einem Ehemann. 3. der Wunsch nach Nachwuchs.

Als erstes der Wunsch nach Reichtum. In der Vergangenheit haben so viele Könige Reichtümer angehäuft, die jedoch vor ihren eigenen Au- gen verloren gingen. Demzufolge ist Reichtum vergänglich. Reichtum kann den Menschen niemals erheben. Kein Mensch kann jemals ewige Glückseligkeit oder einen erhabenen Seinszustand durch Reichtum er- langen. Spiritueller Reichtum allein ist wahrer Wohlstand. Obwohl we- der Bindung an noch der Wunsch nach Geld und Wohlstand einem Menschen jemals Freude bringen können, sehnt sich der Mensch da- nach. Geld ist notwendig, aber es sollte sich in Grenzen halten, weil Geld nicht der wahre Reichtum des Menschen ist.

Als zweites der Wunsch nach einer Ehefrau bzw. einem Ehemann. Der Mensch erfährt eine Zeitlang ein gewisses Mass an Glück in der Ge- sellschaft seiner Familie und mit seinem materiellen Besitz. Aber auch diese Freude ist vergänglich, sie ist nicht wahr und dauert nicht an. Das Wesen dieses Glücks ist Täuschung, Illusion. Es ist reine Unwissenheit zu glauben, Glück käme durch die Familie.

Als drittes der Wunsch nach Nachkommenschaft. Viele Menschen wünschen sich Kinder. Auch das ist wesentlich, denn Kinder bringen ein gewisses Mass an Glück. Aber auch darin liegt nicht das wahre Glück.

König Dhritarashtra hatte hundert Söhne, aber brachten ihm diese Söh- ne irgendeine Freude? In Wahrheit waren sie die Ursache seines Schmerzes und Leidens. Durch seine Söhne erhielt er einen schlechten Ruf und erlebte Grausamkeit. Darüber hinaus waren seine Söhne die Ursache der Zerstörung des gesamten Königreichs.

Der König der Kauravas besass so viele Söhne, aber welches Schicksal erfuhr er durch sie? Der Weise Shuka, der zölibatär lebende Sohn des grossen Weisen Vyasa hingegen zeugte keinen Sohn, aber kann man sein Leben deshalb als Missgeschick bezeichnen?

74 Ihr solltet deshalb nicht den Schluss ziehen, Kinder zu haben sei die Ursache für Erfüllung im Leben oder Kinderlosigkeit die Ursache für Leid. Es verhält sich wie mit einer Kuh, der, während sie heranwächst, zugleich Hörner wachsen. Zu glauben, Glück käme durch Kinder, ist eine menschliche Täuschung. Es ist alles Einbildung. Die drei Wünsche oder Bindungen – Reichtum, Wohlstand und Familie gleichen drei Seilen, die das Leben des Menschen verknoten und ihn völlig gefangen halten. Ein erhabener Sohn hingegen ist wertvoll. Es gibt ein geeignetes Bei- spiel hierfür. Am neunten Tag des gegenwärtigen Monats Caitra wurde Gott Rama geboren. Aus diesem Grund gilt dieser Monat als wundervoll und geheimnisvoll.

Aussergewöhnlich und geheimnisvoll, heilig in allen drei Welten, Freiheit schenkend vom Zyklus von Geburt und Tod, verehrt von den Weisen und Sehern – derart sind die wunderbaren, geheimnisvollen Eigenschaften und Geschichten des Herrn.

Der grosse König Dasharatha hatte drei Ehefrauen. Über die zweite Ehefrau, Sumitra, wird in den Schriften kaum gesprochen. Königin Kau- salya ist als die Mutter Ramas mehr bekannt. Sogar das Morgengebet zu Rama beginnt mit Kausalyas Namen. Die Mutter des Prinzen Bha- rata, Königin Kaikeyi ist bekannt durch ihren Wunsch, dass ihr Sohn Bharata zum König gekrönt werde. Königin Sumitra hingegen hegte keine derartigen Wünsche. Sie war tugendhaft, und ihr Verhalten war gut. Ihre Sprache war gemässigt, süss und wohltuend. Ihr Charakter entsprach ihrem Namen Sumitra, das bedeutet: „guter Freund“. Sie hat- te zwei Söhne, von denen keiner Anspruch auf den Thron hatte. Den- noch setzte sie der Welt ein Beispiel, indem sie das Ideal wahren Dien- stes lebte. Es war ihr Bestreben, dass ihre Söhne vor allem Rama dienen sollten, wenn Rama König würde. Der Platz von Dienern ist an der Seite ihres Herrn. Sie glaubte, das Königreich ihrer Söhne läge in dieser Bereitschaft, Rama zu dienen. Sie wünschte, ihr erster Sohn Lakshmana solle völlig im Dienst an Rama aufgehen, und ihr Sohn Sha- trughna sollte Bharata aus ganzem Herzen dienen, sollte dieser König werden. Sumitra erkannte die im Weg des Dienens verborgen liegende Gött- lichkeit und leitete ihre Söhne hin zu diesem Ideal. Wenn man das Ra- mayana liest, wird offensichtlich, wie weit, erhaben und vorbildlich Su- mitras Charakter war.

75 Als Gott Rama aufbrach, um in den Wald ins Exil zu gehen, weinte Kö- nigin Kausalya bitterlich. Sumitra allein vergoss keine Tränen. Sie sagte zu ihrer Mitschwester Kausalya: „Schwester, warum weinst und klagst du? Mein Sohn Lakshmana wird Rama begleiten, um ihm im Wald zu dienen. Rama wird keinen Schwierigkeiten und keinem Leid ausgesetzt sein. Lakshmana wird sich um Rama kümmern, so wie die Augenlider das Auge beschützen. Da Lakshmana mit Rama geht, hast du keinen Grund zur Traurigkeit.“

Gezwungen durch Dasharathas Versprechen an Kaikeyi musste Rama in den Wald ins Exil ziehen. Lakshmanas Situation hingegen war an- ders. Sumitra hätte argumentieren können, ihr Sohn Lakshmana sei nicht zum Gehen gezwungen. Aber tatsächlich erhob Sumitra keinen Einspruch. Sie empfand, Lakshmana war geboren, um Rama zu die- nen. Demzufolge nahm Rama einfach sein Instrument, Lakshmana, mit sich. Es hatte nichts damit zu tun, dass sie ihn schickte oder dass er gehen wollte. Es war Ramas Recht. Rama besass alle Autorität so zu handeln. Aus diesem Grund segnete Sumitra Lakshmana: „Kümmere dich gut um Rama und Sita und komme wieder.“ Sie flösste auch Kau- salya Mut ein. Als Nächstes Bharata. Bharata machte sich auf zum Königreich seines Onkels mütterlicherseits. Shatrughna hingegen erhielt keine Anwei- sung oder Botschaft bezüglich seines Bleibens, Weggehens oder Zu- rückkommens. Dennoch machte er sich bereit, denn er war immer be- reit, Bharata zu dienen. Es gibt in der Geschichte Indiens viele solch grosse Mütter, die ihre Söhne dem Ideal des Dienens opferten.

Als Nächstes die Ehefrauen. Ramas Gemahlin Sita, die Tochter König Janakas, sagte, sie könne nicht einmal einen Augenblick ohne Rama leben. „Du bist mein Leben und mein Gefährte; wenn ich dich verlasse, kann ich nicht einmal einen Augenblick in dieser Welt überleben.“ Sie konnte die Schmerzen der Trennung von Rama nicht ertragen und woll- te mit ihm in den Wald gehen. Lakshmanas Ehefrau Urmila hingegen war anders. Nirgendwo im Ra- mayana wird der Name Urmila besonders hervorgehoben. Aber Sumi- tra wie Urmila waren sehr reine und heilige Seelen. Sie führten vorbild- liche Leben. Ihr tägliches Leben war von Opfergeist erfüllt. Urmila gestattete sich selbst keinerlei Raum für Sorge. Sie war sich nicht ein- mal dessen bewusst, dass Lakshmana in den Wald wegging. Sie war sehr gewandt in der Kunst des Malens. Sie war gerade in das Malen eines Bildes vertieft; mehrere Farbtöpfchen standen vor ihr. Lakshma-

76 na ging zu ihr und rief: „Urmila!“ Sie sprang erschrocken auf, wobei ihr Sari sich in den Farbtöpfchen verfing, so dass die Farbe über das ganze Gemälde auslief. Sie war betrübt darüber, dass das Gemälde verdor- ben war. Lakshmana fragte sie, was sie da tue. Sie erwiderte, sie male die Szene der Krönung von Sita und Rama, die am nächsten Tag statt- fände. Dieses Gemälde sollte zu König Janaka, dem Vater von Sita, gesandt werden und diese heilige Szene sollte zum Wohl der ganzen Welt ausgestellt werden. Aus diesem Grund malte sie es. Lakshmana erwiderte traurig, dass, so wie er selber das Porträt der Krönung gerade verdorben hatte, die Krönung von Sita und Rama wegen Königin Kai- keyi nicht stattfände. Deshalb brauche sie sich wegen des Gemäldes keine Gedanken zu machen. Darüber hinaus würde er selber sofort auf- brechen, um gemeinsam mit Rama in den Wald zu gehen.

Welche Ehefrau würde den Gedanken, dass ihr Ehemann für 14 Jahre ins Exil ginge, um Rama zu folgen, dulden und akzeptieren? Urmila hät- te jede Menge Fragen stellen können, wie zum Beispiel: „Wieso ist es nötig, ihm zu folgen? Du bist durch keine Anweisung gebunden.“ Sie hätte argumentieren können, es bestünde für ihn kein Grund zu gehen. Stattdessen freute sie sich sehr und sagte zu Lakshmana, dass allein ihm die Gelegenheit gegeben wurde, Rama und Sita zu dienen. Er sei überaus gesegnet und solle ohne jede Verzögerung aufbrechen. Ur- mila wankte nie in ihrer Entscheidung. Tatsächlich gab sie ihrem Ehe- mann den Rat: „Ich könnte ein Hindernis bei deinen Vorbereitungen für Sitas und Ramas Reise sein. Verzögere nicht einmal einen Augenblick, ihnen zu folgen. Gehe im Dienst an ihnen auf. Aber ein Versprechen musst du mir geben: Du wirst 14 Jahre lang im Wald leben. Es könnte sein, dass mein Name oder meine Gestalt dir in den Sinn kommen. Aber verweile nicht dabei. Denke nicht einmal an den Namen „Urmila“. Richte deinen Geist ständig auf den Namen Sita-Rama aus und verliere dich selbst im Dienst an ihnen. Wenn ich dir folgte, könnten Zeiten eintreten, wo ich deinem Dienst an ihnen ein Hindernis bin. Deshalb werde ich hier bleiben, um deinen heiligen Pflichten Sita und Rama gegenüber nicht im Wege zu stehen.“

Als Lakshmana ihre Worte hörte, war er von Freude überwältigt. Er staunte darüber, dass solche Frauen in dieser Welt existierten. Sie in dieser Weise rühmend, sagte er ihr, er würde jetzt in den Wald aufbre- chen, und sie wünschte ihm alles Gute.

77 In der Kultur Indiens gibt es viele solch erhabene und tugendhafte Ehe- frauen und Mütter. Indien hat seit alten Zeiten einen grossen Ruf und Namen. Im Norden Indiens sind die Himalaya-Berge. Was bedeutet „Himala- ya“? Diese Berge, welche die nördliche Grenze bilden, stehen für Kühle und Reinheit. In diesem heiligen Land Indien fliessen die Leben spen- denden Flüsse Ganges, Yamuna und Saraswati. Sie symbolisieren Loslösung, Hingabe und Weisheit. Die drei grossen Epen Indiens, Ra- mayana, Mahabharata und Bhagavata werden in Indien hoch geachtet. Sie haben der Menschheit die höchsten Ideale verkündet. Wir haben auch die Bhagavadgita, die für die Einheit und das Einssein der Menschheit steht. Solch grosse Schriften haben ihren Ursprung in In- dien. Die Inder (Bharatiyas) verehren die Silbe „Bha“. Bha bedeutet Strahlen, Licht und Leuchten. Bharatiyas sind diejenigen, die sich nach Licht oder Strahlen sehnen und dieses Licht lieben. Was sollte ein Inder heutzutage lieben oder visualisieren? Licht. Ihr solltet euch nach der Göttlichkeit sehnen und danach verlangen, in Heiligkeit einzugehen. Reflektiert die Grösse des göttlichen Bharats. Seit alten Zeiten hat Bha- rat heilige Ideale verbreitet. Es hat allen Nationen der Welt die Botschaft des Friedens gebracht. Buddha war in Indien geboren. Er erkannte die Wahrheit: „Die von Gott gesetzte Ordnung schützt die, die an der Gött- lichen Ordnung festhalten.“ Er verkündete dieses Prinzip dem Rest der Welt.

Das edle Wesen Sumitras und Urmilas wurde im Ramayana nicht sehr hervorgehoben. Einst, während des grossen Krieges zwischen Rama und Ravana, wurde Lakshmana bewusstlos. Als festgestellt wurde, dass die Pflanze Sanjivini ihn wieder ins Leben zurückrufen konnte, er- reichte Hanuman in einem Sprung den Berg, auf dem die Pflanze wuchs. Als er mit dem Berg in seiner Hand zurückkehrte, überquerte er auch den Ort Nandigrama. Bharata sah ihn und glaubte irrtümlicher- weise, er sei ein Dämon, der nicht nur seine Brüder getötet hatte, son- dern jetzt auch kam, um ihn zu entführen. Getrieben von diesem schlechten Empfinden, schoss Bharat einen Pfeil auf Hanuman, der daraufhin mit dem Berg zu Boden fiel. Hanuman grüsste Bharata mit gefalteten Händen und erklärte den Zweck seiner Reise. Er beschrieb, wie Lakshmana in der Schlacht bewusstlos wurde und wie Rama in tie- fer Besorgnis Tränen vergiessend bei ihm sass. Hanuman erklärte, er nähme den Berg mit der Sanjivini-Pflanze mit sich, um Lakshmana wie- der zu beleben. Bharata war sehr glücklich, als er das hörte, und rief

78 jeden herbei. Er sandte auch eine Botschaft an die drei Mütter, und auch Sumitra und Urmila kamen herbei. Als Königin Kausalya von Lakshmana Lage hörte, weinte sie. Königin Sumitra hingegen war unbewegt und vergoss keine einzige Träne, und auch Urmila blieb ungerührt. Sie hörte mit geneigtem Haupt Hanumans Erzählung aufmerksam zu. Sumitra sagte, dass Lakshmana dazu bestimmt war, Rama zu dienen. Darüber hinaus besänftigte sie auch Kausalya, die untröstlich war, als sie von Ramas Schmerz hörte, mit den Worten: „Schwester, es besteht kein Grund zur Sorge. Solange Lakshmana an seiner Seite ist, kann Rama nicht geschadet werden.“ In dieser Weise flösste sie Kausalya Mut ein. Sie versprach sogar, ihren zweiten Sohn Shatrughna zu sen- den, um Rama zu schützen, sollte der bewusstlose Lakshmana ster- ben. Welche Mutter würde ihre Söhne in diesem Ausmass opfern? Su- mitra glaubte fest daran, ihre Söhne seien geboren, um zu dienen. Dann führte Bharata Hanuman zu Urmila. Er sprach sie als „Mutter“ an, denn in jenen Tagen wurden alle Frauen als „Mutter“ angesprochen, und sag- te: „Mutter, du magst dich über Lakshmanas Bewusstlosigkeit Sorgen machen.“ Urmila erwiderte daraufhin: „Sohn, ich mache mir nicht im ge- ringsten Sorgen über Lakshmana. Er ist schliesslich mit Ramacandra. Der Name Ramas durchdringt jeden Teil seines Wesens, jede Zelle und jedes Atom seines Körpers. Mein Ehemann, dessen Herz mit Ramas Namen erfüllt ist, ist unbezwingbar. Nichts kann ihm geschehen.“ Und sie fragte Hanuman weiter, was genau Lakshmanas Lage war. Hanu- man erwiderte: „Mutter, dein Ehemann Lakshmana ist bewusstlos. Es erscheint unmöglich, dass er wieder belebt wird und ins Leben zurück- kehrt. Aus diesem Grund ist Rama von Schmerz erfüllt.“ Daraufhin er- klärte Urmila: „Es ist Ramas Liebe, die ihn Tränen vergiessen lässt. Sei- ne Liebe zu Lakshmana ist grenzenlos. Lakshmana ist wie eine Ausweitung von Ramas Körper, und Rama betrachtet ihn als sein zwei- tes Leben. Aus diesem Grund ist es natürlich, dass Lakshmanas Be- wusstlosigkeit Rama schmerzt.“ Dann brach Urmila in Lachen aus und sagte: „Hanuman, niemand in dieser Welt kann den Charakter und das Wesen von Rama oder Lakshmana voll erfassen. Rama ist niemand anderes als Gott selbst. Sorge ist ihm fremd, und er braucht sich nicht zu sorgen. Dieser Schmerz ist nichts als ein Schauspiel. Und auch mein Ehemann Lakshmana kennt keine Sorgen. Die Kraft der von König Ra- vana und seinem Sohn geschossenen Pfeile mag ihn bewusstlos ge- macht haben, aber sein Wesen ist vom Namen Gottes erfüllt. Er ruht sich nur friedlich aus. Ihm kann nicht geschadet werden.“

79 Diese Urmila war eine der wenigen, die klar die einzigartige Beziehung zwischen Rama und Lakshmana verstand. Tatsächlich sagte Rama in seinem Schmerz sogar: „Wenn ich auf die Suche ginge, könnte ich eine Ehefrau gleich Sita finden, aber niemals würde ich nochmals einen Bru- der wie Lakshmana bekommen. Lakshmana ist mein Leben selbst.“ Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass das Wesen von Lakshmana wie Shatrughna sehr edel und gross war. Normalerweise wird nur der Charakter Ramas und Sitas hervorgehoben, wohingegen die Brüder und ihre Ehefrauen nicht gross erwähnt werden. Es liegt daran, dass das Ramayana weltlich interpretiert wird. Dann drängte Urmila Hanu- man, sich mit der Erfüllung seines Auftrags zu beeilen: „O Hanuman, beeile dich mit deinem Auftrag. Ich bin die Tochter König Janakas, die Schwiegertochter König Dasharathas und die Gemahlin Lakshmanas. Alle drei verkörpern die ewige Wahrheit. Lakshmana kann deshalb nicht verletzt werden.“ Urmila lebte auf den Platz beschränkt, wo Lakshmana sie zurückge- lassen hatte, ehe er in den Wald ging. 14 Jahre lang wartete sie auf seine Rückkehr und hielt sich mit Malen und Zeichnen beschäftigt. Kau- salya und auch Sumitra zeigten manchmal Emotionen, aber Urmila war immer unerschütterlich. Ihr Wesen war wahrhaft, selbstlos, rein und lie- bend. Die Inder haben die Grösse ihres süssen Wesens nicht voll er- kannt, noch hat die Welt bis dahin eine Mutter wie Sumitra gekannt, die niemals irgendwelche Rechte einforderte, sondern ihre Söhne ei- nem Leben des Dienens opferte. Solche erhabenen Seelen, die ihr Le- ben dem Dienst weihten, wurden im Jahr Chitrabhanu im Monat Caitra geboren. An diesem heiligen Tag sollten wir uns nicht nur an Rama und Sita, sondern auch an Lakshmana, Urmila, Bharata und Shatrughna erinnern.

Die vier Brüder symbolisieren die vier Veden. Als der Weise Vasishtha einst gefragt wurde, ob auch Frauen dazu qualifiziert seien, die Veden zu rezitieren, antwortete er, die vier Veden Rigveda, Yajurveda, Sa- maveda und Atharvaveda seien als die Söhne König Dasharathas ge- boren und spielten in seinem Palast.

Was wir heute erkennen müssen ist, dass keinerlei Schaden an Gott herankommen kann, dass Gott nicht geschadet werden kann. Gott ins- zeniert ein Drama, um seine Mission auf Erden zu erfüllen. Nur grosse Menschen, deren Herzen rein und feinsinnig sind, können diese Wahr- heit erkennen. Urmila allein erkannte die Reinheit und Grösse von Lakshmanas Herz. Sumitra allein verstand das tugendhafte Wesen ih-

80 rer zwei Söhne Lakshmana und Shatrughna. Nur eine Mutter und nie- mand sonst kann wahrhaft das Wesen ihrer Söhne erfassen. Viele solch edle Mütter sind in Indien geboren worden. Die Kultur Bharats hat solche Edelsteine idealer Mütter und Ehefrauen hervorgebracht.

Das Ramayana ist voll mit vielen derartigen subtilen Mysterien, und es ist wesentlich, sie zu erkennen und zu praktizieren.

Wir halten diesen Tag für den Beginn eines neuen Jahres; aber es ist nicht so. Jeder Augenblick ist neu. Wir fragen uns, welche Erfahrungen dieses Jahr mit sich bringen wird, und spekulieren darüber, was im po- litischen, wirtschaftlichen und nationalen Bereich geschehen wird. Da- mit sich etwas verändert, braucht man nicht auf ein neues Jahr zu war- ten. In jedem Augenblick liegt Veränderung. Was immer im letzten Jahr geschah, kann auch in diesem Jahr geschehen. Aber das ist es nicht, worauf ihr euch fokussieren solltet. Macht euch stattdessen darüber Sorgen, dass, obwohl so viele Jahre vergangen sind, eure Tugenden nicht mehr und eure Laster nicht weniger geworden sind. Ihr müsst euch darauf konzentrieren, schlechte Eigenschaften, schlechte Gedanken, schlechte Absichten und schlechte Wünsche auszulöschen. Strebt da- nach, im neuen Jahr heilige Empfindungen und göttliche Gedanken zu entwickeln und zu nähren. Kontempliert über die Schau der nicht ma- nifestierten Wahrheit. Vergesst die täuschende sichtbare Welt der Sin- ne und strebt danach, durch spirituelle Methoden die verborgene in- newohnende Glückseligkeit Atmans zu erfahren.

Verkörperungen der Liebe, das Glück, das ihr sucht, liegt nicht in ma- teriellem Besitz, in Menschen und Beziehungen. Die Glückseligkeit, nach der ihr strebt, geht aus euren eigenen Herzen hervor. Richtet eure Sicht nach innen zum Herzen. Der allgegenwärtige Gott Narayana wohnt im Herzen. Wenn ihr eure Schau nach innen richtet, wird die Glückseligkeit, die allen drei Welten innewohnt, sich vor euch manife- stieren. Ihr sucht Glückseligkeit, obwohl es nicht nötig ist, danach zu suchen. Diese Glückseligkeit ist in euch, um euch herum und schützt euch. Ihr braucht nicht nach ihr zu suchen. Welcher Art ist diese Glückseligkeit? Ist sie körperlicher Art?

Der Körper ist voller Schmutz, eine Heimstätte für Krankheit, er gleicht einer wuchernden Knolle, einem undichten Boot, das euch nicht über das Meer von Geburt und Tod bringen kann.

81 Setzt niemals euer Vertrauen in diesen Körper, denn er ist vergänglich! Haltet euch stattdessen an den Füssen des Herrn fest.

Welches Glück kann einem so ein Körper bringen? Wahres Glück liegt darin, sich den Füssen des Herrn zu ergeben. Hingabe ist im heutigen Indien im Schwinden begriffen, und der Geist lässt sich von körperlichen, weltlichen und grobstofflichen Aspekten des Lebens täuschen. Was hat es mit diesen Phantasien, Täuschun- gen und Einbildungen auf sich? Sie gleichen einem Spiel der Puppen.

Diese Welt ist ein Schauspiel, ein Spiel der Marionetten. Jemand mag ein König sein, ein anderer ein Diener, aber es sind alles Rollen in einem Drama. Die Welt ist Dunkelheit. Erkennt diese Wahrheit!

Diese Dunkelheit ist die Dunkelheit der Unwissenheit. Es ist ein Zeichen der trägen, dumpfen Grundeigenschaft. Wie könnt ihr die subtilen Wahrheiten des Göttlichen kennen, wenn ihr in Trägheit und Grobheit lebt?

Verkörperungen der Liebe! Es ist euer gutes Los, in Indien geboren zu sein. Hier zu leben ist ein noch grösseres Glück. Sich selbst als Inder zu bezeichnen ist eine Sache, auf die man stolz sein kann. Ihr vergesst die heilige Essenz dieses grossen Landes Bharat. Wenn irgendjemand euch nach eurer Qualifikation fragt, dann antwortet, dass ihr ein Bha- ratiya seid, denn das ist die höchste Qualifikation. Dem Begriff Bhara- tiya selbst wohnt eine heilige Bedeutung inne.

O Bewohner dieses grossen Landes! Lebt ein vorbildhaftes Leben, ver- breitet diese heiligen Ideale an die Mitglieder anderer Länder und pro- pagiert dadurch Frieden und Glück. Es gibt in diesem Land Abermil- lionen Menschen, welche die Glückseligkeit, die aus dem Praktizieren von Wahrheit, rechtem Handeln, Frieden, Liebe und Gewaltlosigkeit kommt, kennen, erfahren und umsetzen. Aber diese Menschen sind nicht sichtbar. Ihre heiligen Empfindungen können nicht gesehen oder gehört werden; sie werden nur in ihren Leben demonstriert. Sie sind dem Auge nicht sichtbar. Warum vergesst ihr diese grundlegenden Tu- genden?

82 Verkörperungen der göttlichen Liebe! Lasst uns diese göttlichen Cha- raktere im Ramayana nicht vergessen. Fegt sie nicht als altmodisch zur Seite. Die in diesen Geschichten verborgenen Mysterien sind nicht zu erfassen. Habt ihr die reinen Gefühle und Empfindungen Sumitras, Si- tas oder Urmilas verstanden? Nein, nein. Urmila ist die von König Jana- ka gezeugte Tochter. Sita wurde aus der Erde geboren. Urmila war Kö- nig Janakas leibliche Tochter, wohingegen Sita adoptiert wurde. Da sie Schwestern waren, wurden sie mit den Brüdern Rama und Lakshmana verheiratet. Sita war die Verkörperung von göttlicher Energie und wurde deshalb mit Rama verheiratet, der ebenfalls göttliche Energie ist. Diese Energie ist die magnetische Kraft. Lakshmana ist Adishesha, die Schlange, auf der Gott Vishnu ruht, der die Welt trägt. Mit ihm wurde Urmila verheiratet, weil sie Reinheit repräsentiert. Sie war eine talen- tierte Künstlerin, die jede Szene im Bild einfangen konnte. Wir erinnern uns Kaikeyi und Manthara, die Zofe Kaikeyis, unter deren Einfluss Kai- keyi Rama in den Wald senden liess, aber niemand denkt heutzutage an Urmila. Nicht der Name ist wichtig; erinnerungswürdig sind die Idea- le, die sie der ganzen Welt demonstrierte. Urmilas Wesen war zart und rein. Sie wartete 14 Jahre auf Lakshmana an demselben Ort, an dem er sie verlassen hatte. Sie verfolgte keine äusserlichen vergänglichen Wünsche, sondern konzentrierte sich auf die Essenz. Es wären noch viele Dinge zu sagen, aber sie würden nicht verstanden werden. Sita ging in denselben gelben Gewändern in den Wald, die sie während ihrer Hochzeit getragen hatte. Auch Urmila praktizierte dieselbe Askese. Die Töchter Janakas hatten einen Lebenspartner und ein Gewand, das für Treue, Einfachheit und Ausrichtung auf ein Ziel steht. Sie wurden Vai- dehi genannt, das bedeutet: jenseits von Körperbewusstsein. Auch Sita wird Vaidehi genannt. Wenn wir nachforschen, finden wir, dass das Ra- mayana von tiefer Bedeutung ist. Aber das Ramayana wird gelesen, ohne die ihm zugrunde liegende Bedeutung zu berücksichtigen. Wenn man die modernen Leute fragt, wer Ramas Ehefrau war, würden sie antworten: „Mrs. Rama.“ Sie kennen nicht einmal die Namen der Ge- stalten dieses Epos. Das ist der derzeitige Stand der Unwissenheit in Indien in Bezug auf das eigene Kulturgut. Es kommt vom Einfluss der modernen Lebensgewohnheiten. Ihr habt nur einen Freund. Es ist Gott. Ihr habt nur eine Schrift – das Land Indien. Lest und kennt die Geschichte und das kulturelle Erbe In- diens. Ihr lest Trivialromane und bewahrt sie in eurem Herzen. Sie ver- schmutzen euren Geist, der nicht leicht davon zu reinigen ist. Nur jene mit reinen Herzen können edel empfinden.

83 Verkörperungen der göttlichen Liebe! Verankert in diesem neuen Jahr erhabene Ideale in eurem Herzen und lernt von den grossen Tugenden der edlen Charaktere. Folgt ihrem Beispiel, erfahrt Glückseligkeit und gebt diese Glückseligkeit an andere weiter. Bewahrt den Ruhm dieses heiligen Landes. Ihr verderbt den guten Ruf dieses Landes. Es ist euer Mutterland; vergesst das nicht. Ihr seid Inder, die Identität, mit der ihr geboren seid. Die übrigen Namen habt ihr erst später im Leben ange- nommen. Bharati: bha steht für Leuchten, für Göttlichkeit, rati bedeutet, zu lieben. Wer das Licht liebt und sucht, ist deshalb ein Bharatiya. Auch Bharata hielt an diesem Ideal fest. Einst, als die Grösse Indiens gerühmt wurde, fiel der Satz, was in Indien sei, ist nirgendwo anders zu finden. Der Ruhm und Ruf dieses Landes ist immerwährend und muss bewahrt werden. Ihr müsst euch heute auf die edlen Qualitäten der Männer und Frauen im Ramayana besinnen. Ramayana hat den Test der Zeit bestanden. Es ist tausende von Jahren lang erinnert worden, und zieht sogar heute noch weiterhin die Men- schen an.

Im Namen „Rama“ selbst liegt Ramas Schönheit. Wenn ihr „ra“ sagt, verlassen euch eure inneren schlechten Qualitäten, und wenn ihr „m“ sagt, schliesst ihr euren Mund, so dass diese Eigenschaften nicht wie- der in euch eindringen können. Das ist die innere Bedeutung der Wie- derholung des Namens Rama. Ihr habt an diesem Neujahrstag neue Wahrheiten erlernt. Praktiziert sie und heiligt eure Leben. (Vollständige Übersetzung der Ansprache zum Tamil Nadu und Kerala- Neujahrsfest, in Brindavan, Whitefield)

84 21. April

Verankert Ramas Namen in euren Herzen

Verkörperungen der Liebe! Gestern war Ugadi, das Telugu-Neujahrs- fest, heute ist Vishu, das Kerala-Neujahrsfest. Auch wenn sich die Na- men unterschieden, ist die Essenz doch dieselbe. Wenn wir uns an die innere Bedeutung halten, ist alles neu. Das neue Jahr besteht nicht nur darin, neue Kleider zu tragen, sich die Haare zu waschen und Süssig- keiten zu essen. Das sind nur die äusserlichen Aktivitäten der Festtage.

Ewig fliesst der Fluss Citravati an den Ufern einer Stadt, die von Bäumen geschmückt ist. Parvati und Shiva sind die hier herrschenden Gottheiten. Diese alte Stadt ist seit historischen Zeiten voller Ruhm und Herrlichkeit. Es ist die Stadt Puttaparthi.

Puttaparthi. Parthi bedeutet Licht. Puttaparthi ist die Geburt (putta) des Lichts. Früher wurde es Puttavardhini (putta bedeutet auch Ameisen- hügel, vardhini bedeutet „sich vermehren) genannt, weil es voller Schlangen und Ameisenhügel war. Auch das Ramayana wurde von Valmiki verfasst, der aus einem Ameisenhügel „geboren“ wurde. (Val- miki bedeutet Ameisenhügel; der frühere Strassenräuber Ratnakara begann so intensiv zu meditieren, dass währenddessen ein Ameisen- hügel um ihn wuchs, und aus diesem Ameisenhügel ging der Weise Valmiki hervor, der das Ramayana verfasste). Das Ramayana strömte aus dem Weisen Valmiki, der von einem Ameisenhügel bedeckt war. Unser Herz gleicht einem Ameisenhügel, das voll von den „Schlangen“ schlechter Handlungen und Gedanken ist. Wenn ihr an Gott denkt, wer- den diese „Schlangen“ herauskommen. Dieses Singen von Gottes Na- men ist die wahre Musik. Wenn man an Gottes Namen denkt, werden schlechte Eigenschaften vertrieben. Diese spirituelle Übung wird heute belächelt. Es ist ein grosser Fehler. Die Herrlichkeit Gottes zu besingen ist höchst heilig. Weil die Wiederholung des Gottesnamens schwindet, haben wir heute unendliche Probleme. Singt Gottes Herrlichkeit zu je- der Zeit und an allen Orten. Es wird euch Mut und Trost geben. Lasst andere sich über euch lustig machen. Position ist kein Hindernis für die Wiederholung des Gottesnamens. Jeder besitzt ein Herz, und es ist im

85 eigenen Interesse, den Namen zu wiederholen. Egal in welchem Alter ihr seid, wiederholt den Namen des Herrn. Törichte Menschen igno- rieren diese Sitte oder machen sich darüber lustig. Jene, deren Geist erfüllt ist, singen den Namen des Herrn. Lasst euch nicht beeinflussen von dem, was die Leute sagen. Der Zweck des menschlichen Lebens liegt darin, Gottes Namen zu erinnern. Folgt eurem eigenen Glauben oder Bekenntnis. Argumentiert mit denen, die euch angreifen: „Du magst keinen Gott haben, aber ich habe meinen Gott. Welches Recht besitzt du, mir vorzuschreiben, ob ich an Gott glauben solle oder nicht?“ So solltet ihr argumentieren. An dem Tag, an dem ihr Gottes Namen mit Mut und Überzeugung singt, werdet ihr siegreich sein. Denkt ohne Furcht an Gott. Der heutige Sonntag, dieser Neujahrstag, ist ein heiliger Tag. Beginnt mit dem Singen des Namens Gottes. Ihr mögt keine In- strumente haben, um euer Singen zu begleiten. Euer Geist ist eine Vina. Stimmt dieses Instrument, beseitigt schlechte Empfindungen und singt den Namen des Herrn. Dann werdet ihr göttliche Energie besitzen.

Eines Tages versammelten sich die Gopikas, die im Schmerz über Kris- hnas Abwesenheit versanken, an einem Platz und beteten gemeinsam:

“O Krishna, singe für uns deine Worte, die gleich dem süssen Honig fliessen. O Krishna, sprich zu uns und fülle unsere Herzen, Nimm die Essenz der Veden und verwandle sie in Göttlichkeit, fülle deine Flöte mit dieser göttlichen Melodie und singe einmal für uns.”

Sie wollten dieses mit der Essenz der Göttlichkeit erfüllte Lied hören. Als Krishna seine Flöte spielte, taten die Gopikas ihren letzten Atemzug und verschmolzen mit der Melodie. In der Glückseligkeit dieser Musik vergassen sie all ihre Mühen. Dies war die Einzigartigkeit von Krishnas göttlicher Musik. Der heutige Tag wird von den Menschen aus Kerala „Vishu“ genannt. Vishu bedeutet:

Möget ihr von Freude erfüllt und friedvoll sein! Möget ihr furchtlos und glückselig sein und gute Leben führen! Möget ihr allen Frieden und alle Sicherheit geniessen!

86 Heute ist auch der Neujahrstag der Tamilen. Möget ihr gesund sein, lange leben, Frieden und Wohlergehen haben. Führt vorbildliche Le- ben! Ich segne euch, dass ihr für eure eigene Erlösung arbeitet, und dass ihr alle Glückseligkeit und allen Frieden erfahrt. Möget ihr die aus dem Inneren kommende Glückseligkeit erfahren. Ihr braucht nicht im Aus- sen nach ihr zu suchen. Von heute an sollten all jene, die Devotees sind, ihren Glauben und ihre Hingabe entfalten, ohne sich darum zu kümmern, was andere sagen. Wo immer ihr sein mögt, wiederholt ohne Furcht den Namen Gottes. Das ist euer wahres Leben. Ihr seid als Bürger Indiens (Bharat) geboren. Führt ein vorbildhaftes Le- ben. Bald werden alle anderen Länder der Welt Bharat folgen. Bharat sollte der Führer der Welt sein. Das ist es, was Bhagavan wünscht.

87

6. Mai

Die Mutter ist euer erster Gott

Süsser als Zucker, geschmackvoller als Joghurt, süsser als Honig ist der Name Gottes. Wenn man ständig den Namen Gott Ramas wiederholt, wird es zu Nektar selbst. Singe deshalb, o Mensch! den Namen Ramas.

Verkörperungen der Liebe! Ayodhya ist die Hauptstadt des Königreichs Kosala. Weil kein Feind in diese Stadt eindringen kann, wird sie Ayod- hya genannt. Diese Stadt Ayodhya wurde durch den Kaiser Manu er- baut. Der Wille Brahmas manifestierte sich in dem Gedanken, der die Form der Schöpfung annahm. Dieser ständig fliessende Gedanke, der durch Gottes Willen hervorgegangen ist, wird Manasasarovara, der See des Geistes genannt. Ein Teil dieses Manasasarovara fliesst als der Fluss Sarayu nahe der Hauptstadt Ayodhya des Königreiches Kosala.

Dasharatha war König dieses heiligen Königreichs. Trotz aller Bequem- lichkeiten, allen Glücks, allen Komforts und allen Wohlstands war Da- sharatha sehr traurig, weil er keine Kinder hatte. Sein Minister Suman- tha war tugendhaft, selbstlos und heilig. Als vertrauter Minister konnte er an König Dasharatha herantreten, und er drückte den Wunsch aus, dem König eine Lösung für sein Problem zu unterbreiten: Für die Si- cherheit und den Schutz des Königreichs sollte das Ritual Ashvamed- hayagna, und für individuellen Segen das Putrakamesha-Opfer durch- geführt werden. Nach Durchführung des Putrakamesha-Opfers kann man Nachwuchs erhalten und dadurch wiederum das Land glücklich machen.

Dasharatha stimmte diesem Vorschlag zu und erliess den Befehl, die nötigen Vorbereitungen für diese Opferhandlung durchzuführen. Zur Durchführung dieses Opfers braucht es einen Hauptpriester. Da der Weise Rishyasringa geeignet war, als Hauptpriester die Stütze des Op- fers zu sein, bat Sumantha Rishyasringa, das Putrakamesha-Opfer ab- zuhalten.

89 Im Königreich Padmapadas, Angadesha, herrschte zu der Zeit Hun- gersnot. Es war Padmapadas Wunsch, mithilfe des Weisen Rishyas- ringa ein heiliges Ritual durchzuführen, um das Volk von allem Leid und der Hungersnot zu befreien.

Padmapada, Sumantha und Dasharatha brachen auf, um Rishyasringa einzuladen. Mithilfe dieses Weisen konnte Dasharatha das heilige Ri- tual Putrakamesha durchführen. Während des Ablaufs dieses Rituals ging eine strahlende Gestalt mit einem Behälter in der Hand aus den Flammen hervor. Diese leuchtende strahlende Erscheinung gab die- sen Behälter, der eine Süssspeise enthielt, dem Weisen Vasishtha. Der Zweck dieser Süssspeise wurde Dasharatha eingehend erklärt: sie sollte unter seinen drei Ehefrauen aufgeteilt werden. Wie diese Süssspeise aufgeteilt wurde, wird in den verschiedenen Fassungen des Ramayana, die von verschiedenen Autoren wie Kamba, Tulsidas und Valmiki verfasst wurden, unterschiedlich erzählt. Aber in keiner Fassung wird die Verteilungsweise exakt dargestellt. Der Gedanke ei- nes jeden wird geformt durch die Umstände und die Umgebung der ei- genen Lebensposition.

Vasishtha verteilte diese Süssspeise in gleichen Anteilen in drei Be- chern in Anwesenheit Dasharathas an die drei Königinnen. Damals wie heute wurde, so wie es sein soll, dem Prinzip der Gleichheit gefolgt. Die Königinnen wurden aufgefordert, ein heiliges Bad zu nehmen und dann die Süssspeise zu essen. Die Königinnen Kausalya und Kaikeyi waren glücklich, nicht aber Sumitra. Sie war nicht bereit, der Anweisung ihres Ehemannes König Dasharatha entgegenzuhandeln, aber sie konnte sich auch nicht damit abfinden, die Süssspeise zu essen. Nach Vollendung des heiligen Bades stieg sie die Treppe zur Dachterrasse ihres Palastes hinauf, um dort ihr Haar zu trocken. Sie nahm den Becher mit der Süssspeise mit sich und stellte ihn beiseite, während sie ihre Haare trocknete. Sie dachte bei sich: „Was bringt es, diese Speise zu essen? Der Sohn der ersten Königin wird als der legale Erbe den Kö- nigsthron besteigen. Gemäss dem Versprechen, das dem König von Kaikeya, dem Vater Kaikeyis, gegeben wurde, ist auch der Sohn der Königin Kaikeyi Anwärter für den Thron. Ich allein habe keinerlei An- recht. Was bringt es in dieser Situation, die Süssspeise zu mir zu neh- men?“

In dem Moment kam eine Botschaft von Dasharatha. Sie band ihr Haar zusammen und wollte eben den Becher ergreifen, als von irgendwo ein

90 Adler kam und den Becher wegnahm. Sie fühlte sich noch elender und fürchtete, wie ernst Dasharatha die Angelegenheit nehmen würde. Sie fragte sich: „Welchen Fluch wird er über mich sprechen, wie wird Va- sishtha mich bestrafen?“ Voller Angst und Sorge über die entstandene Verwirrung eilte sie zu Kausalya und Kaikeyi und erzählte ihnen von dem Missgeschick, wie aufgrund ihrer Nachlässigkeit der Becher ver- loren ging. In jenen Tagen pflegten die Mitfrauen gleich Schwestern sehr vertrau- ten Umgang miteinander. Sie trösteten sie und holten einen Becher der- selben Art. Kausalya und Kaikeyi gaben jeweils die Hälfte ihrer Süssspeise an Sumitra. Sumitra war sehr glücklich über diese mitfüh- lende und rücksichtsvolle Geste ihrer Schwestern ihr gegenüber. So geschah die Verteilung in einer natürlichen Weise, obwohl sie in an- deren Texten als mathematische Aufteilung beschrieben wurde. Alle drei assen ihren Teil der Süssspeise.

Neun Monate vergingen. Kausalya gebar einen Sohn. Zum Zeitpunkt seiner Geburt waren alle fünf Elemente in einem völligen Zustand des Gleichgewichts. Die Mutter war überaus glücklich, aber ehe die frohe Botschaft die anderen Königinnen erreichte, setzten auch bei ihnen die Wehen ein. Sumitra gebar Lakshmana und Shatrughna, und zur glei- chen Zeit brachte Königin Kaikeyi Bharata zur Welt.

Diese vier Söhne Dasharathas verkörpern die vier Veden. Am zehnten Tag wurde die Namenszeremonie der Söhne durchgeführt. Dem, der so freudevoll, glückselig und die Freude eines jeden war, wurde der Name Rama gegeben. Zudem war dieser Sohn fähig, den Atman, das Göttliche Selbst im Herzen eines jeden, gleich der Widerspiegelung in einem Spiegel, zu sehen, und jeder konnte das Rama umgebende Licht sehen. Er sah das Licht in einem jeden gleich der Form eines Mondes im Herzen, wie wenn der Mond in einem jeden schien. Aus diesem Grund wurde er auch Ramachandra (chandra heisst Mond) genannt.

Alle vier Brüder verbrachten ihre Zeit gemeinsam, sangen und spielten zusammen. Aber als Neugeborene nahmen die zwei Söhne Sumitras keine Milch zu sich, schliefen nicht und waren ständig unruhig. Sumitra begann zu weinen und verwünschte sich selber für diese Situation. Sie war überaus traurig. Sie suchte Vasishtha auf, als er alleine war, und sagte: „Guruji, meine Söhne brauchen mir nichts zu geben; wenn beide glücklich sind, ist das genug für mich. Warum schlafen sie nicht, warum

91 weinen sie seit ihrer Geburt? Sie haben allen Komfort und keinen Schmerz. Bitte, sage mir die Lösung.“

Vasishtha meditierte eine Zeitlang, um die Ursache herauszufinden, und teilte ihr dann mit: „Mutter Sumitra, du bist sehr gesegnet. Du trägst den Namen Sumitra, das bedeutet, du bist jedem gleichermassen na- he, lieb und vertraut. Gehe dem entsprechend zu Kausalya und Kaikeyi; lasse Lakshmana gemeinsam in der Wiege mit Rama und entspre- chend Shatrughna in der Wiege mit Bharata schlafen.“ Sumitra freute sich über diesen Vorschlag und handelte entsprechend. Kausalya wie auch Kaikeyi begrüssten diese Lösung freudig und erklärten sich bereit dazu. Lakshmana wurde neben Rama und Shatrughna neben Bharata gelegt. Von diesem Moment an hörten Lakshmana und Bharata zu wei- nen auf und bewegten ihre Hände und Beine in jeder aktiven Weise. Sumitra war sehr froh, ihre Kinder so glücklich zu sehen, und hielt sich für sehr gesegnet.

Eines Tages, als der Weise Vasishtha ganz alleine war, ging Sumitra zu ihm und fragte ihn nach der Ursache dafür, dass Lakshmana mit Rama und Shatrughna mit Bharata sei. Daraufhin sagte der Weise Va- sishtha zu ihr: „O Sumitra, du bist sehr edel, reinen Herzens und ohne jede Überheblichkeit. Als der Adler deinen Teil der Süssspeise weg- nahm, halfen Kausalya und Kaikeyi dir in sehr liebender Weise, indem sie ihre Süssspeise mit dir teilten. Aus diesem Grund schliesst sich Sha- trughna, der aus dem Teil von Kaikeyis Süssspeise geboren wurde, Bharata an, und Lakshmana in derselben Weise Rama.“ Jeder muss sich demzufolge der Gemeinschaft seiner ursprünglichen Form anschliessen. In der heiligen Bhagavadgita steht geschrieben, wir sind alle Funken des Göttlichen. Dasselbe gilt für Rama. Lakshma- na, der ein Funke Ramas ist, schloss sich Rama an, und Shatrughna entsprechend Bharata. Seitdem verbrachten sie ihre Zeit zusammen.

Sie wuchsen heran, und Dasharatha kamen Gedanken, dies sei die rechte Zeit, sie zu verheiraten. Unterdessen kam eine Botschaft, dass der Weise Vishvamitra eingetroffen sei. Gott kreiert zur rechten Zeit die rechte Situation entsprechend seinem Meisterplan. Dasharatha erhob sich von seinem Sitz und hiess Vishvamitra persönlich herzlich will- kommen: „Ich bin sehr froh über mein gutes Los. Gerade heute dachte ich darüber nach, meine Söhne zu verheiraten. Ich konnte deinen Segen erhalten und bin sehr froh über dein Eintreffen zu diesem Zeitpunkt. Was ist der

92 Grund deines Kommens?“ Vishvamitra antwortete: „Ich habe nichts an- deres zu sagen, als dass ich Rama mit mir nehmen will zum Schutz des grossen Opferrituals, das ich durchführen werde.“ Diese Worte Vishvamitras schlugen gleich einer Bombe in Dasharathas Herz ein. Er dachte: „Nach so langer Zeit konnte ich Kinder bekommen. Rama ist noch in sehr zartem Alter, er war noch nie in einem Wald, hat niemals Dämonen gesehen und zog niemals aufs Schlachtfeld. Er ist so weich und voller Mitgefühl“, und er sagte zu Vishvamitra: „Meine Söhne sind zu jung. Wie kann ich sie wegschicken?“ Vishvamitra stellte Dasharatha nur eine Frage: Ob er sein Wort halten wolle oder nicht; ob er bereit sei, Rama mit ihm zu schicken und sein Wort zu halten oder nicht. „In der Ikshvakusippe hat kein König jemals sein Wort gebrochen, was du vorzuhaben scheinst. Du bringst deine Familie in schlechten Ruf.“

Dasharatha dachte nach und rief den Weisen Vasishtha, dem die An- gelegenheit erläutert wurde. Daraufhin sagte der Weise Vasishtha zu Dasharatha: „Oh König! Diese Söhne sind nicht deine eigenen, sie ge- hören nicht dir. Sie wurden dir von Gott als heilige geweihte Gabe, ge- schenkt. Sie sind aus dem Feuer geboren und die Verkörperung der Weisheit selbst. Keine Schwierigkeit und keine Gefahr kann ihnen et- was anhaben. Es ist besser, du sendest sie deinem Versprechen ge- mäss mit ihm.“

An dieser Stelle gibt es einen wichtigen Gesichtspunkt, den man be- merken sollte. Vishvamitra wollte nur Rama mit sich nehmen. Rama war bereit, Vishvamitras Anweisung zu folgen. Tatsächlich war Lakshmana überhaupt nicht im Bild. Sogar dann folgte Lakshmana Rama automa- tisch. Er ist ein Funke, ein Teil Ramas. Lakshmana folgte Rama gleich ein Schatten seinem Objekt.

Vishvamitra dachte, die Dinge werden entsprechend dem Willen Got- tes geschehen. Er sagte zu Dasharatha: „O König, ich besitze alle kör- perlichen, feinstofflichen und spirituellen Kräfte, aber nachdem ich das Gelübde abgelegt habe, über diese Opferhandlung zu präsidieren, ist es mir, entsprechend der dieses Ritual begleitenden Disziplin, nicht ge- stattet, irgendjemanden zu töten. Deshalb suche ich die Hilfe von je- mandem, der den Ablauf dieses heiligen Rituals schützt. Warum sonst sollte ich um deinen Sohn bitten?“

93 Also begleitete Rama Vishvamitra, und das Ritual verlief erfolgreich und war gut geschützt.

Als sie Ayodhya verliessen und den Fluss Sarayu erreichten, sprach Vishvamitra die ganze Zeit nur mit Rama, nicht aber mit Lakshmana. Er rief Rama, nahe bei ihm zu sitzen, und Rama handelte entsprechend. Obwohl Lakshmana nicht gerufen war, folgte er einfach Rama und setz- te sich neben ihn. Vishvamitra sagte zu Rama: „O Sohn, dieses Ritual wird mitten im Wald durchgeführt werden. Der Name des Ashrams ist Siddhashram. In diesem Ashram wird nicht in formaler Weise gekocht; nur Weise mit ihren Familien und ihren Schülern leben dort. Du bist als Prinz an schmackhaftes Essen mit allen Bequemlichkeiten gewöhnt. Du bist hier, um das heilige Ritual zu beschützen. Ich werde dich ein Mantra lehren.“ Braucht Rama, der in der Lage ist, das ganze Universum zu beschüt- zen, diesen Mantra? Diese Mantren sind nur äusserlichen weltlichen Angelegenheiten nützlich. „Ich gebe dir den Mantra von Bala und Athibala; die Wirkung dieses Mantras ist derartig, dass es uns von Hunger und Schlaf befreit. Wir wissen nicht, wie lange du dich um dieses Opferritual kümmern musst. In dieser Zeit kannst du nicht an Schlaf oder Essen denken; du musst beides opfern. Nimm bitte deshalb diesen Mantra und fange mit seiner Rezitation an. Während du den Mantra wiederholst, wirst du dich nie- mals schläfrig oder hungrig fühlen.“ Während sie den Mantra sangen, empfanden sie niemals Hunger oder Durst noch ein Bedürfnis nach Schlaf. Der Kampf begann. Der Dämon Maricha nahte heran, aber Rama konn- te einen Pfeil auf ihn schiessen und ihn in weite Ferne vertreiben. Da- nach betrat Tataka das Feld. Ihr Gebrüll glich einem Donnerschlag. Rama fragte Vishvamitra, woher dieser wilde Schrei käme, und er er- klärte, es sei die Stimme der Dämonin Tataka. Ihre Stimme allein ver- setzte jeden in Angst und Schrecken. Vishvamitra forderte Rama auf, wachsam zu sein, da sie näher kam. Rama zögerte, eine Frau zu töten, da dies dem Verhaltenskodex, eines Kriegers entgegengesetzt war. „Wie kann ich sie also töten? Mein Vater gab mir keine Anweisung, als ich Ayodhya verliess, und jetzt befiehlst du mir, eine Frau zu töten! Wie kann ich diese Frau töten?“ Vishvamitra erklärte Rama daraufhin, wenn es um Schutz ginge, müsse man zu dieser Zeit nicht unterscheiden, ob es eine Frau oder ein Mann sei, die das heilige Ritual störten. Da jeder die Verkörperung des höch-

94 sten Selbst ist, käme die Frage eines Unterschieds aufgrund von Ge- schlecht nicht auf, und Rama brauche sich keine Sorgen zu machen.

Entsprechend der Anweisung Vishvamitras tötete Rama Tataka. Sie zu töten war keine Angelegenheit von Sekunden. So viele Dinge ge- schahen während dieses Kampfes, aber wir brauchen diese Details nicht zu wissen. Nach der Tötung dieser Dämonin war die friedvolle und angenehme Atmosphäre im Siddhashram wieder hergestellt, und die Götter liessen einen Blumenregen auf den Ashram niederregnen. Wäh- renddessen traf eine von König Janaka gesandte Einladung zur Teil- nahme am Wettbewerb zum Heben von Shivas Bogen ein.

Vishvamitra war zum Gehen bereit. Da er ein heiliger Entsagender war, brauchte er nichts zu packen. Er erhob sich und fragte Rama und Lakshmana, ob sie in Antwort auf Janakas Einladung bereit seien, ihm zu folgen. Rama erwiderte darauf: „Mein Vater hat uns mit dir gesandt nur, um das heilige von dir vollführte Ritual zu schützen. Ich weiss nichts von dem Ritual, das König Janaka abhält.“ Vishvamitra versuchte, so- wohl Rama als auch Lakshmana zur Teilnahme zu ermutigen. „O Sohn Rama! Du weisst nicht um die Grösse dieses Rituals. Dieser Bogen ist sehr mächtig. Er wurde von Gott Shiva benutzt und niemand konnte diesen Bogen heben. Es ist sehr eigentümlich. Obwohl niemand diesen Bogen auch nur etwas bewegen konnte, konnte Janakas kleine Tochter Sita diesen Bogen sehr leicht heben. Daraufhin legte König Janaka ei- nen Eid ab, Sita nur mit jemandem zu verheiraten, dem es gelingt, die- sen Bogen zu brechen, und er lud alle Könige zu diesem Anlass ein.“

Viele Könige trafen ein. Sogar Ravana, der dämonische König von Lan- ka, kam zu dieser Vorführung. Ravanas Persönlichkeit war sehr mäch- tig und er hatte einen wuchtigen Körperbau. Er stand als erster auf, um diesen Bogen Shivas zu brechen. Alle waren erstaunt, als er mit seiner majestätischen gigantischen Persönlichkeit nach vorne ging, und frag- ten sich: „Wie kann König Janaka seine zarte Tochter einer so hässli- chen Person anbieten?“ Ravanas Erscheinung und Persönlichkeit war sehr merkwürdig, unbändig und grausam und von der Grösse eines Berges. Nur das, was zu geschehen hat, wird geschehen. Die Zuschau- er, die Leute von Mithila, waren sehr besorgt, aber sie trösteten sich mit dem Gedanken, dass, was immer geschehe, Gottes Wille ist.

Ravana erreichte Shivas Bogen und versuchte vergeblich, ihn mit sei- ner linken Hand zu heben. Er versuchte es mit beiden Händen, ohne

95 dass der Bogen sich auch nur ein bisschen bewegte. Er setzte seine ganze Kraft ein und versuchte es noch mal – sogar dann bewegte der Bogen sich überhaupt nicht, und darüber hinaus fiel Ravana bei diesem Versuch hin. Er schämte sich seiner Unfähigkeit und empfand es als Beleidigung.

Die üble Eigenschaft „Ego“ wird überall und zu jeder Zeit Erniedrigung begegnen. Ego führt zum Niedergang eines Menschen. Das letztend- liche Ergebnis von Ego ist nur Kränkung und Missachtung. Ein egoi- stischer Mensch wird nirgendwo, in keinem Bereich, Achtung oder Re- spekt erhalten.

Ravana fiel zu Boden. Alle waren überrascht und dachten, wenn es Ra- vana nicht möglich war, den Bogen zu heben, gelänge es auch niemand anderem. So denkend, unternahm niemand auch nur den Versuch, sich zu erheben. Vishvamitra beobachtete die Szene und gab durch seine Blicke Rama ein Zeichen, es zu versuchen. Der nur 15 Jahre alte zarte Junge Rama stand auf. Als er Richtung Bogen schritt, war seine ganze Weise zu gehen und sich zu bewegen anziehend und attraktiv. Sein Glanz und seine Herrlichkeit riefen bei allen die Empfindung hervor, dass alle Kräfte Rama gleich einem Schatten folgten. Er schritt in all seiner Majestät in einer erfreulichen Weise einher. Alle waren glücklich, Ramas Glanz zu sehen. An seiner Kapazität bestand überhaupt kein Zweifel. Rama erreichte Shivas Bogen, lächelte, rückte kurz seine Klei- dung zurecht und hob den Bogen mühelos. Jetzt musste Rama noch die Sehne an den beiden Enden des Bogens befestigen. Den Bogen nur zu heben, war schon eine ungeheure Leistung; um wie viel schwie- riger war es dann, die Enden der Sehne zu befestigen! Aber es fiel Rama sehr leicht, die Sehne mit seiner rechten Hand am anderen Bo- genende zu befestigen. Als er dazu den Bogen bog, zerbrach dieser mit lautem Knall in zwei Stücke. Alle waren schockiert, als sie diesen lauten Knall hörten. „Was ist das? Welche Kraft hat Rama? Sie ist wahr- haft gross!“ Sita kam sogleich mit der Girlande herbei, und Vishvamitra fragte Ra- ma, ob er bereit sei, die Girlande anzunehmen. Rama erwiderte dar- aufhin: „Swami, mein Vater hat mich hergeschickt, um das heilige Ritual im Siddhashram zu schützen, nicht aber für diesen Anlass. Ehe ich nicht die Genehmigung meines Vaters erhalten habe, kann ich diese Gir- lande nicht annehmen.“ Vishvamitra flüsterte daraufhin etwas zu Jana- ka. Janaka, ein Mann moralischer und ethischer Prinzipien, sandte so- fort seinen Botschafter zu König Dasharatha, um ihn einzuladen. Es

96 brauchte drei Tage, nur um die Botschaft nach Ayodhya zu schicken. Rama und Lakshmana verbrachten die drei Tage in einem Zimmer.

Hier gibt es einen kleinen Vorfall zu erzählen. Rama sass mit gekreuz- ten Beinen in seinem Zimmer und massierte seine Beine. Narada be- obachtete dies durch ein kleines Loch und empfand Trauer über diese Situation: „Die Armen, sie sind so zart und noch dazu Prinzen, sie haben keinerlei Erfahrung darin, lange Strecken von einem Ort zum anderen zurückzulegen, sie haben sich nie zuvor so anstrengen müssen. Viel- leicht massiert Rama seine Beine, weil sie schmerzen.“ Narada war ver- wundert und bat Lakshmana, zu Rama zu gehen. Sofort öffnete Laksh- mana die Tür und fand Rama vor. Kein Bruder hat etwas dagegen, seinen eigenen Bruder zu sehen. Lakshmana konnte ohne zu warten zu Rama kommen, und er begann, Ramas Beine zu massieren. Rama sagte zu Lakshmana: „In Wahrheit tun mir meine Beine nicht weh. Das ist nur ein von mir inszeniertes Spiel, um der Welt das ideale Leben zu zeigen.“ Auch Lakshmana wusste um dieses Spiel, und er wusste, dass kein Schmerz und keine Schwierigkeit Rama etwas anhaben konnten.

Drei Tage waren vergangen. Dasharatha brach mit seinem ganzen kö- niglichen Bataillon auf. Bharata und Shatrughna mit all ihren Freunden und das ganze Volk von Ayodhya kamen in einer freudevollen Prozes- sion. Sie erreichten Mithila und trafen einander. Die Brüder kamen zu- sammen und gaben sich ein warmes Willkommen. Der nächste Tag war der Hochzeitstag. Der erste Sohn sollte zuerst heiraten. Sita wurde aus Mutter Erde geboren. Urmila war die älteste Tochter König Janakas. Beide Töchter wurden aufgefordert, anwesend zu sein, da Lakshmana Rama begleitet hatte. Am nächsten Tag trafen auch Bharata und Sha- trughna ein. Nachdem Janaka all die vier Brüder sah, dachte er, wie glücklich er sei, seine Töchter mit diesen zu verheiraten, und er war be- reit, die zwei Töchter seines Bruders Kusadhvaja, Mandavi und Sruta- kirti, an Bharata und Shatrughna zu verheiraten. Es war ein perfektes Arrangement.

Alle mussten die Blumengirlanden austauschen. Bei der Hochzeit le- gen gemäss indischem Brauch die künftige Ehefrau und der künftige Ehemann sich jeweils Blumengirlanden um. Rama war als erster an der Reihe. Er war sehr gross. Rama hängte Sita die Girlande um, aber weil Sita sehr klein war, gelang es ihr nicht, Rama die Girlande um den Hals zu legen. Rama wiederum beugte nicht sein Haupt; aufgrund seines

97 natürlichen Gefühls männlicher Überlegenheit dachte er, es sei für ihn eine Beleidigung, sein Haupt vor einem Mädchen zu beugen, nachdem er die gewaltige Aufgabe vollbracht hatte, Shivas Bogen in Stücke zu brechen. Er hielt es für eine Kränkung, mitten unter tausenden von Leu- ten sein Haupt vor einer Frau zu beugen, und er blieb aufrecht stehen. Sita bemühte sich, ihm die Blumenkette umzuhängen, ohne einen Weg zu finden. In jenen Tagen schauten Jungen und Mädchen einander nicht an, ehe sie verheiratet waren, und hielten deshalb ihre Köpfe vor- einander gesenkt. Sita stand mit der Girlande in der Hand und konnte Ramas Haupt nicht erreichen. Rama gab Lakshmana in sehr zarter ver- steckter Weise ein Zeichen, er solle als Ausweg die Erde ein wenig an- heben. Lakshmana dachte einen Moment lang nach und erkannte, wenn er die Erde anhöbe, würde jeder der auf ihr stand erhöht, so dass das nichts brächte. Alle Versammelten warteten auf die Zeremonie des Austausches der Girlanden und fragten sich, aus welchem Grund Rama seinen Kopf nicht beugte. Auf einmal rannte Lakshmana zu Rama und fiel ihm zu Füssen, ohne wieder aufzustehen. Rama wartete eine Weile, ohne dass Lakshmana sich erhob. Daraufhin beugte Rama sich hinunter, um Lakshmana zu bitten, sich zu erheben. Auf den rech- ten Moment wartend, ergriff die sehr kluge Sita, als sie diese Szene sah, die Gelegenheit und hing Rama die Girlande um. Lakshmanas In- telligenz kreierte diese Situation.

Dies wird auch in Tyagarajas Lied ausgedrückt:

Wenn nicht aus Hingabe zu Rama, würde ein Affe das Meer überqueren? Würde die Göttin Lakshmi dich verehren? Würde Lakshmana dir bereitwillig dienen? Würde der hochintelligente Bharata dir seine Ehrerbietung erweisen? Oh! Wie gross ist in der Tat die Macht der Hingabe an Gott Ramas Stärke! Oh Mensch! Ramas Macht und die Kraft der Hingabe an ihn ist so gross und mächtig. Niemand kann die Kraft intensiver Hingabe ermessen.

Die Hochzeit war vorbei, und jeder kehrte nach Ayodhya zurück. In der Zwischenzeit waren Streitereien eingetreten. Freude ist ein Abschnitt zwischen zwei Schmerzen. Diese inneren Konflikte sind unvermeidlich. Sie gewannen und kamen schliesslich sicher in Ayodhya an.

98 Als die Tage vorübergingen, hatte Dasharatha in den frühen Morgen- stunden um 3 Uhr einen Traum. König Dasharatha glaubte, dass, was immer wir in den frühen Morgenstunden träumen, wahr wird. Was träumte er? Er war alt geworden und sein Körper zitterte. Er sah es als schlechtes Omen an und war sehr traurig, als er vom Bett aufstand. Er dachte, es könnte sein, dass er nicht mehr lange lebte. Er beschloss auf der Stelle, Rama zu krönen. Wenn der König etwas zu tun be- schliesst, was mehr braucht es? Es braucht keine speziellen Vorkeh- rungen. Er rief Vasishtha herbei und erhielt seine Zustimmung. Aber Rama zeigte auch in jenen Tagen völligen Gleichmut, was gesellschaft- liche Verpflichtungen anging. Alle sollten ohne Unterscheidung gleich behandelt werden, und alle sollten ihr Leben in gleicher Weise führen. Es gibt viele Lebewesen, aber nur einen Gott. Es war ein Wesenszug Ramas, die Einheit in der Vielfalt zu sehen. Vasishtha stimmte also Kö- nig Dasharathas Vorschlag zu. Er rief Rama zu sich, liess ihn nahe bei sich sitzen und sagte, der König wolle ihn krönen. Er solle sich auf die Krönung vorbereiten, die schon am nächsten Morgen stattfände. Rama ist allwissend, allmächtig und allgegenwärtig, und braucht nie- mandes Rat. Aber er wartete auf den rechten Zeitpunkt, um seinem Va- ter zu antworten. Er erklärte seinem Vater ruhig: „Bharata ist nicht hier und auch Shatrughna ist abwesend. Sollten sie nicht zuerst zurück- kommen?“ Dasharatha erklärte Rama, er brauche sich um ihre Ankunft nicht zu sorgen, sondern solle nur seiner Anweisung gehorchen. Rama erwiderte: „Ich werde deinem Befehl sicherlich Folge leisten. Aber alle vier von uns wurden aufgrund derselben Süssspeise geboren, wir lern- ten zur selben Zeit das Alphabet, die Namenszeremonie wurde, ebenso wie die Schnurzeremonie, gleichzeitig und in gleicher Weise durchge- führt, und auch unsere Hochzeit wurde zur gleichen Zeit in der gleichen Weise abgehalten. Warum sollte jetzt ich allein gekrönt werden? Lass alle vier von uns gleichzeitig gekrönt werden.“

Dasharatha war schockiert über diese Worte und erwiderte: „Es gibt nur ein Königreich, und deshalb kann nur eine Person, und nicht vier, über dieses Königreich herrschen.“ Rama entgegnete: „Vater! Teile das Kö- nigreich in vier Teile und kröne all deine vier Söhne zur gleichen Zeit. Zwischen uns sollte kein Unterschied bestehen.“ Als Dasharatha das hörte, schwindelte ihm. Er schickte Rama für eine Weile weg, um sich mit Vasishtha zu beraten. Vasishtha sagte, er würde versuchen, Rama zu überzeugen. Seit vielen Generationen wurde unser Königreich unter einem Schirmherrn regiert, aber Rama wollte es gleichermassen unter den vier Brüdern aufteilen. Und er sagte, eine Teilung des Reiches sei

99 unmöglich. Dennoch stimmte Rama seiner Krönung nicht zu. Dasha- ratha war aufgrund seines Alters nicht in der Lage, es zu verstehen. Es ist natürlich in diesem Alter. Rama erklärte ihm zum Verständnis wie- derum, „lass erst Bharata und Shatrughna zurückkehren.“ Rama dach- te, es wird wenigstens 15 Tage dauern, ehe wir sie erreichen. In der Zwischenzeit können wir die Angelegenheit überdenken. Ramas Kraft und Kapazität waren so rätselhaft. Jeder sollte gleich behandelt wer- den. Das ist das Hauptprinzip der indischen Kultur. Jeder in diesem ganzen Universum sollte glücklich sein und bequem in Frieden leben können. Rama bewahrte diese alte indische Kultur. Die Krönung wurde also gestoppt, und Bharata und Shatrughna wurden zurückgerufen.

Man sollte die innere Bedeutung dieses Vorfalls erkennen. Viele lesen das Ramayana regelmässig viele Male in einer systematischen Weise. Der Umfang des Ramayana entspricht der Grösse eines Kissens. Aber wird das Ramayana heute verstanden? Die Leute lernen es auswendig, aber was bringt das, wenn man seine Bedeutung nicht versteht?

Die Leute sprechen über Königin Kausalya, sagen, sie sei sehr edel, und man solle ihr folgen. Aber wenn Kaikeyi, die jüngste Königin, etwas sagte, musste sogar Dasharatha ihr folgen. Alles war unter der Kon- trolle Kaikeyis. Als die Tage in dieser Weise vergingen, schenkte nie- mand Sumitra Beachtung, und niemand sprach mit ihr. Die edlen Ei- genschaften Sumitras und Shatrughnas wurden nicht bemerkt.

Die Krönung wurde abgesagt, und Kaikeyi wollte, dass Rama 14 Jahre lang in den Wald geschickt wurde. Rama bereitete sich darauf vor und suchte seine Mutter Kausalya auf. Sie konnte es nicht akzeptieren und weinte bitterlich. Jeder im Palast war sehr traurig, nirgendwo herrschte auch nur eine Spur Freude. Lakshmana ging zu seiner Mutter Sumitra und verbeugte sich vor ihr. Sie sagte: „Oh Lakshmana! Glaube nicht, du gingest in die Wälder. Es ist nicht wahr. Ohne Rama und Lakshmana ist Ayodhya ein Wald, und der Wald, in dem Rama und Lakshmana le- ben, ist Ayodhya. Behandle Rama wie deinen Vater und Sita wie deine Mutter. Sei nie säumig im Dienst an ihnen.“ Welche Mutter kann so spre- chen? Entsprechend der Kaikeyi gewährten Gunst, musste Rama al- lein in den Wald gehen. Welche Mutter würde akzeptieren, dass auch Lakshmana in den Wald geht? Die in Sumitra anwesenden Tugenden waren sehr heilig und erhaben. Lakshmana ging zu seiner Gemahlin Urmila um mit ihr zu sprechen, da er sie 14 Jahre lang nicht mehr sehen würde. Urmila war die älteste Tochter König Janakas. Sie war sehr edel,

100 ihr Wesen war von Opfergeist und starker Grosszügigkeit geprägt. Sie war sehr talentiert im Malen von Bildern. Sie war gerade dabei, das Bild der stattzufindenden Krönung zu malen, um es ihrem Vater Janaka zu schicken. Da trat Lakshmana herein und rief: „Urmila!“ Sie sprang sofort auf, wobei die Farbe über das Bild auslief und es auslöschte. Laksh- mana tröstete sie mit den Worten, dass, so wie er gerade die Ursache der Zerstörung des Bildes war, die Krönung Ramas durch Königin Kai- keyi verdorben wurde. Er sagte ihr, er würde fortgehen. Urmila fragte, wohin, und Lakshmana antwortete ihr, dass Rama für 14 Jahre in den Wald ginge und dass er Rama begleiten würde. Sie stimmte freudig zu und versuchte nicht, ihn vom Gehen abzuhalten oder dazu zu bringen, sie mitzunehmen. Sie sagte: „O Lakshmana, meine Schwiegermutter Sumitra hat dich und Bharata zur Welt gebracht, damit ihr euren Brü- dern dient. Shatrughna ist da, um Bharata zu dienen und du, um Rama zu dienen. Gehe deshalb und erfülle deine Pflicht. Denke in diesen 14 Jahren niemals an mich.“ Welche Frau ist imstande, ihrem Ehemann so einen Rat zu geben? Und sie wiederholte noch einmal: „Lakshmana, denke nicht an mich. Es könnte deinem Dienst an ihnen im Wege ste- hen. Denke ohne Verzug nur an Rama und Sita und diene ihnen.“ Als Lakshmana das hörte, vergoss er Tränen und pries Urmila für ihren Grossmut. „Urmila! Ich hätte nie gedacht, dass du so grossmütig bist. Ich werde es in meinem Herzen bewahren.“ Urmila ermahnte ihn wie- derum, nicht an sie zu denken, sondern an Sitas Grossmut und ohne zu versagen Ramas Anweisungen zu gehorchen. „Sorge dafür, dass nichts deinem Dienst im Wege steht.“

Die edlen Wesenszüge Urmilas und die Tugenden der Mutter Sumitra sind nirgendwo sonst, weder in dieser Welt noch in anderen Teilen des Universums zu finden.

Während des Kriegs gegen Ravana wurde Lakshmana ohnmächtig. Als Rama das sah, wurde er sehr traurig und sagte: „O Lakshmana, wenn ich suche, kann ich vielleicht eine andere Frau von der Qualität Sitas finden, nicht aber einen Bruder wie dich.“ Nachdem er sich mit anderen beriet, wurde beschlossen, die Heilpflanze Sanjivini zu be- schaffen. Hanuman sprang los, aber weil er nicht herausfinden konnte, welches exakt die Pflanze Sanjivini war, brachte er den ganzen Berg, auf dem die Pflanze wuchs. Unterwegs überquerte er das Gebiet von Nandigrama, wo Bharata entsprechend seinem Gelübde lebte. Als Bharata das sah, dachte er, dass irgendein Dämon den Berg weg- schleppte und schoss einen Pfeil ab, der Hanuman zu Boden brachte.

101 Die Leute von Nandigrama und Ayodhya liefen zusammen. Hanuman grüsste jeden und sprach zu Bharata: „O Bharata, dein Bruder Laksh- mana wurde bewusstlos, und die Ärzte von Lankapuri rieten uns, die Pflanze Sanjivini zu holen, die ihn zum Leben bringen könnte. Aber weil ich die exakte Pflanze nicht ausfindig machen konnte, nahm ich den ganzen Berg mit.“ Bharat fragte nochmals, wofür er den Berg brachte. Als Hanuman wieder antwortete, dass Lakshmana bewusstlos war, weinten die Einwohner Ayodhyas und Nandigramas, vor allem die Frauen, bitterlich über Ramas und Lakshmanas Situation und fragten nach der Ursache. Hanuman bemerkte, dass alle unglücklich waren, er bemerkte aber auch, dass eine Frau anwesend war, die keinerlei Be- sorgnis zeigte. Wer anders hätte das sein können als Sumitra? Sie ver- goss keine Träne. Sie dachte bei sich: „Warum sollte ich mir Sorgen machen? Rama kann nichts geschehen, und mein Sohn Lakshmana, der ständig Ramas Namen singt, wird keinem Problem und keiner Schwierigkeit begegnen. Jeder einzelne Blutstropfen von Lakshmana ist durch das ständige Singen von Ramas Namen inspiriert. Aus diesem Grund können weder mein Sohn Lakshmana noch Rama in Schwie- rigkeiten geraten.“ Sie war mental sehr stabil, ruhig und still. Als Bharata das Vertrauen Mutter Sumitras wahrnahm, brachte er Hanuman zu Ur- mila, Lakshmanas Ehefrau. Sie hatte Lakshmana ihr Wort gegeben, dass sie nie ihren Raum verlassen würde. Seitdem hielt sie sich in der- selben Kammer auf. Bharata brachte Hanuman zu ihr: „O Mutter, schau, hier ist Hanuman!“ Sie hörte mit geneigtem Haupt Bharatas Wor- ten zu. „Woher kommt er?“, fragte sie. „Zwischen Rama und Ravana brach ein Krieg aus. Während des Kampfes wurde Lakshmana be- wusstlos. Rama wurde sehr traurig, weinte bitterlich und sagte: „O Lakshmana, ohne dich will ich nicht leben.“ Um Lakshmana ins Be- wusstsein zurückzurufen, bringe ich diesen Berg mit der Pflanze San- jivini“ zu ihm, berichtete Hanuman. Als Urmila diese Nachricht hörte, lachte sie lauthals. „O Hanuman, du bist der Sohn des Windgottes. Ob- wohl du alles weisst, weisst du nicht einmal um folgendes: Jeder Atem- zug Lakshmanas trägt den Namen Ramas. Kann dieser Name, diese Kraft der Namenswiederholung, jemals Gefahr ausgesetzt sein? Es kann nicht sein. Lakshmana wird niemals in Gefahr gebracht werden.“ Sie fragte Hanuman: „Wie verhielten Rama und Lakshmana sich in die- sem Moment?“ Hanuman berichtete: „Rama vergoss Tränen und war sehr betrübt. Lakshmana lag mit geschlossenen Augen auf dem Boden in einem offensichtlich sehr ruhigen Zustand.“ Daraufhin stellte Urmila fest: „Mein Ehemann erscheint friedlich, weil er keinerlei Schmerz emp- findet; und weil der Schmerz des auf Lakshmana abgeschossenen

102 Pfeils von Rama übernommen wurde, erscheint Rama traurig und ver- giesst Tränen.“

All die verschiedenen existierenden Erzählungen des Ramayana ge- ben nicht diese Details über die geheimnisvollen Eigenschaften Urmi- las und Sumitras wieder. Sumitra war die Verkörperung der Recht- schaffenheit und Urmila die ideale liebende Frau. Sie waren sehr keusch und tugendhaft. Deshalb konnten alle in einer freundschaftli- chen Atmosphäre leben. Ihr Name war Sumitra, das bedeutet, guter Freund. Ihr solltet euch alle wie Sumitras, wie gute Freunde, beneh- men. Und alle sollten gute Söhne werden. Indien braucht solche Kinder. In den guten alten Zeiten gab es niemanden in Indien, der nicht auf das Ramayana gestossen wäre. Sogar heute wird das Ramayana noch ge- lesen. Es ist immer frisch und immer neu. Wer Ramas Namen nimmt und Rama ständig überall sieht, wird vom Kreislauf von Geburt und Tod befreit.

Verkörperungen der Liebe! Nichts ist süsser und grösser als der Name Ramas. Heutzutage vergessen die Menschen, an Gottes Namen zu denken und seinen Namen zu wiederholen. Sie denken stattdessen an Filmschlager. Das ist die Ursache des gegenwärtigen Zustandes des Landes. Niemand ist sich der Göttlichkeit bewusst. Weder die hoch- gestellten Leute irgendeines Bereiches noch die so genannten Intel- lektuellen denken an Gott. Wissenschaftler und Pädagogen vergessen, die heilige Asche auf die Stirn zu tun. Sie tun es zu Hause und wischen die Asche weg, wenn sie aus dem Haus gehen. Das ist die Mode von heute geworden, die für den Ruin der Menschheit verantwortlich ist. Ihr braucht euch nicht zu fürchten. Warum solltet ihr Angst haben, Gottes Namen zu wiederholen? Deshalb solltet ihr überall Ramas Namen sin- gen - Rama, Krishna, Govinda, Shiva, Vishnu, irgendeinen Gottesna- men eurer Wahl. Weil der Name Gottes nicht wiederholt wird, gibt es in jedem Haus Probleme oder Sorgen. Zwischen Brüdern entsteht Streit. Aus welchem Grund? Kein Singen des göttlichen Namens. Keine Heiligkeit. Heute hört man unaufhörlich von Geldanhäufung, davon, eine Stellung oder einen Sitz zu erhalten. Wofür all dies? Gibt uns das in irgendeiner Weise Schutz? Die Welt ist voll mit reichen und hoch- gestellten Menschen, aber führen sie ein glückliches, friedvolles Le- ben? Nicht im Mindesten. Allein das ständige Denken an Gott verleiht Schutz und Sicherheit. Wenn die Leute das vernachlässigen, werden sie ruiniert und können niemals erblühen. Singt ständig, unablässig ir- gendeinen Gottesnamen.

103 Der Shivamantra (Om namah Shivaya) besteht aus fünf Silben, der Narayanamantra (Om namo Narayanaya) aus acht Silben. Ma ist die Lebenskraft im Shivamantra. Ohne die Silbe ma würde er zu „Om nah Shivaya“, und der Mantra erhielte eine unheilvolle Bedeutung. Mit der Silbe ma lautet der Mantra „Om namah Shivaya“, das heisst, alles ist segensreich. In dem Mantra „Om namo Narayanaya“ ist die Silbe ra die Lebenskraft.

Schüler, Studenten, Ältere, Devotees! Wiederholt Gottes Namen, denkt ständig an Gottes Namen. Um welche Situation auch immer es sich handelt, nichts anderes kann euch schützen. Betrachtet alles als vorbeiziehende Wolken, die nicht andauern. Um solche Dinge braucht ihr nicht zu kämpfen. Aufgrund von Politik mögt ihr Stellungen erhalten; aber wie lange währt das an? Es verschwindet in dem Moment, wo ihr nur „uff!“ sagt. Gebt keinen Raum für politische Erwägungen. Denkt aus der Tiefe eures Herzens an Gott. Wer immer Gottes Namen in seinem Herzen trägt, ist wahrhaft befreit. Wenn irgendjemand euch von diesem Gottesweg abbringen will, lasst euch nicht beirren. Sie mögen behaup- ten, es gäbe keinen Gott. Sie mögen keinen Gott haben, aber ihr habt euren Gott. Ihr könnt sie fragen, welches Recht sie besässen, die Exi- stenz eures Gottes abzustreiten, und sie auffordern, euch nicht in die Quere zu kommen. „Ich habe meinen Rama, meinen Shiva – wer bist du, dies zu verurteilen?“ Niemand hat speziell in diesem Bereich ein Recht, den anderen zu verurteilen. Singt weiterhin Gottes Namen, im- mer, ständig, jederzeit und überall. (Ansprache zu Ramas Geburtstag in Brindavan/Whitefield)

104 16. Mai

Der Körper ist vergänglich

Wenn man seinen Reichtum verliert, kann man ihn zurückgewinnen. Wenn man Freunde verliert, kann man später bessere Freunde finden. Wenn man seine Ehefrau verliert, ist es möglich, wieder zu heiraten. Wenn man Grund und Landbesitz verliert, kann man diese wiedererlangen. All dies kann man auf irgendeine Weise wiedererhalten; aber wenn man seinen Körper verliert, kann man ihn niemals zurückbekommen.

Alles Glück, alle Freuden und Bequemlichkeiten, die man in diesem Le- ben zu erfahren und geniessen hat, sollte man erleben, während der Körper existiert. Unsere Vorfahren erlebten schwere Probleme und be- gegneten mühsamen Zeiten in dem Versuch, ihre Körper zu sichern, aber es gelang ihnen dennoch nicht, ihre Körper auf ewig zu bewahren. Obwohl der Körper vergänglich ist, könnt ihr doch jede Anstrengung unternehmen, um die Dinge zu erhalten, die euch Glückseligkeit schen- ken.

Das Land Indien ist die Geburtsstätte allen Wissens und aller Zweige der Bildung gewesen. Die Wissenschaft der Nummerologie hat ihren Ursprung in Indien. Grammatik, Musik und die feinen Künste wurden alle in Indien geboren. Deshalb heisst es: „Was nicht in Indien zu finden ist, kann nirgendwo sonst gefunden werden.“

Indien war auch der Geburtsort für Menschen mit herausragendem Charakter. Die grosse Frau Savitri betete zu Gott, und es gelang ihr, durch die Kraft ihrer Hingabe ihren verstorbenen Ehemann ins Leben zurückzubringen. Die Königin Chandramati konnte durch die Kraft ihres Festhaltens an der Wahrheit ein loderndes Feuer auslöschen. Sita konnte als Beweis ihrer Keuschheit die Feuerprobe erfolgreich beste- hen. Damayanti konnte den bösen verruchten Jäger, der sich ihr ge- genüber ungebührlich zu verhalten versuchte, sogleich zu Asche ver-

105 brennen. Sind diese Frauengestalten nicht die leuchtenden Beispiele edler Seelen Indiens? Wenn dieses Land Wohlergehen, Frieden und eine reiche Ernte hatte, lag es an diesen edlen Seelen. Sie machten es möglich, dass Indien der übrigen Welt gegenüber die Rolle eines Lehrers einnahm.

Dennoch gibt es heute einige unwissende Leute, die glauben, sie könn- ten im Ausland bestimmte Dinge erlangen, die sie hier nicht finden könnten, und die deshalb aus Indien auswandern. Was könnt ihr in die- sem heiligen Land nicht bekommen? Indien ist das Depot allen Wissens und Handelns, es ist das Land, das jedem Verdienst verleiht. Wenn ihr entschlossen seid und euch ernsthaft bemüht, gibt es nichts, was ihr in Indien nicht erreichen oder erhalten könntet.

Als die Inder neue Methoden im Bereich der Erziehung ersannen und ausprobierten, begegneten sie mehrfachen Hindernissen. Jede Uni- versität hatte ihren Bereich, auf den sie sich spezialisierte. In Kashi, Be- nares, gab es Meister, die Autoritäten in der Grammatik waren. Das Land Kaschmir spezialisierte sich auf Rhetorik. Die Universität von Uj- jayini vermittelte Wissen im Spezialgebiet der Rechtswissenschaft; auch Wissenschaft der Logik. Auf diese Weise spezialisierte sich jede Universität auf ein besonderes Gebiet und lehrte und verbreitete dies. Im Reich Kaiser Bharats wurde herausragende Betonung auf Gesund- heitswissenschaften und Medizin gelegt. Charaka war ein meisterhaf- ter Arzt, der in diesem Bereich ein Zentrum fortgeschrittenen Wissens etablierte. All diese Universitäten gehörten zum alten Indien und sind in diesem Zeitalter nicht zu finden. Es gab im alten Indien viele solch reputierte Universitäten.

Die einstigen Universitäten hatten keine grossen Gebäude oder aus- gefeilte Infrastruktur. Der Wohnort der Lehrer selbst war die Universität. Die Anzahl der Studenten war gering, aber die Kapazität der Wissens- vermittlung war immens. Der Lehrer war fähig, in so einleuchtenden und einfachen Begriffen zu lehren, dass sogar die kleinen Knirpse die hö- heren Wissenschaften und Fachgebiete leicht verstehen konnten. Der Baum, unter dem sie sassen, war das Klassenzimmer. Während die kühle Brise wehte, schwangen die sanften Worte des Lehrers gleich Wellen zu den Schülern und prägten sich dem Geist der Schüler ein. Solche Erziehungseinrichtungen blühten im alten Indien. Vor vier- bis fünfhundert Jahren versuchten die Engländer erfolglos, die Ursache

106 des gewaltigen Erfolges der alten Indischen Universitäten zu erfor- schen.

Die wahre Grundlage des hohen Wissensstandards der Inder der alten Zeiten war das Klangempfinden, und nicht das geschriebene Wort. Der Ausbildungsvorgang basierte gänzlich auf Klang. Es war überhaupt nicht üblich, auf Tafeln oder in Hefte zu schreiben. Es bestand eine ex- zellente Synthese zwischen dem gesprochenen Wort, das aus dem Mund des Lehrers kam, und das die Ohren der Schüler unmittelbar er- reichte. Der gesamte Vorgang der Kommunikation fand ausschliesslich verbal statt. Es gab keinen rigiden Zeitplan und noch nicht einmal Lehr- pläne. Die Lehrer brachten dem Schüler jede Wissenschaft und jedes Fachgebiet bei, das der Schüler zu lernen begierig war. Es gab keine Kontrolle durch die Regierung, keine Regeln oder Vorschriften. Des- halb fand der Lernvorgang ganz und gar von Herz zu Herz statt. Die Schüler hielten ihre Herzen offen, und die Lehrer unternahmen jede An- strengung, diese offenen Herzen bereitwillig zu füllen. Die Tages- oder Nachtzeit spielte keinerlei Rolle. Der Unterricht fand zu jeder Zeit statt. Für die Ausbildung wurden keine Gebühren welcher Art auch immer erhoben. Die Herzen der Lehrer waren überaus rein und heilig. Dieses Lernen von Herz zu Herz ermöglichte es Indien, in der ganzen Welt Weisheit und Wissen zu verbreiten.

In dieser Weise war das Ausbildungssystem Indiens höchst wertvoll und Freude einflössend. Die Inder verlieren heutzutage diese verbor- gen liegenden, Glückseligkeit schenkenden Geheimnisse der Erzie- hung. Einmal verloren wird es sich als extrem schwierig herausstellen, diese wiederzugewinnen. Deshalb sollte diese Art der Ausbildung nicht verloren gehen. Ihr müsst immer bereit sein, das Herz rein und heilig zu halten. Die Gesellschaft war für den Unterhalt der Lehrer verant- wortlich. Die Bürger trugen entsprechend ihrer Kapazität und Fähigkeit zum Lebensunterhalt der Lehrer bei. Aber von den Schülern wurde nie- mals irgendeine Gebühr eingesammelt. Worin bestand in jenen Tagen die Hauptpflicht der Schüler und Stu- denten? Sie standen frühmorgens auf, wuschen sich, verrichteten ihre Gebete, machten sich dann auf und gingen von Haus zu Haus, um Al- mosen zu erbitten. Das eingesammelte Essen wurde dem Lehrer über- geben. Der Lehrer ass, was immer er brauchte, und die Schüler ver- zehrten den Rest als geheiligte Speise. In so einer heiligen Atmosphäre wurden im alten Indien die Wissenschaften, Kunst und Literatur gelehrt und verbreitet.

107 Die indische Ausbildung war heilig, höchst wertvoll und inhaltlich zu- tiefst tiefgründig. Dieses nektargleiche Wissen wird heute als Vergeu- dung abgetan. Die Universität von Ujjayini lehrte Recht, und von dort wurde die Rechtswissenschaft in einer ursprünglichen reinen Form ge- lehrt und bewahrt. Die heutigen Gesetze sind in illegale Praktiken ver- dreht. In Ujjayini hingegen wurden sogar Angelegenheiten, die nirgend- wo anders gesetzlich gedeutet werden konnten, in wirksamer Weise verhandelt. Nichts Ungesetzlichem wurde Einlass gestattet. Bharat war berühmt für das Lehren und Verbreiten solch erhabener Ideale und für seine hingebungsvollen Lehrer und Schüler.

Was war die Wohnsituation jener Tage? Sie lebten und assen in Höhlen wie Ajanta und Ellora. Die Lehrer waren hochgradig hingegeben und selbstlos. Jeder nektargleiche Gedanke und jedes nektargleiche Wort, das in ihren Herzen entstand, wurde den Schülern in liebender Weise übermittelt. Von dem Augenblick an, an dem aus der Ausbildung eine kommerzielle Aktivität wurde, wurden auch Geist und Gemüt der Schü- ler verbogen. In jenen Tagen wurden weder Nahrung noch Ausbildung zu einem Verkaufsobjekt gemacht. Ausbildung war kostenlos zugäng- lich. Die Göttin Sarasvati war durch niemanden gebunden. Diese Göttin wurde durch die Fesseln des Kommerzes und Handels eingesperrt! Die Ausbildung wird nun allen Arten der Perversion unterworfen. Die Göttin Sarasvati wird auch „Mahabharati“ genannt. Sie war und leb- te mit den Indern, vermittelte ihnen unvergleichliches Wissen und ge- stattete ihnen, in Weisheit zu wachsen und zu erblühen. Sie wurde von den dankbaren Lehrern und Schülern für ihre Gnade gerühmt und ver- ehrt. Saraswati, Bhagavati, Bharati, Purnendubimbanana waren ihre verschiedenen Namen. Jetzt verbieten es die Regierungen, Gesetze und Vorschriften sogar, den Namen einer solchen Göttin auch nur aus- zusprechen! Die an die Göttinnen gerichteten Gebete ermöglichten es der Göttin, den Worten der alten Inder Reinheit und Süsse zu verleihen, und sie beschützte auch das Land mit ihrer Gnade. Die Göttin Lakshmi, auch Indira genannt, wurde angebetet und verehrt. Indira, Lokathata- ma, Ramamangaladevata, Bhargavi, Lokajanani, Kshirasagara kanya- ka – in dieser Weise wurde sie durch ihre verschiedenen Namen ge- rühmt.

In so einem heiligen Land hat Gott wiederholt die menschliche Gestalt angenommen. Die Göttlichkeit ist nicht irgendeine unfassbare Figur oder Wesenheit. Tatsächlich ist die Göttlichkeit überaus leicht sichtbar und erfahrbar. Die Göttlichkeit inkarniert sich in der menschlichen

108 Form. Der Mensch ist jedoch heute nicht bereit, diese Realität zu ak- zeptieren. Auf allen drei Wegen, die der Mensch einschlägt, um die Ver- wirklichung zu erlangen, dem Weg des Handelns, des Wissens und der Verehrung, bringt er Gott verschiedene Gebete dar und rühmt die Gött- lichkeit auf mehrfache Weise.

In allen Staaten des alten Indiens wurde Ausbildung kostenlos gege- ben. Die Nahrung erhielt man von den Häusern der Reichen und Wohl- habenden. Diese Nahrung wurde unter den Schülern in gleicher Weise aufgeteilt. Die Schüler behandelten die Nahrung als Nektar selbst und widmeten sich dann ihren Studien. Es gab keine Teilungen auf der Ba- sis von Kaste, Gemeinschaft, Rasse oder Religion. Alle wurden gleich behandelt. Zu Musik, Literatur, Tanz und feinen Künsten wurden alle ermutigt. Auch Schreinern, Töpfern und verschiedenen Zweigen der Schmiedekunst wurde Priorität eingeräumt, und sie wurden mit Enthu- siasmus gelehrt. Das Ziel bestand darin, durch rechte Ausbildung die Emanzipation der Schüler zu bewirken. Der Lehrer lehrte jede Form der Bildung. Ohne Lehrer hat der Schüler keine Möglichkeit, irgendetwas zu lernen. Der Lehrer muss in der Lage sein, den Schüler auf das rechte Ziel auszurichten.

Charaka war ein sehr fachkundiger Gelehrter. Er trug viel zu den me- dizinischen Wissenschaften bei und übernahm selber die Aufgabe, sie zu verbreiten. Sein Name war im Bereich der Medizinischen Wissen- schaften sehr bekannt. Heutzutage braucht man zur Durchführung ei- ner Herzoperation die Herz-Lungen-Maschine und verschiedene an- dere komplizierte hoch entwickelte Geräte. In jenen Tagen wurden niemals Vorrichtungen wie die Herz-Lungen-Maschine angewendet. Charaka sprach Hymnen zur Ehre Gottes, legte seine Hand auf das Herz des Patienten und verlor sich in einer glückseligen Trance. Als Folge davon verschwanden die Herzkrankheiten spurlos. Diesbezüg- lich hat jede Krankheit eine passende melodiöse Hymne, die Gottes Gnade erweckt. Auf diese Weise heilte Gottes Gnade unweigerlich alle körperlichen, mentalen, psychischen und sogar spirituellen Leiden.

Verkörperungen der Liebe! Ohne Gottes Gnade ist es unmöglich, auch nur einen Schritt zu tun. Traurigerweise ist heutzutage jeder Schritt des Menschen mit Ungesetzlichkeit und Unrecht durchtränkt. All seine Ge- danken sind selbstsüchtig und böse. Seine Schau ist durch Mangel an irgendeiner wärmenden Liebe gefärbt. Der Fortschritt in Richtung des Erreichens hoher Standards stagniert. Jeder Mensch muss seinem

109 Herzen das zarte Empfinden der Liebe einprägen und es zum Wachsen bringen. Charaka erläuterte genau diese Philosophie. Gott befindet sich nicht in irgendeinem fernen Land, sondern in deinem Herzen selbst. Er ist mit dir, in dir, über dir, unter dir und auch um dich herum. Indem er diesen leichten Weg verwirft und andere quälende Wege ein- schlägt, setzt der Mensch sich selbst unnützer Agonie und Leid aus. Die Menschen der alten Zeiten wurden hingegen umgehend von jedem Leiden befreit, indem sie Gottes heiligen Namen sangen.

Im Eisernen-Zeitalter gibt es kein besseres Heilmittel für euer Leiden als das Wiederholen und Singen des göttlichen Namens, und es gibt keine grössere und machtvollere Waffe, die dem Menschen hilft, seine Hindernisse zu überwinden. Den Namen des Herrn auch nur einmal zu singen kann es dem Menschen ermöglichen, enorme Glückseligkeit zu erfahren. Niemand bemüht sich, die Kraft des Gottesnamens zu ver- stehen. Im Goldenen Zeitalter (Kritayuga) wurde Meditation praktiziert, im Silbernen Zeitalter (Tetrayuga) wurden Opferhandlungen durchge- führt, und im Kupfernen Zeitalter (Dvaparayuga) war Verehrung vor- geschrieben. Aber im gegenwärtigen Eisernen Zeitalter wird die Wie- derholung des Gottesnamens als ideal angesehen, um Gottes Gnade zu gewinnen. In dieser Weise wurde in allen vier Zeitaltern Gottes Name gerühmt und verbreitet.

Schüler, Studenten! Wenn ihr die Wahrheit wirklich erfasst, dann er- kennt ihr, dass keine Stärke oder Kraft ausserhalb eurer selbst existie- ren kann. Die ungeheure Kraft des Magnetismus befindet sich allein im Menschen. All die Kräfte dieser Welt sind aus dem Menschen her- vorgegangen. Obwohl der Mensch so eine machtvolle Wesenheit ist, hält er sich heutzutage fälschlicherweise für einen Schwächling und lei- det. Ihr seid alle göttlich. Es gibt keinen Gott getrennt von euch. Er wohnt in euren Herzen. Schliesst eure Augen, und ihr werdet einen glückse- ligen Blick auf ihn erhaschen. Weil ihr dieses Vertrauen nicht besitzt, seid ihr unfähig, ihn zu sehen.

Ujjayini, Kashi (Benares) und Kaschmir waren alles Stätten enormer Kraft, gestärkt durch die Heiligkeit des indischen Gedankenguts und der indischen Weisheit.

Navadvipapura war ein anderes Zentrum des Lernens für Rechtswis- senschaft. Thesen des Rechts, die woanders nicht gedeutet werden konnten, wurden hier mit Leichtigkeit erklärt und assimiliert. Leider set-

110 zen wir heute den grossen Reichtum und die grosse Kraft des in Indien befindlichen Wissens herab und reisen stattdessen ins Ausland, um dort Stärke und Weisheit zu suchen. Dies ist eine überaus niedrige und falsche Sichtweise. Diese Unwissenheit sollte vertrieben werden. Die Flamme der Weisheit und Bewusstheit muss in euch entzündet werden. Nur dann könnt ihr göttliche, heilige Glückseligkeit erfahren.

Verkörperungen der Liebe! In den kommenden Tagen werde ich euch den Einfluss der Ausbildungsstätten erklären. Ihr müsst heute wissen, dass in Indien alle Kräfte zu finden sind. Indien war die Geburtsstätte allen Wissens und aller Wissenschaften. Es waren die alten Inder, wel- che die feinen Künste wie Musik, Literatur und Poesie entdeckten. War- um vernachlässigt ihr dann ein so heiliges Land? Es zeugt von hoch- gradiger Unwissenheit. Die Schüler und Studenten sind unfähig, diese Wahrheit zu erkennen, und streben heute stattdessen nach weltlichen Freuden. Ihr werdet diese weltlichen Freuden nie erlangen, und sogar wenn, werden sie nicht lange währen. Ihr solltet deshalb erkennen, dass in dieser Puppe, die menschlicher Körper genannt wird, alle For- men der Kraft liegen.

Einst bestand während des zweiten Weltkrieges die Gefahr, dass Kräf- te von aussen Indien überfallen würden. Ein kommunistischer Führer kam zu mir und sagte: „Junge, so weit ich weiss, kannst du hervorra- gende Gedichte verfassen. Könntest du eines auf unseren Anführer verfassen und es singen?“ Ich forderte ihn auf, eine Wiege zu bringen, und verfasste sofort ein Lied, das wie ein Wiegenlied klang. O Baby, weine nicht, weine nicht, mein Kind! Wenn du weinst, wird niemand dich „tapferer Sohn Bharats“ nennen. Schlafe ein, mein Kind, schlafe ein! Hast du dich geängstigt und weinst, weil der schreckliche Hitler das unbezwingbare Russland überfiel? Schlafe ein, mein Kind, schlafe ein! Weine nicht, mein Kind, denn die Rote Armee marschiert unter dem heroischen Stalin heran. Sie werden den Übergriffen Hitlers ein Ende bereiten. Schlafe ein, mein Kind, schlafe ein! Alle Landsmänner werden sich vereinen und kämpfen, um die Freiheit zu erlangen. Schlafe ein, mein Kind, schlafe ein!

111 Ich verfasste viele solcher Lieder mit tiefer Bedeutung und erfreute die Dörfler, indem ich diese Lieder singen liess. Viele wunderten sich, wo- her dieser Knirps Sathyanarayana Raju von Hitler und Stalin wusste. Die meisten Leute dieser Region kannten diese Namen nicht. Wisst, dass es nichts gibt, was Sai nicht weiss! Dennoch tue ich, wie wenn ich nicht wüsste. Ich frage manche Leute: „Wann bist du gekommen?“ Sie beklagen sich vielleicht, Sai Baba wüsste noch nicht einmal, wann sie angekommen sind! Ich weiss es. Aber dennoch stelle ich diese Fra- ge, um euch die Freude zu geben, mit mir gesprochen zu haben. Meine alleinige Absicht hinter solchen Fragen besteht darin, euch glücklich zu machen. Ich hege nicht den Gedanken, ihr könntet an mir zweifeln, und ich erlaube solchen Vermutungen nicht, mich davon abzuhalten, euch diese Freude zu schenken.

Die Menschen nannten mich für gewöhnlich „Sathya“. Einige Schüler kamen zu mir und baten mich, ein Drama, das sie aufführen wollten, in Versform zu fassen. Ich stimmte zu, fragte um zwei Schüler, lehrte sie das Lied und schickte sie los, es zu singen:

Was für Zeiten sind dies! Oh ihr Leute, was für Zeiten sind auf uns gekommen! Körperpuder ist billiger Ersatz für Kurkuma geworden. Oh ihr Leute, was für Zeiten sind dies! Gesunde Messingarmbänder machen billigem Flitterkram und billigen Kettchen Platz. O ihr Leute, was für Zeiten sind auf uns gekommen!

In dieser Weise verbreitete ich in der Öffentlichkeit die Lektionen, die zu lernen es galt.

Die Leute hängen eine silberne Scheibe, befestigt an einem Lederband, an ihren linken Arm und nennen es Mode! Groteske Dinge, die das Auge abschrecken, werden hergestellt und Mode genannt! Lange Schnurbärte wurden zu kleinen Bärtchen gestutzt, und Mode genannt!

Ich verfasste solche Lieder, die sich über diese modernen Schrullen lustig machten, und versuchte so, die Aufmerksamkeit der Öffentlich-

112 keit, vor allem der Jugend, Richtung alte Bräuche und Traditionen zu lenken.

Karnam Subbamma war eine edle, fromme Dame. Sie liebte mich sehr. Ich war damals nur sieben Jahre alt. Es war nicht meine Gewohnheit, ihr Haus aufzusuchen, sobald sie mich herbeirief. Sie fragte mich stän- dig: „Kind, warum kommst du nicht zu meinem Haus?“ Ich erwiderte: „Ich bin kein Bettler, der ständig die Häuser anderer aufsucht. Ich kom- me nur, wenn ich eingeladen bin, und nicht sonst.“ Sie bat mich dar- aufhin: „Sohn, mein Ehemann schlägt unmoralische Wege ein und rui- niert sich selbst. Kannst du mir helfen, ihn auf den rechten Weg zu bringen?“ Ich erwiderte: „Ich werde sehr hart mit ihm umgehen, aber du brauchst dich deshalb nicht zu fürchten oder zu beunruhigen.“ Ich brachte dann ein paar Jungen bei, vor seiner Nase zu singen. Karnam Subbamma befürchtete, dass er zornig werden würde. Ich tröstete sie mit den Worten: „Jemandes Zorn ist sein eigener Feind. Er kann mir nichts anhaben.“ Ich trainierte dann die kleinen Jungen und beliess es bei ihnen, so zu singen, dass er eine sehr gute Lektion lernen würde. Diese Aufgabe war nicht durch milde, sanfte Worte zu erreichen. Nur harte treffende Worte würden ihn erreichen und sein Schuldbewusst- sein wecken. Die Kinder hatten Angst. Ich flösste ihnen Mut ein mit den Worten, ich würde bei ihnen sein. Der Karnam wurde Narayana Rao genannt. Ich verfasste ein spezielles Gedicht, um ihn auf den rechten Weg zu bringen. Teile davon lauteten folgendermassen:

Du wirst aus deiner eigenen Gemeinschaft ausgestossen werden, deine Verwandten werden dich nicht bewirten, sondern hinauswerfen, deine Freunde werden dich mit Schuhen verkloppen, wenn sie dich erblicken!

Ich benutzte solch barsche Worte und riet ihm, seine falschen Wege aufzugeben. Es traf ins Schwarze! Der Karnam lernte eine gute Lektion und gab seine Laster auf. Subbamma war so aufgewühlt, dass sie, ob- wohl ich nur ein kleiner Junge war, zu mir rannte, mir zu Füssen fiel und zutiefst dankte. Ich sagte ihr, sie solle aufhören, weil ich viel jünger sei als sie. Sie schob meine Einwände beiseite mit den Worten: „Kör- perlich magst du klein sein, aber in dir ist eine enorme göttliche Kraft verborgen. Niemand sonst kann so kühn sein und eine machtvolle Figur

113 wie den Karnam auf den rechten Weg bringen!“ Dann wandte sie sich zu Pedda Venkapa Raju und sagte: „Venkapa! Du hältst diesen kleinen Jungen für deinen Sohn. Du täuscht dich selbst. Er ist sehr machtvoll. Er wird der ganzen Welt Ideale setzen, denen in Zukunft nachgeeifert werden wird. Du musst aufhören, an dem Gefühl festzuhalten, er sei dein Sohn. Schicke ihn zu meinem Haus.“ Pedda Venkapa Raju erwi- derte: „Es ist in unserer Familie nicht üblich, Kinder zur Adoption zu ge- ben. Wie begrenzt unsere Kapazität auch sein mag, wir werden uns selber um ihn kümmern. Ich kann ihn nicht in ein anderes Haus senden.“

In dieser Weise liess ich es nicht zu, dass irgendjemand mich in Besitz nahm. Ich lebte mit Mut ein abgeschiedenes Leben. Es war ein freies Leben, denn in mir war kein Mangel, kein Gebrechen oder Fehler. Was hatte ich dann zu fürchten? Freudig und furchtlos ging ich voran.

Ich verfasste auch einige Schauspiele. Weil es heute regnet, erzähle ich euch diese Geschichten. Andernfalls würde ich niemals darüber sprechen! Eines dieser Schauspiele trug den Titel: „Handeln sie entsprechend ih- ren Worten?“ Mutter und Vater zu Hause und der Lehrer waren die Hauptfiguren. In diesem Stück hielt die Mutter abends für ein paar Frau- en ein Treffen ab, in dem sie die inneren Bedeutungen der heiligen Tex- te erläuterte. Sie hiess Kameshvari. Vorlage für diesen Charakter war die Frau von Panchangamu Ramappa. Wenn immer sie Vorlesungen hielt, sass ich dabei. Sie las die hochphilosophischen vedantischen Texte vor. Tatsächlich fiel es ihr schwer, sie zu verstehen, und sie litt sogar an dem Handicap, das Alphabet nicht recht zu beherrschen. Den- noch versuchte sie, irgendwie fortzufahren. Sie erklärte die verschie- denen Eigenschaften Gottes und beschrieb ihn als höchst rechtschaf- fen und die Verkörperung der Wahrheit. Ich schrieb dann ein Lied, das mit den Worten „man muss das kennen, was einen direkt zur Befreiung führt“ endete. Sie mühte sich ab, seine wörtliche Bedeutung zu erläu- tern! Ich ergriff dann eine passende Gelegenheit ihr zu sagen, sie täte besser daran, die Verse erklären zu können, statt sie nur vorzulesen.

In jenen Tagen waren die Frauen kaum gebildet. Sie kamen bei so einer gebildeten Dame zusammen und verbrachten ihre Zeit damit, heiligen Hymnen und Geschichten über Gott zu lauschen. Von jenen Tagen an organisierte ich solche Gruppen. Ich betonte die Auswirkungen guter Gemeinschaft und ermutigte dazu. Ich brachte die kleinen Kinder zu- sammen und organisierte die Pandari Bhajangruppe. Mit klirrenden

114 Fusskettchen und schmetternden Zimbeln versehen, sangen und tanz- ten sie mit Enthusiasmus in den Strassen und weckten so die schlum- mernden Dorfbewohner auf. Zuvor standen sie nicht vor 7 Uhr morgens auf. Aber als ich begann, die Bhajans mit den Kindern zu organisieren, waren sie um fünf Uhr auf, wuschen sich und boten Gott ihre Gebete dar.

Nehmt die Zimbeln in die Hand, haltet sie fest in der Hand umschlungen, schlagt die Zimbeln klirrend zusammen, um Verlangen und Zorn aus dem Inneren heraus zu treiben. Lasst uns nach Shirdi gehen, lasst uns zum Lobe Rangas singen, lasst uns „hoch, hoch Sai!“ singen, lasst uns „hoch, hoch!“ jubeln und zum Herrn eilen!

So begann die Idee von Nagarasamkirtana, dem Aufwecken der Dorf- bewohner durch heilige Lieder. Ich rief den Nagarasamkirtana ins Le- ben, als dieser Körper nur sieben Jahre alt war! Auch Subbamma schloss sich still der Gruppe an, spielte begeistert die Zimbeln, aber sorgte sich zugleich, was ich zu ihr sagen würde!

Dieser Körper hat sich von Geburt an immer dafür engagiert, Wissen zu vermitteln und zu unterscheiden und heilige Lehren weiterzugeben. Die Pandari Bhajangruppe war so beliebt, dass sogar aus den Nach- bardörfern die Bewohner herbeieilten, um daran teilzunehmen. Sie ver- loren sich alle in Glückseligkeit. Subbamma war sehr glücklich. Für zwei Rupien konnte man einen Beutel Süssigkeiten bekommen, und sie liess es an alle als Prasad, geheiligte Speise, verteilen.

Es ist wichtig, solch heilige Gefühle von Kindheit an zu entwickeln. Zu Ausbildungszwecken wurde ich nach Kamalapuram geschickt. - lapuram liegt zwischen den Städten Cuddapah und Tadipatri. Dort ent- deckte Kote Subbanna mein Talent, Gedichte zu verfassen und lief mit einer Bitte zu mir. Er sagte: „Raju! Ich habe gehört, dass du hervorra- gende Gedichte schreiben kannst.“ Ich erwiderte: „Es ist nicht so, dass ich Gedichte verfasse. Was immer ich äussere, ist Poesie selbst!“ Er sagte: „Ich lasse dir dafür einen Satz Hemd und Hose nähen!“ Ich sagte ihm sofort, er solle nicht mit so niedrigen Handelsangeboten an mich herantreten. „Ich warte nicht darauf, dass du mir Almosen spendest!

115 Wenn du das tust, brauche ich nicht mit dir zu reden!“ So ermahnte ich ihn.

Er erklärte mir dann, dass eine nagelneue Medizin in seinem Geschäft vorrätig sei. Er schrieb mir eine detaillierte Liste der Kräfte der neuen Medizin nieder. Ihr Name lautete „Bala Bhaskara“. Er bat mich, ein Lied auf diese Medizin zu verfassen, es einer Gruppe Kinder beizubringen und sie dieses Lied singend durchs Dorf ziehen zu lassen. Ich sagte ihm, er solle in einer Stunde wiederkommen. Der Unterricht ging noch weiter, und Kondappa war ein extrem strenger Lehrer, wohingegen Mehbub Khan sehr freundlich war. Ich wollte nicht meine Verantwort- lichkeiten vernachlässigen. Deshalb sagte ich Kote Subbanna, er solle eine Stunde später, nach dem Unterricht kommen, um sein Gedicht ab- zuholen. Ich legte dann die Tonlage fest und verfasste das Lied. Es lau- tete folgendermassen:

Sie ist da! Sie ist da! O Kinder, kommt, kommt! Die Medizin Bala Bhaskara ist eingetroffen! Ob es sich um einen verdorbenen Magen, ein geschwollenes Bein, Gliederschmerzen oder Blähungen handelt, nehmt für jedes bekannte oder unbekannte Leiden Bala Bhaskara zur sofortigen Heilung. Wollt ihr wissen, wo ihr es bekommen könnt? Im Geschäft von Kote Subbanna! Dort könnt ihr die Medizin holen! Eilt herbei, ihr Jungen, eilt herbei! Es ist ein hervorragendes Stärkungsmittel, zubereitet vom berühmten Gopalacarya selbst! Eilt herbei, ihr Jungen, eilt herbei!

Als Kote Subbanna das Lied hörte, war seine Freude grenzenlos. Er brachte einen grossen Korb Laddus (eine kugelförmige Süssigkeit) und hinterliess ihn voller Dankbarkeit bei mir. Ich gab die Anweisung, sie an jeden Anwesenden zu verteilen. Von Geburt an nahm ich niemals Süssigkeiten zu mir. Warum sollte ich, wenn doch alle Süsse in mir ist? Mein Geist und Gemüt sind süss, meine Liebe ist süss. Für was brauche ich dann diese Süssigkeiten?

In dieser Weise bestand meine einzige vorrangige Aufgabe darin, je- dem zu helfen, ihr Leiden zu lindern und ihnen Freude zu schenken.

116 Ich zeigte ihnen den rechten Weg und ermunterte sie dazu, glücklich zu sein.

Verkörperungen der Liebe! Unser Vizekanzler hat mich gebeten, über die heilige Quelle der Freude, das Ramayana, zu sprechen. Ich bin nicht zufrieden mit der gegenwärtigen Bildungsszene. Die Leute studieren so viel sie wollen. Aber was bringt diese Bildung? Sie jagen dem Geld hinterher, und nicht der Charakterbildung. Wohlstand ist zweifelsohne wesentlich, aber er ist nicht entscheidend. Charakter ist gleichermas- sen wichtig. All die Errungenschaften der Ausbildung geraten irgend- wann in Vergessenheit. Spirituelle Erziehung ist vonnöten. Es heisst: Spirituelles Wissen ist die höchste Form des Wissens. Dieses Wissen muss dem Herzen gelehrt werden. Dieses heilige Wissen ist im heiligen Ramayana zu bekommen. Das Ramayana ist ein alter Text. Es hat das Auf und Ab der Zeiten, geschichtliche Schwankungen und viele andere Turbulenzen überlebt und steht immer noch als grosses Ideal. Es gibt im Ramayana verschiedene Geheimnisse, die nicht einmal von vielen verstanden werden. Ich werde diese winzigen Fragmente herausneh- men, sie erläutern, sie zu riesigen Bäumen heranwachsen lassen und euch unter ihren kühlen Schatten setzen, ich werde versuchen, euch darunter entspannen und ausruhen zu lassen. Dem gilt von morgen an mein Bemühen. (Ansprache während des Sommerkurses in Brindavan, Whitefield)

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17. Mai

Harmonie und Schönheit des Ramayana

Die gesamte Schöpfung untersteht der Herrschaft Gottes. Gott steht unter der Herrschaft der Wahrheit. Edle und hochherzige Menschen wachen über die Wahrheit. Diese edlen Menschen sind grösser als Götter.

Verkörperungen der Liebe! Die heutige Gesellschaft hat die Botschaft des Ramayana dringend nötig. Wir haben keine Kinder, die ihre Eltern achten, noch haben wir Eltern, die wahre Zuneigung und Liebe für ihre Kinder empfinden. Weder haben wir heute Schüler, die ihre Lehrer ver- ehren und achten, noch haben wir Lehrer, die viel Liebe für ihre Schüler empfinden. Wir haben keine Wohnstätten, in denen die Eltern leuch- tende Beispiele für ihre Kinder sind. Wir haben keine Wohnstätten, in denen Brüder in gegenseitiger Liebe und Zuneigung leben. Ebenso we- nig haben wir Wohnstätten, in denen Ehepartner kraft der Tugend ihrer Liebe und Zuneigung für einander leuchtende Ideale für andere sind. Gutes Benehmen und freundlicher Umgang sind ausgestorben. Das Ramayana ist heutzutage für die unterschiedlichsten Handlungsberei- che der von Wirrwarr und Unruhe zerrissenen Gesellschaft ein ideales Vorbild. Die Eltern von heute machen sich nicht die Mühe, geeignete Wege und Mittel zu finden, ihre Kinder aufzuziehen und sie unter Kon- trolle zu halten. Sie glauben, ihre Verantwortung ende mit dem Moment ihrer Einschreibung in die Grundschule. Das Zuhause ist die erste Schule für Kinder. In dieser „Schule“ sollten sie lernen, ihre Eltern zu achten; in der Schule den Werten Wahrheit, Rechtschaffenheit, Frie- den und Gewaltlosigkeit zu folgen; sie sollten dort lernen, wie sie sich in der Schule benehmen, die Lehrer respektieren und sich den Mit- schülern gegenüber richtig verhalten sollten. Sie müssen verstehen, wie die Regeln und Vorschriften der Schule zu befolgen sind und wie Disziplin zu wahren ist. Nur wenn sie diese Dinge lernen, werden sie sich zu idealen Schüler entwickeln.

Steht auf, wenn frühmorgens der Hahn kräht. Badet und bürstet euer Haar und reinigt eure Zähne. Esst mässig und mit Anstand. Geht zum Unterricht und lernt fleissig.

119 Verdient euch als folgsamer Schüler oder Schülerin einen guten Namen. Rennt nicht herum, wenn das Wetter nass und feucht ist und stapft nicht durch Gräben und Pfützen. Doch rennt und spielt, habt Spass und Freude. Wenn ihr den genannten Prinzipien folgt, Werdet ihr euch guter Gesundheit und Wohlstands erfreuen.

Als der Weise Vishvamitra zu Kaiser Dasharatha kam, empfing dieser ihn mit aller Höflichkeit, forderte ihn auf, den Ehrenplatz einzunehmen und den Grund seines Besuches zu nennen. Wenn Menschen uns be- suchen, ist es wichtig, sie respektvoll zu behandeln und ihnen Freude zu bereiten. Der Weise sagte zum Kaiser: „O Dasharatha, ich habe be- schlossen, ein Opferritual zum Wohl der ganzen Welt durchzuführen. Doch die Dämonen stören den Verlauf des Rituals und verursachen da- durch viele Probleme. Ich habe sowohl die Macht als auch die Kraft, ihnen die Stirn zu bieten, da mir mächtige Waffen zur Verfügung stehen, doch die Vorschriften für das Ritual verbieten mir, die Waffen zu be- nutzen, während ich das Opferritual durchführe. Gewalt und Blutver- giessen sind einem Priester, der ein Opferritual durchführt, verboten. Ich bitte um die Hilfe deiner Söhne, das Opferritual zu schützen, das ich zum Wohlergehen und Segen der Welt durchführen werde.“ Diese Worte trafen Dasharatha wie ein Schock. Der Gedanke, Kinder in die- sem zarten Alter in die Wildnis zu schicken, gefiel ihm keineswegs. Er sah es als Unrecht seinerseits, so zarte Kinder in die Wildnis zu schik- ken. So entgegnete er dem Weisen: „Meister, bitte verzeiht. Ich werde die Verantwortung für den Schutz des Opferrituals übernehmen. Diese Kinder sind noch sehr jung, kaum dreizehn Jahre alt. Sie sind mit dem Umgang von Waffen nicht gut vertraut. Wie können sie das Ritual schüt- zen?“ Vishvamitra gab vor, über die Worte des Königs verärgert zu sein. Er rief zornig aus: „Die Nachkommen von Ikshvaku (erster König der Sonnen-Dynastie) brechen niemals ihr Wort. Ihr habt mir fest verspro- chen, mein Wort zu achten. Es ist unfair eurerseits, nun euer Wort zu- rückzunehmen. Wenn ihr glaubt im Recht zu sein, werde ich mich zu- rückziehen.“ Dasharatha nahm sich Vishvamitras Worte zu Herzen. Er wusste, dass man im Umgang mit Schlangen und Weisen äusserst vor- sichtig sein musste. Auch fürchtete er, Vishvamitra könnte einen Fluch über ihn aussprechen. Er rief Vasishtha, den spirituellen Lehrerguru der Familie, zu sich und beriet sich mit ihm. Dies beruhigte ihn bis zu einem gewissen Grad. Der Weise Vasishtha blickte Dasharatha an und sagte: „Diese Kinder sind keine gewöhnlichen Kinder. Aufgrund eurer Bindung

120 an eure Kinder seid Ihr niedergeschlagen. Doch diese Kinder werden wie Donnerkeile auf die Feinde niedersausen. Ihr seid nicht fähig, ihre Grösse zu erkennen.“ Dann rief Vasishtha nach Rama. Rama kam und blieb vor ihm stehen. Auch Lakshmana kam, da er stets an Ramas Seite war. Dasharatha stellte Vasishtha seine Kinder vor. Sie grüssten ihren Vater Dasharatha, Guru Vasishtha, den Weisen Vishvamitra und blie- ben abwartend stehen. Vasishtha war wie erstarrt beim Anblick ihrer glanzvollen Gesichter. Er spürte den Wunsch, sie ehrerbietig zu grüs- sen (namaskara). Doch es war nicht angebracht, die Kinder vor aller Augen in dieser Form zu grüssen. So grüsste er sie in seinem Herzen.

Die vier Brüder Rama und Lakshmana, Bharata und Shatrughna un- ternahmen stets alles zusammen. Lakshmana folgte Rama wie ein Schatten, und Shatrughna war immer an der Seite von Bharata. Es gab einen Grund dafür. Als Dasharatha das Putrakamyeshti-Ritual, einem Ritual, mit dem Ziel, einen Sohn zu bekommen und damit die Famili- entradition fortzuführen, vollzog, erschien die angerufene Gottheit und brachte Vasishtha die Schale mit der geweihten Speise. Vasishtha übergab diese geheiligte Schale an Dasharatha, der dann Königin Kau- salya zu sich rief und sie aufforderte, diese Speise mit den anderen Kö- niginnen, Sumitra und Kaikeyi, zu teilen. Kausalya vertraute darauf, dass der Sohn, den sie gebären würde, König von Ayodhya würde, da sie die älteste Königin war. Auch Kaikeyi glaubte, dass ihr Sohn eines Tages zum König gekrönt würde, da Dasharatha ihrem Vater am Tag ihrer Hochzeit dieses Versprechen gegeben hatte. Aber die tugendhaft gesinnte Sumitra hegte diese Hoffnung nicht. Da der Kaiser ihr kein der- artiges Versprechen gegeben hatte, dachte sie, dass ihr Sohn dem Kö- nig nur dienen würde. Sie nahm die Schale mit der ihr zugeteilten Süssspeise mit sich und stellte sie auf die Mauerbrüstung der Terrasse, während sie dort ihr Haar trocknete. Aus heiterem Himmel erschien plötzlich ein Adler und trug die Schale mit der geweihten Speise fort. Sumitra war zutiefst erschrocken und eilte unverzüglich zu Kausalya und Kaikeyi, um ihnen zu berichten, was sich zugetragen hatte. Da Kau- salya und Kaikeyi von edler Gesinnung waren, teilten sie ihre geweihte Speise mit ihr. Alle drei Königinnen waren grossmütig und ohne eine Spur von Selbstsucht - leuchtende Beispiele von Harmonie, Verständ- nis und gegenseitiger Liebe. Gerade in der heutigen Zeit ist ihr Verhal- ten besonders nachahmenswert. Die drei Königinnen schlossen an- dächtig ihre Augen im Gebet und verzehrten dann die geweihte Speise. Kausalya gebar Rama, Sumitra gebar Lakshmana und Shatrughna, und Kaikeyi gebar Bharata. Die Söhne von Kausalya und Kaikeyi spiel-

121 ten zufrieden und fröhlich in ihrer Wiege, wohingegen Sumitras Söhne ohne Unterlass Tag und Nacht weinten und auch die Nahrung verwei- gerten. Sumitra wandte sich an den Weisen Vasishtha um Rat für ihre weinenden Kinder. Vasishtha schloss die Augen und nutzte seine yo- gische Sehergabe. Er erkannte die Wahrheit und sagte zu Sumitra: „Da du einen Anteil von Kausalyas geweihter Speise verzehrt hast, gebarst du Lakshmana, der ein Teil oder Aspekt von Rama ist. Da du aber auch von Kaikeyis Speise gegessen hast, gebarst du Shatrughna, der ein Aspekt von Bharata ist. Lege Lakshmana an Ramas Seite und Sha- trughna an Bharatas Seite. So werden die Kinder friedlich schlafen. Su- mitra befolgte Vasishthas Anweisungen und alle Kinder schliefen ruhig und ohne zu weinen. Sumitra war darüber sehr glücklich und sagte zu Kausalya und Kaikeyi: „Lakshmana und Shatrughna sind euer Ge- schenk. Meine Kinder werden euren Kindern dienen. Lakshmana wird Rama dienen, und Shatrughna wird Bharata dienen. Ich bin sehr ge- segnet, da meine Söhne anderen dienen werden.“ Rama und Laksh- mana, Bharata und Shatrughna waren eng mit einander verbunden. Lakshmana folgte Rama auf Schritt und Tritt, und Rama ass nur dann, wenn Lakshmana mit ihm ass. Ebenso ass Bharata nur im Beisein von Shatrughna. Ihre Geburtstage feierten sie stets in der Gesellschaft der anderen Brüder. Als Bharata seinen Grossvater, den König von Kasch- mir, besuchte, folgte Shatrughna ihm nach Kaschmir, obgleich nie- mand ihn dazu aufgefordert hatte. Als Rama sich anschickte in die Wild- nis aufzubrechen, folgte auch Lakshmana ihm, ohne dass Rama ihn dazu aufgefordert hatte. Vielmehr sagte Rama zu Lakshmana: „Bruder, du solltest in Ayodhya bleiben und unseren Eltern beistehen, da sie in meiner Abwesenheit trauern und grosse Sehnsucht leiden werden. Sie zu trösten und zu erfreuen ist deine Pflicht.“ Daraufhin entgegnete Lakshmana: „Bruder, meine Mutter hat mich geschickt, um dir zu die- nen. Du gehst auf Geheiss deines Vaters und im Gehorsam ihm ge- genüber ins Exil, wohingegen ich dir auf das Geheiss meiner Mutter folge.“ Lakshmana folgte Rama auf allen Wegen. So verhielt es sich auch mit Shatrughna und Bharata.

Als seine vier Söhne in Begleitung ihrer Gemahlinnen von Mithila nach Ayodhya zurückkehrten, war Dasharatha überglücklich. Er sprach zu ihnen: „Wenn mein Blick auf euch fällt, ist mir, als sähe ich die 8 Pla- neten. Da eure vier Gemahlinnen an eurer Seite sind, habe ich das Ge- fühl, als erstrahlte ich im Glanz der 16 Herrlichkeiten. Eure Gemahlin- nen sind höchst ehrsam und tugendhaft. Ich werde für sie sorgen, als wären sie meine Töchter. Durch Gottes Gnade habe ich so edle

122 Schwiegertöchter. Wo ist Mithila und wo ist Ayodhya? Es ist der gött- liche Wunsch und Wille, dass sie auf diese Weise mit einander vereint sein sollen.“ Die Gemahlinnen der vier Söhne Dasharathas waren bei- spielhaft durch ihre vortrefflichen Eigenschaften. Sita und Urmila waren die Töchter von König Janaka. Sita war mit Rama und Lakshmana mit Urmila verheiratet. Mandavi und Shrutakirti waren die Töchter von Kus- hadvaja, Janakas Bruder. Kushadvaja war mit Bharata und Mandavi mit Shatrughna verheiratet. Da die vier Schwiegertöchter ideale Frauen waren, war auch Dasharathas Heim ein ideales Heim.

Als Vishvamitra sich von Dasharatha die Erlaubnis holte, Rama zum Schutz des Opferrituals mit sich zu nehmen, folgte Lakshmana Rama automatisch. Als sie, unter Vishvamitras Führung, das Waldgebiet er- reichten, lehrte der Weise Rama und Lakshmana zwei Mantras, ge- nannt Bala: Stärke und Ausdauer und Atibala: geistige und leibliche Ge- sundheit, damit sie weder unter Hungergefühl noch unter dem Schlafentzug leiden würden. Rama und Lakshmana durften, während sie die Opferhandlung bewachten, weder essen noch schlafen. Obwohl Vishvamitra wusste, dass Rama und Lakshmana göttliche Kinder wa- ren, erlag er der Täuschung von Maya und glaubte, sie in diesen Man- tras unterweisen zu müssen, damit sie im Wald von Hunger und Mü- digkeit verschont blieben.

Dasharathas Heim war ein ideales Heim, in dem alle Mütter in grosser Harmonie miteinander lebten. Dasharathas Königinnen lebten in gros- ser Einheit und gegenseitigem Verstehen. Heutzutage ist es schon schwierig, mit einer Ehefrau zusammen zu leben, von drei Frauen ganz zu schweigen! Doch Dasharathas Heim war eine Ausnahme. Dort herrschten grosse Harmonie und gegenseitiges Einvernehmen. Man mag sich fragen: „Weshalb war Kaikeyi so selbstsüchtig und verlangte, dass Rama für 14 Jahre ins Exil gehen sollte?“ Sie handelte unter dem göttlichem Gebot der Vorsehung, denn es war Rama bestimmt, in die Wildnis zu gehen, um die Dämonen zu töten. Die Menschen glauben, Manthara, Kaikeyis Dienerin, hätte durch ihren böswilligen Rat Kaikeyis Gedanken und Empfindungen vergiftet. Doch Kaikeyi war keine Frau, die auf die Worte einer Dienerin hören würde. Vielmehr war sie eine Frau von Charakter und durch grosse Tugenden ausgezeichnet. Sie liebte Rama mehr als ihren eigenen Sohn Bharata. Als die Götter und Weisen sich bei Brahma über Ravanas Gräueltaten beschwerten und ihn baten, sie zu retten, entgegnete Brahma: „In einem Versprechen gewährte ich Ravana das Gnadengeschenk, dass er weder durch Göt-

123 ter, noch durch schlechte und verderbte Wesen sterben würde; doch den Menschen erwähnte er nicht. Folglich wird Ravana durch die Hand von Rama, der eine Inkarnation von Vishnu ist, den Tod finden.“ Alles geschah nach göttlichem Willen. Sogar Lankini tat den göttlichen Willen kund, denn als Hanuman ihr einen Schlag versetzt hatte, sagte sie: „Lanka geht schlimmen Zeiten entgegen.“ Es war prophezeit worden, wenn sie von einem Affen geschlagen würde, wäre der Niedergang Lankas eingeleitet. In der Tat fiel Lankini flach auf den Boden, als Ha- numan ihr einen Schlag versetzte. Lankini war eine Dämonin von ge- waltiger Stärke, welche die Stadt Lanka an den Toren der Festung be- wachte.

Hanuman war auch mit Rama, Lakshmana, Bharata und Shatrughna eng verbunden. Er wurde als Sohn von Anjana Devi, einer Frau aus dem Affengeschlecht, geboren, nachdem sie von derselben gesegne- ten Speise gegessen hatte, die auch Dasharathas Königinnen zu sich genommen hatten Es handelte sich um den für Sumitra bestimmten und von einem Adler entwendeten Anteil. Daher fühlte Hanuman sich den vier Brüdern eng verbunden.

Verkörperungen der Liebe! Das Ramayana ist ein herausragendes Vorbild für die gesamte Menschheit. Es enthält ideale Vorbilder für alle Lebensbereiche. Es zeigt, wie Brüder, Schwestern und Eltern in vor- bildhafter Weise miteinander leben sollten. Das Ramayana galt nicht nur in alten Zeiten als Ideal, sondern ist es gleichermassen für das mo- derne Zeitalter. Jeder Mensch wird in diese Welt hineingeboren, damit er ein leuchtendes Beispiel sein soll, nicht, um ein „Dekorationsstück“ zu sein. Jeder Mensch sollte nach seinem besten Vermögen ein her- ausragendes Vorbild sein. Das Ramayana zeigt allen die ideale Familie und die vorbildhafte Verhaltensweise im Leben. Als Sita, Urmila, Man- davi und Shrutakirti zusammen mit ihren Ehemännern nach Ayodhya aufbrachen, vergossen ihre Eltern keine Tränen des Leids, im Gegen- satz zu den Eltern von heute. Die Eltern dachten, dass die vier Frauen im Heim von Dasharatha eine wichtige Rolle zu spielen hätten. Sie emp- fanden, dass es die Pflicht ihrer Töchter war, nun in das Haus von Da- sharatha zu ziehen, das sie nicht als fremdes Haus betrachteten. Keine Träne des Bedauerns wurde vergossen. In der Tat waren es Freuden- tränen, mit denen sie ihre Töchter zum Heim ihrer Ehemänner auf den Weg schickten. So hoch waren die Ideale, welche die Menschen da- mals in Ehren hielten. Allgemein wird angenommen, Kausalya hätte bit- terlich geweint, als Rama ins Exil ging, doch dies entspricht nicht den

124 Tatsachen. Vielmehr sagte sie zu Rama: „Mein Sohn, durch Gottes Wil- len bin ich deine Mutter und du bist mein Sohn. Wir sollten unsere Rollen im Einklang mit der göttlichen Bestimmung spielen. Sei nicht betrübt darüber, dass du in die Wildnis gehst. Ayodhya ohne dich ist Wildnis für uns, und die Wildnis wird durch deine Gegenwart in Ayodhya ver- wandelt.“ Das waren die hohen Ideale, welche die grossherzigen Frau- en von damals in Ehren hielten. Das Ramayana enthält viele Ideale für die ganze Welt.

Eines Tages sah Dasharatha, wie das Kind Rama seine eigenen Füsse massierte und nicht die Hilfe der Dienerschaft in Anspruch nahm. Da schickte Dasharatha sofort nach Dienern, damit sie unverzüglich Ra- mas Füsse massieren sollten. Rama aber sagte zu Dasharatha: „Ich will diese Dienste nicht, ich werde meine Arbeit selbst tun. Es sind mei- ne Füsse und nicht die eines anderen. Daher sollte ich sie selbst mas- sieren und nicht von anderen abhängig sein. Alle Menschen sind Diener auf dieser Welt.“

Dasharatha war ein Kaiser, der seine zehn Sinnesorgane, die fünf Wahrnehmungs- und die fünf Handlungssinne, unter Kontrolle hielt. Da er diese Fähigkeit besass, konnte er einen Sohn wie Rama bekommen. Um einen Sohn wie Rama zu erhalten, muss man wie Dasharatha Herr seiner Sinne sein.

Selbst Kaikeyi, die im Allgemeinen aus Missverständnis für eine selbst- süchtige Königin gehalten wird, war keine gewöhnliche Sterbliche. Sie war eine Frau von überragenden Tugenden und erhabenem Verhalten. Sie liebte Rama mehr als ihren Sohn Bharata. Auch Kausalya war eine aussergewöhnliche Frau. Sie vergoss keine Träne, als Rama ins Exil ging. Sie war der Überzeugung, dass göttliche Vorsehung Rama die vierzehn Jahre Exil auferlegt hatte. Ramas Gestalt strahlte die ganze Fülle edler Eigenschaften aus. Sein Charakter war der Grund hierfür. In der Tat blieben Rama und Krishna immer jugendlich. Habt ihr jemals Rama oder Krishna auf einem Bild mit einem Kinnbart oder Schnurrbart und grauen Haaren gesehen? Habt ihr je ein Bild von Krishna mit Al- terserscheinungen gesehen? Habt ihr ihn je als „Grossvater“ gesehen? Alle göttlichen Avatare bleiben unverändert jugendlich.

Mein Körper ist 77 Jahre alt. Ich kenne keine Schwäche und kann mich rasch fortbewegen. Es könnte vielleicht komisch aussehen, wenn ich in meinem Alter schnell gehe. Die Menschen könnten darüber lachen.

125 Ebenso sicher würden sie lachen, wenn ein Kleinkind am Stock geht. Auch wäre ein alter Mann, der mit Spielzeug spielt, ein komischer An- blick. So wie ein spielender alter Mann eine Zielscheibe des Spotts wä- re, könnte ich in ähnlicher Weise eine Zielscheibe des Spotts werden, wenn ich renne und herumspringe. Wir sollten unser Verhalten der Zeit, dem Ort und den Umständen anpassen. Genau das tue ich. Ich kenne keine Schwäche. Für gewöhnlich haben alte Menschen Falten im Ge- sicht, sind schwerhörig oder leiden am Grauen Star. An mir gibt es keine Anzeichen von Alter. In meinem Gesicht findet sich nicht eine Falte. Meine Augen leuchten wie Glühbirnen und meine Ohren gleichen Emp- fangsgeräten. Im Alter lassen sich die Menschen am Grauen Star ope- rieren. Meine Augen aber sind in perfektem Zustand. Auch in der Ferne kann ich alles erkennen. Niemand kennt meine Macht und Kraft, von denen ich jedoch nur nach Erfordernis und im Einklang mit der jewei- ligen Situation Gebrauch mache. Ich bediene mich meiner Sinne in um- sichtiger und wohl überlegter Weise. Geschwindigkeitsbarrieren die- nen der Geschwindigkeitskontrolle. Sie sind notwendig und sorgen für Sicherheit. Ich habe volle Gewalt über meine Sinne. All dies sind Zei- chen meiner Göttlichkeit. Im Laufe der Zeit werdet ihr - allmählich, doch sicher – die Zeichen meiner Göttlichkeit erkennen. Wenngleich ich ei- nen menschlichen Körper besitze, bin ich doch frei von menschlicher Bindung. Wenngleich der Körper menschlich ist, bin ich durch und durch göttlich. Früher oder später muss der Körper vergehen. Da Rama und Krishna in menschlichen Körpern geboren wurden, erlagen die Menschen der irrtümlichen Vorstellung, dass sie auf gewöhnliche Wei- se starben. Doch weder Rama noch Krishna haben ihren Körper wie gewöhnliche Menschen abgelegt. Rama ging in den Sarayu-Fluss und verschwand. Krishna ging nach Dvaraka. Uddhava sah Krishna unter einem Baum sitzen und dann plötzlich verschwinden. Es war kein Kör- per, der, wie für gewöhnlich erzählt wird, von einem Jäger getötet wur- de. Ihr müsst die Fähigkeit erlangen, das Göttliche zu verstehen.

Verkörperungen der Liebe! Die Tatsache, dass ich esse wie ihr und mit euch spiele und singe, verleitet euch irrtümlich zu der Annahme, ich sei ein menschliches Wesen wie ihr. Es ist schiere Unwissenheit, mich auf diese Weise zu sehen. Einige Devotees meinen, dass etwas mit meinen Beinen nicht in Ordnung sei, wenn ich langsam gehe. Ich habe keinerlei Probleme mit meinen Beinen; ich bin glücklich und befinde mich bei bester Gesundheit. Wegen des Gewandes, das ich trage, gehe ich langsam mit gemässigten Schritten. Dieses Gewand ist an den Seiten bis hinunter zum Saum zugenäht, weshalb ich keine grossen

126 Schritte machen kann. Mein Gang ist langsam, weich und geschmeidig und bar jeglicher Ungelenkigkeit. Ich bin durch und durch Süsse und Weichheit. (Ansprache während des Sommerkurses in Brindavan/Whitefield)

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18. Mai

Das Ramayana - Ein Ideal für jede Familie

Wer egoistisch ist, wird von niemandem geliebt. Wer dem Zorn erliegt, verliert das Unterscheidungsvermögen. Wer übermässige Wünsche in sich trägt, ist unfähig, seine Gedanken und Gefühle zu beherrschen. Wer von Gier erfüllt ist, vermag nicht in den Genuss von Glück und Freude zu gelangen.

Verkörperungen der Liebe! Solange der Mensch egoistisch ist, wird nie- mand ihn lieben. Sogar seine Frau und Kinder werden ihn meiden. Wenn im Menschen Zorn ausbricht, kann er nicht mehr glücklich sein. Übermässige Wünsche lassen ihn die Herrschaft über seine Gedanken und Gefühle verlieren. An dem Tag, an dem der Mensch Gier und Hab- sucht hinter sich lässt, wird er sich am Glück erfreuen.

Der heutige Vortrag über das Ramayana wird den Frauen sehr gefallen. Rama und Lakshmana erreichten, zusammen mit Vishvamitra, die Stadt Mithila. Nachdem Rama den Bogen von Gott Shiva zerbrochen hatte, sandte Janaka eine Einladung an Dasharatha, nach Mithila zu kommen. Das bedeutete, dass Rama und Lakshmana vier Tage zu ih- rer freien Verfügung hatten. Als nur noch ein Tag bis zur Ankunft ihrer Eltern und Brüder verblieb, wandte sich Lakshmana mit folgenden Wor- ten an den Weisen Vishvamitra: „Meister, meine Eltern und Brüder wer- den morgen kommen. Wenn Sie es gestatten, würden wir gerne an die- sem letzten Tag die Stadt Mithila besichtigen.“ Vishvamitra gewährte die Bitte.

Wenig später spazierten Rama und Lakshmana durch die Strassen von Mithila. Wie von einem mächtigen Magneten angezogen, richteten sich die Blicke aller Bürger auf die beiden Prinzen. Sogar die Frauen liessen von ihrer Hausarbeit ab und kamen, um einen Blick auf die beiden jun- gen Männer zu erhaschen. Auch die Schulkinder rannten herbei. Die Blicke aller waren unverwandt auf die beiden Brüder gerichtet. Die Men- schen waren voll Staunen: „Oh, welch himmlische Schönheit erstrahlt in diesen beiden Jungen. Sie leuchten wie die Sonne und der Mond.

129 Woher kommen sie?“ So fragten sie sich verwundert untereinander, doch niemand wusste die Antwort.

Schliesslich kam eine junge Hausfrau und erklärte den anderen Frau- en: „Mein Geburtsort ist die Stadt Ayodhya. Da ich in eine Familie aus Mithila eingeheiratet habe, lebe ich jetzt hier. Diese gut aussehenden jungen Männer sind die Söhne des Kaisers Dasharatha. Sie sind von aussergewöhnlicher Schönheit und tragen die Namen Rama und Lakshmana. Selbst in Ayodhya ziehen sie überall, wo sie erscheinen, unverzüglich die Aufmerksamkeit aller auf sich.“ In dieser Weise be- richtete sie den anderen Frauen all die Einzelheiten über die attraktiven Prinzen.

Doch obwohl sie die Hauptattraktion waren, hoben Rama und Laksh- mana niemals ihr Haupt. Den Kopf gesenkt genossen sie ihren Spa- ziergang durch die Strassen. Einige Frauen versuchten die Aufmerk- samkeit der beiden Prinzen auf sich zu lenken, indem sie Blumen auf ihren Weg streuten, in der Hoffnung, wenigstens dann einen Blick der Prinzen zu erhaschen. Sie liessen nichts unversucht, um die Blicke von Rama und Lakshmana auf sich zu ziehen. Einige schwenkten sogar die heilige Arati-Flamme. Doch die Prinzen blieben unbeirrt und blickten niemanden an. Die Jugend von damals besass eine solch reine und heilige Sichtweise. In diesem zarten Alter blickte keiner von ihnen einer Frau je ins Gesicht. Rama und Lakshmana beendeten ihren Rundgang und kehrten zum Palast zurück. In der Zwischenzeit waren ihre Eltern und Brüder ein- getroffen. Wenn die vier Brüder zusammen waren, leuchteten sie wie der Mond unter den Sternen. Die Bewohner von Mithila waren erstaunt über die Schönheit, die Haltung und das Aussehen der vier Brüder.

Am folgenden Tag sollte Shivas Bogen ausgestellt werden. Eine grosse Veranstaltung wurde organisiert. Rama kam in Begleitung seiner Brü- der zu der Versammlung. In dem Saal waren auch noch andere mäch- tige Könige und Kaiser anwesend. Beim Anblick der Versammelten dachte König Janakas Frau Sunetra, während sie hinter dem Vorhang hervorlugte: „In dieser Versammlung gibt es so viele gut aussehende und tapfere junge Prinzen. Wäre es nicht besser, je einen von ihnen für meine Töchter auszuwählen, ihre Hochzeit mit meinen Töchtern zu arrangieren und sich somit rasch der Verantwortung zu entledigen? Weshalb muss der König die ganze Sache durch die Ankündigung er- schweren, dass nur jener, der Lord Shivas Bogen hebt und zerbricht,

130 der angemessene Bräutigam sein soll? Schon etliche tapfere Persön- lichkeiten haben in der Vergangenheit einen Versuch unternommen und versagt. Werden die hier versammelten jungen Männer erfolgreich sein? Wie sollen ihre zarten Körper das Gewicht des schweren Bogens verkraften?“ Sie war sehr beunruhigt über die ganze Angelegenheit und besprach es mit ihren Begleiterinnen.

Ihre Ängste wurden bestätigt, als niemand unter allen Versammelten es schaffte, den Bogen auch nur anzuheben. Schliesslich gab der Wei- se Vishvamitra Rama die Erlaubnis, den Bogen zu heben. Rama ging auf den Behälter zu, in dem der Bogen aufbewahrt wurde, und entfernte die Abdeckung. In diesem Augenblick erschütterte ein heftiges Beben alle Anwesenden. Da stand Lakshmana auf und presste einen Fuss fest auf die Erde. Selbst Vishvamitra wusste nicht, was Lakshmana beab- sichtigte, und fragte: „Lakshmana, was geht vor sich? Was machst du?“ Lakshmana beugte bescheiden sein Haupt und sagte: „Dies ist die Hil- fe, die ich meinem älteren Bruder erweisen muss.“ Lakshmana wollte damit sagen, dass, als Rama den Bogen hob, ein plötzliches Neigen der Erde ein Ungleichgewicht der Erde auslöste, was diese Turbulenz verursachte. Indem er seinen Fuss fest auf die Erde presste, glich Lakshmana die Verschiebung aus.

Wie gross war die Liebe, welche die Brüder für einander empfanden! Als sie einst mit einander spielten, kam Bharata weinend zu Kausalya gelaufen und liess sich in ihren Schoss fallen. Liebevoll fragte Kausa- lya: „Kind, warum weinst du? Hat dein älterer Bruder dich gescholten? Haben deine Brüder mit dir gestritten?“ Auf diese Weise versuchte sie, die Ursache von Bharatas Kummer zu erfahren. Bharata antwortete: „Mutter, keiner meiner Brüder würde noch nicht einmal im Traum daran denken, mich je zu schelten und mit mir zu streiten. Sie alle lieben mich sehr. Doch um mich gewinnen zu lassen, verliert Rama immer das Spiel, obwohl ich alle Anstrengungen dagegen setze. Er möchte immer, dass ich gewinne.“ Rama verlor mit Absicht, denn er wollte, dass die kleineren Brüder gewinnen. Das war stets Ramas Ziel. Jeder der Brüder machte es ebenso, damit die anderen Brüder gewinnen sollten. Rama wusste, dass, wenn seine Brüder gewannen und glücklich waren, er selbst glücklich sein würde. Rama nahm in dieser Weise viele Mühen auf sich, um sicherzustellen, dass es seinen kleineren Brüdern gut ging.

Als Rama den heiligen Bogen Shivas aus dem Behälter hob, die Sehne befestigte und dann spannte, brach ein Donnergetöse los. Alle fragten

131 sich, wie denn ein Junge in diesem zarten Alter solch eine gewaltige Tat vollbringen konnte. Selbst durch den Krafteinsatz von tausend Män- nern wäre der Bogen nicht zu heben gewesen. Etliche Elefanten wur- den benötigt, um den Behälter mit dem Bogen in die Halle zu schleppen. Wie konnte dann Rama diesen schweren Bogen heben? Wie schaffte er es, ihn zu spannen? Die Nachricht von dieser grossartigen Tat ver- breitete sich in ganz Mithila und sorgte für eine Sensation.

Janaka begann mit den Vorbereitungen für die Hochzeit seiner Tochter mit Rama. Kushadvaja war Janakas Bruder. Er hatte zwei Töchter na- mens Mandavi und Shrutakirti. König Janaka hatte noch eine zweite Tochter namens Urmila. Im Verlauf der Hochzeitsvorbereitungen kam der Weise Vasishtha zu Janaka und sagte: „O König! Hier sind vier strahlende junge Männer, die wie die Sonne selbst leuchten. Sie sind alle tapfer und heldenhaft.“ Vasishtha beriet sich dann mit Kushadvaja und schlug vor, dass seine beiden Töchter mit Bharata und Shatrughna verheiratet werden sollten. Kushadvaja stimmte sofort zu. Janaka ver- goss Freudentränen über die Entwicklung der Ereignisse und war be- reit, seine zweite Tochter Urmila Lakshmana zur Ehefrau zu geben.

Die Bräute und Bräutigams wurden für die Zeremonie vorbereitet und zum Podium geführt. Als sie dort sassen, schienen sie ganz Mithila mit Licht zu erfüllen. Die Frauen waren von unbeschreiblichem Entzücken erfüllt. Sie priesen ihr grosses Glück, Zeugen nicht nur von Sitas Hoch- zeit zu sein, sondern die Vermählung aller vier Prinzessinnen zu erle- ben.

Dies ist göttlicher Wille. Wenn Gott es so will, kann er alles tun. Wer kann tun, was Gott tut? Wer kann besitzen, was Gott besitzt? Gott allein ist der ewige Zeuge. Sein Wille allein vermag alles zu erreichen.

Die Hochzeitszeremonie war in vollem Gange. Doch die vier Brüder ho- ben kein einziges Mal den Kopf und sahen niemanden an. Im modernen Zeitalter dagegen beginnen Gespräche und frivoles Verhalten bereits lange vor der Hochzeit! Doch hier sassen die Bräute und Bräutigams während der ganzen Zeremonie mit gesenktem Haupt, in demütiger und bescheidener Haltung. Sie folgten den Anweisungen des Priesters, ohne dabei den Kopf zu heben. Ich erzähle euch diese Einzelheiten, um das hohe Mass an Disziplin und Idealismus jener Tage hervorzu- heben. Janaka stand neben Rama, bereit, die Braut zu übergeben. Er bot ihm Sitas Hand mit den Worten an: „Rama, hier ist meine Tochter

132 Sita.“ Doch trotz Janakas wiederholter Aufforderung blickte Rama Sita nicht an, denn es war in jenen Tagen Brauch, dass eine Braut erst dann zur Ehefrau wurde, wenn der Bräutigam ihr das heilige „Glücksband“ um den Hals legte. Bis zu diesem Augenblick wurde erwartet, dass Braut und Bräutigam einander nicht ansehen. In jenen Tagen wurde dieser strengen Disziplin gefolgt. Diese Disziplin wird weder heute noch morgen jemals zu finden sein. Niemand vermag, gleich den vier Brü- dern, solch beispielhafte Ideale zu setzen oder ihnen gerecht zu wer- den.

Die Hochzeitszeremonie war an dem Punkt angelangt, wo sich Braut und Bräutigam gegenseitig mit Girlanden bekränzen. Die Bräute hielten wartend die Girlanden in ihren Händen, ebenso die Bräutigams. Es war an Rama, als erster Sita die Girlande umzulegen, bevor die drei Brüder seinem Beispiel folgen konnten. Bei dieser Zeremonie standen auch die Eltern hinter ihren Kindern. Sie gingen zu Rama und forderten ihn auf, Sita die Girlande umzulegen, damit seine Brüder ebenso verfahren konnten. Rama kam der Aufforderung nach, und seine Brüder folgten ihm. Jetzt waren die Bräute an der Reihe. Sita stand wartend mit der Girlande in ihrer Hand. Sekunden verstrichen, doch Rama machte kei- ne Anstalten, seinen Kopf zu neigen! Sein waren eine Tapferkeit und Erhabenheit, die ihn den mächtigen Bogen Shivas heben, spannen und zerbrechen liessen. Um seine Ehre zu wahren, weigerte er sich daher, sein Haupt zu neigen und blieb aufrecht stehen.

Rama war hoch gewachsen, breitschultrig und kräftig. Obwohl sie noch jung waren, waren alle Brüder gross und körperlich kräftig. Die lange Unterbrechung der Zeremonie liess ein Raunen und Murmeln unter den Anwesenden aufkommen. Sie fragten sich, weshalb Rama sich wei- gerte, sein Haupt zu neigen. Auch Rama war daran gelegen, aus dieser Situation herauszukommen. Er sah Lakshmana an und gab ihm ein kaum merkliches Zeichen. Alle vier Brüder waren stets aufmerksam und wachsam.

Lakshmana war die Verkörperung von Adishesha, jener himmlischen Schlange, welche die Kraft besass, die ganze Welt auf den Windungen ihres Körpers zu tragen. Lakshmana empfing Ramas Signal und ver- stand, dass er ihn aufforderte, den Boden unter Sita anzuheben. Mit einer ebenso unauffälligen Bewegung seines Kopfes deutete er an, dass dieser Plan gegen die Naturgesetze verstiess und daher nicht ausgeführt werden konnte. Würde nämlich der Boden unter Sita an-

133 gehoben, so würden auch alle anderen erhoben! Rama signalisierte Lakshmana wiederum, rasch einen Plan zu ersinnen, um der festge- fahrenen Situation zu entkommen. Lakshmana hatte eine Idee. Er lief unvermittelt auf Rama zu, fiel ihm zu Füssen und verharrte in dieser Haltung. Rama war nun gezwungen, sich zu bücken und Lakshmana hochzuheben. Sita ergriff rasch die Gelegenheit und legte Rama die Girlande um den Hals. Unverzüglich folgten auch die anderen Bräute und legten ihren Bräutigams die Girlande um. Dieser Zwischenfall zeigt deutlich die erhabene, disziplinierte und ehrenhafte Handlungs- und Verhaltensweise der Brüder.

Die Hochzeitsfeierlichkeiten kamen bald zum Abschluss, und die ganze Hochzeitsgesellschaft kehrte nach Ayodhya zurück. Dort wurden sie mit viel Liebe und Freude empfangen. Doch was wir betrachten müs- sen, sind nicht nur die Tugenden der vier Brüder. Die Charaktere von Sita, Urmila, Mandavi und Shrutakirti müssen ebenso betrachtet und erläutert werden. Auch sie waren in höchstem Masse edel und ehren- haft. Sie stammten aus einer hoch angesehenen Familie. König Janaka war bekannt dafür, Herrschaft über seine Sinne erlangt zu haben. Er war Meister im Yoga des selbstlosen Handelns und ein anerkannter Ex- perte im Jnana-Yoga, dem geistigen Weg der Erkenntnis. Töchter aus einer solchen Familie können keine gewöhnlichen Sterblichen sein.

Nur Rama hatte den Befehl erhalten, ins Exil zu gehen, doch Sita konnte diesem Gedanken nicht zustimmen. In der Zwischenzeit war Rama zu seiner Mutter gegangen. Als sie die traurige Nachricht vom bevorste- henden Exil ihres Sohnes - anstelle der freudigen Nachricht seiner Krö- nung zum König - erhielt, war sie zutiefst erschüttert. „Sohn, du befolgst nur den Befehl deines Vaters, wenn du in die Wildnis gehst. Wie steht es um die Wünsche deiner Mutter? Ich bin deines Vaters ‘ardhangi’ - seine bessere Hälfte. Welche Bedeutung misst du den Worten ‘dieser Hälfte’ zu? Auch ich werde mit dir in die Wildnis gehen,“ sagte sie. Rama belehrte sie: „Mutter, dein Ehemann ist wahrhaft dein Gott. Es gibt kei- nen anderen über ihm stehenden Gott für dich. Er ist jetzt alt. Ausser- dem hat ihn die traurige Situation noch zusätzlich erschüttert. Es wäre nicht richtig, wenn du ihn jetzt in diesem Zustand verlässt. Du musst ihm dienen und ihn stützen. Tröste ihn. Gib ihm die Kraft und den Mut, seinen Schmerz zu ertragen.“ Mit diesen Worten überzeugte Rama sei- ne Mutter, von ihrem Plan, ihm in die Wildnis zu folgen, abzulassen.

134 Sita hatte alles gehört. Als Rama zum Palast zurückkehrte und ein ok- kerfarbenes Gewand anlegte, kleidete sie sich ebenso und liess damit ihren Wunsch erkennen, Rama in die Wildnis zu folgen. Rama verbot es ihr heftig. Mit sanften Worten erinnerte Sita ihn: „Herr, warum gibt es einen Moralkodex für deine Mutter und einen anderen für mich? Hat nicht ein und derselbe Verhaltenskodex Gültigkeit für alle verheirateten Frauen? Liegt nicht die Verantwortung einer guten Ehefrau darin, ihren Mann glücklich zu machen? Es ist ihre Aufgabe, für sein Wohlergehen zu sorgen. Ist es folglich nicht auch meine Verantwortung, mich daran zu halten? Ich werde mich daher deinem Verbot widersetzen und dich in die Wildnis begleiten.“

Urmila war eine grosse Malerin. In ihrem Zimmer war sie gerade damit beschäftigt, die Szene von Ramas und Sitas Krönung zu malen, denn sie wollte das Bild ihrem Vater schicken. In diesem Augenblick betrat Lakshmana das Zimmer. Er war sehr aufgebracht. Rama gab seinem Bitten nicht nach und schickte sich an, Kaikeyis Anweisungen zu folgen. Er rief Urmila und informierte sie, dass er in die Wildnis gehen würde. Erschrocken über die dramatische Wende der Ereignisse sprang Ur- mila auf und stiess dabei versehentlich die Leinwand mit dem Gemälde um, wobei sich die Farben darüber ergossen. Sie klagte: „O je, das schöne Bild von Ramas Krönung ist nun völlig verdorben.“ Lakshmana entgegnete: „Urmila, ich bin verantwortlich dafür, dass dein Bild zerstört wurde. Kaikeyi ist verantwortlich dafür, dass Ramas Krönung zum Kai- ser zunichte gemacht wurde. Wir beide haben heute anderen nur Scha- den zugefügt. Ich gehe jetzt fort.“ Urmilas Mut und Charakterstärke zeigten sich nun. Lakshmana hatte sie bereits davon in Kenntnis ge- setzt, dass auch Sita Rama in die Wildnis folgen würde. Urmila freute sich sehr darüber, dass ihre Schwester Rama begleiten und ihm dienen würde. Doch sie selbst bestand nicht darauf, Lakshmana zu begleiten. Vielmehr sagte sie zu ihm: „Mein Herr, ich weiss, dass du nur mit dem Ziel Sita und Rama zu dienen, in die Wildnis aufbrichst. Mögest du er- folgreich sein und keine Hindernisse antreffen. Du musst deine Tage und Nächte in beständigem Dienst an Rama und Sita verbringen. Du solltest dir nicht um mein Wohlergehen Gedanken machen und noch nicht einmal an mich denken. Sorge dich niemals auch nur einen Au- genblick, weil du nicht in Ayodhya an meiner Seite bist, um dich um mich zu kümmern. Vergiss Ayodhya, denn ab nun wird die Wildnis dein Ayod- hya sein. Das Ayodhya hier ist ohne dich eine Wildnis. Räume also der Sorge um mich keinen Platz ein. Was mich betrifft, so werde ich in fro- hen Gedanken an dich meine Zeit hier verbringen.“ Auf diese Weise

135 flösste Urmila ihrem Gemahl gewaltigen Mut ein. Auch sah sie die Mög- lichkeit voraus, dass Lakshmanas Dienst an Rama und Sita beein- trächtigt werden könnte, wenn seine Gedanken bei ihr weilten. So nahm sie ihrem Gemahl das Versprechen ab, während des vierzehnjährigen Exils nicht einmal an sie zu denken. Sie sagte: „In der Wildnis wird Rama dein Vater und Sita deine Mutter sein. Ihnen treu zu dienen, soll Dein Hauptaugenmerk sein. Vergiss also uns alle hier.“ Sie nahm Laksh- mana dieses Versprechen ab und sandte ihn froh gesinnt in die Wildnis. Kausalya hat vielleicht ein wenig getrauert, nicht aber Urmila. Das ist die Eigenschaft einer idealen Schwiegertochter. Sie muss stets ihren Mann ermuntern, indem sie ihm in angemessener Weise Kraft und Mut einflösst. Eine Hausfrau wird auch ‘grihalakshmi’, die Segen bringende Göttin des Hauses, und ‘dharmapatni’, Begleiterin des Ehemannes bei der Erfüllung der Rechte und Pflichten des Ehelebens, genannt. Urmila erfüllte ihre Pflichten als eine ‘dharmapatni’, indem sie Lakshmana dar- in bestärkte, dem Pfad der Rechtschaffenheit zu folgen.

Während all dieser Geschehnisse waren Bharata, Shatrughna, Man- davi und Shrutakirti abwesend. Sie waren im Königreich Kaikeya auf Besuch. Mutter Kausalya war über den Wandel der Dinge von grosser Sorge erfüllt. Das war der Zeitpunkt, an dem Sumitras edle Eigenschaf- ten eingehend geprüft wurden. Ihr Charakter entsprach ihrem Namen. Sie war in der Tat die ‘gute Freundin’. Ihr Herz war rein. Über den Verlauf der Dinge vergoss sie keine Träne. Sie blieb heiter und tröstete Kau- salya mit den Worten: „Schwester, weshalb bist du so betrübt? Rama, der sich zum Wohl der Emanzipation der Menschheit inkarniert hat, kann niemals ein Leid geschehen. Wenn du dir wegen seines körper- lichen Wohlergehens Sorgen machst, so sei beruhigt, denn mein Sohn Lakshmana wird stets an der Seite von Rama sein. Er wird Ramas Be- gleiter und Helfer sein. Du darfst Furcht und Unruhe keinen Raum ge- währen.“ Doch Kausalya war der Mutterschoss, der Rama getragen hatte. Ihr Schmerz über sein Exil war daher ausserordentlich stark. In diesen Umständen war der edle und mutige Rat, den Sumitra Kausalya gab, höchst lobenswert. Doch wenn vom Epos Ramayana die Rede ist, erwähnt kaum jemand die edlen Eigenschaften Sumitras. Des Weite- ren sagte sie zu Kausalya: „Das ganze Drama ist der Meisterplan Got- tes. Du und ich, wir beide können weder etwas hinzufügen noch ver- ändern. Zum Wohl der Welt und der Wiedereinsetzung der Göttliche Ordnung hat Gott diese Mission inszeniert. Daher, Schwester, weine nicht. Deine Söhne werden deine Tränen beim Abschied als unheilvoll betrachten. Segne sie freudig und schicke sie auf den Weg. So stand

136 Sumitra an Kausalyas Seite und flösste ihr viel Mut ein. Die Prinzen und Sita machten sich bald auf den Weg.

Inzwischen hatte Dasharatha das Bewusstsein wieder erlangt und er- innerte sich an die Ereignisse. In höchster Erregung lief er auf die Str- asse und rief: „Rama, gehst du fort? Nein, nein! Bitte warte doch!“ Sumantha war der Wagenlenker. Dasharatha bat ihn inständig: „O Sumantha, halte an. Verweile einen Augenblick! Lass mich meinen Rama nur einmal sehen.“ Weder bat Rama Sumantha anzuhalten, noch gebot er ihm weiterzufahren. Er forderte ihn lediglich auf, seine Pflicht zu erfüllen. Einige Schriftgelehrte haben an dieser Stelle ge- schildert, Rama hätte Sumantha aufgefordert zu lügen und zu behaup- ten, er hätte die Bitte des Königs, anzuhalten, nicht gehört. Ganz im Gegenteil - er schwieg. In Dingen des Prinzips und der Disziplin waren sowohl Rama als auch Lakshmana sehr streng. Sie sind nachzuah- mende Ideale, wenn es darum geht, den Sieg zu erlangen und dem Ge- heiss der Eltern zu folgen.

Lakshmana lebte mit Sita und Rama 14 Jahre lang in der Wildnis. Doch kein einziges Mal hob er sein Haupt, um Sitas Gesicht zu betrachten. Auf dem Rishyamuka-Berg, wo Sugriva und Rama zusammentrafen und mit einander sprachen, brachte man ein Bündel, das Sitas gesam- ten Schmuck enthielt. Als Ravana Sita raubte und durch die Lüfte in Richtung Lanka fort trug, hatte sie das Bündel zur Erde geschleudert. Sugriva hatte das Bündel aufbewahrt, da er nicht wusste, wem der Schmuck gehörte. Im Verlauf des Gesprächs mit Rama und Lakshma- na liess Sugriva das Bündel öffnen und zeigte Rama den Schmuck. Er fragte, ob die Schmuckstücke Mutter Sita gehörten, oder aber ob ir- gendwelche Dämonen sie versehentlich hatten fallen lassen. Rama prüfte alles, konnte aber keines der Stücke identifizieren. Heutzutage gibt es vom Schmuck der Ehefrau eine vollständige Aufstellung und ge- naue Beschreibung hinsichtlich Form und Aussehen! Rama reichte die Schmuckstücke an Lakshmana weiter, damit er sie identifizieren sollte. Lakshmana identifizierte nur die Fussspangen als Sitas Eigentum. Rama fragte: „Wie kannst du das behaupten?“ Lakshmana entgegnete: „Jeden Tag, nachdem ich mein Bad genommen hatte, verneigte ich mich vor Mutter Sitas Füssen. Daher erkenne ich sie vom Sehen.“ Was für eine edle Haltung! Vierzehn lange Jahre lebten sie zusammen in derselben Hütte, doch Lakshmana blickte Sita nie ins Gesicht.

137 Aufgrund ihres ehrenhaften Charakters waren sie mit einem heraus- ragender Ruf gesegnet. Es war die hohe durch Rama und Lakshmana gesetzte Norm idealen Verhaltens.

Zwischenzeitlich hatte Dasharatha, der den Schmerz der Trennung von Rama nicht länger ertragen konnte, seine sterbliche Hülle verlassen. Ein Dilemma war nun, wer die Bestattungsriten durchführen sollte, da Rama und Lakshmana sich im Exil befanden. Bharata und Shatrughna waren im Königreich Kaikeya im Haus ihres Onkels mütterlicherseits, und ihre Rückkehr würde mindestens 10 Tage beanspruchen. Folglich entschieden Vasishtha, Vishvamitra und einige andere weise Männer, dass der Leichnam einbalsamiert und in Öl aufbewahrt werden sollte. So wurde Dasharathas Leichnam vierzehn Tage aufbewahrt. In jenen Tagen verfügte man weder über Eis, noch über die Einrichtungen eines Leichenschauhauses.

Bharata und Shatrughna kamen zurück. Shatrughna ist ein anderes Vorbild, welches das Ramayana vorzustellen hat. Er glich Lakshmana in jeder nur erdenklichen Weise. Während Shatrughna unermüdlich Bharata diente, engagierte sich Lakshmana im Dienst an Lord Rama. Auf diese Weise verbrachten die Zwillinge ihr Leben im Dienst an ihren älteren Brüdern. Bharata verliess sich immer auf Shatrughnas Weisheit und vernünftigen Rat. Seinem Namen getreu besass Shatrughna enor- me Kraft und Tapferkeit; er war ein Mann, der seine Feinde vernichtete. Keiner war ihm ebenbürtig, wenn es darum ging, die Feinde zu schla- gen. Es war seine Gegenwart, die Rama, Lakshmana und Bharata Si- cherheit und Schutz gewährte. Shatrughna war ein Mensch, der sich nie auf Gespräche einliess. Selbst Lakshmana redete und argumen- tierte zuweilen, nicht aber Shatrughna.

Einst, noch vor der Hochzeitsepisode, waren Rama, Lakshmana und der Weise Vishvamitra auf dem Weg zur Einsiedelei des Weisen. In ei- nem Boot überquerten sie den Fluss Sarayu und erreichten das andere Ufer. Dort sahen sie einen wunderschönen Ashram bzw. eine Einsie- delei. Lakshmana war verwundert und fragte Rama: “Bruder, was ist das für ein Ort? Es scheint eine wunderschöne Siedlung zu sein.“ Vis- hvamitra antwortete: „Nur keine Eile, ich werde es dir erklären. Dies ist keine gewöhnliche Einsiedelei. Sie gehört Manmatha, dem Gott der Liebe und des Verlangens, der ausserordentlich gut aussehend ist und jeden an sich zu ziehen vermag. Er entwickelte seine inneren und äus- seren Kräfte. Jedoch versuchte er, damit Einfluss auf Lord Shiva zu

138 nehmen und wurde dafür von ihm verflucht, formlos, ohne Körper (An- gadesha), zu bleiben. Deshalb wird dieser Bereich hier ‘Angadesha’, das Königreich von Anga genannt. Es ist ein heiliger Ort, weil sich Lord Shiva hier aufgehalten hat. Deshalb ist der Ort das Geschenk Shivas und sein eigener Wohnsitz.“

Sie verbrachten dann die Nacht im Ashram. Bei Morgengrauen hiessen die Ashrambewohner sie ein Boot besteigen und verabschiedeten sie sehr herzlich. Sie hatten erkannt, dass die Prinzen die Söhne Kaiser Dasharathas waren. Daher wurden sie gebührend geehrt und ihnen wurde ein prächtig geschmücktes Boot zur Verfügung gestellt, damit sie ihre Reise fortsetzen konnten.

Kurze Zeit später hörten sie in der Ferne ein ohrenbetäubendes Ge- töse. Eine Furcht erregende Wildnis, voll von wilden Tieren, kam in Sicht. Lakshmana fragte den Weisen Vishvamitra: „Meister! Woher kommt dieser Lärm? Wie heisst dieser unheimliche Ort?“ Der Weise antwortete: „Sohn! Das Getöse kommt vom Fluss Sarayu, der in den mächtigen Ganges einmündet. Der heilige Ganges gleicht einem Oze- an, mit dem der Sarayu-Fluss verschmilzt. Das ist die Ursache für das Getöse. Die Wildnis hier wird von wilden Tieren und schrecklichen Dä- monen heimgesucht.“

Bald darauf betraten sie die Wildnis. Überall waren wilde Tiere zu se- hen, und aus allen Winkeln drangen unheimliche Laute. Es handelte sich nämlich um das Reich von Ravanas Schwester, der Dämonin Shurpanakha. Furcht ergriff jeden, der sich hier hineinwagte, da jeder Schritt höchst gefahrvoll war. Vishvamitra segnete daher Rama wie- derholt mit den Worten: „ O Rama! Möge alles Glück und aller Segen mit dir sein.“

Nach einer Weile blieb Lakshmana hinter Rama und Vishvamitra zu- rück, die weitergingen. Lakshmana, der sich seinen rituellen Waschun- gen widmen wollte, entfernte sich von den beiden. Als er sie später wie- der einholte, hatte eine völlige Veränderung in seinem Gemüt stattgefunden. Er rief plötzlich: „Bruder! Wozu all die Mühsal? Weshalb leidest du hier, wo dir doch jeglicher Luxus zusteht? Weshalb sollte ich mit dir leiden? Lass uns sofort nach Ayodhya zurückkehren! Ich werde alles in Ordnung bringen, wenn wir erst zurück sind. Warum sollten wir weiter in diese schreckliche Wildnis vordringen? Was sollen wir essen

139 und wie sollen wir für uns sorgen?“ Es war ein plötzlicher Zornesaus- bruch von Lakshmana.

Rama lächelte nur und zeigte keine Reaktion. Vielmehr nahm er Laksh- mana bei der Hand und führte ihn aus der Wildnis hinaus. Der Zorn, der in Lakshmana aufgestiegen war, hielt an, bis sie das Ende der Wild- nis erreichten. In dem Augenblick, als Rama ihn aus der Wildnis hin- ausgeführt hatte, versiegte sein Zorn und er war wieder sein altes Selbst. Während Rama den noch verwirrten Lakshmana unter einem Baum rasten und sich entspannen liess, erklärte er ihm: „Dies hier ist das Königreich von Ravanas Schwester Shurpanakha. Sie streift frei und ungebunden durch diese Gefilde. Du bist in diesen Bereich ein- getreten, und somit haben dich die Schwingungen dieses Ortes beein- flusst. Shurpanakha üble Eigenschaften drangen in dich ein und zwan- gen dich zu dieser Verhaltensweise. Wir werden diesen Ort verlassen.“ Lakshmana war völlig beschämt über sein vorheriges Verhalten. „Ach, welche Schande! Wie konnte ich nur solch heftige und unkultivierte Worte äussern? Es ist nicht meine Art, so zu sprechen. Das sind auch nicht meine wahren Gefühle. Zweifelsohne sind sie auf die Schwingung der dämonischen Umgebung zurückzuführen.“ Er tröstete sich mit die- sen Worten und bat Rama um Verzeihung. Dann setzten sie ihren Weg fort.

Kurze Zeit später erfuhren sie die wohltuenden Schwingungen von ‘Sid- dhashram’, einer Einsiedelei. Die kühle Brise und vedische Gesänge erfüllten den Ort mit heiliger Erhabenheit. Vishvamitra erklärte ihnen: „Söhne, dies ist unser Siddhashram. Lord Vamana (Name einer Inkar- nation von Vishnu in Zwergengestalt) wurde hier geboren, und Lord Shiva hielt sich hier einige Tage auf.“

In Siddhashram übertrug Vishvamitra Rama und Lakshmana eine Auf- gabe. Er sagte: „Söhne, ihr seid hierher gekommen, um ein Opferritual zu schützen. Ihr sollt diese Verantwortung übernehmen. Das war auch der Auftrag eures Vaters. Ab diesem Augenblick dürft ihr weder essen noch ausruhen. Dies allein ist schon ein grosses Opfer, das ihr beide vollbringen sollt. Ihr sollt dieses Opfer heiligen und erfolgreich daraus hervorgehen.“ Rama und Lakshmana waren beide der Aufgabe ge- wachsen. Zu keiner Zeit liessen sie Anzeichen von Müdigkeit, Mühsal oder Schwäche erkennen.

140 Bei Tagesanbruch begann die grosse Opferzeremonie. Sobald die ent- sprechenden Mantras rezitiert wurden, gingen Rama und Lakshmana in einen Zustand höchster Wachsamkeit und patrouillierten den Ort auf und ab. Da ertönte plötzlich ein gewaltiges Brüllen. Einer der Weisen sagte zu den Brüdern: „Da kommen die Dämonenhorden. Bestimmt werden sie von Chanda und Amarka angeführt. Seid bereit.“ Obwohl die beiden Brüder ohne Nahrung, Wasser und Schlaf geblieben waren, erfüllten sie ihre Pflicht mit Erfolg. Sie töteten die Dämonen und trugen Sorge dafür, dass das Opferritual erfolgreich ausgeführt wurde.

Ramas und Lakshmanas völlige Hingabe an die ihnen von Vishvamitra übertragene Aufgabe wird aus folgender Episode verständlich. Bei Ab- schluss des Opferrituals traf ein Trupp Soldaten im Ashram ein. Sie übergaben Vishvamitra eine Einladung. Es handelte sich um eine per- sönliche Einladung König Janakas von Mithila. Er hatte solche Einla- dungen an alle Könige und Prinzen gesandt. Er forderte sie auf, sich im Heben von Shivas Bogen zu versuchen und dabei die Hand seiner Tochter Sita zu gewinnen. Er bat darum, der grosse Weise möge bei diesem Treffen zugegen sein und seinen Segen geben. Vishvamitra freute sich und berichtete Rama und Lakshmana mit grosser Spannung von den Eigenschaften des gewaltigen Shiva-Bogens. Er sagte: „Söh- ne, ihr müsst kommen und den Bogen sehen. Auf der ganzen Welt kann es keinen zweiten seiner Art geben. Er ist ein Geschenk des Himmels. Dieser Bogen ist kein gewöhnlicher Bogen. Man muss ihn gesehen ha- ben.“ In Rama und Lakshmana regte sich natürlich die Neugier, den Bogen zu sehen. Doch behutsam erinnerte Rama den Weisen: „Mei- ster, unser Vater hatte uns lediglich aufgetragen, mit Euch zu kommen, um das Opferritual zu schützen. Wir haben keine Anweisungen, nach Mithila zu gehen und den Bogen anzusehen. Wir können die Anwei- sungen unseres Vaters nicht übertreten.“ Vishvamitra entgegnete: „Be- sagte der Auftrag eures Vaters nicht auch, dass ihr meinen Anweisun- gen folgen sollt? Somit müsst ihr meinen Anweisungen gehorchen!“ Hierzu konnten die Prinzen nur schweigen. Sie machten sich bereit, den Weisen auf die neue Reise zu begleiten.

Um des Wohlergehens dieses Landes willen müsst ihr bis ins kleinste Detail erkunden, mit welcher Feinfühligkeit, Korrektheit und Recht- schaffenheit Rama jede Situation behandelte. Er tötete alle Dämonen und schützte die Rechtschaffenen. In der Tat handelt es sich hier um kleine Ausschnitte eines Göttlichen Meisterplans. Göttlicher Wille hatte

141 bestimmt, dass Rama, Lakshmana, Bharata und Shatrughna geboren werden sollten, um die Dämonen zu vernichten.

Auch Lankini, die Schutzgottheit von Lanka, hatte den Untergang der Dämonen vorausgesagt. Als Brahma Ravana aufforderte, einen Wunsch zu äussern, bat der Dämon: „Mein Tod soll nicht durch die Göt- ter, Yakshas (halbgöttliche Wesen), Dämonen, Kimpurushas (schlech- te Menschen) verursacht werden. Gewährt mir diese Bitte.“ Rama hatte scharfsinnig den fatalen Pferdefuss in diesem Wunsch erkannt. Der Name ‘Mensch’ fehlte nämlich in Ravanas Aufzählung! Aufgrund dieser Auslassung war Ravanas Tod von menschlicher Hand sicher. Folglich beschloss Lord Vishnu als Mensch zu inkarnieren. Rama sprach daher zu Vishvamitra: „Ravanas Tod durch meine Hand ist gewiss. Ihr müsst daher allen verkünden, dass Rama kommt und mit Gewissheit Ravana töten wird.“

In der gesamten Schöpfung übernimmt das Göttliche die Rolle der Le- benssubstanz. Rama gehörte der Sonnendynastie an, deren Schutz- gottheit der Sonnengott war. Ohne die nährenden Strahlen der Sonne kann kein Leben auf der Erde gedeihen. Zu Anbeginn der Schöpfung vergingen erst einige Millionen Jahre, ehe das Licht heraufdämmerte. Bis dahin gab es nur Dunkelheit. Ebenso konnte nach Ramas Geburt die Sonne fünfzehn Tage lang nicht scheinen! Folglich blieb auch der Mond unsichtbar. Beide, die Sonne und der Mond, klagten, dass sie Rama, die göttliche Inkarnation, nicht erblicken konnten. Der Mondgott führte Bussübungen durch und bat darum, einen Blick auf Rama er- haschen zu dürfen. Da erschien Rama vor dem Mondgott und sagte: „Ich weiss, dass du mich die ersten fünfzehn Tage nach meiner Geburt nicht sehen konntest. Ich gewähre dir hiermit eine Gnade. Bei meiner nächsten Inkarnation sollst du meinen ersten Darshan (Schauen einer göttlichen Inkarnation) erhalten - noch bevor irgendjemand sonst mich sehen kann.“ Und so traf es ein. Als er sich in Gestalt Krishnas um Mit- ternacht inkarnierte, als Vasudeva, Krishnas Vater, das Kind in die Si- cherheit von Nandas (Krishnas Pflegevater) Haus trug, war es der Mond, der den ersten Darshan des göttlichen Kindes erhielt.

So gibt es etliche verzweigte, geheime und tief schürfende Lehren im Ramayana. Das Epos enthält weder Widersprüche noch Verwirrungen. Die Geschichte von Rama ist ewig und überaus lesenswert. Egal, wie oft man sie hört, nie wird der Wunsch gestillt, sie wieder und wieder zu hören. Diese heilige Geschichte kann nie in Vergessenheit geraten. Ra-

142 mas göttliche Handlungen kann man nie unberücksichtigt lassen. Alles, was er tat, war fest in der Göttlichen Ordnung verankert. Alles, was er sprach, war einzig die Wahrheit. Einige Gelehrte haben in dieses heilige Epos verzerrende Deutungen eingeflochten und ihm damit eine unhei- lige Schattierung gegeben. Im Ramayana kann kein Raum für Verzer- rungen und Entstellungen sein. Nicht einmal ein Quentchen Unwahr- heit und Falschheit kann Platz darin finden. Die ganze Geschichte ist - von Anfang bis Ende - die Wahrheit und nichts als die Wahrheit - ewig, rein und klar.

Heute wollen wir den Vortrag mit den Ereignissen im Siddhashram be- enden. Das Wesen von Rama, Lakshmana, Bharata und Shatrughna ist einzigartig und wunderbar. Der Weise Vasishtha beschrieb es mit folgenden Worten:

Sie sind wahrlich wunderbar; sie werden in allen drei Welten angebetet. Sie sind dem Herzen so nahe, sie sind jedermanns wahre Freunde. Sie werden von den Weisen, Menschen, Tieren und sogar Pflanzen verehrt. Derart ist die Schönheit von Gott Vishnus Taten!

Nur die Unwissenden sind blind für die innere Bedeutung der Taten des Herrn und missdeuten sie. Das verursacht Verwirrung und lenkt den Geist des wahren Suchenden von der heiligen Wahrheit ab. Die Ge- schichte von Gott Rama ist in höchstem Masse heilig. Nur wenn ihr die Geschichte in ihrer ganzen Fülle hört, könnt ihr die damit verbundene Heiligkeit und Erhabenheit verstehen. (Ansprache während des Sommerkurses in Brindavan, Whitefield)

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24. Mai

Das Göttliche Selbst - Das höchste und wirkliche Selbst

Es gibt keine schlimmere Krankheit als Gier; Der eigene Zorn ist des Menschen grösster Feind, Kein Leid ist tiefer als die Armut, Weisheit ist der höchste Frieden.

Verkörperungen der Liebe! Ich, Liebe, das Göttliche Selbst (Atman) sind alles Synonyme für dieselbe Wesenheit. Jeder benutzt für ge- wöhnlich das Wort „Ich“. Es bedeutet, dass man seine wahre Identität, das Göttliche Selbst zu sein, enthüllt.

Was immer ihr hört, seht oder erfahrt ist alles Gott allein. Gott ist ein anderes Synonym für „Ich“. Einstein sagte einst: „In dieser Schöpfung gibt es keine Materie. Alles ist Energie, und Energie hat keine Form.“ Nach vielen Forschungen entdeckte er in diesem Zeitalter diese Wahr- heit. Ein paar tausend Jahre zuvor kam der siebenjährige Prahlada ohne irgendwelche Experimente zu derselben Schlussfolgerung. Er stellte fest: „Es ist unmöglich zu beschliessen, Gott sei hier gegenwärtig und nicht dort. Er ist überall; darüber kann kein Zweifel bestehen. Wo immer ihr nach ihm sucht, dort findet ihr ihn.“

Wie konnte der kleine Junge so eine Erfahrung machen? Sein eigener Vater Hiranyakashipu versuchte, ihn durch den Biss giftiger Schlangen töten zu lassen. Alles, was Prahlada tat, war, den Namen Gottes „Om namo Narayanaya“ zu singen, und, siehe da! Die Schlangen verwan- delten sich in Girlanden! Dann gab Hiranyakashipu den Befehl, Prahl- ada zu zerstückeln. Verschiedene Schwerter wurden dazu benutzt, aber Prahlada sang ständig: „Om namo Narayanaya“, und die Schwer- ter konnten dem Jungen nicht einmal einen Kratzer zufügen. Dann be- schloss er, ihn Gift trinken zu lassen. Prahlada wiederholte ständig: „Om namo Narayanaya“, ohne an irgendetwas anderes oder einen an- deren Namen zu denken. Als Folge davon verwandelte sich das Gift in Nektar. Als Hiranyakashipu die Vergeblichkeit all dieser Versuche er- kannten, schleuderte man den Jungen von der Bergspitze in das Meer hinunter. Prahlada sang weiterhin den göttlichen Namen: „Om namo

145 Narayanaya“ und stürzte lächelnd in das Meer hinunter. Die Meeres- gottheit selbst rettete den Jungen und brachte ihn ans Ufer.

Die innere Bedeutung dieser Geschehnisse liegt darin, dass Vertrauen und Glaube überaus wichtig sind. Es ist die Grundlage. Egal wie oft man den Namen des Herrn singt, ohne diesen Glauben und dieses Vertrau- en wird es wirkungslos sein. Es kommt dann einem Tonbandgerät gleich, das Gottes Namen herunterspult. Prahlada war auf den Urklang , der aus seinem Nabel hervorging, eingestimmt.

Der menschliche Körper ist ein mächtiger Dynamo. Alle Glieder und der ganze Körper bilden einen Generator. Der Körper liefert eine ständige Stromversorgung. Alles im Menschen ist göttliche Kraft. Prahlada er- fuhr diesen Strom und glaubte deshalb fest daran, dass Gott zu finden ist, wo immer man nach ihm sucht.

Die heutigen Wissenschaftler haben verschiedene Experimente durch- geführt, um Einsteins Behauptung bezüglich Materie und Energie nachzuprüfen. Sie kamen zu derselben Schlussfolgerung: Energie kann weder erschaffen noch zerstört werden. Auch Newton gab ähn- liche Eindrücke wider. Er hatte sein ganzes Leben der Erforschung der Anziehungskraft der Erde gewidmet. Er erkannte, dass die Schwerkraft unzerstörbar ist. Sie hat keinen spezifischen Ursprung und kein spe- zifisches Ende.

Gott ist ewig, ohne Geburt oder Tod, ohne Anfang oder Ende, er stirbt nicht und wird nicht geboren, er ist makellos und verbleibt der ewige Zeuge.

Newton hat diese göttliche Kraft sehr detailliert erforscht. Er war ein grosser Wissenschaftler, der die mit der Erde verbundene Schwerkraft verstand. Wie lernte er es? Es geschah, indem er, wo immer er hinsah, Aspekte dieser Anziehungskraft entdeckte. Er nahm in allem die Ma- gnetkraft wahr, und er zog ebenfalls den Schluss, dass diese Energie durch niemanden erschaffen oder zerstört, jedoch von einer Energie- form in eine andere transformiert werden konnte. Zum Beispiel kann die Magnetkraft in elektrische Energie, und elektrische Energie in Licht- energie verwandelt werden. Obwohl die grundlegende Magnetkraft in jede Art Energie konvertiert werden kann, behält sie doch ihre ur- sprüngliche Identität bei. Ihre Intensität kann variieren und je nach Not-

146 wendigkeit ab- und zunehmen. Sie verändert sich ständig, ohne jemals ganz zu verschwinden. So lange die Erde existiert, bleibt die Magnet- kraft bestehen. Sie zieht unsere Schritte, unser Sehen und Hören, an.

Als der Mensch geboren wurde war er wunschlos, in einem reinen, ur- sprünglichen Zustand, er war stetig und friedvoll. Alle Kräfte des Men- schen waren in ihrer höchsten Intensität gegenwärtig. In den Augen ei- nes jeden Menschen sind 130 Millionen Lichtrezeptoren, die ihm das Sehen ermöglichen. Auf seiner Zunge befinden sich 3 Millionen Ge- schmacksknospen. Darüber hinaus sind 5 Millionen Zellen in seinem Ohr, die ihm zu hören helfen. Der gesamte Körper des Menschen ist eine göttliche Erfahrung in sich selbst. Es heisst:

Der ursprüngliche Mensch war so rein, dass, wenn er einen Gegen- stand berührte, dieser an ihm haften blieb. Dies war das Ausmass der göttlichen Kräfte, die von Kopf bis Fuss durch seinen Körper pulsierten. Als sich nach und nach seine Wünsche vervielfältigten, fingen diese göttlichen Kräfte in ihm zu schwinden an. Ihr braucht nicht tief nach- zudenken, um dieses Konzept zu verstehen. Ihr könnt diese Idee jetzt gleich überprüfen. Lasst uns annehmen, ihr hättet dreissig zu erfüllende Wünsche. Löscht von den dreissig Wünschen drei ganz und gar aus, und ihr könnt nun leicht den Unterschied in der Energie wahrnehmen, die jetzt durch euren Körper fliesst. Auch euer Erinnerungsvermögen nimmt zu. Die Weisen der alten Zeiten konnten mühelos weit zurück- liegende Begebenheiten erinnern und Dinge rezitieren, die sie lange zuvor gelernt hatten. Der Grund liegt darin, dass ihre Wünsche minimal waren.

Der Weise Saraswata führte als erster das Rezitieren der Veden ein, indem er acht Buchstaben dazu beitrug: ka, cha, ta, tha, pa, ya, sa und ha. Die gesamten Veden hatten ihren Ursprung in diesen acht Buch- staben, denn sie wurden als Grundlage für das Formen von Silben und Wörtern genutzt. Seitdem entwickelte der Mensch seinen Wortschatz. Er erschuf als erstes acht Namen, die Gott als die Verkörperung von acht wesentlichen Erscheinungsformen preisen. Diese acht Begriffe beschreiben Gott als die Verkörperung des Klangs, des Beweglichen und Unbeweglichen, des Lichts, der Sprache, der ewigen Glückselig- keit, als den höchsten Herrn, der Illusion und des Wohlstands.

Die gesamten Veden entstanden, indem einfach die acht anfangs ein- geführten Buchstaben verwendet wurden. Die Weisen verkündeten

147 den Bürgern: “Wir haben die göttliche Form geschaut, die gleich einer herrlich strahlenden Sonne jenseits der Dunkelheit und Trägheit leuch- tet.“ Die Einwohner waren natürlicherweise begierig zu wissen, wo sie die Göttlichkeit gesehen hatten, ob im Inneren oder im Aussen. Als Ant- wort kam: „Er ist innen, aussen und überall gegenwärtig. Er kann ge- schaut werden, wo immer man nach ihm sucht.“ Demzufolge ist die Göttlichkeit alldurchdringend. Als Folge dieser All- gegenwart reisten die Weisen nicht umher. Sie blieben an einem Platz sitzen und verbrachten ihre Zeit in der Kontemplation über Gott. Es war ihre beständige Sorge, dass sie, wenn sie umherreisten, auf diesen all- gegenwärtigen Gott treten würden! Sie wollten nicht, dass die Göttlich- keit mit ihren Füssen in Berührung käme. Mit solch heiligem Empfinden vollführten die Weisen der alten Zeiten ihre Aufgaben. Und diese Ge- fühle waren die Ursache dafür, dass die Menschen der alten Zeiten höchst idealistische Persönlichkeiten wurden.

Wie weit sind wir heute davon entfernt! Mit beabsichtigtem Wagemut schreckt man heute nicht davor zurück, seine Füsse auf das Idol selbst zu legen! Dies sind alles extrem pervertierte Handlungsweisen. Warum sind sie entstanden? Wie das Sprichwort sagt: „Wenn der eigene Un- tergang herannaht, verliert man sein Unterscheidungsvermögen.“ Weil in jenen Tagen die Umgebung fromm war, waren auch fromme Gefühle im Überfluss vorhanden.

Welche Formen nimmt die Kraft Gottes an? Die Weisen jener Tage ga- ben diesen Kräften bestimmte Namen, als erstes: „saikotikam maha“. Was bedeutet diese Aussage? Sie preist Gott in folgender Weise: „Wo immer ich hinschaue, dort ist deine Göttliche Form und dein heiliger Klang.“ Nach und nach, als die Kraft der Nachforschung sich verfei- nerte, wurde Gott ein zweiter Name gegeben, und zwar „bhakshakti“, das bedeutet „göttliche Kraft“. Niemand kann diese Kraft in ihrer abso- luten Form berühren, aber ihr könnt einen Bruchteil dieser Kraft in euch selbst fühlen. Haltet einfach, während ihr geht, eure eigene Hand und ihr könnt die Kraft fühlen. Diese göttliche Kraft wurde in jenen Tagen von allen erfahren, freudevoll erlebt und miteinander geteilt.

Ist es heutzutage möglich, so eine Erfahrung zu machen und mit an- deren zu teilen? Ja, mit Sicherheit! Werdet ihr jemals in der Lage sein, diese Kraft in euren Händen zu halten? Mit Gewissheit! Den nötigen Glauben zu entwickeln ist alles, was es braucht. Wo ist dieser Glaube

148 zu finden? Wenn der Mensch kein Vertrauen in sich selbst hat, wie kann man dann erwarten, dass er ein so starkes Gottvertrauen entwickelt?

Wo Liebe ist, ist Frieden. Wo Frieden ist, ist Wahrheit, Wo Wahrheit ist, ist Glückseligkeit, Wo Glückseligkeit ist, dort ist Gott.

Dieses Liebesempfinden muss gepflegt werden. Wie wollt ihr ohne Lie- be je Wahrheit erfahren? Ohne Wahrheit ist Frieden niemals zu erlan- gen, und ohne Frieden ist Glückseligkeit weit entfernt. Glückseligkeit gleicht einer Welle, die durch die ganze Schöpfung pulsiert. Sie durch- tränkte die Einsiedler, die sich tief in der Wildnis in der Besinnung auf Gott vergassen. Wenn diese Glückseligkeit mit ihnen in Berührung kam, gingen die Weisen in ekstatische Zustände.

Die Weisen und Einsiedler wanderten und lebten ganz allein in dichten, wilden Wäldern. Was gab ihnen den Mut dazu? Welche Waffen be- sassen sie? Von Gewehren und Bomben war offensichtlich keine Rede! Tatsächlich hatten sie nichts davon, aber sie besassen viel Vertrauen in Gott. Dieses Vertrauen glich einer grossen Bombe in ihren Händen. Ihr Glaube und Vertrauen ermöglichte es ihnen, viele Dinge zu voll- bringen.

Indien ist die Zeitalter hindurch felsenfest geblieben aufgrund des Glau- bens das unser Volk in Gott besass. Ihr werdet in Indien nichts finden, was vergänglich und nicht stetig ist. Ihr werdet nur Dinge finden, die andauern und mit Wahrheit und Frieden verbunden sind. Ein bemer- kenswerter Wesenszug jener Zeiten in Indien war das extrem junge Al- ter, in dem die Menschen sich in die Wälder zurückzogen. Kinder unter neun Jahren übten aktiv Askese aus. Wie alt war Dhruva? Nur sechs Jahre alt. Getrieben von der Erniedri- gung, die seine Steifmutter ihm zugefügt hatte, holte er sich den Segen seiner Mutter mit den Worten: „Mutter! Ich werde erst zurückkehren, wenn ich die Gnade und den Segen des Herrn erlangt habe.“ Er wählte einen völlig verlassenen isolierten Platz aus, der ganz friedlich und still war. Die Wildnis war hier so dicht, dass man nicht einmal einen Schritt auf freiem Grund gehen konnte, und umherzuwandern war unmöglich. An so einem Platz stand der kleine Dhruva auf einem Bein und führte, „Narayana! Narayana!“ wiederholend, entschlossen Askese aus.

149 Gott erschien und fragte ihn: „Kind! Was wünscht du dir?“ Nicht einmal Erwachsene und die Gebildeten von heute können sich mit der Intel- ligenz des kleinen Kindes Dhruva messen! Dhruva erwiderte: „Ich bin ein kleiner Junge an einem völlig isolierten Platz, und dennoch hast du mich gefunden. Nur du konntest um meine Anwesenheit hier wissen. Du, der weiss, wo ich bin, wirst sicherlich auch wissen, was ich will.“ Der Herr erwiderte: „Sohn, du musst ein edler Mensch werden, indem du deine Gedanken, Worte und Taten in Übereinstimmung bringst. Du hast geistig den Beschluss gefasst, Askese zu tun und Gottes Gnade zu erringen. Entsprechend gabst du deinem Körper die Anweisung, kamst hierher und führtest harte Askese durch. Demzufolge stimmen deine Gedanken und dein Handeln überein, aber deine Worte müssen noch geprüft werden und sind noch nicht ausgedrückt worden. Aus die- sem Grund frage ich dich, was du brauchst.“ Dhruva erwiderte: „Als ich mich aufmachte, wollte ich nur ein billiges Stück Glas. Aber stattdessen habe ich jetzt einen unschätzbaren Diamanten erhalten. Warum sollte ich jetzt noch das Stück Glas wollen, wo ich doch diesen Diamanten erlangt habe? Ich kam und vollzog Askese mit dem Wunsch, ein Prinz zu werden und auf dem Schoss meines Vaters zu sitzen. Jetzt hege ich solche Wünsche nicht mehr. Ich will nur dich.“ Der Herr antwortete. „Sohn, ich bin bereit dir alles zu geben. Aber ich muss dich erst reinigen. Du hattest einen Gedanken und hast entsprechend gehandelt. Aber deine Worte sind nicht in Harmonie mit deinem Denken und Handeln. Erst wenn alle drei im Einklang sind, wird dein Wunsch erfüllt werden. Deshalb solltest du dich jetzt aufmachen, um diese Harmonie zu errei- chen. Dann werde ich den Wunsch erfüllen, den du jetzt gestellt hast.“ Der Anweisung des Herrn Gehorsam leistend kehrte Dhruva nach Hau- se zurück.

Welch hohes Mass an Intelligenz die Kinder jener Tage hatten! Welche Heiligkeit im Denken! Welch erhabenen Weg sie einzuschlagen wähl- ten! Prahlada war ein grosser Gottergebener. Er besass beständiges Vertrauen in Gott Narayana. Er verliess sich nicht auf seinen eigenen Vater oder seine eigene Mutter, denn er wusste, dass Mutter und Vater nur durch Verlangen mit ihm verwandt waren. Er pflegte zu sagen: „Gott Narayana ist ohne jede Bindungen mit mir verbunden. Er tritt nicht mit irgendwelchen Wünschen im Kopf mit mir in Beziehung. Sein einziges Ziel besteht darin, meine Befreiung herbeizuführen. Deshalb wünsche ich nur ihn, der keine Wünsche in sich trägt. Ich werde meine Wünsche nur ihm gegenüber äussern, der selber keine Wünsche hat.“

150 Jedem wurde deshalb angeraten, seine Wünsche nach und nach zu beschneiden. Wenn sich die Wünsche vervielfachen, vermehrt sich An- haftung, was zu mehr und mehr Gebundenheit führt. Gebundenheit lässt den Menschen auf vielfache Weise leiden. Wodurch entsteht Bin- dung? Eure eigenen Wünsche erschaffen eure Bindung. Euer Leiden ist eure Bindung. Verringert eure Wünsche, und ihr werdet friedvoll sein und keinen Gefahren begegnen. Seine Wünsche zu reduzieren bringt dem Menschen Frieden. Es heisst zu Recht: „Weniger Gepäck schafft mehr Bequemlichkeit.“ Die Wünsche nehmen heutzutage in alarmierender Geschwindigkeit zu. Sogar wenn er kurz vorm Sterben steht, äussert der Mensch noch den einen oder anderen Wunsch! Was sollen diese Wünsche? Wel- chen Gewinn bringen sie euch? Nichts! Wenn ihr hingegen keine Wün- sche habt, könntet ihr so friedvoll sein. Ob ihr es glaubt oder nicht, ich trage keine Wünsche in mir. Deshalb habe ich auch keine Sorgen. Folgt mir nach! Wenn auch ihr keine Wün- sche habt, wird euer Herz glückselig sein. Wünsche sperren euch nur ein; sie schenken euch nicht, wie ihr glaubt, die Freiheit. Wenn eure Wünsche erfüllt werden, lobt ihr mich in den höchsten Himmel; wenn eure Wünsche nicht erfüllt werden, übt ihr scharfe Kritik an mir. Ihr begeht sündvolle Handlungen und betet dennoch um gute Früchte, ihr schreit nach mir, euch aus der Misere zu ziehen und zu retten. Ihr beschuldigt mich für Unglück, das ihr selber herbeigeführt habt!

Ihr begeht etliche Sünden, aber bittet trotzdem für Früchte, die aus ver- dienstvollen Taten entstehen! Das ist nicht angemessen. Als erstes solltet ihr nicht sündigen. Verübt stattdessen ständig tugendhafte Handlungen. So weit wie möglich solltet ihr anderen helfen. Gott selbst hilft ständig anderen. Könnt ihr anderen nicht wenigstens einen Bruch- teil dieses guten Werkes tun?

Folgt dem Meister, trotzt dem Teufel, kämpft bis zum Schluss, beendet das Spiel.

151 Macht es euch zur Regel, dem Meister zu folgen. Dann werdet ihr im Überfluss seine Gnade erhalten. Ihr habt Gott etliche Jahre lang mit Hin- gabe verehrt. Ihr nehmt ritualistische Bäder und singt mit Zuverlässig- keit Bhajans. Aber ist wenigstens ein Körnchen Schmutz aus eurem Geist verschwunden? Im Gegenteil, der Schmutz nimmt täglich zu. Seid ihr in der Lage, wenigstens einen Augenblick Glückseligkeit aus ganzem Herzen zu erfahren? Ganz bestimmt nicht! Wenn doch, warum habt ihr dann so viele Wünsche? Was bringt es euch, nach Nachkom- menschaft zu verlangen? Bis zu einem gewissen Ausmass ist auch die- ser Wunsch wesentlich. Es ist eine von euch zu erfüllende Pflicht. Ihr könnt das sicherlich tun. Aber wenn die Pflicht erledigt ist, wird Gott sich um das übrige kümmern. Ihr braucht euch diesbezüglich nicht zu sor- gen. Ihr gebt euch heute der Fürsorge um ihr Wohlergehen hin. Was ist das Ergebnis davon? Ist es nicht viel besser, Gott die Verantwort- lichkeit zu übergeben und ihn damit umgehen zu lassen? Dann werdet ihr, ebenso wie sie, glücklich sein. Ihr solltet deshalb nicht auf euren Wünschen beharren, sondern sie nach und nach reduzieren. Je weniger Wünsche ihr habt, desto grösser wird das Glück sein. Versucht als erstes, das Wesen Gottes zu verste- hen. Am Anfang, als die Erde geschaffen wurde, herrschte überall nur tiefe Dunkelheit. Nichts war zu sehen. In dieser Zeit betete ein jeder. Als Er- gebnis davon regnete es für Abermillionen von Jahren heftig. Als Aus- wirkung dieser Sintflut bildeten sich die Meere. Nach den Regenfällen lösten sich die Wolken auf, die Sterne erschienen einer nach dem an- dern, und auch die Sonne schien und ergoss ihre Strahlen auf die Erde. Das Licht ermöglichte es dem Menschen, sein tägliches Leben zu füh- ren, Getreide anzubauen und einen Lebensunterhalt zu verdienen. Als es völlig dunkel war, hatte der Mensch keine Wünsche. Mit dem all- mählichen Erscheinen des Lichts kamen auch die Wünsche auf, weil der Mensch jetzt die Schöpfung sehen konnte. Heute beginnt des Men- schen Tag mit Wünschen! Aber nachts wird er nicht von Wünschen be- stürmt. Es scheint demzufolge, dass Dunkelheit Wünschen keinen Raum gibt, und wenigstens deswegen sollte man Dunkelheit willkom- men heissen!

Zurzeit von Ramas Geburt schien die Sonne 15 Tage lang nicht. Überall herrschte Dunkelheit. Als Folge davon war der Mond aufgewühlt und klagte: „O je, ich bin nicht in der Lage, einen Blick auf Rama zu erha- schen!“ Nach dem Ablauf von 15 Tagen war die Sonne selbst neugierig, Rama zu sehen, und begann langsam aufzugehen. Als Folge davon

152 begann auch der Mond seine Mondphasen. Sonne wie Mond fingen an, die ihnen zugeteilten Aufgaben auszuführen, so dass Tag und Nacht auf der Erde erschienen. Wenn ihr das Mysterium der Natur er- forscht, werdet ihr entdecken, dass der Mensch nirgendwo eine Rolle darin spielt.

Der Mensch erfindet heute Medikamente, um das Bevölkerungswachs- tum zu kontrollieren. Das ist nicht durch Pillen erreichbar. Wenn sich die Wünsche verringern, wendet sich der Geist automatisch Gott zu. Als erstes braucht es Sinneskontrolle.

Morgen werden wir noch ausführlicher Prahladas Geschichte betrach- ten.

Heute sind Menschen aus etlichen Ländern zusammengekommen, um die Botschaft von Gott Buddha in der Welt zu verbreiten. Ihr alle müsst auf das Wesen Buddhas lauschen und es nutzen, um euren Geist zu beherrschen. Heutzutage wird über alles Herrschaft ausgeübt, nicht aber über den Geist und die Wünsche. Als erstes müssen die Wünsche unter Kontrolle gebracht werden. Das wird euch sehr viel Frieden brin- gen. Ihr werdet überrascht sein, so viel Frieden in euch selbst zu ent- decken! Friede ist dem Menschen wesensgemäss und wird von selbst aufkommen, wenn die Wünsche begrenzt werden. Friede ist überall. Wahrheit und Liebe sind überall. Ihr seid wahrhaft die Verkörperung der Liebe. Ihr verkörpert Frieden und Wahrheit. Ihr verkörpert Gott. Erkennt als erstes diese Wahrheit. Wahrheit befindet sich nicht an einem weit entfernten Ort. Wahrheit ist hier zu finden! Wo Wahrheit ist, dort ist Gott. Wir singen dreimal shanti (Frieden). Friede ist Gottes Besitz, und ist nur bei ihm erhältlich.

Entwickelt das Empfinden, dass Gott in eurem Herzen ist. Glaubt an die Wahrheit, dass Gott immer in eurem Herzen wohnt. Wenn ihr an diese Wahrheit glaubt, wird Friede sicherlich aufkommen.

Gott erschuf alles aus der Wahrheit, und alles wird eines Tages wieder in diese Wahrheit eingehen. Es gibt keinen Ort, der nicht von Wahrheit durchdrungen wäre. Dies ist die höchste und reinste Wahrheit. Erkennt sie!

153 Ihr braucht nicht im Aussen nach Gott zu suchen. Wo immer Wahrheit ist, dort erscheint Gott. Wo Gott Narayana erscheint, erscheint auch seine Gemahlin Lakshmi, die Göttin der Fülle und des Wohlstands. Wenn ihr also Reichtum wollt, müsst ihr den ersten Schritt machen! Wenn es euch gelingt, Gott Narayana in eurem Herzen zu verankern, wird auch die Göttin Lakshmi ihrem Herrn in euer Herz folgen.

Führt mit erhabenen Gedanken, guten Taten und ständiger Besinnung auf Gott gute Handlungen durch. Helft anderen. Seid niemals eifer- süchtig. Eifersucht führt in den völligen Ruin und macht den Menschen ganz und gar nutzlos. Leider gedeiht Eifersucht heutzutage. Manche Leute weinen sogar, wenn sie andere sehen, denen es besser geht. Sie können es nicht ertragen, wenn der andere glücklich ist. Das ist ein sehr übler Charakterzug. Ihr müsst euch über das Glück anderer freu- en. Dann werdet auch ihr erfolgreich sein und Glückseligkeit erlangen. Das ist das Geheimnis der Göttlichkeit.

Da ist viel Gnade, die Gott euch geben kann. Aber sie liegt in der Tiefe! Es braucht etwas Anstrengung, um sie zu erlangen. Wenn ihr aus ei- nem Brunnen Wasser holen wollt, müsst ihr ein Seil an einen Eimer bin- den, in den Brunnen hinab lassen und das Wasser hochziehen. Aber ihr bindet weder das Seil am Eimer fest noch lasst ihr den Eimer in den Brunnen hinab. Deshalb kommt ihr an das Wasser nicht heran. Das Seil, das ihr verwenden solltet, ist Hingabe. Dieses Seil muss an das Gefäss eures Herzens gebunden werden und in den Brunnen von Got- tes Gnade hinuntergelassen werden. Das Wasser, das ihr beim Her- ausziehen aus dem Brunnen erhaltet, ist das Wasser reiner Glückse- ligkeit: Der Brunnen, in dem ihr nach Wasser suchen solltet, ist nicht der des Zorns oder derjenige der Eifersucht, sondern es ist der Brunnen von Gottes Gnade.

Entfernt die schlechten Eigenschaften aus euch. Warum gebt ihr in die- ser heiligen Umgebung schlechten Gewohnheiten Raum? Wenn ihr schlechte Gewohnheiten entwickelt, führt ihr euch selbst in ein schlech- tes Schicksal.

Verkörperungen der Liebe! Lebt mit jedem in Liebe. Wenn ihr diese Lie- be erworben habt, wird euch auch alles andere gegeben werden. (Ansprache während des Sommerkurses in Brindavan, Whitefield)

154 26. Mai

Sinnenkontrolle ist die höchste spirituelle Disziplin

Alle Formen Gottes sind Manifestationen des Friedens. Alle seine Formen sind Manifestationen der Verheissung von Glück. Er ist die Verkörperung von Bewusstsein und Glückseligkeit. Er ist nicht Zwei, sondern Einer. Er ist Wahrheit, Güte und Schönheit.

Verkörperungen der Liebe! Keine Literatur, sei sie wissenschaftlicher, weltlich orientierter oder spiritueller Art, enthält viele Erläuterungen und Informationen über die fünf Sinne.

Der Mensch unternimmt manch fieberhafte Anstrengung, um zu Glück und Freude zu gelangen. Er liest Bücher, besucht lebenserfahrene äl- tere Menschen und durchstreift die Welt auf der Suche nach dem schwer fassbaren Glück. Und doch gelingt es ihm letztendlich nicht, das Glück zu finden. Auch Buddha unternahm ähnliche Anstrengungen auf der Suche nach der Quelle des Glücks. Überall suchte er nach Gott und entdeckte schliesslich, dass Gott in ihm selbst wohnt. Er erkannte, dass er selbst eine Verkörperung von Glückseligkeit war. Gleich einem Men- schen, der überall nach seiner Brille suchte, während sie die ganze Zeit auf seiner Nase sass, suchte auch Buddha überall nach Glückseligkeit und fand sie schliesslich in seinem Inneren!

Der Mensch kann von den fünf Elementen viele Lektionen lernen. Die fünf Elemente sind: Erde, Feuer, Wasser, Luft und Äther. Das ganze Phänomen der physischen Welt ist eine Manifestation Gottes. Gott ma- nifestiert sich in Wahrheit, Güte, und Schönheit in dieser Welt, die wir mit unseren Augen wahrnehmen können. Jedes menschliche Wesen ist eine Manifestation von Sein (sat), Bewusstsein (cit) und Glückse- ligkeit (ananda). Gott manifestiert sich im Wasser, das auf der Welt vor- handen ist. Gott existiert als Zustand des Wachseins im Feuer. Gott manifestiert sich im Element Luft als Leben. Gott manifestiert sich im Äther als OM, dem Urklang, aus dem die ganze Schöpfung hervorging und dessen Schwingung das ganze Universum durchdringt. Da Gott

155 sich in allen fünf Elementen manifestiert, heisst es: „Gott ist allgegen- wärtig, es gibt keinen Ort in der ganzen Welt, an dem er nicht gegen- wärtig ist. Seine Hände und Füsse sind überall“.

Obwohl Gott überall zugegen ist, fragen die Menschen, weshalb sie nicht in der Lage sind, ihn zu sehen. Das Wasser spiegelt den darüber liegenden Himmel wider. Wird das Wasser aber aufgerührt, so wird auch die Wiederspiegelung des Himmels aufgerührt. Ebenso ist Gott in jedem Menschen gegenwärtig, doch der Mensch ist aufgrund seines verstörten Geistes nicht imstande, ihn zu sehen. Ein aufgewühlter und schwankender Geist kann niemals Gott widerspiegeln. Ein verstörter Geist löst Verwirrung und Depression aus.

Der Geist ist höchst wankelmütig und instabil. Die einzige spirituelle Disziplin, die der Mensch durchführen muss, besteht darin, seinen Geist zu stabilisieren und nicht zuzulassen, dass er ins Schwanken ge- rät. Ohne Zielgerichtetheit sind Namenswiederholung, Meditation und Yoga sinnlos. Sobald ihr die fünf Sinne unter Kontrolle gebracht habt, wird sich Gott überall um euch herum manifestieren. Weshalb ist der Mensch dann nicht in der Lage, Gott zu sehen? Seine grenzenlosen und ziellosen Wünsche hindern ihn daran, Gott zu sehen. Wünsche sind die Wurzel und Ursache für die Unruhe und Verstörung im Men- schen. Sinneskontrolle befähigt euch, Glückseligkeit zu erlangen. Die Begrenzung eurer Wünsche wird euch helfen, Gott überall zu sehen und ihn von Angesicht zu Angesicht zu erfahren. Ihr solltet das Auf- steigen von Wünschen aller Art in euch nicht bestärken. Ebenso solltet ihr euch nicht um die schlechten Gedanken kümmern, die andere Leute über euch hegen mögen. Ihr solltet euch wegen des üblen Geredes, in das sie sich ergehen, nicht sorgen. Ihr solltet von Verleumdung und Kritik, die gegen euch gerichtet sind, unberührt bleiben. Buddha strebte danach, die fünf Sinne, welche die Manifestation der fünf Elemente sind, zu beherrschen. Als erstes beschloss er, die rechte Sichtweise zu entwickeln. Der Mensch von heute ist aufgrund der Wan- kelmütigkeit seiner Gedanken und Gefühle unfähig, seine Sichtweise zu kontrollieren. Kinofilme, Videos, Fernsehen etc. verseuchen den Geist des Menschen. Er sieht nicht das Gute und er hört nicht das Gute. Der Mensch ist selbst die Ursache seiner Rastlosigkeit. Darüber hinaus erliegen menschliche Qualitäten mit zunehmender Geschwindigkeit teuflischen und animalischen Einflüssen. Animalische Eigenschaften nehmen sehr schnell zu. Die Tiere folgen Paarungszeiten und halten sich an die natürlichen Zyklen, nicht aber der Mensch.

156 Durch ständiges Bemühen kann der Mensch geistigen Frieden erlan- gen. Dadurch vermag er Gedanken und Gemüt unter Kontrolle zu brin- gen und auf diese Weise Frieden zu erlangen. Nur in einem friedvollen Geist können edle Gedanken aufsteigen. Der Geist sollte unter der Kontrolle des Menschen stehen. Meistert den Geist und seid selbst mei- sterhaft. Doch bedauerlicherweise gerät der Mensch unter die Herr- schaft seiner Sinne, anstatt seine Gedanken und Gefühle zu beherr- schen. Hinzu kommt noch, dass er der Anhaftung an den Körper erliegt. Der Mensch ist schnell beunruhigt, wenn andere ihn kritisieren. Wes- halb sollte er sich um den Körper Gedanken machen, wenn doch der Körper nichts weiter als eine Wasserblase ist? Ihr solltet die Anhaftung an den Körper aufgeben. Wünsche wachsen sprunghaft ins Uferlose an. Hier ein Beispiel: Jemand kandidiert zuerst für das Amt des Pan- chayat Präsidenten. Wird er gewählt, so möchte er Vorsitzender wer- den. Später wachsen sich diese Wünsche zur Besessenheit aus. Wird er Vorsitzender, so möchte er erster Minister werden und später dann Ministerpräsident! Wünsche sind die Ursache für das Böse im Men- schen. Schlechte, schlimme Wünsche lösen eine Reaktion, Reflektion und einen Widerhall aus. Der Mensch sollte schlechten Wünschen und Gedanken keinen Platz einräumen. Schlechte Wünsche sind die Ur- sache für schlimme Gedanken im Menschen. Sinneskontrolle wird die Wünsche in Schach halten. Es ist notwendig, das Gebiet zu verlassen, auf das schlechte Menschen ihren Fuss setzen. Entfernt euch von dem Ort, wo sich solche Menschen aufhalten. Buddha lehrte die Menschen, eine charakterfeste, beständige und gute Sichtweise zu kultivieren. Die Sichtweise eines Menschen sollte selbstlos und standfest sein.

Buddha praktizierte Loslösung. Er reduzierte seine Wünsche von Tag zu Tag, bis sie praktisch ausgelöscht waren. Er bestand darauf, eine reine und edle Sichtweise zu entwickeln und zu pflegen. Schliesslich erreichte er den Zustand der Wunschlosigkeit. Er war so bindungslos geworden, dass er seine Familie und sogar die Bindung an seinen klei- nen Sohn aufgab. Dies war das Kennzeichen seines Opfers. Er ent- wickelte absolute Bindungslosigkeit gegenüber dem Körper.

Wenn wir sagen “das ist mein Körper, mein Geist, meine Intelligenz, mein Bewusstsein, meine Psyche“, so macht das deutlich, dass wir von unserem Geist, unserem Körper, unserer Intelligenz etc. getrennt sind. Ihr seid getrennt vom Körper. Es ist Täuschung zu glauben, ihr wäret der Körper. In dem Mass, wie ihr der Täuschung Raum gebt, entfernt ihr euch zusehends von Gott, dem höchsten Bewusstsein. Ihr müsst

157 die Bindung an den Körper ablegen. Buddha reduzierte die Körperbin- dung bis zur völligen Aufgabe und widmete sich der Suche nach der Wahrheit. Er wandte sich an spirituelle Lehrer und lauschte ihren Wor- ten. Er las Bücher, welche die Lehren verschiedener Meister enthielten. Schliesslich erkannte er, dass das Lesen von Büchern eine unnütze Übung war.

Die Studenten von heute gehen für ihre höheren Studien ins Ausland. Es ist Verrücktheit, mit dem Wunsch ins Ausland zu gehen, dort etwas zu finden, was es nicht in unserem Land gibt. Die Leute gehen ins Aus- land, geben eine Menge Geld aus und kehren mit leeren Händen zu- rück. Auch die Eltern ermuntern ihre Kinder ins Ausland zu gehen, in- dem sie die verrückte Idee noch anfachen. In der Tat führen sie ihre Kinder in die Irre. Man muss in einem fremden Land hart arbeiten, um Geld zu verdienen. Mit demselben Aufwand an Anstrengung könnt ihr auch hier in Indien genügend Geld verdienen. Manche Menschen ge- hen ins Ausland und „erwerben“ dort die Sünde. Bleibt stattdessen im eigenen Land und erwerbt euch Verdienst. Ein anwachsendes Verlan- gen, ins Ausland zu gehen und dort Geld zu machen, breitet sich unter den Menschen aus. Doch sind bei weitem nicht alle bei diesem Vor- haben erfolgreich. So manch einer kehrte mit leeren Händen zurück.

Die Leute haben versucht, mich dazu zu bewegen, ins Ausland zu kom- men. Doch Swami hat kein anderes Land, mit Ausnahme von Afrika, besucht. Sie sagen: „Swami, komm in mein Land.“ Welches ist euer Land? Auf Dauer gehört ihr keinem Land an. Nichts ist von Dauer. Auch euer Körper ist nicht von Dauer. Gebt den Wunsch auf, ins Ausland zu gehen.

Adi Shankaracarya schrieb folgenden Vers:

“O Mensch! Geburt führt zum Tod, Tod führt zur Geburt. Das weltliche Leben ist hart und mit Mühsal beladen. Betet um die Barmherzigkeit des Herrn!”

Da ihr als Mensch geboren wurdet, müsst ihr im Leben Erfüllung finden. Ihr müsst einem edlen Pfad folgen. Ihr solltet jenseits von Lob und Tadel sein. Weder solltet ihr überheblich sein noch niedergedrückt. Ihr müsst den Frieden fördern. In der Tat liegt alles in euch selbst.

158 Ihr seid die Verkörperung des Friedens. Ihr seid die Verkörperung der Wahrheit. Ihr seid die Verkörperung der Liebe. Ihr seid die Verkörperung des Göttlichen.

Weshalb sucht ihr im Aussen nach Glück, wenn doch alles in euch liegt? Wenn ihr nach innen schaut, werdet ihr der Glückseligkeit teilhaftig wer- den. Freude ist euer Eigentum. Ohne Glückseligkeit könnt ihr nicht exi- stieren. Eure wahre Natur ist Glückseligkeit.

Verkörperungen der Liebe! Buddha war kein gewöhnlicher Mensch. Er wurde in eine Königsfamilie hineingeboren und wuchs inmitten von ma- teriellen Annehmlichkeiten auf. Es heisst:

Weder durch Handeln, noch durch Nachkommenschaft, noch durch Reichtum – sondern durch Opfer und Entsagung allein kann ein Mensch Unsterblichkeit erlangen.

Buddha folgte diesem vedischen Diktum. Er war ungebunden. Daher konnte er seine Verhaftung an Familie und Freunde aufgeben. Sein Va- ter empfand Schmerz, da er unter dem Einfluss von Bindung stand.

Buddha reiste weit umher und widmete sich seinen asketischen Übun- gen. Eine Frau empfand Mitleid mit ihm und wollte ihm etwas zu essen bringen. Buddha aber sagte: „Dies ist nicht die Nahrung, nach der es mich verlangt. Ich suche die Nahrung der höchsten Weisheit. Jeder kann gewöhnliche Nahrung bekommen. Doch diese Nahrung will ich nicht.“

Eines Tages sah er, wie ein Bauer Getreide verteilte. Buddha ging zu ihm und bat um Almosen. Doch der Bauer entgegnete: “O du fauler Mönch! Weshalb sollte ich dir Almosen geben? Ich gebe jenen Nah- rung, die hart arbeiten. Auch ich arbeite hart. Ich bestelle die Felder, ich säe die Samen, jäte das Unkraut, bewässere die Felder und ernte das Korn. Doch du tust nichts.“ Daraufhin antwortete Buddha: „Ich be- stelle das Feld des Herzens, ich bewässere es mit Liebe, ich jäte das Unkraut der schlechten Neigungen, ich bringe die Ernte der Weisheit ein und erhalte die Frucht der Glückseligkeit.“ Auf diese Weise über- zeugte Buddha den Bauern davon, wie auch er hart arbeitete, nur eben auf einer anderen Ebene!

159 Die Freude, die ihr aus dem Singen von Bhajans und aus Gottesdien- sten gewinnt, ist vorübergehend. Doch wenn ihr die Essenz des So’ham Mantras erfahrt, erlebt ihr zeitlose Freude und Glückseligkeit. Der So’ham-Mantra ist auch als “Hamsa-Gayatri“ bekannt. „So“ bedeutet „Das“, „ham“ bedeutet “bin ich“. „Das bin ich“ ist die Bedeutung von “So’ham“. Mit jedem Atemzug solltet ihr „So’ham“ wiederholen. Beim Atemzyklus atmet ihr „So“ ein und „ham“ aus. Wenn ihr den So’ham Mantra bei jedem Einatmen und Ausatmen wiederholt, wird euch viel Gutes daraus erwachsen. Wiederholt “So’ham“ mit jedem Atemzug und beobachtet dabei euren Atem aufmerksam. Das englische Wort “watch” vermittelt eine wichtige Botschaft. Watch bedeutet:

W - Achtet auf eure Worte (Words) A - Achtet auf eure Taten(Actions) T - Achtet auf eure Gedanken(Thoughts) C - Achtet auf euren Charakter (Character) H - Achtet auf euer Herz(Heart)

Die Uhr (watch), die ihr tragt, geht früher oder später kaputt. Doch diese “watch” ist unzerbrechlich. Achtet darauf, ob ihr gute oder schlechte Worte sprecht. Achtet darauf, ob ihr andere verletzt oder würdigt. Eure Zunge kann sich in vielen Sünden ergehen. Ihr dürft eure Zunge nicht dazu verwenden, andere zu verletzen. Andere zu verletzen ist eine Sünde. Wenn ihr andere verletzt, werden andere auch euch verletzen. Für alles gibt es eine Reaktion, eine Reflektion und einen Widerhall. Daher solltet ihr Kontrolle über die Zunge ausüben. Ihr solltet nicht zu- lassen, dass die Zunge sich zu sündhaftem Verhalten hinreissen lässt. Eine Zunge, die andere kritisiert, ist eine sündhafte Zunge. Ihr solltet nicht zulassen, dass die Zunge sich in Geschwätz und Kritik an anderen ergeht.

Buddha bewahrte Schweigen und wurde sehr ruhig und ausgeglichen. Er begann, das “So’ham“ in sich zu erfahren. Für eine gewisse Zeit könnt ihr als Bestandteil eurer spirituellen Übungen die Namen Rama, Krishna und Govinda wiederholen. Ihr müsst mit diesen Übungen so- lange fortfahren, bis der Geist gefestigt ist. Hat der Geist dieses Sta- dium erreicht, dann müsst ihr euch im Schweigen der Gedanken üben. Sprechen ist Silber, Schweigen dagegen Gold. Wenn die Worte ab- nehmen, werden auch die Aktivitäten und Launen des Geistes weniger.

160 Nehmen aber die Worte zu, so wachsen mit ihnen auch die Launen des Geistes. Folglich müsst ihr den Geist disziplinieren.

Es liegt nicht in der Natur des Geistes zu sterben. Der Mensch mag sterben, aber nicht sein Geist. Es ist jedoch möglich, den Geist aus- zuschalten. Sobald die Worte aus dem Geist verschwinden, verschwin- det auch der Geist. Schweigen zu bewahren, ist einer der Wege, den Geist zum Schweigen zu bringen. Ihr solltet dem Geist nicht erlauben, herumzuschweifen, wo es ihm gefällt und sich zu gebärden, wie es ihm gefällt. Ihr solltet dem Geist nicht erlauben, andere lächerlich zu ma- chen, zu verletzen und zu hassen. Wenn ihr einen anderen verletzt, werdet ihr selbst um ein Zehnfaches verletzt werden. Ihr mögt euch brü- sten, jemandem gründlich “die Meinung gesagt“ zu haben, doch könnt ihr den Konsequenzen eures Fehlverhaltens nicht entgehen. Eines Ta- ges wird ein anderer euch gehörig zurechtweisen.

Verkörperungen der Liebe! Ihr wurdet als Menschen geboren. Welche Aufgabe bringt die menschliche Geburt mit sich? Solltet ihr dieses Le- ben dazu verwenden, Reichtum anzuhäufen? Nein - ihr solltet vielmehr euren Geist dazu benutzen, euch Tugenden, nicht aber Reichtum an- zueignen. Die Studenten sind heutzutage an Reichtum, Kraft und Freundschaft interessiert, nicht aber an guten Eigenschaften. Wozu soll ein Leben ohne den Erwerb guter Eigenschaften und Tugenden nützen?

Der Dummkopf studiert und entfaltet sich zur wichtigen Persönlichkeit. Er erlernt alle Wissenszweige, bleibt aber dennoch ein Dummkopf. Ein niederträchtiger Mensch mag viele Wissenszweige meistern, doch kann er sich nicht von den Lastern befreien, die er kultiviert hat. Übermässiges Studium verleitet den Menschen dazu, sich zu einem Logiker zu entwickeln, doch gelingt es ihm nie, Weisheit zu erlangen. Was für einen Sinn hat es, zu lernen und dann schliesslich zu sterben. Meistert jene Bildung, die keinen Tod kennt.

161 Der Körper ist vergänglich. Er gleicht einer Wasserblase. Der Körper kommt und geht, so wie eine Wasserblase kommt und geht.

Der Körper gleicht einer mit Krankheiten verseuchten Höhle. Er gleicht einem Korbgeflecht, das im Laufe der Zeit zerfällt. Er gleicht einem schwachen Floss, das nicht in der Lage ist, den Ozean der weltlichen Existenz zu überqueren. Er gleicht einem Köcher von Pfeilen. O Mensch! Glaube ja nicht, dass der Geist beständig wäre. Nimm Zuflucht zu den Füssen des Herrn. Alles, was ihr tut, sollte vom Geist der Hingabe an Gott erfüllt sein.

Buddha legte grössten Wert auf die Kontrolle der Sinne. Um den Geist beherrschen zu können, müsst ihr eure fünf Sinne unter Kontrolle brin- gen. Nur dann werdet ihr in der Lage sein, Gott zu verwirklichen.

Verkörperungen der Liebe! All dies kann einzig durch Liebe erreicht werden. Liebe ist Gott - lebt in der Liebe. Nur durch das Kultivieren von Liebe könnt ihr zum Verständnis der Spiritualität gelangen. Daher sage ich oft:

Beginnt den Tag mit Liebe. Füllt den Tag mit Liebe. Verbringt den Tag in Liebe. Beschliesst den Tag mit Liebe. Das ist der Weg zu Gott.

Durch die Macht der Liebe ist alles möglich. Liebe ist alles in dieser Welt. Die Welt kann ohne Liebe nicht existieren. Aber die Welt existiert für eine Reihe von Leuten, die von schlechten Wünschen erfüllt sind. Jene, die in schlechten Wünschen ertrinken, werden nicht einmal einen fried- vollen Tod haben. Ihr müsst eure Gedanken und euer Gemüt in einem friedvollen und heiligen Zustand halten. Nur durch Liebe zu Gott könnt ihr inneren Frieden erlangen.

Verkörperungen der Liebe! Um hierher zu kommen habt ihr grosse Ent- fernungen zurückgelegt, was Stress und Belastungen mit sich bringt. Ihr solltet immer von Freude und Frieden erfüllt sein. Ihr mögt zwar Schwierigkeiten ausgesetzt sein, doch solltet ihr ihnen nicht erlauben, euch niederzudrücken. Nur wenn ihr eure Schwierigkeiten beiseite legt, könnt ihr Frieden finden. Es genügt nicht, zu Gott zu beten. Ihr sollt dar-

162 an denken, dass ihr selbst göttlich seid. Buddha forderte die Menschen auf, sich bewusst zu machen, dass sie göttlich sind und beständig dar- über nachzusinnen. Buddha glaubte daran, dass der Mensch göttlich ist. Gott ist immer in euch, mit euch, um euch herum, unterhalb von euch. Wenn ihr durch das Tor der Spiritualität eintretet, werdet ihr gött- lich werden. Doch wenn ihr in die Welt eintretet, werdet ihr zum Hund. Ihr müsst das Gefühl des Einsseins mit Gott pflegen.

Ihr seid aus verschiedenen Teilen der Welt hierher gekommen und habt Mühsal und Belastungen auf euch genommen. Ich segne euch, dass ihr sicher und behütet in Frieden und Freude wieder nach Hause zu- rückkehrt. Kultiviert den Glauben, dass alles, was euch geschieht, Got- tes Wille ist. Buddha versuchte sich in verschiedenen Formen spiritu- eller Übungen. Er glaubte, dass die Herrschaft über die Sinne sehr wichtig ist, um Gott zu verwirklichen. Was sind spirituelle Übungen? Herrschaft über die fünf Sinne zu entwickeln, ist die wahre spirituelle Übung. Ihr dürft nicht zulassen, dass die Sinne ungezügelt umher- schweifen. Nur durch Liebe lassen sich die Sinne kontrollieren. Lebt immer in Liebe. Mit Liebe müsst ihr andere glücklich machen. Hegt nie- mals Gefühle des Hasses oder der Böswilligkeit gegen andere. Helft immer, verletzt nie. Es heisst: Verdienst liegt darin, anderen zu dienen, Sünde liegt darin, andere zu verletzen.

Ihr könnt euren Geist durch Schweigen beherrschen und indem ihr ihn Gott übergebt. Eure spirituellen Übungen mögt ihr entsprechend eurem Glauben ausüben. Am Anfang mögen spirituelle Übungen schwierig sein, doch im Lauf der Zeit werden sie euch bis zu einem gewissen Grad mit Glück erfüllen. Daher heisst es:

Der Körper ist der Tempel Gottes. Gott existiert in euch. Gott existiert nicht an einem anderen Ort. Er existiert in euch. Sünde befindet sich nicht an einem anderen Ort. Sie ist dort zu finden, wo unrecht gehandelt wird.

Welchen spirituellen Übungen auch immer ihr folgen mögt, Gott ist im- mer in euch gegenwärtig. Gott ist eng mit eurem Leben verwoben. Alles, was ihr braucht, ist Selbstvertrauen. Selbstvertrauen ist für die spiritu- elle Entwicklung höchst wichtig.

Wo Selbstvertrauen ist, ist Wahrheit. Wo Wahrheit ist, ist Glückseligkeit.

163 Wo Glückseligkeit ist, ist Frieden. Wo Frieden ist, ist Gott.

Daher müsst ihr Selbstvertrauen entwickeln und fördern. Anderenfalls wird äusserste Verwirrung herrschen. Ihr müsst alles auf dem Funda- ment des Selbstvertrauens aufbauen. Seht euch zum Beispiel dieses Gebäude an. Das Fundament ist die Basis des Gebäudes. Ohne Fun- dament kann das Gebäude nicht existieren. Ebenso ist der Glaube das Fundament für alles. Erfüllt eure Pflichten. Buddha opferte viele Dinge im Leben um der Glückseligkeit willen. Wo Opferbereitschaft ist, ist Glückseligkeit.

Verkörperungen der Liebe! Verringert eure Bindung an den Körper. In dem Mass, wie eure Verhaftung an den Körper wächst, nimmt auch euer Leiden zu. Euer Körper ist der Tempel Gottes. Denkt, dass er nicht euer Körper ist, sondern der Tempel Gottes. Der Körper ist heilig, da Gott in ihm wohnt. Folglich müsst ihr euren Körper zum Ausüben von guten Taten benutzen. Der Körper wurde euch geschenkt, damit ihr mit seiner Hilfe Glückseligkeit erlangen könnt. Wann immer ihr euch in spi- rituellen Disziplinen übt, tut dies mit dem Gefühl: “Gott ist kein anderer als ich selbst“. Stärkt dieses Gefühl in euch und formt eure Leben ent- sprechend. Lebt in Liebe und lebt mit Liebe. (Ansprache an Buddha-Purnima in Brindavan, Whitefield)

164 21. Juli

Verwirklicht Göttlichkeit durch selbstloses Dienen

Wie könnt ihr erwarten, dass Sai, der Frieden, Liebe, Glück und Wohlergehen verleiht, euch anerkennt und würdigt, wenn euer Geist nicht rein und euer Charakter nicht gut ist? Wie könnt ihr erwarten, dass Prema Sai euch als sein eigen behandelt?

Das menschliche Leben ist voller Mitgefühl. Zeit ist heilig, das Herz ist rein und der Geist gleicht Nektar. Was sollte der Mensch, der mit diesem heiligen menschlichen Leben gesegnet ist, tun? Auf welcher Grundlage sollte das Gebäude des Lebens errichtet werden? Jeder Mensch strebt nach Frieden und Glück. Wie kann man ein friedvolles Leben führen? Es ist nur dann möglich, wenn man die menschlichen Werte in die Pra- xis umsetzt. Es ist nicht nötig, menschliche Werte aus dem Aussen zu beziehen; sie liegen in jedem Menschen verborgen. Wie kann der Mensch im Leben vorankommen, wenn diese Werte in Vergessenheit geraten?

Der Mensch sollte als erstes den Sinn und Zweck seines Lebens er- forschen. Das menschliche Leben gründet auf Gleichheit, Einheit, Brü- derlichkeit und Erhabenheit. Sie bilden das Fundament des Gebäudes des Lebens. Wenn nur eines davon fehlt, wird das menschliche Leben bedeutungslos werden. Jeder muss diese vier Tugenden entfalten und bewahren. Der Mensch sollte als erstes die Bedeutung des Mensch- seins erkennen. Wahrheit fördert Moral, rechtes Handeln verleiht einen guten Ruf und Opfergeist ist das Licht des Lebens. Die menschliche Rasse vereinigt diese drei, Moral, guter Ruf und Licht in sich. Aber der Mensch lässt heutzutage die Prinzipien der Wahrheit, des rechten Han- delns und des Opfergeistes ausser Acht. Er muss an diesen Prinzipien nicht um der Gesellschaft, sondern um seiner eigenen Erlösung willen festhalten. Wenn ihr von allen geachtet werden wollt, müsst ihr zuerst Achtung für das Göttliche Selbst (Atman) entwickeln, was die Grund- lage des Lebens ist. Jemand, dem es an Selbstachtung fehlt, kann kei- nen Respekt von anderen verlangen. Der Mensch sollte zuallererst an-

165 dere achten und seine Liebe aus ganzem Herzen mit anderen teilen. Dies ist die vorrangige Pflicht des Menschen. Der Mensch ist nicht nur ein Einzelwesen, sondern ein Glied der Gesellschaft. Der Mensch muss sich von der individuellen Ebene zu der Ebene der Gemeinschaft fort- bewegen. Welcher Weg ist dafür vorgeschrieben? Der Mensch muss als erstes das gemeinsame, in allen gegenwärtige Prinzip des Lebens- lichts erkennen. Nur wenn der Mensch das grundlegende Einheitsprin- zip versteht, kann er das Prinzip der Gleichheit erfahren und in die Tat umsetzen. Die von uns durchgeführten Seva-Aktivitäten sind dafür ge- dacht, in der Gesellschaft Einheit zu erfahren. Es ist ein grosser Irrtum zu glauben, ihr würdet anderen dienen. In Wirklichkeit solltet ihr nie- manden als “anders“ betrachten, denn alle verkörpern die Göttlichkeit. Aber weil der Mensch sich nicht um die Verwirklichung dieser Wahrheit bemüht, ist er Schwierigkeiten ausgesetzt. Wenn der Mensch die All- gegenwart Gottes erkennt, wird er frei von Leid sein. Um euch vom Lei- den zu befreien, muss der Mensch in der Gesellschaft das Prinzip der Einheit praktizieren. Wenn der Mensch das Prinzip der Einheit versteht, kann er das kosmische Prinzip erreichen.

Jeder ist mit einem Körper versehen. Die Schöpfung gleicht einem Spiegel. Ihr seht in diesem Spiegel nur eure eigene Widerspiegelung und nichts anderes. Der Mensch führt heutzutage ein Leben der Selbst- sucht und des Eigeninteresses. Überall in der Gesellschaft ist Selbst- sucht verbreitet. Die Bindung an den Körper nimmt zu, wohingegen die Liebe zum Mutterland abnimmt. Nicht einmal spirituelle Aspiranten und erhabene Seelen mit reinem Herzen sind in der Lage, ihre Bindung an den Körper aufzugeben. Solange die Verhaftung an den Körper be- steht, kann der Mensch keine Liebe zu Gott entfalten.

Der aus den fünf Elementen bestehende Körper ist schwach und wird zerfallen. Obwohl man von einem hundertjährigen Leben spricht, besteht keine Garantie dafür. Jederzeit, ob in der Kindheit, Jugend oder im Alter, kann man seine sterbliche Hülle verlassen. Der Tod ist sicher. Deshalb sollte der Mensch sich bemühen, sein wahres Wesen zu erkennen, ehe der Körper vergeht. .

166 Der Körper ist euch gegeben, um euer wahres Selbst zu erkennen. Es ist töricht, eure Zeit und Energie mit weltlichen Bestrebungen zu ver- schwenden. Wenn ihr euer wahres Selbst erkennt, könnt ihr auch alles andere kennen.

Verkörperungen der Liebe! Alles, was ihr in der äusseren Welt seht, vom Mikrokosmos bis hin zum Makrokosmos, ist in euch gegenwärtig. Die Berge, Meere, Städte, Dörfer usw. sind in eurem Herzen gegen- wärtig. Alle Wesen befinden sich in euch. Ihr seid die Grundlage von allem. Wenn das der Fall ist, was wollt ihr dann in der äusseren Welt sehen? Wie töricht ist es von euch, euch von der äusseren Spiegelung hinreissen zu lassen und die innere Wirklichkeit zu ignorieren!

Kennt als erstes die menschlichen Werte. Wahrheit, Rechtschaffen- heit, Frieden, Liebe und Gewaltlosigkeit sind die Namen der mensch- lichen Werte. Der erste Wert ist Wahrheit. Wahrheit ist veränderungslos und jenseits von Zeit und Raum. Es gibt keine amerikanische, russische, indische oder pakistanische Wahrheit. Die Wahrheit ist für alle Länder und alle Zeiten ein und dieselbe. Ihr seid die Verkörperung der Wahrheit. Wahr- heit ist Gott. Bemüht euch deshalb, diese Wahrheit zu verstehen. Sprecht die Wahrheit, sprecht freundlich und sprecht keine unange- nehme Wahrheit. Der Mensch hat dieses ewige Wahrheitsprinzip ver- gessen und ist auf der Suche nach vergänglichen Dingen. An der Wahr- heit festzuhalten ist Moral, was gleichbedeutend ist mit rechtem Verhalten. Es gibt keine grössere Pflicht als Festhalten an der Wahr- heit. Wahrheit und göttliche Pflicht gemeinsam werden Frieden schen- ken. Wer an Wahrheit und Rechtschaffenheit festhält, wird immer fried- voll sein. Man braucht nicht im Aussen nach Frieden zu suchen. Wo Wahrheit ist, ist Frieden. Wo Frieden ist, ist Gewaltlosigkeit.

Die Liebe ist die grundlegende Basis für Wahrheit und Rechtschaffen- heit. Liebe ist Gott, Wahrheit ist Gott, rechtes Handeln ist Gott. Jemand ohne diese Prinzipien ist wahrhaft eine lebendige Leiche. Die fünf menschlichen Werte sind den fünf Lebensprinzipien in uns vergleich- bar. Wenn ihr nicht die Wahrheit sprecht, habt ihr dadurch ein Lebens- prinzip verloren. Unrechtes Verhalten kommt dem Verlust des zweiten Lebensprinzips gleich, und in ähnlicher Weise gehen auch die anderen Lebensprinzipien verloren. Deshalb solltet ihr all euer Bemühen darauf richten, diese Lebensprinzipien, die göttlicher Natur sind, zu bewahren und zu schützen. Erkennt, dass in der Menschlichkeit Göttlichkeit liegt.

167 Heutzutage ist jeder Bereich menschlicher Aktivität verschmutzt. Wenn der Mensch sein Herz reinigt, wird er überall Reinheit finden. Die äus- sere Welt ist nichts als eine Widerspiegelung eures Herzens. Wenn ihr euer Herz mit Liebe füllt, werdet ihr überall Liebe erfahren. Wenn sich in eurem Herzen Hass befindet, spiegelt sich dieser Hass im Aussen wider. Was immer ihr aussen seht, hört und erfahrt, ist nur die Wider- spiegelung, die Reaktion und der Widerhall eures inneren Wesens. All das Gute und Böse, das euch in der äusseren Welt begegnet, ist nichts als euer eigenes Spiegelbild. Richtet deshalb keinen anklagenden Zei- gefinger auf andere.

Die ganze Welt hängt von dem Verhalten des Menschen ab. Wenn der Mensch gut ist, wird die Welt ebenfalls gut sein. Ihr glaubt, ihr seid von Weltlichkeit umgeben. Diese Vorstellung ist falsch. In Wirklichkeit spie- gelt sich die Weltlichkeit in euch im Aussen wider. Wenn eure Gefühle dämonisch sind, werdet ihr dasselbe überall um euch herum finden. Wenn eure Empfindungen hingegen göttlich sind, werdet ihr überall der Göttlichkeit gewahr werden.

Verkörperungen der Liebe! Euer Herz ist voller Liebe. Die aus eurem Herzen strömende Sehnsucht nach Gott ist Liebe. Wahrheit sollte sich in euren Worten und die von Gott gesetzte Ordnung, in eurem Handeln widerspiegeln. Die Harmonie von Wahrheit, Rechtschaffenheit und Lie- be wird zu Frieden führen. Euer Atem – So’ham (er ist ich) – erinnert euch 21’600 Mal täglich an eure Wirklichkeit. Was bringt euch eure Bil- dung, wenn ihr nicht in der Lage seid die Wahrheit zu erkennen, die euch tagein und tagaus so viele Male gelehrt wird? Egal wie vielen Pre- digten ihr zuhört, wie viele heilige Texte ihr studiert und wie viele er- habene Seelen ihr aufsucht, wenn ihr das Wahrheitsprinzip, das euch eure innere Stimme als So’ham lehrt, vergesst, wird sich alles als ver- geblich herausstellen.

Buddha entsagte allen Bequemlichkeiten des Palastes und ging den Weg der Entsagung. Er wanderte durch die Wälder, hörte den Lehren erhabener Seelen zu und studierte heilige Texte. Aber nichts davon konnte ihm Befriedigung vermitteln. Schliesslich erkannte er, dass sein Herz die wahre heilige von Gott gegebene Schrift ist und dass Gott sein wahrer Freund ist. Er legte alle Bücher beiseite und hörte auf, erhabene Seelen aufzusuchen. Er wandte sich nach innen und forschte nach der Wahrheit. Aber der Mensch ignoriert die heilige Schrift des Herzens und

168 vergisst den wahren Freund, Gott. Und rennt hierhin und dorthin auf der Suche nach Frieden.

Nutzt als erstes die euch von Gott gegebenen Augen in heiliger Weise. Nur dann wird euer Leben geheiligt sein. Allein derjenige ist ein wahrer Mensch, dessen Geist gut und dessen Verhalten beispielhaft ist. All eure spirituellen Bestrebungen werden wenig bringen, wenn eure Sichtweise befleckt ist. Euer Auge ist die von Gott gegebene Schrift. Versteht diese Schrift und verhaltet euch entsprechend. Wenn ihr eure Sehweise beherrscht, werdet ihr auch euer Sprechen beherrschen. Sprecht nur Wahrheit. Es gibt nichts Grösseres als die Wahrheit. Eine reine Sichtweise und reines Sprechen werden zu reinem Hören und rei- nem Empfinden führen. Vor allem die Jugend sollte ihre Sichtweise be- herrschen. Wenn er die Bedeutung der menschlichen Werte erfasst und sie umsetzt, wird der Mensch zu Gott. Die Jugendlichen von heute sind die zukünftigen Emanzipatoren des Landes. Sie sollten deshalb einen stetigen Geist und Selbstvertrauen entwickeln.

Wo Vertrauen ist, ist Liebe, Wo Liebe ist, ist Wahrheit, wo Wahrheit ist, ist Frieden, wo Frieden ist, ist Glückseligkeit, wo Glückseligkeit ist, dort ist Gott.

Ohne Vertrauen könnt ihr niemals die Göttlichkeit erreichen. Euer Ver- trauen ist euer Gott. Entwickelt deshalb unerschütterliches Vertrauen in das Göttliche Selbst. Selbstvertrauen und Selbstachtung werden zu Glückseligkeit und zu der Schau des Göttlichen Selbst führen.

Ihr alle sitzt in dieser prachtvollen Halle, die von so vielen Säulen ge- tragen wird und erfreut euch an ihrer Schönheit. Ohne ein starkes festes Fundament wäre diese Halle nicht entstanden. Entsprechend ist Selbstvertrauen die Grundlage des Gebäudes des Lebens. Wenn ihr Selbstvertrauen besitzt, könnt ihr die Mauern der Selbstzufriedenheit errichten, über die ihr das Dach der Selbstaufopferung legen und dann ein selbstverwirklichtes Leben führen könnt. Legt deshalb den starken robusten Grundstein des Selbstvertrauens.

Die Kultur Indiens erklärt: “Sprich die Wahrheit und folge der von Gott gesetzten Ordnung“. Nicht nur die indische Kultur, sondern die Kulturen aller Länder erklären dieselbe Wahrheit. Wahrheit ist die Grundlage je-

169 der Kultur. Gebt Unterschieden, die auf kultureller Verschiedenheit ba- sieren, keinen Raum. Die ganze Welt gleicht einem Gebäude, und die verschiedenen Länder sind wie die verschiedenen Zimmer darin. Zer- teilt deshalb nicht die Menschheit auf der Grundlage der Staatszuge- hörigkeit. Aufgrund solcher Spaltung verfällt die Menschlichkeit. Sai- Devotees sollten keinerlei derartige Unterschiede vertreten. Alle sollten vereint auftreten. Auch wenn Namen, Formen und Hautfarben sich un- terscheiden, bildet die Menschheit doch eine Rasse. Gott ist eins. Alle Menschen gehören einer Familie an.

Es gibt viele Kühe, aber nur eine Milch. Es gibt viele Lebewesen, aber das innewohnende Prinzip ist eins. Es gibt viele Kasten, aber die Menschheit ist eins. Es gibt viele Blumen, aber der Gottesdienst ist eins. Es gibt viele Wege, aber Gott ist eins.

Ihr solltet deshalb alle auf Kaste, Religion und Landeszugehörigkeit be- ruhenden Meinungsverschiedenheiten aufgeben und den Geist der Liebe entwickeln. Junge Männer und Frauen sollten für den Fortschritt des Landes tätig sein. Das Land wird nur dann gedeihen, wenn die Ju- gend einen starken Charakter entwickelt. Charakter ist die Grundlage des menschlichen Lebens. Es gibt heute viele, die Helden im Unter- weisen sind aber Nullen im Umsetzen. Eure Handlungen sollten mit eu- ren Worten übereinstimmen. Entwickelt heilige Empfindungen. Nur dann könnt ihr heilige Aktivitäten durchführen. Hingabe bedeutet nicht allein das Durchführen von Ritualen wie Gottesdienst. Jedes mit reiner selbstloser Liebe verrichtete Werk ist Hingabe.

Verkörperungen der Liebe! Lasst von diesem Tag an eure Leben mit Liebe erfüllt sein. Lasst eure Hände Taten tun, die der Gesellschaft als Ganzes Segen bringen. Zentriert eure Gedanken auf das Liebesprin- zip. Ihr solltet euch von der individuellen Ebene zu derjenigen der Ge- sellschaft erheben und schliesslich in Gott eingehen. In dieser körper- lichen und vergänglichen Welt ist überall nur Rastlosigkeit zu sehen. Manchmal wird euer Körper krank. Das sollte euch nicht übermässig verstören. Der Körper kommt und geht.

Dieser Körper ist eine Ansammlung von Schmutz und Krankheiten ausgesetzt. Er kann das Meer des Kreislaufs

170 von Geburt und Tod nicht überqueren. O Geist, täusche dich nicht im Glauben, der Körper währe ewig. Nimm stattdessen Zuflucht zu den Lotosfüssen des Herrn.

Man sollte sich nicht übermässig an den Körper binden, aber sich an- gemessen um ihn kümmern. Manchmal werdet ihr aufgrund eurer Nachlässigkeit und Unachtsamkeit krank. Ich nehme, aufgrund meiner Liebe zu ihnen, die Leiden der Devotees auf mich. Diese Leiden ver- schwinden ebenso wie sie erscheinen. Ein kleines Beispiel dazu. Ein kleiner Junge litt sehr aufgrund von Mumps. Der Arzt sagte, bis zur Hei- lung würden wenigstens 20 bis 25 Tage vergehen. Der Junge, unfähig, den grossen Schmerz zu ertragen, weinte bitterlich. Ich rief ihn herein und tröstete ihn mit den Worten: “Warum weinst du, wenn Swami bei dir ist?“ Ich materialisierte eine Süssigkeit für ihn und liess sie ihn essen. Ich nahm diesen Schmerz auf mich. Für jeden anderen wäre der Schmerz unerträglich. Srinivas sorgte sich sehr darüber, wie diese Kon- ferenz durchzuführen sei, wenn Swami so viel Schmerz erfuhr. Da die Schwellung zwischen beiden Kiefern lag, war Essen oder Sprechen nicht möglich. Was macht es aus, wenn der Körper ein paar Tage lang nichts zu Essen bekommt? Mir war es deshalb egal. Ich wies die Or- ganisatoren an, mit den Vorbereitungen zu der Konferenz fortzufahren. Srinivas fragte: “Swami, wie willst du die Eröffnungsansprache halten?“ Ich erwiderte: “Wenn ich denke, dies sei mein Körper, fühle ich den Schmerz. Aber es ist nicht mein Körper; er gehört euch.“ Alle eure Körper sind mein. Deshalb nehme ich euer Leiden auf mich. Es ist meine Pflicht. Weil dies nicht mein, sondern euer Körper ist, küm- mere ich mich nicht darum. Nicht nur jetzt, sondern jederzeit schenke ich Leiden keinerlei Beachtung. Ich praktiziere, was ich lehre. Aus die- sem Grund sage ich: “Mein Leben ist meine Botschaft.“ Es ist nicht allen gegeben, meine Göttlichkeit zu verstehen und zu erkennen. Ich will es nicht in der Öffentlichkeit verkünden. Ich mache keine Werbung. Alles, was mein ist, gehört euch und umgekehrt. Ich hege keinerlei Wünsche. All meine Wünsche dienen dem Zweck, euch Glück zu geben. Grösse liegt nicht im Predigen, sondern im Praktizieren. Derjenige ist ein wah- rer Lehrer, der erst praktiziert und dann lehrt. Das ist es, was ich tue.

Ihr jungen Menschen, Männer und Frauen! Erkennt euer wahres We- sen. Folgt dem Weg der Wahrheit. Wahrheit, ist der Name dieses Kör- pers. Entwickelt diese Wahrheit in euch. Wahrheit ist Gott, Liebe ist

171 Gott. Lebt in Liebe. Wenn ihr dem Weg der Wahrheit und der Liebe folgt, werdet ihr mit Sicherheit Glückseligkeit erreichen. Manche Menschen beschuldigen mich und ignorieren ihre eigenen Mängel. Es ist ein gros- ser Fehler. In mir gibt es keinerlei Fehler oder Mängel. Ich bin wie ein reiner Spiegel. In mir ist nicht einmal für eine Spur Unreinheit Platz. Ihr seht in mir die Widerspiegelung eurer eigenen Empfindungen. Reinigt eure Herzen. Nur dann könnt ihr die Wahrheit verstehen.

Verkörperungen der Liebe! Wir haben heute diese Konferenz eröffnet. Noch viel mehr Programme werden folgen. Deshalb beende ich meine Ansprache, um genügend Zeit für die anderen Programme zu lassen. Ich bin bereit, jegliche Zeit dafür aufzubringen, euch die nötigen Richt- linien zu geben. (Ansprache zur Eröffnung der internationalen Seva-Konferenz)

172 22. Juli

Beschränkt die Wünsche und erreicht Nähe zur Göttlichkeit

Verkörperungen der Liebe! Wer erkennt, dass dasselbe Göttliches Selbst (Atman) in ihm wie in allen anderen Lebewesen wohnt, wird im- mer die Nähe zur Göttlichkeit erfahren und geniessen. Ob jemand der Welt entsagt hat oder ein Familienleben führt, ob er zölibatär lebt oder der Welt verhaftet ist – wer das atmische Prinzip verwirklicht, führt sein Leben in der festen Überzeugung, dass die Nähe zu Gott sein grösster Schatz ist. Worin besteht die vorrangige Pflicht des Menschen? Der Mensch sollte sich bemühen, die folgende Lehre der Bhagavadgita zu verstehen:

Seine Hände, Füsse, Augen, Köpfe, Münder und Ohren sind überall. Er durchdringt das gesamte Universum.

Ihr solltet die Wahrheit erkennen, dass das in allen Wesen gegenwär- tige Prinzip des Göttlichen ein und dasselbe ist. Weil der Mensch un- fähig ist, sein wahres Wesen zu erfassen, begegnet er im Leben allen Arten von Problemen. Er lässt sich täuschen durch den Glauben, er sei der Körper. Als Folge davon vergisst er sein Göttliches Selbst und ver- schwendet seine Zeit und Energie.

Der Mensch räumt heute seinem individuellen Fortschritt die höchste Priorität ein, wendet erst dann seine Aufmerksamkeit der Gesellschaft zu und schlägt zuallerletzt den spirituellen Weg ein. Dies ist ein schwe- rer Fehler, der dazu führt, dass er nicht in der Lage ist, die Wahrheit zu verwirklichen und dadurch Schwierigkeiten ausgesetzt ist. Was ist die Botschaft von SAI? S steht für Spiritualität, A für Gemeinschaft (As- sociation) und I für das Individuum. Das bedeutet, ihr müsst der Spiri- tualität den ersten Platz einräumen, den nächsten der Gesellschaft und dann erst kommt das individuelle Interesse. Aber der Mensch verdreht heutzutage die Rangordnung: Er stellt sein Eigeninteresse über seine gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten und räumt der Spiritualität den letzten Rang ein. Als Folge davon entfernt er sich von Gott und ver- schwendet so seine Zeit. Zeit ist kostbar. Tatsächlich ist Zeit Gott.

173 Der Mensch sollte als Erstes den spirituellen Weg einschlagen, und dann der Gesellschaft, im Verständnis des Einheitsprinzips, dienen. Nur dann wird Fortschritt auf der Ebene des Einzelnen stattfinden. Wenn ihr euch andererseits zuerst auf die individuelle Ebene konzen- triert, werdet ihr niemals in der Lage sein, den spirituellen Aspekt zu erfassen. Persönlichkeiten wie Hiranyaksha, Hiranyakashipu und Kamsa zentrierten sich nur auf ihr individuelles Interesse und ignorier- ten den spirituellen Aspekt völlig. Körperlich und intellektuell waren sie Giganten. Hiranyakashipu war ein grosser Wissenschaftler, aber wel- cher Nutzen liegt im wissenschaftlichen Wissen, das euch nicht an- dauernde Glückseligkeit bringen kann? Hiranyaksha und Hiranya- kashipu füllten ihre Herzen mit negativen Empfindungen. Sie hatten weltliche Wünsche. Das Wesen weltlicher Wünsche ist vergänglich und negativ. Die modernen Wissenschaftler sind auf dem Mond gelandet, aber Hiranyaksha und Hiranyakashipu konnten sogar die Sonne errei- chen. Trotz ihrer gigantischen Kräfte und wissenschaftlichen Kennt- nisse erfuhren sie aufgrund ihrer materialistischen Einstellung ihren Untergang und konnten die Göttlichkeit nicht erfahren. In ähnlicher Wei- se missbraucht der Mensch seine Kräfte und sein Wissen. Er richtet seine Aufmerksamkeit nicht auf sein wahres Ziel. Der Mensch ist mit ungeheurer Kraft versehen. Deshalb ermahnen die Upanishaden den Menschen:

“Erhebe dich, erwache! Lasse nicht ab, ehe du nicht vollkommenes Verstehen erreicht hast! Du Einfaltspinsel! Wache aus diesem Schlaf der Unwissenheit auf! Richte deine Sicht auf das Strahlen der höchsten Weisheit! Befreie dich von Dumpfheit und Trägheit! Gib weltliche Wünsche auf und erkenne das weltliche Wesen der Welt.”

Obwohl Hiranyaksha und Hiranyakashipu alle Kräfte zur Verfügung standen, konnten sie doch keine Nähe zu Gott erlangen. Sie erforsch- ten die Mysterien der Schöpfung und konnten sogar die Stellung der Planeten verändern, aber sie konnten nicht einmal einen kleinen Aus- schnitt des göttlichen Prinzips erfassen. Aber Hiranyakashipus Sohn, der junge Prahlada, verwirklichte das göttliche Prinzip.

Hiranyakashipu fragte einst Prahlada, was er von seinen Lehrern ge- lernt habe. Prahlada gab zur Antwort: „Die Lehrer brachten mir viele

174 Dinge bei. Ich habe von den vier Zielen des menschlichen Lebens: Han- deln gemäss der von Gott gesetzten Ordnung, Wohlstand, Wunscher- füllung und Befreiung erfahren.“ Hiranyakashipu war begeistert, als er das hörte, und sagte: „O Sohn, mache mir die Freude, mich hören zu lassen, was du von deinen Lehrern gelernt hast.“ Prahlada antwortete: „Ich habe die Wahrheit erkannt, dass Gott allgegenwärtig ist. Wo immer ich hinschaue, finde ich ihn.“ Diese Worte erzürnten Hiranyakashipu, er stiess Prahlada von seinem Schoss und brüllte: „Du hast behauptet, die Lehrer hätten dir viele Dinge beigebracht, und das ist es, was du gelernt hast? Es wären viele Dinge in Bezug auf Wohlstand und Wunscherfüllung zu lernen, die für uns sehr wichtig sind. Aber du hast diese ignoriert und sprichst von Gott!“

Prahlada erwiderte sehr gelassen: „Wo ist Gott? Vater, glaube niemals, dass Gott an einem Ort sei, aber nicht an einem anderen. In Wirklichkeit ist er dort anwesend, wo immer du nach ihm suchst.“

Hiranyakashipus Ego war getroffen. „ Wie kann dieser junge Bursche es wagen, mich belehren zu wollen?“ Und er forderte Prahlada heraus: „Wenn Gott allgegenwärtig ist, kannst du ihn mir dann in dieser Säule zeigen?“ Sofort kam die Antwort: „Ja, ich kann es.“ Derartig war Prahla- das Glaube! Hiranyakashipu schlug umgehend mit seiner Streitaxt auf die Säule, und siehe da! Gott erschien aus der Säule! Worin liegt die innere Bedeutung dieses Vorfalls? Der Mensch kann nur dann Gott schauen, wenn er die Fesseln der Verhaftung an den Körper zerbricht. Trotz all seines Wissens ertrinkt der Mensch heutzutage in Unwissen- heit.

Wenn ihr unerschütterlichen Glauben und beständige Hingabe, ver- bunden mit einem stetigen reinen Herzen habt, könnt ihr Gott dazu brin- gen, vor euch zu erscheinen. Hier ist ein Beispiel dazu: Ihr schlagt die Milch, erhaltet die Butter daraus und erhitzt sie, um geklärte Butter zu erhalten. Wenn die Butter Wasser enthält, wird sie beim Erhitzen einen üblen Geruch ausströmen. Während des weiteren Erhitzens wird der Geruch allmählich nachlassen. Solange in der Butter Wasser ist, könnt ihr den schlechten Geruch nicht vermeiden. Das Wasser muss voll- ständig verdampfen. Butter repräsentiert das individuelle Wesen und die schlechten Neigungen in euch sind dem faulen Geruch vergleich- bar. Wenn ihr euch bemüht, die Butter vollständig zu schmelzen, wird der schlechte Geruch allmählich nachlassen. Wenn der Mensch spiri- tuelle Übungen durchführt, strömt während dieses Vorgangs der Ge-

175 stank übler Eigenschaften aus ihm hervor. Er sollte mit dieser spiritu- ellen Übung fortfahren und diese schlechten Neigungen überwinden. Je mehr spirituelle Disziplin er durchführt, desto mehr werden alle schlechten Neigungen in ihm gleich dem Wasser verdampfen, und schliesslich wird seine spirituelle Disziplin das gewünschte Ergebnis bringen, so wie reine Butter durch das Erhitzen der Butter gewonnen wird.

Jeder Mensch ist mit einem Körper, Geist, Intellekt und Gemüt verse- hen. Prahlada antwortete auf Hiranyakashipus entsprechende Frage: „Vater, ich bin weder der Körper noch der Geist noch der Intellekt noch das Gemüt. Ich bin die Verkörperung des Göttlichen Selbst.“ Wenn man frei vom Ego wird, keine Bindung an den Körper entwickelt und sich von den Launen des Geistes nicht täuschen lässt, wird man wie reine Butter bleiben. Wenn die Butter nicht frei von dem Wasser weltlicher Wünsche ist, wird sie ranzig riechen. Solange man weltliche Wünsche im Geist trägt, kann man dem faulen Geruch nicht entrinnen. Dieses Schicksal traf Hiranyaksha und Hiranyakashipu.

Auch heute noch gibt es viele, die Bhajans singen und Vorträge über spirituelle Themen halten, aber nicht in der Lage sind, sich von dem stinkenden Geruch weltlicher Wünsche zu befreien. Ehe sie die welt- lichen Wünsche nicht aufgeben, können diese Menschen den Zustand der Reinheit nicht erlangen. Sie sind an das materialistische Leben ge- wöhnt. Sie singen Bhajans, meditieren, usw. in der Absicht, ihre welt- lichen Hoffnungen zu erfüllen. Sie sind der mit Wasser vermischten But- ter vergleichbar. Man sollte auf dem spirituellen Weg keinen Raum für den Ekel erregenden Geruch weltlicher Wünsche geben. Manche Leu- te bezeichnen sich als Devotees, werden aber aufgrund ihrer Wünsche schlecht. Können solche Leute Devotees genannt werden? Nein, nein. Wären sie wirklich Devotees, wie könnten sie dann schlechten Geruch ausströmen? Ihr Körper, Geist, Intellekt und auch ihre Handlungen sind mit Unreinheit befleckt.

Devotees! Ihr solltet als erstes die Ursache des von euch ausgehenden üblen Geruchs erforschen. Euer Geist sollte im Auf und Ab des Lebens stetig und unerschütterlich bleiben. Euer Glaube und Vertrauen sollten stark sein. Nur dann könnt ihr ein friedvolles Leben führen. Obwohl Prahlada verschiedenen Arten der Bestrafung ausgesetzt war, blieben sein Glaube und Vertrauen felsenfest. Seine Liebe zu Gott liess kein bisschen nach. Für ihn war Liebe zu Gott sein Lebensatem selbst. Aber

176 die Gottergebenen von heute stehen im starken Kontrast zu Prahlada. Ihr Glaube schwankt so sehr, dass ihr Geist von der kleinsten Schwie- rigkeit verstört wird. Sie beginnen zu zweifeln und verlieren ihren gan- zen Glauben. Seinen Glauben und sein Vertrauen zu verlieren, kommt dem Verlust des Lebensatems selbst gleich. Geschehe was will: Ihr solltet mit unerschütterlichem Vertrauen mit eurer spirituellen Disziplin fortfahren. Das ist das Kennzeichen wahrer Hingabe. Hingabe besteht nicht allein darin, Bhajans zu singen, Rituale durchzuführen und den göttlichen Namen zu singen. Ihr solltet die Göttlichkeit fest in eurem Herzen verankern. Ihr solltet darauf achten, dass weltliche Wünsche keinen Platz in eurem Geist finden. Verbrennt alle Wünsche im Feuer der Weisheit ganz und gar zu Asche. Wenn auch nur eine Spur Welt- lichkeit in euch verbleibt, wird sie sich vervielfältigen und euch in die Irre führen. Um euch von schlechten Taten und schlechten Gewohn- heiten zu befreien, vergewissert euch, dass ihr nicht einmal den Hauch eines Wunsches in euch tragt. Aber aufgrund des Einflusses des Ei- sernen Zeitalters, füllen sogar Devotees ihre Herzen mit Wünschen an. Wünsche sind übel riechenden Schweinen vergleichbar. Man kann den Gestank eines Schweines nicht einmal von weitem ertragen. Wie kommt es dann, dass der Mensch in seinem Herzen so vielen „Schwei- nen“ Raum gibt?

Verkörperungen der Liebe! Wahrhaft gesprochen ist der Mensch sehr gesegnet, aber er wird von dem üblen Los weltlicher Wünsche verfolgt. Er ist nicht fähig, sich grössere Nähe zu Gott zu verdienen. Er liest viele Bücher und hält Vorträge, aber was bringt das? Seine Handlungen stimmen nicht mit seinen Worten überein. Er versucht, andere mit sei- nen Worten hinters Licht zu führen. Es reicht aus, wenn er wenigstens einen Bruchteil von dem, was er predigt, praktiziert. Sein Herz ist von Unwahrheit erfüllt, und seine Handlungen sind unrecht. Deshalb ist er nicht in der Lage, Frieden zu erfahren. Haltet euch von Unwahrheit und Unrecht fern. Die Veden ermahnen den Menschen: “Sprich die Wahr- heit und handle recht.” Wahrheit ist Gott. Wenn ihr die Wahrheit ver- gesst, wer kann euch dann schützen?

Verkörperungen der Liebe! Egal wie viele spirituelle Übungen ihr durch- führt, seid nicht stolz darauf. Reinigt als erstes euer Herz. Gebt dem ekligen Geruch weltlicher Wünsche keinen Raum. Füllt euer Herz mit dem Duft der Tugenden. Zollt den Worten übler Leute, deren einziger Wunsch darin besteht, den Geist der anderen zu vergiften, keine Be- achtung. Blosses Lesen von Büchern und Hören von Reden bringen

177 euch nicht viel Gewinn. Entwickelt in euch zuerst Beständigkeit und Hingabe! Durch beständigen Glauben wird Weisheit gewonnen.

Verkörperungen der Liebe! Welche spirituelle Disziplin solltet ihr durch- führen? Reinigt eure Herzen. Thiruthonda Alwar sagte einst: „Wenn je- mand keine Herzensreinheit besitzt, verdient er es nicht einmal, den göttlichen Namen Ramas zu singen.“ Was bringt es, den göttlichen Na- men mit einem verschmutzten Geist zu singen? Die Welt ist heutzutage von allen Arten der Verschmutzung heimgesucht. Die Gedanken, Wor- te und Taten des Menschen sind ebenso verschmutzt. Wie kann so je- mand Hingabe entwickeln? Die Menschen tragen heutzutage die Mas- ke der Hingabe und versuchen, andere zu betrügen. Führt andere nicht hinters Licht. Helft immer, verletzt niemals. In diesen Worten liegt die Essenz der achtzehn Puranas. Andere zu täuschen heisst, sich selber zu täuschen.

In der Welt ist die Zahl der so genannten Devotees angestiegen. Ich halte jetzt die Zeit für reif, euch ein paar wichtige Dinge mitzuteilen. Die eurem Herzen entspringenden Empfindungen müssen so rein wie die Gangesquelle sein. Worte reichen nicht aus wo Handeln vonnöten ist. Gedanke, Wort und Tat sollten eine Einheit bilden. Jemand dessen Ge- danke, Worte und Taten auseinanderklaffen ist ein schlechter Mensch. Der Mensch sollte den Menschen erforschen. Heutzutage stimmen Ge- danken, Worte und Taten nur in unwahren, unrechten und gewalttäti- gen Handlungen überein. Der Mensch, dessen Gedanken edel sein sollten und der verdienstvolle Taten ausführen sollte, tut genau das Ge- genteil.

Manche Leute machen im Namen Sais Geschäfte. Sie geben vor, Sai- Devotees zu sein und betrügen andere. Ich billige ein solches Verhalten nicht. Es sind überhaupt keine Devotees. Sie begeben sich in die ver- schiedenen Landesteile und auch ins Ausland, um im Namen Sais Geld zu machen. Das ist ein grosses Verbrechen. Ich bitte niemanden nicht einmal um einen Cent. Ich heisse solche Geschäfte niemals gut. Um wen auch immer es sich handelt, wenn jemand mit so einem krassen Motiv an euch herantritt, weist ihm sofort die Tür. Gewährt Geschäften keinen Zugang in den Bereich der Spiritualität. Man kann tun was man mag, um seine Familie zu erhalten, aber niemand sollte Geschäfte mit Sais Namen machen. Aber leider nehmen derlei Aktivitäten heute zu. Wir stossen in vielen Dörfern auf Leute, die den Namen Sais für ihre selbstsüchtigen Ziele missbrauchen. Dies geschieht sogar in vielen an-

178 deren Ländern wie Amerika, England, Japan, Deutschland, Singapur, Malaysia usw. Habt keine Verbindung mit so üblen Leuten. Haltet eure Herzen rein und heilig. Ansonsten gleicht ihr einem wandelnden Leich- nam. Solchen Leuten sollte kein Respekt gezollt werden. Es wäre bes- ser, ihr würdet ihre Begräbnisriten durchführen! Ihr solltet mit heiligen Empfindungen zu Gott beten. Wenn ihr weltliche Wünsche hegt, ent- fernt ihr euch von der Göttlichkeit.

Verkörperungen der Liebe! Ihr kommt voller Hingabe und Ernsthaftig- keit hierher. Lasst euch nicht von Leuten täuschen, die im Namen der Hingabe Geschäfte tätigen. Wir finden vielerorts Leute, die sich so nied- rigen Praktiken widmen. Bewahrt Sicherheitsabstand zu ihnen. Rennt weg von schlechter Gesellschaft, schliesst euch guter Gesellschaft an und handelt Tag und Nacht verdienstvoll. Ihr könnt eher in der Gemein- schaft von Schlangen leben, als die Gesellschaft solch übel gesinnter Menschen zu tolerieren. Obwohl wir so viele wohltätige Aktivitäten durchführen, habe ich niemals jemanden um einen Cent gebeten. Ihr alle seid euch dessen bewusst, dass ich mich nicht in Geldangelegen- heiten einmische. Aber die Menschen machen heutzutage Geld zu ih- rem Gott. Wie können solche Leute Devotees genannt werden? Ich habe euch zuvor davon erzählt. Ich habe ein Hilfsprogramm ins Leben gerufen, um für Waisen zu sorgen. Hunderttausend Rupien (ca. 2’500 Euro) werden in ihrem Namen angelegt, damit für ihre Bedürfnisse ge- sorgt ist. Ich habe diesbezüglich niemanden um irgendwelche Hilfe ge- beten. Aber manche Leute sammeln heute Geld ein mit der Behaup- tung, sie würden die gestiftete Summe Swami für diesen Zweck spenden. Andere wiederum verkünden, sie hätten die Verantwortung übernommen, sich um die Kinder zu kümmern. Gibt es ein schlimmeres Vergehen als dies? All diese Leute betrügen Gott. Es wäre besser, sie würden in den Strassen betteln, als meinen Namen zu benutzen, um Geld zu sammeln.

Heute Morgen traten einige der ehemaligen Studenten mit einer Bitte an mich heran. Ihr alle kennt C. Srinivas von Bangalore. Er schloss sei- ne Ausbildung in unserem Institut ab und diente einige Zeit als Leiter unseres Studentenwohnheims. Er wollte keine Stellung draussen an- nehmen, denn er wollte Swami dienen. Er befasst sich selbst immer mit solchen Aktivitäten, die Swami Freude bereiten werden. Er ist für unser Krankenhaus in Bangalore zuständig. Er sagte: „Nirgendwo sonst werden Ausbildung und medizinische Versorgung auf so hohem Standard allen kostenlos zu Verfügung gestellt. Du hast uns kostenlos

179 ausgebildet und dich mit so viel Liebe und Fürsorge um uns gekümmert. Wir wollen dir unsere Dankbarkeit zeigen, indem wir dir in unserer ei- genen bescheidenen Weise dienen.“ Er brachte einen Plan mit. Er will in Dörfern, wo sich keine Schulen befinden, Schulen errichten. Er woll- te, dass Swami dieses Projekt heute eröffnet. Ich riet ihm, nichts zu überstürzen. Die jungen Leute von heute wollen die Dinge schnell er- ledigen. Das ist nicht die rechte Einstellung. Beginne früh, fahre lang- sam und komme sicher an. Deshalb forderte ich ihn auf, langsam zu machen. Aber er entgegnete: „Swami, viele unserer ehemaligen Stu- denten sind hier versammelt. Ist es nicht unsere Pflicht, dir unsere Dankbarkeit auszudrücken für alles, was du für uns getan hast?“ Und er bat darum, Swami möge diesbezüglich eine Ankündigung machen. Ich stimmte zu. Ich werde zu guten Handlungen niemals „nein“ sagen. Diejenigen, die solche heiligen Aufgaben übernehmen wollen, sollten die Verantwortung dafür übernehmen und die Aufgabe sorgfältig aus- führen. Nur dann werden die ehemaligen Studenten ihre Leben heili- gen. In Chennai und Hyderabad sind viele unserer ehemaligen Stu- denten, die begierig darauf sind, Swami zu dienen. Aber unter gewissen Umständen müssen sie den Anweisungen der Älteren gehorchen. Wenn die Älteren dem falschen Weg folgen, werden die Jungen das- selbe tun. Was bleibt dann noch über das Schicksal unserer Organi- sationen in Madras und Hyderabad zu sagen übrig! Ich forderte sie auf, ein geeignetes Stück Land zu wählen und sagte, ich würde das Ge- bäude errichten. Aber es fehlt ihnen die nötige Hingabe und Ernsthaf- tigkeit. Sie tun nur so, als wären sie hingebungsvoll und aufrichtig. Ein solches unaufrichtiges Verhalten ist nicht gut für sie. Viele Leute dort erfahren dadurch Unannehmlichkeiten. Die Jungen wollen viele Dinge tun. Aber was können sie ohne Unterstützung der Älteren ausrichten? Die Älteren ergreifen selber nicht die Initiative noch erlauben sie den Jungen, eigenständig zu handeln. Swami braucht keinerlei Tempel- bauten. Swami ist nicht an Grundeigentum interessiert. Alles, was Swa- mi will, ist, dass ihr der Gesellschaft mit Glückseligkeit und ohne Ei- geninteresse dient. Wenn die Älteren euren Vorschlag nicht annehmen wollen, dann zollt dem keine Beachtung. Es ist ihr Los. Ihr, die Jugend, macht einen aufrichtigen Versuch. Helft den Hilflosen. Gebt den Hung- rigen zu essen. Rennt nicht herum und sucht die Hilfe anderer Leute. Wenn ihr irgendeine Hilfe braucht, kommt zu mir, Swami wird euch ohne zu zögern das Nötige geben. Sammelt keinen einzigen Paisa als Spen- de ein. Es gibt Leute, die hundert Rupien spenden und eine Selbstver- herrlichung, die tausend Rupien wert ist, daraus machen. Ich bin an sol- chen Aktivitäten nicht interessiert. Wenn Swami gleich einem Berg an

180 eurer Seite steht, warum solltet ihr dann bei irgendjemandem Beistand suchen? Unterwerft euch niemandem. Sie werden nur hohe Philoso- phie predigen, die der Selbstverherrlichung dient. Nicht nur in Indien ist diese Situation vorherrschend. In der ganzen Welt, ob in England, Japan oder Deutschland, findet dieselbe Art von Geschäft statt. Von überall kommt dieselbe Art von Nachrichten über solche Transaktio- nen. Swami erhält viele solcher Informationen. Ich empfinde das alles als Ärgernis. Das ist nicht die Art Information, die Swami hören will. Was Swami am liebsten hören will, ist, dass es allen gut geht und alle Glück und Glückseligkeit geniessen. Mit Swamis Namen Geschäfte zu ma- chen, ist hochgradig abstossend und bedrückend. Im Bereich der Hin- gabe kann kein Handel stattfinden. Sogar das salzige Meer mag in der Lage sein, Trinkwasser zu geben; aber diese Art der Hingabe ist nutz- los. Es ist schon spät. Swami wirbt niemals bei irgendjemandem um Spenden noch hat er Mittelsleute für die Verbreitung seiner Botschaft. Ich habe mit solchen betrügerischen Leuten keinerlei Verbindung ir- gendwelcher Art. Swami braucht keinen materiellen Wohlstand. Mein einziges Bedürfnis ist wahre Liebe. Gebt Liebe und erhaltet Liebe zu- rück. Das ist der einzige Tausch. Erfüllt mit dieser Liebe euer Leben. Es gibt keine grössere Hingabe als Liebe. Jeder kleine mit Liebe aus- geführte Dienst reicht aus. Wenn ihr einem durstigen Menschen mit Lie- be ein Glas Wasser reicht, ist das mehr als genug. In Wirklichkeit sind nahezu 90 Prozent der so genannten Devotees falsch. Früher war es ganz anders. Es gab nur wenige Devotees, aber sie waren echt. Heut- zutage gibt es zu viele eigennützige Betrüger, die sich als Devotees verkleiden. Als Erstes schmücken sie morgens ihre Stirn mit Vibhuti, schlingen ein Halstuch um ihren Nacken und schweifen als Devotees verkleidet frei umher. Sogar die Strassenköter, die nach etwas Essba- rem herumschnüffeln, sind besser als solche Pseudo-Devotees.

Verkörperungen der Liebe! Entwickelt Liebe in euch. Swami braucht keine Tempel oder Rasthäuser. Der Tempel eures Herzens ist mehr als genug. Ich werde mich freudig darin aufhalten. Die Nachrichten, die ich von den so genannten Tempeln erhalte, sind höchst betrüblich für mich. Das Ausmass an Pein, das ich deswegen erfahre, liegt jenseits eurer Vorstellungskraft. Verübt keine schlechten Taten im Namen Got- tes. Wenn ihr nicht fähig seid, Gutes zu tun, haltet wenigstens den Mund und bleibt fern. Es ist nicht nötig, dass ihr alle Arten wilder Verspre- chungen macht. Freut euch im Stillen und in Liebe an der Glückseligkeit der Göttlichkeit. Weil Menschen aus der ganzen Welt hier versammelt sind, muss ich diese barschen Worte sagen. Habt mit Menschen, die

181 im Namen Sais kommerzielle Transaktionen durchführen, nichts zu tun. Schickt sie, ihre Sachen zu packen. Wenn ihr irgendetwas braucht, dann fragt mich. Ich habe niemanden getäuscht oder im Stich gelassen noch werde ich das jemals tun. Keine Unwahrheit wird von meinen Lip- pen kommen. Es ist mein Wunsch, dass von keinem der echten De- votees irgend so eine unerwünschte Handlung verübt wird. Wenn ich früher Mumbai besuchte, sah ich überall Menschen Bhajans singen, unabhängig von Zeit und Ort, den Flughafen eingeschlossen. Heute ist kaum jemand zu sehen, der auch nur den Namen irgendwo in der Öf- fentlichkeit singt. Natürlich gibt es eine Reihe Devotees, aber sie sind zu scheu, sich in der Wiederholung des Namen Gottes zu engagieren. Früher bin ich durch verschiedene Städte wie Chennai, Mumbai, Hy- derabad usw. gereist. Aber ich habe derzeit keine Neigung, irgendwo hinzugehen. All diese Orte sind mit solch üblen Leuten überfüllt. Es ist für uns von höchster Wichtigkeit, sie loszuwerden, und die göttlich ge- sinnten Menschen zu ermutigen. Gott verlässt niemals irgendjeman- den. Alle sind sein. Gott macht keinerlei ungerechte Unterscheidung. Nur Menschen empfinden Hass; Gott trägt keinen Hass in sich. Gott ist nichts als die reine Verkörperung göttlicher Liebe. Ihr alle solltet ver- suchen, diese Liebe in euren Herzen zu erlangen. Ich werde euch mor- gen in der Abschlussveranstaltung mehr darüber, was ihr zu tun oder zu lassen habt, sagen. Ich bin nicht daran interessiert, diese Halle bis zum Rand voll gestopft zu sehen. Ich will nur Qualität, nicht Quantität. Ein Teelöffel Kuhmilch ist besser als Tonnen von Eselsmilch. Wenn wir eine Handvoll Menschen mit erhabenen Herzen haben ist das genug. Die Landesvorsitzenden der Organisation und die Mitglieder des Trusts sollten die nötigen Schritte in die richtige Richtung unternehmen; an- sonsten ist es besser, sie treten zurück. Wir werden selber die Verant- wortung dafür übernehmen. Der Präsident der Sai Organisation für ganz Indien sollte hart mit solchen Leuten umgehen und sie umgehend aus ihren Verantwortlichkeiten entlassen. Ich bin zutiefst gepeinigt über die gegenwärtige Lage in unserer Organisation. Obwohl ich dieses Empfinden seit einiger Zeit in mir trage, habe ich auf eine geeignete Gelegenheit gewartet, dem Ausdruck zu geben. Da so viele von euch aus verschiedenen Teilen der Welt heute hier versammelt sind, emp- fand ich dies als die geeignetste Gelegenheit, meine Empfindungen auszudrücken.

Verkörperungen der Liebe! Helft immer, verletzt niemals. Als Mitglieder der Sathya Sai Organisationen solltet ihr dem ewigen Weg der Wahr- heit folgen. Manche Leute tun so, als ob sie demütige Devotees wären,

182 solange sie sich innerhalb der Pforten von Prashanti Nilayam aufhalten. Aber wenn sie diesen Bezirk verlassen, kehren sie auf ihre alten Pfade zurück. Solch üble Charakterzüge sollten zu Asche verbrannt werden. Entwickelt in euch göttliche Empfindungen. Gott ist immer bereit, euer Gebet zu erhören. Hegt diesbezüglich niemals Zweifel. Gott ist immer in euch, mit euch, um euch herum, über euch und unter euch. Gott wird niemals fern von euch sein. Entwickelt deshalb Gottvertrauen.

Verkörperungen der Liebe! Nur aus meiner unermesslichen Liebe zu euch habe ich in dieser Weise zu euch gesprochen. Versteht das, was euch übermittelt wurde und erklärt es den anderen Devotees. Hingabe muss in einer stillen aufrichtigen Weise kultiviert werden. Verderbt euer Leben nicht, indem ihr unaufrichtige Wege einschlagt. Sprecht die Wahrheit. Wahrheit ist Gott. Führt deshalb ein wahrhaftiges Leben und geht schliesslich in die Wahrheit ein. Bringt morgen all eure Zweifel zu mir; ich werde sie klären. Haltet euch als Erstes von schlechter Gesell- schaft fern. Ich fordere euch nicht auf, für mich zu arbeiten. Ich will von euch nichts für mich. Ich verrichte all meine Arbeit selbst. Ich suche nicht die Hilfe anderer. Ich bräuchte es nur zu wollen, und die ganze Welt würde mir helfen. Helft also euch selbst, dient der Gesellschaft und ent- wickelt eure Leben zu idealen Leben.

Verkörperungen der Liebe! In den letzten vier Tagen waren viele De- votees sehr besorgt darüber, dass Swami durch den Schmerz, den er auf sich genommen hat, leidet. Erkennt, dass Swami überhaupt keinen Schmerz leidet, denn er hat es aus seiner Liebe heraus auf sich ge- nommen. Wie kann es mir Schmerz bereiten, wenn ich das Leiden mei- nes Devotees gemildert habe? Aber es gibt diesbezüglich gewisse Re- geln und Richtlinien, die einzuhalten sind. Ich habe den Schmerz von jemandem genommen. Deshalb muss ich das so viele Tage lang er- tragen, wie der betreffende Mensch es normalerweise getan hätte. Es bereitet mir keinerlei Schwierigkeit. Wenn ich wirklich unter dem Schmerz leiden würde, wäre es mir dann möglich, so lange zu euch zu sprechen? Ich leide nicht; das Leiden hat sich in meiner Liebe auf- gelöst. Alle sollten glücklich, glückselig und zufrieden sein. Das ist es, was ich wünsche. Sorgt euch nicht wegen dieser Angelegenheit. Ich leide nicht. In Wirklichkeit bin ich bereit, all euer Leiden anzunehmen. Seid immer glücklich. (Ansprache anlässlich der internationalen Seva-Konferenz, Prashanti Nilayam)

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23. Juli

Spiritualität ist das erste Ziel

Trotz aller Freuden und Annehmlichkeiten findet der Mensch keinen Frieden, weil er die menschlichen Werte ausser Acht lässt. Diese Wahrheit verkündet Sai.

Verkörperungen der Liebe, der Mensch sollte weder nach Glück noch nach Leid streben. In Wirklichkeit sind Glück wie Leid vergänglicher Na- tur. Die Aufgabe des Menschen besteht darin, Freude und Leid zu tran- szendieren und in der Einheit von Freude und Leid die Göttlichkeit zu verwirklichen. Freude wie Leid sind nicht das, was die Menschheit an- nehmen und achten sollte. Noch während ihr glücklich seid, wird euch Schmerz begegnen. Und entsprechend winkt euch schon das Glück, während ihr noch unter Schmerz leidet. Seit alten Zeiten haben sich etliche grosse Weise darum bemüht, sich über die Gefühle von Freude und Leid zu erheben. Sie erkannten, dass nur in leidvollen Zeiten das göttliche Wesen im Menschen zum Ausdruck kam. Mehr als Glück hilft Leid dem Menschen auf vielfache Weise. Freude entsteht allein aus dem Zustand des Leids. Leid ist die Hauptquelle des Glücks im Men- schen.

Liebe ist das Hauptprinzip der neun Wege der Hingabe: Zuhören, Sin- gen, an Gott denken, den Lotosfüssen dienen, Verneigen, Gottes- dienst, Dienstbereitschaft, Freundschaft und Ergebung. Der Mensch kann nur aus Leid Glückseligkeit beziehen. Die alten Weisen erfuhren und verkündeten, dass Glückseligkeit allein aus dem Zustand des Leids hervorgehe. In derselben Weise, wie ihr Glück willkommen heisst, soll- tet ihr auch Leid begrüssen.

Nicht nur in Indien, sondern in allen Ländern der Welt sind die jungen Menschen die zukünftigen Führer. Mengenmässig steht mehr Geld zu Verfügung als man dafür kaufen kann. Mit Geld kann man alles Mate- rielle erwerben. Aber die materiellen Güter sind nicht so wichtig. Der Mensch vergeudet heute sein Leben, indem er dem Geld hohe Bedeu- tung beimisst und bloss dem materiellen Wohlstand hinterherrennt. Der Mensch sollte als Erstes den Reichtum der Liebe erlangen. Mit diesem Reichtum der Liebe kann man alles andere erhalten.

In den letzten drei Tagen diskutierten in dieser Konferenz die Delegier- ten, die junge Erwachsene, Menschen mittleren Alters und alte Men- schen umfassten, verschiedene Themen. Was ist das Ergebnis dieser Diskussionen? Egal welche Texte man studiert und welche spirituellen Übungen man durchführt: Wenn der Mensch in seinem Herzen nicht das Empfinden der Liebe kultiviert, ist alles vergeudet. Der Mensch soll- te heutzutage das Liebesprinzip erkennen und verwirklichen. Das ist das wahre Ergebnis von Hingabe. In der heutigen Welt jagen Eltern, Kinder, und selbst Ehefrauen dem materiellen Wohlstand hinterher. Kaum jemand strebt nach beständiger, selbstloser und göttlicher Liebe. Geld allein hilft einem nicht, sein Leben zu führen. Gottes Liebe ist we- der durch Geld, Bildung noch durch spirituellen Übungen zu erlangen. Nur wenn man, um der Liebe selbst willen, reine bedingungslose Liebe darbringt, ist es möglich, die Göttlichkeit zu erreichen. Die Menschen erleben heutzutage so viele Schwierigkeiten, ohne das fundamentale Wesen dieser reinen Liebe zu erkennen und zu verwirklichen. Sie mü- hen sich sehr ab, ohne dieses Prinzip zu verstehen. Sie beschäftigen sich nur mit dem weltlichen körperlichen Aspekt der Liebe. Durch kei- nen anderen Weg als durch Liebe allein, könnt ihr die Göttlichkeit er- reichen. Wenn ihr die Göttlichkeit erreicht, ist alles erreicht; wenn ihr die Göttlichkeit nicht erreicht, ist alles andere vertan. Aber der Mensch bemüht sich heute überhaupt nicht um die Verwirklichung dieser Wahr- heit. Er glaubt, man solle zuallererst materiellen Wohlstand erwerben und bemüht sich auf vielfache Weise darum, diesen zu erlangen.

Verkörperungen der Liebe! Strebt nach Liebe; setzt alles daran, diese Liebe zu erreichen. Liebe ist euer wahrer Besitz. Erkennt diese Wahr- heit. Kein Besitz ist grösser und wertvoller als Liebe. Auch wenn etwas davon existiert, reicht es nicht aus, um das Ziel des Lebens zu errei- chen. Versucht deshalb, die im Herzen eines jeden Menschen offen- barte Liebe zu erkennen. Nur wenn ihr dieses Liebesprinzip erkennt, habt ihr euer eigenes wahres Wesen verwirklicht. All die indischen ve- dantischen Schriften rufen dazu auf, das eigene wahre Wesen zu ver- wirklichen. Wenn es heisst: „Erkenne dich selbst“ – was ist damit ge- meint? Was soll erkannt werden? Wie ich gestern sagte: Ihr seid weder der Körper noch der Geist noch der Intellekt noch eure Gefühle. Ihr müsst die Quelle erforschen und erreichen, aus der all diese hervor- gegangen sind.

186 Angenommen ihr wollt Ghee (geklärte Butter). Milch ist der Ursprung von Ghee. Aus Milch entsteht Joghurt, aus Joghurt Butter und aus But- ter Ghee. Wenn ihr nur an den Joghurt, die Butter und das Ghee denkt, verschwendet ihr eure Zeit. Wenn ihr euch also zu der Quelle selbst, nämlich Milch, begeben würdet, wie glücklich könntet ihr sein! Wenn ihr das Meer des weltlichen Lebens quirlt, erhaltet ihr nur Friedlosigkeit daraus. Ihr glaubt, ihr würdet Butter daraus bekommen; aber es ist kei- ne reine Butter. Aufgrund ihres Wassergehalts stinkt die Butter. Nur wenn ihr die Butter verwandelt, indem ihr sie erhitzt und das Wasser in Form von Dampf verschwindet, erhaltet ihr reines Ghee.

Verkörperungen der Liebe! Ihr seid weder Körper, Geist, Intellekt, Sinne noch die Antahkarana. Ihr seid das ursprüngliche zugrunde liegende Prinzip, das Göttliche Selbst. Milch ist das zugrunde liegende Prinzip. Wenn ihr Milch habt, habt ihr zugleich die Butter und das Ghee. Aber ihr wollt die Milchprodukte und verschwendet dadurch eure Zeit.

Die Mitglieder der Sri Sathya Sai-Organisationen führen heutzutage verschiedene Arten spiritueller Disziplin durch. Aber ihr solltet wissen, ob ihr euch auf dem rechten wahrhaften ewigen Weg spiritueller Dis- ziplin befindet. Die Antwort lautet: Nein, es sind nicht wirklich spirituelle Übungen, obwohl sie so erscheinen. Sie scheinen eine Zeitlang wirklich zu sein, und später gebt ihr sie wieder auf. Ihr beginnt mit der Rezitation eines Gottesnamens mit Hilfe eines Rosenkranzes, als spiritueller Übung und macht dies eine Zeitlang. Später gebt ihr diese Disziplin auf und beginnt zu meditieren. Sogar diese Meditation währt nur so lange, bis ihr das Ziel eurer Meditation erreicht habt. Wenn das Ziel erreicht ist, verliert die Meditation ihren Zweck. In dieser Weise sind eure gan- zen spirituellen Übungen vergänglich. Durch zeitweilige spirituelle Übungen vorübergehende Ergebnisse zu erhalten und ein vergängli- ches Leben zu führen, ist keine grosse Errungenschaft. Ihr müsst das zu erreichen suchen, was andauert. Ihr solltet deshalb dem wahren, ewigen Weg folgen, der zu Glückseligkeit führt.

Ihr müsst immer, jederzeit und an jedem Ort, eure Zeit in der bestän- digen Besinnung auf Gott verbringen. Ihr solltet in allen Situationen überall in Meditation sein. Dies sollte zu eurem wahren Lebensatem werden und euch so natürlich sein wie das Ein- und Ausatmen. Das ist der rechte Weg, den ihr bis zum Ende eures Lebens gehen solltet. Der regelmässige Atemvorgang selbst ist bereits eine spirituelle Dis- ziplin. Es ist das Prinzip von So’ham. Diese unablässige Besinnung auf

187 das So’ham-Prinzip (ich bin er, ich bin Gott) ist eine wahre spirituelle Disziplin. Woher stammt dieses “So’ham“? Es kam aus der Frage “ko’ham“ - “wer bin ich“? Die Antwort auf diese Frage lautet “So’ham“, „ich bin Gott“. Ihr solltet in eurem Leben in jeder eurer Handlungen nach der darin liegenden Antwort suchen. Ihr solltet diese ewige Wahrheit erkennen. Nur wenn ihr diese ewige Wahrheit erkennt, wird euer spi- rituelles Bemühen Frucht tragen.

Ihr errichtet heutzutage das Gebäude eures Lebens auf einer Wasser- blase, ohne zu wissen, wann diese Wasserblase platzen wird. Das menschliche Wesen sollte auf der ewigen Wahrheit ruhen, nicht auf et- was Vorübergehendem wie der Wasserblase. Heutzutage wird das menschliche Leben immer unsteter. Adi Shankaracarya beschrieb denselben Sachverhalt in einem seiner berühmten Verse des Bhajago- vinda:

“O Mensch! Brüste dich nicht mit deinem Reichtum, deiner Familie, deinen Freunden und deiner jugendlichen Kraft. Die Zeit wird alles im Nu zerstören.”

In dieser Welt ist nichts von Dauer. Warum solltet ihr euch dann auf solch vergängliche Dinge verlassen? Das Göttliche Selbst (atman) al- lein ist ewig. Atman wird auch als Brahman bezeichnet. Brahman sym- bolisiert die Göttlichkeit. Dieses Brahman-Prinzip wird auch als gross, weit und gewaltig beschrieben. Dieses Atman-Prinzip ist das Göttliche Selbst. Dieses ist wahr und unvergänglich. Ihr müsst euch deshalb dar- um bemühen, dieses wahre ewige Atman-Prinzip zu verwirklichen. Ihr müsst die zugrunde liegende Einheit von Atman und Brahman erken- nen. Sie scheinen verschieden zu sein, aber in Wahrheit haben beide die gleiche innere Bedeutung. Dieses reine makellose Brahman-Prin- zip ist ständig mit euch, in euch, um euch herum, ob ihr euch im Wach- oder Traumzustand oder im Tiefschlaf befindet. Allein dieses Brahman- Prinzip ist immer mit euch. Brahman ist die in der menschlichen Form anwesende Göttlichkeit. Und diese Göttlichkeit ist in euch. Ihr seid die- ses Brahman-Prinzip. Es liegt nicht ausserhalb eurer Reichweite. Aus diesem Grund ist es vergeblich, Gott an irgendeinem fernen Ort zu su- chen. Gott ist in euch, mit euch, über euch, unter euch und überall. War- um solltet ihr diese allgegenwärtige Göttlichkeit woanders suchen?

188 Der Mensch verschwendet heute seine kostbare Zeit, indem er der Er- füllung körperlicher, weltlicher und künstlicher Wünsche hinterherjagt. In Wahrheit sind all eure Wünsche niedrig. Es ist in allen Bereichen, dem physischen, weltlichen, seelischen und spirituellen ein und das- selbe. Heutzutage ist das Leben des Menschen von Selbstsucht und Eigeninteresse erfüllt. Sie zerstören die menschliche Natur. Manche Menschen fragen: „Wie können wir ohne Eigeninteresse in dieser Welt leben?“ Eure Selbstsucht ruiniert euer Leben. Aber lasst mich euch sa- gen: Dies ist nicht der rechte Weg, ein sinnvolles Leben zu führen. Ihr glaubt fälschlicherweise, ihr würdet der Gesellschaft helfen und ihr die- nen. Nein, ihr helft der Gesellschaft in Wirklichkeit nicht, sondern ihr ver- letzt sie, ihr verletzt sie, ihr verletzt sie. Ihr verletzt die Gesellschaft und schadet ihr. Im Namen der Hilfe für die Gesellschaft täuscht ihr die Ge- sellschaft und schadet ihr in Wirklichkeit.

Was ist diese Gesellschaft? Wie ich euch neulich in meiner Ansprache sagte, setzt ihr euch selber an die erste, die Gesellschaft an die zweite und die Spiritualität an die dritte Stelle. Aber an erster Stelle sollte die Spiritualität kommen, dann die Gesellschaft und danach der Einzelne. Die Einheit dieser drei (spirituality, association, individuality) ist SAI. Die Menschen müssen deshalb die Göttlichkeit (Spiritualität) an die er- ste Stelle setzen. Mit dieser Göttlichkeit könnt ihr euch der Gesellschaft anschliessen. Wenn ihr das Ziel der Gesellschaft erreicht habt, solltet ihr mit der Erforschung der Frage „Wer bin ich?“ beginnen. Nur wenn ihr erkennt, wer ihr wirklich seid, werdet ihr die Gesellschaft verstehen können. Wenn ihr so die Gesellschaft versteht, seid ihr in der Lage, die Göttlichkeit in der Form der Gesellschaft zu erkennen und zu verwirk- lichen.

Wie Srinivas euch mitteilte, will er mit der Errichtung von Grundschulen als Grundlage beginnen, damit die Kinder erhabene Ideale entwickeln können. Wir beginnen heute also mit der Grundschule. Was ist die Grundschule? Entwickelt eure Individualität und schliesst euch der Ge- sellschaft an. Erkennt als Erstes euer wahres Wesen. Erkennt euch selbst. Dann kennt ihr auch alles andere. Ihr müsst alles daransetzen, dieses Prinzip zu erkennen.

Verkörperungen der Liebe! Ihr seid nicht in der Lage, Spiritualität in der rechten Weise zu verstehen. Aber auch um die ewige Wahrheit zu ent- decken, müsst ihr bestimmte weltliche Wege zu Hilfe nehmen. Zwei- fellos braucht ihr als Erstes Nahrung für den Körper. Nahrung für den

189 Geist, und der Geist für Gott. Ihr solltet deshalb das essen, was eurer spirituellen Entwicklung förderlich ist. Diejenigen, welche die Göttlich- keit erreichen wollen, sollten niemals mit etwas Unreinem in Berührung kommen. Ihr solltet immer reines, gutes Essen wie Gemüse, grünes Blattgemüse und dergleichen zu euch nehmen. Ihr solltet niemals un- reine Speisen wie Eier, Fleisch und dergleichen essen. Diese Nah- rungsmittel verschmutzen euer ganzes Leben. Dieses unreine Essen solltet ihr sofort aufgeben. Ihr solltet berauschenden Getränken und Drogen völlig entsagen. Wenn ihr solche Sachen konsumiert, werden all eure Sinnesorgane geschwächt. Alkohol ist der spirituellen Disziplin überhaupt nicht zuträglich. In der spirituellen Disziplin muss man die Ebene der Ekstase, den Zustand, indem man sich selbst vergisst, in natürlicher Weise, nicht durch künstliche Mittel wie Drogen und Alkohol erreichen. Dieser so genannte Rausch ist künstlich, der Zustand der Selbstvergessenheit, Ekstase, ist natürlich. Alles, was mit der Göttlich- keit zusammenhängt, kommt auf natürliche Weise zu euch. Das be- tonte auch der Weise Narada, indem er erklärte:

“Ihr müsst in natürlicher göttlicher Berauschung versinken, nicht in künstlich durch Drogen und Alkohol herbeigeführtem Rausch. Das We- sen des Menschen wird durch das Konsumieren von Fleisch und be- rauschenden Getränken dämonisch. Nicht nur das. Eurer Nahrung sind gewisse Rauschmittel beigemischt. Ihr solltet nichts davon zu euch nehmen. Auch Arzneien enthalten Bestandteile, die einen in einen Rauschzustand versetzen. Ihr solltet diese Medikamente nicht einneh- men. Auch wenn ihr zu leiden habt, es ist unwichtig. Unter keinen Um- ständen solltet ihr solche Rauschmittel und Arzneien zu euch nehmen.”

Verkörperungen der Liebe! Ihr führt viele spirituelle Disziplinen durch. Etliche Menschen trinken Milch und essen Joghurt in der Annahme, das sei reine Nahrung. Genau genommen sind sie nicht rein. Sogar solche Nahrungsmittel enthalten berauschende Bestandteile, weshalb wir sie nur in begrenzter Menge zu uns nehmen dürfen. Nur weil es Joghurt ist, kann man ihn nicht unbegrenzt essen. Alles sollte sich in Grenzen halten. Bei allem was ihr esst müsst ihr bestimmte Zeiten, Normen und Grenzen einhalten: Wenn ihr hungrig seid, solltet ihr nicht essen bis ihr voll seid. Ihr müsst dann mit dem Essen aufhören, wenn Ihr glaubt, ihr könntet noch mehr vertragen. Wenn ihr euren Magen voll stopft, führt das zu Dumpfheit, Trägheit und Unwissenheit. Ihr alle führt spirituelle Übungen durch, aber wissentlich oder unwissentlich schleichen sich Fehler ein. Ihr setzt euch hin um zu meditieren, aber was ist die Be-

190 deutung von Meditation? Ihr glaubt, Meditation bestünde darin, sich zu konzentrieren. Nein, Konzentration ist nicht gleichbedeutend mit Me- ditation. Ihr vollführt in eurem täglichen Leben verschiedene Dinge mit Konzentration, ohne dass sie dadurch schon zur Meditation würden. Konzentration ist keine spirituelle Disziplin, sondern der Weg des täg- lichen Lebens. Hinsichtlich spiritueller Disziplin müsst ihr sehr achtsam sein. Manche Menschen glauben, bewegungslos zu sitzen sei eine spi- rituelle Disziplin und etwas Grossartiges. Das stimmt nicht. Der Körper bewegt sich und der Geist schwankt. Ihr solltet den schwankenden Geist unerschütterlich und stetig machen. Aus dem schwankenden Wesen heraus Stetigkeit zu erreichen, ist wahre Meditation. Meditation bedeutet nicht, mit geschlossenen Augen dazusitzen. Das ist zur Ge- wohnheit geworden, die durch tägliche Wiederholung zur Routine und schliesslich zu Zeitverschwendung wird. Der Geist wird noch rastloser, auch wenn er eine gewisse Zeitlang stetig zu sein scheint. Aber das ist nicht wahre Meditation. Ihr habt schwankende Ideen. Ihr solltet euch in dem Gedanken verlieren, dass ihr nicht vergänglich, sondern das ewige wahre Göttliche Selbst sind. Das veränderungslose stetige At- man-Prinzip, das von dem Vergänglichen umgeben ist, sollte erkannt werden. Viele Menschen folgen einem spirituellen Weg, der nur einige Zeit lang funktioniert, sich aber später als vergeblich herausstellt. Ihr solltet niemals dem Vergänglichen folgen.

Ihr solltet nie empfinden, Gott sei irgendwo an einem entfernten Ort, und ihr würdet diesen Gott gerne im Tempel eures Herzens verankern. Ihr solltet die fundamentale Wahrheit erkennen, dass die Göttlichkeit in euch liegt. Ihr müsst euer eigenes göttliches Wesen verwirklichen. Ihr solltet nicht nur die Göttlichkeit in euch schauen, sondern auch an- deren helfen, sie zu sehen. All eure spirituellen Übungen gleichen heut- zutage Schwertern, die in einem Schauspiel auf der Bühne, dessen Wesen künstlich ist, benutzt werden. Sie sind nur für das Schauspiel, nicht aber im wirklichen Leben nützlich. Ihr müsst jede Anstrengung un- ternehmen, die Täuschung zu beseitigen. Ihr müsst euch von dieser Täuschung fernhalten.

Verkörperungen der Liebe! Wissentlich oder unwissentlich führt ihr ba- sierend auf dem, was ihr für richtig haltet, spirituelle Disziplinen durch. Wenn ihr wissen wollt, was wahre Meditation ist, fragt mich. Ich werde es euch erklären. In Wirklichkeit braucht ihr keinerlei spirituelle Übun- gen durchzuführen. Tut, was ich sage, und ihr werdet das Ergebnis da- von augenblicklich erhalten. Göttlichkeit wird nicht durch spirituelle Dis-

191 ziplinen erworben, sondern sie wird geschenkt. Jeder praktiziert spirituelle Disziplin, indem er sich an bestimmte Formen bindet und ver- sucht in diesem Prozess, die Herrlichkeit seiner eigenen Form zu eta- blieren! Das ist nicht richtig. Ihr solltet eure eigene Form vergessen und euer Bewusstsein in der Göttlichkeit verlieren. Wenn ihr an der Form festhaltet und darin hängen bleibt – wie könnt ihr dann spirituelle Dis- ziplin ausüben? Was bringt das? Was bringt es, zu meditieren, wenn ihr euch dabei ständig auf die eigene Form konzentriert? Wenn jemand euch fragt, was ihr da tut, gebt ihr zur Antwort, ihr würdet meditieren. Wie könnt ihr wissen, dass ihr meditiert? Solange ihr euch eurer Me- ditation bewusst seid, wie kann man da von Meditation sprechen? Es zeigt, dass ihr nicht wahrhaft meditiert. Ihr solltet euch selbst verges- sen. Meditation ist der Vorgang, in dem ihr euer eigenes Selbst ver- gesst. Wenn ihr euer Selbst transzendiert, ein reines Gewissen entfaltet und euch in der Ewigkeit eures göttlichen Prinzips verankert, ist das Meditation. Wenn ihr das nicht erreicht, ist die Meditation vergebens und in Wirklichkeit Betrug.

Verkörperungen der Liebe! Entwickelt reine und heilige Liebe. Ihr lauft verschiedenen Respektspersonen, spirituellen Suchern und Gurus hinterher und versucht, ihre Schüler zu werden. Das ist nicht das wahre Guruprinzip. Konzentriert euch auf die eine Wahrnehmung der Gött- lichkeit, die bereits in eurem Herzen verankert ist. Ändert nicht immer wieder zwischendrin eure Gesinnung. Konzentriert euch auf eins und macht das unverrückbar zu eurem Ziel.

Buddha folgte demselben Prinzip. Eines Tages vergass Buddha sich selbst, verlor sich selbst und wurde eins mit der Göttlichkeit. Dann be- gann er, ziellos umherzustreifen. Sein Cousin Ananda erkannte seine Not und fragte ihn, warum er in dieser Weise ziellos herumwandere. Plötzlich erkannte Buddha, dass er sich mit seinem Körper identifiziert hatte, eins mit dem Körperbewusstsein wurde und nur rastlos seinen geistigen Impulsen gefolgt war, die vergänglich und aus dem Augen- blick geboren sind. Deshalb beschloss er, den Impulsen seines Geistes nicht mehr zu folgen. Er erkannte: „Es gibt im Grunde nur einen Geist, der die verschiedenen Leben hindurch unveränderlich bleibt. Diesen unveränderlichen und stetigen Geist sollte ich erlangen und das Wesen dieses unveränderlichen Geistes erkennen.“ Buddha beobachtete aus ganzem Herzen den Gedankenprozess. Er erkannte, dass aus dem Herzen selbst heraus der Geist erschaffen wird. Er erreichte Befreiung. Buddha erreichte Befreiung, weil er sich mit dem Wesen des Geistes

192 beschäftigte. Man sollte sich nie auf seinen Geist verlassen, der nur Phantasiegebilde erzeugt. Der Geist ist die Ursache für Rastlosigkeit. Er ist für beides verantwortlich, für Bindung an die Welt und für Befrei- ung. Vergesst den Geist. Diszipliniert den Geist, erreicht Gott und geht in diese Göttlichkeit ein. Das ist wahre Befreiung. Dies wurde auch von Ananda, dem Bruder Buddhas, wahrgenommen. Er verhielt sich ent- sprechend und in kurzer Zeit erlangte er ebenfalls die Befreiung.

Was macht das Wesen des menschlichen Körpers aus? Der Körper be- steht aus den fünf Elementen, er ist unwirklich, vergänglich und zer- störbar. Warum solltet ihr einem solchen Körper folgen? Wie könnt ihr damit das Ziel erreichen? Gebt die Verhaftung an den Körper auf. Ihr müsst diese Körperbindung aufgeben und euch an das Göttliche Selbst binden. Das ist wahre Meditation. Das ist wahre Entsagung. Das ist eure wahre Vereinigung mit Gott, eure wahre Freude, und diese Freude ist Glückseligkeit. Freude liegt nicht in weltlichem Vergnügen. Folgt dem Prinzip:

Sprecht immer die Wahrheit, sprecht sie in liebevoller Weise und äussert keine unangenehme Wahrheit.

Nur dann wird es euch gelingen, Befreiung zu erreichen. Etliche Men- schen streben nach Befreiung. Befreiung ist nicht so billig zu haben. Ihr solltet Gedanken und Gefühle aufgeben und den Geist disziplinie- ren. Der eigene Geist sollte vollkommen in Vergessenheit geraten. Das ist wahre Befreiung. Wenn ihr euch nur an die Launen der Gedanken, Gefühle und Vorstellungen haltet, wie wollt ihr dann Befreiung errei- chen? Nur wer seinen Geist beherrscht, kann Befreiung erlangen.

Verkörperungen der Liebe! Mir ist klar, dass ihr eine so grosse spiritu- elle Disziplin bisher niemals ausgeführt habt. Wir werden dem später nachgehen. Beginnt als Erstes damit, euch mit reiner Liebe auf die Gött- lichkeit zu besinnen. Nur dann werdet ihr spirituelle Kraft gewinnen.

Die Pandavas begannen mit der Einstellung „ich, ich, ich“. Später sag- ten sie „wir, wir, wir“ und schliesslich „alle“. Ihr sollten euch selbst nicht an die erste Stelle setzen. Ihr solltet dieses Ich aufgeben. Dann werdet ihr wahre Glückseligkeit erlangen. Auch wenn es erscheint, als wenn der Geist eine Zeitlang stetig wäre, solltet ihr euch nicht täuschen lassen. Er mag anfangs stetig erschei-

193 nen, aber wird euch später Leid bringen. Der Geist wird euch nicht er- lauben, weiterzugehen, sondern er wird beginnen, den rechten Weg in Frage zu stellen. Um künstlicher, augenblicklicher Befriedigung und Ergebnisse willen solltet ihr keine spirituelle Disziplin durchführen. Führt all eure spirituellen Disziplinen mit reiner Liebe aus. Entwickelt im Zustand der Meditation reine Liebe. Dann ist es wahre Meditation.

Verkörperungen der Liebe! Morgen ist Gurupurnima. Ich werde morgen über die Bedeutung von Gurupurnima sprechen. Der Guru kommt an Gurupurnima in seiner ganzen Lichtfülle. Ihr vergesst das wahre Wesen des Gurus, und bleibt mit nichts zurück. Das ist ein grosser Fehler. Be- wahrt das wahre Wesen des Gurus in eurem Herzen, transformiert euch in das Göttliche und werdet eins mit der höchsten Wirklichkeit. Morgen werden wir die Bedeutung von Gurupurnima zu erkennen suchen. (Vollständige Übersetzung der Ansprache in Prasanthi Nilayam)

194 24. Juli Gurupurnima

Entwickelt Weitherzigkeit und erfahrt Göttlichkeit

Der Mond erleuchtet nachts die Welt und die Sonne bei Tag. Rechtes Handeln erleuchtet die drei Welten, und ein edler Sohn schenkt seiner gesamten Sippe Licht.

Am Tag scheint die Sonne in aller Herrlichkeit, so dass die Menschen die Welt sehen können. Nachts spendet der Mond uns Licht. Rechtes Handeln und Verhalten, weist allen Wesen in allen drei Welten den idealen Weg. Entsprechend schenkt ein edler Sohn seiner ganzen Fa- milie durch sein beispielhaftes Verhalten Licht. Dennoch bezieht sich all dies auf die kurzlebige vergängliche Welt.

Kanada, der Begründer der -Philosophie, erfuhr und ver- breitete die Wahrheit der Allgegenwart Gottes. erkannte in je- dem Atom Gottes Existenz und beschrieb Gott sogar als die Verkör- perung des Atoms. Ohne das Atom könnte die Welt nicht existieren.

Anfangs existierte nichts im Universum. Sonne, Mond, Sterne, Erde, Himmel usw. waren nicht vorhanden. Überall herrschte nur tiefe Dun- kelheit. Die Verbindung von Atomen führte zur Bildung fester Materie sehr hoher Dichte, was viel Hitze erzeugte. Dann explodierte diese fe- ste Materie plötzlich mit einem grossen Knall in Stücke, die sich über- allhin verbreiteten. Dies war die Ursache der Schöpfung. Auch Kan- nada fand das heraus. Das OM ging als Klang aus diesem Urknall hervor. Dieser kosmische Urklang, OM, durchdringt alles. Er ging aus dem winzigsten Atom hervor. In dieser Schöpfung existiert nichts an- deres als das Atom. Kannada versuchte herauszufinden, wie man dies verstehen und verwirklichen könne. Schliesslich gelang es ihm, das Prinzip des kosmischen Urklangs zu verwirklichen. Um Befreiung zu erreichen muss der Mensch über diesen Urklang nachdenken.

Der kosmische Urklang OM ist wahrhaft die Göttlichkeit, die subtiler als das Subtilste und grösser als das Grösste ist. Sie durchdringt alles und verbleibt als der ewige Zeuge.

195 Kanada verkündete diese Wahrheit. Aus diesem Urklang gingen Son- ne, Mond, Erde, Himmel usw. hervor. Das Atom ist die Grundlage der gesamten Schöpfung. Jeder Mensch ist aus Atomen zusammenge- setzt. Ohne Atome existiert keine Materie. Aber der moderne Mensch ist nicht in der Lage, das Mysterium der Atome zu verstehen. Er hält die Lehren unserer alten Weisen, den Rishis, für blosse Märchen und macht sich über sie lustig. Er besitzt nicht die geistige Kapazität, die Heiligkeit der alten indischen Kultur zu verstehen. Er ist unfähig, ihre innere Wirklichkeit zu erfassen. Er errichtet Standbilder der alten Wei- sen und erhabener Seelen als Ausdruck seiner Achtung ihnen gegen- über; aber es gelingt ihm nicht, ihre Lehren zu verstehen und sie um- zusetzen. Der Mensch sollte ihre heiligen Formen nicht aussen, sondern auf dem Altar seines Herzens verankern und ihre Lehren be- folgen. Welcher Zeitperiode gehörte Kanada an? Vor zwanzigtausend Jahren rühmten die Menschen Kanada und seine Lehren. Kanada erkannte die Prinzipien von Wasserstoff und Sauerstoff. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Wasserstoff das Wasser und Sauerstoff Feuer repräsentiert. Die Leute messen heutzutage den Ent- deckungen der Wissenschaftler grossen Wert bei, aber sie verstehen und würdigen die grossen Wahrheiten nicht, die unsere Weisen auf der Grundlage ihrer Erfahrung lehrten.

Wie kann man die atomare Kraft verstehen? Obwohl sie dem physi- schen Auge nicht sichtbar ist, ist sie überall gegenwärtig. Das Wasser das wir trinken, die Nahrung die wir zu uns nehmen, die Worte die wir sprechen, der Klang den wir hören – alles ist von Atomen durchdrun- gen. Obwohl der Mensch sich auf Atomen bewegt, Atome isst und Ato- me trinkt, ist er nicht in der Lage, ihr Mysterium zu erfassen. Er glaubt, die Wissenschaftler allein könnten das Wesen der Atome erforschen. Der atomare Prozess ist höchst heilig. Wenn man diesen Vorgang in rechter Weise erforscht, kann man die Göttlichkeit verstehen. Dies war auch Kanadas Lehre. Aber heutzutage führt niemand eine rechte Un- tersuchung durch, um den atomaren Vorgang zu erfahren. Die Men- schen führen ihre Leben mit einer materialistischen Einstellung.

Einst machten Kaiser Shivaji und sein Minister einen Abendspazier- gang. Unterwegs trafen sie einen buddhistischen Mönch. Sofort setzte Shivaji seine Krone ab und verneigte sich vor den Füssen des Mönches. Dem Minister gefiel das nicht. Er war der Meinung, Kaiser Shivaji ent- würdige seine eigene Bedeutung, indem er sein Haupt vor den Füssen

196 eines gewöhnlichen Mönches verbeugte. Der Kaiser ahnte sofort das Gefühl seines Ministers und wollte ihm eine Lektion erteilen. Shivaji folgte dem Weg der Rechtschaffenheit und des Opfergeistes und setzte der Menschheit ein Vorbild.

Eines Tages wies er den Minister an, jeweils die Köpfe einer Ziege, ei- nes Schafes und eines Menschen zu beschaffen. Der Minister besorgte die Häupter einer Ziege und eines Schafes, ging dann zum Friedhof, schlug einer Leiche den Kopf ab und brachte die Köpfe zum Kaiser. Shivaji befahl ihm, sie auf dem Markt zu verkaufen. Die Köpfe des Scha- fes und der Ziege waren im Nu verkauft, aber niemand wollte den Men- schenkopf erwerben. Als diese Information den Kaiser erreichte, schlug er vor, ihn umsonst irgendjemandem zu geben. Der Minister nahm den Menschenkopf mit zum Markt und wartete dort ein paar Tage lang, aber trotz all seiner Anstrengungen wollte niemand den Kopf haben. Als dies dem Kaiser Shivaji mitgeteilt wurde, sprach er: “Oh Minister, es be- drückte dich, dass ich mein Haupt vor den Füssen eines Mönches beug- te. Erkenne, dass, wenn wir sterben, unsere Köpfe dasselbe Schicksal erleiden würden. Unsere Köpfe wären absolut wertlos. Deshalb sollten wir unser Leben heiligen, indem wir uns vor edlen Seelen verneigen.“

Materieller Reichtum und Position sind vergänglich. Wahrheit und rechtes Handeln allein werden beim Menschen bleiben und seinem Leben Erfüllung und Erlösung verleihen.

Der Körper wird geachtet, solange der Lebensatem als So’ham in ihm ist. Dieser Lebensatem ist der kosmische Urklang OM und die im Atom enthaltene Energie. Diese Energie hat ihren Ursprung in der Göttlich- keit. Niemand kann sie erschaffen. Kanada verkündete diese Wahrheit. Es ist sehr schwierig, die Macht eines Atoms zu erfassen. Gott ist in der Form eines Atoms. Die gesamte Welt ist die Manifestation des Atoms. Raum und Klang sind Ausdrucksformen des Atoms. Vernach- lässigt deshalb nicht das Prinzip des Atoms. In ihm liegt gewaltige Kraft. Seit langem haben die Wissenschaftler mit diesem Prinzip experimen- tiert. Es dauert 220’ 000 Millionen Jahre, ehe ein Atom zu seiner Quelle zurückkehrt. Es ist ziemlich erstaunlich, dass der Mensch nicht in der Lage ist, das hinter dem Atom liegende Mysterium zu ergründen.

Die Erde dreht sich um ihre eigene Achse und umkreist die Sonne. Wer ist für dieses Phänomen verantwortlich? Niemand kann dies erklären.

197 Weil die Erde sich um ihre eigene Achse dreht, haben wir Tag und Nacht. Weil sie um die Sonne kreist, können wir die für die Erhaltung unseres Körpers notwendige Nahrung bekommen. Für all dies ist der Göttliche Wille verantwortlich. Es ist der Göttliche Meisterplan, der dem Wohlergehen der Welt dient. Bis zum heutigen Tag hat niemand die Macht des Atoms in ihrer Totalität verstanden. Die Leute glauben, das Atom sei leblos. Diese Vorstellung ist falsch. Die Lebenskraft, welche die ganze Welt zusammenhält, ist auch im Atom gegenwärtig. Deshalb heisst es, Gott existiere sowohl im Mikro- als auch im Makrokosmos. Der Mensch sollte versuchen, das Geheimnis der Schöpfung zu ver- stehen. Er sollte seine Pflichten erkennen und sich entsprechend ver- halten. Es ist notwendig, dass der Mensch das atomare Prinzip erkennt. Wenn er dies versteht, hat er auch alles andere verstanden, denn das Atom ist Gott. Das im Atom vorhandene Lebensprinzip befindet sich im gesamten Universum. Kanada verkündete, das rechte Verständnis des atomaren Prinzips wird zur Erkenntnis der Göttlichkeit führen. Wenn ihr eure Hand zur Faust schliesst, fangt ihr dadurch viele Atome ein. Wenn ihr die Faust öffnet, bewegen sich die Atome in verschiedene Richtungen. Der von den Atomen ausgehende Klang des Atoms wird so minimal sein wie das Atom selbst.

Die Devotees beten zu Gott. Manche Menschen zweifeln die Wirksam- keit des Betens an. Aber in Wahrheit kann jegliche gewaltige Aufgabe durch Gebet vollbracht werden. Gebet macht unmögliche Dinge mög- lich. Ein kleines Beispiel hierzu: Seit zehn Tagen ist meine Backe ge- schwollen. Ich nehme niemals Medikamente ein. Gestern stellte ich fest, dass die Aufmerksamkeit aller hier Versammelten auf meine Bak- ke gerichtet war, und nicht auf mich! Alle machten sich Sorgen darüber, dass die Schwellung noch nicht zurückgegangen war und befürchteten, dass Swami starke Schmerzen hat. Nachdem ich meine Abschlussrede gehalten hatte, zog ich mich in mein Zimmer zurück. Während ich mich ausruhte, beteten viele Devotees zu mir, ich möge mich wenigstens aus Anlass des segensreichen Gurupurnimatags heilen. All ihre Gebete er- reichten mich. Als ich morgens aufstand, war die Schwellung zurück- gegangen und ich fühlte überhaupt keinen Schmerz mehr. Tatsächlich hatte nicht ich dies beschlossen, sondern es war das Ergebnis der Ge- bete der Devotees. Viele assen gestern nicht, sondern beteten mit Trä- nen in den Augen ununterbrochen. Einen Augenblick lang gingen mei- ne Gedanken zu ihnen. Aber ich hatte nie beschlossen, ich solle geheilt werden. Ich tue das nie. Warum? Wie Sanjay Sahni zu Recht feststellte: Ich und du sind eins. Ihr seid nicht getrennt von mir. Dies ist nicht mein

198 Körper; er gehört euch. Deshalb ist es eure Verantwortung, euch um diesen Körper zu kümmern. Ich denke nie an meinen Körper und sein Wohlergehen. Was meinen Körper betrifft, fasse ich nie einen Be- schluss, dass dies oder das geschehen solle. Von Kopf bis Fuss ist in mir keinerlei Selbstsucht zu finden. Deshalb besitze ich jegliches Recht zu erklären, dass ich und du eins sind.

Jeder Mensch ist mit derselben atomaren Kraft versehen, und er muss sich in jeder Hinsicht bemühen, dies zu verstehen. Seit alten Zeiten hat der Mensch sich daran gewöhnt, Gott in Form von Idolen zu verehren. Ihr betet Rama und Krishna in der Form von Idolen an, aber könnt ihr jetzt ihre körperliche Form sehen? Die Antwort lautet nein. Ihr verehrt Shiva, aber könnt ihr ihn physisch sehen? Die Formen Ramas, Krishnas und Shivas existieren immer, aber der Mensch ist aufgrund seiner Eng- herzigkeit nicht fähig, sie zu schauen.

Ausweitung des Herzens ist göttlich; Engstirnigkeit ist der Tod. Wer ein enges Herz hat, ist wahrlich ein wandelnder Leichnam. Man sollte immer weitherzig sein.

Im Herzen eines Menschen, dessen Geist und Gefühle weit sind, findet ihr die Göttlichkeit verankert.

Die Heiligen und Weisen der alten Zeiten übten verschiedenartige spi- rituelle Disziplinen aus. Auch Kanada führte asketische Übungen durch. Schliesslich erkannte er, dass er aus dem Atom hervorgegangen war und wieder in dieses eingehen würde, und er gab die Bindung an den Körper auf. Der Mensch führt heute ein materialistisches Leben und bemüht sich nur um seine eigenen selbstsüchtigen Ziele. Solange der Mensch selbstsüchtig ist, wird er das göttliche Prinzip des Atoms nicht verstehen können. Ob ihr Mantren wiederholt, meditiert oder as- ketisch lebt, ihr solltet euren Geist stetig auf das Prinzip des Atoms aus- richten. In diesem ist alles enthalten. Euer Körper, Geist, Intellekt usw. sind nichts als Manifestationen des Atoms, das wahrhaft göttlich ist.

Gott hört mit Gewissheit auf die Gebete seiner Devotees. Manche De- votees zögern zu beten, um Gott nicht durch ihre Gebete zu stören. Sie liegen falsch, denn Gott kann niemals auf irgendeine Weise gestört werden. Gott leidet überhaupt nicht. Er betrachtet das Glück seiner De-

199 votees als sein eigenes Glück. Aber ihr schöpft euer Glück aus mate- riellen Dingen; mein Glück hingegen ist mit dem Atman-Prinzip, dem Göttlichen Selbst verbunden. Ich bin durch die geringfügigste Gabe zu erfreuen, sofern sie nur mit Liebe geschenkt ist. Eure kleine Gabe nimmt dann für mich gigantische Proportionen an. Ihr hingegen seid nicht zufrieden, auch wenn ihr grosse Gnadengeschenke erhaltet.

Was bedeutet Gurupurnima? Derjenige ist der Guru, der den Weg zur Göttlichkeit erleuchtet. Purnima steht für das kühle Licht des Voll- monds. Der Vollmond symbolisiert einen Geist, der völlig erleuchtet, der flecken- und makellos ist. Wenn auch nur eine Spur Makel den Geist befleckt, wird das Dunkelheit erzeugen und kann euch nicht die totale Glückseligkeit bringen.

Verkörperungen der Liebe! Lasst euren Geist mit dem Strahlen der gött- lichen Liebe erfüllt sein. Blosses Bücherwissen zu erlangen bringt nichts. Was ihr studiert habt, macht nur einen Bruchteil des gesamten Wissens aus. Dennoch seid ihr stolz darauf. Verglichen mit der göttli- chen Weisheit ist eure weltliche Bildung bedeutungslos.

Ihr könnt Gott nicht durch eure Bildung, eure Macht und euren Reichtum erlangen. Er ist nur durch Liebe und Liebe allein zu erreichen. Nur wenn ihr Liebe entwickelt, könnt ihr ihn erfahren. Hingabe bedeutet, Gott aus ganzem Herzen zu lieben.

Verkörperungen der Liebe! Was solltet ihr an diesem Gurupurnimafest wissen? Ihr müsst verstehen, dass Gott in euch, mit euch, um euch her- um, über euch und unter euch ist. In Wirklichkeit seid ihr Gott. Diese Wahrheit solltet ihr als Erstes erkennen. Habt keine übermässigen Wünsche, die euch zu Bettlern machen. Erfüllt eure Pflicht aufrichtig. Das ist wahre spirituelle Disziplin. Wenn ihr im Büro seid, dann erledigt dort nur eure Büroarbeit, statt an Familienangelegenheiten zu denken. Und wenn ihre zu Hause seid, dann kümmert euch entsprechend um die Bedürfnisse eurer Familie, aber macht euer Zuhause nicht zum Bü- ro. Aber die Leute nehmen heutzutage aufgrund des übermässigen Ar- beitsanfalls ihre Büroarbeit nach Hause, um sie dort zu vollenden. Das führt zu Schwierigkeiten, weil sie ihre Büroarbeit, Haushaltsarbeit, ge- schäftliche und spirituelle Angelegenheiten miteinander vermischen.

200 Hiranyaksha und Hiranyakashipu waren grosse Wissenschaftler. Die modernen Wissenschaftler sind nur auf dem Mond gelandet, aber Hir- anyakashipu konnte die Sonne erreichen. Er berührte sogar den Po- larstern und litt als Folge davon. Man mag ein grosser Wissenschaftler sein, aber wenn man seine Grenzen überschreitet, wird man dafür lei- den müssen. Die Heiligen bemühten sich gemeinsam, die Göttlichkeit zu erfahren. Um die Göttlichkeit zu erfahren, sollte man sein Bewusst- sein ausweiten.

Der Mensch stirbt, nicht aber sein Geist. Was immer der Mensch wäh- rend seines Lebens tut, prägt sich seinem Geist ein und wird ins nächste Leben mitgenommen. Niemand kann das Wesen des Geistes verste- hen. Manche Menschen glauben, Selbstmord sei der einzige Ausweg, der all ihre Probleme beseitigt, und denken: „Weil der Geist für unser Leiden verantwortlich ist, sollten wir ihm ein Ende bereiten.“ Es ist die grösste Sünde. Der Geist ist nicht so einfach zu töten. Man sollte nie so niedrige Vorstellungen hegen, sondern bereit sein, allen Schwierig- keiten mit Mut zu begegnen und sich sehr bemühen, sein Leben zu hei- ligen.

Das Göttliche Selbst (Atman) ist Gott und Gott ist Atman. Prahlada ver- kündete: „Zweifelt nie daran, dass Gott überall ist. Wo immer ihr nach ihm sucht, dort ist er gegenwärtig.“

Atman ist ewig, ohne Geburt und Tod. Atman hat weder Anfang, Mitte noch Ende. Er ist als der Zeuge eines jeden Wesens gegenwärtig.

Der Mensch sollte deshalb sein Leben in der Überzeugung führen: „Ich bin Gott. Der Körper allein stirbt. Ich werde weder geboren noch sterbe ich.“ Solange er lebt sollte die Liebe des Menschen auf Gott und Gott allein gerichtet sein. Eines Tages kam ein reicher Mann nach Shirdi, um Baba zu sehen. Seine Tasche war mit Geldscheinen voll gestopft. Baba beschloss, sei- ne Hingabe auf die Probe zu stellen. Er rief Shyam, der immer an seiner Seite war, herbei und sagte: „Ich brauche sehr dringend fünf Rupien. Gehe und frage Patel.“ Nach einiger Zeit kam Shyam mit der Nachricht zurück, Patel sei nicht zu Hause. Baba forderte ihn auf, einen anderen Geschäftsmann zu bitten. Wieder kam Syam mit leeren Händen zurück. Baba schickte ihn zu jemand anderem. Obwohl der Mann Zeuge des ganzen Vorgangs war, bot er nicht an, aus seiner eigenen Tasche die

201 fünf Rupien zu geben. Er besass keinen Opfergeist. Für viele Leute ist Geld ihr Gott; Politik ist ihr Gott. Werden Geld oder Politik ihnen nach ihrem Tod nachfolgen? Was erreichen sie dadurch? Was ist der Sinn des Lebens? Ihr habt die Geburt als Mensch erlangt; verschwendet sie nicht mit unbedeutenden Zielen. Beteiligt euch an Aktivitäten, die gut für die Gesellschaft sind. Fasst das, was ich sage, nicht falsch auf. Po- litik ist die Wurzel der Verschmutzung der Welt. Sogar der Geist der kleinen Kinder wird durch Politik verschmutzt. Konflikte und Unruhen sind zur Tagesordnung geworden. Nicht einmal zwischen Mann und Frau besteht Einigkeit. Vor der Unabhängigkeit litten die Menschen nicht so sehr. In jenen Tagen bestand der Konflikt zwischen Weissen und Farbigen, heute hingegen streiten die Farbigen untereinander. Das sollte nicht so sein. Vermeidet schlechte Eigenschaften und entwickelt erhabene Empfindungen.

Verkörperungen der Liebe! Füllt eure Leben mit Liebe, beendet es in Liebe. Das macht das wahre menschliche Leben aus. Die Upanishaden massen dem menschlichen Leben grossen Wert bei. Der Mensch muss geliebt und geachtet werden. Er sollte Glück wie Leid mit Gleichmut will- kommen heissen. In China gibt es ein Sprichwort: „Schwierigkeiten sind unsere Freunde; lasst sie uns willkommen heissen.“ Das aus Schwie- rigkeiten entstehende Glück ist nirgendwo sonst zu erlangen.

Zu mir kommen viele Leute und erzählen von ihren vielen Schwierig- keiten. Ich würde am liebsten lachen. Ich würde gerne wissen, was Schwierigkeiten und Leid bedeuten, aber sie kommen nicht an mich heran. Ich sage den Devotees ständig, sie sollten sich von Schwierig- keiten nicht unterkriegen lassen. Ich selbst gebe Leid keinen Raum. Dieser Körper ist 77 Jahre alt. Bis heute habe ich nicht einen Augenblick lang gelitten. Der Mensch will glückselig sein. Er ist die Verkörperung der Glückseligkeit. Glückseligkeit ist sein wahrer Besitz. Wenn das der Fall ist, warum sollte er dann Leid Raum geben? Der Grund liegt darin, dass er sein wahres Wesen nicht verstanden hat. Weltliche Beziehun- gen kommen und gehen. Aber das Prinzip der Liebe kommt und wächst.

Verkörperungen der Liebe! Versucht von heute an eure Bindung an die Welt so weit wie möglich zu reduzieren. Seid glücklich und macht an- dere glücklich. Verletzt niemanden. Betrachtet Schwierigkeiten als vor- beiziehende Wolken. Ihr habt Familienbeziehungen entwickelt, was zwangsläufig zu manchen Sorgen führt. Aber lasst euch dadurch nicht verstören. Am weiten Himmel sind viele Wolken zu sehen. Entspre-

202 chend befinden sich am Himmel eures Herzens die Wolken der Bin- dung. Sie kommen und gehen einfach. Sorgt euch nicht wegen ihnen. Welche Gestalt hat Sorge? Sorge ist mental erzeugte Angst. Es ist das Ergebnis eurer Einbildung. Jeder Mensch wird zwangsläufig Schwie- rigkeiten und Verlusten begegnen. Ihr solltet ihnen mit Gleichmut be- gegnen.

Denkt daran, was Shivaji seinen Minister lehrte. Dieser Körper wird so- lange geachtet werden, wie Leben in ihm ist. Wenn das Leben den Kör- per verlässt, wird er wertlos. Auch Duryodhana stellte dies in seinen letzten Augenblicken fest. Er sagte: „Solange ich lebte, wurde ich ge- achtet. Morgen werden Krähen und Hunde sich an meinem Körper er- götzen.“

Was immer zu geschehen hat, wird eintreten. Führt solange ihr lebt ein achtbares Leben. Entwickelt in euch göttliche Empfindungen. Nur dann führt ihr ein wahres menschliches Leben.

Der Mensch führt heutzutage ein rein materialistisches Leben. Auch dies ist bis zu einem gewissen Ausmass notwendig. Denkt daran, dass sich sogar in diesem weltlichen Leben das transzendentale Prinzip ver- birgt.

Verkörperungen der Liebe! Macht von diesem Gurupurnimatag an eure Herzen heilig. So wie ihr die Moskitos wegscheucht, die euch stechen wollen, ebenso solltet ihr auch die Schwierigkeiten beiseiteschieben, die euch plagen. Lasst euch nicht von Schmerz niederbeugen noch lasst euch Glück zu Kopf steigen. Entwickelt Gleichmut und strebt da- nach, die Göttlichkeit zu erreichen.

Der Guru ist Brahma, Vishnu und Maheshvara. Der Guru ist wahrhaft das höchste Göttliche. Ich verneige mich vor diesem Guru.

Es gibt nur einen Guru. Es kann keine zwei Gurus geben, einen inneren und einen äusseren. Guru ist der, welcher den Weg der Wahrheit geht. Er ist die Wahrheit selbst.

Ihr verkörpert die göttliche Dreieinigkeit Brahma, Vishnu, Shiva. Dem- zufolge ist der Guru nicht von euch getrennt. Ihr selbst seid alles. Lasst

203 nicht zu, dass eure Konzentration schwankt. Lasst sie fest auf ein Ziel gerichtet sein. Ob man Schüler ist, zölibatär lebt, ein Familienleben führt oder der Welt entsagt hat: das Ziel ist für alle ein und dasselbe. Denkt über das Prinzip des So’ham (Ich bin Er) nach, das eure innere Stimme euch lehrt. Sagt: „Ich bin Gott.“ An dieser Behauptung ist nichts falsch. Manche Leute hegen die falsche Vorstellung, es sei ein Zeichen von Egoismus, dies zu behaupten. In Wirklichkeit liegt überhaupt kein Ego darin. Es ist euer Recht. Zu glauben, ihr wäret nur ein Mensch, kommt Selbsterniedrigung gleich. Ihr seid die Verkörperung Gottes. Entwickelt diesen Glauben und werdet zu Gott. In Gott können keine schlechten Eigenschaften sein. Ihr solltet deshalb ein reines, bestän- diges und selbstloses Leben führen. Seht Gutes, sprecht Gutes und tut Gutes. Ihr solltet jedem ein Vorbild sein. Gottesdienst bringt keinen Segen, wenn euer Herz nicht rein ist. Ihr verehrt Swami und kommt seit vielen Jahren zu ihm. Aber ist in euch irgendeine Transformation ge- schehen? Ziellos kommt ihr hierher und reist wieder ab. Solche Leute brauchen überhaupt nicht hierher zu kommen. Führt eure spirituellen Disziplinen durch wo immer ihr seid. Wenn ihr hierher kommt, solltet ihr göttliche Empfindungen in euch aufnehmen und göttlich werden. Re- duziert Schritt für Schritt eure Bindung an die Welt. Wenn ihr sterbt, wird die Welt nicht mit euch kommen. Ihr könnt nicht einmal eine Handvoll Staub mit euch nehmen, sondern nur die Tugenden, die ihr entwickelt habt. Achtet eure Lehrer, die Älteren und eure Eltern.

Verehrt eure Mutter, Betrachtet jeden als Gott. Sogar im Hund ist Gott. Vertraut darauf, dass Gott allgegenwärtig ist. Es gibt keine grössere spi- rituelle Disziplin. Wenn die Menschen diesen Glauben und dieses Ver- trauen entwickeln, wird die ganze Nation mit Fülle, Wohlergehen und Glück gesegnet sein. Füllt eure Herzen mit göttlichen Empfindungen. Das solltet ihr heute lernen.

204 21. August

Das Ich ist Brahman - Gott

Alle Menschen trachten nach einem angenehmen Leben, nach Autoritätsstellungen und Wohlstand. Aber nur wenige streben nach guter Unterscheidungskraft, Weisheit und einem guten Charakter. Was mehr ist den hier versammelten edlen Seelen mitzuteilen?

Verkörperungen der Liebe! In dieser Welt benutzt jeder, vom Armen bis zum Millionär, vom Einfältigen bis zur verwirklichten Seele das Wort “Ich”, wenn er auf sich selbst Bezug nimmt. Wäre Vögeln und Tieren die Gabe der Sprache verliehen worden, dann würden auch sie sich mit dem Wort Ich vorstellen. Der Begriff Ich ist in der spirituellen Literatur von grosser Bedeutung und wird in den Upanishaden detailliert erläu- tert. Es ist kein gewöhnliches Wort. “Ich bin das alles durchdringende göttliche Prinzip“ – ist ein grosser Lehrsatz der Upanishaden. Diese Feststellung „Ich bin Brahman“ offenbart, dass der Begriff Ich noch vor dem Begriff Brahman entstand. Die Namen göttlicher Inkarnationen wie Rama und Krishna beziehen sich nur auf ihre Körper. Sie wurden nicht mit diesem Namen geboren. Ich ist ihr wahrer ewiger Name. Tatsäch- lich ist Ich der erste Name Gottes. Die verschiedenen Namen dienen eurer eigenen Freude und Befriedigung und sind für das Leben in der Welt nützlich. Dennoch ist Ich der wahre Name Gottes.

Der Geist ist verantwortlich für die täuschenden Vorstellungen des Menschen. Man kann einen Baum ohne Krümmung heranwachsen las- sen, und man kann aus einem Stein eine schöne Statue schnitzen. Aber es ist sehr schwierig, den Geist zu begradigen und stetig zu machen. Unsere ganze spirituelle Disziplin dient dazu, den Geist auf den rechten Weg zu lenken. Die Menschen führen verschiedene Arten spiritueller Disziplinen durch, die nur zeitweilige Befriedigung bringen. Nur wenn man das Prinzip des Ich versteht, kann man andauerndes Glück er- fahren. Die Menschen schreiben Gott verschiedene Namen und For-

205 men zu, weil sie nicht in der Lage sind, das Prinzip der Göttlichkeit zu verstehen.

Ist es möglich, dem allgegenwärtigen Einen einen Tempel zu errichten? Wie kann man ein Licht vor den Einen halten, der mit der Leuchtkraft einer Billion Sonnen erstrahlt? Wie kann man dem Einen eine Form zuschreiben, den nicht einmal der Schöpfergott Brahma erfassen kann? Wie kann man dem Einen einen angemessen Namen geben, der in allen Lebewesen gegenwärtig ist? Wie kann man dem Einen Nahrung darbringen, der den gesamten Kosmos in seinem Bauch trägt?

Verkörperungen der Liebe! In dieser körpergebundenen flüchtigen Welt beten die Menschen Gott unter verschiedenen Namen und For- men an. Aber in Wirklichkeit ist Ich der einzige wahre und ewige Name Gottes. Die vier Veden haben diese Wahrheit in den vier grossen Lehr- sätzen kundgetan:

Brahman ist höchstes Bewusstsein. Ich bin Brahman, das alles durchdringende göttliche Prinzip. Das bist du. Dieses Selbst ist Brahman.

Die Veden haben ebenso erklärt:

Der Eine beschloss, viele zu werden. Das Absolute ist eins, die Weisen nennen es bei verschiedenen Namen. Es gibt nur eine Göttlichkeit, und das ist Ich.

Der Geist ist sehr trickreich und lässt den Menschen die Wirklichkeit vergessen. Es ist kaum jemandem möglich, das Wesen des Geistes zu begreifen. Fliegen und Mücken lassen sich auf jedem Gegenstand nieder, aber sie vermeiden die Nähe des Feuers. In ähnlicher Weise wird der Geist von materiellen Dingen angezogen und wandert über-

206 allhin, aber er schreckt immer vor Gott zurück. Der Geist sollte rein und selbstlos gemacht werden und immer auf Gott zentriert bleiben. Das ist wahre spirituelle Disziplin. Alle spirituellen Übungen sind dazu ge- dacht, den Geist unter Kontrolle zu bringen.

Über Gott zu hören, Singen, an Gott denken, seinen Lotosfüssen die- nen, Verehrung und Lobpreisen, Gottesdienst, Dienstbereitschaft, Freundschaft und Selbstergebung sind die neun Formen der Hingabe. Das wichtige auf jedem dieser neun Wege der Hingabe besteht darin, dass der Geist beherrscht und Gott vollständig übergeben werden muss.

Der Geist ist nicht nur eine Ansammlung von Gedanken. Hier ist ein Taschentuch. Ihr sagt, es sei ein Stück Stoff. Es ist nicht nur ein Stück Stoff, sondern es ist ein Bündel Fäden. Aber es ist nicht nur ein Bündel Fäden, sondern es ist Baumwolle. Baumwolle wird zu Fäden gespon- nen und die Fäden werden miteinander verwoben, damit ein Stück Stoff entsteht. Entsprechend seid ihr nicht eine Person, sondern drei:

Die, für die ihr euch selber haltet: der Körper. Die, für die andere euch halten – der Geist. Die, die ihr wirklich seid – Atman, das Göttliche Selbst.

Euer wahres Selbst ist Ich; es ist Brahman, es ist Gott. Er hat keinen spezifischen Namen und keine spezifische Form.

Eigenschaftslos, rein, ewig, der endgültige Wohnsitz, unvergänglich, makellos, erleuchtet, befreit, die Verkörperung der Heiligkeit.

Welche Namen und Formen auch immer der Mensch Gott zuschreibt, sie dienen seiner eigenen Befriedigung. Ihr solltet euch deshalb be- mühen, Gott in allen Formen zu sehen.

Bali war ein grosser König, er war voller Opfergeist und ein glühender Gottesverehrer. Kaiser Bali schenkte Vamana, der Zwerginkarnation von Gott Vishnu aus Mildtätigkeit drei Schritte Land. Warum nahm Gott Vishnu die Gestalt eines Zwerges an? Jemand, der um Almosen fragt, wird als gering angesehen und gilt nicht als gross. Deshalb musste so- gar Gott Vishnu die Gestalt eines Zwerges annehmen, als er zu Bali

207 ging, um Almosen von ihm zu erbitten. Gott Vishnu, der Garuda als Ge- fährt und Lakshmi, die Göttin des Wohlstands, als Gemahlin hat, nahm eine sehr kleine Form an und erbat Almosen von Bali. Er fragte nur um etwas Geringfügiges, um Land im Umfang von drei Schritten. Seine Ge- stalt war klein und seine Füsse waren noch winziger. Dennoch konnte er die drei Welten mit seinen drei Schritten bedecken! Balis spiritueller Lehrer, der Weise Shukracarya, warnte ihn davor, Vamanas Bitte zu erfüllen und offenbarte ihm, dass Vamana kein gewöhnliches Wesen, sondern Gott Vishnu selbst sei. Aber Bali schenkte seinem Rat keine Beachtung, mit dem Argument, es wäre nicht recht, sein Wort zu bre- chen. Er hatte sein Versprechen gegeben und wollte es, komme was mag, erfüllen. Er versagte sogar seinem Guru selbst den Gehorsam und übergab sich Gott.

Gottes Möglichkeiten und Kräfte sind unendlich. Nichts ist ihm unmög- lich. Vamana bedeckte mit seinen drei Schritten die drei Welten. Die drei Welten werden im Gayatri Mantra durch bhur, bhuvah, svaha re- präsentiert. Bhur steht für die materielle Welt, bhuvah für die Gedan- kenwelt, und svaha ist das AtmanPrinzip. Alle drei sind im Menschen enthalten.

Kerala ist das Land des Opfergeistes. Kein Bettler wird mit leeren Hän- den weggeschickt. Jeder praktiziert entsprechend seiner Kapazität Mildtätigkeit. Dieses verdienstvolle Land war die Geburtsstätte von Ba- li. In dieser Welt gibt es viele, die Land verschenken und Kühe, Nah- rung, Kleidung und Gold in Barmherzigkeit weggeben. Aber Kaiser Bali vollführte das höchste Opfer, indem er sich selbst Gott übergab. Auch wenn im Lauf der Zeit sich einiges gewandelt haben mag, bleibt Kerala nichtsdestotrotz das Land, das für Hingabe und Ergebung berühmt ist. Es ist der Geburtsplatz des grossen Gottesverehrers Prahlada. So wie Bali um Gottes willen der Anweisung seines Gurus nicht gehorchte, ebenso trotzte Prahlada den Wünschen seines Vaters und ergab sich völlig dem Herrn. Sein Vater Hiranyakashipu war voller Hass auf Gott, Prahlada hingegen war voller Weisheit, Opferbereitschaft und intensi- ver Hingabe. Viele solch erhabene Seelen haben das heilige Land Kerala als Geburtsstätte gewählt.

Aus ihrer Unwissenheit heraus leugnen die modernen Wissenschaftler Gottes Existenz ab. Es ist ein grosser Fehler. Es gibt keinen Ort ohne Gott.

208 Seine Hände, Füsse, Augen, sein Kopf, sein Mund und seine Ohren durchdringen alles. So erfüllt Er das gesamte Universum.

Prahlada behauptete das Gleiche: “Hege niemals Zweifel der Art, dass Gott an einem Ort wäre, aber nicht an einem anderen. Wo immer du nach ihm suchst, dort ist er zu finden.”

Prahlada war nur ein kleiner Junge, aber sein Glaube und Vertrauen waren unerschütterlich. Hiranyakashipu war ein grosser Wissenschaft- ler. Er konnte bis zur Sonne reisen und sogar die Sterne erreichen. Als er den Polarstern berührte, begann der Planet Erde zu schwanken. So gross waren seine Kraft und sein Mut. Bis auf den heutigen Tag konnte kein Wissenschaftler das erreichen, was Hiranyakashipu vollbracht hatte. Aber trotz seiner Stärke und seines Wissens konnte Hiranya- kashipu die Göttlichkeit nicht verstehen. Die Göttlichkeit ist allein durch Liebe zu erfassen. Kein anderer Weg kann euch zu Gott bringen. Liebe ist die Hauptstrasse. Liebe allein gibt euch die Fähigkeit, euch Gott zu ergeben.

Die vedische Aussage „Ich bin Brahman“ enthüllt, dass Ich der erste Name Gottes ist. Es ist Brahman, es ist Gott, es ist Atman, es ist der höchste Herr, es ist Licht, es ist ewig, transzendent, voller Glückselig- keit. In ihm ist alles enthalten. Wenn euch jemand fragt, wann ihr ge- kommen seid, antwortet ihr: „Ich kam gestern.“ Bezieht sich dieses Ich auf euch selbst oder auf euren Körper? Euer Körper traf gestern ein, nicht ihr selber. Weil ihr euch mit dem Körper identifiziert, glaubt ihr, ihr wäret gestern gekommen. Angenommen, ihr geht eine Strasse ent- lang, rutscht versehentlich aus und brecht euch das Bein. Ihr sagt: “Mein Bein ist gebrochen.“ Denkt nur einmal über diese Aussage nach! Wenn ihr sagt “mein Bein“, impliziert das, dass ihr von eurem Bein ver- schieden seid. Ihr seid nicht euer Bein, ihr seid nicht der Körper. Ihr sagt: “mein Geist“, “mein Intellekt“, “meine Hand“, “mein Bein“, “meine Sin- ne“. Wer seid dann ihr? Auf diese Frage habt ihr keine Antwort. Ihr seid keines davon. Sie beziehen sich nur auf eure Form, aber sie sind nicht eure Wirklichkeit, euer wahres Selbst, das Glückseligkeit ist. Ich ist eure wahre Identität. Tag für Tag benutzen die Menschen in jeder Situation dieses Wort Ich, ohne seine tatsächliche Bedeutung zu verstehen. Je- der sollte dieses innere Ich erkennen. Ob es sich um einen Armen oder einen Millionär handelt, das Ich-Prinzip ist allen gemeinsam. Es ist in jedem dasselbe. Gott ist in jedem der Gleiche in Gestalt des Ich.

209 Gott ist in jedem in Gestalt des Ich gegenwärtig. Jeder Mensch spricht von sich selbst als „Ich“. Wo das Ich ist, ist Gott. Ihr könnt sagen: “Wo kein Ich ist, ist auch kein Gott.” Ich ist der erste Name Gottes. „Ich bin Brahman, ich bin Gott.” Zuerst kommt das Ich, dann Gott. Habt festes Vertrauen in diese Aussage: Wo das Ich ist, ist Gott.

Das Ich ist die Ursache von allem, was euch widerfährt. Es ist die Grund- lage eures Glücks wie eures Leids. Ohne das Ich gäbe es weder Freude noch Leid. Dieses Ich ist in jedem in dieser Welt das Gleiche.

Verkörperungen der Liebe! Ich und Liebe sind ein und dasselbe. Der Mensch kann ohne Liebe nicht existieren. Liebe leuchtet in jedem als Ich. Ohne den Strom können Glühbirnen nicht leuchten. Entsprechend ist das Ich der Strom, ohne den der Körper nicht funktionieren kann. Das Ich ermöglicht es den Augen zu sehen, den Ohren zu hören, der Zunge zu sprechen usw. Wenn ihr eure Augen schliesst, seht ihr nichts. Es sind nicht die Augen, die sehen; es ist das Ich, das durch die Augen sieht. Das in den Augen anwesende Licht ist die Göttlichkeit. In Wahr- heit gibt es keinen Platz ohne Göttlichkeit. Alle Namen und Formen sind die Manifestationen der Göttlichkeit. Deshalb heisst es: “Wen immer ihr grüsst, es erreicht Gott”, und: “Wen immer ihr anklagt, es erreicht eben- falls Gott.” Wen immer ihr beschuldigt, ihr beschuldigt Gott. Wen immer ihr respektiert, ihr respektiert Gott dadurch. Euer Respekt erreicht At- man, das Göttliche Selbst.

Verkörperungen der Liebe! Wenn ihr von anderen geachtet werden wollt, solltet ihr zuerst andere achten. Kämpft nicht darum, von anderen geachtet zu werden; lasst das beiseite. Achtet zuerst die anderen, und die anderen werden euch achten. Ohne andere zu achten, könnt ihr selbst niemals Achtung erhalten. Wenn ihr euer Selbst liebt, werdet ihr von jedem geliebt werden. Wenn ihr euch selber nicht liebt, wie könnt ihr dann andere lieben? Das in euch scheinende Licht der Liebe ist gött- lich. Liebe ist das Prinzip des Ich. Dieses Licht der Liebe sollte das Hauptprinzip sein. Bewahrt es als euer Ziel. In jedem Haus gibt es in jedem Zimmer einen Lichtschalter. All diese Lichtschalter werden durch einen Hauptschalter kontrolliert. Entsprechend gleichen die Augen, Ohren, die Zunge usw. verschiedenen Schaltern, die unter der Kon- trolle des Hauptschalters “Ich“ stehen. Nur wenn dieser Hauptschalter angeschaltet ist, wird sich in jedem Körperglied Licht befinden. Das Göttliche ist der Hauptschalter. Dieses Ich ist wahrhaftig die Wahrheit. Wahrheit ist Gott. Gott ist Wahrheit. Liebe ist Gott. Lebt in Liebe. Wenn

210 ihr diese Wahrheit versteht und in die Tat umsetzt, braucht es keine andere spirituelle Disziplin. Gott ist der ewige Zeuge eurer Gedanken, Worte und Taten. Jeder ver- ehrt Gott in dem Namen und der Form seiner Wahl. In Wahrheit sind alle Formen sein. Achtet und liebt deshalb jeden. Dann werdet auch ihr geachtet werden. Wenn ihr andere nicht achtet, wird niemand euch achten. Ihr solltet jeden achten und jeden lieben. Diese weite Liebe nicht zu besitzen und ein enges Leben zu führen gleicht dem Tod. Eng- stirnigkeit ist nicht gut. Die Geburt als Mensch ist die kostbarste und seltenste aller Lebensformen.

Der Mensch ist die Verkörperung der Göttlichkeit. Wenn ihr nur die kör- perliche Form in Betracht zieht, kann es sein, dass ihr diesen grund- legenden Aussagen nicht glaubt. Die innere Wirklichkeit ist wichtig, nicht die körperliche Form. Wenn ihr zum Markt geht, seht ihr dort Leute, die Zuckerstücke in verschieden Formen verkaufen, wie Katze, Hund, Reh usw. Unabhängig von der Form kostet jede Zuckerpuppe zwei An- nas. Manche Kinder werden von der Katzenform angezogen, andere von der Rehform. Der Unterschied liegt allein in den Namen und For- men, aber der Zuckergehalt, die Süsse, ist in ihnen allen gleich. Ihr zahlt die zwei Annas nicht für die Form, sondern für den Zuckergehalt darin. Nur Kinder werden von den Namen und Formen angezogen. In ent- sprechender Weise lässt sich ein gewöhnlicher Mensch durch Namen und Formen täuschen, wohingegen ein wahrer spiritueller Sucher oder Gottesverehrer das zugrunde liegende Prinzip im Auge behält. Lasst euch nicht von Namen und Formen hinreissen. Erkennt das Wesen des Göttlichen Selbst und entwickelt Liebe zu ihm. Nichts geht über das Göttliche Selbst hinaus. Dieses Selbst ist das Ich, es ist Atman. Dieser Atman ist Brahman. Alles ist Atman. Namen und Formen unterscheiden sich, aber das grundlegende Prinzip ist ein und dasselbe. Ihr solltet euch nicht von Namen und Formen täuschen lassen. Schiebt sie bei- seite und haltet euch an die grundlegende Essenz. Der Zucker, die Es- senz, ist gleich. Wenn der Mensch diese Wahrheit versteht, wird er zur Göttlichkeit transformiert. Der Mensch ist allmächtig. Tatsächlich ist der Mensch Gott. Deshalb wird Gott immer in menschlicher Gestalt ver- bildlicht und porträtiert.

Die Upanishaden nehmen auf den Menschen als “Hridaya“ (Herz) Be- zug. Was ist Hridaya? Ein Herz, das von Mitgefühl erfüllt ist. Jeder Mensch besitzt Mitgefühl. Wenn jeder von Liebe und Mitgefühl erfüllt ist, wird Friede in der Welt herrschen und es wird kein Raum für Fried-

211 losigkeit, Eifersucht, Hass oder Zorn sein. Alles wird dann von Mitgefühl erfüllt sein. Dem Menschen wurde der Name Hridaya gegeben, was Mitgefühl bedeutet. Jeder Mensch ist also voller Mitgefühl, er verkörpert Mitgefühl. Wo Mitgefühl herrscht, wo bleibt da Raum für Hass? Wenn ihr wisst, dass ihr die Verkörperung des Mitgefühls seid, werdet ihr nie friedlos oder verstört sein und die ganze Welt wird von Mitgefühl erfüllt sein. Dieses Mitgefühl ist Liebe. Es ist sehr wichtig, diese Wahrheit zu kennen und sich entsprechend zu verhalten. Die Leute verwechseln irr- tümlicherweise Hridaya mit dem physischen Herzen. Hridaya ist nichts anderes als das allgegenwärtige atmische Prinzip, das Ich. Das Wesen des Selbst spiegelt sich im Herzen wider. Ihr solltet deshalb euer Herz vollkommen rein und heilig halten. Ein kleines Beispiel hierzu. Niemand bewahrt Wertgegenstände in Reichweite eines Diebes auf. Dennoch bewahren wir kostbaren Schmuck wie Mitgefühl, Duldsamkeit, Liebe usw. unter der Obhut des Geistes auf, der mit einem Dieb vergleichbar ist. Wenn ihr kostbaren Schmuck in den Händen eines Diebes belasst, wie könnt ihr den Schmuck dann zurückerhalten? Es ist unmöglich. Er ist nicht sicher. Der kostbare Schmuck der Tugenden muss im sicheren Gewahrsam des Herzens aufbewahrt werden. Hebt sie nie beim Dieb, dem Geist, auf. Aber genau das tut der Mensch. Ihr macht eure Gedanken und Gefühle zum Meister von allem. Der Mensch handelt entsprechend den Anwei- sungen seines Geistes und nimmt den Geist als Grundlage all seiner Aktivitäten. Wer den Launen seines Geistes folgt, ist schlimmer als ein Dieb. Stattdessen solltet ihr der höheren Intelligenz folgen. Nur dann könnt ihr das Atman-Prinzip verstehen.

Thiruthonda Alwar legte grossen Nachdruck darauf, Gott mit einem rei- nen Geist zu verehren. Ein reiner Geist ist die Grundlage. Es geht nicht um den herkömmlichen Geist, der immer wankelmütig ist. Der Geist ist immer ein Dieb. Wer den Launen seines Geistes folgt, ist nicht fähig, auf dem spirituellen Weg voranzukommen. Nehmt Wahrheit und Liebe als Grundlage. Es gibt nur eine Wahrheit. Sie ist überall. Es gibt keine indische, pakistanische oder amerikanische Wahrheit. Wahrheit ist un- veränderlich. Diese Wahrheit solltet ihr zu eurer Grundlage machen. Liebe sollte euer zugrunde liegender Wert sein. Man kann nur dann Frieden und Glückseligkeit erfahren, wenn man die unveränderlichen und ewigen Prinzipien von Wahrheit und Liebe als das Fundament des eigenen Lebens ansieht.

212 Die zwei Minister, die zuvor sprachen, baten mich, Kerala zu besuchen. Dieses Mal werde ich sicherlich nach Kerala kommen. Von diesem Jahr an hat Kerala jede Chance, im Bereich der Wissenschaft und Techno- logie voranzukommen. Die Menschen stehen unter dem Eindruck, Kar- nataka und Andhra Pradesh allein wären im Bereich von Wissenschaft und Technologie vorangekommen, aber Kerala wird sie überholen. So- gar der Ministerpräsident hat versprochen, er würde diesbezüglich alle notwendige Unterstützung geben. Kerala wird unweigerlich eine her- ausragende Stellung erreichen. Die Kultur Indiens ermahnt:

Kerala ist das Land der Wahrheit. Die Liebe leuchtet in diesem Land. Es ist ein Land des Handeln gemäss der von Gott gesetzten Ordnung. Deshalb werde ich mit Gewissheit Kerala in diesem Jahr besuchen. Die Menschen von Kerala haben ein empfindsames Herz. Sie sind im In- neren so weich und zartfühlend. Sie sind voller Liebe. Im Bereich der Politik sagen die Leute etwas und tun später das Gegenteilige. Spiri- tualität hingegen betont die Einheit von Gedanke, Wort und Tat. Sehr bald wird Kerala sich zu einem idealen Staat in Bezug auf Wissenschaft und Technologie entwickeln. In vielerlei Hinsicht nimmt Kerala den er- sten Rang ein. Sogar der Monsun setzt in Kerala zuerst ein, ehe er sich in die anderen Staaten ausweitet. So ein Land ist unweigerlich auch Gott lieb. Im Land Kerala kann man die Gegenwart der Göttlichkeit er- fahren. Kerala, Siddhashram, ist der Geburtsort von Kaiser Bali, Va- mana und Jamadagni, einem vedischen Seher. Der Name Siddhash- ram beinhaltet, dass es der Ort der Erfüllung und des Erfolges war. Was immer dort gedacht und entschieden wurde, erfüllte sich. Deshalb be- schloss Vishvamitra, dort Askese auszuüben. Aufgrund seiner Askese erlangte Siddhashram ewigen Ruhm. Alle Arten göttlicher Kräfte be- fanden sich dort. Deshalb wurde auch Kaiser Bali dort geboren. Dar- über hinaus lebten viele Heilige und Weise dort. Viele Weise und Seher wählten Kerala als Geburtsstätte. Nicht viele sind sich dessen bewusst. Vishvamitra war anfänglich ein König. Später entsagte er allem und praktizierte Askese. Er wurde “königlicher Weiser” (rajarshi) genannt. Als er Vasishtha sah, der Brahmarishi (ein Weiser, der völlig in Gott ge- gründet ist) genannt wurde, beschloss Vishvamitra, sich denselben Eh- rentitel zu verdienen. Man konnte nur dann zum Brahmarishi werden, wenn man Ego und Hass vollständig aufgab. Weil Vasishtha keine Spur Hass in sich trug, konnte er den Rang eines Brahmarishis erreichen. Als er sich von Zorn und Hass befreite, wurde auch Vishvamitra zum Brahmarishi. Er war verantwortlich für die heilige Vermählung von Sita und Rama. Sein Wunsch, die Schöpfung (prakriti, die durch Sita ver-

213 körpert wurde) und das höchste Göttliche, verkörpert durch Rama) zu- sammenzubringen, wurde erfüllt. Nach der Vermählung brach er sofort in die Wildnis auf. Siddhashram war das Hauptzentrum seiner Aktivität und ermöglichte die Erfüllung all seiner Pläne. Liebe ist die Hauptur- sache für all dieses.

Verkörperungen der Liebe! Liebt alle, hasst niemanden. Liebt sogar die, die euch hassen. Wenn ihr irgendeine Spur Zorn oder Hass in euch tragt, verwandelt sie in Liebe. Dann werdet auch ihr ein grosser Weiser (Rishi) werden. Achtet sogar euren Feind, wenn er euch begegnet. Hasst niemanden. Hass ist nicht gut. Hass ist sehr schlecht. Sprecht liebevoll mit jedem. (Vollständige Übersetzung der Ansprache in Prashanti Nilayam)

214 31. August

Göttliche Spiele reflektieren die Heiligkeit der Avatare

Süsser als Zucker, geschmackvoller als Joghurt, wahrhaft süsser als Honig ist der Name Krishna. Die ständige Wiederholung seines süssen Namens vermittelt einem den Geschmack von göttlichem Nektar selbst. Deshalb sollte man sich ohne Unterlass auf Krishnas Namen besinnen.

Verkörperungen der Liebe! Seit alten Zeiten hat das nektargleiche Krishna-Prinzip jung wie alt gleichermassen fasziniert. Vom Moment seines Erscheinens an hat Krishna durch seine göttlichen Streiche, sei- ne berückende Musik und seine unaussprechliche Glückseligkeit die Menschen in einen ekstatischen Zustand der Selbstvergessenheit ver- setzt.

Krishna und Balarama brachten zusammen mit den anderen Kuhhirten die Kühe zum Grasen an die Ufer des Flusses Yamuna und scherzten und spielten fröhlich miteinander. Eines Tages verloren sich die Kuh- hirten in Glückseligkeit und vergassen ihre Umgebung und ihre Kühe, als sie Krishnas göttlichen Streichen zuschauten. Als sie sich, nachdem die Kühe gegrast hatten, zur Ruhe legten, fühlten sie plötzlich heissen Wind aus allen Richtungen wehen, und sie erkannten, dass sie von wil- dem Feuer umgeben waren. Die lodernde Feuersbrunst war so stark, dass sie nicht einmal ihre Augen öffnen und um sich schauen konnten. Unfähig, die sengende Hitze zu ertragen, rannten die Kühe Hals über Kopf hin und her und gerieten ausser Kontrolle. Als die Hitze mit jedem Moment an Intensität zunahm, beteten die Kuhhirten zu Krishna, sie zu erretten: „O Krishna! Nur du kannst dieses Feuer löschen und uns retten!“ Als Krishna ihre Not sah, fing er an zu lachen und sagte: „Ihr Kuhhirten seid mit mir zusammen gewesen, habt mit mir gespielt und die daraus entstehende Seligkeit erfahren. Wie komisch, dass ihr von Furcht erfüllt seid, sogar nachdem ihr meine Göttlichkeit erfahren habt! Ihr wart in der Vergangenheit so oft Zeuge gewesen, wie ich die von

215 Kamsa gesandten Dämonen tötete. Ich bin bei euch. Warum fürchtet ihr euch dann noch?“

Warum verlangt ihr nach unbedeutenden Dingen, wenn der Wunsch erfüllende Baum direkt vor euch ist? Warum eine Kuh kaufen, wenn Kamadenu, die Wunsch erfüllende Kuh, an eurer Seite ist? Warum verlangt ihr nach geringem Silber und Gold, wenn der funkelnde Berg Meru neben euch ist? Wenn der allmächtige Gott Krishna in euch, mit euch und um euch herum ist, warum verfallt ihr dann wegen so einer nichtigen Begebenheit in Panik?

Krishna sagte ihnen, sie sollten ihre Augen schliessen und sich eine Weile auf ihn besinnen. Die Kuhhirten folgten selbstverständlich seiner Anweisung, schlossen ihre Augen und fingen an, seinen Namen zu sin- gen. Einen Augenblick später hiess Krishna sie, ihre Augen zu öffnen, und, siehe da! das wilde Feuer war völlig verschwunden und all ihre Kühe grasten friedlich, wie wenn nichts geschehen wäre. Die Freude der Kuhhirten war grenzenlos. Sie wollten sofort nach Hause gehen und von Krishnas erstaunlicher Wundertat erzählen. Sie hatten viele solche Wunder erlebt, die Krishnas Göttlichkeit bewiesen.

Nicht nur in Indien, sondern auch in einem kommunistischen Land, in Russland wurden viele derartige mysteriöse Kräfte der Göttlichkeit er- fahren. Am 10. September 1899 wurde ein Mensch namens Wolfe Mes- sing in Polen geboren. Von seiner Geburt an strahlte er göttliches Licht aus und verhielt sich schon in sehr jungen Jahren auf mysteriöse Wei- se. Er machte gewisse Handbewegungen und lachte in sich selbst hin- ein. Seine Eltern waren perplex, weil sie sich sein seltsames Verhalten nicht erklären konnten. Auf diese Weise verging ein Jahr. In seinem zweiten Lebensjahr begann er mit sich selbst zu sprechen. Er kratzte sich am Kopf, wie wenn er in tiefsinnige Gedanken versunken sei. Er rannte von hier nach da, lachte in sich hinein und sprach mit unsicht- baren Wesen. All dies verblüffte seine Eltern, die sich fragten, warum er in sich hinein lachte und mit wem er wohl sprach, und ein Element von Besorgnis und Angst war in ihnen.

Eines Tages kam eine grosse Persönlichkeit, in ein weisses Gewand gekleidet, und blieb vor ihrem Haus stehen. Diese Person rief Messing

216 zu sich und sagte: „Deine Eltern haben vor, dich in ein Irrenhaus oder eine Schule für geistig Behinderte zu bringen. Du brauchst nirgendwo hinzugehen. Wie können Menschen, die an der Verrücktheit der Welt- lichkeit leiden, deine Verrücktheit verstehen, die spiritueller Natur ist? Wenn jeder diese Art spiritueller Verrücktheit bekäme, würde das gan- ze Land erblühen. Lass dich nicht in Schulen einschreiben, die nur welt- liche Bildung vermitteln. Formales weltliches Lernen sagt dir nicht zu. Erlerne spirituelles Wissen. Nur um dir das zu sagen bin ich hierher ge- kommen.“ Messing fragte ihn: „Grossvater, von wo kommst du?“ Er er- widerte: „Ich werde es dir später sagen. Ich kehre zurück zu dem Platz, von dem ich kam. Vergiss niemals meine Worte. Habe nichts mit welt- lichem Wissen zu tun. Erwerbe nur spirituelles Wissen. Du bist noch sehr jung. Ehe du nicht eine gewisse Ebene der Reife erreicht hast, lass dich auf niemanden ein. Ich kehre jetzt zurück.“ Mit diesen Worten ver- schwand er direkt vor Messings Augen. Dieser wunderte sich: „Woher kam er? Wohin ist er gegangen? Werde auch ich zu dem Ort zurück- kehren, von dem ich gekommen bin?“ Er grübelte über diese Dinge nach. Seine Eltern erlaubten ihm nicht, irgendwo hinzugehen. Er war ausschliesslich ans Haus gefesselt. Man schrieb den 9. Februar 1909. An diesem Tag brach sein Wunsch, sich auf die Suche nach spirituellem Wissen zu begeben, wieder auf, weil ihn das ihm beigebrachte weltliche Wissen nicht befriedigte. Er er- innerte sich an die Worte des alten Mannes, der vor einiger Zeit an sei- ner Türschwelle aufgetaucht war. Er ging in das Hausinnere und fand in einem Schrank acht Münzen. Er legte sie in seine Tasche und machte sich auf eine spirituelle Reise in die weite Welt. Er wanderte und wan- derte ohne zu wissen, wohin. Er reiste um die ganze Welt. Niemand fragte ihn nach Tickets oder dem nötigen Geld, sie zu kaufen. In dieser Weise streifte er zehn Jahre lang umher. Dann gelangte er nach Indien. Er stieg in einen Zug, der von Cuddapah nach Anantapur fuhr. Zwi- schendrin hielt der Zug für eine Weile in Kamalapuram, wo ich zu der Zeit zur Schule ging. Die Namen der zwei Jungen, die jeweils auf meiner Seite am Schulpult sassen, lauteten Ramesh und Suresh. Rameshs Vater war ein Steuerbeamter und ihre Familie war sehr reich. Täglich machten wir einen Spaziergang Richtung Zugstation und diskutierten spirituelle Angelegenheiten. In jenen Tagen fuhren nur ein oder zwei Züge durch Kamalapuram. Wir drei setzten uns auf eine Steinbank auf den Bahnsteig. Als wir fröhlich miteinander plauderten, sah Wolfe Mes- sing uns durch das Fenster des fahrenden Zuges, öffnete sofort die Tür, sprang aus dem Zug, verlor dabei sein Gleichgewicht und fiel auf den Bahnsteig. Ramesh und Suresh machten sich Sorgen, ob er sich sein

217 Bein gebrochen hätte. Ich sagte ihnen, sie sollten sich keine Sorgen machen: „Er ist nur gekommen, um mich zu sehen, und deshalb ist ihm nichts passiert.“ Er trug kein Gepäck bei sich, noch nicht einmal eine kleine Tasche. Er kam direkt auf mich zu, setzte sich in einer Entfernung von ungefähr zehn Fuss vor mich und vergoss Freudentränen. Ramesh und Suresh beobachteten diese Szene. In jenen Tagen hatten die Jun- gen Angst, dass die Weissen sie fortschleppen und in den Militärdienst stecken würden. Deshalb wollten sie mich von dem Platz wegbringen. Als Messing sich mir näherte, rannte Ramesh zu seinem Haus und bat seinen Vater, sofort den Jeep zu holen und mich aus dem Blickfeld des Weissen zu entfernen. Rameshs Vater kam sogleich mit dem Jeep, hob mich hoch und setzte mich in den Jeep. Als er mich zu seinem Haus brachte, folgte Messing dem Jeep bis zu Rameshs Haus. Er sass dort den ganzen Tag und wartete darauf, dass ich aus dem Haus käme. In der Zwischenzeit, wann immer er mich durch das Fenster erblickte, lä- chelte er mich an, rief mich und versuchte, mir etwas mitzuteilen. Aber niemand war bereit, ihm zu erlauben, mich zu treffen. Zu dem Zeitpunkt arbeitete Seshama Raju, mein älterer Bruder als Lehrer. Durch einen Dienstboten wurde ihm die Nachricht über meine Lage überbracht. Messing wartete drei Tage lang, verliess den Platz und fuhr mit dem Zug irgendwo hin. Bevor er wegfuhr, schrieb er mit einem Stück Kreide das Folgende auf die Haustür: „Die Leute, die in diesem Haus leben, sind sehr gesegnet. Sie sind in der Lage, das göttliche Kind bei sich zu haben und ihm zu dienen. Ich bin nicht so gesegnet. Nichtsdesto- trotz, danke.“

Schliesslich erreichte er wieder sein Land Russland. Nach zwanzig Jahren besuchte er wieder Indien. Dieses Mal brachte er eine Kirlian- kamera mit sich, welche die menschliche Aura fotografieren konnte. Der Körper von Menschen, deren Wesen rein ist, ist von einer strahlend weissen Aura umgeben. Die Aura von Menschen leidenschaftlicher Na- tur ist rot, und von Menschen, deren Wesen dumpf und träge ist, schwarz. Messing begab sich direkt nach Kamalapuram und stellte Nachforschungen über Rajus Aufenthaltsort an. Zu der Zeit war ich nicht mehr der Oberschüler Raju. Aus Raju wurde Sathya Sai Baba. Die Leute sagten ihm, Sathya Sai Baba hielte sich entweder in Putta- parthi oder in Bangalore auf. Deshalb fuhr er von Kamalapuram nach Bangalore.

Bei seinem Eintreffen in Bangalore fand er eine riesige Versammlung vor. Auf sein Nachfragen hin erfuhr er, dass die Leute auf Sathya Sai

218 Babas Darshan warteten. Auch er wartete auf meinen Darshan. Als ich mich zwischen den Versammelten bewegte, sah er mich und dachte bei sich: „Ja, das ist dieselbe Person, die ich vor vielen Jahren als Junge sah. Dasselbe göttliche Licht umgibt ihn.“ Er suchte den Leiter des Col- leges, zu der Zeit Narendra, auf, der ein grosser Sanskritgelehrter und ein sehr guter Lehrer war. Sein Vater Damodar war ein Richter und sein Schwiegervater ein bekannter Arzt. Beide waren anwesend. Er bat sie, ihn zu Swamis Darshan mitzunehmen und teilte ihnen mit: „Ihr seid nicht fähig, die Wirklichkeit zu sehen. Swami ist wahrhaft Gott. Ihr seht nur seinen Körper und lasst euch dadurch täuschen. Wenn ihr seine Aura anschaut, werdet ihr die Wahrheit wissen.“

Er wollte Swamis Aura durch die Kamera, die er mit sich gebracht hatte, anschauen. In jenen Tagen gab ich den Devotees zum Abschluss des Nagarasamkirtana Darshan. Als ich auf dem Balkon stand und Darshan gab, drückte er den Auslöser seiner Kamera. Er konnte sehen, dass der ganze Platz mit Licht durchflutet war. Als er das Foto zeigte, konnte man um mein Gesicht herum ein grosses Licht sehen. Mein ganzer Kör- per war in weisses Licht eingehüllt, das Reinheit symbolisiert. Nichts anderes war zu sehen. Narendra nahm das Foto an sich und bat ihn, ihm auch die Kamera zu überlassen, da sie in Indien nicht erhältlich war. Messing sagte, er wäre bereit, ihm das Foto zu geben, nicht aber die Kamera, da er eine Menge Arbeit damit zu leisten hätte. Er äusserte seinen Wunsch, ein Gespräch mit Swami zu haben. Abends wurde ein Treffen arrangiert, bei dem er zu den Studenten sprechen sollte. Auch ich nahm daran teil. Er schaute nicht die Schüler oder Studenten an, sondern versuchte herauszufinden, wo ich sass und was ich täte. Als er mich erblickte, kam er auf mich zu und sagte: „Mein Lieber, mein Lie- ber.“ Er wiederholte ständig die Worte: „Du bist mein alles. Ich bin dein Instrument.“ Ich habe das bisher noch niemandem erzählt. Er blieb zehn Tage lang. Ich lehrte ihn alles, was zu lehren war. Ich sagte ihm, dass, wenn Gott auf die Erde herabkäme, er sich wie ein Mensch ver- halten würde.

Er erwiderte, dasselbe stünde sogar in den Schriften geschrieben. Er schrieb ein Buch und gab es Gokak. Gokak war ein Gelehrter der eng- lischen Sprache, verstand aber kein Russisch. Dennoch behielt er das Buch bei sich.

Nach ein paar Tagen fuhr Messing ab, ohne irgendjemandem Bescheid zu sagen. Eines Tages erhielt Narendra einen Brief aus Russland, in

219 dem Messing schrieb: „Du bist ein Lehrer, der für Gott arbeitet. Wie ge- segnet du bist!“ Und er bat Narendra, ihn über die Swami betreffenden Geschehnisse am Laufenden zu halten. Eines Tages äusserte Naren- dra ein paar Zweifel, die ich klärte. Nur wir zwei waren im Zimmer. Auf einmal erschien Messing dort. Wie er dorthin kam, war für Narendra ein Mysterium. Er trug kein Ticket bei sich. Er kam, hatte meinen Dar- shan und verschwand wieder. Nicht jeder konnte dies sehen, und es war nicht leicht zu verstehen. Die Göttlichkeit ist höchst mysteriös.

Eines Tages spielten Krishna und Balarama mit den Kuhhirten an den Ufern des Flusses Yamuna. Sie sprangen auf den Bäumen von einem Ast auf den anderen. Ein paar waren müde. Da kamen die Weisen Va- mana und Bharadvaja zu den Ufern der Yamuna. Sie baten die Kuh- hirten, ihnen einen geeigneten sicheren Platz zu zeigen, wo das Was- ser so flach wäre, dass sie baden könnten. Krishna und Balarama sprangen von den Bäumen herab. Bharadvaja erkannte sofort, dass Krishna das höchste Selbst () und Balarama die individu- elle Seele (jivatman) repräsentierte. Er faltete seine Hände in Vereh- rung und bat Krishna, ihnen einen geeigneten Platz zum Baden zu zei- gen. Krishna sprang ins Wasser, zeigte ihnen einen geeigneten Platz und versprach ihnen, er würde ein ausgiebiges Mahl für sie bereithal- ten. Die Kuhhirten wunderten sich, wie Krishna die Weisen speisen wollte, da er kein Essen mit sich genommen hatte. In jenen Tagen gab es keine tragbaren Essensbehälter. Als die Weisen mit ihrem Bad fertig waren, öffnete Krishna eine Tasche, die aus dem Nichts erschien. Als er sie öffnete, war der ganze Platz mit dem süssen Aroma von in Milch gekochtem Reis erfüllt. Er richtete das Essen auf einem Teller an und forderte die Weisen zum Essen auf. Die Kuhhirten waren so mutwillig und frech wie Affen. Sie konnten nicht stillhalten. Sie fragten Krishna wiederholt: „Von wo hast du das Essen bekommen?“ Krishna brachte sie zum Schweigen mit den Worten, es wäre nicht angemessen, in Ge- genwart von Weisen übermässig viel zu reden. Die Weisen führten das Sandhya-Ritual durch und begannen zu essen. Sie fragten: „Krishna, wer hat dieses Essen zubereitet?“ Er antwortete: „Meine Mutter Yas- hoda.“ Sie stellten fest, sie hätten bisher nichts Köstlicheres gegessen und dankten ihm.

Brahma, der Schöpfergott, der diese mysteriösen Geschehnisse be- obachtete, war über Krishnas ungeheure Kräfte von Staunen erfüllt. Er wollte Krishna einen Streich spielen. Als die Kuhhirten eines Tages vol- ler Begeisterung mit Krishna und Balarama spielten, liess Brahma die

220 Kühe und Kälber und sogar die Kuhhirten von der Bildfläche verschwin- den. Krishna wusste, dass es ein Streich von Brahma war. Krishna er- schuf sofort durch seinen Willen alle Kuhhirten, Kühe und Kälber. Diese Kuhhirten kehrten mit ihren Kühen und Kälbern in ihre jeweiligen Häu- ser zurück. Sie waren in jeder Hinsicht mit den Kuhhirten identisch, die Brahma irgendwo versteckt hielt. Nicht einmal ihre Eltern bemerkten einen Unterschied. Das Leben ging wie gewöhnlich weiter, und die Kuh- hirten brachten ihre Kühe und Kälber täglich in Begleitung von Balara- ma und Krishna zum Grasen. Dies geschah ein volles Jahr lang. Brah- ma schämte sich und nahm die Niederlage an. Er bat Krishna um Verzeihung und gab die ursprünglichen Kuhhirten, Kühe und Kälber zu- rück. Als er sie zurückbrachte, verschwanden die von Krishna erschaf- fenen Kuhhirten sofort. Auf diese Weise vollführte Krishna von Kindheit an solche gewaltigen Heldentaten. Darauf basierend sagt das Bhaga- vatam:

Die Geschichten Gottes sind höchst wundervoll und heilig in allen drei Welten. Sie gleichen Sicheln, welche die Schlingpflanzen weltlicher Bindung zerschneiden.

An dieser Stelle möchte ich eine Begebenheit erzählen, die in dieser Avatarschaft geschah. Ich habe das bisher noch niemandem offenbart. Nach der Errichtung des Prashanti Mandir nahm ich für gewöhnlich mein Essen oben im Zimmer zu mir. Immer wenn ich ass, sass Griham Ammayi, die Mutter dieses Körpers, neben mir und zwang mich, mehr zu essen. Sie gab oft ihrer Besorgnis Ausdruck, dass ich abnehmen würde. Ich erwiderte ihr: „Warum sollte ich mehr essen? Muss ich mit jemandem kämpfen? Ich mag nicht dick werden.“

Eines Tages lud mich jemand zu sich nach Hause zum Essen ein. In Wahrheit war es ihre Absicht, mich zu vergiften. Sie waren eifersüchtig auf meine zunehmende Beliebtheit und meinen Erfolg. In jenen Tagen mochte ich Vadas, die aus Alasandakörnern zubereitet waren. Sie mischten Gift in die Vadas und boten sie mir an. Ehe ich dorthin ging, sagte ich Easwaramma und Subbamma, sie sollten sich nicht ängsti- gen, wenn irgendetwas Problematisches geschehe. Als ich von dort zu- rückkam, wurde mein ganzer Körper blau und mein Mund begann zu schäumen. Ich wies Easwaramma an, ihre Hand kreisförmig zu bewe- gen. Sie tat es, und zu ihrem höchsten Erstaunen erschien Vibhuti in ihrer Hand. Sie vermischte es mit Wasser und gab es mir zu trinken.

221 Ich wurde sofort normal. Sie wunderte sich: „Swami kann mit einer Handbewegung Vibhuti erschaffen. Aber wie kommt es, dass Vibhuti in meiner Hand erschien?“ Ich hatte ihr tatsächlich für einen Augenblick diese Kraft übertragen.

Als ich im Alten Mandir lebte, nahm ich täglich die Kinder zum Fluss Citravati. In jenen Tagen gab es in Puttaparthi nicht Schüler und Stu- denten wie heute. Nur die Dorfjungen versammelten sich um mich. Ich pflegte ihnen zu sagen, sie sollten einen kleinen Sandhügel aufhäufen, aus dem sie bekommen könnten, was immer sie wollten, z.B. einen Bleistift, einen Kugelschreiber, einen Laddu etc. Weil sie kleine Kinder waren, baten sie nur um unbedeutende Dinge.

Nach einem solchen abendlichen Treffen am Citravati kehrten wir zum alten Mandir zurück. Sushilamma aus Kuppam und ihre Schwester Ku- maramma, die Verfasserin des Buches „Du bist die einzige Zuflucht“, die damals noch jung waren, begannen zum alten Mandir zu rennen, um Swami bei seiner Ankunft Arati darzubringen. Ich gab Subbamma ein Zeichen, sie zu stoppen und stattdessen selber zu gehen, um das Arati vorzubereiten. Subbamma folgte meiner Anweisung umgehend. Die zwei zuvor genannten Frauen empfanden, dass nur sie als Haus- frauen Anspruch darauf hätten, Swami Arati darzubringen, nicht aber Subbamma, die verwitwet war. Als Subbamma zum Alten Mandir kam, fand sie dort eine grosse Schlange. Aus diesem Grund hatte ich sie los- geschickt, denn sie war immer achtsam. Als sie die Schlange erblickte, rief sie aus: „Sai Nageshvara, Sai Nageshvara, Sai Nageshvara (Sai, Herr der Schlangen)!“ Mittlerweile waren wir alle eingetroffen. Sie wollte die Schlange nicht töten, da sie an Swamis Worte dachte, dass Gott sich in allen Lebewesen befände. Sie wollte die Schlange einfangen und sie irgendwo hinbringen. Als sie die Schlange fing, schlang sie sich um ihre Hand. Ich machte mich über sie lustig mit den Worten: „Sub- bamma, spielst du mit Schlangen?“ Sie erwiderte: „Swami, ich weiss, dass du mich vorausgeschickt hast, um das Leben dieser zwei Frauen zu retten.“ Auf diese Weise war Subbamma Zeuge vieler göttlicher Spiele von Swami. Sie war sehr gesegnet und sehr verdienstvoll. Sie diente mir von Anfang an. Sie diente nicht nur mir, sondern den Devo- tees, die für meinen Darshan kamen, indem sie ihnen Essen gab. All ihre Verwandten wandten sich gegen sie, aber sie schenkte ihnen keine Beachtung. Sie wollte nur Swami, nichts anderes. Sie pflegte Swamis Anweisung unverzüglich zu gehorchen. Ihr Glaube und Vertrauen wa- ren unerschütterlich.

222 Eines Tages fragte ich sie, ob sie ihren verstorbenen Ehemann sehen wolle; gelegentlich scherzte ich in dieser Weise. Sie erwiderte, sie hege keinen derartigen Wunsch und sie hätte nichts mit ihrem verstorbenen Ehemann zu tun. Darüber hinaus sagte sie, ihr Mann wäre gestorben, weil er nicht ausreichend gesegnet war, Swami zu dienen. Sie empfand es als ihr gutes Los, dass sie mir dienen konnte. Aber ich bestand dar- auf, dass, wenn sie irgendeinen Wunsch hätte, ihn zu sehen, ich diesen Wunsch gewähren würde. Ich sagte ihr, sie solle ins Freie gehen und um sich schauen. Dort befand sich ein Drumstickbaum. Sie sah ihren Ehemann Narayana Rao eine Zigarette rauchend unter dem Baum sit- zen. Sie sah die Szene sehr deutlich. Sie war froh, ihren verstorbenen Ehemann wieder zu sehen, aber sie schalt ihn auch mit den Worten: „Nicht einmal nach deinem Tod hast du deine schlechten Angewohn- heiten aufgegeben.“ Sie kam sofort zurück, weil sie ihn nicht länger se- hen wollte. Narayana Rao hatte zwei Ehefrauen, Subbamma und Kamalamma. Kamalamma lebt gegenwärtig im Ashram. Ich sagte Kamalamma, auch sie solle gehen und ihren verstorbenen Mann se- hen. Sie wollte sein Gesicht nicht wieder sehen. Sie sagte, nachdem sie zu den Lotosfüssen von Swami gekommen sei, hätte sie keinen der- artigen Wunsch. Aber weil ich darauf bestand, ging sie und schaute. Zu der Zeit sah sie ihren verstorbenen Ehemann, wie er heissen Kaffee schlürfte. Sowohl Subbamma als auch Kamalamma sahen ihren ver- storbenen Ehemann dieselben Gewohnheiten ausüben, die er zu Leb- zeiten hatte. Auch in der Zeit des Krishna Avatars zeigte Krishna seinen Devotees Vorfälle, die lange zuvor geschehen waren. Als Krishna den Govard- hana Berg hochhob, war das Anlass zum Feiern. Die unverheirateten Gopikas führten das Varalakshmi-Ritual durch. Sogar heutzutage füh- ren Frauen dieses Ritual durch. Radha war eine grosse Gottergebene. Aber die Menschen, die nicht an Krishnas Göttlichkeit glaubten, setzten sie vielen Härten aus. Sogar in jenen Tagen gab es Atheisten. Athei- sten, Theisten, theistische Atheisten und atheistische Theisten gibt es in jedem Zeitalter. Die Atheisten steckten Radha in ein Haus und schlossen es von aussen zu. (Ich griff dieses Thema auf, schrieb ein Drama und liess es von Kindern aufführen). Sie glaubten, die Ehre von Radhas Familie würde besudelt, weil sie Krishna hinterherlief. Sie woll- ten sie davon abhalten und sperrten sie deshalb im Zimmer ein. Sie begann zu weinen und zu beten. Krishna hörte ihre Gebete, öffnete die Türe und befreite sie. Er schalt diese Leute mit den Worten: „Sollte man einen Devotees auf diese Art und Weise behandeln? Es ist in Ordnung, wenn ihr keine Hingabe zu mir hegt. Aber es ist eine grosse Sünde,

223 einen Devotee zu belästigen.“ Krishna nahm Radha mit sich. Radha bat Krishna dann, auf seiner göttlichen Flöte ein Lied zu spielen:

Singe ein Lied, o Krishna! Lass jedes Wort mit Honig durchtränkt sein und sprich mit mir nach Herzenslust! Nimm die Essenz der Veden, lasse sie durch deine göttliche Flöte fliessen und transformiere sie in ein melodiöses Lied! Singe ein Lied, o Krishna!

Als sie seiner wohlklingenden Musik lauschte, tat Radha ihren letzten Atemzug. Seit dem Tag hat Krishna nie wieder seine Flöte angerührt.

Krishna spielte verschiedene göttliche Spiele. Er war wahrhaft Gott in menschlicher Form. Niemand kann sein göttliches Wesen erfassen oder beschreiben. Es ist unendlich und unfassbar. Gott Krishna hat vie- le derartige göttliche Spiele gespielt. Man kann nichts anderes als Liebe aus ihm strömen sehen.

Im Kupfernen Zeitalter waren es die Frauen, die Krishnas Göttlichkeit stärker erfuhren. In der Tat waren sie es, die durch ihre Hingabe Gottes Geschichte offenbarten. Einst führten einige Brahmanen in einem Wald ein Opferritual zu Ehren der Göttin Gayatri durch. Krishna sagte den Kuhhirten, sie sollten etwas Essen vom Opferaltar bringen, weil er und sein Bruder Balarama sehr hungrig waren. Als die Kuhhirten die Brahmanen um Nahrung baten, lehnten sie es mit den Worten ab: „Glaubt ihr, dies sei ein Rasthaus, das euch speist sobald und wenn ihr darum fragt? Nein. Wartet bis zum Abschluss der Opferhandlung. Wenn irgendetwas übrig ist, nachdem wir gegessen haben, werden wir es euch geben.“ Als Krishna diese Ant- wort überbracht wurde, riet er ihnen, zu den Frauen zu gehen, die hinter dem Opferaltar das Essen zubereiteten. Entsprechend seinem Rat gin- gen die Jungen dorthin und sahen, wie die Frauen eine köstliche Süssspeise zubereiteten. Sie fragten diese Frauen: „Mütter, unser Krishna und unser Balarama sind hungrig; könnt ihr ihnen etwas Nah- rung geben?“ Die Frauen waren ausgesprochen glücklich, eine Gele- genheit erhalten zu haben, Krishna dienlich zu sein. Sofort packten sie all die Speisen, die sie zubereitet hatten, und brachten sie zu Krishna. Manche Frauen erhoben den Einwand, wie sie Krishna, der dem Kuh- hirtenclan angehörte, vor ihren Ehemännern (Brahmanen) Essen an-

224 bieten könnten. Aber ihr Einwand wurde beiseite gefegt und sie spei- sten Krishna und Balarama mit dem zubereiteten Essen. Sie sahen Krishna als Gott an. Als dies ihren Ehemännern zu Ohren kam, schalten sie ihre Frauen und sagten, es wäre eine gotteslästerliche Handlung gewesen. Aber als sie sich später in Meditation niedersetzten, ging ih- nen ein Licht auf. Sie erkannten ihren eigenen Fehler und sagten ihren Ehefrauen, was sie getan hatten, sei korrekt gewesen. Sie nahmen noch mal ein Bad und forderten ihre Frauen auf, ihnen das von Krishna gesegnete Essen als geweihte Speise zu reichen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass zu Lebzeiten ei- nes jeden Avatars allein die Frauen die Göttlichkeit zuerst erkannten. Sie sind es, die ihre Ehemänner zur Göttlichkeit führen. Nur aufgrund der Hingabe der Frauen entwickeln die Männer wenigstens in gewis- sem Ausmass Hingabe. Ohne die Frauen würden Männer überhaupt keine Hingabe haben. Es heisst, ein Haus ohne Frau ist buchstäblich ein Wald. Seit undenklichen Zeiten werden Frauen mit Hingabe gleich- gesetzt und Männer mit Weisheit. Frauen können sogar die inneren Ge- mächer eines Palastes betreten, wohingegen es den Männern nur ge- stattet ist, in die Versammlungshalle zu kommen. Das bedeutet: Weisheit, wird euch aufwärts zu Gott bringen. Hingabe hingegen, bringt euch zu seinem Herzen. Aus diesem Grund wurde Hingabe so viel Wert beigemessen. Tatsächlich waren die Gopikas, die Kuhhirtinnen, die Ur- sache dafür, dass sich das Prinzip der Hingabe in der Welt verbreitete.

In jenen Tagen dachte sogar in diesem Dorf Puttaparthi mit Ausnahme von Karnam Subbamma niemand an Gott. Die Mutter dieses Körpers beobachtete, wie grosse Beamte zu mir zum Darshan kamen. Sie fürch- tete sich vor jedem in Polizeiuniform. Sie bat Subbamma, niemanden von der Polizei hineinzulassen, weil sie glaubte, sie würden Swami Un- annehmlichkeiten bereiten. Subbamma pflegte ihre Angst mit den Wor- ten zu zerstreuen: „Warum sollten sie nicht kommen dürfen? Auch sie sind Devotees von Swami. Jeder darf zu Swami kommen. Mache keine solchen Unterschiede. Niemand kann Swami schaden. Sorge dich nicht deswegen.“ Easwaramma hörte Subbammas Worte und wurde ärgerlich: „Nur weil Swami bei dir wohnt, kommen viele Polizisten zu deinem Haus. (Subbamma war die Frau des Dorfvorstehers). Bitte ge- währe ihnen keinen Zutritt.“

Einmal kam IGP Ranganayakulu aus Madras. Er wollte mich mit sich nehmen. Easwaramma war traurig und weinte. Für sie war Madras ein

225 weit entfernter Ort und ein fremdes Land. Deshalb beschloss sie, mich vom Gehen abzuhalten. Ihre intensive Liebe zu Swami war der Grund dafür. Sie machte sich Sorgen, Swami könnte auf immer von Putta- parthi weggenommen werden. Aufgrund ihres Gebets wurde dieser Tempel hier erbaut.

Einmal kam Sakamma herbei und schlug vor: „Swami, weil es hier keine anständigen Strassen und Transportmittel gibt, finden wir es schwierig, in dieses abgelegene Dorf zu kommen. Weder Autos noch Ochsen- karren können bis ins Dorfinnere gelangen. Wir müssen jedes Mal un- ser Auto nahe bei Penukonda lassen, um hierher zu kommen. Komme deshalb bitte nach Bangalore und lasse dich dort nieder. Wir werden für dich ein fürstliches Gebäude errichten lassen.“ Ich antwortete ihr, ich bräuchte keine riesigen Gebäude. Alles, was ich bräuchte, wäre ein kleines Zimmer. Aber sie hörte nicht auf mich. Eas- waramma stellte fest: „Damit ein Schössling zu einem mächtigen Baum heranwächst, muss er ohne gestört zu werden gut gedüngt und ge- wässert werden. Wenn man ihn von Platz zu Platz verpflanzt, kann er nicht wachsen. Bleibe deshalb bitte an deinem Geburtsort Puttaparthi, der sich dann sicherlich weiterentwickeln wird.“ Ich versprach ihr dar- aufhin, mich in Puttaparthi niederzulassen.

Was Hingabe und Ergebung betrifft, sind Frauen Männern überlegen. Sie sind die Schatzhäuser aller Formen von Intelligenz, guter Erkennt- nis und Weisheit. Schaut deshalb niemals auf Frauen herab. Sprecht nicht verächtlich über andere. Betet für das Wohlergehen aller.

Die Hauptlehre der Bhagavadgita besteht darin, dass man für das Wohlergehen aller arbeiten sollte. Der Eine beschloss, viele zu werden. Dieselbe Göttlichkeit ist in allen gegenwärtig. Alle Formen sind sein.

Bevor ich schliesse, möchte ich gerne ein kleines von Krishna im Kup- fernen Zeitalter vollführtes Lila erzählen. Solange Kamsa lebte, schick- te er Dämonen aus, die mit Krishna kämpfen sollten. Kamsa hatte zwei Ehefrauen, deren Vater ein mächtiger König war. Als Kamsa getötet worden war, versuchte sein Schwiegervater, einen Krieg gegen Krish- na zu führen. Die Gopikas sorgten sich und fragten Krishna: „Wie lange noch sollen wir diese Schicksalsprüfungen erleiden?“ Krishna riet ih- nen, nicht in Panik zu verfallen und beruhigte sie mit den Worten: „Ver- sucht, meine Kräfte und Möglichkeiten zu verstehen. Legt euch heute in Repalle schlafen und seht selber, wo ihr euch am nächsten Morgen

226 befindet.“ Als sie am nächsten Morgen aufwachten, fanden sie sich in Dwaraka vor. Wo war Repalle, und wo war Dwaraka? Beide Orte waren durch eine Entfernung von 1600 Kilometern voneinander getrennt. Auf diese Weise konnte Krishna ein Dorf gegen ein anderes austauschen. Gott kann alles tun. Er kann überall hingehen. Er kann alles verändern. Lasst Zweifeln keinen Raum. Wer die Göttlichkeit anzweifelt, wird mit Sicherheit untergehen. Entwickelt unerschütterlichen Glauben und folgt der göttlichen Anweisung. Die wahre göttliche Pflicht besteht darin, dem göttlichen Befehl zu folgen. Wenn ihr Gott folgt, werdet ihr mit allem Guten und Glücksverheissendem gesegnet sein.

227

10. September

Die Bedeutung der Verehrung von Ganesha (Vinayaka, Ganapathi oder Gananatha)

Der Theismus nimmt ab und der Atheismus nimmt zu. Rechtschaffenheit und Achtung vor den Älteren und Lehrern sind nirgendwo zu sehen. Hingabe und alte Weisheit sind ausgestorben. So ist die traurige Lage heute. (Gedicht in Telugu)

Heute ist das heilige Fest Ganapaticaturthi, das Ganesha gewidmet ist. Ganesha ist der Meister der Intelligenz, Unterscheidungskraft, von Wis- sen und Weisheit. Das Universum wird von halbgöttlichen Wesen er- halten, und Ganesha ist ihr Meister. Auf dieser Welt hat jeder einen Mei- ster, aber Ganesha hat keinen. Er selbst ist der Meister. Heute ist der Geburtstag des Meisters der Meister. Ganesha wird auch Mushikavahana (einer, der eine Maus als sein Reit- tier hat) genannt. Ihr mögt euch wundern, wie eine kleine Maus (mus- hika) eine stämmige Person wie Ganesha auf ihrem Rücken tragen kann. Hier bedeutet mushika nicht bloss Maus. Es symbolisiert die Dun- kelheit der Unwissenheit, weil dort, wo die Maus herumläuft, Dunkelheit herrscht. Somit ist Mushikavahana einer, der die Unwissenheit besiegt und die Dunkelheit vertreibt. Nur wenn ihr die tiefere Bedeutung des Ganesha-Prinzips versteht, könnt ihr Ganapaticaturthi richtig feiern. Eines der Hauptprinzipien, das in der Bhagavadgita verkündet wird, ist in folgendem Vers ausgedrückt: Gib alle weltlichen Pflichten auf und gib dich ganz mir (Krishna) hin. Ich werde dich von allen Sünden befreien; sorge dich nicht.

Solange der Mensch von der Anhaftung an seinen Körper besessen ist, wird er von vielerlei Schwierigkeiten, Beunruhigungen und Sorgen gepeinigt werden. Alle Gedanken werden durch die Anhaftung an den Körper verursacht. Deshalb hat Krishna die Menschen ermahnt, diese Körperanhaftung aufzugeben. Die tiefere Bedeutung dieser Ermah-

229 nung ist, dass der Mensch die Einheit in der Vielheit erfahren sollte. Ohne den Einzelnen, das Individuum, gibt es keine Gesamtheit. Ohne Gesamtheit gibt es keine Schöpfung. Ihr müsst also zuerst die Rolle des Individuums erkennen. Nur dann könnt ihr das Prinzip der Gesamt- heit verstehen, was wiederum dazu führt, dass ihr die Schöpfung ver- steht. Wer die Schöpfung versteht, wird eins mit Gott. Heute unternimmt niemand einen Versuch, das Prinzip Gottes zu erkennen, der funda- mentalen hinter dem Individuum, der Gesamtheit und der Schöpfung verborgenen geistigen Kraft. Gott ist der Herr von allem. Daher muss man sich bemühen, zuallererst das Individuum zu verstehen. Das Individuum symbolisiert die individuelle Seele, während die Ge- samtheit die Verkörperung Gottes ist. Es gibt keinen grossen Unter- schied zwischen der individuellen Seele und dem kosmischen Geist. Solange sich der einzelne Mensch mit seinem Körper identifiziert, führt er ein ganz gewöhnliches Leben. Nur wenn er sich mit der Gesamtheit identifiziert, kann er das Prinzip der Schöpfung verstehen. Deshalb soll- te sich der Mensch zuallererst bemühen, die wahre Bedeutung des In- dividuums zu verstehen. Das ist die Botschaft von Ganesha. Heute ver- ehren Menschen Ganesha, ohne dass sie die Bedeutung dieser Verehrung wirklich verstehen. Ganesha symbolisiert die Eigenschaften eines in jeder Hinsicht wahren Führers. Er wird als der höchste Meister betrachtet. Er wird auf dieser Welt von vielen Menschen verehrt. Aber er selbst verehrt niemanden, da er keinen Meister über sich hat. Selbst Shiva, der allgewaltige Gott, verehrt seinen Sohn Ganesha. In dieser Welt vollbringen die Menschen gute und schlechte Taten. Ihr Denken ist die Ursache ihres Handelns. Gute Gedanken führen zu gu- ten Taten und schlechte Gedanken sind verantwortlich für schlechte Taten. Der Mensch ist die Verkörperung von Gedanken und falschen Vorstellungen. Die wahre spirituelle Praxis besteht darin, diese beiden unter Kontrolle und in vollkommenem Gleichgewicht zu halten. Jeder Mensch kommt irgendwann in eine schlechte Lage. Deshalb ist nie- mand frei von Sorgen.

Geboren zu werden ist eine Sorge, auf der Erde zu sein ist eine Sorge; die Welt und auch der Tod sind Ursachen von Sorgen; die gesamte Kindheit ist eine Sorge und das Alter ebenso; das Leben ist eine Sorge, Misserfolg ist eine Sorge; alle Handlungen und Schwierigkeiten verursachen Sorgen; sogar das Glück ist eine mysteriöse Sorge. (Gedicht in Telugu)

230 Glück entsteht aus Sorgen. Ohne Kummer, Sorgen und Angst kann der Mensch kein Glück erlangen. Freude ist ein Intervall zwischen zwei Schmerzen. Es ist unmöglich, Glück zu erfahren, ohne Schwierigkeiten durchzumachen. In jedem Menschen ist Göttlichkeit. Die im Menschen verborgene Kraft ist nirgendwo sonst gegenwärtig. Der Mensch ist je- doch unfähig, die göttliche Kraft in sich zu nutzen. Die Kraft der uni- versalen Seele, der Intuition (buddhi), des Unterscheidungsvermö- gens, ist ungeheuer gross. Aber noch viel grösser ist die Kraft des Wissens, des Erkennens. Zuallererst sollte der Mensch die Prinzipien der Intuition, des Unterscheidungsvermögens, des Wissens und Er- kennens richtig verstehen.

An diesem Ganapaticaturthi-Tag bereiten die Leute besondere Gerich- te zu und bringen sie Ganesha dar. Diese Gerichte sind etwas Beson- deres und Einzigartiges, weil sie in Dampf und ohne jegliches Öl ge- kocht werden. Sesam, Reismehl und Palmzucker werden miteinander vermischt, zu Bällchen geformt, in Dampf gegart und Ganesha darge- bracht. Ihr solltet nach dem Zweck dieser Opfergabe forschen. Sesam ist gut für die Augen. In Dampf gegarte Speisen ohne Öl sind gut für das Verdauungssystem. Wer solche Speisen isst, bekommt keinen ho- hen Blutdruck und keinen Blutzucker und wird immer gesund und glück- lich sein. Speisen, die mit Öl gekocht werden, sind schädlich für die Ver- dauung. Sie sind die Ursache verschiedener Krankheiten. Man kann ein langes, glückliches und gesundes Leben führen, wenn man ölige und gebratene Speisen meidet.

Ganesha wird auch “Beseitiger von Hindernissen” genannt. Kein Hin- dernis kann sich demjenigen in den Weg stellen, der zu Ganesha betet. Die Verehrung von Ganesha verleiht Erfolg, sowohl in spirituellen als auch in weltlichen Bestrebungen. Gott schenkt seine Gnade auf zwei Ebenen, auf der äusseren und auf der inneren. Die äussere Ebene be- zieht sich auf den physischen Körper, wohingegen die innere Ebene den Intellekt betrifft. Die äussere Ebene verändert sich im Lauf der Zeit, während die innere Ebene unverändert bleibt. Deshalb sollte man ver- suchen, durch richtige Ernährung und gute Angewohnheiten die An- haftung an den Körper zu reduzieren.

Übermässige Nahrungszufuhr führt zu Korpulenz. Infolgedessen muss sich das Herz mehr anstrengen, wenn es das Blut in alle Körperteile pumpt. Mit jedem Herzschlag legt das Blut im Körper eine Strecke von 19’308’000 km zurück. Korpulenz verursacht Kreislaufprobleme, und

231 der Druck auf das Herz beeinträchtigt seine Funktion und schwächt es. Ihr solltet dafür sorgen, dass das Herz nicht überlastet wird. Eure Ge- sundheit hängt von euren Ernährungsgewohnheiten ab, deshalb solltet ihr diese überwachen. Die Menschen verehren Ganesha, indem sie ihm eine Art weisses Gras (garika) opfern. Woher kommt diese Verehrung? Einst spielten Parvati und Shiva ein Würfelspiel. Nandi, das Reittier Shivas, wurde gebeten, als Schiedsrichter zu fungieren. Er erklärte jedes Mal Shiva zum Ge- winner. Mutter Parvati dachte, Nandi bevorzuge Shiva. Sie wurde wü- tend und stiess den Fluch aus, dass Nandi unter schlechter Verdauung leiden solle. Nandi fiel sofort zu ihren Füssen nieder und flehte: „Mutter, ich habe dich nicht betrogen, noch habe ich Shiva bevorzugt. Ich war bei meinem Urteil vollkommen unparteiisch. Shiva hat jedes Mal durch die Kraft seines Willens gewonnen. Shivas Wille wird sich immer er- füllen. Deshalb bitte ich dich um Verzeihung und flehe dich an, mich von dem Fluch zu befreien.“ Parvati hatte Mitleid mit ihm und sagte: „Nandi! Verehre Ganesha mit einem Garika-Opfer am vierten Tag des Monats Bhadrapada. Dann wirst du von den Verdauungsstörungen be- freit sein.“ Leute, die Hunde besitzen, wissen dies sehr gut. Wenn die Hunde auf der Wiese sind, suchen diese nach weissem Gras und fressen es. Wes- halb tun sie das? Das weisse Gras ist gut für ihr Verdauungssystem. So sehen wir, dass das Ganesha dargebrachte Opfer allen eine gute Gesundheit bringt. Seit uralten Zeiten glauben die Menschen daran, dass Ganesha denjenigen seine Gnade verleiht, die ihn am vierten Tag des Monats Bhadrapada verehren.

Heute macht der Mensch nicht den richtigen Gebrauch von seinem Geist, seiner Position und seinem Reichtum. Infolgedessen verliert er die heilige Energie, die Gott ihm gegeben hat. Und nicht nur das. Er erfährt Kummer und Elend wegen seiner schlechten Eigenschaften wie Verlangen, Zorn und Habgier. Er hat keinerlei Kontrolle über seine Wünsche. Sobald ein Wunsch erfüllt ist, hat er einen neuen. Die Wün- sche der Menschen nehmen kein Ende, Eine weitere schlechte Eigen- schaft, die den Menschen ruiniert, ist der Zorn. In der Tat entfernt er euch von euren Verwandten und Freunden. Ein zorniger Mensch wird trotz seiner Bemühungen keinen Erfolg haben. Er wird Sünden bege- hen und von allen verspottet werden.

232 Zorn ist des Menschen Feind, Frieden ist der Schutzschild, Mitgefühl ist die wahre Beziehung, Glücklichsein ist wahrhaft der Himmel, und Elend und Not sind die Hölle. (Gedicht in Telugu)

Hass ist noch gefährlicher als Zorn. Er bringt viele schlechte Eigen- schaften hervor, welche die Erfahrung Gottes verhindern. Der Mensch kann hundert Jahre leben, aber seine Lebenszeit wird durch diese schlechten Eigenschaften abgekürzt. Wenn diese schlechten Eigen- schaften vollkommen beseitigt werden, kann sich der Mensch eines langen und glücklichen Lebens erfreuen. Er wird sein Leben nicht ein- mal verlieren, wenn er einen schweren Unfall haben sollte. Der Mensch muss leiden aufgrund der Widerspiegelung, der Reaktion und des Wi- derhalls seiner eigenen schlechten Eigenschaften. Verlangen, Zorn und Hass sind keine menschlichen Eigenschaften; es sind tierische Neigungen. Der Mensch wird zu einem Tier, wenn er es zulässt, dass ihn diese schlechten Eigenschaften überwältigen. Er sollte sich ständig daran erinnern, dass er ein Mensch ist und kein Tier. Auf diese Weise kann er seine tierischen Neigungen in Schach halten. Unglücklicher- weise entwickeln die Jugendlichen heute übermässige Wünsche und ruinieren so ihre Zukunft.

Das menschliche Leben kann mit einem vierstöckigen Haus verglichen werden. Das Fundament des Lebens ist die Schülerschaft, die Enthalt- samkeit und Keuschheit. Wenn das Fundament stark ist, ist das Haus sicher und solide. Aber die moderne Jugend hat kein starkes Funda- ment. Ein schwaches Fundament kann die anderen drei Stockwerke des Lebens-Hauses nicht tragen. Wenn Ältere den Jugendlichen raten, mindestens fünf Minuten zu Gott zu beten, dann sagen diese, sie hätten keine Zeit, aber sie haben alle Zeit der Welt, ihre schlechten Eigen- schaften auszuleben und sich schlechten Gewohnheiten hinzugeben. Die Studenten, insbesondere die jungen, sollten sich alle Mühe geben, ein starkes Fundament zu errichten. Diese Stufe bedeutet nicht bloss, unverheiratet zu bleiben; wahre Entsagung ist die ununterbrochene Kontemplation über Gott. Denkt an Gott und singt seinen Namen unter allen Umständen. Führt ein Leben der Reinheit. Widmet euer Leben dem Prinzip der Liebe. Dies stärkt das Fundament des Hauses eures Lebens. Später seht ihr die Mauern, ihr seht das Dach, ihr seht das ge- samte Gebäude, aber ihr seht nicht das Fundament. Es ist unter dem

233 Haus verborgen. Jedoch hängt die Sicherheit des Gebäudes, das ihr von aussen seht, von dem unsichtbaren Fundament ab. Wenn ihr ein Haus baut, dann gestaltet ihr die Mauern und das Dach so, dass das Haus attraktiv aussieht. Aber das Fundament, welches das gesamte Gebäude trägt, braucht nicht schön auszusehen. Und doch ist es der wichtigste Teil des Gebäudes. Heute kümmert sich der Mensch nicht um das Fundament seines Lebens. Er ist mehr am äusseren Aussehen interessiert. Ihr solltet dieses Lebensstadium in ständiger Kontempla- tion über Gott verbringen.

Die zweite Stufe ist die der Familie, in welcher der Mensch seine Pflich- ten der Gesellschaft gegenüber erfüllen muss.

Die dritte Stufe ist die des Einsiedlers. In dieser Stufe entwickelt der Mensch das Empfinden, dass alle dualistischen Gegensätze keine letztgültige Wirklichkeit besitzen. Es ist eine Zeit der intensiven spiri- tuellen Praxis. Er löst alle weltlichen Bindungen.

Die vierte Stufe ist die des Samnyasin. Der Mensch entsagt der Welt und lebt in völliger Besitzlosigkeit.

Früher wurde der Lehrende als Acarya bezeichnet, womit jemand be- zeichnet wird, der erst praktiziert und dann predigt. Einer, der bloss pre- digt, ohne zu praktizieren, ist nur ein gewöhnlicher Lehrer. Er mag im- stande sein zu unterrichten, aber er wird nicht in der Lage sein, euch dabei zu helfen, euren Geist zu beherrschen und spirituelle Fortschritte zu machen. Nur ein wahrer Acarya kann euch helfen, Kontrolle über euren Geist zu erlangen. Wenn wir von Acaryas sprechen, fallen uns sofort zwei Namen ein: Der eine ist Bhishmacarya und der andere ist Dronacarya. Dronacarya war der Guru der Kauravas und der Pandavas in dem Sinne, dass er sie in der Kunst des Bogenschiessens unterwies. Bhishmacarya war ihr spiritueller Lehrer. Er war ein grosser Weiser. Weisheit bedeutet nicht das Erwerben von Buchwissen. Die Erkenntnis der Nicht-Dualität (advaita) ist Weisheit. Ein wahrer Weiser ist einer, der seinen Körper, seinen Geist und seinen Intellekt Gott weiht. Er denkt nur an Gott und an nichts anderes. Er verrichtet seine Tätigkeiten mit dem einzigen Ziel, Gott zu gefallen. Was immer ihr tut, tut es in dem Gefühl, dass es geschieht, um Gott zu gefallen.

Ihr solltet nicht nach persönlicher Befriedigung trachten. Ihr solltet euch alle Mühe geben, Gott zu gefallen. Das war das einzige Bestreben

234 Bhishmas. Er war der Sohn der Mutter Ganga. Sein ganzes Leben lang gehorchte er den Anweisungen seiner Mutter, und als schliesslich sein Ende nahte, wollte er ihre Liebe und Gnade erfahren. Er war durch die Pfeile von Arjuna verwundet worden und lag 56 Tage lang auf einem Pfeilbett. Sein ganzer Körper war von Pfeilen durchbohrt. Bevor er sei- nen Körper verliess bat er Arjuna, seine Mutter Ganga zu holen, um seinen Durst zu stillen. Arjuna bedeutet “Einer mit einem reinen Her- zen”. Als Arjuna Bhishmas Bitte hörte, schoss er mit all seiner Kraft ei- nen Pfeil in die Erde. Unverzüglich erschien die Mutter Ganga in Form eines Springbrunnens und stillte den Durst ihres Sohnes Bhishma. So tat er in Frieden seinen letzten Atemzug. Arjuna genoss wegen seines reinen Herzens grosses Ansehen bei den Pandavas. Er verletzte nie einen Unschuldigen. Niemals erhob er seine Waffen gegen jemanden ohne triftigen Grund. Vor Beginn des Mah- abharata-Krieges bat er Krishna, in einer Friedensmission zu den Kau- ravas zu gehen. Krishna fragte ihn: „An wen soll ich mich wenden?“ Ar- juna antwortete: „Oh Krishna, du bist allwissend. Ich brauche dir keine Anweisungen zu geben. Bitte gib dir alle Mühe, den Krieg abzuwen- den.“ Krishna erwiderte: „Was nützt es, mit dem blinden König Dhri- tarashtra zu sprechen? Seine Anhaftung an seine Söhnen hat ihn blind für die Wirklichkeit gemacht. Er wird auf seine Söhne hören, aber nicht auf mich.“ Krishna ging jedoch trotzdem als Abgesandter zu den Kau- ravas. Aber wie er es vorausgesagt hatte, scheiterte seine Friedens- mission. Der Krieg stand nahe bevor. Krishna kehrte zurück und sagte zu Arjuna: „Alle meine Bemühungen haben sich als nutzlos erwiesen. Sei auf den Krieg vorbereitet.“ Arjuna äusserte seine Besorgnis dar- über, dass in diesem Krieg viele Unschuldige getötet werden würden. Krishna antwortete: „Arjuna, diejenigen, die auf das Schlachtfeld kom- men, werden völlig darauf gefasst sein, jeder Eventualität zu begegnen. Niemand kommt auf das Schlachtfeld, um nur zuzuschauen. Sie sind bereit, Leben zu geben oder Leben zu nehmen. Es ist also ausge- schlossen, dass in dem Krieg Unschuldige getötet werden. Sei deshalb bereit zu kämpfen.“ Arjuna wollte diese Nachricht seinem Bruder Dharmaraja mitteilen. Bei- de gingen zu ihm. Dharmaraja war von Anfang an gegen den Krieg ge- wesen. Aber er hatte keine andere Wahl, als sich damit abzufinden. Die- selbe Nachricht wurde auch Nakula und Sahadeva, den Halbbrüdern von Arjuna, übermittelt. Obwohl sie noch jung waren, waren sie sehr tugendhaft. Sie waren sogar noch tugendhafter als Arjuna und Dhar- maraja. Ihre Freude kannte keine Grenzen, als sie Krishna sahen. Da sie die Schlechtigkeit der Kauravas genau kannten, waren sie bereit,

235 in den Krieg zu ziehen. Sie hatten sich keine Gedanken über das Er- gebnis von Krishnas Friedensmission gemacht. Sie hatten die ganze Zeit um seine sichere Rückkehr gebetet. So gross war ihre Liebe zu Krishna. Schliesslich sagte Arjuna:

Krishna, ist es möglich, aus Gift Nektar zu machen? Was nützt es, den böse gesinnten Kauravas gute Ratschläge zu geben? Es ist so, als wenn man Jasminblüten ins Feuer wirft. Oh Krishna! Lass uns nun aufhören, von Frieden zu reden, und uns auf den Krieg vorbereiten. (Gedicht in Telugu)

Als sie dann zum Schlachtfeld kamen, wurde Arjuna verzagt, als er die- jenigen sah, gegen die er kämpfen sollte. Er war besorgt, dass so viele Menschen in dem Krieg getötet werden würden. Er scheute sich davor, so vielen Familien Kummer zu verursachen. Er sagte: „Krishna, ich kann es nicht ertragen zu sehen, dass meine eigenen Verwandten auf dem Schlachtfeld getötet werden. Es wird mir schwindlig bei dem Ge- danken, dass ich die, die mir lieb und wert sind, töten soll. Lass uns sofort umkehren, ohne Zeit zu verschwenden.“ Krishna gab vor, ärger- lich zu sein. Er sagte: „Arjuna, du warst es, der mich zum Schlachtfeld gebracht hat. Wie kannst du jetzt so feige sein? Schäme dich!“ In die- sem kritischen Augenblick vermittelte er Arjuna die Lehre der Bhaga- vadgita. Das gab Arjuna die notwendige Stärke, die Schlacht zu schla- gen. Als er sich jedoch Bhishma gegenüber sah, konnte er dessen Macht nicht widerstehen. Krishna sprang, um Arjuna Mut zu machen, sofort von dem Streitwagen und sagte zu ihm: „Arjuna, ich werde diesen Bhishma töten und dich beschützen.“ Arjuna erwiderte: „Krishna, du hast ein Gelübde abgelegt, dass du in diesem Krieg nicht mitkämpfen wirst. Ich möchte nicht, dass du um meinetwillen dein Wort brichst.“ Als Krishna sich Bhishma näherte, faltete dieser seine Hände und betete: „Derjenige, der kommt, um mich zu töten, ist der Einzige, der mich retten kann.“ So gross war Bhishmas Hingabe.

Verkörperungen der Liebe! Unsere Geschichte ist voll von solchen hei- ligen Beispielen. Aber die moderne Jugend schenkt unserer Geschich- te keinerlei Aufmerksamkeit. Sie verschwendet ihre Zeit mit dem Lesen von Romanen und bedeutungslosen Geschichten. Diese Geschichten bringen ihnen nur Leid. Allein Geschichten über Gott lehren euch den idealen Weg. Gottes Geschichte ist historisch. Lest solche heiligen Ge-

236 schichten, begreift sie und setzt sie in die Praxis um. Heilige Epen wie das Ramayana, das Bhagavata und das Mahabharata enthalten gros- se Lehren. Ebenso enthält auch die Geschichte von Ganesha eine grosse Botschaft für die Menschheit. Ganesha ist die Verkörperung der Weisheit. Deshalb wird er von allen Göttern verehrt. An diesem Ganapaticaturthi-Tag legen die Studenten ihre Lehrbücher vor das Ga- nesha-Idol und beten zu ihm. Die tiefere Bedeutung dieses Brauchs ist, dass sie um Verleihung der göttlichen Weisheit beten sollen. Es ist für die Studenten äusserst wichtig, an diesem segensreichen Tag Gane- sha zu verehren. Er erfüllt die Wünsche seiner Devotees. Er verleiht nur göttliche Gnade. Er kennt keinen Zorn. Deshalb wird er nicht nur von den Indern verehrt, sondern auch von den Menschen anderer Län- der.

Heute Nachmittag um zwei Uhr wird von unseren früheren Studenten, die für den Shri Sathya Sai Central Trust arbeiten, ein Programm vor- geführt werden. Sie leisten eine Menge gute Arbeit. Es gibt einige ältere Personen, die sich in den letzten dreissig Jahren um die Angelegen- heiten dieses Trusts gekümmert haben. In allen diesen Jahren habe ich persönlich die täglichen Angelegenheiten des Central Trust über- wacht. Seitdem meine Studenten für den Trust arbeiten, haben sie die Verantwortung übernommen und leisten gute Arbeit. Sei es in der Hauptverwaltung des Central Trust, im Buchladen, in der Zimmerver- mittlung oder in irgendeinem anderen Bereich des Ashrams, überall verrichten unsere Studenten einen idealen Dienst. Sie sprechen sanft und freundlich. Sie benutzen keine barschen Worte. Sie folgen dem Motto: Helft immer, verletzt niemals. Diese Jungen vom Sathya Sai Central Trust werden heute Nachmittag ein Programm vorführen, in dem sie über verschiedene Tätigkeiten im Trust berichten werden. Je- der von euch muss sich unbedingt anhören, was sie zu sagen haben. Alles, was sie sagen werden, basiert ausschliesslich auf ihrer eigenen Erfahrung. Meine Jungen sprechen immer die Wahrheit. Sie werden niemals auch nur zum Spass lügen. Sie werden in diesem Nachmit- tagsprogramm die Botschaft der Wahrheit übermitteln. Sie sind noch jung, aber sie sind in ihrer Arbeit sehr tüchtig. Sie zeigen ein reges Interesse an den Tätigkeiten des Trusts. Sie verbreiten Swa- mis Botschaft auf der ganzen Welt. Ich bin ausserordentlich glücklich darüber, dass sich diese Jungen im Leben so gut bewähren. Sie sind sehr intelligent. Wenn sie etwas gefragt werden, geben sie eine pas- sende und schnelle Antwort. Fünf Jungen kümmern sich um die Buch- haltung des Central Trust. Einige Jungen arbeiten für unseren Buch-

237 and Publikations Trust. Man kann bei ihnen keinerlei Misswirtschaft feststellen oder eine Verschwendung eines einzigen paisa. Sie sind sehr ehrlich. Jeder Paisa wird verbucht. Sie besitzen edle Eigenschaf- ten, gute Angewohnheiten und einen idealen Charakter. Ihr werdet dies heute Nachmittag selbst feststellen können. Sie arbeiten aktiv mit bei der Verbreitung aller in Prashanti Nilayam durchgeführten Sendungen über Radio Sai Global Harmony Channel, 24 Stunden am Tag. Obwohl sie noch jung sind, sprechen sie in einer sehr gepflegten Sprache. Ihr werdet sie heute Nachmittag hören. Es ist sehr wichtig, dass ihr ihre Art zu sprechen lernt. Schliesslich sind sie eure Brüder. Alle sind Brüder und Schwestern. Ich möchte, dass ihr alle solch eine Gelegenheit be- kommen werdet und euch im Leben bewährt.

238 9. Oktober Dasarafest

Gott wohnt in euren Herzen

Das gesamte Universum steht unter Gottes Herrschaft. Gott steht unter der Herrschaft der Wahrheit. Erhabene Seelen wachen über die Wahrheit. Solche erhabenen Seelen verkörpern wahrhaftig die Göttlichkeit.

Die Menschen führen verschiedene spirituelle Übungen durch, um die Göttlichkeit zu erreichen. Auch wenn jemand übler Gesinnung ist: mit dem Segen der Älteren und in der Gemeinschaft edler Seelen kann er sich leicht von üblen Neigungen befreien und Tugenden entfalten. Das Leben des Strassenräubers Ratnakara legt reiches Zeugnis dafür ab. Als er mit den sieben Weisen in Berührung kam, erfuhr sein Leben eine Transformation. Er gab seine schlechten Wege auf, folgte ohne zu Wanken ihren Lehren und wurde schliesslich zum Weisen Valmiki. Er setzte der Menschheit ein Vorbild und verfasste das grosse Epos Ra- mayana. Prahlada, der Sohn des Dämonenkönigs Hiranyakashipu, be- sann sich ständig auf Gott Narayana und sang seinen Namen. Als Folge davon besass er dieselbe göttliche Leuchtkraft wie Gott Narayana selbst. Entsprechend glich Charles Darwin seinem Meister Henslow in jeder Hinsicht, weil er ständig an ihn dachte und seinen Lehren folgte. In ähnlicher Weise waren unsere alten Weisen und Seher ständig in der Meditation über Gott versunken und folgten seinen Anweisungen. Als Folge davon strahlten ihre Gesichter göttlichen Glanz aus. Gott Krishna erklärte das Gleiche in der Bhagavadgita.

Krishna verkündete: „Arjuna, es ist mein göttliches Licht, das in allen leuchtet.“ Gott durchdringt alles. Er ist in allen Elementen und in allen Wesen in der Form von Licht gegenwärtig. Wenn Gott immer im Inneren gegenwärtig ist, warum leidet der Mensch dann? Manche Menschen behaupten, sie würden Schwierigkeiten begegnen und führen ein jäm- merliches Leben. Diese Behauptung zeugt von ihrer Torheit. Der in- newohnende Gott hat überhaupt kein Leid und keine Sorgen. Er ist die Verkörperung höchster Glückseligkeit. Ist es nicht ein Zeichen von Tor- heit zu glauben, ihr wäret vom Unglück verfolgt, obwohl Gott auf dem

239 Altar eures Herzens verankert ist? Gott verkündet: „Ich bin in dir ge- genwärtig. Du bist ein Funke meiner Göttlichkeit.“ Da das der Fall ist, wie kann man sich dann von Schwierigkeiten und Leiden beeinträch- tigen lassen? Wenn ihr darüber nachdenkt, dann erkennt ihr, dass die dämonischen und tierischen Neigungen in euch verantwortlich dafür sind. Ehe und bis ihr nicht eure schlechten Eigenschaften aufgebt, wer- det ihr nicht fähig sein, die Wahrheit von Krishnas Aussage: „Der ewige Atman in allen Wesen ist ein Teil meines Wesens“, zu erkennen.

Obwohl Gott im Inneren ist, verhält sich der Mensch, als stünde er unter dem Einfluss eines Dämons. Der Mensch sollte als Erstes erkennen, dass er ein Funke der Göttlichkeit ist und dass keine bösen Geister ihn beherrschen können. Gott verkündet, dass er in eurem Herzen wohnt. Das Herz ist ein Einzelsitz, wo nur Platz für Einen ist. Deshalb sollte Gott allein und sonst niemand in eurem Herzen sitzen.

Der Mensch ist heutzutage nicht in der Lage zu verstehen, dass er ein Aspekt der Göttlichkeit ist. Er ist sich der Tatsache nicht bewusst, dass Gott im Innen wohnt und täuscht sich selbst im Glauben, es gäbe nie- manden, der für ihn sorgt. Jeder ist mit einem Herzen versehen, das göttlich und naturgemäss voller Mitgefühl ist. In so einem Herzen wohnt Gott. Aber weil er sein natürliches Mitgefühl verloren hat, ist der Mensch heutzutage hartherzig geworden. So jemanden kann man nicht als Fun- ken des Göttlichen bezeichnen, sondern er ist wahrhaft ein Dämon. In so einem Fall findet Krishnas Aussage keine Anwendung.

Im Herzen eines jeden existiert ein Funke der Göttlichkeit. Täuschung macht den Menschen unfähig, sein göttliches Wesen zu realisieren. Der Mensch sollte sich als Erstes darum bemühen, diese Täuschung zu überwinden und er sollte erkennen, dass Gott immer mit ihm, in ihm, um ihn herum, über ihm und unter ihm ist. Täuschung führt dazu, dass in eurem Herzen und Geist schlechte, böse Empfindungen aufsteigen. Sie sind reine Einbildung und haben nichts mit der Göttlichkeit zu tun.

Gott ist im Herzen eines jeden gegenwärtig. Er hat keine spezifische Form und ist nicht auf einen bestimmten Platz beschränkt. Er ist in eu- rem Herzen anwesend und ist allgegenwärtig.

Seine Hände, Füsse, Augen und seine Ohren sind überall. So durchdringt er das gesamte Universum.

240 Dieses strahlende göttliche Selbst-Prinzip wird Atman genannt. Krish- na hat versichert, dass dieser Atman ein Teil seiner eigenen Aspekte ist. In diesem göttlichen Prinzip können keine Mängel, Fehler oder Un- vollkommenheiten sein. Welche Mängel auch immer ihr wahrzuneh- men glaubt, sie sind ausschliesslich das Ergebnis eurer Einbildung. Weil Gott alle Tugenden verkörpert, sollte auch der Mensch ein tu- gendhaftes Leben führen. Üble Neigungen sind Hindernisse für den spirituellen Weg. Als Anfang sollte der Mensch sich von allen bösen Handlungen fernhalten und gute Taten vollbringen. Nur dann besitzt er das Recht, sich Mensch zu nennen. Das menschliche Leben ist höchst heilig. Die Upanishaden betrachten das menschliche Leben als wahrhaft göttlich. Der Mensch hält sich für einen Schwächling, weil er das Göttliche Selbst vergessen hat, das jenseits aller Attribute ist. Seine üblen Eigenschaften, bösen Taten und sein Missverhalten haben ihn auf diese bemitleidenswerte Stufe hinunter gebracht.

Ihr denkt so wie die Menschen, mit denen ihr zusammen seid. Deshalb heisst es: “Sage mir, mit wem du beisammen bist und ich sage dir, wer du bist.“ Eure Freundschaften beeinflussen euer Wesen. Aufgrund sei- ner Verbindung mit den sieben Weisen wurde aus Ratnakara der Weise Valmiki. Obwohl Prahlada der Sohn eines Dämons war, befand er sich immer in der Gesellschaft erhabener Seelen.

Gute Gesellschaft führt zu Bindungslosigkeit, Bindungslosigkeit befreit von Täuschung, Freiheit von Täuschung führt zu einem stetigen Geist Und ein stetiger Geist verleiht Befreiung.

Was ist die innere Bedeutung von Dasara, die der Göttin geweihten neun Nächte? Die Menschen verehren an diesen neun Tagen die drei Göttinnen Durga, Lakshmi und Saraswati. Wer ist Durga? Sie ist die Verkörperung aller Kräfte. Saraswati ist die über Sprache und Weisheit herrschende Gottheit.

Der Gayatri-Mantra beginnt mit den Worten „Om bhur bhuvah svaha“. „Bhu“ bedeutet Materialisation; es repräsentiert die Materie, die dem Wandel unterliegt. Bhuvah steht für das Lebensprinzip (prana), die Schwingung. Savitri ist die über das Lebensprinzip herrschende Gott- heit. Ihr habt sicherlich die Geschichte Savitris gehört, die durch die Kraft ihrer Hingabe und Ergebung ihren verstorbenen Ehemann ins Le- ben zurückbrachte. Saraswati wird als Göttin der Weisheit verehrt, weil

241 sie ein gutes Unterscheidungsvermögen, Intuition und Weisheit (pra- jnana) verleiht. Mit „prajnana“ ist nicht weltliches Wissen gemeint, son- dern beständige integrierte Bewusstheit, die unveränderlich und ewig ist.

Die göttliche Mutter trägt drei Namen: Gayatri, Savitri und Saraswati. Gayatri beschützt die, welche ihre Herrlichkeit besingen. Sie hilft euch, die Sinne zu meistern. Savitri, ist die über das Lebensprinzip herr- schende Gottheit. Saraswati schenkt euch die unveränderliche und ewige Weisheit. Obwohl Gayatri, Savitri und Saraswati in jedem Men- schen gegenwärtig sind, ist der Mensch nicht fähig, ihre Anwesenheit zu verstehen und zu erfahren. Als Folge davon gibt er üblen Eigen- schaften Raum, ergeht sich in bösen Taten und ruiniert so sein Leben. Seine schlechten Gewohnheiten sind für seinen Niedergang verant- wortlich. Der Mensch sollte als erstes gute Gewohnheiten entwickeln und sich selbst transformieren. Wie konnte Savitri ihren toten Ehemann wieder zum Leben erwecken? Indem sie sich unablässig auf Gott be- sann, verwandelte sie ihre Schwingung in göttliche Schwingung, was zu der Auferstehung ihres Ehemannes führte. Wenn ihr göttliche Emp- findungen entwickelt, ist euch nichts unmöglich. Durch reine selbstlose Liebe kann jede gewaltige Aufgabe vollbracht werden.

Liebe entwickelt die göttliche Kraft in euch. Es gibt nichts, was Liebe in dieser Welt nicht vollbringen und überwinden könnte. Die Weisen führen ihre Askese in dichten Wäldern durch, die von wilden Tieren heimgesucht werden. Sie besitzen keine Waffen, um sich selbst zu schützen. Die Waffe, die sie schützt, ist ihre intensive Liebe zu Gott und ihr Sehnen nach Gott. Mit ihrer Macht der Liebe zähmen sie die wilden Tiere und transformieren sie in fügsame Lebewesen. Entsprechend seiner Kontakte wird der Charakter eines Menschen gut oder schlecht. Gemeinschaft mit edlen Menschen verleiht edle Empfindungen, schlechte Gesellschaft lässt üble Charakterzüge entstehen. Eure Spra- che und euer Verhalten gründen sich auf eure Empfindungen. Ihr ver- dient nur dann die Bezeichnung „Mensch“, wenn ihr gute Empfindun- gen entfaltet. Die körperliche Form allein macht nicht den Menschen aus. Derjenige ist ein wahrer Mensch, der gute Gewohnheiten verkör- pert, immer hilft und niemals verletzt. Ihr solltet nicht nur der Form nach ein Mensch sein, sondern ihr solltet euch wie ein Mensch verhalten. Sprecht Gutes, seht Gutes, tut Gutes und seid gut. Die Göttlichkeit wird sich nur dann in euch manifestieren, wenn euer Verhalten gut ist. Gott befindet sich nicht irgendwo in einem fernen Land; er ist in euch, mit

242 euch und um euch herum, er führt euch und wacht über euch. Entwickelt göttliche Empfindungen und hört auf die göttliche Stimme in euch. Der menschliche Körper ist einer Vina, einem Saiteninstrument, vergleich- bar. Ihr könnt nur dann die göttliche Melodie geniessen, wenn das In- strument auf göttliche Empfindungen eingestimmt ist. Diese göttliche Melodie wird euch Glückseligkeit schenken und euch in einen ekstati- schen Zustand der Selbstvergessenheit versetzen. Weltliche Gefühle hingegen erzeugen Misstöne. Lasst deshalb eure Gedanken, Worte und Taten mit heiligen Empfindungen erfüllt sein! Verletzt andere nicht.

Deshalb lehren die Veden: Helft immer, verletzt nie. Die Veden betonen die Notwendigkeit, heilige Empfindungen zu entfalten. Tatsächlich be- finden sich im Inneren die heiligen Gefühle, aber der Mensch hat sie vergessen. Der Mensch ist eine Schatzkammer göttlicher Energie. Dur- ga, die Göttin der Lebenskraft, Lakshmi, die Göttin des Wohlstands und Saraswati, die Göttin der Weisheit sind im Menschen gegenwärtig. Der Mensch ist in keinerlei Hinsicht arm, er ist weder schwach noch hilflos oder verloren. Er besitzt alle Kapazität, göttliche Glückseligkeit zu er- fahren. Obwohl er mit allen Kräften versehen ist, ist der Mensch schwach. Es ist die Auswirkung schlechter Gesellschaft. Ihr solltet das nicht falsch verstehen, aber es ist eine Tatsache, dass das moderne Bildungssystem das Leben vieler Studierender ruiniert. Die moderne Erziehung und Bildung stiftet Unruhe, statt zu erheben. Sie lässt üble Eigenschaften wie Zorn, Gier, Verlangen, Eifersucht usw. entstehen. Tatsächlich besitzen ungebildete Menschen die Tugenden der Demut, des Gehorsams, der Liebe und des Friedens. Demut ist das Kennzei- chen wahrer Erziehung und Bildung. Auch wenn jemand einen hohen Bildungsgrad erreicht, wird sein ganzes Wissen nutzlos, wenn es ihm an Demut mangelt.

Trotz all seiner Bildung und Intelligenz wird ein törichter Mensch sein wahres Selbst nicht kennen und ein niedrig gesinnter Mensch wird seine üblen Eigenschaften nicht aufgeben. Die moderne Bildung führt nur zu Argumentation, nicht aber zur vollkommenen Weisheit. Was bringt es, weltliche Bildung zu erlangen, wenn sie einen nicht zur Unsterblichkeit führen kann? Erwerbt das Wissen, das euch Unsterblichkeit verleiht.

243 Wahre Erziehung und Bildung fördert und nährt Wahrheit, Moral, Inte- grität und Kultur. Erziehung und Bildung sollte in euch menschliche Werte entwickeln. Ihr solltet die Älteren achten und euren Eltern dienen. Die Leute reden von Freundschaft, aber wir finden nirgendwo wahre Freunde. Heutzutage ist Freundschaft mit Eigeninteresse und Bösem gefärbt.

Vermeidet schlechte Gesellschaft. Sucht gute Gesellschaft und handelt den ganzen Tag hindurch rechtschaffen. Unterscheidet zwischen dem Andauernden und dem Vergänglichen.

Das solltet ihr tun. Manche Menschen scheinen gut zu sein und spre- chen süsse Worte, aber ihr Geist ist voll schlechter Empfindungen. Hü- tet euch vor solchen Leuten und haltet sie fern von euch. Weil es von solchen Leuten wimmelt, ist die heutige Gesellschaft in Aufruhr.

Obwohl Prahlada der Sohn eines Dämonenkönigs war, konzentrierte er seine Gedanken immer auf Gott Narayana und er wiederholte stän- dig seinen Namen. Sein Vater und seine Lehrer versuchten ihr Bestes, ihn vom spirituellen Weg abzubringen und ihm dämonische Wesens- züge einzuflössen. Hiranyakashipu fragte einst Prahlada, was er von seinen Lehrern gelernt hätte. Prahlada erwiderte: „Die Lehrer haben mir viele Dinge beigebracht. Ich habe die Prinzipien von gottgerechtem Handeln und Wohlstand erlernt und habe die heiligen Schriften studiert. Wahrhaftig, ich habe die Essenz allen Wissens selbst erlernt.“ Hira- nyakashipu war höchst erfreut, dies zu hören und sagte: „Oh Sohn, ma- che mir die Freude, diesem grossen Wissen zu lauschen!“ Prahlada antwortete: „Oh Vater, der Name Gottes wird all unsere Sünden zer- stören. Was bringt alle Bildung, wenn man sich nicht auf Gott besinnt und Befreiung erlangt?“ Hiranyakashipu schäumte vor Wut, als er das hörte und stiess Prahlada von seinem Schoss. Aber dieser war nicht im Mindesten verstört, sondern fuhr fort, den Namen von Gott Narayana zu singen. Hiranyakashipu setzte ihn daraufhin verschiedenen schwe- ren Prüfungen aus. Er liess ihn von Elefanten niedertrampeln und von Giftschlangen beissen. Prahladas unerschütterlicher Glaube an Gott Narayana schützte ihn vor all diesen Gefahren. Der mächtige Elefant erschien Prahlada leicht wie eine Feder und das Gift verwandelte sich kraft seiner Hingabe in Nektar. Solche Geschehnisse sind nur durch Erfahrung, nicht durch blosse Beschreibung, verständlich. Obwohl er

244 jung war, hielt Prahlada an seinem Entschluss fest. Hiranyakashipu war wutentbrannt und brüllte. „Du Narr, du sprichst sehr hoch von deinem Gott. Wo ist er denn?“ Prahlada erwiderte sehr gelassen: „Vater, glaube nie, dass Gott an einem Ort, aber nicht an einem anderen wäre. Tat- sächlich ist er dort anwesend, wo immer du nach ihm suchst.“

Hiranyakashipu forderte Prahlada heraus: „Wenn Gott allgegenwärtig ist, kannst du ihn mir dann in dieser Säule zeigen?“ „Ja, ich kann“, lau- tete die schlagfertige Antwort. Derartig waren Prahladas Glaube und Hingabe. Nur mit Vertrauen kann man die Göttlichkeit erreichen. Hir- anyakashipu zerschlug sofort die Säule mit einem Streitkolben. Siehe da! Gott Narayana kam aus der Säule hervor! Was ist die innere Be- deutung dieses Geschehens? Der Körper gleicht einer Säule. Nur wenn man die Fesseln der Verhaftung an den Körper bricht, kann man Gott schauen. Wenn ihr die Bindung an den Körper aufgebt, könnt ihr Liebe zum Göttlichen Selbst entwickeln. Die Liebe zum Göttlichen allein wird euch immer schützen. Lernt die Sprache des Herzens. Sie ist nur von der Göttlichkeit und nicht von Lehrern zu erlernen.

Schüler, Studenten! Was ihr heute braucht, ist unerschütterliches Ver- trauen in Gott. Dieses Vertrauen allein kann euch schützen. Betrachtet unter allen Umständen und jederzeit Gott als die Grundlage eures Le- bens. Gebt schlechte Eigenschaften wie Zorn, Gier, Eifersucht und der- gleichen auf. Zorn ist Ravanas Scheiterhaufen vergleichbar, der un- ablässig brennt. Verlangen ist die Ursache für den Niedergang des Menschen. Merzt deshalb Verlangen und Zorn aus. Ihr solltet Liebe ma- nifestieren und verkörpern. Liebe ist Gott, lebt in Liebe. Wenn ihr Liebe besitzt, könnt ihr alles erreichen.

Beginnt den Tag mit Liebe, füllt den Tag mit Liebe, verbringt den Tag mit Liebe, beendet den Tag mit Liebe. Das ist der Weg zu Gott.

Entwickelt deshalb den Geist der Liebe. Liebe ist die machtvollste Waf- fe, die jeden bezwingen kann. Welche Waffe beschützte unsere Vor- fahren, die in den Wäldern lebten? Weder die Wasserstoffbombe noch sonst eine Atombombe. Es war Liebe und Liebe allein. Man braucht deshalb keine Atombombe oder Wasserstoffbombe zu erwerben. Es

245 genügt, die Waffe der Liebe zu besitzen. Mit der Kraft und Macht der Liebe könnt ihr die ganze Welt erobern.

Während dieser neun Tage verehren die Menschen Durga, Lakshmi und Saraswati. Durga zerstörte die Dämonen. Weil die Waffen nicht län- ger nötig sind, führen die Leute dieses Ritual durch. Wenn ihr aus gan- zem Herzen zu Durga betet, wird sie euch in all euren Unternehmungen schützen.

Ihr seid nicht in der Lage, das Prinzip der Göttlichkeit zu verstehen. Nie- mand in dieser Welt kann euch in der Weise helfen, wie Gott euch hilft. Ergebt euch deshalb Gott und betet um seine Hilfe. Hingabe zu Gott schützt und bewahrt zudem unsere alte Kultur. Weil die Menschen Gott vergessen haben, werden sie von Elend und Leid geplagt. Beherrscht eure Gefühle. Entwickelt Liebe. Habt keine schlechten, bösen Gedan- ken. Nichts kann die Erfahrung der Glückseligkeit verleihen, ausser die Nähe Gottes. Liebt alle und alle werden euch lieben. Teilt eure Liebe sogar mit Hunden, Affen und Katzen und ihr werdet erfahren, wie sie eure Liebe erwidern. Der Mensch besitzt nicht einmal die Dankbarkeit, die sogar Hunde besitzen. Es gibt viele Ausländer, die Hunde und Kat- zen als Haustiere halten. Wenn ihr sie liebt, werden sie wiederum euch lieben.

Ihr habt die Widerspiegelung, die Reaktion und den Widerhall eurer Ge- fühle, seien sie gut oder schlecht, zu erfahren. Wenn ihr in anderen Schlechtes seht, ist es nur die Widerspiegelung eurer schlechten Emp- findungen. Es ist ein Fehler, andere zu beschuldigen und dabei eure eigenen Fehler zu ignorieren. Reinigt als erstes eure Empfindungen. Liebt sogar jene, die ihr für schlecht oder böse haltet. In Wirklichkeit ist niemand in dieser Welt böse. Aufgrund von Täuschung betrachtet ihr manche als gut und manche als schlecht. Entwickelt wahrhafte edle Gedanken und folgt dem Weg der Wahrheit. Ergeht euch nicht in müs- sigem Klatsch und Geschwätz. Heiligt stattdessen eure Zeit, indem ihr den göttlichen Namen singt.

Verkörperungen der Liebe! Die göttlichen Schwingungen aus dem von euch gesungenen Bhajan verbreiten sich in alle Winkel der Welt. Der göttliche Name, den ihr singt, reinigt das Herz Vieler. Gebt deshalb kei- nen schlechten Gefühlen Raum. Benutzt keine bösen Worte. Verwen- det nur heilige Worte. Besingt die Herrlichkeit Gottes. Wenn ihr das tut, erweist ihr der ganzen Welt eine grosse Hilfe. Verletzt andere nicht.

246 Helft jedem. Wenn ihr anderen helft, werdet ihr sicherlich positive Er- gebnisse erhalten. Nutzt eure Zeit in rechter Weise. Singt Gottes Na- men und macht euer Herz heilig.

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10. Oktober Dasarafest

Der Friede liegt in Euch

Alle Formen verkörpern Frieden Alle Namen sind Glück verheissend. Er ist die Verkörperung von Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit, das Eine ohne ein Zweites, Er ist Wahrheit, Güte und Schönheit.

Der Kosmos ist geheimnisvoll und Staunen erregend. Wundersam und einzigartig, heilig in allen drei Welten, den Heiligen so nahe und lieb, verehrt von allen Gottesverehrern, Weisen und Sehern. Derart sind die Spiele und die Geschichten Gottes. Es ist in dieser Welt sehr schwierig, das Geheimnisvolle und Wundersame zu verstehen.

Verkörperungen der Liebe! Einheit ist unerlässlich, damit die Familie in Frieden leben kann, damit das Heim Tag für Tag erblüht und es dem Land wohl ergeht. Ohne Einheit wird man Hindernissen, Problemen und Friedlosigkeit begegnen. Frieden schenkt der ganzen Menschheit Zufriedenheit, Freude und Glückseligkeit. Uneinigkeit führt zu Unzu- friedenheit und Friedlosigkeit und lässt einen die Göttlichkeit verges- sen. Der Mensch sollte nach Frieden streben und um Frieden beten. In Wirklichkeit müsst ihr nicht nach Frieden suchen. Ihr selbst seid die Verkörperung von Frieden. Aber der moderne Mensch ist sich solch hei- liger Wahrheiten nicht bewusst. Die Leute sind nicht bereit zu glauben, dass der Mensch die Verkörperung des Friedens ist. Kann irgendje- mand sagen, wo sich Frieden befindet? Der Mensch weiss nicht, dass der Friede in ihm liegt und sucht deshalb in der ganzen Welt nach ihm. Er gleicht einem törichten Menschen, der nach seiner Brille sucht, wel- che die ganze Zeit auf seiner Nase sitzt. Obwohl ihr selber personifi- zierter Frieden seid, bemüht ihr euch woanders darum. Was ist die Ur- sache all der Schwierigkeiten, Sorgen und Unruhe, denen der Mensch heute ausgesetzt ist? Der Grund liegt darin, dass der Mensch sein Gött- liches Selbst vergessen hat und sich mit etwas identifiziert, was er nicht

249 ist. Jeder Mensch wünscht sich Frieden. Wie kann man ihn erlangen? Ist es nicht ein Zeichen völliger Unwissenheit, woanders nach Frieden zu suchen, wenn man selbst die Verkörperung des Friedens ist? Und so sucht der Mensch weiterhin unablässig nach Frieden. Eines Tages wanderte Adi Shankaracarya mit seinen Schülern den Fluss Ganges entlang. Er traf auf einen Brahmanen, der unter einem Baum sass und vedische Grammatik Regeln wiederholte. Er versuchte, die Grammatik zu beherrschen und dadurch ein grosser Gelehrter zu werden. Auf Adi Shankaracarya Frage erwiderte der Brahmane, er wolle seine Gelehrsamkeit am Hof des Königs zur Schau stellen und dafür grosszügig belohnt werden. Adi Shankaracarya fragte ihn: “Wie lange kannst du diesen Reichtum bewahren?“ Der Brahmane gab zur Antwort, solange er lebe, könne er sich alle Wünsche erfüllen. Adi Shankaracarya fragte weiter nach: “Wirst du dich nach deinem Tod an das alles erinnern können?“ Der Brahmane fand keine Antwort dar- auf. Adi Shankaracarya riet ihm daraufhin: “Du Einfaltspinsel, denke an das, was in allen drei Zeitperioden, vor deiner Geburt, in diesem Le- ben und nach deinem Tod, existiert.“

Du törichter Mensch, singe den Namen Govinda! Die Grammatikregeln werden nicht zu deiner Rettung kommen, wenn dein Ende herannaht. Du Tor, wer kam mit dir, als du geboren wurdest? Wer wird dir folgen, wenn du stirbst? Niemand begleitete dich bei deiner Geburt, noch wird irgendjemand dir folgen, wenn du stirbst. Du bist allein auf diese Erde gekommen und wirst sie allein verlassen.

Ihr betrachtet alles als leidvoll, aber in Wahrheit ist es das nicht. Ihr wer- det wieder und wieder geboren, ihr sterbt wieder und wieder und kehrt wieder zurück in den Mutterleib.

Oh Herr! Ich bin in diesem Zyklus von Geburt und Tod gefangen. Wieder und wieder erfahre ich die Agonie, im Mutterleib zu liegen. Es ist sehr schwierig, das Meer des weltlichen Lebens zu überqueren. Bitte bringe mich über dieses Meer und gewähre mir Befreiung!

Niemand kann irgendjemandem folgen. Wenn die Zeit zum Sterben kommt, umgeben die Verwandten euren Körper und weinen. Der

250 Mensch auf dem Sterbebett öffnet seine Augen und fragt: „Warum weint ihr alle?“ Sie erwidern: „Du wirst deinen Körper und diese Welt auf immer verlassen, du verlässt uns und kommst nicht wieder. Deshalb weinen wir.“ Er erwidert: „Oh, ihr närrischen Leute, ihr denkt, dass ich euch mein Eigentum hinterlassen werde. Was immer ich zurücklasse, gehört euch und ich gehe mit leeren Händen. Denkt ihr wenigstens über meine ge- genwärtige Lage nach? Ihr sorgt euch nur um eure Probleme, aber nie- mand kümmert sich um mich.“ Nur derjenige ist ein wahrer Mensch, der sein wahres Wesen erforscht und die Frage stellt: „Wer bin ich?“ Der Mensch fragt andere: „Wer bist du?“, ohne zu wissen, wer er selber ist. Es ist ein Zeichen der Täu- schung, welche die Wurzel allen Leids ist. Welche Verbindung bestand mit anderen vor der Geburt? Wer wird wem nach dem Tod folgen? Nie- mand. Körperliche Beziehungen sind vergänglich. Letztlich ist jeder auf sich selbst zurückgeworfen, niemand kann den anderen begleiten. Der Mensch hält diese vergängliche flüchtige Welt für wirklich und führt ein Leben der Täuschung. Der Mensch sollte sich bemühen, seine wahre Identität zu erfassen und Frieden erfahren. Ohne zu wissen, dass der Friede in ihm liegt, sucht der Mensch woanders nach Frieden. Ihr könnt Frieden nicht in der äusseren Welt erfahren. Wo immer ihr hingeht, fin- det ihr nur Friedlosigkeit und Aufruhr. Der Friede, nach dem ihr verlangt, liegt in euch. Das göttliche Prinzip in euch ist wahrhaft die Verkörperung des Friedens. Ihr vergesst diese Wirklichkeit und verlangt nach dem vergänglichen Frieden in der äusseren Welt, die vergänglich und künst- lich ist und sich ständig verändert. Hört auf, in dieser Weise zu denken. Ihr solltet versuchen, euch auf eure wahre Identität zu besinnen. Alles, was ihr in der äusseren Welt sucht, befindet sich in euch. Es gibt nichts ausserhalb, was nicht in euch läge. Wenn ihr eure Augen öffnet, seht ihr Tausende von Köpfen. Wenn ihr eure Augen schliesst, könnt ihr kei- nen mehr sehen. Daraus wird ersichtlich, dass alles, was ihr mit euren physischen Augen seht, vergänglich ist. So lange die physischen Au- gen funktionieren, könnt ihr die Welt sehen. Wenn die Augen versagen, könnt ihr nichts sehen. Aber es gibt etwas, das ihr sehen könnt, ob ihr eure Augen öffnet oder schliesst: Es ist die Göttlichkeit. Sie ist unver- änderlich und ewig, sie wird weder geboren noch stirbt sie, sie hat we- der Anfang noch Ende. Ihr selbst seid die Verkörperung dieser ewigen Wahrheit. Unternehmt jede Bemühung, diese Wahrheit zu erkennen.

Verkörperungen der Liebe! Was ist Wahrheit? Liebe ist die Wahrheit. Nichts in dieser Welt kann ohne Liebe existieren. Ihr seid die Verkör- perung der Liebe. Obwohl ihr diese Liebe besitzt, rennt ihr flüchtigen,

251 weltlichen Dingen hinterher. Deshalb, Verkörperungen der Liebe! Um was solltet ihr bitten? Um Liebe allein. Was solltet ihr erfahren? Liebe allein. Was ihr wünscht, woran ihr euch erfreut und was Glückseligkeit schenkt, ist Liebe und Liebe allein. Liebe ist das Einzige, was in dieser Welt andauert. Diese ewige Wahrheit, die Liebe, ist in euch. Ihr habt dieses Prinzip vergessen und sucht in der Aussenwelt danach. Ihr müsst als Erstes eure wahre Identität erforschen. Liebe ist eure Form. Alle Formen verkörpern Frieden, alle Namen sind Glück verheissend. Liebe ist in allen Namen und Formen gegenwärtig. Sie ist ewig, nicht- dual und glückselig. In jedem existiert dieselbe Liebe. Ihr hasst den Menschen vor euch und liebt die, welche zu euch gehören. Das ist ein Fehler. So lange der Mensch im dualistischen Empfinden versinkt, kann er die nichtduale Glückseligkeit nicht erfahren. Ein Mensch, der dual denkt, ist halb blind. Ihr befindet euch halb in der Dunkelheit. Ihr be- trachtet den Menschen in der Aussenwelt als von euch getrennt und haltet den zu Hause für euer eigen. Es ist ein grosser Fehler.

Der Mensch, der diese grosse nichtduale Weisheit verkörpert, hat seine Wirklichkeit vergessen und lässt sich von vergänglichen kurzlebigen Formen in die Irre führen. Er setzt sein Vertrauen in den Körper und strebt nach weltlichem Gewinn. Gebt diese Art des Denkens auf. Ihr solltet denken: „Ich bin in jedem und jeder ist in mir.“ Jede Form ver- körpert Frieden. Gott in dir ist derselbe wie der Gott in anderen. Ver- gegenwärtigt euch diese Einheit und erfahrt die Glückseligkeit daraus. Weil ihr unfähig seid, diese Einheit zu erfahren, gebt ihr Hass und Ei- fersucht Raum. Das ist die Eigenschaft eines Unwissenden. Ein Hund suchte nach Nahrung, fand einen trockenen Knochen und biss auf ihm herum. Nach einiger Zeit durchbohrte ein Stück des Kno- chens sein Zahnfleisch, das zu bluten begann. Der Hund leckte freudig sein eigenes Blut im Glauben, das Blut käme aus dem Knochen, den er zerbiss. In derselben Weise vergisst der Mensch seine innewohnen- de Glückseligkeit, steht unter der Täuschung, er könne aus der äus- seren Welt Glück erhalten und bemüht sich in jeder Hinsicht, dieses Glück zu erhalten. Es ist ein grosser Fehler. Alles hat seinen Ursprung in euch. Schmerz wie Freude sind das Ergebnis eurer Illusion. Es heisst: Freude liegt zwischen zwei Schmerzen. Freude wie Leid liegen in euch, sie kommen nicht von aussen. Es ist, als ob der Mensch sich von seinem eigenen Schatten täuschen liesse. Aber es ist nur euer Schatten, der euch in die Irre führt. Ihr vergesst eure wahre Form. Des- halb rufen die Veden den Menschen zur Erforschung auf: „Erkenne dich selbst.“

252 Einst schlug ein ICS-Beamter sein Lager in einem Dorf auf. Die Dörfler warnten ihn und sagten, dass in dem Haus, in dem er wohnte, Gespen- ster seien: „Sir, du kannst sie als Weisser nicht sehen, wir aber können sie sehen, halte dich fern!“ Der Beamte wollte überprüfen, ob ihre Be- hauptung wahr sei. Er schaltete die Hauptbeleuchtung aus, eine kleine Nachttischlampe an und legte sich mit übereinander geschlagenen Bei- nen auf das Bett. Gedankenverloren bewegte er seine Beine. Plötzlich bemerkte er den riesigen Schatten seiner Beine auf der Wand, der sich bewegte, als er seine Beine bewegte. Der Beamte war so dumm, den Schatten für ein Gespenst zu halten, wollte es töten, nahm sein Gewehr und schoss auf seinen Schatten, wobei er sich die Zehe zerschoss. Ent- sprechend lässt sich der Mensch täuschen und wird so verantwortlich für verschiedene Arten des Leids. In Wahrheit existiert nichts in dieser Welt als ihr selbst. Das Wesen aller ist göttlich. Es gibt nur eine Wahrheit, der die Weisen verschiedene Na- men geben. Habt unerschütterliches Vertrauen in dieses Prinzip der Einheit in der Vielfalt. Aus der Vielfalt heraus müsst ihr die Göttlichkeit erreichen. Einheit ist die Grundlage, die euch von Leiden, Illusionen und Täuschungen befreit

Verkörperungen der Liebe! Ihr mögt fragen, was die Grundlage dafür ist. Es beruht alles auf eurer Denkweise. Vom Tag eurer Geburt an wachst ihr heran und lebt in dieser Welt, indem ihr alle Arten der Bin- dungen ansammelt. Sie führen euch in die Täuschung. Das Glück oder Leid anderer ist eures. Gebt so weit wie möglich eure Bindung an den Körper auf und entwickelt Liebe zum Göttlichen Selbst. Daraus entste- hen göttliche Empfindungen.

Verkörperungen der Liebe! In jedem Menschen existiert die ewige Wahrheit in Gestalt der Liebe. Stärkt diese Liebe in euch. Diese Liebe schenkt euch Frieden und Mut. Es genügt, diese Liebe zu entfalten. Lie- be ist Gott, Gott ist Liebe. Lebt in Liebe. Lasst uns unser Leben in Liebe führen. Warum leidet ihr und macht euch Sorgen, wenn die Liebe in euch ist?

Verkörperungen der Liebe! Ihr seht in dieser Schöpfung viele Formen. Jede ist einzigartig, keine zwei Formen sind identisch. Überall sehen wir Mannigfaltigkeit. In Wirklichkeit existiert nur Eines. Vergesst nie- mals dieses Einheitsprinzip. Ihr unterliegt der Täuschung. Es ist alles eure Einbildung. Ihr braucht euch weder um jemand anderen noch um euretwillen zu sorgen. Wofür ist dieser Körper gegeben? Was solltet

253 ihr mit dem Körper erreichen? Studieren? Nein. Sport treiben und spie- len? Nein. Die feinen Künste erlernen oder Geld anhäufen? Nein. War- um seid ihr hier? Ihr seid hier, um euer wahres Selbst zu erkennen. Fragt euch selber: „Wer bin ich?“ Wenn ihr wisst, wer ihr wirklich seid, kennt ihr auch alles andere.

Verkörperungen des reinen und Göttlichen Selbst! Es ist so einfach, den Weg der Wahrheit zu kennen. Nichts ist einfacher, als die eigene wahre Identität zu kennen. Andere zu kennen ist schwierig, aber sich selbst zu kennen ist leicht. Führt spirituelle Übungen durch, die euch helfen, euch selbst zu erkennen. Aufgrund von Fehlern in eurer Ernäh- rung und euren Lebensgewohnheiten wird euer Körper krank und ist Schwierigkeiten ausgesetzt. Sorgt euch nicht zu viel deswegen. Denkt nicht an das Leid. Fragt als Erstes nach dem Sinn des Lebens. Ihr alle seid hier zusammengekommen. Wozu seid ihr gekommen? Die Schü- ler und Studenten sind zum Studieren hierher gekommen. Sie sollten den Zweck ihres Hierseins verstehen und ihr Bemühen in die richtige Richtung lenken. Nur dann werden sie ihr Ziel verwirklichen. Ihr vergesst den Zweck, zu dem ihr gekommen seid und sucht nach etwas, das in Wirklichkeit nicht existiert. Viele Leute in dieser Welt tun das. Sie machen sich Sorgen, was mit ihrem Leben geschehen wird. Ihr seid geboren, um zu wachsen; ihr wachst, um das Ziel zu erreichen. Wahrheit ist das Ziel. Bemüht euch deshalb mit aller Kraft um die Er- kenntnis der Wahrheit. Dann werdet ihr auch alles andere verstehen. Durch Liebe könnt ihr die Erkenntnis gewinnen. In dieser Halle leuchten so viele Glühbirnen. Die Formen der Glühbir- nen sind verschieden, aber der Strom in ihnen ist derselbe. Ohne den Strom könnten die Glühbirnen nicht leuchten. Das atmische Prinzip in euch gleicht dem Hauptschalter, dem Strom, der die Augen sehen und die Ohren hören lässt. Im Körper ist es die Bewusstheit. Der Strom ist das zugrunde liegende Prinzip für das Licht überall. Entsprechend ist Atman das göttliche Prinzip. Diese beständige integrierte Bewusstheit ist in Vergessenheit geraten. Ihr solltet sie nie vergessen. Ihr solltet je- den Versuch unternehmen zu verstehen, was Bewusstheit ist. Sie ist nicht auf einen bestimmten Platz beschränkt, sie kommt nicht von aus- sen und verschwindet nicht. Sie ist überall zu allen Zeiten gegenwärtig. Ihr hegt auf dem spirituellen Weg so viele Zweifel und unterliegt Miss- verständnissen. Diese Zweifel machen verrückt. Ihr solltet eure Zweifel vertreiben. So lange ihr zweifelt, könnt ihr die Wahrheit niemals erfah- ren. Diese Zweifel haben euch unwissend gemacht.

254 Verkörperungen der Liebe! Zweifelt nicht ständig. Zweifel lassen euch euer wahres Wesen vergessen. Glaube ist sehr wichtig. Ohne Glauben ist man blind. Der blinde Weise Surdas sagte: „Oh Herr! Obwohl sie Au- gen haben, sind die Menschen blind geworden, denn sie sind nicht dar- an interessiert, deine schöne Gestalt zu sehen. Obwohl sie Ohren ha- ben, sind sie taub, denn sie sind nicht daran interessiert, deiner wohl- klingenden Stimme zu lauschen. Sie haben Gott vergessen und ver- langen nach einem weltlichen Leben. Als ich Augen hatte, was wollte ich zu der Zeit? Jetzt, wo ich blind bin, was wünsche ich jetzt?“ Macht euch nicht von den physischen Augen abhängig, sondern ent- wickelt die göttliche Sichtweise. Dieses göttliche Licht ist die Kraft. Rich- tet euren Geist auf das göttliche Licht, das in allen gegenwärtig ist. Ohne das göttliche Licht könnt ihr auch kein anderes Licht sehen. Atman ist das göttliche Hauptlicht. Dasselbe stellte auch Adi Shankaracarya in seinem berühmten Lied fest: “Denke an Gott, singe zu seiner Ehre.” Ihr solltet nur an Gott den- ken. Gott ist nicht getrennt von euch. Ihr seid Gott. Ich und du sind eins. Gebt das Empfinden auf, dass Gott von euch verschieden und ihr seine Devotees seid. Die sechs inneren Feinde, Verlangen, Zorn, Gier, Stolz, Verblendung und Eifersucht sind verantwortlich für das falsche Verhalten und Leid des Menschen. Sogar in Tieren befinden sich diese sechs Eigenschaf- ten. Welcher Unterschied besteht zwischen Tieren und euch? Tiere es- sen, schlafen, empfinden Hunger etc. Was ist dann der Unterschied zwischen Mensch und Tier? Der Mensch ist mit Weisheit versehen. Die Veden erklären: “Gott ist das höchste Bewusstsein.” Die spirituelle Be- wusstheit ist der Unterschied zwischen Mensch und Tier. So lange die- se Bewusstheit von Weisheit existiert, wird der Mensch nicht leiden. Al- les andere gleicht vorbeiziehenden Wolken. Warum solltet ihr euch an diese vergänglichen Dinge binden? Ihr solltet das ergreifen, was un- verändert bleibt. Das ist das wahre Selbst. Es ist eure Bewusstheit, es ist eure Göttlichkeit. Wenn ihr das erfahrt, werdet ihr eins mit dem Gött- lichen Selbst. Es heisst: “Wer Brahman kennt wird zu Brahman selbst.” Wie ich gestern erwähnte, trägt jedes Wesen den Funken der Göttlich- keit in sich. Krishna sagte: “Der ewige Atman in allen Wesen ist Teil meines Wesens.” Wie kommt es dann, dass der Mensch Mühen und Elend ausgesetzt ist? Der Grund liegt darin, dass der Mensch sein Herz mit tierischen Neigungen gefüllt hat. Haltet euch fern von diesen tieri- schen Empfindungen. Treibt diese Tendenzen aus. Rennt weg von schlechter Gesellschaft. Füllt euer Herz mit der ewigen Wahrheit.

255 Hier ist ein Becher voller Wasser. Wenn ihr Milch in den Becher füllen wollt, müsst ihr erst das Wasser ausgiessen. Wenn ihr Milch mit Wasser vermischt, wird beides verdorben. Um euer Herz mit heiligen Empfin- dungen zu füllen, müsst ihr euch erst von schlechten bösen Eigen- schaften befreien. Dann werdet ihr zu einem heiligen Wesen. Um euer Leben zu heiligen, solltet ihr dem heiligen Weg folgen. Der Mensch versucht Hunderttausende von Rupien zu verdienen, um seinen kleinen Magen zu füllen. Was geschieht mit dem Geld? Mit wem teilt er es? Benutzt er das ganze verdiente Geld, um seinen Magen zu füllen? Nein. Niemand kann vorhersagen, wohin letztlich euer Geld ge- hen wird. Um dieses vergänglichen Lebens willen erlebt der Mensch so viele Schwierigkeiten und Mühen. Der Körper ist vergänglich. Er gleicht einer Wasserblase. Der Geist gleicht einem verrückten Affen. Folgt weder dem Körper noch dem Geist. Folgt der Liebe, folgt eurem Gewissen. Folgt dem, was wirklich ist. Das ist die wahre Bildung, die ihr erlangen solltet. Was bringt es, weltliche Bildung zu erlangen, wenn sie euch nicht zur Unsterblichkeit führen kann?

Was ist der Zweck eurer Bildung? Dient sie nur dazu, euren Magen zu füllen? Sogar ein ungebildeter Bettler füllt seinen Magen. Füllt euer Herz. Füllt es mit Liebe. Diese Liebe wird euch helfen, auch alles Übrige zu erhalten. Unternehmt alles, um euer Herz damit zu füllen Das Herz ist mit Mitgefühl erfüllt. Mitgefühl ist Liebe, mit der ihr euer Herz füllen solltet. Verschwendet niemals auch nur einen Augenblick Zeit. Füllt euer Herz mit Liebe. In Wahrheit haltet ihr die Liebe von euch fern, ihr verdreht und entstellt sie. In Wirklichkeit ist niemand an irgendjemanden gebunden. Wer ist an wen gebunden? Welcher Art ist die Beziehung? Körpergebundene Beziehungen und Bindungen sind eure eigene Schöpfung. Wer ist vor der Hochzeit die Ehefrau, wer der Ehemann? Wer ist nach dem Tod die Ehefrau, wer der Ehemann? Das Familienleben gleicht einer vor- beiziehenden Wolke. Es kommt und geht und dauert nicht an. Man soll- te nicht unangemessen daran gebunden sein oder sich deswegen sor- gen. Man sollte sich stattdessen darum bemühen, seine Liebe mit allen zu teilen und Glückseligkeit zu erfahren. Aber statt seine Liebe zu teilen, entwickelt der Mensch heutzutage seinen Mitmenschen gegenüber Hass und Eifersucht. Ihr teilt eure Liebe nicht. Überall herrscht Hass. Dieser Hass ist schlimmer als ein Dämon. Heutzutage wächst der dä- monische Hass und nicht die Liebe. Wenn auch nur ein Fünkchen Liebe in euch ist, teilt sie mit anderen. Das ist eure wahre Pflicht.

256 Schüler, Studenten! Ihr studiert verschiedene Fachgebiete, die sich auf diese körperliche Welt beziehen. Weltliches Wissen hilft euch, in dieser Welt glücklich zu sein, spirituelles Wissen hilft euch in der anderen Welt. Zusammen mit weltlicher Bildung solltet ihr auch spirituelles Wissen er- werben. Nur dann könnt ihr ewige Glückseligkeit erfahren. Vor kurzem habt ihr Rasgotra zugehört. Er erwähnte einige sehr kost- bare Ideen. Seine Leistungen im Bereich der Erziehung sind unver- gleichlich. Er hat herausragende Positionen innegehabt. Er hat alles, was man sich wünscht. Warum kommt er dann hierher? Er kommt hier- her, um Swamis Liebe zu erfahren. Wenn ihr diese Liebe schon in euch hättet, würdet ihr nicht hierher kommen. Ihr habt diese Liebe und diesen Frieden nicht. Deshalb kommt ihr hierher. Ihr solltet Gott um das bitten, was ihr nicht habt und was Gott allein euch schenken kann. In Gujarat lebte einst ein Geschäftsmann namens Patel. Er war ein grosser Geschäftsmann, der um die ganze Welt reiste und Reichtum anhäufte. Er war ein grosser Gottgläubiger. Eines Tages besuchte ihn ein Freund in seinem Haus in Gujarat. Patel war gerade in seinem An- dachtsraum. Sein Freund musste lange Zeit warten. Als Patel schlies- slich aus dem Andachtsraum kam, fragte ihn sein Freund: “Patel, wozu betest du zu Gott? Du hast viel Geld und brauchst nicht um Geld zu beten. Du hast alles Glück und führst ein luxuriöses Leben. Warum be- test du so lange?“ Patel lächelte und antwortete: “Ich bitte nicht um welt- lichen Besitz, um Geld oder Wohlbefinden. All dies habe ich bereits. Ich bitte Gott um das, was ich nicht habe und was Gott hat. Um das zu bekommen, bete ich zu Gott.“ Sein Freund war erstaunt und fragte: “Was ist es, das du vermisst?“ Patel erwiderte: “Ich will Wahrheit, ich will Liebe, ich will Frieden. Diese drei, Wahrheit, Liebe und Frieden, lie- gen in Gottes Händen. Sie sind bei ihm. Darum bitte ich Gott.“ Ihr solltet euch das wünschen, was ihr nicht habt. Was fehlt euch? Frieden. Wünscht euch deshalb Frieden. Nach dem zu fragen, was ihr schon habt, ist lächerlich. Weltliche Besitztümer könnt ihr durch eure eigenen Bemühungen verdienen und erwerben. Was ihr nicht habt, Gott aber besitzt, sind Liebe und Frieden. Wenn ihr diese beiden, Frieden und Liebe, empfangt, könnt ihr auch Wahrheit bekommen. Mit diesen bei- den könnt ihr alles erreichen. Wenn ihr Zucker habt, könnt ihr damit jede Süssigkeit zubereiten. Es gibt verschiedene Süssigkeiten, aber der Zucker ist derselbe. Gott ist Liebe. Wenn es euch gelingt, diese Liebe zu gewinnen, könnt ihr durch diese Liebe alles und jedes erreichen. Ihr könnt euch an Glück und Zu- friedenheit erfreuen. Deshalb, Bangaru (ein Kosewort Swamis, das so etwas wie „Goldstück“ bedeutet), versuche Liebe zu erlangen.

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11. Oktober Dasarafest

Die Allgegenwart Gottes

Jene, die Opfergeist besitzen, ohne irgendeine Spur der Bindung an den Körper oder der Verblendung, sind wahrhaft, jetzt wie früher, unsere Lehrer. Das Wort Sais ist wahrhaftig die Wahrheit.

Verkörperungen der Liebe! Gott durchdringt jedes Atom des Univer- sums und breitet sein göttliches Licht überallhin aus. Die Upanishaden haben erklärt, dass Gott allgegenwärtig ist und dass alles Sichtbare die Manifestation der Göttlichkeit ist. Leider unternimmt der Mensch heute keinerlei Versuch, die Lehren der Upanishaden und der Weisen und Seher alter Zeiten zu verstehen und zu erfahren. Obwohl die Upanis- haden die Allgegenwart der Göttlichkeit in der einfachsten Weise of- fenbart haben, bemüht der Mensch sich erstaunlicherweise überhaupt nicht darum, diese zu verstehen. Man kann viele Beispiele bringen, um die Existenz der Göttlichkeit zu beweisen. Wer ist für die Süsse im Zuk- kerrohr verantwortlich? Wer hat den Chilis ihre Schärfe und Würze ge- geben? Jedes Objekt in dieser Welt besitzt eine einzigartige Eigen- schaft, welche die Existenz der Göttlichkeit als das Lebensprinzip des Objekts selbst bezeugt. Wer ist die Ursache der Bitterkeit im Niemblatt und des Dufts in der Blume? Es ist die Manifestation und der Ausdruck der Göttlichkeit. Man kann jede Menge Beispiele liefern, die euch dabei helfen werden, die Existenz der Göttlichkeit zu verstehen. Die Leute behaupten, ohne weiter nachzuforschen, Duft sei die natürliche Eigen- schaft einer Blume. Aber wer ist für diese natürliche Eigenschaft ver- antwortlich? Die Sicht eines Berges lässt euch erschauern. Wenn ihr einen Strom in voller Kraft fliessen seht, durchströmt euch grenzenlose Freude. Beim Anblick eines üppigen grünen Waldes empfindet ihr ek- statische Freude. Ist das nur ein Naturgesetz oder das Mysterium Got- tes? Es ist nicht nur das Gesetz der Natur, sondern die geheimnisvolle Manifestation Gottes in Gestalt der Natur. Wie kann man sich die An- wesenheit eines Vogels im Inneren eines Eis erklären? All diese Dinge verweisen auf die Göttlichkeit. Um die Göttlichkeit zu schauen, braucht

259 ihr keine besondere spirituelle Disziplin durchzuführen. Ihr könnt ihn in jedem Atom und jeder Zelle der Schöpfung erfahren.

Der Mensch verdankt seinen Eltern seine Geburt. Jeder, dich und mich eingeschlossen, wird aus dem Mutterschoss geboren. Aber die Men- schen haben die Wahrheit vergessen, dass Gott die Mutter aller ist. Gott kennt die Wünsche und Empfindungen des Menschen, aber der Mensch kann nicht begreifen, was Gott von ihm erwartet. Niemand kann Gottes Willen verstehen. Die Eltern können die Gefühle des Kin- des verstehen. Die Mutter kennt die Vorlieben und Abneigungen ihres Kindes. In derselben Weise kann das Kind die Vorlieben und Abnei- gungen der Mutter erfassen. Aber ein Devotee kann den Willen Gottes nicht verstehen und weiss nicht, was für Gott akzeptabel ist und was nicht. Wie kann jemand, der nicht einmal seine Mitmenschen verstehen kann, Gott verstehen? Der Geist des Menschen ist begrenzt, die Gött- lichkeit hingegen ist weit und transzendental. Wie kann in dieser Si- tuation der Mensch Gott in seiner Fülle erfassen? Es ist demzufolge nicht so leicht, Gott zu erfreuen und seine Gnade zu verdienen. Nur wenn ihr das göttliche Prinzip ganz versteht, hättet ihr Gott wahrhaft verehrt. Wie kann man das göttliche Prinzip begreifen, das eigen- schaftslos, rein, der endgültige Wohnsitz, ewig, makellos, erleuchtet, frei und die Verkörperung der Heiligkeit ist? Kann irgendjemand das Mysterium der Anwesenheit des Vogels in einem Ei erfassen? Wie hat das Zuckerrohr seine Süsse erlangt? Es ist nicht möglich, diese fein- sinnigen Dinge zu verstehen. Die Süsse des Zuckerrohrs, der scharfe Geschmack des Chilis, der saure Geschmack von Tamarinde, der bit- tere Geschmack vom Niemblatt sind alles Ausdrucksformen Gottes. Gott hat diese Dinge erschaffen, um euch seine Existenz verstehen zu lassen. Die mächtigen Berge, die herrlichen Flüsse und die wogenden Wellen des Meeres sprechen alle von dem Mysterium, der Erhabenheit und Schönheit Gottes. Es ist unmöglich, Gottes Herrlichkeit zu be- schreiben und seine Kräfte zu erfassen. Aber der Mensch versucht, die unendliche göttliche Kraft mit seinem begrenzten Geist und seinem ein- geschränkten Fassungsvermögen zu bewerten.

Verkörperungen der Liebe! Die Göttlichkeit kann weder in Worten aus- gedrückt noch durch den Geist eingeschätzt werden. Wo die Worte und der Geist in Vergeblichkeit zurückweichen, ohne die Göttlichkeit zu ver- stehen, versuchen die Leute dennoch, Gott auf der Grundlage ihres ei- genen begrenzten Verständnisses zu beschreiben. Nur er selbst, nie- mand sonst, kennt Gottes Pläne, sein geheimnisvolles Wesen und

260 seine mysteriösen Wege. Wenn euer Geist noch nicht einmal in der Lage ist, unbedeutende Dinge zu verstehen, wie kann er dann das un- endliche göttliche Prinzip bewerten? Versucht deshalb nicht, die Wege des Göttlichen zu verstehen. Reinigt stattdessen euer Herz und ver- sucht, euer wahres Wesen zu kennen. Dasselbe wird auch im Vedanta festgestellt: „Erkenne dich selbst.“ Die modernen Studenten argumen- tieren törichterweise: „Wieso sollte ich die Antwort auf die Frage: „Wer bin ich?“ herausfinden, wenn ich es doch schon weiss?“ Sie glauben, ihren Namen, ihren Geburtsort, ihren Beruf, ihre Landeszugehörigkeit usw. zu kennen, wäre gleichbedeutend mit Selbsterkenntnis. Sie sa- gen: „Ich heisse so und so, gehöre zu dem und dem Platz, tue die und die Arbeit“ etc. Diese Antworten beziehen sich auf den Körper, nicht aber auf das Göttliche Selbst. Sie entspringen dem Körperbewusst- sein, nicht aber der Kenntnis des Selbst. Die vedantische Feststellung „Erkenne dich selbst“ bedeutet nicht, den eigenen Körper, die eigene Grösse, das eigene Gewicht, die eigene Hautfarbe etc. zu kennen. Ihr seid nicht nur ein Einzelwesen. Eure wahre Identität steht mit der Ge- samtheit, der Totalität und Gesellschaft in Einklang. Dasselbe „Ich“ exi- stiert in euch wie auch in der Gesellschaft.

Seine Hände, Füsse, Augen, Köpfe, sein Mund und seine Ohren sind überall. So durchdringt er das ganze Universum.

Das göttliche Prinzip (atman) durchdringt alles und ist in allen Wesen gleichermassen anwesend. Auf der Grundlage von Namen, Formen und Bildungsgraden mögen Unterschiede bestehen, aber das Göttliche ist in jedem ein und dasselbe. Ihr müsst euch bemühen, diese Einheit zu schauen und zu erfahren.

Verkörperungen der Liebe! Statt sich die Einheit in der Vielfalt zu ver- gegenwärtigen, tut der Mensch das Gegenteil. Die Essenz des Vedanta liegt darin, die Einheit in der Vielfalt wahrzunehmen. Vedanta ist die Quintessenz der Upanishaden. Was ist die innere Bedeutung des Be- griffs „Upanishad?“ „Upa“ bedeutet nahe, „ni“ unten und „shad“ sitzen. Es bedeutet, ihr solltet euch zu Füssen des Meisters setzen und seinen Lehren lauschen. Sogar in den Schulen sitzt der Lehrer auf einem hö- heren Podest und die Schüler sitzen unten nahe bei ihm. Die Upanis- haden enthalten viele erhabene Ideale und heilige innere Bedeutun- gen. Die Wahrheit, welche die Upanishaden lehren, ist im Atman- Prinzip verkörpert.

261 Atman ist formlos und beständig. Obwohl Atman keine Füsse hat, be- wegt er sich überallhin. Er hat keine Ohren und kann doch alles hören. Obwohl Atman überall gegenwärtig ist, kann niemand ihn fassen. Alles steht unter der Herrschaft Atmans. Derart ist die geheimnisvolle herr- liche Kraft Atmans. Wenn ihr jemanden achtet und liebt, wird dieser wiederum euch achten und lieben. Aber wenn ihr jeden achtet und jeden liebt, wird Gott selbst euch achten und lieben. Ihr solltet euch bemühen, Empfänger von Got- tes Liebe zu werden. Das in der Menschheit gegenwärtige göttliche Prinzip Atmans umfasst alles. Seine Weite und Ausdehnung liegen jenseits jeder Beschreibung oder Einschätzung. Körperliche Formen können jedoch als Fingerzeige betrachtet werden. Wenn euch jemand fragt: „Haben Sie Anil Kumar in Prashanti Nilayam gesehen?“, gebt ihr zur Antwort: „Ja, ich habe ihn gesehen. Er trägt einen guten Anzug, spricht gut Englisch, seine Haut ist braun und er spricht humorvoll.“ Ihr seid nur in der Lage, seine kör- perlichen Züge und sein Verhalten zu erkennen. Aber in ihm sind noch viel mehr Dinge, die ihr nicht sehen könnt. Könnt ihr seine Gefühle ein- schätzen? Es ist unmöglich. Ihr könnt nur den Körper und das äussere Verhalten sehen, nicht aber den ewigen Strom der inneren Glückse- ligkeit. Im Menschen liegen alle Arten der Kraft verborgen. Ihr mögt hochgebildet sein, aber woher stammt eure Bildung? Ihr habt sie nicht von aussen erworben, sondern sie hat ihren Ursprung im Selbst.

Höchste Weisheit liegt in der Wahrnehmung der Nicht-Dualität. Nicht allen gelingt es, die Nicht-Dualität zu erfahren. Der Mensch versinkt in der Dualität. Ein dualer Geist ist die Wurzel von Wankelmütigkeit. Ein Mensch der dual denkt ist halb blind. Wie kann so jemand die heiligen Lehren des Vedanta verstehen? Die im Vedanta zu findenden Lehren sind in keiner anderen Schrift zu finden. Jeder Vers im Vedanta ist eine Schatzkammer höchster Glückseligkeit. Sogar wenn ihr das Meer als Tinte benutzen würde, reichte es nicht aus, um die ganze Grösse dieser Verse zu beschreiben. Jeder Vers ist mit so tiefer Bedeutung angefüllt. Der Mensch unternimmt keinen Versuch, diese Verse zu verstehen. Als Ergebnis davon ertrinkt er in Leid.

Der Weise Valmiki verfasste das grosse Epos Ramayana, dessen in- nere Bedeutung nicht von allen verstanden werden konnte. G. G. Krish- na war ein grosser Astrologe und Heiliger. Er sagte, mit dem wieder- holten Lesen des Ramayana konnte er neue Einblicke in das heilige Epos gewinnen. Er war begierig zu wissen, wie der Weise Valmiki die

262 mysteriöse Geburt Sitas beschrieben hat. Im Ramayana wird erwähnt, König Janaka habe Sita gefunden, während er das Feld für die Durch- führung einer Opferhandlung pflügte. Aber nichts wird darüber gesagt, wie sie geboren wurde. Janaka nannte sie Bhujata, das bedeutet: die aus Mutter Erde Geborene. König Janaka bewahrte den Bogen Shivas in seinem Palast auf. Er war so schwer, dass kein normaler Sterblicher ihn heben konnte. Als Sita jung war, spielte sie eines Tages mit anderen Mädchen Ball. Es ge- schah, dass der Ball unter den Behälter rollte, in dem Shivas Bogen aufbewahrt war. All die Mädchen versuchten mit all ihrer Kraft, den Be- hälter beiseite zu schieben, aber vergebens. Starke Männer wurden ge- rufen, die ihre ganze Kraft einsetzten, um den Behälter zu bewegen, aber dieser rührte sich keinen Zentimeter. König Janaka beobachtete das Ganze mit Neugierde vom Balkon aus. Sita jedoch bemerkte ihren Vater nicht. Nach einiger Zeit bat sie lächelnd jeden, beiseite zu gehen, zog den Behälter beiläufig mit ihrer linken Hand weg und ergatterte den Ball. König Janaka staunte über Sitas gewaltige Kraft und dachte: „Auf- grund der Verdienste, die ich in vielen früheren Leben erworben habe, konnte ich Sita als Tochter erhalten.“ Er beschloss, sie nur mit demje- nigen zu verheiraten, der Shivas Bogen heben konnte. Er führte eine grosse Opferhandlung durch und lud viele Könige ein, zu versuchen, Shivas Bogen zu heben und Sitas Hand zu gewinnen. Viele Könige und Prinzen kamen an König Janakas Hof zusammen. Der Bogen war so schwer, dass er nur durch Hunderte von Elefanten zum Ort des Wett- kampfs getragen werden konnte. Die Leute fragten sich, wie irgendje- mand so einen schweren Bogen heben könnte. Ein König nach dem anderen versuchte sich darin, aber jeder versagte jämmerlich bei dem Versuch. Dann kam Ravana, ein Dämonenkönig. Sein Auftreten selbst versetzte die Leute in Angst. Sie empfanden, Ravana sei kein würdiger Gemahl für Sita, welche die Verkörperung aller Schönheit war. Sitas Mutter Sunayana betete fieberhaft zu Gott Shiva, dafür zu sorgen, dass Ravana den Bogen nicht heben könnte. Mittlerweile setzte Ravana sei- ne ganze Kraft ein, den Bogen zu heben, verlor dabei sein Gleichge- wicht und fiel hin. Er war unterm Bogen gefangen und konnte sich nicht mehr befreien. Er fühlte sich vor allen Augen am Hof gedemütigt. Auf Vishvamitras Vorschlag hin schritt Rama langsam und majestätisch Richtung Bogen. Lakshmana war sicher, dass Rama den Bogen heben konnte. Als die Leute Ramas Herrlichkeit und Haltung sahen, waren sie von Ehrfurcht erfüllt. Sie fühlten, er wäre die perfekte Gemahl für Sita. Auch Sunayana teilte dieses Empfinden, aber sie sorgte sich, ob der junge Rama in der Lage wäre, den gewaltigen Bogen zu heben und

263 Sitas Hand zu gewinnen. Unter den staunenden Blicken der Menge hob Rama mühelos den Bogen mit seiner linken Hand, so wie Sita es früher mit ihrer linken Hand getan hatte. Als Rama den Bogen bog, um ihn zu spannen, zerbrach er mit einem ohrenbetäubenden Knall. Von ihren verschiedenen Instrumenten begleitet, stimmten die Musikanten ein Lied an. König Janakas Freude war grenzenlos. Er ging sofort mit seiner Tochter Sita auf Rama zu, die eine Girlande in ihrer Hand hielt und sag- te: „Rama, ich habe ein Versprechen gegeben, dass Sita mit demjeni- gen verheiratet würde, der den Bogen Gott Shivas hob. Ich will mein Versprechen erfüllen und dir meine Tochter zur Frau geben.“ Aber Rama war nicht bereit, den Heiratsvorschlag ohne die Erlaubnis seiner Eltern anzunehmen. Er war das Musterbeispiel aller Tugenden:

Für das Wohlergehen aller tätig, mit aller Weisheit versehen, mit allen lobenswerten Tugenden erfüllt.

Diese Ideale verkörperte Rama. Als Janaka Sita zu ihm brachte, schau- te er sie nicht einmal an, denn er betrachtete es als unangemessen, sie vor der Hochzeit anzuschauen. Das Verhalten der modernen Ju- gend steht in völligem Kontrast zum vorbildhaften Verhalten Ramas. Die modernen Jugendlichen geraten bei dem Gedanken an Heirat aus dem Häuschen und die Erlaubnis ihrer Eltern einzuholen, kommt ihnen nicht einmal in den Sinn! Auch Vishvamitra versuchte Rama zu über- reden, den Heiratsvorschlag anzunehmen, aber Rama hielt unerschüt- terlich an seinem Beschluss fest und sagte: „Ich habe der von Gott ge- setzten Ordnung, und nicht den Wünschen Einzelner zu folgen. Aber ich achte dabei jeden.“ Nach drei Tagen traf König Dasharatha mitsamt seiner ganzen Familie, Freunden und Verwandten in Mithila ein. Erst nachdem er die Erlaubnis seines Vaters erhielt, stimmte Rama der Hochzeit zu. Aber als sein Va- ter Dasharatha und sein Lehrer Vasishtha ihn später drängten, den Thron zu besteigen, ging er entgegen ihren Wünschen in den Wald. Seine einzige Absicht bestand darin, das früher von seinem Vater ge- gebene Versprechen einzuhalten, denn er wollte den Namen seines Vaters nicht in Verruf bringen. Aus diesem Grund opferte er das Kö- nigreich und alle Bequemlichkeiten und ging in die Wälder. Die Hochzeitszeremonie schritt voran. Als Bestandteil des Rituals war zwischen Braut und Bräutigam ein Vorhang gespannt, und solange er da war, durften sie einander nicht anschauen. Aber Sita und Rama, die beide höchst tugendhaft waren, schauten einander noch nicht einmal

264 an, nachdem der Vorhang weg war, sondern beide schauten zu Boden. Vishvamitra sagte daraufhin in leichtem Ton: „Oh Rama! Sita ist die Tochter von Mutter Erde. Warum schaust du nicht sie an, statt auf Mut- ter Erde zu starren?“ Bis dahin hatte Rama Sita nicht angeschaut, denn da er ihr noch nicht die Mangalasutra, das Glücksband , umgehängt hatte, empfand er es als eine Sünde, sie anzuschauen. Er betrachtete alle Frauen als seine Mütter. Man sollte versuchen, diesem beispielhaften Verhalten nach- zueifern. In einer Familie sollten Ehemann wie Ehefrau ein tugendhaf- tes Leben führen. Wenn es einem von beiden an Tugenden mangelt, können sie nicht Frieden und Glück geniessen. Die Hochzeitszeremonie ging weiter, und es war jetzt Zeit für den Aus- tausch der Girlanden. Sita wartete mit der Girlande in ihren Händen. Weil sie klein war, konnte sie Rama, der gross und breitschultrig war, nicht die Girlande umhängen. Augenblicke vergingen, ohne dass Rama sein Haupt beugte! Um seine Ehre zu bewahren, wollte er sein Haupt nicht vor einer Frau beugen. Er schaute zu Lakshmana und machte eine kaum wahrnehmbare Geste. Die vier Brüder waren immer scharfsinnig und wachsam. Dies wird auch in Tyagarajas Lied veranschaulicht:

Wenn nicht aus Hingabe zu Rama, würde ein Affe das Meer überqueren? Würde die Göttin Lakshmi dich verehren? Würde Lakshmana dir bereitwillig dienen? Würde der hochintelligente Bharata dir seine Ehrerbietung erweisen? Oh! Wie gross ist in der Tat die Macht der Hingabe an Gott Ramas Stärke!

Lakshmana war die Inkarnation der himmlischen Schlange, welche die ganze Welt auf ihrem Haupt trägt. Er erkannte Ramas Wunsch, er solle den Teil der Erde, auf dem Sita stand, anheben. Lakshmana wiederum bedeutete Rama, dass, wenn er Sita erhöbe, auch jeder andere ange- hoben würde. Lakshmana hatte einen Einfall. Plötzlich fiel er Rama zu Füssen, ohne wieder aufzustehen. Rama war gezwungen, sich nie- derzubeugen, um Lakshmana von seinen Füssen zu heben. Sita war hochintelligent. Sie ergriff die Gelegenheit beim Schopf und hing sofort ihre Girlande um Ramas Nacken. Dieses Verständnis sollte zwischen Ehemann und Ehefrau herrschen. Wenn ihr Gott erreichen wollt, solltet ihr euch bemühen, die notwendige Eignung zu erlangen. Das ist wahre Spiritualität. Das ist die Essenz der

265 Upanishaden. Gott ergibt sich jenen, welche die Essenz der Upanis- haden verstehen und entsprechend handeln. Wer ist Gott? Wie sieht er aus? Beschränkt ihn nicht auf einen Namen und eine Form wie Ra- ma, Krishna, Govinda, Narayana usw. In Wirklichkeit hat Gott keinen spezifischen Namen und keine spezifische Form. Er ist die Verkörpe- rung von Energie. Diese Dasara-Feierlichkeiten sind dazu gedacht, Gott in der Form von Energie zu verehren. Man sollte nicht um vor- übergehende Ergebnisse beten, sondern man sollte mit reiner, stetiger und selbstloser Hingabe um die göttliche Gnade beten. Wenn ihr die göttliche Gnade besitzt, könnt ihr alles erreichen.

Verkörperungen der Liebe! Niemand kann die Wirkungskraft der Man- tren erfassen, welche die Priester während der Durchführung des Ri- tuals rezitieren. Diese Brahmanen haben ein reines Herz. Ich will euch ein kleines Beispiel erzählen. Die Brahmanen sollten sich hier um 12 Uhr zum Mittagessen treffen. Aber der Brahmane, der die tausendma- lige Verehrung des Lingas durchführte, verliess seinen Platz nicht, weil er das Ritual noch nicht beendet hatte. Entsprechend standen auch die Person, die das Bhagavatam las, und die vier Brahmanen, welche die Veden rezitierten, nicht von ihren Plätzen auf, ehe nicht alle ihre Auf- gaben beendet hatten. Die Brahmanen, die das Ritual durchführten, blieben bis zwei Uhr nachmittags sitzen. Aufgrund ihrer Hingabe und Ergebung erlangen die von ihnen gesungenen Mantren noch grössere Bedeutung. Auch wenn ihr die Bedeutung der Mantren nicht versteht, bringt es euch gewaltigen Nutzen, ihnen zuzuhören. Dieses Zuhören wird euch schliesslich zur Befreiung führen. Zuhören ist der erste Schritt zur Selbstergebung.

Ehe ihr nicht Freundschaft mit Gott entwickelt, werdet ihr den Zustand der Selbstergebung nicht erreichen können.

Das von uns gerade durchgeführte Opferritual ist für das Wohlergehen der Welt bestimmt. Denkt nicht, wir würden das Opferritual nur deswe- gen abhalten, weil auch woanders die Leute Opferrituale durchführen. Dieses Opferritual wird mit vollkommenem Opfergeist durchgeführt. Wir verbinden damit keine Wünsche oder Erwartungen. Unser einziger Wunsch besteht darin, dass jeder glücklich sein solle. Die Leute führen Opferzeremonien durch, um Hungersnot und Dürrezeiten zu überwin- den. Aber ich ziehe solche Dinge nicht in Erwägung. Ich gebe einer so begrenzten Sichtweise keinen Raum. Hungersnot, Dürrezeiten usw.

266 kommen und gehen. Was immer ihr tut, sollte allen immerwährendes Glück bringen. Es sollte euch helfen, die göttliche Gnade zu erlangen.

Morgen werde ich euch die Lehren der Upanishaden und ihre innere Bedeutung erläutern.

267

12. Oktober Dasarafest

Die Einheit in der Vielfalt

Brahma ist der Erschaffer des gesamten Universums, Vishnu der Erhalter und Shiva der, welcher alle Sünden zerstört. Diese Wahrheit offenbare ich euch.

Verkörperungen der Liebe! Was sucht der Mensch, der in einem Meer des Leids versinkt, in diesem weiten unbegrenzten Universum? Wozu führt er spirituelle Disziplin durch? Manche suchen die Erfüllung in welt- lichen Dingen; manch andere vergeuden ihre kostbare Zeit, indem sie versuchen, ihre unerfüllten Wünsche zu befriedigen. Andere wiederum wählen den spirituellen Weg mit dem Wunsch, die Göttlichkeit zu schauen, sie zu berühren und mit ihr zu kommunizieren. Die Menschen meditieren über Gott als Brahma, Vishnu und Shiva. Aber diese sind keine Götter mit einer menschlicher Form. Sie haben weder eine Form noch einen bestimmten Aufenthaltsort. Wenn man das Wesen ihrer Form erforscht, wird offensichtlich, dass sie nur einige Attribute besit- zen, ohne eine spezifische Erscheinung zu haben. Es heisst: “Gott wohnt allen Wesen inne.” Aber in welcher Form? Wie kann man sich auf Gott ohne sichtbare Form konzentrieren? Was bringt eine solche Kontemplation? Die Göttlichkeit ist der Lebensatem selbst, den man wahrnehmen und hören kann. Wie kann man den Klang dieses göttli- chen Atems erkennen und erfahren? Die Upanishaden haben diesem unsichtbaren im Menschen anwesenden göttlichen Atem die Bezeich- nungen „Brahman“ und „Atman“ gegeben. Aber egal wie viel Erklärun- gen man gibt, es ist unmöglich, diese abstrakten Konzepte zu verste- hen. Was bedeutet das göttliche Prinzip? Man kann darunter den göttlichen, Segen bringenden Atem “so`ham“ verstehen, der vom Menschen aus- strömt. “So`ham“ bedeutet “Ich bin Das“ (die Göttlichkeit). Der Klang des Atems im Menschen, “so`ham“, verankert das Wesen des Göttli- chen. Wenn man versucht, über die Form zu meditieren, ohne den Klang zu beachten, wird man nicht imstande sein, das Wesen der Gött- lichkeit zu verstehen. Das Wesen von “so`ham“ ist rein und ausgewo- gen. Diese Grundeigenschaft der Reinheit und Ausgewogenheit ist das Shiva-Prinzip. Aus diesem göttlichen Atem strömt noch ein anderes

269 Prinzip hervor, nämlich das Vishnu-Prinzip. Welche Form hat dieses Vishnu-Prinzip? Die geistigen Empfindungen sind das Vishnu-Prinzip, in anderen Worten, der Geist ist das Vishnu-Prinzip. Dann existiert noch eine andere Form, die aus dem Nabel Vishnus hervorgeht, nämlich Brahma. In dieser Weise gehen die Prinzipien von Brahma, Vishnu und Shiva aus dem Prinzip “so`ham“ im Menschen selbst hervor. In dieser Dreiheit ist Shiva das Prinzip “so`ham“, Vishnu der Geist und Brahma die Verkörperung der Sprache und des Worts. Das bedeutet, jedes Wort, das der Mensch spricht, ist Brahma, jeder dem Geist entsprin- gende Gedanke und Beschluss ist Vishnu und jeder dem Körper ent- strömende Atemzug ist Shiva. In dieser Weise durchdringt die Gött- lichkeit den gesamten menschlichen Körper. Der Körper ist lebendig, solange der Lebensatem von ihm aus- strömt. Der Geist besteht aus Gedanken und Beschlüssen und ihrer Negierung. Das ist das Vishnu-Prinzip. Das aus dem Nabel Vishnus hervorgehende Prinzip ist Brahma. Was ist die Ursache dieses Brahma-Prinzips? Es ist das, was den Klang anzieht. Man sagt: Klang ist Gott, das, was das gesamte Universum durchdringt, das Be- wegliche wie Unbewegliche ist Gott und Gott ist das Wort, die Sprache. Durga, Lakshmi und Sarasvati sind die Verkörperungen dieser drei, nämlich Klang, Durchdringung und das Wort. In jedem Atemzug wie- derholt der Mensch “so`ham“. Ohne diesen Klang des “so`ham“ kann der Atem nicht existieren. Entsprechend kann ohne den Geist kein Ge- danke entstehen und ohne Gedanke kann kein Wort gesprochen wer- den. So besteht eine untrennbare und wechselseitige Beziehung zwi- schen dem Klang “so`ham“, dem geistigen Gedanken und Entschluss und dem Wort. Etliche Menschen haben mehrfache Versuche unter- nommen, diese Beziehung zu erkennen. Aber dieses Prinzip kann nicht durch spirituelle Übung, sondern nur durch Nachforschung erkannt werden. Der Mensch ist heutzutage mit dem Studium verschiedener Upanisha- den beschäftigt. Was ist die Essenz dieser Upanishaden? Die Essenz der Upanishaden ist das Prinzip der Einheit in der Vielfalt. Ihr nährt und pflegt den Körper. Zu welchem Zweck? Welcher Nutzen entsteht aus dieser Ernährung? In Wirklichkeit keiner. Solange der Körper existiert, müsst ihr ihn ernähren. So lange ihr esst schlaft ihr auch. Im Schlaf er- lebt ihr Glück. Aber seid ihr beim Aufwachen fähig, dasselbe Glück zu erfahren? Nein. Deshalb müsst ihr, um dauernde Glückseligkeit zu er- fahren, die Essenz der Upanishaden verwirklichen. Göttlichkeit trägt keine Namen. Alle Namen und Formen gehören Gott. Es gibt keinen

270 Platz, wo er nicht existiert. Noch gibt es irgendein Objekt in der Welt, das ihm nicht gehört.

Verkörperungen der Liebe! Liebe ist das essentielle Wesen der Gött- lichkeit. Wenige jedoch bemühen sich, dieses Liebesprinzip zu erken- nen. Im menschlichen Körper befinden sich verschiedene Systeme wie das Verdauungssystem, das Nervensystem usw. Aber es gibt einen Hauptschalter, der alle Körpersysteme kontrolliert. Die Augen sehen verschiedene Farben, die Zunge schmeckt die verschiedenen Köst- lichkeiten und die Ohren hören verschiedene Arten des Klangs. Aber was ist die Grundlage dieser Erfahrungen? Man nennt es das zugrunde liegende Prinzip, aufgrund dessen der Mensch all diese Dinge erfahren kann. Dieses fundamentale Prinzip hat den Namen “Atman“ erhalten. Aufgrund dieses Atman-Prinzips entstehen verschiedene Pläne und Empfindungen in unserem Herzen. Das Herz ist der Veda. Die Gedan- ken und Beschlüsse sind die heiligen Schriften (shruti). Die Essenz die- ser Schriften ist heiliges Wissen. Ihr solltet demzufolge nicht vermuten, die Veden befänden sich irgendwo in einem fernen Winkel. Der alles durchdringende Klang der Schriften ist immer in euch, mit euch und ein Teil von euch. Ihr solltet deshalb die Klänge erkennen, die vom Veda eures Herzens hervorgehen. Ihr habt sicherlich in den letzten drei Tagen wahrgenommen, wie die Priester morgens in der Purnacandrahalle die vedischen Mantren mit verschiedenen Intonationen rezitierten. Wenn ihr den Klang der Man- tras hört, fühlt ihr euch sehr glücklich, obwohl ihr die Bedeutungen nicht verstehen könnt. Die Worte in diesen Mantren mögen verschiedene Be- deutungen haben, aber der vom Rezitieren dieser Mantren kommende Klang selbst wird euch glücklich machen. Um die wahren Bedeutungen der Worte in diesen Mantren zu verste- hen, muss man sich auf den Vorgang spiritueller Erforschung in einer Umgebung tiefer Stille einlassen. Denn nur in der Tiefe der Stille kann Gottes Stimme gehört werden. Gestern sprach ich in meiner Ansprache über das einem Objekt innewohnende Wesen. Wie erhielt das Zucker- rohr seine Süsse? Wie kam der scharfe Geschmack in die Chilis? Wie gelangte das Bittere in die Niemblätter? Wie der Duft in die Jasminblü- te? Ihr nennt es Natur. Nein, nein. Das göttliche Wesen drückt sich selbst durch diese Formen aus. Um das Wesen der Göttlichkeit zu verstehen, müsst ihr euren Geist mit der Kontemplation über das transzendentale Prinzip beschäftigen. Wo- her kommt der Geist? Von Gedanken und Beschlüssen und ihrer Ne- gierung. Sie wiederum kommen vom Wesen des Klangs. Klang ist das

271 wahre göttliche Prinzip. Das Prinzip “so`ham“ ist in seiner Essenz das atmische Prinzip. Um das Wesen des Göttlichen Selbst, zu verstehen, müsst ihr deshalb das Wesen des göttlichen Atems erkennen. “So`ham“ bedeutet „Ich bin Das“. Was ist dieses „Das“? Was ist es, das behauptet: „Ich bin Das“? Ist es der Geist? Wenn ja, dann wird der Geist zu einem Hindernis für die Verwirklichung des Prinzips “so`ham“, denn der Geist gleicht einem verrückten Affen. Wie könnt ihr auf eurer spi- rituellen Reise vorwärts schreiten, wenn ihr euch auf so einen wankel- mütigen Geist verlasst? Diese Weise der Annäherung ist nicht korrekt. Der Geist ist jedoch die Verkörperung des alles durchdringenden Vish- nu. Ohne diesen Geist gäbe es keinen Atem. Der Geist wiederum funk- tioniert nur aufgrund des Lebensatems. Um diese subtilen Bedeutun- gen zu verstehen, müsst ihr euch auf die Methode der Nachforschung verlassen. Wenn ihr euch zur Meditation über das Prinzip “so`ham“ nie- dersetzt, werdet ihr bemerken, dass beim Einatmen “so“ eintritt und beim Ausatmen “ham“ austritt. Dieser Vorgang muss sorgfältig beob- achtet werden. “So“ bezieht sich hier auf das göttliche Prinzip und “ham“ auf das Ego. In dieser Weise verlässt euch das Ego, während die Gött- lichkeit in euren Körper eintritt. Und das in euren Körper eingetretene göttliche Prinzip muss durch den Vorgang des Anhalten des Atems, fest in eurem System gehalten werden. Menschen, welche die spirituelle Disziplin der Atemregulierung durchführen, nennen diese Vorgänge einatmen, den Atem anhalten und ausatmen. Der Gayatri “So`ham“ be- steht darin, mit dem Rezitieren von “so“ den Atem durch ein Nasenloch einzuatmen, ihn während des Rezitierens von “ham“ durch das andere Nasenloch auszuatmen und den Atem dazwischen für eine gewisse Zeit anzuhalten. Die wirkungsvollste Methode besteht darin, für diese drei mit “So`ham“ verbundenen Vorgänge strikte Zeiten einzuhalten. Wenn ihr diese Zeiten nicht beachtet, bringt ihr euer Leben durch eine falsche Atemregulierung selbst in Gefahr. Die für die drei Vorgänge von Einatmen, Atem anhalten und Ausatmen aufgewandte Zeitspanne muss genau gleich lang sein. Da Gott die Verkörperung der Zeit ist, ist Zeit die Essenz dieser spirituellen Übung. Das Wesen eurer Gedanken und Beschlüsse muss immer rein sein. Um reine Gedanken und Be- schlüsse zu haben, muss euer Atem rein sein. In dieser Weise sind die Prinzipien von Brahma, Vishnu und Shiva untrennbar und voneinander abhängig. Sie sind ein und dasselbe. Ihr müsst versuchen, das essen- tielle Wesen ihrer Einheit zu verstehen. Heutzutage ist niemand fähig, die wahre Bedeutung der Upanishaden zu erkennen. Die innere Bedeutung eines jeden Verses der Upanish- aden zu beschreiben, zu analysieren und zu verstehen würde minde-

272 stens einen Monat Zeit in Anspruch nehmen. Jedes Wort hat mehrere Bedeutungen und wir müssen die Bedeutung wählen, die der vorlie- genden Situation angemessen ist. Ein kleines Beispiel hierzu. Nehmt einen kleinen Jungen, der noch da- bei ist, sprechen zu lernen. Wenn ihr ihm das Wort “Rama“ vorsprecht, wird er es entsprechend seinem Alter als “Lama“ aussprechen. Was ihn angeht, ist das die seinem Alter entsprechende korrekte Ausspra- che. Aber aus unserer Sicht erscheint es falsch. Nur wenn wir alle Fak- toren wie Alter, Zeit und das spezifische benutzte Wort in Betracht zie- hen, ist es möglich zu entscheiden, ob es richtig oder falsch ist. Es gibt viele gebildete Jungen. Wenn man sie auffordert, das Wort chapa (Mat- te) zu sprechen, werden sie es als chepa (Fisch) aussprechen. Nur wenn man weiss, was chapa bedeutet, kann man es von chepa unter- scheiden. Andernfalls würden chapa und chepa für einen das Gleiche bedeuten. In einer Episode im Bhagavatam eilt Gott Vishnu herbei, um den Elefanten aus den Fängen des Krokodils zu befreien. Seine Ge- mahlin Lakshmi war zu der Zeit an seiner Seite. Sie wollte ihn fragen, wohin er eilte, aber dazu war keine Zeit. Der berühmte Dichter Potana beschrieb diese Szene wunderschön in folgender Weise:

Sie rannte eilends Gott Vishnu nach, um herauszufinden, was geschah. Aber sie war nicht sicher, ob er antworten würde. Besorgt und verwirrt, die Haarlocken durchs Laufen aufgelöst, unfähig, ihn einzuholen, setzte sie sich schliesslich wie vom Donner gerührt sprachlos hin.

So hat jede Sprache und jedes Land manch wunderschöne spezifische Art und Weise, eine gegebene Situation bildlich zu veranschaulichen.

Liebe Studenten, wenn ihr die Bedeutung der Upanishaden wissen wollt, müsst ihr die grossen Seelen aufsuchen, die darin gut versiert sind. Die Essenz aller Upanishaden entspringt dem Brahma- Prinzip, das sich durch das Wort ausdrückt. Das Vishnu-Prinzip gründet auf dem Geist. Es besteht aus guten Gedanken. Wenn gute Gedanken im Geist sind, werden sie sich durch gute Worte ausdrücken. Die guten Worte wiederum vermitteln gute Bedeutungen. Die Dreiheit Brahma, Vishnu und Shiva sind keine drei voneinander getrennten Wesenhei- ten. Shiva ist der Atem, Vishnu der Geist und Brahma das Wort. Die Einheit dieser drei ist das Atman-Prinzip.

273 Verkörperungen der göttlichen Liebe! Ihr werdet nicht in der Lage sein, diese Konzepte zu verstehen, wenn ich fortfahre, sie in dieser Weise zu wiederholen. Es könnte auch sein, dass jene, welche die wahre Be- deutung der Upanishaden nicht kennen, manch falsche Auffassungen haben. Deshalb müssen die Upanishaden in einer friedvollen, heiligen und stillen Umgebung gelehrt werden. Die Mantren müssen mit reinem Atem rezitiert werden. Die Upanishaden schreiben ein spezifisches Mantra vor, um den Atem zu reinigen, während sie das Atem-Prinzip erklären. Wenn ihr diesen Mantra rezitiert, werden verschiedene Krank- heiten geheilt werden. Als erstes wird unser Atem sauber und rein wer- den. Die Blockaden in den Gefässen werden beseitigt werden und das Blut wird frei fliessen; der Katarakt im Auge wird sich auflösen; der aus unserer Kehle strömende Klang wird gereinigt werden. Aber ihr müsst diese Mantren mit der richtigen Intonation rezitieren. Nur dann wird euch die rechte Bedeutung dieser Mantren enthüllt werden. Das ganze Wesen eures Körpers wird durch die Essenz der Upanishaden offen- bart werden. Wie erkennt die Zunge den Geschmack? Die Zunge ist in der Lage, die verschiedenen Geschmacksrichtungen der verschie- denen Nahrungsmittel zu offenbaren. Wie ist das möglich? Auf der Zun- ge gibt es Hunderttausende von Geschmacksknospen, mit deren Hilfe die Zunge die verschiedenen Geschmäcker erkennt. Entsprechend be- finden sich in unseren Augen Abermillionen von Lichtstrahlen. In dieser Weise sind die Mantren der Upanishaden in der Lage, verschiedene Körperkrankheiten zu heilen, wenn sie richtig rezitiert werden. Zudem wird, wenn ihr ihre korrekten Bedeutungen erkennt, euer Verhalten selbst eine gewaltige Veränderung erfahren. Mit der Veränderung des Verhaltens werden heilige Empfindungen in eurem Herzen erwachsen. Schliesslich werden diese heiligen Empfindungen in heiligen Worten ihren Ausdruck finden.

Verkörperungen der göttlichen Liebe! In den verschiedenen Sprachen der Welt gibt es verschiedene Worte, die verschiedene Bedeutungen haben. Aber zwischen den Worten und ihrer Bedeutung muss ein enger Zusammenhang bestehen. Es bringt nichts, all eure Zeit damit zu ver- bringen, sich über Bedeutungen auszulassen. Besonders im spirituel- len Bereich wird das zu einer Übung in Vergeblichkeit werden. Der rech- te Klang im Rezitieren der verschiedenen Mantren ist sehr wichtig. Ich erwähne oft das Beispiel der Menschen, die AUM singen. Etliche Leute singen das Omkara nicht mit der richtigen Intonation, weil sie es in einer ausgesprochen mechanischen Weise tun. Das Rezitieren dieses Man- tras geschieht mit den drei Buchstaben A, U und M. A kommt von der

274 Kehle, U von der Zunge und M von den Lippen. Die kombinierte Form dieser drei Buchstaben, AUM, geht aus dem Nabel hervor. Wenn man die Leute auffordert, AUM zu rezitieren, tun etliche es Buchstabe für Buchstabe. Das ist es nicht, was erforderlich ist. Alle drei Buchstaben müssen gleichzeitig im Einklang gesungen werden. Das Rezitieren des Omkaras ist dem Abheben, sich in den Himmel erheben und schlies- slich dem Landen des Flugzeugs vergleichbar. Nur wenn ein Mantra in der rechten Weise rezitiert wird, empfangt ihr gute Empfindungen. Viele Leute erzählen mir: „Swami, seit vielen Jahren wiederhole ich Om- kara. Aber mein Glaube ist immer noch nicht stetig.“ Ja, ich weiss dar- um. Wie ist es möglich, wenn ihr nicht mit der richtigen Intonation re- zitiert und die wahre Bedeutung nicht versteht? Die Upanishaden scheinen sehr schwer verständlich zu sein. Aber wenn ihr die Bedeutung der verschiedenen Konzepte kennt, gibt es nichts Leichteres. Diejenigen, die ihre Zähne verloren haben, werden beim Rezitieren der verschiedenen Mantren Schwierigkeiten erleben. Sogar die Klänge beim Rezitieren der Mantren werden verschieden sein. Beim Üben braucht ihr die Mantren nicht laut zu rezitieren. Tut es innerlich. In der Musik konzentrieren sich manche Leute auf die No- ten und sie ändern ihre Tonlage, damit sie mit der Note übereinstimmt. Unterdessen ändern sie sogar ihre Körperstellung. Sehr oft erscheint diese Haltung komisch. Die Leute wissen, dass, wenn die Note nicht stimmt, ein Misston entsteht. Um das zu verhindern, muss man auch seinen Körper beherrschen. Ihr habt sicherlich manche Leute beim Bhajansingen beobachtet. Wenn sie laut singen, verändern sie ihre Tonlage. Das sollte nicht geschehen, sondern man sollte das unter Kontrolle haben. Manche Leute schliessen ihre Augen, während sie hingebungsvolle Lieder singen. Manche Leute reissen ein Auge auf, während sie das andere gesenkt halten. All diese Verrenkungen liefern ein peinliches Bild. Aus diesem Grund legen manche Leute beim Har- moniumspielen einen kleinen Spiegel auf das Harmonium, um ihre Lip- pen, Augen usw. zu beobachten. Wenn das Lied nicht in der richtigen Tonlage gesungen wird, kann man selber sehen, wie seltsam das ei- gene Gesicht aussieht und fühlt sich selbst abgestossen. Es ist wichtig, dass beim Singen eines Bhajans auch die eigene Haltung gut ist. Man sollte andere nicht durch ein verzerrtes Gesicht unglücklich machen. Beim Durchführen dieser Dinge ist absolute Konzentration notwendig. Oft handelt ihr unaufmerksam und nachlässig. Zum Beispiel unterhaltet ihr euch , während ihr Milch oder Kaffee trinkt. Dabei verschüttet ihr die Milch, die auf eure Kleidung ausläuft und even- tuell verschluckt ihr euch sogar. Während ihr etwas trinkt oder esst soll-

275 tet ihr nie reden. In den alten Zeiten bewahrten die grossen Weisen beim Essen oder Trinken Schweigen. Darüber hinaus rezitierten sie im- mer vor dem Essen folgendes Brahmarpanam-Mantra:

Brahmarpanam brahma havir Brahmagnau brahmana hutam Brahmaiva tena gantavyam Brahma samadhinaha

Der Akt des Darbietens ist Gott, die Gabe selbst ist Gott, dargebracht von Gott in dem heiligen Feuer, das Gott ist. Nur der erreicht Gott, der in all seinen Handlungen vollkommen von Gott durchdrungen ist.

Ihr erklärt, dass die Nahrung eine Gabe für Gott ist. Wo ist Gott denn? Er ist im Inneren. Gott erwidert sofort von innen:

Aham vaishvanaro bhutva Praninam dehamashritaha Pranapana samayuktaha Pacamy annam catu vidham

Ich bin die alles durchdringende kosmische Energie, die in den Körpern der Lebewesen wohnt. Indem ich mit ihrem ein- und ausgehenden Lebensatem verbunden bin, verzehre ich die verschiedenen Arten der Nahrung.

Wenn ihr während des Essens redet, wird das Verdauungssystem ver- dorben. Wenn das Verdauungssystem verdorben ist, werdet ihr vielen Krankheiten ausgesetzt sein. Betet still mit geschlossenen Augen zu Gott und nehmt dann euer Essen zu euch. Die meisten Kinder kennen diese Regel nicht. Nehmt euer Essen schweigend in einer ruhigen At- mosphäre zu euch. Schreit dabei nicht, unterhaltet euch nicht und plau- dert nicht. Beschäftigt euch vor oder während des Essens nicht mit Sor- gen. Dies sind einige der Vorkehrungen, die man treffen muss, um täglich ein glückliches Leben zu führen.

Verkörperungen der göttlichen Liebe! Ihr sprecht von spiritueller Dis- ziplin. Aber spirituelle Disziplin ist nicht so einfach. Es ist einfacher, die Namen der neun Formen der Hingabe, Zuhören, Singen usw. aufzu-

276 zählen. Wann kommt ihr zum letzten Schritt der Selbstergebung? Nur nachdem ihr Freundschaft mit Gott etabliert habt. Viele Leute wissen nicht, was wahre Freundschaft ist. Aus ihrer Sicht bedeutet Freund- schaft, sich mit “hallo, hallo“ zu begrüssen. Was bedeutet “hallo, hallo“? Nichts. Es bedeutet schlichtweg überhaupt nichts. Es ist nur ein flüch- tiger Gruss. Es hat nichts mit Freundschaft zu tun. Freundschaft setzt eine untrennbare Beziehung zwischen zwei Individuen voraus. Ihre Körper mögen sich unterscheiden, aber ihr Lebensprinzip ist ein und dasselbe. Wenn die beiden unterschiedliche Gedanken und Empfin- dungen haben, ist das keine Freundschaft. Es heisst: “Ein Mensch, der dual denkt, ist halb blind.“ Wo die Gedanken auseinanderklaffen, wird der Geist dual. Wie kann man sich mit einem dualen Geist in die Gött- lichkeit versenken? Die Kinder wollen ernsthaft spirituelle Disziplin ein- halten. In Anbetracht ihrer Ernsthaftigkeit hege ich den Wunsch, diesen Aspekt genau darzulegen. Gebt niemals den heiligen Weg auf. Nur dann wird euer Leben heilig sein. Ihr könnt das mit Sicherheit erreichen. Vergeudet keine Zeit. Gegenwärtig verschwendet ihr viel Zeit mit müs- sigen Beschäftigungen. Zeit macht euer Leben aus. Es heisst: „ich ver- neige mich vor der Zeit.” Zeit ist alles. Wenn ihr diese kostbare Zeit da- mit verbringt, euch müssigen und unheiligen Dingen hinzugeben, wie könnt ihr diese Zeit wiedererlangen? Gott hat euch eure Lebensspanne gegeben, damit ihr eure Zeit heiligt. Wenn ihr eure Gedanken auf den rechten Weg lenkt, werden auch eure Handlungen recht sein. Zeit, Handlung, Ursache und Pflicht müssen in Einklang gebracht werden, um eins zu werden. Was ist dieser Körper letztendlich? Nichts als eine Wasserblase, die jeden Moment platzen kann. Eines Tages wird der Körper zugrunde gehen, entweder heute oder morgen oder später. Ihr solltet nicht wegen diesem vergänglichen Körper trauern, denn das, was gekommen ist, muss wieder gehen und das, was gegangen ist, muss wiederkehren. Ihr braucht deshalb diesem Kommen und Gehen nicht viel Bedeutung beizumessen. Ihr müsst euch anstrengen, um das zu erkennen, was weder geboren wird noch stirbt. Ihr müsst erkennen, was heilig und was unheilig ist, was Glück und was Leid ist. Was hat es mit Schwierigkeiten auf sich? Aus meiner Sicht sind Schwierigkeiten besser als Vergnügen und Bequemlichkeiten. Es ist nicht weise, um Glück und Komfort zu beten. Die Weisheit, die ihr in schwierigen Zeiten erlangt, könnt ihr in frohen Zeiten nicht bekommen. Ihr könnt jede ver- wirklichte Seele oder jeden Heiligen fragen, wie er seine grosse Weis- heit erlangte. Er wird euch sagen, dass er durch verschiedene Leiden und Schwierigkeiten ging und erst dann diese Weisheit erringen konn- te. Die Menschen wollen heute Befreiung, ohne irgendeine Schwierig-

277 keit zu erleben. Wie sollte das möglich sein? Ihr müsst hart arbeiten. Wenn ihr nur irgendwo sitzt und freudig die Dinge geniesst, werdet ihr Schwierigkeiten schmerzvoll finden. Nur nachdem ihr Schwierigkeiten durchlebt habt, könnt ihr Glück erfahren. Einst ging Krishna zu Kunti, um sich nach ihrem Wohlergehen zu er- kundigen. Kunti fragte Krishna: “Wann bist du gekommen? Wie steht es um den Krieg?“ Krishna erwiderte: “Mutter, Geburt und Tod, Gutes und Schlechtes sind jedem gemeinsam. Vergiss diese Dinge und sage mir, was du willst.“ Kunti bat Krishna daraufhin: “Mein Sohn, bitte schen- ke mir, bis ich meinen Körper verlasse und in deine Lotosfüsse eingehe, weiterhin Schwierigkeiten.“ Krishna fragte nach: “Oh Mutter! Von dem Augenblick an, als du König Pandu heiratetest, hast du Schwierigkeiten erlebt. Reicht das nicht aus? Warum bittest du um mehr Schwierigkei- ten?“ Da erwiderte Kunti: “Oh Krishna, du weisst nicht um das Glück, das im Erleben von Schwierigkeiten liegt. Nur ich weiss darum. Weil ich verschiedene Schwierigkeiten durchlebt habe, erfreue ich mich ständig an deiner göttlichen Gegenwart. All meine Söhne verdienten deine Gnade. Die aus meinem Schoss geborenen Söhne wurden die Empfänger deiner göttlichen Gnade. Das selbst bereitet mir schon grosse Freude. Was bringt es, viele Kinder zu haben, ohne deine gött- liche Gnade zu erlangen? Welches Glück erwächst mir daraus?“

König Dhritarashtra hatte viele Söhne, aber was war letztendlich sein Schicksal? Der Weise Shuka war unverheiratet und hatte keinen Sohn, aber litt er deshalb?

Söhne zu haben schenkt kein Glück noch bringt es irgendeinen Verlust mit sich, keine Söhne zu haben. Die Kinder, die man bekommt, müssen der Familie Ansehen und Verdienst bringen. Sie müssen sich in ihrem Leben gut verhalten. Sie müssen sich guter Gesellschaft anschliessen. Meine Söhne stehen unter deinem göttlichen Schutz. Von morgens bis abends singen sie ständig deinen göttlichen Namen. Was mehr an Glück kann ich mir wünschen? Oh Krishna, ich bete darum, dass ich weiterhin Glückseligkeit erfahre.

278 Würden die Mütter der heutigen Zeiten in dieser Weise beten? Laden sie aus eigenem Antrieb Schwierigkeiten ein? Nein, nein. Sie wünschen sich Söhne, aber sie wünschen nicht, dass sie in der göttlichen Ge- genwart leben; im Gegenteil, sie fürchten diese Aussicht. Was bringt es, wenn sie irgendwo sitzen, ohne die göttliche Gegenwart zu errei- chen? Der Sinn des menschlichen Lebens besteht darin, die Lotosfüs- se des Herrn zu erreichen.

Wenn ihr das ergriffen habt, was man ergreifen sollte, lasst nicht los, ehe ihr erfolgreich seid. Wenn ihr das gewünscht habt, was man wünschen sollte, haltet daran fest, bis ihr das Gewünschte erhaltet. Wenn ihr das beschlossen habt, was man beschliessen sollte, haltet daran fest, bis ihr erfolgreich seid. Entweder sollte Gott euer Gebet erhören oder ihr solltet mit aller Intensität aus ganzem Herzen bitten. Diesen Weg sollte ein wahrer Devotee einschlagen.

Im Leben begegnen wir mannigfaltigen Leiden, Verlusten und Schwie- rigkeiten. Sie sollten euch nicht bekümmern. Ihr solltet immer die gött- liche Gegenwart als den grössten Schatz betrachten, den ihr suchen könnt. Ihr müsst unerschütterlichen und treuen Glauben und Hingabe in die ewige Wahrheit, welche die Göttlichkeit ist, entwickeln. Das ist das einzige, worum ihr bitten solltet. Eure Hingabe sollte stetig, rein und selbstlos sein. Die Leute wollen Hingabe und zugleich alles andere in der gegenständlichen Welt. Wie ist das möglich? Ihr habt nur einen Mund und wollt Milch und Wasser gleichzeitig trinken. Das ist nicht mög- lich. Ihr solltet deshalb nur Eines wünschen, nämlich die Göttlichkeit. Wenn ihr Sehnsucht nach Gott entwickelt, wird er selbst sich um eure Bedürfnisse kümmern. Die göttliche Gegenwart wird euch wahres Glück schenken. Das ist das einzige andauernde Glück in dieser Welt. In der göttlichen Gegenwart gibt es weder Leid noch Unglück noch Sor- ge. Jemand kam zu mir und fragte: “Swami, ich bin Gottes Devotee. Wie kommt es dann, dass ich ständig tief im Schmerz stecke?“ Ich erwi- derte: “Wenn du wirklich ein Devotee bist, wie kam dann dieses Leid zu dir? Von Gott erhältst du Glück und nicht Leid. Wenn du behauptest, du würdest Leid erfahren, ist das nicht korrekt. Gott schenkt immer Glück und Glückseligkeit. Bei Gott gibt es nicht so etwas wie Leid. Was du erfährst ist nicht Gottes Leid. Du musst es von jemandem geliehen und dann Gott zugeschrieben haben. Das ist nicht richtig. Gott ist die

279 Verkörperung der Glückseligkeit. Er schenkt immer nur Glück. Gott Krishna erklärte: “Der ewige Atman in allen Wesen ist Teil meines We- sens.” Ihr, die ihr Teil des göttlichen Willens seid, empfangt nur göttliche Empfindungen. Wird Gottes geweihte Gabe je bitter sein? Nein, nie- mals. Aber aus ihrer Unwissenheit heraus denken Leute in dieser Wei- se. Madhvacarya, der grosse Vertreter des Dualismus, lebte in der Kan- nada Region. Er war ein grosser Devotee von Gott Krishna. Einst sagte er seinen Schülern, sie sollten das Ekadashi Gelübde einhalten. Von dem Tag an hielten sie eine dreitägige Fastenzeit ein und dachten stän- dig an Gott, ohne auch nur etwas Nahrung oder Wasser zu sich zu neh- men. Am dritten Tag erschien Madhvacarya nachts in ihrem Traum und riet ihnen: “Meine lieben Schüler, das ist nicht spirituelle Disziplin. Haltet an den Prinzipien, an den göttlichen Füssen Gott Krishnas fest, nicht aber an Formalitäten. Wie wollt ihr sonst euer Leben heiligen? Das habe ich mein Leben lang praktiziert.“ Die Leute halten das Ekadashi Gelübde ein und fasten drei Tage lang. Am vierten Tag bereiten sie vierzig Pfannkuchen vor! Ist das das Eka- dashi Gelübde? Es ist nicht richtig. Was ihr am vierten Tag tun solltet, ist, eurer spirituellen Disziplin Liebe hinzuzufügen. Wenn ihr Liebe zu Gott entfaltet, werdet ihr Hunger und Durst vergessen. Der Weise Vish- vamitra nahm Rama und Lakshmana mit sich in den Wald, um das von ihm durchgeführte Opferritual zu schützen. Rama und Lakshmana, die Söhne König Dasharathas, waren zu der Zeit in zartem Alter. Bis dahin hatten sie nie irgendwelche Schwierigkeiten erlebt. Dasharatha war über ihr Wohlergehen im Wald sehr besorgt. Als sie die Ufer des Flus- ses Sarayu erreichten, wollte Vishvamitra sie die Mantren bala und athi- bala lehren, damit Hunger und Mangel an Schlaf ihnen nichts anhaben würden. Sie folgten freudig dem Weisen Vishvamitra, der sie in die Man- tren initiierte. Wusste der Weise Vishvamitra nicht, dass Rama ein Avat- ar war? Warum weihte er, obwohl er das wusste, Rama in diese Man- tren ein? Etliche Leute argumentieren in dieser Weise. Es ist wahr, Rama und Lakshmana waren göttliche Persönlichkeiten. Aber sie hat- ten menschliche Körper angenommen, die Nahrung und Schlaf benö- tigten. Aus diesem Grund, damit sie nicht an Hunger und Schlafmangel litten, weihte Vishvamitra sie in die Mantren ein. Wen Hunger und Schlafmangel nicht beeinträchtigen, der kann spirituelle Disziplin in je- dem Ausmass durchführen. Alles ist erreichbar. Man kann sogar die Furcht erregendsten Dämonen im Kampf besiegen. Deshalb weihte der Weise Vishvamitra sie in diese Mantren ein. Nachdem sie eine gewisse Entfernung zurückgelegt hatten, fragte Lakshmana, warum sie in diese Mantren eingeweiht wurden. Vishvamitra erwiderte: “Meine lieben Söh-

280 ne, ihr seid noch jung. Ihr könnt Hunger und Schlafmangel nicht aus- halten. Wenn die Dämonen euch angreifen, während ihr esst oder schlaft, geratet ihr in Schwierigkeiten. Ihr müsst deshalb immer acht- sam und auf der Hut sein. Diese Mantren erlösen euch jetzt von Hunger und Schlafmangel.“ Erhabene Seelen lehren Mantren, um Frieden in der Welt zu etablieren. Man sollte deshalb keine dummen Fragen stel- len wie: “Wusste Vishvamitra nicht, dass Rama ein Avatar war?“ Ent- sprechend den Erfordernissen des Augenblicks wurden die Mantren gelehrt.

281

14. Oktober Dasarafest

Das ganze Universum basiert auf Dienen

Die Schöpfung geht aus Wahrheit hervor und mündet wieder in die Wahrheit ein. Gibt es einen Ort, wo die Wahrheit nicht existiert? Diese reine, makellose Wahrheit solltet ihr schauen. Sprich die Wahrheit, sprich liebenswürdig und sprich keine lieblose Wahrheit. Sprich die Wahrheit und handle gemäss der von Gott gesetzten Ordnung.

Dies sind die grundlegenden Lehren der Veden. Nahrung ist für alle Le- bewesen unerlässlich. Ohne Nahrung kann kein Lebewesen überle- ben. Die Sonne ist für diese Nahrung sehr wesentlich. Aufgrund des Sonnenlichts regnet es und der Regen wiederum bringt die Ernte zum Wachsen. Der Ertrag der Ernte verschafft uns die Nahrung, die wir zu unserer Erhaltung zu uns nehmen. In den Upanishaden sind drei wich- tige Prinzipien zu finden. Alle drei, Nahrung, Appetit und Befriedigung des Hungers sind in der Wahrheit enthalten. Wahrheit () bedeutet nicht, Dinge auszusprechen, die man mit dem blossen Auge sieht, die man hört oder über die man nachdenkt. Die Upanishaden erklären, dass Nahrung aus Wahrheit (satya) hervorgeht. Satyam besteht aus drei Silben, nämlich sat, ya und m. Sat steht für das Lebensprinzip, ya für Appetit und m für die Sonne, die uns Nahrung verschafft und so un- seren Hunger stillt. Die Lebenskraft, der Hunger und die Befriedigung des Hungers sind die drei in der Wahrheit enthaltenen Prinzipien. Das meine ich, wenn ich sage, dass die Schöpfung aus Wahrheit hervor- geht, durch Wahrheit erhalten wird und wieder in Wahrheit eingeht. Es ist Wahrheit, die den Hunger stillt, dem Körper Kraft gibt und in Wirk- lichkeit die ganze Welt beschützt und erhält. Dies ist die innere Bedeu- tung des Wortes satya. Man kann es auch noch auf eine andere Weise deuten. Das Wort satya besteht aus den drei Silben sa, ta und ya. Wenn ihr es anders herum lest, wird daraus ya, ta und sa. Es bedeutet, wenn man dem Weg der Rechtschaffenheit (yama) und Disziplin (tapas) folgt und spirituelle Übungen durchführt, kann man die Verkörperung der Wahrheit (satyas-

283 varupa) schauen. Wahrheit ist Gott. Wo ist Wahrheit? Sie durchdringt alles. Es gibt keinen Ort und kein Objekt ohne Wahrheit. Wahrheit um- fasst die gesamte Schöpfung. Wahrheit ist das, was in allen drei Zeit- perioden, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, unverändert bleibt. Wahrheit ist die Kraft die ihr bekommt, wenn ihr die Rechtschaf- fenheit strikt beachtet und Askese durchführt. Diese Askese führt euch letztlich zur Schau Gottes.

Wahrheit ist Weisheit. Was ist Weisheit? Die Wahrnehmung der Nicht- Dualität ist Weisheit. Es gibt in dieser Welt nur ein Prinzip, und das ist Wahrheit. Durch Weisheit (jnana) kann man Wahrheit erlangen. Weis- heit ist Unendlichkeit selbst. Weisheit ist weder Teilwissen noch Buch- wissen. Weisheit hat weder Anfang noch Ende. Wahrheit offenbart die unendliche Weisheit. Wahrheit bedeutet also nicht, das zu erzählen, was man gesehen, gehört oder worüber man nachgedacht hat. Wahr- heit ist die Essenz der Veden. In Wirklichkeit ist Wahrheit der Ursprung der Veden. Wahrheit ist in den Veden verkörpert. Die Bedeutung von Wahrheit (satya) ist Weisheit (jnana) und diese Weisheit ist wiederum die Wahrheit. Wenn ihr in dieser Weise nachforscht, erkennt ihr, dass die Wahrheit viele Bedeutungen hat. Ohne Wahrheit gibt es keine Welt. Die grossen Weisen, Asketen, Entsagenden und Yogis der alten Zeiten haben Wahrheit als ihren Lebensatem betrachtet. Alle Formen des Wohlstands und Komforts sind in der Wahrheit enthalten. Wahrheit ist nicht das Aussprechen weltlicher Gegebenheiten. In alten Zeiten ent- sagten die Heiligen und Weisen allem und führten harte Askese durch, um das Wesen der Wahrheit zu erkennen. Wahrheit ist das absolute unwandelbare Sein, das, was andauert. Sie bleibt unverändert. Sie ist die Verkörperung des alles durchdringenden göttlichen Prinzips. Ihr müsst diese Wahrheit gründlich erforschen. Wahrheit ist das grundle- gende Lebensprinzip, das Fundament des Lebens. Ohne Wahrheit kann Bewusstheit nicht existieren. Wahrheit ist die heilige, positive Kraft. Auf der Grundlage von Wahrheit erfüllt das Bewusstsein seine Funktionen. Bewusstsein ist nicht das hauptsächliche grundlegende Prinzip oder der Massstab. Wahrheit ist positiv. Das Bewusstsein ist der komplementäre negative Pol. Wenn das Positive sich mit dem Ne- gativen verbindet, entsteht Glückseligkeit. Wahrheit ist das Wasser, das euren Durst stillt, sie ist auch die Nahrung. Ihr könnt ohne Nahrung überleben, nicht aber ohne Wasser. Deshalb ist Wahrheit gleich dem Wasser selbst, das Lebensprinzip. Bewusstsein ist negativ. Ohne Wahrheit, das Positive, ist es nutzlos.

284 Wo ist Gott? In welcher Form existiert er? Gott ist wie der Zucker, der in jedem Tropfen des Sirups gegenwärtig ist. Der Zucker ist vom Sirup nicht zu trennen. Zucker und Sirup sind, ebenso wie die in der Milch enthaltene Butter und das in der Butter enthaltene Butterfett, untrenn- bar und wechselseitig abhängig. Entsprechend sind auch Gott und das Universum untrennbar. Unsere Weisen der alten Zeiten konnten durch Askese und wiederholte Anstrengungen, Glückseligkeit erreichen. Einst wurde eine Zusam- menkunft der Weisen einberufen, um über das Prinzip des Göttlichen zu diskutieren. Manche von ihnen bekannten, dass sie trotz intensiver Askese und harter Kasteiungen Gott nicht erkennen und verwirklichen konnten. Dann trat eine Person namens Satyasvarupa nach vorne und verkündete: „Ich kenne das höchste Wesen, das mit der Leuchtkraft der Sonne scheint und jenseits der Dunkelheit ist.“ Das Göttliche ist so wie der Zucker im Sirup überall gegenwärtig. Seine Leuchtkraft gleicht der Sonne. Aber so wie es dem strahlenden Sonnenlicht gleicht, befindet es sich auch in der tiefsten Dunkelheit. Licht existiert ebenso wie Dun- kelheit. Jenseits der Dunkelheit findet man das Licht. Nur in der Dun- kelheit können wir das Licht erkennen und umgekehrt. Gott ist also jen- seits der Dunkelheit in Form des Strahlens gleich dem Sonnenlicht. Die Weisen fragten ihn: „Wo hast du das Licht geschaut, während des Ta- ges oder in der Nacht, im Wachzustand, im Traumzustand oder im Zu- stand von , dem vierten Besusstseinszustand?“ So befragten sie ihn über die drei Ebenen des Bewusstseins, die drei Ebenen des Raums und die drei Zeiten. Dann erwiderte diese Manifestation der Wahrheit: „Das Göttliche transzendiert Zeit und Raum. Es hat keine be- stimmte Form. Es kennt keine Unterscheidung von Tag und Nacht oder Dunkelheit. Unter solchen Gegebenheiten habe ich die Wahrheit ge- schaut.“ Sie wollten wissen, ob er die Wahrheit im Wach- oder Traum- zustand gesehen hätte. „Im Wachzustand sehen wir alles mit unseren physischen Augen. Nicht nur die Menschen, sondern Tiere, Vögel und sogar Würmer und Insekten besitzen diese physischen Augen. In die- ser Welt haben alle Lebewesen Augen zum Sehen. Das ist nichts Be- sonderes. Die physischen Augen zeigen die physischen Objekte. Das innere Auge ist das wahre Auge, das uns sehend macht. Es ist das Auge der Weisheit. Mit diesem Auge kann man überall alles sehen. Es ist jen- seits von Raum und Zeit. Deshalb kann man immer und überall das alles durchdringende Phänomen (Gott) wahrnehmen. Warum warten – so- gar jetzt könnt ihr eure Konzentration nach innen richten und euch auf dieses strahlende Wesen konzentrieren.“ Mit diesen Worten drückte die Verkörperung der Wahrheit seinen Daumen auf die Stirn der Wei-

285 sen, auf die Stelle zwischen den zwei Augen. Auch sie begannen jetzt zu rezitieren: „Ich kenne das höchste Wesen, das mit der Leuchtkraft der Sonne erstrahlt und jenseits der Dunkelheit ist.“ Sie versicherten der Versammlung der Priester, Yogis, Gelehrten und gewöhnlichen Menschen, dass auch sie das strahlende Licht, Gott, geschaut hätten. Sie wurden gefragt: „Wo habt ihr ihn gesehen?“ Sie antworteten: “Wir haben ihn in seiner ganzen Leuchtkraft in seiner Ganzheit geschaut. Diese Schau ist nicht auf einen spezifischen Platz begrenzt. Er kann überall gesehen werden. Wenn die Wahrheit auf einen Ort begrenzt wä- re, wäre sie bruchstückhaft. Sie ist das Grösste des Grossen und das Kleinste des Kleinen und im Subtilsten gegenwärtig.“ Deshalb heisst es: “Er ist das Kleinste in Kleinen und das Grösste im Grossen. Er ist die Kombination von Mikro- und Makrokosmos.” Wahrheit ist der letzt- lich sich daraus ergebende Faktor. Ist es die Wahrheit der Glückselig- keit? Welche Farbe hat Glückseligkeit? Das strahlende Weiss dieses Leuchtens ist Glückseligkeit. Es existiert nicht im Dunkeln. Woher kommt Glückseligkeit? Wahrheit ist die Grundlage von Glückseligkeit. Dies waren die Punkte, welche die Weisen diskutierten. Nach all diesen Geschehnissen fragten die Weisen diese Person, wer sie sei. Er erwi- derte: „Ich bin der Eine jenseits der Dunkelheit. Ich komme von jenseits der Dunkelheit.“ Woher kommt die Dunkelheit? Tatsächlich ist die Dun- kelheit ein Produkt des Lichts. Deshalb ist die göttliche Wahrheit auch in der Dunkelheit gegenwärtig. Sie sieht alles, ohne selbst gesehen zu werden. Diese Wahrheit solltet ihr erkennen. Heute strotzt die Welt von Leuten, die im Ruf von Wissen und akade- mischer Vortrefflichkeit stehen. Wenn ihr das tatsächliche Ausmass ih- res Wissens erforscht, findet ihr nichts Nennenswertes. Sie sind sich ihrer eigenen Wirklichkeit nicht bewusst. Wenn ihr die Augen schliesst, könnt ihr sogar bei Licht eure Gestalt nicht sehen. Um eure Gestalt bei Tag zu sehen, braucht ihr einen Spiegel. Ihr seht eure Form nicht direkt, sondern indirekt. Ihr seht nur eure Widerspiegelung, nicht aber eure wahre Form. Alles, was ihr seht, ist tatsächlich nur eure Widerspiege- lung. Deshalb heisst es:

Ich bin das Strahlen der Sonne inmitten der Dunkelheit. Ich bin die Dunkelheit, die voll dieses Lichts, der Sonne, ist. Ich bin die Kombination von Licht und Dunkelheit. Ohne Dunkelheit kann man das Licht nicht wahrnehmen.

Diese Einheit muss man verstehen. Auch Gut und Böse ergänzen ein- ander und bilden eine Einheit. Ohne das Böse hätte das Gute keinen

286 Wert. Ohne das Gute könnte man das Böse nicht als solches einstufen. Deshalb sagte Satyasvarupa: „Es ist euch nicht möglich, meine wahre Form zu erfassen.“ Da die Weisen entschlossen waren, diese Wirk- lichkeit zu erfassen, sagte er: „Alles, was ihr seht, ist meine Form.“ Gott hat tausend Köpfe, Augen und Füsse. Wie kann man mit den gewöhnlichen Augen so eine Form schauen, die Myriaden Köpfe, Hände, Augen und Füsse hat? In jeder dieser For- men befindet sich Bewusstheit. Aber ihr seid nicht fähig, es zu sehen. Das Bewusstsein in all diesen Formen ist Eines und unteilbar. Es ist relativ schwierig, diese spirituellen Dinge zu verstehen. Das in der ge- genständlichen Welt verborgen liegende Prinzip der Wahrheit zu ver- stehen und sich die glückselige Form des Göttlichen zu vergegenwär- tigen, ist wahre Spiritualität. Aber nur wenige bemühen sich darum. Die Menschen setzen sich hin um zu meditieren, schliessen die Augen und beginnen, sich eine bestimmte Form vorzustellen. Aber diese Formen sind nur Widerspiegelungen und nicht die Wirklichkeit. Wie lange dau- ern Widerspiegelung, Reaktion und Widerhall an? Ein Beispiel hierzu: Ich spreche gerade zu euch und mache alle Arten von Bewegungen. Ihr glaubt, die Sprache käme aus dem Mund. Aber es ist eine Reaktion, welche die Widerspiegelung des Widerhalls ist. Der Widerhall erscheint in Gestalt einer Widerspiegelung und verhüllt die Wirklichkeit völlig. Beide kommen aus dem Bereich des Nabels. Wenn ihr mit jemandem sprechen wollt, solltet ihr euch in ihn hinein- versetzen, seine Einstellung von dort kennen lernen und ihn dadurch verstehen. Nur dann könnt ihr diesen Menschen beschreiben. Das glei- che gilt für die Wirkungsweise von Handlung und Reaktion, Hall und Widerhall. Ihr solltet Reaktion, Reflektion und Widerhall erkennen. Was ist diese Widerspiegelung? Wenn ihr einen Schnappschuss macht, er- scheint sofort ein Blitzlicht, das Licht erzeugt und die Dunkelheit ver- schwindet. Ebenso erfolgt auf den Klang Widerhall und Reaktion. Die- ser Klang ist die ursprüngliche Form. Man sollte sich nicht an den Körper, man sollte sich nur an Atman binden und die Wirkung des Wi- derhalls des Klangs, der aus dem Nabel kommt, beobachten. Das ist Wahrheit. Aber heute ist Wahrheit nicht zu finden. Wisst ihr, was Wahrheit ist? Ihr müsst mit dem Menschen, den ihr trefft, in angemessener Weise sprechen. Viele Menschen achten die Wahr- heit nicht. Das, was sie sagen, meinen sie nicht wirklich. Sie denken etwas in ihrem Geist, aber sagen das Gegenteil davon. Sie manipulie- ren ihre Worte entsprechend der Person und den Umständen. Wahrheit ist das, was in allen drei Zeitperioden, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, unverändert bleibt.

287 Es gibt nur eine Wahrheit, nicht zwei. Sagt ihr dasselbe, was ihr vor zwei Tagen behauptet habt? Nein. Vor zwei Tagen habt ihr etwas be- hauptet, gestern etwas anderes und heute wieder etwas anderes. Wahrheit sollte in allen drei Zeitperioden unverändert bleiben. Wie viele Leute erkennen heutzutage diese Wahrheit? Gibt es wenigstens ir- gendwelche Leute, die Wahrheit im weltlichen Sinne erkennen? Ihr wie- derholt nicht, was Swami gesagt hat und hört Swami nicht sorgfältig zu. Von der Wahrheit behauptet ihr, es sei nicht die Wahrheit. Was bringt es dann, diese Wahrheit zu äussern? Die Wahrheit, die ihr er- kannt habt, solltet ihr aussprechen. Ihr müsst Vergangenheit, Gegen- wart und Zukunft in Einklang bringen. In diesen drei Zeitperioden sollte es keine drei Eigenschaften geben. Zwischen den drei Zeitperioden und dem, was man sagt und sieht, besteht gegenwärtig ein Unter- schied. Die drei Zeiten, Worte und Handlungen sollten eins werden. Das ist die Gestalt der Wahrheit. Ihr könnt sie nicht je nach Ort verän- dern. Unter bestimmten Umständen nehmt ihr Veränderungen vor. Das, was sich verändert, ist nicht die Wahrheit. Ihr behauptet etwas in einem Augenblick und im nächsten etwas anderes. Das ist nicht Wahr- heit. Wahrheit ist immer gleich. Sprecht die Wahrheit. Es gibt nur eine Wahrheit, keine zwei. Das, was nichtdual ist, ist Eines allein. Wie kann es eins sein? Wenn man immer denselben Klang, dieselbe Form und dieselbe Glückseligkeit sieht, dann ist das Wahrheit im Sinne des Wor- tes. Die Upanishaden rühmten das Prinzip der Wahrheit auf vielerlei Weise. Wie haben sie es beschrieben? Wahrheit ist durch Worte nicht zu be- schreiben. Wahrheit hat keine Form. Wahrheit besitzt nur Glückselig- keit. Wenn ihr über diese Wahrheit kontempliert, werdet ihr Glückse- ligkeit erleben und unwissentlich zu lächeln beginnen. Woher kommt dieses Lächeln? Aus eurem Inneren. Was ist die Ursache dieses Glücks? Solange ihr dual denkt, könnt ihr nicht glücklich sein. Worin hat diese Glückseligkeit dann ihren Ursprung? Sie kommt von Gott. Ihr glaubt, sie komme von euch selbst. Glück liegt in der Einheit mit Gott. Einheit mit Gott! Diese, der Einheit mit Gott, entspringende Glückse- ligkeit ist ewig. Weltliches Glück verändert sich von Tag zu Tag. Glück, das sich verändert, kann man nicht als Glück bezeichnen. Es gibt eine Wahrheit, die sich überhaupt nicht verändert. Ob ihr es bemerkt habt oder nicht: Ich bin immer glücklich und lächle immer. Habt ihr mich je ein saures Gesicht ziehen sehen? Nein, nie- mals. Ich empfinde immer Glück. Was ist die Quelle dieses Glücks? Es kommt tief aus dem Inneren. Manche Menschen sind in einem Moment glücklich und im nächsten unglücklich, und in dem Augenblick, wo wir

288 sie sehen, können wir die Veränderung bemerken. Ihr solltet in so ei- nem Zustand sein, dass andere keine Veränderung bemerken. Das ist Wahrheit. Wahrheit ist unveränderlich. Ihr könnt die Wahrheit, auch wenn ihr es wolltet, weder verbergen noch festhalten noch einfangen. Ihr könnt sie nicht erwerben oder besitzen. In dieser Wahrheit liegt wah- re Glückseligkeit.

Verkörperungen der Liebe! Bewegungsloses Sein und eine Schwin- gung, die keine Bewegung verursacht - das ist Wahrheit. Manchmal bringt diese Schwingung uns zum Lächeln, selbst wenn wir gar nicht lächeln wollen. Keine Widerspiegelung, keine Reaktion, kein Widerhall: Dieser Zustand ist wahre Glückseligkeit. Diese Glückseligkeit könnt ihr durch die Upanishaden finden. Die Weisen haben dies auf verschie- dene Weise erforscht. Ihr wisst um Folgendes; Swami hat viele Male darüber gesprochen: Ein Weiser übte intensiv Askese, um Glückseligkeit zu erfahren. Sein Name war Romarishi. Vor seiner Einsiedelei befand sich ein riesiger Baum mit einer Frucht namens Amritodbhava (Frucht des Nektars der Unsterblichkeit). Er übte Askese, um diese Frucht zu erlangen. Eines Tages während der Zeit ihres Exils, als die Pandavas durch den Wald wanderten, sah Draupadi diese riesige Frucht auf dem Baum. Sie wollte die Frucht haben, da sie für sie alle ein reichliches Essen liefern würde. Um ihren Wunsch zu erfüllen, schoss Dharmaraja einen Pfeil ab, der die Frucht zu Boden fallen liess. Er versuchte dann, die Frucht zu heben, aber weil sie sehr schwer war, gelang es ihm nicht. Draupadi half ihm. Sie verkörperte grosse Kraft, denn sie war aus dem Feuer ge- boren. Aber auch ihr gelang es nicht, die Frucht zu heben. Mittlerweile kamen auch Bhima, Arjuna, Nakula und Sahadeva zu der Stelle und machten sich über die beiden lustig: „Wie können diese alten Leute die- se Frucht heben?“ Auch sie strengten sich sehr an, die Frucht aufzu- heben, doch sie bewegte sich nicht. Bhima kam herbei und spottete: „Braucht es so viele Leute, um diese eine Frucht vom Boden zu heben? Wie erstaunlich, dass mein kleiner Bruder Arjuna, der den Gandivabo- gen heben kann, nicht in der Lage ist, diese kleine Frucht aufzuheben. Vielleicht ist der Gandivabogen aus Kork hergestellt?“ Und er versuch- te, nebenbei mit der linken Hand die Frucht aufzuheben, aber diese rührte sich nicht von der Stelle. Obwohl er sich ernsthaft bemühte und seine beiden Hände und seine ganze Muskelkraft einsetzte, hatte er keinen Erfolg. Während seiner intensiven Askese waren die Haare des Weisen so lang gewachsen, dass sie sich über die Erde ausbreiteten, weshalb er

289 Romarishi, der mit dem langen Haar, genannt wurde. Weil die Pan- davas sich auf diesem Haar bewegten, fühlte sich der Weise gestört. Seine Haare und Haarlocken begannen, sich nach und nach aufzu- stellen. Er wurde sehr wütend und war kurz davor, einen Fluch auszu- sprechen. Draupadi betete daraufhin zu Krishna: „O Krishna, du bist unsere einzige Zuflucht. Bitte komme zu unserer Rettung und schütze uns.“ Als Antwort auf ihr Gebet erschien Krishna, lächelnd wie immer. Er erblickte die Frucht. Er ersann eine List, um die Pandavas vor Ro- marishis Zorn zu bewahren. Er sagte: „Wenn ihr gerettet werden wollt, müsst ihr meiner Anweisung unbedingt Folge leisten.“ Dharmaraja er- widerte: “Krishna! Haben wir jemals deinem Befehl nicht gehorcht? Wir sind bereit, zu tun, was immer du sagst.“ Krishna sagte: “Dharmaraja! Es ist nicht viel Zeit zu verlieren. Ihr könnt hier nicht länger bleiben. Ich werde sofort zu Romarishis Ashram gehen. Ihr alle kommt in fünf Mi- nuten nach. Was auch immer dort geschieht, bewahrt Schweigen. Seid achtsam und bleibt die ganze Zeit still. Handelt einfach entsprechend dem, was ich in dem Moment tue.“ Krishna machte sich auf den Weg zu Romarishi, der wutentbrannt im Begriff war, die “Diebe“ zu verfluchen. In eben diesem Augenblick be- trat Krishna seinen Ashram. Romarishi eilte herbei, um Krishna zu be- grüssen, fiel ihm zu Füssen und sagte: „Herr, wie glücklich und geseg- net bin ich, dass du meinen bescheidenen Wohnsitz aufsuchst!“ Der Weise war voller Freude. Obwohl Krishna mit dem Weisen sprach, dachte er unterdessen nur an die Pandavas. Obwohl Gott so viele Handlungen vollbringt, denkt er dabei doch nur an seine Devotees. Als Krishna die Pandavas kommen sah, fiel er dem Weisen zu Füssen, der daraufhin sagte: „O Krishna, du bist Gott. Wieso fällst du mir zu Füs- sen? Vor wem verneigst du dich? Wer bin ich denn?“ Und Krishna er- widerte sanft: “Du bist ich und ich bin du.“ Mittlerweile waren die Pan- davas eingetroffen und Romarishi bemerkte ihre Anwesenheit. Sobald Krishna die Pandavas erblickte, verneigte er sich vor ihnen, einen nach dem andern, und fiel ihnen, Draupadi eingeschlossen, zu Füssen. Aber obwohl die Pandavas sich sehr beschämt fühlten, erinnerten sie sich an Krishnas Anweisung und sagten nichts. Sie streckten alle die Hand aus, als würden sie ihn segnen. Als er dies sah, war der Weise überrascht und dachte bei sich: „Krishna ist wahrhaft Gott und den- noch verneigt er sich vor diesen Leuten. Diese Leute müssen noch grösser sein als er selbst.“ Und er folgte Krishnas Beispiel und fiel ebenfalls den Pandavas zu Füssen. Nachdem er sich vor ihnen ver- neigt hatte, konnte er sie, denen er seine Ehrerbietung erwiesen hatte, nicht länger verfluchen und sein Zorn war verflogen. Krishna hatte die-

290 ses Schauspiel inszeniert, um den Weisen zu besänftigen und die Pandavas vor seinem Zorn und Fluch zu retten, denn niemand hätte seinen Zorn ertragen können. Der Weise war also besänftigt. Später erzählte Krishna: „Sie sind Kaiser und Pandukönige, die in den Wald gingen und nach Früchten suchen.“ Der Weise erkannte die Grös- se der Pandavas und war traurig, dass er die Könige aufgrund seines eigenen Wunsches von der Frucht fernhielt. Er nahm sie mit sich, be- rührte die Frucht mit der Kraft seines Mantra und sie kam in seine Hand. Und der Weise bot den Pandavas diese Frucht an. Um welche Art von Frucht handelte es sich? Es war Amritodbhava, die Frucht des Nektars der Unsterblichkeit. Wer von dieser Frucht isst, ist frei von Geburt und Tod. Darin lag die Grösse dieser Frucht. Für diese Frucht hatte der Wei- se seine Askese und Entsagung geübt, und er erklärte den Pandavas ihre Bedeutung. Nachdem sie sich gesetzt hatten, erhielten alle von der Frucht und Draupadi reichte auch Krishna ein Stück. Krishna erwiderte: „Weisst du nicht, dass ich keine Früchte esse? Weder früher noch jetzt noch irgendwann sonst esse ich Früchte.“ Draupadi wünschte, dass Krishna die Frucht wenigstens berühre, damit sie diese als geweihte Speise essen könnten. Frauen besitzen diese intensive Hingabe. Auf- grund der intensiven Hingabe der Frauen der alten Zeiten wurden die Männer zu grossen Helden. Die tapferen Männer, alle Kaiser und Kö- nige folgten dem heiligen Weg, weil sie durch die Hingabe der Frauen dazu gebracht wurden. Krishna setzte sich schliesslich hin. Angerührt durch Krishnas Liebe zu seinen Devotees, vergoss der Weise Tränen der Glückseligkeit. Krishna sagte dem Weisen, sein Leben hätte seine Erfüllung gefunden. Er legte seine beiden Händen segnend auf Roma- rishis Kopf und der Weise ging in Krishna ein. Als sie das sahen, beteten auch die Pandavas um diese Vereinigung. Sie sagten: “Swami, wir ha- ben keine Wünsche mehr. Wir haben alles in diesem Leben erfahren. Wir erlebten auch alle Beschuldigungen und Leiden. Bitte, gewähre auch uns die Befreiung.“ Krishna erwiderte: “Nicht jetzt. Wenn ein Schauspieler eine Rolle in einem Stück spielt, hat er diese in jeder Sze- ne bis zum Ende des Stücks zu spielen. Der Schauspieler kann nicht sagen: Lass mich nach dieser Szene abtreten. Ihr müsst im Spiel blei- ben, bis eure Rolle beendet ist.“ Und Krishna sagte weiterhin: „Ihr habt noch viel mehr Dinge in diesem Drama des Lebens zu erreichen. Ihr müsst der Welt ein Beispiel geben und die Göttliche Ordnung muss eta- bliert werden. Wie könnt ihr die Welt verlassen, ohne die euch zugeteilte Aufgabe zu vollbringen? Jeder Mensch ist geboren, um die Wahrheit zu verstehen und zu erfahren. Welchen Sinn hat das menschliche Le- ben, wenn man das nicht erreicht? Ihr müsst in diesem Leben die Wahr-

291 heit erkennen. Es ist sinnlos zu glauben, ihr würdet geboren, um her- anzuwachsen und wieder zu sterben. Spielt eure Rolle in diesem Schauspiel des Lebens vollkommen.“ Mit diesen Worten verschwand Krishna. Sie hatten Krishnas Wesen erfahren. Sie hatten beschlossen, Krishnas Anweisung zu folgen. Dies lehrte Dharmaraja seine Brüder und Draupadi. Dann gaben alle Brüder Dharmaraja ein Versprechen: „Dharmaraja, wir folgen dir, welche Richtung auch immer du ein- schlägst.“ Arjuna ging einst in die Schlacht und kehrte lange Zeit nicht zurück. Kunti war sehr traurig, weil Arjuna lange Zeit nicht zurückkam. Sie fragte sich, wohin er gegangen sei. Es gab einen Ort, der damals erst er- schaffen wurde, nämlich Dvaraka. Arjuna war mit Krishna nach Dvar- aka gegangen. Ihr solltet erfahren, wie Dvaraka erschaffen wurde: Nachdem Krishna Kamsa getötet hatte, wollten viele Könige sich an ihm rächen. Sie waren entschlossen, Krishna und die Yadavas zu töten. Die Yadavas beteten zu Krishna: „Krishna, wir führen unser Leben in Angst. Bringe uns zu einem Platz, wo wir furchtlos leben können.“ Krish- na erwiderte: „Geht nach Repalle, schliesst eure Augen und besinnt euch auf mich. Seht selber, wo ihr euch morgen befindet.“ Als sie am nächsten Morgen aufwachten, fanden sie sich in Dvaraka vor. Sie wa- ren weder dorthin geflogen noch gewandert! Nur indem sie schweigend ihre Augen schlossen, erreichten sie Dvaraka sofort. Krishnas Wille hatte sie mit all ihrem Besitz nach Dvaraka gebracht. Niemand kann Krishnas Göttlichkeit in seiner Tiefe ermessen. Kunti fühlte sich also sehr traurig, weil Arjuna noch nicht von Dvaraka zurückgekehrt war. Schliesslich traf die Botschaft seines Kommens ein und mit ihm die schockierende Nachricht, dass Krishna die Welt ver- lassen und in seinen göttlichen Wohnort gegangen sei. Als sie das hör- te, verliess Kunti sofort ihre sterbliche Hülle, als wäre sie auf die Suche nach Krishna gegangen. Sie legte ihr Haupt auf Dharmarajas Schoss, der zu der Zeit an ihrer Seite war, und tat ihren letzten Atemzug. Dharmaraja war es in dieser Situation unmöglich, aufzustehen. Er rief Bhima herbei und wies ihn an, Vorbereitungen für ihren Aufbruch in die Wälder zu machen. Er rief Arjuna und teilte ihm die Aufgabe zu, alle Vorbereitungen für die Krönung Parikshits zu treffen. Es war Arjunas Verantwortung, seinen Enkelsohn zu krönen. Nakula und Sahadeva wurden aufgefordert, die Sterberiten für Kunti vorzubereiten. Entspre- chend Dharmarajas Anweisung wurden die Vorbereitungen für den Aufbruch der Pandavas in das Waldexil, für Parikshits Krönung und Kuntis Sterberiten gleichzeitig und am selben Tag durchgeführt. So et- was war bis dahin in Bharat noch nicht vorgekommen: die Gleichzei-

292 tigkeit von Sterberiten, Krönungszeremonie und völliger Entsagung. Nicht jeder kann das vollbringen. Als alle drei Aufgaben durchgeführt waren, begann Dharmaraja nord- wärts zu wandern. Er erinnerte seine Brüder jetzt an das Versprechen, das sie ihm in Romarishis Ashram gegeben hatten. Sie sagten: „Bru- der, wir sind bereit“. Dharmaraja ging voran und Draupadi und die vier Brüder folgten ihm einer nach dem andern. Sie sprachen nicht mitein- ander und schauten einander noch nicht einmal an. Nacheinander fie- len Nakula, Sahadeva, Bhima, Arjuna und Draupadi tot zu Boden. Aber Dharmaraja blieb ungerührt und setzte seine Reise allein fort. Er war derjenige, der dem Weg der Wahrheit strikt gefolgt war. Yama, der To- desgott, folgte ihm in Gestalt eines Hundes, der nicht bereit war ihn zu verlassen. Die von Gott gesetzte Ordnung ist unser Lebensatem; wie kann man die von Gott gesetzte Ordnung missachten? Nach einiger Entfernung erreichten sie Yamaloka, den Wohnsitz des Todesgottes. Dharmaraja war von den Mitleid erregenden Schreien der Lebewesen, die dort die Bestrafung ihrer Sünden erlitten, gerührt. Es war Krishnas Wille, dass alles entsprechend seinem Schicksal zu geschehen hätte. „Dharmaraja, du hast niemals eine Lüge ausgesprochen. Aber einmal hast du während des Krieges die Worte ausgesprochen: “Ein Elefant namens Ashvatthaman wurde getötet.” Du hast absichtlich den Na- men Ashvatthaman laut und das Wort Elefant leise ausgesprochen. Als Folge dieser Lüge dachte Dronacarya, sein Sohn Ashvatthaman wäre getötet worden, und auch er gab sein Leben auf.“ Als Folge die- ser Lüge, die Dronacaryas Tod herbeiführte, musste Dharmaraja eini- ge Zeit in Yamaloka verbringen. Als Dharmaraja Yamaloka betrat, wurden alle Wesen dort von ihrem Leiden befreit und erfuhren Glückseligkeit. Die Bewohner dieser Hölle sagten: „O Dharmaraja, aufgrund deines Anblicks, deiner Berührung und dem Gespräch mit dir sind wir von unseren Sünden befreit. Deine Gegenwart hat uns vom Leiden erlöst. Bitte bleibe hier.“ Mittlerweile wa- ren die Boten des Himmels gekommen, um Dharmaraja mit sich zu neh- men, und alle Bewohner der Hölle wollten Dharmaraja folgen, um glück- selig zu sein, aber Yama sagte: „Ihr könnt ihm jetzt nicht folgen.“ Daraufhin wollte Dharmaraja in der Hölle bleiben, um die Wesen dort glücklich zu machen. So gross waren die erhabenen Empfindungen und der Charakter Dharmarajas. Yama rühmte die Tugenden Dharma- rajas, lehrte ihn die innere Bedeutung aller spirituellen Begriffe und sandte ihn in den Himmel. Niemand realisiert heutzutage die Grösse von Wahrheit, und dem Handeln gemäss der von Gott gesetzten Ord-

293 nung. Mit Wahrheit kann alles erreicht werden. Wer dem Weg der Wahr- heit und der von Gott gesetzten Ordnung folgt, wird niemals leiden.

Schüler, Studenten! Manchmal mögt ihr versucht sein, zu lügen. Sprecht niemals die Unwahrheit. Auch wenn ihr euer Leben dafür auf- geben müsstet, sprecht die Wahrheit.

Folgt der Wahrheit, dem Pfad des grossen Landes Indien. Gebt Un- wahrheit, Unrecht und Ungerechtigkeit keinen Raum. Seid glücklich, indem ihr diesem Weg folgt. übte intensive Askese aus, nur um die Wahrheit zu erlangen und erreichte schliesslich sein Ziel. Er befand sich in der Wahrheit und erfuhr die Fülle der Glückseligkeit. Mit Wahrheit könnt ihr alles erreichen. Es gibt nichts, das ihr durch Wahrheit nicht erreichen könntet. Durch Wahrheit kann die Erde in den Himmel und der Himmel in die Erde verwandelt werden. Derart ist die Kraft der Wahrheit. Haltet deshalb an der Wahrheit fest. Betrachtet die Wahrheit als euer Leben. Dies ist die wahre Bildung, die ihr erlangen solltet. Sprecht niemals irgendwo eine Lüge. Sprecht immer die Wahr- heit. Erfahrt die Glückseligkeit. Sorgt euch wegen nichts. Gott ist Wahr- heit, Weisheit und Ewigkeit.

294 20. Oktober

Jahrestag der Verkündung seiner Avatarschaft

1Verkörperungen der Liebe! Es geschah, als ich in Uravakonda war. Der Bevollmächtigte der Gemeinde von Bellary hatte einen Traum, in dem er angewiesen wurde, ein bestimmtes Haus in Uravakonda auf- zusuchen und Sathya nach Bellary zu bringen. Zu gleicher Zeit träumte auch seine Frau, sie solle ihren Ehemann begleiten und Sathya holen. Sie glaubten, Sathya wäre eine grosse und berühmte Persönlichkeit. Ich bin jetzt nur etwas grösser als fünf Fuss und in jenen Tagen war ich noch viel kleiner. Ich trug damals normalerweise ein Hemd und kur- ze Hosen. Ich war vierzehn Jahre alt. Als ich aus dem Haus kam, er- kannten der Beamte und seine Frau mich sofort als dieselbe Person, die in ihrem Traum erschienen war. Sie waren überglücklich und ver- beugten sich noch auf der Strasse vor mir. Sie nahmen keine Rücksicht auf die Tatsache, dass ich ein kleiner Junge war. Ich war gerade un- terwegs zur Schule und trug ein paar Bücher in der Hand. Der Gemeindebevollmächtigte und seine Frau gingen zu Seshama Ra- ju, dem älteren Bruder meines Körpers und baten ihn: „Bitte bringe Sa- thya heute nach Bellary. Auch wenn du dafür Urlaub beantragen musst, es ist gleichgültig.“ Einer Person in dieser Stellung konnte man das nicht abschlagen. Deshalb suchte Seshama Raju den Schuldirektor Kames- hvar Rao mit dem Gesuch um Urlaub auf und erläuterte ihm den Grund dafür. Kameshvar Rao mochte mich sehr. Er sagte: “Du kannst Sathya nach Bellary oder wohin immer du willst bringen. Diesbezüglich brauchst du mich nicht um Erlaubnis zu fragen.“ Er stellte sogar sein Auto zur Verfügung, um mich nach Bellary zu bringen. Der Beamte und seine Frau waren drei Tage lang unsere Gastgeber. Sie fuhren mit uns zum Virupaksha Tempel in der nahe gelegenen Re- gion von Hampi. Seshama Raju und seine Frau wiesen mich an, aus- serhalb des Tempels zu warten und ihre Sachen zu bewachen, wäh- rend sie unterdessen in den Tempel gingen, um den Darshan der Gottheit zu haben. Ich stimmte bereitwillig zu und blieb draussen. So-

1. Bemerkung: Am 20. Oktober 1940, einem Sonntag, verlor Swami seine Kragennadel. Damit verschwand auch der Schleier der Täuschung. Die weltliche Bindung verliess ihn in Form der Kra- gennadel. Er ging von zu Hause weg mit den Worten, die Täuschung könne ihn nicht länger binden. Dies geschah nach einem Besuch in Hampi.

295 bald sie den Tempel betraten, fanden sie zu ihrem höchsten Erstaunen im Inneren des Heiligtums mich dort stehen, wo eigentlich die Gottheit hätte stehen sollen. Seshama Raju traute seinen Augen nicht und dach- te: “Warum kam er hierher, wenn ich ihm eindeutig sagte, draussen zu bleiben und auf unsere Sachen aufzupassen?“ Er verliess sofort den Tempel, nur um mich dort draussen stehen zu sehen! Er ging wieder in den Tempel und sah mich dort ebenso! Er war immer noch nicht über- zeugt und sagte zu seiner Frau: “Geh du nach draussen und habe ein Auge auf Sathya. Erlaube ihm nicht, irgendwo hinzugehen. Mittlerweile werde ich in den Tempel gehen und schauen, ob er noch da ist.“ Sie handelte dem entsprechend. Wieder sah er einen lächelnden Sathya im Heiligtum stehen. Auch der Beamte war Zeuge davon. Er erkannte meine Göttlichkeit. Als sie den Tempel verliessen, fasste er Seshama Rajus Hände und sagte: “Raju, glaube nicht, Sathya wäre dein Bruder. Er ist kein gewöhnlicher Mensch. Du lässt dich durch seine körperliche Erscheinung täuschen. In ihm liegt göttliche Kraft.“ Wir kehrten zum Hause des Beamten zurück, assen dort und machten uns auf die Rückreise nach Uravakonda. Der Beamte wollte mir ein Ge- schenk machen und schlug vor, mir vier Paar Hemden und kurze Hosen nähen zu lassen. Ich erklärte ihm eindeutig, ich würde nicht einmal ein Paar annehmen. Er wollte keinen Druck auf mich ausüben. Dann mach- te seine Frau den Vorschlag, eine goldene Kragennadel wäre ein an- gemessenes Geschenk für mich. In jenen Tagen war es für Kinder eine Sache des Prestiges, eine Kragennadel zu tragen. Er kaufte sogleich eine goldene Kragennadel und befestigte sie am Kragen meines Hem- des. Ich protestierte. Unter keinen Umständen habe ich jemals etwas von anderen angenommen. Aber Seshama Raju bestand darauf, dass ich das Geschenk annehme. Er sagte, meine Verweigerung des Ge- schenks käme einer Missachtung des Beamten gleich. Deshalb ge- horchte ich. Als wir von Hampi zurückkamen, ging ich zur Schule und trug die Kra- gennadel. Unterwegs fiel die Nadel zu Boden und war nicht mehr zu finden. In mir fand ein grosser Wandel statt. Weltliche Bindung, sym- bolisiert durch die Kragennadel, verliess mich. Ich beschloss, mich mei- ner Mission zu widmen, die Leiden meiner Devotees zu lindern. Ich warf die Bücher beiseite und begab mich in den Garten des Steuerbevoll- mächtigten Hanumantha Rao. Er war ein begeisterter Devotee. Als er mich erblickte, forderte er seine Frau auf, verschiedene köstliche Spei- sen zuzubereiten. Aber ich rührte keine dieser Speisen an. Seshama Raju kam dorthin und wollte mich zwingen, nach Hause zu kommen. Ich lehnte ab. Niemals zuvor hatte ich mit ihm in dieser Weise gespro-

296 chen. Es war nicht meine Art, Älteren Widerstand zu bieten. Seshama Raju war deshalb überrascht. “Woher nimmt Sathya diesen Mut?“, frag- te er sich. Er konnte um mein lächelndes Gesicht herum ein strahlendes Licht wahrnehmen. Er wollte sofort ein Telegramm nach Puttaparthi senden. Damals brauchte ein Telegramm von Uravakonda nach Put- taparthi wenigstens eine Woche. Deshalb schickte er einen Schuljun- gen los mit der Nachricht, die Eltern dieses Körpers, Easwaramma und Pedda Venkama Raju, sollten sofort nach Uravakonda kommen. Als sie eintrafen, brachte Seshama Raju sie zu mir. Easwaramma flehte mich mit Tränen in den Augen an: “Sathya, komm, lass uns zurück zu dem Haus deines Bruders gehen.“ Aber ich willigte nicht ein. “Wenn du willst, dass ich komme, werde ich mit dir nach Puttaparthi gehen. Ich werde aus eigenem Antrieb gehen und die Dorfbewohner glücklich machen.“ Auf das liebevolle Beharren des Schuldirektors hin sprach ich damals das Schulgebet. Er pflegte zu sagen: “Raju, du magst jung sein, aber dein Gebet bringt unsere Herzen zum Schmelzen.“ Am Tag, nachdem ich die Schule verlassen hatte, wurde ein anderer Junge, der in der Klasse in meiner Nähe gesessen hatte, aufgefordert, das Gebet zu sprechen. Als er auf die Bühne ging, dachte er an mich und brach in Tränen aus. Alle Schüler und Lehrer waren in Tränen aufgelöst und das gemeinsame Gebet wurde abgesagt. Sie wollten mit mir nach Putta- parthi gehen. Aber wie wäre es möglich gewesen, so viele von ihnen in diesem Dorf zu beherbergen? Ich sagte dann zu Kameshvar Rao, er solle die Jungen irgendwie davon überzeugen, mir nicht zu folgen. Im Klassenzimmer teilten drei von uns ein Pult; ich sass in der Mitte und Ramesh und Suresh jeweils an meiner Seite. Sie waren nicht sehr erfolgreich in ihren Studien. Wenn immer die Lehrer ihnen Fragen stell- ten, gaben sie die Antworten, die ich ihnen einflüsterte. Die Zeit unserer öffentlichen Prüfungen war gekommen. Unsere registrierten Nummern waren so, dass wir in ziemlicher Entfernung voneinander zu sitzen hat- ten, so dass sie nicht von mir abschreiben konnten. Sie waren sehr be- sorgt. Ich flösste ihnen Mut ein mit den Worten: “Ihr braucht gar nichts zu schreiben. Nehmt einfach an der Prüfung teil und tut so, als würdet ihr die Prüfung schreiben. Ich werde mich um das Übrige kümmern.“ Die Prüfung dauerte zwei Stunden. Ich hatte meinen Prüfungsbogen in nur zehn Minuten beantwortet. Ich liess mir vom Aufseher ein paar Bögen mehr geben und schrieb die Antworten in Rameshs Handschrift. Als ich damit fertig war, nahm ich noch andere Prüfungsbögen, ver- fasste die Antworten in Sureshs Handschrift und schrieb jeweils ihre Namen auf die Antwortbögen. Als die Glocke, die das Ende der Prüfung

297 ankündigte, läutete, standen alle Schüler auf und ich legte still alle drei Prüfungsbögen auf den Tisch des Prüfungsbeauftragten. Niemand er- hob einen Einwand. Am kommenden Tag wurden die Prüfungsergeb- nisse verkündet und nur wir drei bekamen die Note Eins. Die Lehrer wunderten sich, wie auch Ramesh und Suresh den ersten Rang erhal- ten konnten. Aber Zweifel konnten gar nicht aufkommen. Weil wir weit voneinander entfernt sassen, konnten sie nicht von mir abgeschrieben haben und die Antwortbögen waren in ihrer eigenen Handschrift ab- gefasst. Die örtliche Bevölkerung war überglücklich. Die Leute trugen uns in einer grossartigen Prozession auf ihren Schultern. Diese zwei Jungen hatten eine ganz nahe Beziehung zu mir. Als ich Uravakonda verliess, konnten Ramesh und Suresh die Trennung von mir nicht er- tragen. Ramesh war völlig verzweifelt, fiel in einen Brunnen und starb. Der andere Junge wiederholte ständig „Raju, Raju, Raju…“ und wurde schliesslich verrückt. Er wurde in verschiedene Anstalten gebracht, ohne dass Besserung eintrat. Schliesslich kamen seine Eltern zu mir und baten: „Raju, wenn er dich wenigstens einmal sieht, wird er von seiner Geisteskrankheit geheilt werden. Bitte komm und besuche ihn.“ Ich besuchte die Nervenheilanstalt, um ihn zu sehen. Er wiederholte ständig „Raju, Raju, Raju…“. Als er mich sah, vergoss er Tränen, fiel mir zu Füssen und tat seinen letzten Atemzug. Sie hatten sich mir er- geben. Sie beteten darum, dass sie nie von mir getrennt würden. Als ich nach Puttaparthi kam, stiftete Karnam Subbamma einen Morgen Land neben dem Sathyabhama Tempel, auf dem ein kleines Haus er- richtet wurde. Dort pflegte ich zu leben. Ramesh und Suresh wurden als zwei Hündchen wiedergeboren und kamen zu mir. Die Schwester des Königs von Mysore nannte sie Jack und Jill. Sie waren immer bei mir. Eines Tages kam die Königin von Mysore, um meinen Darshan zu er- halten. Sie war eine grosse Devotee und hochgradig orthodox. Täglich führte sie ein Anbetungsritual mit Blumen durch. Nachdem sie die Blu- men durch das Besprengen mit Wasser und Milch gereinigt hatte, pflückte sie diese persönlich. Weil es keine vernünftigen Strassen nach Puttaparthi gab, stieg sie in Karnatakanagepalli aus dem Auto und legte die verbleibende Entfernung zum Alten Mandir zu Fuss zurück. Wo jetzt der Pedda Venkama Raju Kalyana Mandapam steht, befand sich zuvor eine kleine Halle. Die Königin beschloss, sich im Tempel zur Nachtruhe zu legen. Ihr Fahrer ass zu Abend und kehrte nach Karna- takanagepalli zurück, wo der Wagen geparkt stand. Ich bedeutete Jack, den Fahrer zu begleiten und ihm den Weg zu zeigen. Jack lief voraus und der Fahrer folgte. Jack schlief unter dem Wagen. Am nächsten Mor-

298 gen fuhr der Fahrer mit dem Auto los, ohne zu wissen, dass Jack dar- unter schlief. Ein Wagenrad fuhr über Jacks Rücken und sein Rückgrat brach. Jack schleppte sich, die ganze Zeit jaulend, den Fluss entlang. Ein Wäscher namens Subbanna pflegte sich Tag und Nacht um den Alten Mandir zu kümmern. Er war sehr loyal und Swami war für ihn sein ganzes Leben. Er rannte zu mir und sagte: “Swami, Jack hat anschei- nend einen Unfall gehabt. Er kommt vor Schmerz jaulend hierher.“ Ich ging sofort nach draussen. Jack kam, laut winselnd, nahe zu mir, fiel mir zu Füssen und tat seinen letzten Atemzug. Er wurde hinter dem Al- ten Mandir begraben und ein Brindavanam wurde über dem Grab er- richtet. Entsprechend meiner Anweisungen wurde es an der Seite, nicht in der Mitte, errichtet. Ich sagte, es solle Platz für ein anderes Grab ge- lassen werden. Nachdem Jack gestorben war, hörte auch Jill zu fressen auf und starb ebenfalls nach ein paar Tagen. Er wurde neben Jacks Grab begraben. Auf diese Weise taten Ramesh und Suresh Askese, um mit mir zu sein. Sogar nach ihrem Tod nahmen sie die Geburt als Hund an, um bei mir zu sein. Als erstes ging die Kragennadel verloren; dann hörte ich auf, zur Schule zu gehen und die Eltern kamen und brachten mich hierher. Diese Ver- änderungen führten dazu, dass ich Uravakonda verliess. Als ich in Put- taparthi war, kamen viele Leute aus Bangalore und Mysore in ihren Au- tos, um mich zu besuchen, unter anderen die Königin von Mysore, die Kaffeepflanzerin Sakamma und der Onkel mütterlicherseits des Königs von Mysore, Desaraj Arasu. Eines Tages baten sie: “Es ist für uns schwierig, oft hierher zu kommen. Wir bitten dich deshalb: Komme nach Mysore und lasse dich dort nieder. Wir werden ein grosses Gebäude für dich errichten.“ Ich erwiderte: “Ich will keine herrschaftlichen Ge- bäude. Ich will hier sein.“ In dieser Nacht kam Mutter Easwaramma mit Tränen in ihren Augen zu mir und sagte: “Swami, die Leute wollen dich aus selbstsüchtigen Motiven hier und dorthin bringen. Wenn du Putta- parthi verlässt, werde ich mein Leben aufgeben. Bitte versprich mir, dass du auf immer in Puttaparthi bleiben wirst.“ Ich gab ihr mein Wort, dass ich Puttaparthi nie verlassen würde. Aus diesem Grund habe ich im Ashram um des Wohlergehens und des Komforts der Devotees wil- len viele Gebäude errichten lassen. Als ich klarstellte, dass ich Puttaparthi nicht verlassen würde, beschlos- sen Sakamma und der Onkel mütterlicherseits des Königs von Mysore, etwas vom Dorf entfernt einen Tempel zu errichten. Sie erwarben dort zehn Morgen Land und begannen mit dem Bau. Ein glühender Devotee namens Vittal Rao bot freiwillig an, den Bau zu überwachen. Zur Zeit der britischen Herrschaft war er ein für Waldangelegenheiten zustän-

299 diger Beamter gewesen. Er war der Vater von Jayamma (Prof. Ja- yalakshmi Gopinath), die gerade gesprochen hat. Er überwachte also die Bauarbeiten. R. N. Rao aus Madras, Niladri Rao, der Schwieger- sohn des Fürsten von Pitapuram und der Schwiegersohn des Fürsten von Baroda nahmen alle aktives Interesse an den Bauarbeiten. Da alle zusammenarbeiteten, wurde der Mandir in sehr kurzer Zeit errichtet. Es war schwierig, in der Kriegszeit Eisen für die Bauarbeiten zu be- schaffen. Mit Ernsthaftigkeit und Hingabe überwanden sie all diese Hin- dernisse. Sie baten mich, nicht dort zu erscheinen, ehe die Bauarbeiten abgeschlossen waren, um nicht Unbequemlichkeiten ausgesetzt zu sein. Derart war ihre Liebe zu mir. Ich erfülle immer mein Versprechen, das ich den Devotees gegeben habe. Was immer ich tue ist für das Glück der Devotees. Ich brauche nichts für mich selber. Ich habe keinerlei Wünsche. Sie arbeiteten Tag und Nacht, bezahlten die Arbeiter und stellten si- cher, dass der Bau erfolgreich vollendet wurde. Jayamma war zu der Zeit sehr jung. Jeden Sonntag pflegte Vittal Rao in seinem Auto hierher zu kommen, um den Arbeitern ihre Löhne zu zahlen. Jayamma bestand darauf, dass sie ihn dabei begleiten dürfe. Vittal Rao liebte seine Toch- ter sehr. Er liess für gewöhnlich Essen in Bangalore zubereiten und nahm seine Tochter mit sich. Sie hat Swami nun seit sechzig Jahren gedient. Sie kam zu mir, als dieser Körper 17 Jahre alt war. Jetzt nähert sich dieser Körper seinem 77. Geburtstag. Sie besuchte Prashanti Ni- layam sehr häufig, lernte Swamis Bhajans und sang zu seiner Ehre. Auf diese Weise entwickelte sie heilige Empfindungen und intensive Hingabe zu Swami. Man sollte Verdienst besitzen, um die göttliche Nähe zu erfahren. Man kann diese Nähe nicht erhalten, nur weil man darum bittet. Und diese Nähe kann auch nicht verweigert werden. Man erhält sie aufgrund der Verdienste, die man in vergangenen Leben an- gesammelt hat. Ihre Familie hat grenzenlose Gnade empfangen. Ja- yammas wiederholte Bezugnahme auf Venkammagaru (die ältere Schwester Swamis) in ihrer Rede hat mich berührt. Venkammagaru pflegte für Swami Essen zu kochen. Jayamma war im- mer bei ihr, um Kochen zu lernen. Sie hatten eine so innige Freund- schaft. Später kam auch Parvatammaguru (Swamis jüngere Schwe- ster) hierher. Sie wechselten sich darin ab, Swami Essen zu bringen, eine kam morgens, die andere abends. Sie sorgten sich, es wäre nicht sicher, anderen zu gestatten, Essen für Swami zuzubereiten. Sie ent- lockten mir ein Versprechen, dass ich nur das von ihnen zubereitete Essen zu mir nehmen würde. Sie dienten mir bis zu ihrem letzten Atem-

300 zug. Zum Zeitpunkt ihres Todes waren sie im Manipal Krankenhaus in Bangalore. Als Venkamma von hier nach Bangalore gebracht wurde, war sie be- wusstlos und öffnete ihre Augen nicht mehr. Ich ging zu ihr und rief: “Venkamma!“ Sofort öffnete sie ihre Augen und sah Swami. Sie brachte meine Hände nahe an ihre Augen und bot mir so namaskara dar. Sie vergoss Tränen und verliess ihre sterbliche Hülle. So geschah es auch in Parvatammas Fall. Auch sie war bewusstlos, als sie nach Bangalore gebracht wurde. Ich ging zu ihr und rief ihren Namen. Sofort öffnete sie ihre Augen, vergoss Tränen und tat ihren letz- ten Atemzug. Solange sie lebten dienten sie Swami, indem sie tagaus tagein morgens und abends Essen brachten. Eine so enge Beziehung mit dem Herrn ist das Ergebnis von Verdiensten aus früheren Leben. Durch menschliches Bemühen ist es nicht zu erlangen. Sie kümmerten sich nie um ihre schlechte Gesundheit und fuhren fort, Swami mit Liebe zu dienen. Ihre Leben waren geheiligt. Sogar bis auf den heutigen Tag wird das Essen aus ihren Häusern ge- bracht. Seshama Rajus Söhne leben hier. Auch Easwarammas Sohn Janakiramaiah (Swamis jüngerer Bruder) lebt hier. Ihr kennt ihn alle. Seine Frau bereitet Essen zu und bringt es mir, ebenso bringt mir Par- vatammas Tochter das Essen. Auf diese Weise dienen sie Swami täg- lich. So eng ist Swamis Beziehung zu seiner Familie. Manche Inkar- nationen fanden aufgrund der Gebete ihrer Eltern statt; aber in Swamis Fall ist es anders. Ich beschloss, wer der Vater und wer die Mutter sein sollte. Dieser Körper hat nicht auf für Sterbliche herkömmliche Weise Geburt angenommen. Karnam Subbamma war eng an Swami gebunden, obwohl sie nicht physisch mit Swamis Körper verwandt war. Sie pflegte tagaus tagein an Swami zu denken. Sie bat mich, in ihrem Haus zu wohnen. Sie war bereit, das Haus für mich aufzugeben. Viele ihrer Verwandten stritten mit ihr: “Wie kannst du als Brahmanin einem Kshatriya erlauben, in dei- nem Haus zu wohnen?“ Sie erwiderte: “Ich suche niemandes Haus auf. Niemand von euch braucht zu meinem Haus zu kommen. Es genügt mir, wenn Sathya bei mir ist.“ So waren ihre Hingabe und Entschlos- senheit. Sie hatte nur einen Wunsch. Sie betete: “Wenn ich meinen Kör- per verlasse, lass mich deine bezaubernde Form sehen.“ Ich ver- sprach, ihren Wunsch sicherlich zu erfüllen. Einst fuhr ich, dem Gebet eines Devotees nachgebend, nach Madras. Subbamma war zu der Zeit in Bukkapatnam und wohnte bei ihrer Mut- ter. Als ich von Madras zurückkehrte, war Subbamma bereits gestor- ben. Als ich hierher kam, rannten die Leute zu mir und berichteten:

301 “Swami, deine Subbamma ist letzte Nacht gestorben!“ Sofort drehte ich mit dem Wagen um und fuhr direkt nach Bukkapatnam. Ihr Körper lag, in ein Tuch gehüllt, auf der Veranda. Die ganze Familie war schmerz- erfüllt. Wenn Swami einmal ein Versprechen gibt, wird er es sicherlich unter allen Umständen erfüllen. Ich beseitigte das Tuch, das den Körper bedeckte. Da sie die Nacht zuvor gestorben war, krabbelten Ameisen über ihren ganzen Körper. Ich rief: “Subbamma!“ Sie öffnete ihre Au- gen. Im Nu verbreitete sich die Neuigkeit wie ein Lauffeuer. Die Leute von Bukkapatnam strömten an dem Platz zusammen und erzählten ein- ander, dass Subbamma zum Leben erweckt wäre. Subbammas Mutter war damals hundert Jahre alt. Ich wies sie an, ein Glas Wasser mit ei- nem eingeweichten Tulsiblatt darin zu bringen. Ich legte das Tulsiblatt in Subbammas Mund, liess sie etwas Wasser trinken und sagte: “Sub- bamma, ich habe mein Versprechen gehalten. Jetzt kannst du friedlich deine Augen schliessen.“ Sie antwortete: “Swami, was mehr brauche ich? Ich gehe in Glückseligkeit.“ Freudentränen vergiessend hielt sie meine Hände und tat ihren letzten Atemzug. So halte ich unter allen Umständen mein Versprechen und breche niemals mein Wort. Worte reichen nicht aus, um Subbammas Dienst zu beschreiben. In der Zeit des Krishna-Avatars konnte Mutter Yashoda Krishna mehr lieben und dienen als seine leibliche Mutter Devaki. In jenen Tagen sprachen Easwaramma und Subbamma durch das Fenster in der Mauer, die ihre Häuser voneinander trennte, miteinan- der. Sie konnten sich nicht in ihren Häusern besuchen, weil ihre Ehe- männer nicht miteinander sprachen. Aber Easwaramma hatte eine herzliche Beziehung zu Subbamma. Die Eltern dieses Körpers habe ich selber erwählt. Pedda Venkama Raju pflegte den Devotees, die Swami besuchen kamen, zu helfen. Nur um einer Kokosnuss willen oder wegen anderer Besorgungen für die Devotees lief er nach Bukkapatnam. Eines Tages kam er zum Mandir und gab seinem Wunsch Ausdruck, mit mir zu sprechen. Ich hatte be- reits eine Gruppe zum Interview gerufen. Ich liess ihn herein. Er sagte: “Swami, ich sollte keine Schulden hinterlassen. Ich hatte ein kleines Geschäft. Vielleicht habe ich vergessen, jemandem einen oder zwei Paisa zurück zu geben. Ich bitte dich deshalb, am zwölften Tag nach meinem Ableben Essen an die Armen zu verteilen.“ Er zog etwas Geld heraus und legte es in meine Hände mit den Worten: “Dies ist mein hart verdientes Geld. Du kannst es verwenden, um die Armen zu speisen.“ Er erwähnte auch, er hätte zu dem Zweck ein paar Säcke Reis und Zuk- kerrohr beiseite gelegt. Danach ging er nach Hause, schlief ein und starb einen friedlichen Tod.

302 Auch Easwaramma hatte ein so heiliges Ende. Da sie mir nachfolgte, wo immer ich hinging, kam sie nach Brindavan, um am Sommerkurs teilzunehmen. Sie war sehr glücklich, als sie die vielen Studenten sah. Sie schenkte ihnen sogar während des Mittagessens Wasser ein. Sie pflegte zu sagen: “Dank Swami können wir Zeuge dieses grossen Ge- schehens sein.“ Eines Tages wurde an die Studenten wie immer Früh- stück ausgeteilt. Auch Easwaramma frühstückte. Venkamma, die sich um ihre Bedürfnisse kümmerte, war zu der Zeit bei ihr. Easwaramma zerrieb Betelnuss in einem Mörser. Ich konnte das Geräusch von oben hören. Plötzlich rief sie aus: „Swami, Swami, Swami!“ Ich erwiderte: “Ich komme, ich komme.“ Ich eilte sofort hinunter und sie tat ihren letzten Atemzug. Sie hatte keinerlei Beschwerden, nicht einmal ein leichtes Kopfweh. Ihre Leben waren geheiligt, weil Swami sie erwählt hatte. Swami war für Ramesh und Suresh ihr Lebensatem selbst. Obwohl sie sehr jung waren, hegten sie intensive Liebe zu Swami. Weil er wusste, dass ich kein Geld bei mir hatte, liess Ramesh mir zwei Garnituren nä- hen und legte sie in mein Pult mit der Notiz: “Wenn du sie nicht an- nimmst, werde ich mein Leben aufgeben.“ Ich nahm sie nicht an mit den Worten: “Unsere Freundschaft und Liebe sollten nicht auf der Grundlage von Geben und Nehmen beruhen. Unsere Beziehung ist von Herz zu Herz und beruht auf reiner Liebe. Wir sollten nur Liebe mitein- ander teilen. Es sollte keine Transaktion auf materieller Ebene statt- finden.“ Von da an bis heute nahm ich nie etwas von anderen an. Ich verhalte mich immer in Übereinstimmung mit dem Prinzip: “Hilf immer, verletze nie.“ Dies ist immer mein Motto gewesen. Ich habe nie jeman- dem Schaden zugefügt. Es bereitet mir grosse Freude, anderen zu hel- fen. Deshalb fordere ich die Devotees auf, immer das folgende Gebet zu sprechen:

“Mögen alle Menschen in der Welt glücklich sein.” Alle sollten glücklich, gesund und glückselig sein. Mit diesem heiligen Motiv habe ich die Bot- schaft der Liebe in der ganzen Welt verbreitet. Meine Schüler und Stu- denten sind mein grösster Besitz. Die Schüler der Grundschule, Ober- schule und der Universität sind immer mit mir. Sie verlassen Swami nicht und Swami kann nicht ohne sie sein. Mein Leben gilt dem Wohl der ganzen Menschheit. Das Glück der Menschen ist Swamis Glück. Ich bin nicht daran interessiert, meine Geburtstage zu feiern. Aber die Devotees lassen nicht von mir ab. Sie wollen verschiedenartige Feier- lichkeiten haben, aber ich will keine. Ich betrachte euren Geburtstag als meinen Geburtstag. Der Tag, an dem ihr glücklich seid, ist wahrhaft mein Geburtstag. Obwohl die Körper verschieden sind, solltet ihr Un-

303 terschieden keinen Raum geben. Alle sind eins, seid zu jedem gleich. Die Beziehung Swamis zu seinen Devotees ist nicht weltlicher Natur. Diese Beziehung beruht auf göttlicher Liebe.

304 4. November Dipavali - Lichterfest

Einheit in der Vielfalt ist die fundamentale Wahrheit

Das Leben in der Welt, Jugend und Wohlstand, Frau und Kinder währen nicht ewig. Allein Wahrheit und ein guter Ruf dauern an. In dieser Welt ist alles, ob Glück oder Leid, Frieden oder Friedlosigkeit, dem Wandel unterworfen. Der Mensch ist unfähig, sein wahres Wesen zu verstehen und identifiziert sich mit dem vergänglichen Körper. Der Mensch ist nicht nur ein Einzelwesen, sondern ein kosmisches Wesen. Der Mensch will kein einsames Leben führen.

Eine Hymne des Rigveda verkündet: “Gott hat tausend Köpfe, Hände und Füsse.” Der Mensch ist nicht in der Lage, zu erkennen, dass er die Totalität verkörpert; stattdessen unterliegt er der Täuschung, er wäre ein Einzelwesen und setzt sich dadurch Leid aus. Das Hauptprinzip der Kultur Indiens besteht darin, die Einheit in der Vielfalt zu verstehen und zu erfahren. Aber der Mensch nimmt heutzutage in der Einheit die Ver- schiedenheit wahr. Er hat das Prinzip der Gleichheit vergessen und ist als Folge davon friedlos. Die Einheit in der Vielfalt ist die grundlegende Wahrheit, die man erkennen muss. Seit undenklichen Zeiten haben die Inder sich gemeinsam darum bemüht, diese Wahrheit zu erfassen und zu erfahren. Es ist niemandem gelungen, die innere Bedeutung der ve- dischen Lehren zu verstehen. Aber man kann ein wenig Wissen ge- winnen, wenn man die heiligen Schriften studiert und den Lehren der Gelehrten lauscht. In den alten Zeiten pflegten sogar die Dämonen die Veden zu studieren, aber weil sie die in den Veden enthaltene Wahrheit nicht begreifen konnten, führten sie ein Leben der Unwahrheit. Dämo- nen wie Hiranyaksha und Hiranyakashipu waren hoch gebildet und in verschiedenen Wissenszweigen bewandert. Sie konnten den Mond, die Sonne und sogar die Sterne erreichen und ihre Wirkungsweise ver- stehen. Doch weil ihr Geist von negativen Gedanken erfüllt war, gelang es ihnen nicht, das in ihrem eigenen Selbst verborgen liegende positive Prinzip zu verstehen. Auch der Dämon Narakasura gehörte in dieselbe

305 Kategorie. Seine Kraft und sein Wissen waren gewaltig, aber aufgrund seiner negativen Eigenschaften stellten sie sich als nutzlos heraus. Auch wenn man von Hingabe erfüllt ist oder die Veden gemeistert hat, wird all dies wenig bringen, wenn man seine negativen Eigenschaften nicht aufgibt. Der heilige Tyagaraja war ein glühender Gottesverehrer. In einer seiner Kompositionen rühmte er Gott auf die folgende Weise:

“Oh Krishna! Du bist unbeschreiblich und jenseits des menschlichen Fassungsvermögens. Ist es möglich, deinen Ruhm und deine Herrlichkeit zu ermessen? Ich habe auf deine Gnade gewartet. O Herr! Erhöre mein Gebet und erlöse mich. Du hast den verstorbenen Sohn deines Lehrers Sandipani ins Leben zurückgerufen, du hast die Schlange Kaliya gedemütigt, Vasudeva und Devaki aus der Gefangenschaft befreit und Draupadi vor der Demütigung bewahrt. Du hast Kucelas Wünsche erfüllt. Du hast aus der hässlichen Kubja eine Schönheit gemacht. Du hast die Pandavas beschützt und die 16’000 Hirtenmädchen errettet. Du bist jenseits aller Beschreibung und übersteigst das menschliche Fassungsvermögen. Krishna, nicht einmal der Schöpfergott Brahma kann deine Herrlichkeit in Worte fassen. Ich bitte um deine Gnade.”

Einst bat Caitanya Mahaprabhu seine Mutter um die Erlaubnis, fortzu- gehen um zu studieren. Seine Mutter erwiderte: “Mein lieber Sohn, in dieser Welt gibt es verschiedene Arten der Bildung, aber sie dienen nur dem Lebensunterhalt und nicht dem Leben selbst. Spirituelle Ausbil- dung allein ist wahre Bildung. Dieses Wissen ist unsterblich und un- begrenzt. Es bleibt in allen drei Zeiten unverändert. Bemühe dich dar- um, diese Bildung zu erlangen.“ Von dem Tag an verkündete Caitanya in jeder Strasse und jedem Dorf, dass das Singen des göttlichen Na- mens von grosser Wirksamkeit sei. Jederzeit und unter allen Umstän- den sang er den Namen Krishnas. Seine Botschaft für die Menschheit war schlicht, aber tiefgründig.

306 Es gibt keine wohltätigere Handlung als diejenige, die Hungrigen zu speisen. Es gibt keine grösseren Götter als die eigenen Eltern. Festhalten an der Wahrheit ist die grösste Askese und grösser als das Wiederholen von Mantren. Mitgefühl ist das höchste Gebot. Kein Gewinn ist grösser als die Gemeinschaft mit guten Menschen. Zorn ist der grösste Feind. Keine Krankheit gleicht der, ein Schuldner zu sein. Ein guter Ruf ist der grösste Reichtum, ein schlechter Ruf ist wie der Tod selbst. Es gibt keinen schöneren Schmuck als das Singen des göttlichen Namens.

Der Mensch sollte Feindseligkeit aufgeben und zu seinen Mitmenschen eine gute Beziehung entwickeln. Darin liegt die wichtigste Bildung, die man erwerben sollte. Anderen gegenüber Hass zu entwickeln und ein selbstsüchtiges Leben zu führen, ist ein Kennzeichen von Täuschung und ein dämonischer Wesenszug. Warum wird in einer Hymne des Rig- veda verkündet: “Gott hat tausend Köpfe, Hände und Füsse”? Es be- deutet, dass Gott nicht eine gesonderte Wesenheit ist. Er ist der Kos- mos und ist in allen Lebewesen anwesend. Wenn Gott dem Menschen so nahe ist, warum leidet der Mensch dann unter Täuschung und be- gegnet in seinem Leben Schwierigkeiten und Mühen? Gott ist dauerhaft im Schrein des menschlichen Herzens verankert. Er durchdringt alles. Der Mensch kann ihn schauen, ihn berühren und mit ihm sprechen. Aber der Mensch leidet, weil es ihm an Entschiedenheit und Sehnsucht nach Gott mangelt. Caitanya betete folgendermassen zu Krishna:

“O Herr, du bist allgegenwärtig und der Herr aller Wesen. Das gesamte Universum steht unter deiner Kontrolle. Du bist das Lebensprinzip selbst. Ich verlange nicht danach, Vaikuntha oder Kailasa oder den Himmel zu erreichen, noch ersehne ich die Befreiung. Segne mich mit Liebe, damit ich dich lieben kann.“

Als Caitanya so betete, verkündete eine himmlische Stimme: “So sei es.“ Die hohe weltliche Bildung und die grosse Kraft, die man haben mag, werden im Lauf der Zeit verschwinden. Liebe allein ist unsterblich. Deshalb sollte man Liebe als sein Leben selbst betrachten. Caitanya

307 betete zu Krishna, ihn mit dieser unvergänglichen Liebe zu segnen. Kailasa, Vaikuntha und der Himmel sind wie Gottes Zweigstellen. Cai- tanya hatte kein Interesse daran, diese zu erreichen, sondern erkannte, dass Gottes richtige Adresse das Herz ist. Er betete: “O Herr, ich weiss, dass du im Schrein meines Herzens wohnst. Ich bitte dich, segne mich mit dieser Erfahrung.“ Begleitet von Satyabhama zog Krishna aus, um einen Krieg gegen den Dämonen Narakasura zu führen. Ein heftiger Kampf entflammte und der Dämon starb durch die Hände Satyabhamas. Der allmächtige Kris- hna hätte Narakasura ohne Satyabhamas Hilfe töten können. Warum nahm er dann ihre Hilfe in Anspruch? Der verruchte Dämon Narakasura verdiente es nicht einmal, durch die Hand Krishnas zu sterben. Weil Narakasura tausende von Frauen unsäglichem Leid ausgesetzt hatte, beschloss Krishna, er solle durch eine Frau getötet werden. Naraka- sura hatte tausende von Prinzessinnen, die grosse Gottesverehrerin- nen waren, gefangen gehalten. Diese Prinzessinnen verkörperten die Liebe und dachten unablässig an Gott. Nach der Tötung Narakasuras gewährte Krishna ihnen die Freiheit. In diesem Zusammenhang rühmte der Heilige Tyagaraja den Herrn mit den Worten: „Du hast die sech- zehntausend Gopikas beschützt.“ Mit bösen Menschen zusammen zu sein, ist immer gefährlich. Deshalb heisst es: “Gib schlechte Gesell- schaft auf, schliesse dich edlen Menschen an und beschäftige dich Tag und Nacht mit verdienstvollen Taten.” Ihr solltet beschliessen, diesem heiligen Weg zu folgen und allen Men- schen das Prinzip der Liebe verkünden. Was ist die innere Bedeutung der Tötung Narakasuras? “Nara“ bedeutet das unsterbliche Atman- Prinzip. Wenn die Eigenschaften eines Dämons in den Menschen ein- dringen, wird er zu Narakasura. In einem solchen Menschen sind nur schlechte Eigenschaften und böse Empfindungen zu finden. Er schliesst sich keinen edlen Menschen an und bemüht sich nicht dar- um, Gott zu erreichen. Stattdessen schliesst er nur mit bösen Men- schen Freundschaft. Eine solche Mentalität ist das Ergebnis schlech- ter Taten in vielen Leben. Der Mensch glaubt heute, er sei hoch gebil- det. Tatsächlich hat er nicht Bildung, sondern Unwissenheit erlangt. Wie kann jemand, der kein gutes Verhalten zeigt und sich nicht in guter Gesellschaft aufhält, gebildet genannt werden? Ravana hatte sich, ebenso wie Rama, alle Formen des Wissens angeeignet. Aber im Ge- gensatz zu Rama schloss er sich schlechter Gesellschaft an, hatte schlechte Gedanken und verübte böse Taten. Aus diesem Grund ver- ehren die Menschen Rama und verurteilen Ravana. Vom eigenen Ver- halten hängt es ab, ob man verehrt oder verspottet wird. Man sollte

308 kein eigensüchtiges Leben führen. Wo immer etwas Gutes getan wird, wo immer Menschen sich zum Beten treffen, nehmt daran teil. Doch manche Leute nehmen an den Bhajans teil, ohne sich guter Gesell- schaft anzuschliessen. Was bringt ein solches Leben? In diesem Zu- sammenhang sagte der blinde Weise Surdas: “Trotz ihrer Augen sind die Menschen blind geworden, denn ihnen ist nicht daran gelegen, dei- ne segensreiche Form zu sehen. Trotz ihrer Ohren sind die Menschen taub geworden, denn sie sind nicht daran interessiert, deinen nektar- gleichen Worten zu lauschen. Obwohl sie in der Gemeinschaft Gottes sind, streben sie nach einem weltlichen Leben.” Der Mensch sollte die Wahrheit erkennen, dass Gott in allen Wesen gegenwärtig ist und sich entsprechend verhalten. Darin liegt seine vorrangige Pflicht. Er sollte sich nicht nur auf die Göttlichkeit besinnen, sondern auch zu Gottes Ruhm singen. Nachdem Narakasura getötet worden war, fand ein grosses Fest in sei- nem Königreich statt. Solange er lebte, waren die Herzen der Men- schen in Dunkelheit gehüllt. Als er endlich getötet worden war, wurde überall freudig gefeiert. Mit seinem Tod wurde die Dunkelheit der Un- wissenheit und des Hasses vertrieben. Die Menschen feierten das Fest auf symbolische Weise, indem sie Lichter anzündeten. Ebenso wie Fle- dermäuse ihren Weg in ein düsteres Haus finden, dringen schlechte Eigenschaften in ein Herz ein, das von der Dunkelheit der Unwissenheit erfüllt ist. Nur Fledermäusen gefällt es, in Dunkelheit zu leben, nicht aber den Menschen. Ihr solltet nicht gleich Fledermäusen in der Dun- kelheit der Unwissenheit leben. Manche Leute scheinen äusserlich ge- sehen reiner Natur zu sein, aber tatsächlich sind sie voll schlechter Ei- genschaften. Ihr solltet euch vor ihnen hüten.

Gute Gesellschaft führt zu Losgelöstheit, Losgelöstheit befreit einen von Täuschung, Freiheit von Täuschung führt zu einem stetigen Geist und ein stetiger Geist verleiht Befreiung.

Ihr solltet euch nicht einmal einen Augenblick lang in schlechter Ge- sellschaft aufhalten. In den alten Zeiten hielten die Menschen sich von Dämonen und dämonischem Verhalten fern. Hiranyakashipu versuch- te alles, seinen Sohn Prahlada davon abzuhalten, den göttlichen Na- men Narayanas zu singen. Aber Prahlada war immer in der Kontem- plation über den Herrn versunken. Prahlada war Narayana lieb, wohingegen Hiranyakashipu den Dämonen lieb war. Hiranyakashipu war ein König. Was für eine Art Herrscher war er? Er herrschte über

309 schlechte Eigenschaften und böse Taten. Folgt dem von Prahlada ge- setzten Vorbild und heiligt eure Zeit, indem ihr euch auf den Herrn be- sinnt. In der heutigen Welt nehmen die dämonischen Aktivitäten zu. Man kann deren Anblick nicht ertragen, noch hält man es aus, davon zu hören. Warum solltet ihr solch negativen Eindrücken Raum geben? Verankert Gott in eurem Herzen. Es heisst: “Gott wohnt in allen Wesen. Entwickelt dieses feste Vertrauen. Wie ihr denkt und fühlt, so werdet ihr.

Liebe Schüler und Studenten! Am heutigen Tag wurde der Dämon Na- raka getötet. Welche Bedeutung hat diese Tat? Sie symbolisiert das Töten des Dämonen im Menschen. “Nara“ bedeutet Mensch und “Asu- ra“ Dämon. Dieser Dämon befindet sich in jedem Menschen. Es ist nicht notwendig, sich grosse Waffen zu verschaffen, um diesen Dämon zu töten. Der Mensch wird Nara genannt, weil sich in ihm der Atman, das Göttliche Selbst, befindet. Dieser Atman ist die Verkörperung der Liebe. Durch Liebe allein könnt ihr die Dämonen töten. Verwirklicht deshalb das Atman-Prinzip und entfaltet Liebe. Das ist wahre Hingabe.

Verkörperungen des göttlichen Atman! Ihr feiert die Tötung des Dämo- nen Narakasura als heiliges Ereignis, indem ihr so viele köstliche Spei- sen zubereitet und euch daran erfreut. Aber ihr bemüht euch in keiner Weise darum, die innere Bedeutung dieses heiligen Geschehens zu verstehen. Um die Heiligkeit dieses grossen Ereignisses zu erfassen, müsst ihr euch guter Gesellschaft anschliessen. Ihr solltet kein selbst- süchtiges Leben führen. Ein solches Leben beruht auf Individualität; ein solches Leben ist vergeudet. Nur in einem auf die Gemeinschaft aus- gerichteten Leben könnt ihr die Göttlichkeit erkennen und verwirkli- chen. Ihr solltet ein glückliches Leben führen, indem ihr euch mit der Gesellschaft identifiziert. Tatsächlich ist die Gesellschaft die Form der Göttlichkeit. Auch die Veden haben dieses Leben in der Gemeinschaft befürwortet. Was ist der Sinn des menschlichen Lebens? Essen, Trin- ken und Herumstreunen? Nein, nein. Auch die Vögel und Tiere tun dies. Das wird nicht vom Menschen erwartet. Die in euch liegenden mensch- lichen Werte müssen zum Ausdruck gebracht und verbreitet werden. Sie müssen Bestandteil eures täglichen Lebens werden und sich in eu- rem Verhalten widerspiegeln. Wenn sie nur propagiert werden, ohne sich in eurem Verhalten widerzuspiegeln, ist dies eine vergebliche Übung. Ihr müsst deshalb die innere Bedeutung der verschiedenen Fe- ste erkennen und entsprechend handeln. Das menschliche Leben ist höchst heilig. Es heisst: Das menschliche Leben ist das kostbarste und heiligste aller Lebensformen. Das Wort

310 Mensch, bezeichnet auch: jemand, der heilig ist. Warum degradiert ihr den so heiligen Menschen? Der Mensch tritt heute für verschiedene gute und heilige Belange ein, aber wenn es an die Umsetzung geht, macht er einen Rückzieher. Dies ist das Ergebnis seiner früheren Sün- den. Wenn zwischen Lehre und Praxis ein Konflikt entsteht, sollte sich der Mensch mutig der Situation stellen und sich bemühen, den heiligen Weg zu gehen. In eurem täglichen Leben werdet ihr etlichen Leuten mit schlechten Eigenschaften und schlechtem Verhalten begegnen. Haltet euch nicht in ihrer Nähe auf. Grüsst sie und geht weiter. Sogar der Heilige Tyagaraja betete: “O Rama! Jenen, die an dich glauben, biete ich meinen Gruss dar.“ Er grüsste auch die schlechten Menschen. Nun mag sich die Frage erheben, warum ihr schlechte Menschen grüs- sen sollt. Grüsst die guten Menschen, um nicht ihre Gesellschaft zu ver- lieren. Grüsst die bösen Menschen ebenfalls, mit der Aufforderung, sie mögen sich von euch entfernen. Ihr müsst euch der Gesellschaft guter Menschen anschliessen, gute Eigenschaften entwickeln, ein gutes Le- ben führen und so euer Leben heiligen. Die Geschichte ist voller Erzählungen über verschiedene Dämonen mit schlechten Eigenschaften. Kamsa, ein Zeitgenosse Krishnas, war ein solcher Dämon. Eine himmlische Stimme warnte ihn, dass das Kind sei- ner Schwester ihn töten würde. Das erzürnte ihn so, dass er seine Schwester Devaki aus der Kutsche herausriss und sie auf der Stelle zu töten versuchte. Aber ihr Ehemann Vasudeva verhinderte das, in- dem er Kamsa versicherte, er werde darauf achten, dass Kamsa kein Schaden zugefügt würde. Er redete Kamsa gut zu: “Wie kannst du den Worten Glauben schenken, dass Devakis achtes Kind dich töten wür- de? Selbst wenn du diesen Worten glaubst, ist die Zeit noch nicht ge- kommen. Bitte warte, bis Devaki das achte Kind zur Welt gebracht hat . Warum versuchst du, die frisch verheiratete Devaki jetzt zu töten? Bitte begehe nicht diese Sünde.“ Als er Vasudevas Rat hörte, nahm Kamsa bis zu einem gewissen Grad Vernunft an. Er wollte warten, bis seine Schwester Devaki das achte Kind gebar. Aber während dieser Zeit fand er keinen Frieden und tötete unterdessen mehrere neugeborene Babys Devakis wie auch andere Kinder in seinem Königreich. Er glaubte der göttlichen Stimme nicht, dass erst Devakis achtes Kind sein Leben in Gefahr bringen würde. Dies zeigt die Qualität seines Glaubens an Gott! Sein Glaube war dämonisch. Es ist nicht richtig, einem Aspekt Gottes zu vertrauen und das Vertrauen bei einem anderen Aspekt zu verlieren. Euer Glauben und Vertrauen müssen immer stetig und in jeder Hinsicht vollständig sein.

311 Ein kleines Beispiel hierzu: Vor etwa zehn Jahren kam ein Mann hierher und verkündete, Shri Sathya Sai Baba sei Gott. Darüber hinaus ver- kündete und verbreitete er, nicht nur Shri Sathya Sai Baba, sondern jedes Lebewesen sei von Göttlichkeit erfüllt. Später, als einige seiner Wünsche nicht erfüllt werden konnten, verkündete er, Sai Baba sei nicht Gott. Derselbe Mensch verkündete zu einem Zeitpunkt, Sai Baba sei Gott und zu einem anderen, er sei nicht Gott. Wie können wir einem so doppelzüngigen Menschen Glauben schenken? Diese Art Doppel- züngigkeit ist eine dämonische Eigenschaft.

Denen, die ja sagen, antworte ich ja. Jenen, die nein sagen, antworte ich nein. Ja und nein kommen von euch, aber für Sai ist alles ja, ja, ja. Für mich sind alle gut.

Es gibt keine bösen Menschen. Aber jene, die negative Gefühle ent- wickeln, ohne die guten und schlechten Dinge in dieser gegenständli- chen Welt zu erforschen, schädigen nur ihr eigenes Leben. Was mich betrifft, liebe ich alle. Alle sind mir gleichermassen lieb. Manche Men- schen mögen dies bezweifeln. Aber sie müssen mit der rechten Erklä- rung und mit rechtem Rat zur Vernunft gebracht werden. Ihr solltet Zweifeln so wenig Raum geben wie möglich, denn so lange ihr zweifelt, könnt ihr keinen inneren Frieden haben. Entfaltet Liebe. Wenn euer Herz von Liebe erfüllt ist, ist alles nur Liebe und für Hass ist kein Raum. Wo kein Hass ist, ist auch kein Zorn, und wo kein Zorn ist, hat Gewalt keinen Platz. Deshalb gilt:

Wo Vertrauen ist, ist Wahrheit, wo Wahrheit ist, ist Friede, wo Friede ist, ist Glückseligkeit, wo Glückseligkeit ist, ist Gott.

Entwickelt als Erstes Glauben und Vertrauen. Darüber hinaus sollte zwischen euren Gedanken, Worten und Taten Harmonie herrschen. Wo diese drei nicht in Einklang sind, wird euer Verhalten dämonisch sein. Die Gedanken, Worte und Taten eines wahren Menschen sind rein und stimmen vollkommen überein. Wer ist ein wahrer Mensch? Derjenige, welcher die in ihm verborgen liegende Kraft in jeder Hinsicht manifestiert hat. Diese Kraft müsst ihr entwickeln. Ihr sprecht davon, Energie zu entwickeln, aber auf erhabene Gedanken reagiert ihr aller-

312 gisch. Welches Glück bringt euch dieses Verhalten? All eure Gedanken und Beschlüsse werden zu einer vergeblichen Übung.

Liebe Schüler und Studenten! Entwickelt als Erstes Liebe. Diese Ei- genschaft ist leichter zu entwickeln als alle anderen. Caitanya betete zu Krishna: “Ich will weder Vaikuntha noch Kailasa. Ich will nur deine Liebe. Bitte gewähre mir einen kleinen Platz in deinem Königreich der Liebe. Damit werde ich zufrieden sein.“ Es gibt nichts in dieser Welt, das nicht durch Liebe erreichbar wäre. Was bedeutet die Tötung von Narakasura? Es bedeutet, mit der Waffe der Liebe die bösen Eigen- schaften und das dämonische Wesen im Menschen zu zerstören. Ihr müsst gute Gedanken, gute Empfindungen und ein gutes Verhalten entwickeln. Das Leben als Mensch wurde euch nur zu diesem Zweck gegeben. Der Mensch ist nicht zum Essen und Herumstreunen gebo- ren. Sogar die Vögel und Tiere tun dies. Das Leben als Mensch ist er- haben, rein und heilig. Deshalb muss jeder Mensch danach trachten, sich von dämonischen Eigenschaften zu befreien. Nur dann werden die Menschen Verkörperungen des Göttlichen werden. Durch solche Men- schen drückt sich Göttlichkeit aus. Ihr solltet dämonischen Handlungen niemals Raum geben. Pflegt und fördert immer gute Empfindungen, gute Gedanken und ein gutes Verhalten. Lasst euch nicht von den Mei- nungen anderer, mögen sie gut oder schlecht sein, mitreissen. Entwik- kelt, auf der Basis eures Gewissens, eure eigene Art zu denken. Ent- wickelt Selbstvertrauen.

Wo Selbstvertrauen ist, wird Selbstzufriedenheit sein. Wo Selbstzufriedenheit ist, wird Selbstaufopferung sein. Durch Selbstaufopferung kommt Selbstverwirklichung.

Selbstvertrauen ist das Fundament des Gebäudes; dieses Fundament bleibt unter der Erdoberfläche. Selbstzufriedenheit repräsentiert die Wände, Selbstaufopferung das Dach und Selbstverwirklichung ist das Leben. Ohne das Fundament des Selbstvertrauens könnt ihr keine Selbstverwirklichung erlangen. Baut deshalb langsam euer Selbstver- trauen auf. Für diesen Vorgang gilt: Beginnt früh, fahrt langsam und er- reicht sicher euer Ziel der Selbstverwirklichung. Heutzutage wünschen sich viele Leute, wenn sie jemandem begegnen: “Good morning, good evening“ usw. Das entspricht nicht unserer, sondern einer fremden Kul- tur. Wenn ihr stattdessen “Namaskara“ sagt, wie froh werdet ihr und auch der andere sich fühlen! Heutzutage ist schon das Aussprechen des Worts Namaskara eine Last für Menschen geworden, die sich für

313 modern halten. Was soll dieses “Good morning“ und “good evening“? Sogar ein Mensch vom Land kann Namaskara sagen. Wenn ihr die wis- senschaftliche Wahrheit erforscht, gibt es weder Morgen noch Abend oder Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. All diese Veränderungen finden statt, weil die Erde sich um sich selber dreht.

Kinder! Achtet wenigstens von heute an eure Eltern. Liebt eure Eltern und geniesst ihre Liebe. Nur jene, welche die Liebe ihrer Eltern erfah- ren, werden eine glänzende Zukunft haben. Diejenigen, die ihre Mütter traurig machen, werden ein schwieriges, leidvolles Leben führen. Fügt deshalb unter keinen Umständen euren Eltern irgendeinen Schmerz zu. Macht sie glücklich. Nur dann werdet ihr euch glücklich fühlen und eure Kinder werden euch wiederum glücklich machen. Schenkt Glück und erhaltet Glück. Glück ist keine Einbahnstrasse; es ist ein wechsel- seitiger Vorgang von Geben und Nehmen. Sprecht gute Worte. Ent- wickelt eine heilige Sichtweise. Führt ein Leben der Reinheit. Heiligt euer Leben.

314 19. November

Tag der Frau

Die Göttlichkeit leuchtet strahlend im gesamten Universum und das Universum ist von Göttlichkeit umhüllt. Zwischen Gott und dem Universum besteht eine enge untrennbare Beziehung. Hört auf diese Wahrheit, o tapfere Söhne Bharats!

Seit undenklichen Zeiten hat Indien die ursprünglichen Werte der Freundschaft und Harmonie verkündet. Indien ist die Geburtsstätte der Spiritualität, der Tugenden, der Mildtätigkeit und Rechtschaffenheit. Es ist das Land des Friedens und Wohlergehens. Seit alten Zeiten haben sich die Inder intensiv darum bemüht, diese Werte auf der Erde zu eta- blieren. Was das Verkünden und Verbreiten der Wahrheit betrifft, kann sich kein Land mit Indien messen. Es gibt in Indien viele Menschen, die im Bereich der Spiritualität grosse Fortschritte gemacht haben. Rama herrschte über dieses heilige Land. In diesem Land lehrte Krish- na die Bhagavadgita. In eben diesem Land lehrte der Weise Vyasa die Veden und heiligen Schriften. Es ist das Land, in dem der Weise Valmiki das Ramayana verfasste und die Menschheit die Prinzipien der Wahr- heit und Rechtschaffenheit lehrte. Was spirituelle Werte angeht, ist ab- solut nichts diesem Land, ebenbürtig. Obwohl in diesem heiligen Land Indien geboren und Inder genannt, treten die Bürger Indiens jetzt nicht hervor, um die Ideale zu verbreiten, für die dieses Land steht. Die Inder sollten ihre Kultur achten und verehren, ihrer Kultur folgen und anderen ein Vorbild sein.

Der in Indien wehende Wind ist mit Wahrheit erfüllt. Der von unseren Füssen aufgewirbelte Staub selbst ist voll von der von Gott gesetzten Ordnung. Duldsamkeit macht das Leben der Bharatiyas aus. Der durch dieses Land strömende Fluss Ganges ist von Liebe durchdrungen.

Wieso ist Indien, die Quelle der Wahrheit, der Göttlichen Ordnung, des Friedens, der Liebe und Gewaltlosigkeit auf so einen beklagenswerten Zustand gesunken, obwohl es doch seit alten Zeiten grosse Ideale ver-

315 kündet hat? Duldsamkeit ist die wahre Schönheit dieses heiligen Lan- des Indiens. Von allen Ritualen ist Festhalten an der Wahrheit die grös- ste Askese. Das Empfinden der Liebe zur eigenen Mutter ist das nektargleiche Empfinden in diesem Land. Tapferkeit ist die grösste Tu- gend dieses Landes und Frieden ist sein Schutzschild. Es ist ein Jam- mer, dass ihr, die ihr in diesem Land Indien geboren seid, nicht in der Lage seid, euer eigenes Erbe kultureller Werte zu erhalten! Die Jungen und Mädchen sollten nicht um eines Lebensunterhalts willen studieren, sondern in der alleinigen Absicht, die Ideale kundzutun und zu verbrei- ten, die das Land seit alten Zeiten repräsentiert hat. Die modernen Jun- gen und Mädchen studieren um kurzfristiger Vorteile willen und nicht mit dem Ziel, die Tradition und Kultur Indiens zu erfahren und sich daran zu freuen.

Wer wird sich um das Zuhause kümmern, wenn die Frauen arbeiten gehen? Wenn Ehemann und Ehefrau ins Büro gehen, wer erledigt dann die Hausarbeit? Wenn die Frauen aus dem Haus gehen, um die Kinder anderer zu unterrichten, wer schaut dann nach ihren eigenen Kindern? Wenn die Frauen so wie die Männer arbeiten gehen, wer bereitet dann in der Küche das Essen zu? Geld zu verdienen mag ein paar finanzielle Probleme lösen, aber wie kann das die häuslichen Probleme lösen?

Es scheint so, als ob ungetrübtes Glück nicht das Los der Frauen wäre! Heutzutage treten die Frauen, weil sie gebildet sind, mit den Männern in einen Wettbewerb um Arbeitsstellen. Es liegt nichts Falsches darin, arbeiten zu gehen, aber ehe die Frauen einen Job annehmen, müssen sie sich um die Bedürfnisse ihres Heims kümmern. Wenn Frau und Mann ins Büro gehen, wer wird sich dann zu Hause um ihre Kinder küm- mern? Weil die Mutter nicht zu Hause ist, um sie richtig anzuleiten, ge- hen die Kinder in die Irre. Wenn beide Elternteile arbeiten gehen, mö- gen sie vielleicht ihren Wunsch nach Geld befriedigen; aber es birgt die Gefahr, dass ihre Kinder verdorben werden, denn niemand ist zu Hau- se, um sie zu disziplinieren. Ihr müsst euren Kindern die von euch er- lernten moralischen Werte beibringen. Alles, was ihr studiert habt, hat nur dann einen Wert, wenn ihr euch um den Fortschritt eurer Kinder kümmert. Bildung ist dafür gedacht, das Potential eines Menschen her- vorzubringen, das in ihm ruht. Die Frauen sollten ihre Verantwortlich-

316 keiten erkennen und sich entsprechend verhalten. Die Frauen haben dafür viele Beispiele gegeben. Wie Rajeshvari Patel erwähnte, haben viele Frauen in der Vergangenheit Tugenden in sich entwickelt und ein vorbildliches Leben geführt. Savitris Verhalten war beispielhaft. Die Frauen jener Tage erledigten nicht nur ihre Haushaltspflichten gewis- senhaft, sondern erzogen auch ihre Kinder auf ideale Weise. Sie lehr- ten ihre Kinder nicht nur durch Vorschrift, sondern durch das eigene Vorbild. Heutzutage sind dagegen nicht viele vorbildliche Mütter zu fin- den. Sie sind mehr daran interessiert, Geld zu verdienen, als ihre Kinder zu idealen Bürgern zu formen. Wenn sie ihre Kinder auf vorbildliche Weise erziehen würden, hätten sie der Nation grosse Hilfe geleistet. Was bringt es, wenn Frauen arbeiten gehen und Geld verdienen, wenn ihre Kinder falsche Wege einschlagen und niemand da ist, der sie daran hindert? Deshalb sollten die Frauen sich als Erstes in rechter Weise um ihr Heim und ihre Kinder kümmern. Sie sollten der Erledigung ihrer Haushaltspflichten genügend Zeit widmen. Die gebildeten Frauen von heute stellen einen Koch und ein Dienstmädchen ein, um ihre Haus- haltspflichten zu erledigen und verbrauchen einen Grossteil ihres Ein- kommens dafür, diesen ein Gehalt zu zahlen. Candramati war eine Frau mit einem unverfälschten Charakter. Sie folgte immer ihrem Ehe- mann Harishcandra. Als sie schwierige Zeiten durchlebten, flösste sie ihm Mut ein mit den Worten: “O König, du bist hochintelligent und ge- bildet. Du solltest keiner Schwäche nachgeben und niemals von dei- nem gewählten Pfad abweichen. Wir schwimmen im Meer der Wahr- heit. Bevor wir das Ufer erreicht haben, sollten wir nicht von unserem Beschluss ablassen.“ Auf diese Weise ermutigten die Frauen jener Tage ihre Ehemänner, dem Weg der Wahrheit zu folgen. Die Frauen Bharats bewahrten immer unsere heilige Kultur. Nicht einmal unter ex- trem beschwerlichen Bedingungen vergoss Sita Tränen. Obwohl sie von Dämonen umzingelt war, fürchtete sie sich nie vor ihnen. Sie ver- brachte ihre Zeit in Gedanken an ihren Gemahl Rama und war dadurch ein Vorbild. Dasselbe gilt auch für Damayanti. Sie war tugendhaft und half mit ihrer starken Entschlossenheit ihrem Ehemann, sein Königreich zurückzugewinnen. Auf diese Weise machten sich die Frauen jener Tage mit ihrem gediegenen Charakter und ihrer vorbildhaften Mutter- schaft einen Namen. Die Frauen von heute sollten sie als Vorbilder neh- men. Das aus Tugenden entstehende Glück ist weitaus grösser als das Glück, das ihr aus eurem Reichtum bezieht. Leider strebt die gebildete Jugend nach Reichtum, körperlicher Kraft und Freundschaft. Aber ohne den Reichtum des Charakters haben diese wenig Wert. Für Män-

317 ner wie Frauen ist Charakter die Grundlage. Wem es an Charakter man- gelt, der ist in jeder Hinsicht schwach. Die Menschen jener Tage streb- ten nach einem edlen Charakter. Sie waren bereit, sogar ihr Leben für einen gerechten Grund aufzugeben. Die Frauen strebten danach, die Ehre ihrer Ehemänner aufrechtzuerhalten. Die Stärke eines Menschen liegt in seinem Charakter, nicht in dem Geld, das er verdient. Man sollte bereit sein, jeder Schwierigkeit entgegenzutreten, um ein tugendhaftes Lebens zu führen. Das Land befindet sich in gewaltigen Schwierigkei- ten, weil es an Männern und Frauen mit Charakter fehlt. Was wir heute brauchen, ist nicht materieller Wohlstand. Ihr müsst den Reichtum der Tugenden verdienen. Geld kann euch kein wahres Glück schenken. Die Frauen sollten den Reichtum der Tugenden entwickeln und ebenso die Ehre ihrer Ehemänner sicherstellen. Männer wie Frauen sollten ei- nen guten Charakter besitzen. Ohne einen guten Charakter wird sich euer ganzes Wissen als vergeblich herausstellen.

Trotz seiner Bildung und Intelligenz kann ein törichter Mensch sein wahres Selbst nicht erkennen und ein übel gesinnter Mensch wird seine schlechten Eigenschaften nicht aufgeben. Die moderne Bildung führt nur zu Diskussionen, nicht aber zur wahren Weisheit. Was bringt es, weltliche Bildung zu erlangen, wenn sie euch nicht zur Unsterblichkeit führen kann?

Erwerbt das Wissen, das euch unsterblich machen wird. Die moderne Ausbildung kann euch nur dabei helfen, einen Lebensunterhalt zu ver- dienen. Sie dient dem Lebensunterhalt, nicht dem Leben selbst. Tat- sächlich ist die moderne Ausbildung die Ursache des gegenwärtigen Verfalls der Moral in der Gesellschaft. In alten Zeiten räumten die Men- schen der Wahrheit und Rechtschaffenheit höchste Priorität ein. Sie be- trachteten göttliche Liebe als ihr Leben selbst. Um der Wahrheit willen opferten die Frauen Indiens ihr Leben. Dieses Land Indien war die Ge- burtsstätte vieler edler Frauen wie Savitri, die ihren verstorbenen Ehemann ins Leben zurückbrachte; Candramati, die durch die Kraft der Wahrheit ein wildes Feuer aus- löschte, Sita, die ihre Keuschheit bewies, indem sie unversehrt aus dem lodernden Feuer hervorging und Damayanti, die dank ihrer Keuschheit einen übel gesinnten Jäger zu Asche verbrannte. Aufgrund solch tu- gendhafter keuscher Frauen konnte dieses gottesfürchtige edle Land

318 Fülle und Wohlstand erreichen und allen Ländern der Welt ein Lehrer werden. Seit undenklicher Zeit hat das heilige Land Indien der Welt gegenüber die herausragende Stellung eines Lehrers eingenommen. Es wurde als das Land des Handelns, des Opfergeistes und der Spiritualität gerühmt. Ihr müsst eure Pflicht erfüllen. Wenn ihr nicht dem Weg des Handelns folgt, könnt ihr im Leben nicht vorankommen.

Verkörperungen der Liebe! Ihr verschwendet eine Menge Zeit mit sinn- losem Zeitvertreib. Verschwendete Zeit ist verschwendetes Leben. Un- sere Vorfahren vergeudeten niemals auch nur eine Minute Zeit. Sie be- trachteten Gott als die Verkörperung der Zeit und rühmten ihn folgen- dermassen: “Ich verneige mich vor der Verkörperung der Zeit, vor ihm, der die Zeit bezwungen hat, vor ihm, der die Zeit transzendiert und der über die Zeit bestimmt.” Warum habt ihr die Wahrheit vergessen, dass Zeit wahrhaft Gott ist? Ihr wartet begierig auf den Sonntag in der Hoffnung, ihr könntet euch dann entspannen und zu geniessen. In Wirklichkeit solltet ihr traurig sein, dass ihr sonntags Zeit verschwendet ohne zu arbeiten. Ihr müsst eure Zeit in rechter Weise nutzen. Wenn ihr keine Arbeit habt, dann lei- stet soziale Hilfsdienste. Helft euren Mitmenschen. Seid bereit, für das Wohlergehen eures Heimatlandes jedes Opfer zu vollbringen. Die Bha- gavadgita sagt: “Ihr habt ein Recht zu handeln, aber ihr habt kein Recht auf das Ergebnis.“ Ihr müsst eure Handlungen heiligen. Die Menschen sprechen von verdienstvollem und sündigem Handeln. Wenn die Emp- findungen rein sind, wird das Handeln geheiligt und Arbeit wird zum Gottesdienst. Das Leben hat nur dann Bedeutung, wenn ihr eure Zeit recht nutzt. Der Körper ist zum Handeln gegeben. Jede Handlung steht mit einer Ursache und mit dem Zeitfaktor in Verbindung. Es ist des Men- schen vorrangige Aufgabe, die Prinzipien von Zeit, Handlung, Ursache und Pflicht zu verstehen und entsprechend zu handeln. Das ist die Hauptlehre der indischen Kultur. Indien wurde seit alten Zeiten durch seine ursprüngliche Kultur beschützt. Was ist Kultur? Ihr glaubt, es sei eine bestimmte Lebensweise, aber das ist nicht der Fall. Die indische Kultur ist etwas, das euer Leben in ein vorbildliches verwandelt. Heut- zutage sind nicht viele Menschen zu finden, die sich dafür interessieren, über die Grösse der indischen Kultur zu lehren. Selbst wenn Menschen dazu bereit sind, sind nur wenige daran interessiert, zuzuhören und auch wenn sie zuhören, sind sie nicht bereit, es umzusetzen. Manche Leute wollen es umsetzen, aber es fehlt ihnen die rechte Unterstützung und Ermutigung.

319 Verkörperungen der Liebe! Führt all eure Handlungen mit reinem Her- zen durch. Handlungen, die ohne ein reines Herz verrichtet werden, sind nutzlos. Aber ein mit Liebe ausgeführtes geringfügiges Werk trägt Frucht.

Verkörperungen der Liebe! Dieser 19. November wird als Tag der Frau gefeiert. Was bedeutet dies? Ihr glaubt, dieser Tag wäre dazu gedacht, ein paar heilige Taten zu vollbringen, Swamis Ansprache zu hören etc. Es geht nicht nur darum. Ihr solltet eure Zeit auf eine heilige Weise ver- bringen. Was ihr heute lernt, sollte euer Leben lang euer Ideal bleiben. Entwickelt Selbstvertrauen und bewahrt unter allen Umständen eure Selbstachtung. Was bringt ein Leben ohne diese zwei? Auch wenn ihr weder Geld habt noch stark seid und vielleicht übler Nachrede ausge- setzt seid, bewahrt immer eure Selbstachtung. Abraham Lincoln führte unter allen Umständen ein Leben der Selbst- achtung. Seine Mutter brachte ihm bei: “Auch wenn die Leute dich ver- spotten oder sich über dich lustig machen, lasse dich davon niemals verwirren und bewahre immer deine Selbstachtung.“ Lincoln folgte un- eingeschränkt ihren Lehren. Weil sie zu Hause kein Licht hatten, stu- dierte er unter den Strassenlaternen. Letztendlich wurde er der Präsi- dent von Amerika. Nur aufgrund seines Selbstvertrauens und seiner Selbstachtung konnte er eine so herausragende Position einnehmen. Die Lehren der Mutter spielen eine entscheidende Rolle dabei, die Zu- kunft ihrer Kinder zu formen. Die Mutter sollte jede Anstrengung un- ternehmen, schlechte Eigenschaften ihrer Kinder zu beseitigen und ih- nen menschliche Werte wie Wahrheit, Rechtschaffenheit, Frieden, Liebe und Gewaltlosigkeit beizubringen. Viele halten ausführliche Re- den über die Bedeutung dieser Werte im täglichen Leben, aber wie viele setzen diese in die Tat um? Nur sehr wenige. Sie sprechen weder die Wahrheit noch vollbringen sie rechtschaffene Handlungen. Unsere Vorfahren wichen nie und unter keinen Umständen vom Pfad der Wahr- heit und Rechtschaffenheit ab. Kein Verhaltenskodex ist grösser als das Festhalten an der Wahrheit. Die Veden lehren: Sprich die Wahrheit und handle gemäss der von Gott gesetzten Ordnung. Eure Gedanken, Worte und Taten sollten in Harmonie sein. Es heisst: Der Mensch sollte den Menschen studieren. Heute weiss niemand, was der andere denkt, weil seine Gedanken, Worte und Taten völlig auseinanderklaffen. Mit diesem unethischen Verhalten verschwendet der Mensch sein Leben. Die Zunge ist gegeben, um die Wahrheit zu sprechen.

320 O Zunge, die den Geschmack kennt! Du bist sehr heilig. Sprich die Wahrheit in der gefälligsten Weise. Singe unablässig die göttlichen Namen Govinda, Madhava und Damodara. Das ist deine vorrangige Aufgabe.

Die Zunge, dazu bestimmt, heilige Worte zu äussern, wird benutzt, um andere zu kritisieren. Das Schicksal eines solchen Menschen ist nicht mit Worten zu beschreiben. Unsere Vorfahren hegten eine so grosse Liebe zu ihrem Heimatland, dass sie immer wieder in diesem heiligen Land Indien geboren werden wollten. Aber die Leute empfinden heut- zutage weder Liebe zum Land noch lieben sie die Göttliche Ordnung. Stattdessen entwickeln sie Liebe zum Körper. Der Körper gleicht einer Blase im Wasser. Wie lange könnt ihr den Körper erhalten? Früher oder später wird er zerfallen. Entwickelt deshalb Liebe zum Göttlichen Selbst; sie allein kann die gesamte Welt beschützen. Entwickelt das Vertrauen, dass dieselbe Göttlichkeit in euch wie auch in allen anderen ist. Wenn euer Glaube so stark ist, wird die ganze Nation erblühen. Wer das Göttliche Selbst liebt, ist ein wahrer Mensch. Ohne Liebe zum Gött- lichen ist das eigene Leben vergeudet.

Verkörperungen der Liebe! Dieser Tag ist sehr heilig. Easwaramma, die Mutter dieses Körpers, sprach zu allen mit Liebe. Sie konnte das Leiden anderer nie ertragen. Sie pflegte die Treppe heraufzukommen und mich anzuflehen: “Swami, sie sind in einem elenden Zustand. Bitte rufe sie und sprich mit ihnen.“ Weil ihr Herz voll Mitgefühl war, hat sich ihr Ruhm so weit verbreitet. Um einen guten Ruf zu erhalten, müsst ihr heilige Worte sprechen und anderen helfen. Wann immer Mutter Eas- waramma mit einer solchen Bitte zu mir kam, tat ich so, als ob ich är- gerlich wäre und schalt sie mit den Worten: “Warum kommst du mit Vor- schlägen hierher? Ich will sie nicht hören.“ Aber sie blieb beharrlich und bat weiterhin: “Swami, bitte, habe Mitleid mit ihnen. Sie brauchen drin- gend deine Hilfe. Bitte, sprich einmal mit ihnen.“ Ich war glücklich und dachte bei mir: “Wie mitfühlend und gütig sie ist!“ Hri und daya (das Sanskritwort für Mitgefühl) ergibt hridaya (Herz). Das Herz ist voller Mit- gefühl. Doch heutzutage besitzt der Mensch nicht dieses mitfühlende Herz, sondern er spricht barsche Worte und erhält dadurch einen schlechten Ruf. Ihr solltet sanft und liebevoll sprechen. Verletzt nie durch barsche Worte die Gefühle anderer.

321 Verkörperungen der Liebe! Als Erstes sollten die Frauen ihre Zunge be- herrschen. Weil die Männer in vielfache Aktivitäten eingebunden sind, mag es für sie schwierig sein, ihre Zunge zu beherrschen. Deshalb ist es die Aufgabe der Frauen, sich gewissenhaft um das Heim zu küm- mern und sich in gefälliger Weise zu verhalten. Behandelt die Gäste herzlich und helft im euch möglichen Ausmass denen, die es brauchen. Heutzutage legen die Menschen nur Lippenbekenntnisse ab, ohne ihre Worte in die Tat umzusetzen. Ihr solltet denen Sympathie zeigen, die in Schwierigkeiten sind und versuchen, sie zu trösten. Ihr solltet sie mit beruhigenden Worten aufheitern und trösten. Menschen, die barsche Worte sprechen, sind wahrhaft Dämonen. Wenn ihr die Gefühle ande- rer verletzt, werdet ihr wiederum in doppelter Weise verletzt werden. Ihr könnt den Folgen eurer Handlungen nicht entkommen. An diese Wahrheit müsst ihr euch erinnern. Wenn ihr euch so verhaltet, dass ihr andere nicht verletzt, wird euer Leben geheiligt sein. Die Leute wollen Befreiung erlangen. Was ist Befreiung? Helft immer, verletzt nie. Darin liegt wahre Befreiung. Von Täuschung und Bindung frei zu werden ist wahre Befreiung. Versucht nicht, Fehler in anderen zu finden. Denkt daran: Wenn ihr einen anklagenden Zeigefinger auf jemanden richtet, zeigen drei Finger eurer Hand auf euch zurück.

Wahrheit ist der wahre Schmuck des Halses, Mildtätigkeit ist der wahre Schmuck der Hand.

Wenn ihr keine barmherzigen Taten durchführt, sind eure Hände nutz- los. Ihr müsst jedes Glied eures Körpers durch heilige Aktivitäten hei- ligen. Eure Augen sollten nur heilige Dinge anschauen. Wisst ihr, was für eine gewaltige Kraft in euren Augen verborgen liegt? In den Augen befinden sich Abermillionen Lichtstrahlen. In den alten Zeiten riefen die Menschen den Sonnengott um seine Gnade an, um besser sehen zu können. Wenn ihr die Anbetung des Sonnengottes durchführt und seine Gnade erweckt, werden die Lichtstrahlen in euren Augen strahlender werden. Wenn ihr hingegen nach Fehlern in anderen schaut, wird der Sonnengott euren Augen seine Strahlen entziehen und euch vielleicht blind machen. Nutzt deshalb die von Gott gegebenen Glieder in rechter Weise.

Verkörperungen der Liebe! Diese Lehren könnt ihr in eurem täglichen Leben leicht anwenden. Nehmt sie nicht auf die leichte Schulter, nur weil sie einfach sind. Obwohl sie einfach erscheinen, führen sie euch zur Befreiung. Es ist euer gutes Los, dass ihr mit Augen gesegnet seid,

322 um zu sehen. Ihr könnt die Ergebnisse eurer verdienstvollen Handlun- gen vielleicht nicht sehen, aber sie verleihen euch im gebührenden Ab- lauf der Zeit alles Glück und alle Bequemlichkeiten. Es gibt viele Dinge, die euch folgen, ohne dem blossen Auge sichtbar zu sein.

Verkörperungen der Liebe! Dieses Land Indien ist höchst bedeutend. Es hat euch den Reichtum von Einsicht, Erkenntnis und Weisheit ge- schenkt. Aber die Glücklosen sind unfähig, diesen Reichtum zu emp- fangen. Die Upanishaden rühmen den Menschen auf verschiedene Weisen. Manava (Mensch) bedeutet jemand, der heilig und mit unend- licher Kraft versehen ist und Weisheit übermittelt. Aber der Mensch ist nicht in der Lage, die Bedeutung seines eigenen Namens zu verstehen und schlägt den falschen Weg ein. Euer Glück oder Unglück hängt von euren Handlungen ab. Ohne diese Wahrheit zu erkennen, verübt ihr böse Taten. Wenn die Folgen eurer Handlungen euch treffen, tut es euch leid. Was bringt das? Ihr müsst von Anbeginn an darauf achten, keine Sünde zu begehen. Ihr müsst jede Anstrengung unternehmen, göttliche Gnade zu verdienen. Welche Handlung auch immer ihr durch- führt, weiht sie Gott. Nur dann wird euer Leben geheiligt sein. Was ihr erwerben solltet, sind nicht weltlicher Wohlstand und Bequemlichkei- ten. Ihr müsst den Wohlstand von Einsicht, Erkenntnis und Weisheit erhalten, dieser wird euch ewig begleiten. Wenn ihr diesen wahren ewi- gen Wohlstand erwerbt, habt ihr Gottes Gnade erlangt.

Verkörperungen der Liebe! Viele Frauen haben sehnsüchtig auf den 19. November gewartet, um den Tag der Frau zu feiern. So edel zu den- ken ist wahrhaft euer gutes Los. Gebt alle negativen Gedanken auf und entwickelt heilige Empfindungen. Führt ein beispielhaftes Leben. Die Upanishaden messen dem menschlichen Leben grossen Wert bei. Euer Leben sollte dem entsprechen. Die Upanishaden sind die Schatz- kammer des Wissens. Selbst wenn man die Veden gemeistert hat: So- lange man die Upanishaden nicht studiert, wird sich alles Erlernte als nutzlos herausstellen. Aus diesem Grund beginnen die Menschen mit dem Studium der Upanishaden, nachdem sie das Studium der Veden beendet haben. Die Upanishaden bringen euch näher zu Gott. Ich wün- sche, dass ihr den Lehren der Upanishaden folgt und eure verborgene göttliche Kraft manifestiert. Ich segne euch alle und beende meine Aus- führungen.

323

20. November (Verteilung der Diplome an die neu ausgebildeten Lehrer der Sathya Sai Schulen)

Charakter, das Ende der Erziehung

Nirgendwo ist eine Spur Frieden zu finden und auch die Wahrheit ist rar geworden. Furchteinflössende Waffen stapeln sich zuhauf und anderes, das Schrecken erzeugt, gibt es im Übermass. Eigenliebe ist die Ursache dieses bösen Taumels. Das ist die Wahrheit, die Sai verkündet.

Verkörperungen der Liebe! Obwohl die Bildung täglich zunimmt, ist im menschlichen Verhalten keine entsprechende Transformation als Er- gebnis zu finden. Welche Art Bildung brauchen wir? Im Bildungsbereich hat die akademische Vortrefflichkeit zugenommen, aber die heilsame Auswirkung auf das menschliche Verhalten abgenommen.

Liebe Studenten! Die Ausbildung, der ihr heutzutage nachgeht, ist nur weltlicher Art; weltliche Ausbildung allein reicht nicht aus, sondern sie muss durch spirituelle Erziehung ergänzt werden. Ihr müsst das Prinzip der Liebe entfalten und dem Weg der Wahrheit folgen. Wahre Bildung ist von Wahrheit und Liebe durchdrungen. Ohne Wahrheit ist Liebe un- wirksam und ohne Wert. Weltliche Bildung dient dem Erwerb des Le- bensunterhalts, spirituelle Bildung hingegen ist dazu gedacht, das Ziel des Lebens zu erreichen. Es ist deshalb die Pflicht sowohl der Studen- ten als auch der Erzieher, weltliche und spirituelle Erziehung und Bil- dung in Einklang zu bringen. Die Welt hat heutzutage die Bedeutung einer harmonischen Beziehung von weltlicher und spiritueller Erzie- hung und Bildung erkannt. Die ganze Welt hat damit begonnen, neben dem herkömmlichen Lehr- plan zugleich spirituelle Erziehung zu vermitteln. Die Menschen haben die Wahrheit erkannt, dass Spiritualität keine moderne Entdeckung, sondern uralte Weisheit ist. Aber der Schwerpunkt wurde dabei nur auf das Vortragen und Lehren von Spiritualität gelegt; was das Praktizieren von Spiritualität im täglichen Leben angeht, ist tatsächlich ein Nieder- gang zu verzeichnen. Deshalb ist praktische Erziehung und Bildung heutzutage das Wichtigste. Bildung ohne Praxis würde zu Friedlosig-

325 keit führen. Unter Ausbildung (education) versteht man moderne insti- tutionalisierte Studiengänge. Educare hingegen ist spirituelle Erzie- hung, die auf das Herz wirkt. Educare bedeutet, die im Menschen verborgene Göttlichkeit zum Vorschein zu bringen und diese der gan- zen Welt als Ideal zu geben. Moderne Ausbildung beschränkt sich auf den Inhalt von Büchern und endet beim reinen Bücherwissen. Educare hingegen hat nichts mit Büchern zu tun, sondern bezieht sich auf das Lehren über die Quelle allen Wissens, die im Herzen eines jeden Men- schen verborgen ist. Deshalb muss heute als Erstes diese Art Ausbil- dung vermittelt werden. Die Menschen erstreben die höhere Bildung im weltlichen Bereich. Das reicht nicht aus. Sie müssen auch der spi- rituellen Bildung nachgehen, denn diese vermittelt menschliche Werte, die eine Transformation des Herzens bewirken, wie Wahrheit, rechtes Handeln, Liebe usw. Eine harmonische Mischung von weltlicher und spiritueller Ausbildung ist für die gegenwärtige Welt das Ideal. Das eine entspricht äusserli- chen Lehren, das andere innerem Erwachen. Weltliche Lehren stehen mit der körperlichen Welt in Verbindung und bilden den negativen Aspekt. Lehren hingegen, die dem inneren Erwachen dienen, sind po- sitiv. Nehmt als Beispiel die Liebe. Wer kann die Form von Liebe de- finieren? Der beste Weg, Liebe zu definieren, besteht darin, andere zu lieben, von anderen geliebt zu werden und dadurch die Seligkeit der Liebe zu erfahren. Lehren, die dem inneren Erwachen dienen, sind das dringende Gebot der Stunde. Educare ist das, was zwischen den Men- schen Liebe und das Empfinden von Verwandtschaft aufbaut. Heutzu- tage weiss niemand, was der andere im Sinn hat, ganz zu schweigen von dem Menschen, bei dem Gedanke, Wort und Tat sich nicht in Ein- klang befinden. Er denkt etwas, spricht etwas anderes und tut schlies- slich etwas völlig anderes. Das ist nicht das Kennzeichen wahrer Bil- dung. Was ihr denkt, solltet ihr sagen und was ihr sagt, solltet ihr in die Tat umsetzen. Weil zwischen Gedanke, Wort und Tat keine Einheit be- steht, steigt der Mensch heutzutage nicht zur Ebene einer grossen See- le auf und wird stattdessen ein schlechter Mensch. Es heisst: “Jene sind grosse Seelen, bei denen sich Gedanken, Worte und Taten in vollkom- mener Harmonie befinden. Jene, bei denen sie auseinanderklaffen, sind schlechte Menschen.” Die so genannte gebildete Elite sind grössere Verbrecher als die un- gebildeten Massen. Es ist diese Elite, die dem Land grossen Schaden zufügt. Die ungebildeten Dorfbewohner führen ein achtbares Leben und sind anderen ein Vorbild. Andererseits führen die Gebildeten und jene, die als grosse Intellektuelle gelten, in den Städten ein luxuriöses

326 Leben; die ländlichen ungebildeten einfachen Menschen hingegen füh- ren in den Dörfern ein sehr einfaches, glückliches und zufriedenes Le- ben. Heutzutage gibt es in den Städten viele Schulen, Colleges und Uni- versitäten, auf deren Gelände ihr ständig Unruhen und Aufruhr findet. In den Dörfern hingegen, wo diese höheren Bildungseinrichtungen nicht existieren, gibt es solche Unruhen kaum. Was ist der Grund dafür? Das Anwachsen der so genannten modernen Bildung! Besucht die Dör- fer und beobachtet. Sobald ihr ein Dorf betretet, werden die einfachen Dorfbewohner euch fragen: „Bruder, woher kommst du? Aus welchem Land stammst du?“ usw. Sie sprechen höflich und achtungsvoll zu euch und erkundigen sich nach eurem Wohlergehen. Aber in den Städten fragen nicht einmal Vater und Sohn nach dem gegenseitigen Wohler- gehen. Sie erledigen ihre tägliche Routine in mechanischer Weise, ohne Fürsorge füreinander. Der Grund dafür ist die moderne Bildung. Es heisst: Charakter ist das Ziel der Erziehung und Bildung. Weil die Menschen heutzutage ihren Charakter verloren haben, sind auch Höf- lichkeit und Achtung geschwunden. Sogar die Eltern tragen zu dieser Situation bei. In den Dörfern schicken die Eltern ihre Kinder zur Aus- bildung in die Städte in der Erwartung, dass sie höhere Bildung und Stu- dienabschlüsse erlangen. Ihre Absichten sind zweifelsohne gut. Aber die Kinder schlagen in den Städten schlechte Wege ein. In den Dörfern achteten sie die älteren Menschen und gehorchten ihren Eltern. Sobald sie um der höheren Bildung willen in die Städte zogen, verloren sie all die guten Eigenschaften wie Achtung, Ehrfurcht, Charakter und Demut, die sie zu Hause erlernt hatten. Die Studenten haben derzeit den Wert eines heiligen Lebens vergessen. Nichts hält sie davon ab, sogar im Angesicht ihrer Eltern zu rauchen. Schlechte Angewohnheiten nehmen zu. Aber in den Dörfern ist die Situation etwas anders. In den Dörfern verhalten sich die Kinder in der Gegenwart älterer Menschen und ihrer Eltern zurückhaltend. In den Dörfern existiert die gesunde Kontrolle durch die Eltern immer noch. Aber in den Städten gibt es diese Kontrolle nicht mehr. Die Jugendlichen rauchen, bieten ihren Freunden Zigaret- ten an, gehen ins Kino und haben viele schlechte Gewohnheiten. Nie- mand ist da, um sie zu bremsen und von schlechten Gewohnheiten ab- zubringen. Was ist die Ursache dieses Verhaltens? Die moderne Erziehung und Bildung. Sie achten weder ältere Menschen, ihre Eltern noch die Gesellschaft. Wenn jemand sie auf ihre Fehler hinweist, be- ginnen sie zu argumentieren: “Warum sollte ich Angst haben? Ich habe meinen eigenen Willen und ich rauche meine Zigarette.“ Ein kleines Beispiel dazu: Einst reisten ein Inder und ein Ausländer zu- sammen in einem Eisenbahnabteil. Der Inder war Kettenraucher und

327 blies darüber hinaus dem Ausländer den Rauch ins Gesicht. Der Aus- länder duldete das eine Zeitlang und als es für ihn unerträglich wurde, sagte er zu dem Inder: “Mein lieber Sohn, ich fühle mich nicht gut und kann Zigarettenrauch nicht ertragen. Wenn du rauchen willst, tue das bitte auf der Toilette.“ Der mit moderner Erziehung und Bildung aufge- wachsene Inder erwiderte: “Wenn du mein Zigarettenrauchen nicht aushalten kannst, dann geh doch du zur Toilette. Ich habe die Zigaret- ten gekauft und werde uneingeschränkt rauchen. Ich habe die Freiheit, zu rauchen und den Rauch zu blasen, wie es mir gefällt.“ Auf diese Wei- se begann er mit dem Ausländer zu streiten. Dieser fühlte sich hilflos, ging nach einiger Zeit zur Toilette und kehrte zurück. Mittlerweile hatte der indische Student dessen Schuhe aus dem Abteil geworfen. Der Ausländer bemerkte dies, hielt es aber nicht für weise, mit diesem ar- roganten Jungen zu argumentieren. Er stieg deshalb auf den oberen Liegeplatz und streckte sich aus. Jetzt war der indische Junge an der Reihe und ging zur Toilette. Ehe er zurückkam, warf der Ausländer des- sen Mantel hinaus, um ihm eine Lehre zu erteilen. Der Junge kam von der Toilette zurück und fragte, wo sein Mantel sei. Der Ausländer gab zur Antwort, der Mantel wäre auf die Suche nach den Schuhen gegan- gen, die der Junge aus dem Abteil geworfen hatte. Daraufhin erkannte der Junge seinen Fehler. Wie ihr wisst, erfolgt in diesem Eisernen Zeit- alter auf alles eine Reaktion, ein Widerhall und eine Widerspiegelung. Wenn ihr sanft und liebevoll mit anderen sprecht, werdet ihr wiederum dasselbe erleben. Wenn ihr zu anderen frech seid, werden sie sich euch gegenüber ebenso verhalten. Deshalb muss jeder Einzelne, unabhän- gig von seinem Alter und Land und egal, ob er gebildet oder ungebildet ist, sanft und liebevoll sprechen und Demut besitzen.

Was ist Bildung? Hört auf Sais wahre Worte: Kultur, gutes Verhalten, Wahrheit, Glaube, Hingabe und Disziplin machen wahre Bildung aus. Alles andere ist wertlos. Der Mensch ist heutzutage nicht pflichtbe- wusst. Disziplin besteht darin, seine eigene Pflicht zu erfüllen. Was brin- gen Erziehung und Bildung ohne Disziplin? Erziehung und Bildung ohne Wissen ist nutzlos und Wissen ohne Erziehung und Bildung ist Torheit. Einer so törichten nutzlosen Ausbildung nachzugehen ist sinn- los. Zusammen mit der höheren Bildung müsst ihr gutes Verhalten kul- tivieren. Aber heute finden wir eine hohe akademische Bildung und ein degeneriertes Verhalten vor. Ihr müsst deshalb hohe Bildung erwerben und gleichzeitig ein einfaches Leben führen. Das macht wahre Bildung aus.

328 Mahatma Gandhi vergoss einst, ein Buch in den Händen haltend, Trä- nen. Er hatte das Buch zuvor gelesen und fand es unnütz. In der Zwi- schenzeit kam ein Engländer und wollte von Gandhi wissen, warum er weine. Gandhi erwiderte, er glaube daran, dass Charakter das Herz der Bildung sei und dass dieses Buch die Charakterbildung nicht fördere; aus diesem Grund vergiesse er Tränen. Zwischen der modernen Bil- dung und der alten Weisheit besteht ein himmelweiter Unterschied. Die Zeit eurer Ausbildung mag modern sein, aber euer Verhalten sollte im- mer in Übereinstimmung mit der alten Weisheit sein. Nur dann wird eure Bildung Achtung gebieten. Ihr müsst eure Eltern respektieren. Wenn ein älterer Herr euer Haus besucht, heisst ihn mit Ehrfurcht und Achtung willkommen und sprecht sanft und liebevoll mit ihm. Wenn der Herr fragt, wo euer Vater ist, lasst ihn nicht mit den Worten stehen: “Geh und schau selber nach.“ Das ist nicht die richtige Antwort, sondern sagt ihm höflich: “Herr, mein Vater ist im Wohnzimmer, ich werde ihn rufen.“ Wenn ihr auf diese Weise liebevoll und sanft sprecht, wird sich der Be- sucher eine gute Meinung über euch bilden und glauben, dass ihr der würdige Sohn eines würdigen Vaters seid. Ihr müsst die Ehre und das Ansehen eures Vaters schützen. Wie? Durch euer gutes Benehmen und gefällige und sanfte Worte. Ansonsten gelangen die Besucher zu der Meinung: “Der Vater ist ein guter und achtbarer Mensch, aber sein Sohn ist ein schlechter Kerl. Er ist patzig und arrogant und kein würdiger Sohn.“ Ihr solltet deshalb heute trotz eurer modernen Bildung und obwohl ihr in einem modernen Zeitalter lebt, lernen, Demut zu kultivieren. Wer ist ein Student? Jemand, der Bildung erlangt und sich demütig, gehorsam und diszipliniert verhält. Wer keinen Gehorsam und keine Disziplin be- sitzt, ist kein Student, sondern ein Dummkopf. Auf den Universitätsge- länden, wo so viele Studenten ausgebildet werden, sollte eine stille, hei- tere Atmosphäre herrschen. Die Älteren zögern heutzutage, Orte aufzusuchen, wo sich Studenten aufhalten, denn sie befürchten, diese könnten Schwierigkeiten anzetteln. Früher war das nicht der Fall. Die Studenten jener Tage pflegten sich demütig zu verhalten. Durch ihre Ausbildung hatten sie Unterscheidungsvermögen erlangt. In der mo- dernen Erziehung und Bildung fehlen beklagenswerterweise Ehrlich- keit und Integrität, Pflichtgefühl, Disziplin und Hingabe. Was bringt eine solche Bildung? In den alten Zeiten wurde ein Student mit einem hei- ligen Gebet zu Gott in das Lernen eingeführt: “Om namah Shivaya! Om namo narayana!“ Zu dieser Zeremonie wurden die Älteren aus der Nachbarschaft eingeladen und sie gaben dem Kind ihren Segen. Im Gegensatz dazu wird heute ein Kind mit dem Kinderreim “Bah, bah,

329 schwarzes Schaf“ in das Lernen eingeführt, mit dem Ergebnis, dass es schliesslich ein schwarzes Schaf der Gesellschaft wird.

Liebe Studenten! Ihr geht eurer Ausbildung in einer heiligen Atmosphä- re nach. Ihr müsst diese Atmosphäre in eurem späteren Leben weiter- hin entwickeln. Die moderne Wissenschaft ist zweifellos gross, aber eure Sinne befinden sich auf einer niedrigen Stufe. Zusammen mit der Wissenschaft müssen auch die Sinne auf eine höhere Ebene angeho- ben werden. Ihr führt heutzutage ein Leben mit hohem Standard und haltet eure Sinne auf einer niedrigen Ebene. Das ist nicht unter Educare zu verstehen. Educare bedeutet, die im Menschen verborgene Gött- lichkeit zum Vorschein zu bringen. Bei euren Worten müsst ihr darauf achten, ob sie das Ergebnis eurer Bildung oder von Educare sind. Heut- zutage achtet niemand darauf. Ich beziehe mich oft auf das Buchsta- bieren des Wortes „watch“. Es besteht aus den fünf Buchstaben w, a, t, c, h. Diese repräsentieren:

W – achte auf deine Worte (words) A – achte auf deine Handlungen (actions) T – achte auf deine Gedanken (thoughts) C – achte auf deinen Charakter (character) H – achte auf dein Herz (heart).

Wenn ihr auf diese Weise auf eure Worte, Handlungen, Gedanken, eu- ren Charakter und euer Herz achtet, ist das wahres “watch“ und nicht die Uhr, die ihr um euer Handgelenk bindet. Diese Armbanduhr mag eine Reparatur benötigen, aber der Begriff “watch“ wird nie kaputt ge- hen. Er wird euch immer Reinheit des Gedankens, des Wortes und der Tat bringen. Wie gross diese Worte sind! Die Bildung in den alten Zeiten half dem Menschen, edel und vorbildlich zu werden. Nun zur Sauberkeit und Reinheit. Dies sind zwei sehr wichtige Aspekte der Erziehung. Die Studenten müssen sich gut um ihre persönliche Hy- giene kümmern, was regelmässiges Waschen, anständige und sau- bere Kleidung usw. einschliesst. “Reinheit ist Göttlichkeit.“ Seid des- halb sauber und rein. Führt ein glückliches zufriedenes Leben. Helft anderen immer. Helft immer, verletzt nie. Ihr könnt euch sicherlich um moderne Bildung bemühen, aber zugleich müsst ihr auch die alte Weis- heit erlernen. Beide müssen einander harmonisch ergänzen. Wissen- schaftliche Kenntnisse zu erlangen ist natürlich notwendig. Aber euer Verständnis von Wissenschaft ist heutzutage pervertiert. Die Wissen- schaft hat einen bestimmten Ausgangspunkt und endet an einem an-

330 deren Punkt. Es ist kein ganzer Kreis. Spiritualität hingegen bildet einen vollen Kreis und endet am Ausgangspunkt. Deshalb heisst es: “Das ist Fülle, dies ist Fülle. Wenn man aus der Fülle die Fülle schöpft, verbleibt wiederum Fülle.” Die Wissenschaft beginnt mit der Nachforschung: “Was ist dies, was ist dies“? Die Spiritualität hingegen beginnt ihr For- schen mit der Frage: “Was ist das, was ist das?“ Die Frage: “Was ist dies?“ zeigt Nähe an, und zwar Nähe zu den Sinnen. Das ist Wissen- schaft. Im Gegensatz dazu verweist die Frage: “Was ist das?“ auf Di- stanz, und zwar Distanz zu den Sinnen. Das ist Spiritualität. Ein kleines Beispiel: Ihr seid alle von weit entfernten Plätzen wie Zambia, Ostafrika usw. hierher gekommen, um Sai Babas Darshan zu erhalten. Weil ihr so weit entfernt lebt, entwickelt ihr grosse Liebe zu Sai Baba und sehnt euch nach seinem Darshan. Um einen Menschen aus dem Nachbar- dorf zu sehen, werdet ihr nicht denselben Eifer aufbringen. Es ist na- türlich, Interesse an Dingen zu entwickeln, die weit in der Ferne liegen. Was ist dieses “Das“? “Das“ bedeutet das, was jenseits der Sinne ist, nämlich Spiritualität. Unterhalb der Sinne ist Schmutz. Danach solltet ihr nicht verlangen. Ihr müsst euch auf die Ebene jenseits der Sinne erheben. Nur dann könnt ihr ein heiliges Leben führen. Heutzutage be- finden sich die Studenten unterhalb der Sinne und werden Sklaven ihrer Sinne. Das ist keine rechte Bildung. Ihr müsst nicht nur Meister der Wis- senschaften, sondern Meister der Sinne werden. Ihr müsst die Sinne zu euren Dienern machen und nicht Diener der Sinne werden. Ihr habt alle von Königin Kaikeyi im Ramayana gehört. Sie war die Toch- ter des Königs von Kekaya und in allen Waffen bewandert. Sie war die jüngste Gemahlin des Königs Dasharatha und ihm am liebsten. Sie brachte eine Zofe namens Manthara mit sich, um ihr im Palast zu die- nen. Aber im Lauf der Zeit liess sie zu, dass Manthara ihre Ratgeberin wurde und sie selbst wurde ihre Dienerin. Schliesslich folgte sie Mantharas Rat und dadurch wurde ihr Leben absolut jämmerlich. Sie verlor ihren Ehemann, König Dasharatha, der starb, weil er unfähig war, die Qual der Trennung von seinem geliebten Sohn Rama zu ertragen. Sie hatte auch den Zorn ihres eigenen Sohnes, Bharata, zu ertragen, dem die Idee nicht gefiel, Rama in den Wald zu schicken und an seiner Stelle König zu werden. Jeder im Königreich hasste Kaikeyi dafür, Rama und Sita in den Wald geschickt zu haben. Deshalb heisst es, ein Diener sollte als Diener gehalten werden und ein Meister ein Meister bleiben. Ihr seid der Meister und eure Sinne sind die Sklaven. “Meistert euren Geist, damit euer Geist meisterhaft wird.“ Das ist die Qualität ei- nes Studenten. Nur dann könnt ihr wahre höhere Bildung erlangen und sie zugleich mit anderen teilen.

331 Ich könnte euch lange über Erziehung und Bildung belehren, aber die Zeit ist begrenzt. Was ich den Studenten beibringe, kreist um das Prin- zip “ein einfaches Leben und eine hohe Denkweise“. Ich selbst folge diesem Prinzip. Wichtig ist nicht Bildung im Sinne von Studienabschlüs- sen, sondern Kultur. Wenn ihr Kultur entwickelt, könnt ihr in eurem Le- ben jedes Mass an Reinheit und Heiligkeit erlangen. Das Ziel jeder euch gegebenen Ausbildung besteht darin, dass ihr euch auf euer Selbst ver- lasst. Ihr müsst euch um eure persönlichen Arbeiten selber kümmern. Zum Beispiel müsst ihr eure Teller und Kleider selber waschen. Das ist die Pflicht eines wahren Studenten. Wenn ihr solch gute Gewohn- heiten entwickelt, was braucht es dann mehr? Das ist einfaches Leben und hohes Denken. Ihr müsst auf der Grundlage dieses Prinzips ein erhabenes Leben führen. Ich rate Jumsai auch, dieses Prinzip der Selbsthilfe in allen vom Institut für menschliche Werte betriebenen Schulen einzuführen. Die Schüler des Instituts müssen sich auf sich selbst verlassen. Sie müssen ihren Studienplatz, ihren Aufenthaltsort, Bücherregale und dergleichen selbst sauber halten. Dafür dürfen nicht gesonderte Bedienstete ein- gestellt werden. Ich erzähle den Schülern und Studenten oft einen Scherz: “Das gekaufte Gemüse ist zwei Annas wert, aber die Gebühren für den Träger, der das Gemüse trägt, beträgt vier Annas.“ Werdet ihr jemals dem Träger eine höhere Gebühr bezahlen als das Gemüse selbst kostet? Ihr solltet euer Geld nicht auf diese Weise verschwen- den. Missbrauch von Geld ist schlimm. Das Geld, das ihr während eures Studentenlebens ausgebt, wird von euren Eltern aufgebracht. Sie ha- ben es durch ihren Schweiss und ihr Blut verdient. Jede Rupie dieses Betrages muss wie ein Tropfen ihres Blutes behandelt werden. Be- schneidet eure Ausgaben und geht der höheren Bildung nach. Heutzutage wollen etliche Studenten zur höheren Ausbildung ins Aus- land gehen. Wie viel Geld das kostet! Was tut ihr, nachdem ihr so viel Geld ausgegeben habt und im Ausland angekommen seid? Ihr kon- zentriert euch nicht auf eure Studien, sondern verbringt eure Zeit mit allerlei Aktivitäten und verschwendet euer kostbares Geld. Wenn euer Geld aufgrund dieser Verschwendung knapp wird, wascht ihr in einem Restaurant die Tassen und Teller ab, um euer Einkommen aufzustok- ken. Warum wascht ihr nicht, statt im Ausland, in eurem eigenen Land und eurem eigenen Haus Tassen und Teller ab? Dadurch würdet ihr euren Eltern helfen und sie glücklich machen. Liebe Studenten! Macht eure Eltern glücklich, macht eure Lehrer glücklich und dient ihnen. Nur dann werdet ihr von den Lehrern eine gute Ausbildung erhalten können.

332 Verkörperungen der Liebe! Erkennt die Wahrheit, dass wahre Bildung Demut vermittelt. Nur wenn ihr diese Eigenschaft der Demut kultiviert, könnt ihr ideale Schüler und Studenten werden und eurem Land gut dienen. Haltet euch von Plätzen fern, an denen Gewalt verübt wird, denn wenn ihr dorthin geht, wird auch euer Körper verletzt. Wenn ihr könnt, dann versucht, solche Gewalttaten einzudämmen, ansonsten haltet euch fern von ihnen. Versucht, überall eine friedvolle Atmosphäre zu schaffen.

Liebe Studenten! Ihr seid voll edler Eigenschaften und euer Körper und Geist sind stark. Versucht zugleich einen guten Charakter zu entwik- keln. Es bringt nichts, einen Freundeskreis, Reichtum und Kraft aufzu- bauen, ohne Charakter zu entwickeln. Werdet ideale Studenten, ver- breitet die Prinzipien der Sathya Sai Erziehung in der Welt und verdient die Achtung der Welt.

333

22. November

Universitätsversammlung

Diejenigen, welche sogar die alten Weisen die Essenz des Vedanta lehren konnten, welche leblose Steine durch ihre bildhauerischen Fähigkeiten zum Tanzen bringen konnten, welche die Köpfe ihrer Feinde durch ihre scharfen Schwerter gleich Gummibällen rollen liessen, welche die ganze Welt mit höchster Autorität regieren konnten, befinden sich im Land Indien.

Aber was bringt das? Nicht einer von ihnen ist bereit, auf die herzzerr- eissenden Schreie der gewöhnlichen Menschen zu hören.

Liebe Studenten! Was bedeutet Bildung? Welche Art Bildung müssen wir erstreben? Was sollte die Norm in der Bildung sein? Welche Art der Bildung trägt zur menschlichen Entwicklung bei? Welchen Nutzen be- ziehen wir aus dem gegenwärtigen Bildungssystem? Wer über diese fünf Themen nachsinnt und sie gründlich versteht, ist ein wahrer Stu- dent. Höheres Wissen, und höchste Weisheit sind nicht allein Produkte von Bildung. Der Mensch kann diese heiligen Kräfte nur mittels Kultur und Läuterung erlangen, die er durch Erziehung und Bildung gewonnen hat. Was ist Kultur? Kultur ist eine vom Menschen bewusst unternom- mene Anstrengung, in seinem täglichen Leben eine Transformation zu erreichen: von der Unwahrheit zur Wahrheit; vom Abweichen von der Autorität der Schriften zur Übereinstimmung mit ihnen; vom Vergäng- lichen zum Ewigen. Es ist eine spirituelle Reise hin zur Göttlichkeit. Wo befindet sich diese Göttlichkeit? Sie ist in jedem Menschen in Gestalt der Wahrheit vorhanden. Ihr habt heutzutage nicht euer Land, sondern Wahrheit und rechtes Handeln zu schützen; dann werden diese wie- derum das Land beschützen, und nur dann wird sich die ganze Welt an Frieden und Wohlergehen erfreuen. Das ganze Universum basiert auf Wahrheit und Göttlicher Ordnung. Die Schöpfung geht aus Wahr- heit hervor und mündet wieder in Wahrheit ein. Gibt es einen Ort, wo Wahrheit nicht existiert? Schaut diese reine makellose Wahrheit. Das Leben eines jeden Menschen gründet auf Wahrheit. Wahrheit und rech- tes Verhalten allein beschützen das Universum. Aber leider ist der

335 Mensch nicht in der Lage, diese Tatsache zu erkennen und führt ein jämmerliches Leben.

Verkörperungen der Liebe! Bildung ist weder eine blosse Übung noch dazu gedacht, sich einen Lebensunterhalt zu verdienen. Sie dient da- zu, das Ziel des Lebens zu erreichen. Liebe Studenten! Ihr seid in die- sem Land Indien geboren und aufgewachsen und ihr lebt hier. Aber ihr seid unfähig, die Philosophie zu erkennen, für welche dieses Land steht. Das Land Indien ist ein Land des Handelns, in dem ihr die euch auferlegte heilige Aufgabe durchführen sollt. Es ist ein tugendhaftes Land, in dem ihr durch gewissenhafte Pflichterfüllung Verdienst an- sammelt. Welche enge Beziehung besteht zwischen diesem heiligen Land und Gott? Hier ist die Hand, hier der Fuss, hier der Kopf und hier der Bauch, alle sind Teile des Körpers. In diesem Körper befindet sich das menschliche Wesen. Der Mensch ist ein Teil der Gesellschaft, die Gesellschaft ein Teil der Schöpfung und die Schöpfung wiederum ist mit dem höchsten Wesen, dem Göttlichen Selbst verbunden. So ist die Schöpfung ein Teil des höchsten Wesens oder des Göttlichen Selbst. Nur wenn der Mensch das Wesen dieser Teile und Untergliederungen erkennt und sich entsprechend verhält, ist er fähig, das Göttliche zu verstehen.

Verkörperungen der Liebe! Wenn ihr ernsthaft nachsinnt, werdet ihr er- kennen, dass das Göttliche die Menschheit in Gang hält. Ohne das Göttliche kann der Mensch nicht einmal einen Augenblick leben. Auf- grund seines Egos glaubt der Mensch, er könne für sich selbst leben. Aber das ist nicht wahr. Bloss seine Zeit irgendwie herumzukriegen, macht kein erfülltes Leben aus. Wenn ihr herauszufinden sucht, ob zu- erst Pflicht oder zuerst Recht kommt, bestehen etliche Leute darauf, das Recht hätte Priorität. Aber wodurch entstand das Anrecht? Wenn ihr eure Pflicht erfüllt, erhaltet ihr die Frucht davon in Form von Recht. Wie könnte ein Kind ohne die Mutter existieren? Deshalb hat Recht nicht die erste Priorität. In Wirklichkeit besitzt der Mensch überhaupt keine Rechte. Wenn der Mensch seine Pflicht erfüllt, dann kommt das Ergebnis dieses Handelns in Form von Rechten zu ihm. Wenn ihr dar- über nachdenkt, ob erst der Regen oder erst der Wasserfluss kommt, wird ersichtlich, dass auf den Regen der Wasserfluss folgt. Ohne Re- gen gäbe es keinen Fluss. Der Fluss ist dem Recht und der Regen der Pflicht vergleichbar.

336 Liebe Studenten! Ihr erbringt in eurem Studium einen grossen Einsatz, um hohe akademische Qualifikationen zu erlangen. Aber trotz dieser Anstrengung besitzt ihr keinen inneren Frieden. Es heisst: “Weltliche Ausbildung dient dem Glück in der irdischen Welt, spirituelle Ausbil- dung dem Glück in der anderen Welt.“ Um spirituelle Bildung zu erlan- gen, müsst ihr etwas Zeit mit Nachforschung verbringen. Spirituelles Wissen kann nicht durch weltliche Bildung erlangt werden. Es heisst: Von den verschiedenen Wissenszweigen nimmt spirituelles Wissen den ersten Rang ein, und: Wahre Bildung ist diejenige, welche der Menschheit Befreiung bringt. Deshalb müssen die Studenten als Erstes mit der Frage: “Wer bin ich?“ beginnen. Ebenso müssen sie die Tatsache erkennen, dass Rechte auch Verantwortlichkeit mit sich bringt. Eure Eltern besitzen ein Recht. Wenn ihr die Rechte der Eltern schützt, werden sie wiederum ihre Ver- antwortlichkeit euch gegenüber erfüllen. In der indischen Kultur ist der Mutter und dem Vater der erste Rang eingeräumt worden durch die Aussage: “Verehre deine Mutter und deinen Vater wie Gott.” Das wis- senschaftliche Wissen wird heutzutage als bedeutend eingestuft. Wo- durch erreichte die Wissenschaft diese Grösse? Wissenschaft befasst sich mit dem physischen Aspekt des Universums. Sie strebt danach, die Geheimnisse des Universums zu erforschen, ohne darüber hinaus- zugehen. Aber es gibt ein Wissen darüber hinaus, welches die Grund- lage für die Erschaffung, Erhaltung und Auflösung des Universums bil- det. Das ist Spiritualität. Ohne diese spirituelle Grundlage ist Wissen- schaft wirkungslos. Der verstorbene Ministerpräsident Englands, Churchill, sagte einst: “Der Mensch hat alles erobert, nur nicht sich selbst.“ Der Mensch bemüht sich heute darum, alles in der Welt zu er- forschen, ohne in der Lage zu sein, sein eigenes Wesen zu erkennen und zu verwirklichen. Was bringt ein solches Wissen? Deshalb muss der Mensch mit Selbsterforschung beginnen, um herauszufinden, wer er ist, welches sein Wesen ist, welche verborgenen Kräfte er besitzt usw. Wenn in den früheren Zeiten die Universitäten zusammengeru- fen wurden, brachten die Lehrer den Studenten edle Prinzipien bei, wie:

Verehre deine Mutter wie Gott, verehre deinen Vater wie Gott, verehre deinen Lehrer wie Gott, und verehre den Gast wie Gott.

337 Als Erstes kommt die Mutter, die euch gebar. Dann zeigt sie euch den Vater, der Vater bringt euch zum Lehrer und der Lehrer führt euch zu Gott. Leider gibt es heute nur wenige Lehrer, die euch zu Gott bringen, aber das ist ein anderes Thema. Die Mutter, die für eure Geburt in dieser Welt verantwortlich ist, wird heute vergessen. Entsprechend wird auch das Mutterland, in dem ihr geboren seid, vernachlässigt.

Liebe Studenten! Ihr erhaltet heute von diesem Institute des Höheren Wissens Abschlussdiplome und setzt euren Fuss in die weite Welt. Es gibt in Indien ca. 200 Universitäten, unter deren Aufsicht mehrere tau- send Colleges betrieben werden. Jedes Jahr verleihen diese Univer- sitäten vielen tausend Studenten Diplome und schicken sie in die weite Welt. Aber was tun diese Studenten draussen in der Welt? Wie erwer- ben diese hoch gebildeten Leute ihren Lebensunterhalt? Den Studen- ten wird in diesen Universitäten Bildung vermittelt, damit sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen können. Doch nicht alle Absolventen kön- nen eine Arbeitsstelle finden. Deshalb wandern diese gebildeten Men- schen ins Ausland aus. Dort angekommen, kann nicht jeder von ihnen ein befriedigendes Auskommen finden und sie verrichten deshalb nied- rige Arbeiten, um ihr Einkommen aufzubessern. Es stellt sich die Frage, warum sie denselben Dienst nicht in ihrem eigenen Land Indien leisten? Die gebildeten Menschen dienen heutzutage nicht ihrem Heimatland, sind jedoch bereit, im Ausland jede Art von Arbeit zu tun. Nein, nein. Das ist nicht recht und nicht das Ziel eurer Ausbildung. Ihr solltet mit eurer ganzen Kraft eurem eigenen Land dienen. Euer ganzes Leben muss dem Dienst an dem Land geweiht sein, in dem ihr geboren und erzogen seid. Als gebildete Menschen müsst ihr dem Lebenskampf mu- tig und tapfer begegnen und schliesslich siegreich daraus hervorge- hen. Die heutigen Studenten sind nicht bereit, mit Geduld und Beharrlichkeit hart zu arbeiten. Arbeit ist wichtig. Eine Ausbildung zu durchlaufen und Abschlüsse zu erhalten, ist nicht wichtig. Vor mehr als fünfzig Jahren hat Indien die Unabhängigkeit erreicht. In diesen ungefähr fünfzig Jah- ren haben Tausende und Hunderttausende von Studenten höhere Bil- dungsabschlüsse erlangt. Aber was tun sie? Sie dienen nicht der Ge- sellschaft und gestalten ihr Leben nicht entsprechend dem Ruhm dieses Landes. Als Erstes müsst ihr die Heiligkeit dieses grossen Lan- des Indien erkennen. Wie kann jemand, der sein eigenes Zuhause nicht schützen kann, das anderer beschützen?

338 Liebe Studenten! Gebt die Idee auf, um einer höheren Bildung oder ei- ner Arbeitsstelle willen ins Ausland zu gehen. Selbst wenn ihr nicht in der Lage sein solltet, in eurem Land eine Anstellung zu finden, bleibt hier und dient dem Land. Dient der Gesellschaft und bringt eurem Hei- matland Ehre und Ruhm. Erwerbt den ehrenhaften Ruf: “Dieser Student ist ein Held im Handeln und in spiritueller Disziplin.“ Ihr alle kennt Abdul Kalam, den indischen Präsidenten und Ehrengast der heutigen Ver- anstaltung. Ich kann euch sagen, dass er nicht ins Ausland gegangen ist, weder auf der Suche nach Arbeit noch wegen Geld. Er ist ein grosser Wissenschaftler. Seine ganzen wissenschaftlichen Kenntnisse hat er ausschliesslich von indischen Universitäten erhalten. Was ist in ande- ren Ländern zu finden, was nicht schon hier vorhanden ist? Es heisst: Was nicht in Indien vorhanden ist, ist auch woanders nicht zu finden. Alle Macht und aller Ruhm befinden sich allein in Indien. Was könnt ihr in einem fremden Land ausrichten, das vertrocknet ist, wenn ihr dafür ein so grosses Land wie Indien verlassen müsst, das sich im Ruhm, in der Ehre und dem Prestige der Welt sonnt? Ihr benutzt eure ganze Bildung und alle eure Energien, um ein fremdes Land weiterzuentwik- keln. Warum nutzt ihr sie nicht stattdessen für die Entwicklung eures eigenen Landes? Warum dient ihr nicht den Menschen eures eigenen Landes? Ihr werdet nur dann Ruhm erlangen, wenn ihr eure Bildung zum Schutz eures Heimatlandes nutzt. Als Erstes müsst ihr hart arbei- ten. Ihr müsst Helden im Handeln werden. Es steht euch nicht zu, eure Zeit in müssigem Geschwätz zu verbringen, ohne euch auf handfeste Arbeit für das Wohl der Nation einzulassen. Beugt euren Körper und arbeitet hart, um Ehre zu erlangen. Ein in die Erde gesätes Samenkorn verliert seine Form, um schliesslich zu einem riesigen Baum zu werden, der süsse Früchte erzeugt. Um bei diesem Vergleich zu bleiben: Nur wenn ihr euer Ego auflöst und eure Identität verliert, kommt die wahre Frucht eurer Handlungen zum Vorschein. Beseitigt deshalb eure Bin- dung an den Körper und entwickelt Bindung an das Land. Heutzutage werdet ihr nirgendwo Bindung an das Land finden. Viele Studenten ken- nen heutzutage nicht einmal die Nationalhymne und können sie nicht singen. Aber erstaunlicherweise kennen sie jede Menge Kinoschlager! Warum lernt ihr nicht, die Nationalhymne zu singen und versucht, die Herrlichkeit und die Vorzüge Indiens, die dort beschrieben sind, zu ver- stehen?

Liebe Studenten! Ihr müsst die Ehre dieses grossen Landes schützen. Ihr müsst Selbstachtung entwickeln. Wer seine Selbstachtung verloren hat, kann keinen Ruhm erlangen. Selbstachtung entsteht nur aus spi-

339 ritueller Disziplin. Die Studenten wollen heutzutage Reichtum, Körper- kraft und einen Freundeskreis erwerben. Was ist mit dem Charakter? Was bringt es, die drei zu erlangen, ohne Charakter zu besitzen? Wenn die Leute jemanden treffen, sagen sie “hallo“ und versuchen Freund- schaft zu schliessen. Diese Freundschaft beruht nur auf “hallo, hallo“, aber innen ist alles hohl. Ihr müsst deshalb dem Charakter den ersten Rang einräumen. Wenn ihr andere achtet, werden sie wiederum euch achten. Ihr beklagt euch darüber, dass andere euch nicht achten. Aber habt ihr zuerst euch selbst gefragt, ob ihr andere achtet? Wenn ihr an- deren helft und dient, werden sie euch dienen und helfen. Was ihr von anderen erwartet, solltet ihr zuerst anderen tun. Nur dann wird die ent- sprechende Reaktion, Widerspiegelung und der Widerhall entstehen. Ihr mögt eure Nachbarn achten und euch nach ihrem Wohlergehen er- kundigen, ihr mögt reich und gross sein und ein bequemes Leben füh- ren: Wenn ihr keinen Charakter besitzt, sind all diese Dinge wertlos.

Liebe Studenten! Ihr müsst die menschlichen Werte der Wahrheit, des rechten Handelns, des Friedens, der Liebe und Gewaltlosigkeit kulti- vieren. Wie könnt ihr euch selbst Mensch nennen, ohne menschliche Werte zu kultivieren? Nur aufgrund der menschlichen Werte geltet ihr als Mensch. Wenn ihr nicht die menschliche Eigenschaft besitzt, an- dere zu achten, wie könnt ihr dann erwarten, dass andere euch achten? Die menschlichen Werte sind göttliche Eigenschaften. Durch diese Ei- genschaften ist alles erreichbar.

Verkörperungen der Liebe! Liebe ist eine Qualität, die jedes Lebewesen durchdringt. Wahrheit ist tatsächlich die Form der Göttlichkeit. Sie ist in euch, mit euch, um euch herum und überall und schützt euch immer. Ihr braucht nicht nach Gott an einem entfernten Platz zu suchen. Wahr- heit ist die Form Gottes selbst. Bewegt euch niemals von der Wahrheit weg, selbst wenn euer Leben in Gefahr ist! Haltet jederzeit an der Wahr- heit fest.

Verkörperungen der Liebe! Der eine mag ein grosser Mensch sein und ein anderer ein Bettler. Aber die beiden Personen zugrunde liegende Wahrheit ist dieselbe. Wenn ihr diese Wahrheit erkennt und verwirk- licht, wird alles eins werden. Diese Art Einheit muss erreicht werden. Wenn ihr das Einheitsprinzip in allen Menschen erkennt, könnt ihr die wahre Göttlichkeit verwirklichen. Vergegenwärtigt euch das Prinzip der Einheit in der Vielfalt, das sich im Universum ausdrückt. Zum Beispiel befinden sich hier in dieser Sai Kulwant Halle verschiedene Arten von

340 Glühbirnen, aber der in diesen Glühbirnen fliessende Strom ist dersel- be. Die indische Kultur hat ein Ideal verkündet: All dies ist wahrhaft Brahman, das alles durchdringende göttliche Prinzip. Das ist die Wahr- heit. Wenn ihr diese Wahrheit erkennt, werden euch alle Annehmlich- keiten und alles Glück zufallen. Ihr braucht nicht darum zu kämpfen. Lernt, gute Worte zu sprechen. Verletzt niemals jemanden mit bar- schen Worten. Sprecht sanft und liebevoll, um alle Menschen glücklich zu machen.

Verkörperungen der Liebe! Gute Worte erzeugen gute Handlungen. Ihr könnt nicht immer gefällig sein, aber ihr könnt immer gefällig sprechen. Wenn ihr in dieser gefälligen Weise sprecht, wie sehr wird euer Status dann wachsen! Die Gesellschaft wird euch dann respektieren. Ich habe oft das Beispiel des verstorbenen amerikanischen Präsidenten Abra- ham Lincoln erwähnt. Er hatte in seiner Kindheit nicht genug Geld zum Studieren und war so arm, dass er unter den Strassenlaternen auf dem Marktplatz zu sitzen pflegte und dort las. Er lieh sich von seinen Klas- senkameraden Bücher, las sie nachts und gab sie ihnen am nächsten Morgen zurück. Eines Tages machten sich seine Freunde über ihn lu- stig und spotteten, wie dieser Bettler wohl seiner Ausbildung nachkom- men könnte. Lincoln war sehr traurig und gedemütigt und ging weinend nach Hause. Seine Mutter versuchte, ihn mit besänftigenden Worten zu trösten und fragte: “Mein lieber Sohn, warum weinst du? Was ist der Grund?“ Er erwiderte: “Mutter, ich besitze nicht einmal Geld für eine Tasse Tee. Ich bin mir unserer häuslichen Situation bewusst und weiss, dass du und Vater es sich nicht leisten können, Geld für meine Aus- bildung aufzubringen.“ Auf diese Weise kämpfte Lincoln hart in den Ta- gen seiner Kindheit. Er lernte gut, mit Selbstvertrauen und Selbstach- tung und der moralischen Unterstützung seiner Mutter. Er zögerte nicht, das Familieneinkommen durch etwas Malerarbeit und Schuhputzen aufzubessern. Nichtsdestoweniger bewahrte er während seines Bil- dungswegs seine Selbstachtung und erlangte dadurch einen guten Ruf in der Gesellschaft. Mittlerweile konnte er einen kleinen Job erhalten. Mit dem mageren Einkommen daraus unterstützte er seinen Vater und seine Mutter. Der gute Name, den er in der Gesellschaft erhielt, brachte ihm Respekt und Liebe ein. Im Lauf der Zeit kamen die Wahlen. Seine Gönner und Anhänger rieten ihm, sich für die Wahlen aufstellen zu las- sen und sicherten ihm ihre Unterstützung und ihre Stimmen zu. Auf ih- ren Rat hin kandidierte er für die Wahlen und wurde in die Stellung des amerikanischen Präsidenten gewählt. Wie konnte der mittellose Sohn eines armen Tischlers, dem das Geld fehlte, um auch nur die grund-

341 legende Bildung zu erhalten, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden? Nur aufgrund von Selbstachtung und Selbstvertrau- en, die er von Kindheit an beharrlich kultivierte. Deshalb, liebe Studen- ten! Gebt niemals eure Selbstachtung auf, egal, wo und in welchen Um- ständen ihr euch befindet. Versichert euch immer: “Ich bin ein Mensch und kein Tier.“ Der Mensch spielt heutzutage mit dem Feuer der Sin- nesfreuden. Aber wie lange könnt ihr so weitermachen? Sich auf dieses Spiel einzulassen hat absolut keinen Sinn. Euer ganzer Wohlstand und all eure Freuden werden im Nu verschwinden. Selbstachtung allein wird euer ganzes Leben lang euer Begleiter sein. Entwickelt deshalb Selbst- achtung; es ist eine göttliche Qualität. Nur dann könnt ihr die höchste Ehre des Landes erreichen. Heute Abend werden unsere Studenten ein Theaterstück aufführen. Die Darstellung beruht in Wirklichkeit auf der Lebensgeschichte Lin- colns. In diesem Stück wollte ein Student Medizin studieren, um Arzt zu werden. Er arbeitete hart, lernte sogar unter den Strassenlaternen und erhielt die Zulassung für ein namhaftes medizinisches College. Als Gebühr hatte er 500’000 Rupien zu zahlen, die er nicht aufbringen konnte. Als er sich deprimiert und niedergeschlagen fühlte, tröstete ihn sein Vater mit den Worten: “Lieber Sohn, mache dir keine Sorgen. Gott ist da, um deinen Wunsch zu erfüllen. Er beschützt immer alle Men- schen.“ Diese weisen Worte hinterliessen in seinem Herzen einen un- auslöschlichen Eindruck. Am nächsten Tag sass er im Garten des Col- leges und begann, einen Brief an Gott zu schreiben, in dem er seinen Wunsch erklärte und zugleich seine Unfähigkeit, ihn sich zu erfüllen. “O Gott, die Menschen behaupten, du seist allgegenwärtig; auch mein Vater sagte mir dies. Ich habe volles Vertrauen in die Worte meines Vaters. Wenn du wirklich allgegenwärtig bist, warum manifestierst du dich dann nicht vor mir und erfüllst meinen Wunsch?“ Während er die- sen Brief schrieb, läutete die Glocke und er stand hastig auf, um ins Klassenzimmer zu gehen, wobei der Brief unbemerkt von seinen Bü- chern rutschte. Ein Reicher, der etwas später in den Garten kam, be- merkte den Brief, hob ihn auf und las ihn. Er war tief bewegt von der Entschlossenheit des Jungen, trotz der fehlenden finanziellen Mittel Medizin zu studieren. Deshalb ging er direkt zum Leiter des Medizin- colleges, zeigte ihm den Brief, den der Junge an Gott adressiert hatte und zahlte die gesamten Gebühren für die ganzen fünf Jahre auf einen Schlag. Er bat den Leiter, dem Jungen seine Identität nicht zu enthüllen, bevor er nicht sein Studium beendet hätte. Der Rektor rief den Jungen herbei und sagte zu ihm: „Mein lieber Sohn, sorge dich nicht wegen der Gebühren. Jemand hat sie schon für dich bezahlt. Du besitzt absolutes

342 Gottvertrauen. Du wirst das Studium sicherlich vollenden und mit Got- tes Gnade erstklassig abschliessen.“ Als er seine medizinische Aus- bildung beendet hatte und Arzt wurde, gratulierten ihm seine Freunde mit den Worten: “Du wirst ein grosser Arzt werden und viel Geld ver- dienen.“ Aber der Junge erwiderte: “Ich bin nicht daran interessiert, Geld zu verdienen. Der Zweck meines Medizinstudiums liegt darin, den Menschen zu dienen. Mein Leben ist dem Dienst an der Gesellschaft geweiht. So wie ich dieses Studium absolvierte, ohne Gebühren zu zah- len, so will ich auch den Leuten dienen, ohne von ihnen Gebühren zu verlangen.“ Sind heutzutage solche Jungen zu finden? Nur sehr selten. Ihr könnt euer Kind in keiner Schule einschreiben, ohne Gebühren zu zahlen. Sogar für ein neu geborenes Kind wird schon ein Schulplatz im Voraus reserviert! Durch das Zahlen von zwanzig- oder dreissig- tausend Rupien reserviert ihr euch einen Platz. Aber Glaube kann Wun- der bewirken. Einem Menschen, der Selbstvertrauen und absolutes Gottvertrauen besitzt, ist alles möglich. Glaube ist der Schlüssel. Wie kann man ohne Glauben in dieser Welt leben? Die Menschen haben ihre Augen des Glaubens und Vertrauens verloren und sind in dieser Welt blind geworden. Es bringt nichts, eure physischen Augen zu öff- nen. Öffnet euer inneres Auge der Weisheit. Nur dann könnt ihr das gewünschte Ergebnis erhalten.

Verkörperungen der Liebe! Ihr habt lange Zeit in Swamis Institut stu- diert. Habt ihr jemals irgendein Geld für eure Ausbildung hier bezahlt? Sagt es mir ehrlich. Ich sorge mich immer darum, ob ihr während eures Aufenthalts in dieser Institution bei irgendeiner Gelegenheit Geld aus- zugeben hattet. Ich enthülle euch einen kleinen Vorfall, der vor einiger Zeit geschah. Normalerweise spreche ich nicht über solche Dinge. Für gewöhnlich studieren die Studenten in der Prüfungszeit die ganze Nacht und lassen dabei das Licht brennen. Eines Tages riet der Leiter des Wohnheimes den Studenten, ihre nächtliche Studienzeit zu redu- zieren, weil die Stromgebühren allmählich stiegen. Die Studenten schenkten dem Rat keine Beachtung und studierten weiterhin viele Stunden bis tief in die Nacht hinein. Als Folge davon sammelte sich eine riesige Stromrechnung an. Mittlerweile schnitt genau zwei Monate vor den Prüfungen das Elektrizitätswerk das Wohnheim von der Stromver- sorgung ab, weil die Rechnung nicht gezahlt war. Man kann ihnen des- wegen keinen Vorwurf machen, es ist ihre Pflicht. In den Räumen des Wohnheimes gab es also kein Licht und die Studenten waren vielen Unannehmlichkeiten ausgesetzt. Der Leiter des Wohnheimes kam zu mir und erläuterte ihre Notlage. Ich fragte ihn, warum er mir nicht früher

343 davon erzählt habe. Er erwiderte: “Swami! Du gibst so viel Geld für die Ausbildung der Studenten aus und übernimmst so viel Verantwortung. Wie kann ich dir noch mehr Last aufladen? Aus diesem Grund erzählte ich dir nicht davon.“ Ich fragte ihn nach dem Rechnungsbetrag. “70’000 Rupien“, erwiderte er. Ich wies ihn daraufhin an: “Gehe sofort los und zahle die ganze Rechnung und bitte die Leute vom Elektrizitätswerk, die Stromversorgung sofort wieder aufzunehmen. Sage den Studenten nichts von dem, was zwischen dir und mir geschah.“ Auf diese Weise mache ich mir so viel Mühe, um für die Bequemlichkeit und das Wohl- ergehen der Studenten zu sorgen. Ich habe heute Herrn Paramahamsa einen Scheck im Wert von sechs Millionen Rupien überreicht, die im Namen der sechzig Kinder angelegt werden sollen, die unter dem Plan „Shri Sathya Sai Dinajanoddharana Pathakam“ adoptiert wurden. Vor einiger Zeit las ich einen Bericht über eine Mutter, die Selbstmord beging, nachdem sie ihren drei Kindern Gift gegeben hatte. Sie verübte diese grausame Tat, weil niemand da war, der sich nach dem Tod ihres Ehemannes um sie kümmerte. Ich war sehr traurig, als ich diese Nachricht las. Unser Land Indien hat den Bei- namen „die Nahrung Spendende” erworben. Wie kann man in so einem heiligen Land stummer Zeuge davon sein, wie Leute durch Hunger und Armut sterben? Deshalb beschloss ich, ein Projekt durchzuführen, in dessen Rahmen arme Kinder, die ihren Vater und in manchen Fällen beide Elternteile verloren haben, adoptiert und mit der nötigen Nah- rung, Kleidung und Unterkunft versorgt werden. Auch für ihre Ausbil- dung wird gesorgt. Diese Kinder werden aus den Gebieten Bukkapat- nam, Kotacheru und Puttaparthi ausgewählt. Sie stammen aus sehr armen Familien, denen es schwer fällt, sich selbst zu ernähren. Wir sag- ten den Kindern: “Wir werden euch Nahrung, Unterkunft und auch Aus- bildung geben und euch unabhängig machen. Ihr braucht euch nicht zu sorgen.“ In der kurzen Zeitspanne von nur einem Monat liess ich Häuser für sie errichten. Auf den Namen eines jeden Kindes sind 100’000 Rupien angelegt. Bis sie ihre Ausbildung abgeschlossen ha- ben, wird dieses Geld sich auf 300’000 bis 400’000 Rupien vervielfacht haben und sie können ein sorgenfreies Leben führen. Als dies ange- kündigt wurde, konnten die Leute es zunächst nicht glauben. Wie könn- ten sie daran glauben? Sie lassen sich von Unwahrheit beeinflussen und wenn ihnen die Wahrheit gesagt wird, sind sie nicht bereit, sie zu glauben. Für die Kinder wird sehr gut gesorgt. Paramahamsa kümmert sich voller Liebe um sie alle. Täglich werden die Kinder in einem Bus zu Swamis Darshan hierher gebracht. Sie sind überglücklich. Sie lernen sogar die

344 vedischen Mantren. Wenn immer ich sie frage: “Seid ihr glücklich?“, ant- worten sie: “Ja, Swami. Wenn du gleich dem Wunsch erfüllenden Baum für uns sorgst, wie könnten wir nicht glücklich sein?“ Ihr Glück entsteht daraus, dass man sich mit Liebe um sie kümmert. Geld kann einem die- ses Glück nicht vermitteln. Auf diese Weise führen wir viele heilige Ak- tivitäten durch. Ich bin nicht daran interessiert, sie zu veröffentlichen. Auch wenn manche Leute das nicht glauben, es kümmert mich nicht. Ich werde meinen Entschluss nicht aufgeben. Wir sollten den Armen und Bedürftigen helfen und uns um die Verbesserung ihrer Lebensbe- dingungen bemühen. Sie sind Menschen wie wir und sollten wie unser Eigen behandelt werden.

Studenten! Ihr habt eure Ausbildung abgeschlossen und es ist Zeit für euch, zu euren jeweiligen Heimatorten zurückzukehren, geeignete Ar- beitsstellen anzunehmen und euren Eltern zu dienen. Gelegentlich könnt ihr hierher kommen, um eure Batterien aufzuladen, sonst könnte es sein, dass ihr das hier Gelernte vergesst. Euer Aufenthalt hier ist nur dann von Bedeutung, wenn ihr das hier Gelernte praktiziert. Swami forderte Herrn Raghupati Rao auf, aufzustehen und erzählte: Er verlor seinen Vater, als er sehr jung war. Er kam mit seiner Mutter hierher. Ich gab ihr eine Arbeit im Anantapur Wohnheim. Nach einiger Zeit starb sie ebenfalls. Daraufhin brachte ich diesen Jungen hierher und bildete ihn aus. Er hat seinen Master of Business Administration abgeschlossen und arbeitet gegenwärtig als Dozent in unserer Brindavan Universität. Er ging seiner Ausbildung beharrlich und auf- richtig nach. Ich habe mich um viele solche Studenten gekümmert. Es ist meine Pflicht, denn alle sind mein. Ich gehöre zu ihnen und alle ge- hören zu mir. Weil für sie mit so viel Liebe gesorgt wird, wachsen sie zu idealen Bürgern heran. Er ist das beste Beispiel dafür. Er ist ein sehr guter Junge, er würde älteren Menschen nie widersprechen und andere niemals um etwas bitten. Zu Beginn sagte ich ihm: “Wenn du irgend- etwas brauchst, bitte nicht andere darum. Komme direkt zu mir und ich werde es dir geben.“ Der Grund, warum ich euch das alles erzähle, ist folgender: Auch ihr solltet so heilige Arbeiten durchführen. Dienst an der Gesellschaft ist sehr wichtig. Der beste Weg, Gott zu dienen, be- steht darin, alle zu lieben und allen zu dienen. Lasst andere denken, was immer sie wollen, ihr solltet an diesem heiligen Weg festhalten. Dient euren Eltern und verletzt niemals ihre Empfindungen. Das ist die Essenz der Bildung. Bildung verleiht Demut, was wiederum Verdienst verleiht. Verdienst führt zu allen Arten des Wohlstandes,

345 wodurch der Mensch hier und im Jenseits Glück erlangen kann. Demut ist das Kennzeichen von Erziehung. Gebt das Ego auf und dient der Gesellschaft mit Selbstvertrauen. Studenten, die nicht einmal einen Cent besassen, verdienen jetzt monatlich Tausende von Rupien. Es sind gute Jungen. Deshalb werden sie keine Probleme haben. Ich wer- de mich um ihre Zukunft kümmern. Ich sagte diesem Jungen, er könne nach draussen gehen und eine Arbeitsstelle annehmen, wenn er es wünsche. Aber er wollte nirgendwo hingehen. Deshalb gab ich ihm hier eine Stelle mit gutem Gehalt. Um wen auch immer es sich handelt, ich will nicht, dass irgendjemand hier ohne Gehalt arbeitet. Die Leute draussen mögen es nicht wissen: Ich nehme nicht einmal einen Cent von ihnen an. Ich führe gute Arbeit durch und deshalb kommt, was im- mer ich benötige, von selbst zu mir. Hunderttausende Devotees kom- men hierher. Habe ich irgendjemanden um irgendetwas gebeten? Nie- mals. Viele Devotees kommen seit mehr als vierzig Jahren hierher, aber ich habe sie nie um einen Gefallen gebeten. Ich werde niemals bitten. Ich werde meinen Beschluss nicht aufgeben und werde fest entschlos- sen das gute Werk fortsetzen. Meine Mission wird unausweichlich er- folgreich sein. Sie wird niemals fehlschlagen.

Man sollte sich gut um Kinder kümmern. Junge Männer und Frauen soll- ten zu idealen Bürgern geformt werden. Das ist für mich das grösste Glück. Die Kinder sind mein Eigentum. Ich bin glücklich, wenn sie im Leben vorankommen und sich einen guten Namen machen. Ich erwarte nichts anderes.

Studenten! Ihr erhaltet heute eure Diplome. Die Universität gibt euch einen Bildungsabschluss, ich hingegen gebe euch einen Abschluss in Educare. Der Abschluss, den ich euch verleihe, bezieht sich auf die Glückseligkeit des Göttlichen Selbst. Das ist Educare. Erfüllt eure Pflicht gewissenhaft und ich werde mich um eure Bedürfnisse küm- mern. Gebt Faulheit keinen Raum. Wer faul ist, setzt Rost und Staub an; Verwirklichung ist das Beste und schenkt Frieden. Seid bereit, den Weg der Selbstverwirklichung zu gehen.

Ich freue mich sehr darüber, dass unser Präsident Abdul Kalam hierher gekommen ist und als Ehrengast an der Versammlung der Universität teilgenommen hat. Seine Liebe zur Nation ist gross. Er ist Moslem von Geburt, aber er macht keinerlei Unterschiede. Er liebt alle und behan- delt alle gleich. Er hat sein ganzes Wissen in Indien selbst erworben. Er ist ein vortrefflicher Wissenschaftler. Es gibt im Land viele Wissen-

346 schaftler, aber was bringt das? Entsprechend dem Gedicht: “Funkle, funkle kleiner Stern, wie gerne würde ich wissen, wie du aussiehst!” werden sie von fremden Ländern angezogen. Aber Abdul Kalam gehört nicht zu diesen Menschen. Er besitzt nicht einmal eine Spur Ego. Sein reines Herz ist sein schönster Schmuck. Er ist ein Muster an Tugenden. Deshalb konnte er Präsident dieses Landes werden. Ich wünsche, dass er während seiner Amtszeit Indiens ursprüngliche Herrlichkeit wieder zurück bringt.

347

23. November

Hört auf den Meister des Universums und trans- formiert euch selbst in ideale Menschen

Wer lässt mit absoluter Regelmässigkeit täglich die Sonne morgens aufgehen und abends untergehen? Warum funkeln die Sterne nur nachts und verstecken sich am Tage? Wie kommt es, dass der Wind unablässig weht und die Lebewesen erhält, ohne auch nur einen Augenblick zu ruhen? Wer lässt die Flüsse mit ihrem angenehmen Plätschern und Sprudeln ständig fliessen? Wer ist in dieser Schöpfung die Ursache von Täuschung? Wie kommt es zu den Unterschieden auf der Basis von Geld, Religion, Gemeinschaft und Nationalität? Wer ist der Herr und unter wessen Oberherrschaft finden all diese erstaunlichen Wunder statt? Kommt, lauscht seinen Worten und folgt seiner Anweisung!

Verkörperungen der Liebe! Jeder Mensch und jedes Lebewesen strebt nach Frieden und Glück. Aber der Mensch ist nicht fähig, das Wesen der Schöpfung zu verstehen. Jeder versucht, das Ziel des Lebens zu kennen, aber erfolglos. Einer aus einer Million wird mit starker Ent- schlusskraft durchhalten und nicht aufgeben, ehe er das Ziel erreicht hat. Gewöhnliche Sterbliche versuchen dies nicht, weil sie glauben, es befände sich ausserhalb ihrer Reichweite. Sie verbringen ihr Leben in der Jagd nach körperlichen, vergänglichen Freuden und halten Nah- rung, Kleidung und Unterkunft für die drei Hauptziele des menschlichen Lebens. Die Menschen lassen sich täuschen, wenn ihr Leben sich um Nahrung, Schlaf, Familie, Kinder und Verwandte dreht. Denn es gibt ein höchstes Ziel darüber hinaus. Um in ihrem alltäglichen vergänglichen Leben weiterzukommen, führen die Menschen verschiedenartige spirituelle Übungen durch. Die Tait- tiriya-Upanishad gibt in diesem Kontext die Analogie eines Vogels. Der Kopf dieses Vogels wird Beständigkeit und fester Glaube genannt, der rechte Flügel wird mit der Göttlichen Ordnung und höchsten Wahrheit und der rechte mit Wahrheit und Aufrichtigkeit verglichen. Der mittlere

349 Teil des Körpers symbolisiert das höchste Prinzip, und der Schwanz des Vogels spirituelle Praxis. Die höchste Wahrheit und Göttliche Ordnung bleibt in den drei Zeitpe- rioden, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unverändert. Wahr- heit im täglichen Leben hingegen mag sich mit dem Ablauf der Zeit, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in begrenztem Ausmass än- dern. Beständigkeit und fester Glaube ist sehr, sehr wichtig. Durch bestän- digen Glauben gewinnt man Weisheit. Krishna erklärte in der Bhaga- vadgita: “Jemand mit beständigem festen Glauben kann mich errei- chen“, und er erklärte ebenso: “Ich bin die Personifizierung von Beständigkeit und Glaube“. Beständigkeit ist für jede Aufgabe wichtig. Ohne Beständigkeit kann man nicht einmal eine kleine Aufgabe voll- bringen. Vor allem im Bereich der Spiritualität ist Beständigkeit sehr we- sentlich. Um das eigene Bestreben zu stärken, ist ein beständiger Glau- be sehr wichtig. Dies wird in den Upanishaden auf verschiedene Weise erörtert. Durch beständigen Glauben erlangte Weisheit ist befreiend. Weisheit ohne Beständigkeit ist veränderlich, bindend und kann zum Tod führen. Der Mensch muss heutzutage das Wissen vom Unverän- derlichen erlangen und dieses ewige Prinzip praktizieren und verbrei- ten. Das ist die grundlegende Lehre der Taittiriya-Upanishad. Aber nicht viele bemühen sich darum, dies zu verstehen.

Verkörperungen der Liebe! Die Taittiriya-Upanishad spricht auf sehr heilige Art und Weise über die Weisheit. Sie betont die Notwendigkeit, in allen Lebensbereichen, sei es im ethischen, wissenschaftlichen, weltlichen oder spirituellen Leben Beständigkeit und festen Glauben zu entwickeln. Vor allem im spirituellen Bereich ist Beständigkeit nahezu ein Mantra und dieser führt zu festem Glauben und Befreiung. Ohne Beständigkeit würde es zum Veränderlichen führen. Im Veränderlichen ist Beständigkeit nicht zu finden. Beständigkeit hingegen ist in allen drei Zeitperioden ewig, unsterblich und unwandelbar. Der Mensch kann nur dann Weisheit entwickeln, wenn er diese fünf Glieder des Körpers, be- ständiger Glaube, höchste Wahrheit, Aufrichtigkeit, das höchste Prin- zip und Gottvereinigung versteht, praktiziert und darin seine Erfüllung findet. Ihr müsst als Erstes die Bedeutung von Göttlicher Ordnung, höchster Wahrheit und Nicht-Dualität erkennen. Die Essenz dieser drei ist wahre Weisheit. Weisheit ist nicht Bücherwissen. Weisheit besteht auch nicht allein in der Erfahrung der Nicht-Dualität. Sogar in der Dualität befindet

350 sich die Nicht-Dualität. Diese höchste Wahrheit lehrt die Taittiriya-Upa- nishad. Als Adi Shankaracarya auf seinem Siegesmarsch ganz Indien durch- wanderte, traf er im Norden Indiens auf einen grossen Gelehrten na- mens Mandana Mishra. Adi Shankaracarya liess sich auf eine ge- lehrte Diskussion mit ihm ein. Ubhayabharati, Mandara Mishras Frau, war ebenfalls sehr gelehrt und voller Reichtum und Fülle in dem Sinn, dass sie in den Prinzipien der Wahrheit, der höchsten Wahrheit und der göttlichen Weisheit wohl bewandert war. Adi Shankaracarya wählte Ubhayabharati als Schiedsrichterin in dem Wettstreit und es wurde ent- schieden, dass Mandana Mishra Sannyasin würde, wenn er die De- batte verlöre. Während der Debatte hörte Ubhaya Bharati den Argu- menten und Gegenargumenten mit höchster Konzentration zu. Sie war unparteiisch in ihrem Urteil und erklärte Adi Shankaracarya zum Sie- ger und ihren Ehemann zum Verlierer des Wettstreits. Entsprechend der Absprache nahm Mandana Mishra den Stand des Sannyasin an. Da Ubhaya als seine Ehefrau seine zweite Hälfte war, tat sie dasselbe. Beide entsagten der Welt und lehrten den Weg der Weisheit. Ohne Weisheit ist das menschliche Leben wertlos. Man sollte nach- denken und sowohl in grossen als auch in kleinen Dingen sein Unter- scheidungsvermögen einsetzen. Ubhaya Bharati sagte, um das heilige Wissen zu erlangen, sollten wir dem dreifachen Weg folgen; darin läge wahre Weisheit. Ubhaya Bharati war nie bekümmert darüber, dass ihr Ehemann die Debatte verlor, noch war ihr Ehemann über seine Nie- derlage betrübt. Aber er konnte seine eigene Kraft nicht klar verstehen und ebenso wenig die Form der höchsten Wahrheit und der Göttlichen Ordnung, erfassen.

Vor dem Essen sollte man beten:

Nahrung ist Gott, die Essenz der Nahrung ist Vishnu und der, welcher die Nahrung zu sich nimmt, ist Shiva.

Nahrung ist Gott. Wenn diese Nahrung in den Körper gelangt, wird die Essenz der eingenommenen Nahrung im ganzen Körper verteilt und in Blut umgewandelt, das wiederum dem Körper Kraft gibt. Es heisst, der, welcher die Nahrung zu sich nimmt, ist Vishnu, das heisst derje- nige, der das Essen zu sich nimmt, ist Gott. Dieses Prinzip ist eine Lehre für die ganze Welt.

351 Diejenigen sind erhabene Seelen, bei denen Gedanke, Wort und Tat völlig übereinstimmen. Die Einheit von Gedanke, Wort und Tat reprä- sentiert die Dreiheit von Brahma, Vishnu, Shiva. Um wen auch immer es sich handeln mag, zu welcher Zeit auch immer, diese drei Werte müssen geheiligt und eingehalten werden. Nehmt zum Beispiel eine Glühbirne, die von einem Glasschirm bedeckt ist. Nach einiger Zeit wird sich eine dünne Schicht Russ auf dem Glas ansammeln und als Folge davon wird das Licht schwächer. Aufgrund dieser Unreinheit strahlt das Licht nicht mehr hell. Nur wenn wir das Glas reinigen, ist das Licht wieder hell und klar. Das solltet ihr in Be- ziehung zu eurem Lebenslicht tun. Die Russschicht auf dem Glas ist dem Ego vergleichbar; es ist der Russ der Täuschung, der euren Geist umnebelt. Aufgrund des Egos könnt ihr die göttliche Flamme der Weis- heit nicht wahrnehmen. Wenn ihr den natürlichen Weg des Lebens, den Weg der Wahrheit aufgebt, dringt Ego ein. Wenn ihr euer Göttliches Selbst nicht kennt, dringt Ego ein. Wenn ihr weltliche Gedanken in euch einlasst, entsteht Ego. Wenn ihr eine Autoritätsstellung erhaltet, ent- steht Ego. Ihr müsst all das verhindern. Ohne das Ego zu disziplinieren, könnt ihr keine Weisheit erlangen. Um das strahlende göttliche Licht Atmans zu schauen, solltet ihr die Russschicht auf dem Glas, die Un- reinheit des Egos, beseitigen.

Ubhaya Bharati errichtete eine Einsiedelei an den Ufern des Ganges und unterwies die Frauen in spirituellen Themen. Viele Frauen wurden ihre Schülerinnen und lauschten ihren Lehren. Täglich begaben sie sich in den frühen Morgenstunden zum Ganges, um ihr Bad zu nehmen. Un- terwegs trafen sie auf einen dort lebenden Sannyasin, den die Leute “Brahma jnani“ nannten. Er hatte der Welt entsagt, um wahre Weisheit zu erlangen. Aber Ubhaya Bharati bemerkte einen kleinen Fehler an ihm. Er hing sehr an einem kleinen irdenen Krug, in dem er Wasser auf- bewahrte. Eines Tages legte er sich hin und benutzte den Krug als Kopf- kissen, damit niemand ihn stehle. Ubhaya Bharati bemerkte es, als sie mit ihren Schülerinnen auf ihrem Weg zum Ganges war und stellte fest: “Obwohl er weise ist, hat er einen kleinen Fehler. Er hat zwar der Welt entsagt, ist aber an diesen irdenen Krug gebunden, den er zum Schutz vor Dieben als Kopfkissen benutzt.“ Der Sannyasin hörte ihr Gespräch und wurde ärgerlich. Als Ubhaya und ihre Schülerinnen vom Ganges zurückkamen, warf er den Krug fort, um zu zeigen, dass er nicht an ihn gebunden war. Als sie das sah, bemerkte Ubhaya Bharati: “Ich dachte, er hätte nur einen Fehler – Anhaftung. Jetzt erkenne ich, dass er noch einen anderen Fehler hat, nämlich Ego. Aufgrund von Anhaftung brach-

352 te er den Krug in Sicherheit und aufgrund seines verletzten Egos warf er ihn fort. Wie kann jemand mit Ego und Anhaftung ein Weiser sein?“ Dem Sannyasin wurden dadurch die Augen geöffnet. Ubhaya Bharati bereiste das ganze Land, lehrte die Menschen Weis- heit und verbreitete die Essenz dieser Weisheit. Als Auswirkung des Eisernen Zeitalters werden Frauen nicht geachtet. Aber ihre Spiritua- lität und ihr Wissen sind transzendentaler Natur. Tatsächlich sind Frau- en die Verkörperungen von Intelligenz, Erkenntnis und höchster Weis- heit. Frauen haben auffallende und bemerkenswerte Wesenszüge. Ihr könnt sie nicht gering achten, nur weil sie Frauen sind. Sie verkörpern alle Energie, sie sind die Verkörperungen der Weisheit. Wir haben die Frauen, die Verkörperungen der Weisheit, zu respektieren. Heutzutage befinden sich die Frauen in einem Wettstreit mit den Män- nern um Arbeitsstellen; doch bevor sie das tun, müssen sie sich um die Bedürfnisse des Heims kümmern. Wer wird sich um das Heim küm- mern, wenn die Frauen arbeiten gehen? Wenn Ehemann und Ehefrau ins Büro gehen, wer erledigt dann die Hausarbeit? Wenn die Frauen aus dem Haus gehen, um die Kinder anderer zu unterrichten, wer schaut dann nach ihren eigenen Kindern? Wenn die Frauen, wie die Männer, mit Akten in der Hand arbeiten gehen, wer bereitet dann in der Küche das Essen zu? Geld zu verdienen mag ein paar finanzielle Pro- bleme lösen, aber wie kann das die häuslichen Probleme lösen? Wenn Frauen weggehen um Geld zu verdienen, mögen finanzielle Engpässe gelöst werden, aber zu Hause wird das viele Probleme bereiten. Frauen verkörpern Mut und Entschlusskraft. Sie ertragen alle Härten mit Tap- ferkeit und bewahren die Ehre und das Prestige ihrer Familie. Sie leben entsprechend ihres Rufes einer Hausfrau. Ubhaya Bharati lehrte die- sen Idealismus. Um Weisheit zu erlangen muss der Mensch die folgende dreifache Wahrheit beachten: Sprich die Wahrheit, sprich angenehm und sprich keine lieblose Wahrheit. Dies entspricht jeweils den moralischen, lie- bevollen und spirituellen Werten. Alles ist in der Wahrheit enthalten. Wahrheit ist für jeden Gott. Ihr braucht auf der Suche nach Gott keine Tempel aufzusuchen. Wahrheit ist wahrhaft Gott. Wahrheit ist überall. Wahrheit wird allen Fülle und Wohlergehen verleihen. Folgt deshalb dem Weg der Wahrheit. Praktiziert die Göttliche Ordnung. Erwerbt auf eurem Lebensweg Weisheit. Für diese ganze spirituelle Disziplin be- steht der erste Schritt darin, die rechte Nahrung in der rechten Weise zu sich zu nehmen. Das Essen sollte geschmackvoll sein. Wenn ihr das Essen Gott darbringt und betet, wird es von seinen Mängeln gereinigt. Betrachtet das Essen als Gott. Die Essenz der Nahrung, die zu allen

353 Körperteilen geht, ist Vishnu, der, welcher das Essen zu sich nimmt, ist Shiva. Der Mensch besitzt die Kraft dieser beiden, er nimmt den Sta- tus Brahmas ein und verkörpert zugleich Shiva. Wofür steht Shiva? Shi- va symbolisiert Entsagung und Opfergeist. Was opfert er? Shiva opfert seinen Körper. In welcher Weise? Jeder in dieser Welt ist an den Körper gebunden. Shiva hingegen hat keinerlei Körperbewusstsein, sondern befindet sich immer im Atman-Bewusstsein. Parvati ging einst zu Shiva und gab ihrem Wunsch Ausdruck, dass ein Haus für sie beide errichtet würde. Sie sagte: “Oh Herr, um Almosen bettelnd gehst du von Haus zu Haus und kümmerst dich nicht um eine Wohnstatt für uns. Wie können wir ohne angemessene Unterkunft ge- meinsam leben?“ Shiva besänftigte sie mit den Worten: “Parvati, was bringt es, ein Haus zu errichten? Die Ratten werden dort einziehen, ehe wir auch nur einen Fuss hineingesetzt haben. Um der Ratten Herr zu sein, brauchen wir eine Katze. Daraufhin werden wir eine Kuh kaufen müssen, um Milch für die Katze zu haben. So vermehren sich unsere Bedürfnisse und wir verlieren unseren Frieden. Hege deshalb nicht sol- che Wünsche.“

Shiva hat kein Körperbewusstsein und ist personifizierte Entsagung. Sein Haar ist dicht und sein Haupt durch den Mond geschmückt, das kühle Wasser des Ganges fliesst zwischen den verfilzten Locken, das Auge der Weisheit strahlt in der Mitte der Stirn und sein purpurner Nacken funkelt gleich einer schimmernden Brombeere. Er trägt Schlangen als Armreifen und einen Schlangengürtel, sein ganzer Körper ist mit Vibhuti bedeckt und seine Stirn mit dem roten Kumkumpunkt geschmückt. Seine Lippen glühen rötlich durch den Saft der Betelnuss, an seinen Ohren schwingen mit Diamanten besetzte goldene Ohrringe und sein gesamter dunkelhäutiger Körper erstrahlt in göttlichem Licht.

In dieser Erscheinung entsagte er allem und lehrte die Welt, dass voll- kommene Entsagung zu Weisheit führt. Was ist Weisheit? Die Einheit von Gedanke, Wort und Tat ist wahre Weisheit. Euer Körper, euer Geist und eure Handlungen müssen rein sein. Deshalb heisst es: Der Mensch sollte den Menschen studieren. Was bedeutet Menschheit? Die Einheit

354 von Gedanke, Wort und Tat macht wahres Menschsein aus. Ihr braucht euch dafür nicht anzustrengen, es ist sehr einfach und leicht zu prak- tizieren. Aber handelt ihr heute dementsprechend? Obwohl der Gan- ges in der Nähe fliesst, nehmen die Menschen kein Bad, um ihren Kör- per zu reinigen. Die Menschen nutzen die ihnen zur Verfügung ste- henden Gegebenheiten nicht. Es ist hochgradige Faulheit und ein Zei- chen der Grundeigenschaft der Dumpfheit und Trägheit. Ihr müsst euch von diesen tierischen Eigenschaften befreien, die Menschlichkeit in euch entwickeln und zur Ebene des Göttlichen aufsteigen.

Verkörperungen der Liebe! Ihr solltet heute Folgendes wissen: Strebt danach, ein reines Herz zu erlangen. Lasst dies euer vorrangiges Be- mühen sein. Mit einem reinen Herzen könnt ihr auch alles andere er- reichen. Um ein reines Herz zu erlangen, müsst ihr reines heiliges Es- sen zu euch nehmen. Das Essen, das ihr zu euch nehmt, das Gefühl mit dem ihr esst und die Freude, die ihr daraus bezieht - bei allen dreien solltet ihr Harmonie bewahren. Der, welcher das Essen kocht, sollte ebenfalls reine heilige Empfindungen haben. In alten Zeiten bestanden die orthodoxen Brahmanen darauf, nur das von ihren Ehefrauen zu- bereitete Essen zu sich zu nehmen. Der Grund liegt darin, dass die Hausfrauen das Essen mit dem Wunsch für das Wohlergehen der gan- zen Familie zubereiten. Stellt ihr hingegen Köche an, Gott weiss mit welchen Gefühlen sie das Essen zubereiten! Die unreinen Gedanken des Koches dringen in das Essen ein, das wiederum euren Geist ver- giftet. Aus diesem Grund stellten die Brahmanen keine Köche an. Nahrung ist Gott. Die Essenz der Nahrung ist Vishnu; sie muss rein und heilig sein. Körperliche Reinlichkeit reicht nicht aus; der Geist sollte rein sein. Ihr solltet auch wissen, ob die für das Essen verwendeten Zutaten auf rechtschaffene Weise erworben wurden. Zum Beispiel bringt der Ehemann Gemüse vom Markt. Er hat vielleicht seine Autoritätsstellung missbraucht und das Gemüse gebracht, ohne es zu zahlen, oder die Verkäufer selber haben vielleicht das Gemüse durch unrechte Mittel wie Diebstahl erworben. Solche Handlungen vergiften das Essen. Wenn ihr dann dieses Gemüse esst, wird euer Geist vergiftet. Ihr seid euch nicht bewusst, dass euer Essen für eure Handlungen verantwort- lich ist und begeht so viele Fehler. Unreines Essen lässt euch unreine unheilige Handlungen begehen.

Verkörperungen der Liebe! Esst erst, nachdem ihr gebetet und das Es- sen Gott dargebracht habt. Nur dann wird das Essen geheiligt sein. Nur wenn das Essen rein ist, werden auch euer Wissen und eure Weisheit

355 rein sein. Einst lebte ein Sannyasin in Rishikesh in einer Einsiedelei nahe bei Shivanandas Ashram. Er war eine fromme Seele. Eines Tage spendete ein älterer Geschäftsmann Geld, damit die Ashrambewohner am elften Tage nach dem Tod seiner jungen Frau Essen zubereiten konnten. Das Essen war völlig vergiftet. Wie kam das? Die Frage ist, auf welche Art die Frau starb. Der Geschäftsmann war alt, aber weil er reich war, konnte er den Vater der Braut durch Geld dazu bringen, ihm seine junge Tochter zu geben. Das Mädchen weinte und war sehr betrübt, dass ihr Vater ihr Leben so verdorben hatte. Eines Tages war sie so niedergeschlagen, dass sie in den Ganges sprang und so ihr Le- ben beendete. Am elften Tag nach ihrem Tod führte der Geschäfts- mann die Sterberiten durch und belieferte alle Ashrams mit Nahrungs- mitteln. Da es in dem Ashram Sitte war, kein gekochtes Essen anzunehmen, brachte der Geschäftsmann die nötigen Zutaten, damit Essen zubereitet werden konnte und alle assen davon. Der reine Sannyasin ass gemeinsam mit den anderen Ashrambewohnern. In der Nacht schlief er nicht gut. Im Traum sah er ein junges Mädchen. Er fühl- te sich elend und dachte bei sich: “Ich hatte niemals solche Gedanken noch dürste ich nach Sinnesfreuden. Wie kommt es dann, dass ich so schlechte Träume habe?“ Sobald er sich zur Meditation hinsetzte, sah er das junge Mädchen vor sich. Er ging zu seinem Guru Satcitananda und fragte ihn: “Swami, warum sehe ich solch unheilige Dinge?“ Der Guru sagte ihm, er solle sich keine Sorgen machen, er würde der Sache nachgehen. Er rief den Geschäftsmann herbei, fragte ihn nach dem Grund für die Begräbnisriten und fand heraus, dass das junge Mädchen Selbstmord begangen hatte. Er erklärte dem Sannyasin, dass das Mäd- chen Selbstmord begangen hatte, das Essen dadurch vergiftet war und sie ihm im Traum erschien, weil er an jenem Essen, das als Teil ihrer Sterberiten zubereitet wurde, teilgenommen hatte. Wenn das dahinter stehende Empfinden unrein ist, spiegelt es sich in unreinen Bildern wi- der. Von dem Tag an hörte der Sannyasin auf, herkömmliche Nahrung zu sich zu nehmen und ernährte sich ausschliesslich von Früchten und Milch. Nahrung ist für die Erhaltung des Körpers notwendig. Ein Auto braucht Benzin, um fahren zu können. Der Körper ist dem Auto vergleichbar; er braucht Nahrung, um zu funktionieren. Man muss das eine oder an- dere essen, um den Körper zu erhalten. Ihr seht in euren Träumen und in eurer Meditation so viele beklagenswerte Szenen. Es ist das Ergeb- nis der Nahrung, die ihr zu euch nehmt. Das Essen und der, welcher das Essen bringt und seine Empfindungen sind verantwortlich für eure inneren Bilder. Deshalb kochten die Menschen in den alten Zeiten

356 selbst. Ihr solltet euch vor dem Essen erkundigen, ob die gebrachten Nahrungsmittel rechtmässig erworben oder aber als Bestechung an- genommen oder durch Diebstahl erworben wurden. Ihr solltet nur ma- kellose Nahrung zu euch nehmen. Da es sehr schwierig ist, sie jeweils auf etwaige Mängel zu untersuchen, solltet ihr vor dem Essen beten:

Der Akt des Darbietens ist Gott, die Gabe selbst ist Gott, dargebracht von Gott in dem heiligen Feuer, das Gott ist.

Nur der erreicht Gott, der in all seinen Handlungen vollkommen von Gott durchdrungen ist. Wenn ihr mit reinen heiligen Empfindungen betet, wird das Essen gereinigt. Wer auch immer einen Fehler bezüglich des Essens begangen haben mag, es wird euch dann nicht beeinträchtigen oder euch anhaften. Deshalb vermittelte Ubhaya Bharati allen Men- schen der Welt diese Lehre. Sie besass vollkommene Weisheit. Um diese Weisheit zu erlangen, muss man vollkommen rein sein. Einst berief König Vikramaditya eine grosse Konferenz ein. Er stellte die Frage: “Ist die höhere Unterscheidungskraft grösser als die Intelli- genz?“ Die gelehrten Teilnehmer erklärten, Intelligenz wäre grösser. Aber Vikramaditya stimmte dieser Sichtweise nicht zu. Er erklärte, dass die höhere Unterscheidungskraft im Vergleich zu allem anderen grös- ser sei. In der Intelligenz gäbe es individuelle Veränderungen, die auf dem Verhalten basierten. Das höhere Unterscheidungsvermögen hin- gegen, sei rein. Er sagte: Das höhere Unterscheidungsvermögen tran- szendiert die Sinne, Gedanken und Gefühle. Die Erkenntnis des Gött- lichen Selbst, ist darin enthalten.

Verkörperungen der Liebe! Betet von heute an, bevor ihr das Essen zu euch nehmt. Dann wird keine Unreinheit in euer Herz dringen. Nah- rung ist Brahma, die Essenz der Nahrung ist Vishnu und der, welcher die Nahrung zu sich nimmt, ist Shiva. Diese Trinität entspricht den drei Welten. Reinheit von Gedanke, Wort und Tat ist wahre Weisheit. Ihr braucht keine andere spirituelle Disziplin durchzuführen. Die Leute praktizieren verschiedene spirituelle Disziplinen. Aber diese spirituel- len Wege verleihen nur vorübergehende Befriedigung. Ihr braucht die ewige Glückseligkeit.

Verkörperungen der Liebe! Der Mantra, um die Nahrung zu reinigen, ist Göttliche Ordnung, höchste Wahrheit und Tugendhaftigkeit. Die

357 Göttliche Ordnung ist das Höchste. Sie bleibt in den drei Zeitperioden, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unverändert. Das ist wahre Weisheit. Wahrheit mag im Verlauf der Zeit gewisse Veränderungen zeigen. Das, was veränderbar ist, ist dem Tod unterworfen. Versteht mit der Gnade des höchsten Gurus das Prinzip des Mantras So’ham (ich bin Er) und erkennt den Unterschied zwischen dem Ewigen und Vergänglichen. Erkennt das Geheimnis des So’ham, das die individu- elle Seele ohne Unterlass in den drei Zuständen des Wachens, Träu- mens und im Tiefschlaf wiederholt. Egal welcher Religion ihr folgt oder welcher Gemeinschaft ihr angehört, ihr müsst den So’ham-Mantra ver- stehen und praktizieren. Die Menschen nennen sich heutzutage Devotees und führen spirituelle Übungen durch, aber sie sprechen bei jedem Schritt die Unwahrheit. Was immer sie sagen, ist eine Lüge und jeder Schritt, jede Handlung ist unrecht. Sie sprechen nur die Unwahrheit. Zu keiner Zeit besteht rei- ne Liebe. Ihre Liebe ist durch Selbstsucht und Eigeninteresse gefärbt. Sie geben sich selbst als Devotees aus, reisen um die Welt und bege- hen schlechte Taten. Es sind die schlimmsten Sünder. Ihr solltet nicht einmal das Gesicht solcher Sünder ansehen. Äusserlich erscheinen sie attraktiv, aber innerlich sind sie von schlechten Eigenschaften ver- schmutzt. Ihr solltet innerlich nicht so verschmutzt sein. Die Menschen ruinieren um des Geldes willen ihr Leben. Manche Devotees sagen: “Swami, wir bekommen keinen Urlaub, um an der Feier deines Geburtstages teilzunehmen. Wir haben deshalb be- schlossen, uns krankschreiben zu lassen und hierher zu kommen.“ Ich sagte ihnen: “Ihr solltet das nicht tun. Es macht nichts, wenn ihr nicht herkommen könnt, aber äussert niemals eine Lüge.“ Haltet das Ge- lübde der Wahrheit ein. Praktiziert das Gelübde der Wahrheit. Nur wenn ihr an Wahrheit festhaltet, könnt ihr den Herrn des Universums, schau- en und eure Göttlichkeit manifestieren. Durch Gebet könnt ihr euch sel- ber reinigen. Durch Beten wird Weisheit in euch aufkeimen. Dieses Ge- bet lautet: Nahrung ist Gott, die Essenz der Nahrung ist Vishnu und der, welcher die Nahrung zu sich nimmt, ist Shiva. Welch andere spirituelle Disziplin braucht es? Für spirituelle Aspiranten sind die neun Wege der Hingabe vorgeschrieben worden, und zwar: Geschichten über Gott hö- ren, zur Ehre Gottes singen, sich auf Gott besinnen, seinen Lotosfüs- sen dienen, Verehrung, Anbetung, Dienstbereitschaft, Freundschaft und Hingabe an das Göttliche Selbst. Ihr solltet Freundschaft mit Gott entwickeln! Wenn Gott euer Freund ist, wird die ganze Welt in eurer Hand sein. Aber heutzutage verliert ihr leider eure Freundschaft mit Gott. Vor der Hingabe an das Selbst kommt die Freundschaft mit Gott.

358 Es ist keine gewöhnliche Freundschaft. Diese Freundschaft solltet ihr kultivieren und dadurch Erfüllung finden. Verschwendet eure Zeit nicht in müssigem Geschwätz.

Verkörperungen der Liebe! Sprecht immer die Wahrheit. Das solltet ihr heute lernen. Wahrheit ist die Grundlage des Lebens. Wahrheit ist Gott. Praktiziert dies im grösstmöglichen Ausmass. Nahrung ist sehr wichtig. Folgt in Bezug auf Nahrung dem dreifachen Weg: Nahrung ist Gott, die Essenz der Nahrung ist Vishnu, der, welcher das Essen zu sich nimmt, ist Shiva. Dies wird euch zur Befreiung führen.

Verkörperungen der Liebe! Ihr habt eure Ausbildung hier erhalten, eure Zeit in diesem Heiligtum zugebracht und Swamis Lehren zugehört. Ihr solltet ideale Menschen werden. Menschen von weit entfernten Län- dern warten auf eine Gelegenheit, hierher zu kommen. Ihr seid mit der heiligen Gelegenheit gesegnet worden, ständig in der göttlichen Ge- genwart zu leben. Nutzt diese Gelegenheit ganz. Benutzt niemals bar- sche Worte. Sprecht niemals eine Unwahrheit. Manchmal mag das Aussprechen der Wahrheit euch in Gefahr bringen. Sprecht in so einer Situation weder die Wahrheit noch die Unwahrheit, sondern bewahrt Schweigen. Schweigen ist das Beste. Wenn ihr Angst habt, die Wahr- heit zu sprechen, weil ihr dadurch jemandem schadet, bewahrt Schwei- gen. Durch Lügen würdet ihr sündigen. Habt keine Angst, die Wahrheit zu sprechen; bewahrt in solchen Umständen Schweigen. Letztlich soll- tet ihr die Dualität von Wahrheit und Unwahrheit transzendieren. Folgt so weit wie möglich dem Weg der Wahrheit. Weil ihr jung seid, solltet ihr Folgendes wissen: Beginnt früh, fahrt langsam und kommt sicher ans Ziel. Beginnt in diesem jungen Alter, dann wird das ganze spätere Leben angenehm sein. Es ist notwendig ein heiliges Leben zu führen, um das Ziel des Lebens zu erreichen. Ich bin nicht daran interessiert und habe nicht den Wunsch, meinen Ge- burtstag zu feiern. Die Devotees wollten bei dieser Gelegenheit viele Programme arrangieren, aber ich habe es nicht gestattet. Weil viele von euch hier zusammengekommen sind, findet diese Versammlung statt. Aber ich bin nicht einmal daran interessiert. Für mich ist jeder Tag ein Festtag. Ich bin ewig glückselig. Ich bin die Verkörperung ewiger Glück- seligkeit. Welche Art von Glückseligkeit? Meine Glückseligkeit kommt nicht von anderen. Meine Glückseligkeit ist die Personifizierung meiner selbst. Gott ist ewige Glückseligkeit, höchste Freude, absolute Weis- heit. Er ist das Eine ohne ein Zweites, jenseits der Dualität, ausgedehnt und alldurchdringend wie der Himmel. Er ist das durch den grossen

359 Lehrsatz “DAS bist du” definierte Ziel, ewig, rein, unwandelbar. Er ist der Zeuge aller Funktionen des Intellekts, jenseits aller mentalen Be- findlichkeiten und jenseits der drei Grundeigenschaften der Reinheit, Aktivität und Trägheit. Er ist jenseits aller Attribute. Ob ihr es glaubt oder nicht, ich bin personifizierte Glückseligkeit. Wenn ihr anders denkt, liegt der Fehler bei euch. Was immer ich tue, dient eurer Reinheit und Heiligkeit, eurer Freude und Glückseligkeit. Kein Ding kann mir Glückseligkeit geben. Ich warte nicht auf andere, damit sie mir Glückseligkeit geben. Ich bin Glückseligkeit selbst. Seid immer glückselig, seid ohne jeden Makel. In welcher Gesellschaft ihr euch auch aufhaltet, führt ein makelloses Leben. Das erwarte ich von euch. Ich habe niemals Sorgen noch leide ich jemals. Warum sollte ich mir Sorgen machen, wenn ich doch alles besitze? Ich habe keine Wünsche. Was immer ich sage und tue, ist gut für euch, gut für euch, gut für euch. Es ist nicht für mich. Ich bin um euretwillen hier. Was ist dann mein Wunsch? Bezieht vollen Nutzen aus mir. Ich bin immer bereit für euch. Aber eure Gedanken sollten rein und heilig sein. Führt ein göttliches Leben. Manchmal spreche ich nicht mit euch und ihr denkt: “Wir haben vielleicht einen Fehler begangen und deshalb spricht Swami nicht mit uns.“ Aber ich bin nur ein Zeuge. Es liegt wahrhaftig nicht in meinem Wesen, in anderen Fehler zu suchen. Meine Sichtweise ist sehr heilig. Ich sehe in euch immer das Gute, nichts Schlechtes. Das Schlechte, das ihr wahrnehmt, ist eure eigene Einbildung. Weil in euch Schlechtes liegt, seht ihr in anderen Schlechtes. Aber weil in mir kein Fehler ist, betrachte ich sogar das Schlechte als gut. Hegt deshalb bezüglich Swa- mi keinerlei Zweifel. Jemand, der zweifelt, wird untergehen. Gebt Zwei- feln keinen Raum. Seid stark im Göttlichen Selbst verankert.

Verkörperungen der Liebe! Heisst eure Gäste willkommen und erweist ihnen angemessene Achtung. Teilt eure Liebe mit allen. Speist die Hungrigen. Nur dann könnt ihr inneren Frieden erlangen. Was immer ihr esst, gebt anderen einen Teil davon. Darin liegt wahre Weisheit. Was braucht es mehr? Weisheit ist nicht irgendetwas Abgesondertes. Die Einheit von Gedanke, Wort und Tat ist wesentlich. Folgt der Gött- lichen Ordnung, indem ihr Gedanke, Wort und Tat in Übereinstimmung bringt. Geht den Weg der Befreiung. Wenn ihr von Augenblick zu Au- genblick schwankt, seid ihr der unglückseligste Mensch. Schwanken ist das Wesen eines Geistes, der einem Affen gleicht, das andere be- deutet Menschsein.

360 Verkörperungen der Liebe! An diesem Geburtstag solltet ihr etwas sehr Wichtiges lernen: Verschwendet nicht eure Zeit in müssigem Ge- schwätz. Verschwendet niemals eure Worte, sie sind sehr heilig. Ein- mal verlorene Zeit könnt ihr nicht wiedererlangen. Jeder Mensch auf dieser Erde kann Gott schauen, der nichts anderes als Wahrheit ist. Betrachtet Wahrheit als Gott. Folgt dem Weg der Wahrheit. An der Seite von Wahrheit ist die Göttliche Ordnung. Es gibt keine grössere Pflicht als das Festhalten an der Wahrheit. Folgt deshalb dem Weg der Wahr- heit und handelt gemäss der von Gott gesetzten Ordnung.

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25. Dezember Weihnacht

Liebe und Moral - das Gebot der Stunde

Wer seinen Stolz aufgibt, wird von allen geliebt; Wer sich von Zorn befreit, wird frei von Sorgen. Wer Wunsch und Verlangen bezwingt, erhält Wohlstand. Freiheit von Gier ist der Königsweg zur Freude. (Sanskrit Vers)

Verkörperungen der Liebe! In dieser Welt ist jedes Objekt mit fünf Aspekten versehen, nämlich Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit, Name und Form. Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit sind die drei dauerhaften Attribute eines jeden Individuums. Name und Form hingegen sind ver- gänglich. Der Mensch hat sein wahres Selbst vergessen und führt ein Leben, in dem er Name und Form für die Wirklichkeit und die vergäng- liche Welt für ewig hält. Gott ist jenseits aller Attribute und Gefühle. Es ist seltsam, dass der Mensch Gott Eigenschaften und Empfindungen zuschreibt. Es ist für jeden Einzelnen von höchster Bedeutung, Gottes unendliche Liebe, Wahrheit und sein unendliches Mitgefühl zu kennen. Obwohl das Wesen des Menschen göttlich ist, verhält er sich wie ein Dämon, weil er seine innewohnende Göttlichkeit vergessen hat. Jeder Mensch ist mit den Eigenschaften der Entschlusskraft, Hingabe in Be- zug auf Erfüllung einer Aufgabe und Geschicklichkeit und Kompetenz versehen. Wer diese Tugenden allein für edle Belange nutzt, ist ein wahrer Mensch. Die kosmische Kraft liegt im Nabel Gottes. Deshalb wird Gott Hiranya- garbha genannt, der goldene Keim, aus dem die Schöpfung hervor- geht. Da Gott voll göttlichen Lichts und Strahlens ist, wird er als die Per- sonifizierung von Schönheit und Glanz bezeichnet. Weil der Mensch mit dem Prinzip von Hiranyagarbha ausgestattet ist, ist das menschli- che Leben das erhabenste. Gott ist der Herr der Geschöpfe und des Universums, denn er ist der Schöpfer des gesamten Universums. Um das göttliche Prinzip zu verstehen, müsst ihr die innere Bedeutung ei- nes jeden der Namen Gottes erfassen. Gott trägt verschiedene Namen, und jeder von ihnen besitzt eine tiefe innere Bedeutung. Aus diesem Grund gaben unsere Vorfahren ihren Kindern den einen oder anderen Namen Gottes. Der Mensch ist heute auf der Suche nach Gott und er-

363 forscht das Wesen der Göttlichkeit. Gott befindet sich im Inneren; war- um ist es dann notwendig, nach ihm zu suchen? Gott ist die Verkör- perung der Liebe. Wahrheit ist seine wahre Form und sein inneres Wesen. Kein Göttliches Gesetz ist grösser als das Festhalten an dieser Wahrheit. Aber der Mensch ist heute unfähig zu verstehen, was Wahr- heit bedeutet. Um seine Wünsche zu befriedigen, hält er Unwahres für wahr. Der Mensch sollte sich als Erstes darum bemühen, sein wahres Wesen zu verstehen, das Wahrheit, Weisheit und Unendlichkeit ist. Gott hat dem Menschen die Veden, heiligen Schriften, Epen und Hel- densagen geschenkt, um seine Augen der Wahrheit zu öffnen, dass sein Wesen göttlich ist. Jeder Mensch in dieser Welt besitzt Wahrheit, Rechtschaffenheit und Liebe. Er verkörpert Sein-Bewusstsein-Glück- seligkeit. Diese Attribute sind wahrhaft göttlich. Atman ist ein anderer Begriff für Gott. Brahman ist sein Synonym. Das Göttliche ist in jedem Menschen in der Gestalt von Bewusstsein gegenwärtig. Nur wer das Prinzip des spirituellen Bewusstseins versteht, ist ein wahrer Mensch. Sein, Bewusstsein, Glückseligkeit, Wahrheit, Weisheit, Ewigkeit sind verschiedene Begriffe, die doch dasselbe bedeuten. In dieser Welt gibt es verschiedene geistige Bewegungen wie Atheis- mus, Dualismus, Nichtdualismus, qualifizierter Dualismus etc. Der gött- liche Name Keshava (Vishnu) ist der wichtigste Name. Die Essenz aller Philosophien ist in ihm enthalten. Keshava symbolisiert die Dreieinig- keit Brahma, Vishnu, Shiva, die Prinzipien der Erschaffung, Erhaltung und Auflösung. Wenn der Mensch über den göttlichen Namen Keshava meditiert und seine Bedeutung versteht, kann er sein wahres Selbst er- kennen. Unsere alten Weisen stellten tiefgründige Nachforschungen und Un- tersuchungen an, um die Göttlichkeit zu verstehen. Schliesslich ver- kündeten sie der Welt: “Ich habe das höchste Wesen geschaut, das mit der Leuchtkraft von Milliarden Sonnen scheint und sich jenseits der Dunkelheit der Unwissenheit befindet.” Sie riefen den Menschen dazu auf, sich darum zu bemühen, die Göttlichkeit zu schauen. Von da an begann der Mensch, an Gott zu glauben. Aber im Lauf der Zeit fing sein Glaube zu schwinden an. Weil er nicht an Gott glaubt, leidet der Mensch.

Er, der von den Moslems Allah genannt wird, von den Christen Jehova, von den Verehrern Vishnus der lotosäugige Gott, der von denen, die Shiva verehren, Shambhu genannt wird, antwortet freudig, auf welche Weise auch immer er angebetet wird.

364 Er gewährt die Gnade von Ruhm und Glück und ergiesst Freude und Glück. Erkennt ihn, den Einen, als das Göttliche Selbst. Es gibt nur einen Gott, er trägt verschiedene Namen. Es sind verschiedene Religionen entstanden, aber sie alle führen zu derselben Göttlichkeit. Es gibt viele Religionen, aber nur ein Ziel. Es gibt viele Kleider, aber sie sind aus einem Garn. Es gibt viele Schmuckstücke, aber sie sind aus dem einen Gold gefertigt. Es gibt viele Kühe, aber die Milch ist dieselbe. Es gibt viele Wesen, aber nur einen Atem. Es gibt viele gesellschaftliche Schichten, aber nur eine Menschheit.

Wenn man sein wahres Wesen erforscht, kann man die Wahrheit er- fahren. Jesus war eine erhabene Seele. Er verkündete, er sei der Sohn Gottes, aber er behauptete niemals, er wäre Gott. Als Jesus geboren war, wurden drei weise Könige aus dem Morgenland von einem Stern zu seinem Geburtsort in Bethlehem geführt, wo Jesus als Baby in einer Krippe lag. Es strahlte göttliches Licht aus. Der erste der weisen Könige sagte: “Dieses Kind wird Gott lieben.“ Der zweite stellte fest: “Gott wird dieses Kind lieben“, und der dritte sprach: “Dieses Kind wird jeden lie- ben. Es ist nicht verschieden von Gott.“ Wer Gott liebt, ist ein Botschaf- ter Gottes; wer von Gott geliebt wird, ist Gottes Sohn; wer das Ein- heitsprinzip versteht, wird eins mit Gott. Das ist die innere Bedeutung der in der Bibel gegebenen Aussagen. Der, für den ihr euch selbst hal- tet; der, für den andere euch halten und der, welcher ihr wirklich seid. Ihr solltet die Bedeutung dieser Aussagen verstehen. Das Kind wurde von seiner Mutter Maria erzogen und sein Vater ar- beitete als Zimmermann. Als in Jerusalem ein Fest gefeiert wurde, wur- de das Kind Jesus von seinen Eltern mitgenommen. In der Menschen- menge verloren sie das Kind und konnten es nirgendwo finden. Selbst- verständlich war Mutter Maria sehr besorgt. Schliesslich gingen sie zum Tempel, um zu beten. Zu ihrem Erstaunen sahen sie den jungen Jesus aus dem Tempel herauskommen. Er war die ganze Zeit im Tempel ge- wesen und hatte dem heiligen Vortrag des Rabbis des Tempels ge- lauscht. Die besorgte Mutter ergriff ihr Kind und fragte, was es die ganze Zeit getan hätte. Das Kind erwiderte: “Mutter, warum hast du dich ge- ängstigt? Ich war die ganze Zeit in Gottes Händen. Ich lauschte den Worten Gottes, wie der Rabbi sie im Tempel auslegte.“ Auf diese Weise

365 war der Geist des Kindes schon in sehr zartem Alter auf Gott ausge- richtet. Nach einiger Zeit starb der Vater Joseph. Maria sagte ihrem Sohn: “Jetzt, wo dein Vater gestorben ist, solltest du seinen Beruf weiterfüh- ren, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen.“ Aber der Junge ver- spürte keine Neigung, dem Beruf seines Vaters nachzugehen. Der Mut- ter lag ebenfalls nicht daran, den natürlichen Neigungen des jungen Jesus im Wege zu stehen. Eines Tages begab sich der junge Jesus auf eine einsame Bergspitze. Die Mutter machte sich grosse Sorgen und war durch die Abwesenheit ihres Sohnes niedergeschlagen. Jesus sass die ganze Zeit auf dem Berg und meditierte über Gott. Nach einiger Zeit kehrte er zurück und stiess dabei auf eine Gruppe besorgter Män- ner am Ufer des Sees von Galiläa. Als der junge Jesus sie fragte, wor- über sie sich sorgten, antworteten sie, sie wären Fischer und hätten schon seit längerer Zeit keine Fische fangen können. Jesus sagte: “Folgt mir nach; gibt es irgendwelche Wasser, die ohne Fische sind?“ Er nahm sie in ihren Booten mit sich in die Mitte des Sees und forderte sie auf, ihre Netze an einer bestimmten Stelle auszuwerfen. Zu ihrem höchsten Erstaunen und ihrer grossen Freude fanden die Fischer ihre Netze voller Fische. Dieser Vorfall erzeugte in ihnen viel Vertrauen. Glaube und Vertrauen sind für die Menschheit unerlässlich.

Wo Glaube und Vertrauen sind, ist Liebe. Wo Liebe ist, ist Wahrheit. Wo Wahrheit ist, ist Frieden, wo Frieden ist, ist Glückseligkeit, wo Glückseligkeit ist, dort ist Gott.

Jesus konnte jenen Menschen grossen Glauben einflössen. Einer die- ser Fischer wurde von Jesus Petrus genannt. Er entwickelte intensive Liebe zu Jesus und Vertrauen in ihn. Von da an nahmen die Fischer Jesus regelmässig mit sich auf ihren Fischfang, und wenn sie abends zurückgekehrt waren, erläuterte Jesus ihnen spirituelle Themen. Als Petrus’ Vater starb, war seine Mutter von Schmerz erfüllt, aber Jesus tröstete sie mit den Worten: “Tod ist nur ein Gewand des Lebens. Wor- über vergiesst du Tränen? Tod ist, wie wenn man sein Gewand wech- selt. Höre deshalb auf zu trauern. Diese physischen Körper kommen und gehen. Verschwende deshalb deine Gedanken nicht an diese ver- gänglichen Dinge. Der Bewohner dieses Körpers ist die wahre Gött- lichkeit.“

366 Der aus den fünf Elementen gebildete Körper muss früher oder später vergehen, aber der Bewohner des Körpers wird weder geboren noch stirbt er. Er ist an nichts gebunden. Wahrhaft gesprochen, ist dieser Be- wohner Gott selbst in Gestalt Atmans, des Göttlichen Selbst. Auf diese Weise predigte Jesus und erweckte in den Leuten in seiner Umgebung Vertrauen. Die Fischergemeinschaft verbrachte ihre Zeit glücklich in der Gegenwart von Jesu. Im Rahmen seiner offiziellen Arbeit besuchte Matthäus, ein Steuerein- treiber für die Römer, die Fischer. Während seiner Besuche hörte er Jesus zu und schrieb seine Lehren nieder. Schliesslich wurde er ein Jünger von Jesus. Nach einer Weile wurde Jesus mit Hindernissen und Opposition seinen Lehren gegenüber konfrontiert. Niemand, der einen physischen Körper annimmt, kann diesen Härten des Lebens entkom- men. Der Mensch kann ohne Schwierigkeiten nicht existieren. Auf die Geburt folgt der Tod und mit derselben Gewissheit folgt auf Glück Leid. Man sollte in Freude wie Leid, in Gewinn wie Verlust, in Sieg wie Nie- derlage Gleichmut bewahren. Freude ist ein Abschnitt zwischen zwei Schmerzen. Das menschliche Leben dient dem Zweck, die höchste Wirklichkeit zu erforschen; es ist nicht nur zum Essen, Trinken und zur Fortpflanzung gedacht. Jeder Mensch muss sich bemühen, sein eige- nes inneres Wesen zu kennen und seine wahre Identität zu verstehen. Jesus predigte diese heilige Wahrheit und wurde deshalb unter seinen Zeitgenossen sehr beliebt. Wenn man in der Welt beliebt wird, bringt das automatisch Eifersucht und Neid mit sich. Eifersucht, Eitelkeit und Egoismus sind üble Charakterzüge, die einen letztlich ruinieren wer- den. Niemand wird Menschen mit solchen Charakterzügen verzeihen. Ihr solltet andere nicht kritisieren oder verspotten. Die Menschlichkeit wird im Menschen nur dann erblühen, wenn er Gleichmut entwickelt. Der Mensch ist heutzutage unsäglichem Leid ausgesetzt, weil es ihm an menschlichen Werten mangelt. Das Element, welches die innere Fä- higkeit des Brennens in sich trägt, wird Feuer genannt. In derselben Weise ist nur jemand mit menschlichen Werten ein Mensch. Jemand ohne menschliche Werte ist überhaupt kein Mensch! Auch wenn ihr hoch gebildet seid und eine herausragende Stellung einnehmt, wenn es euch an menschlichen Werten fehlt, geltet ihr als unmenschlich. Ver- treibt deshalb als Erstes eure schlechten Eigenschaften. Die “Vereinigung ehemaliger Studentinnen des Anantapur Colleges” feiert heute ihren Jahrestag. Sie sollten schlechten Neigungen wie Ei- fersucht und Neid, Zorn und Hass keinen Raum geben. Ihre Mitglieder, die im Ausland leben, führen ein vorbildliches Leben. Ihr habt heute die Ansprachen unserer ehemaligen Studentinnen, die in Japan und Ame-

367 rika leben, gehört. Ihre Gedanken und Empfindungen sind erhaben und ihre Sprache voller Süsse. Das Mädchen aus Japan, das zuvor sprach, ist eine Doktorin der Philosophie. Obwohl beide hoch qualifiziert sind, verhalten sie sich demütig und gehorsam. Ihre Hingabe und Ergebung ist beispielhaft. Was bringen hohe akademische Qualifikationen und Doktortitel, wenn man schlechte Eigenschaften wie Eifersucht nicht aufgibt und Klatschgeschichten über andere verbreitet? Ich verab- scheue wahrhaftig so ein Verhalten. Ihr habt mit Liebe, Enthusiasmus und heiligen Empfindungen eine Organisation im Namen Sathya Sais gegründet, um der Menschheit zu dienen. Zweifelsohne wird eine Men- ge gute Arbeit verrichtet; aber achtet darauf, dass die edlen Empfin- dungen nicht zu schlechten Gefühlen entarten. Ich messe der Arbeit nicht viel Bedeutung bei. Was mir wichtig ist, sind eure Qualitäten. Wo immer ihr euch befindet, ob im Wald oder Himmel, in Städten oder Dör- fern, ihr müsst edle Eigenschaften entwickeln. Eifersucht ist eine sehr schlimme Eigenschaft. Eifersüchtige Menschen werden kein sanftes Leben haben. Tatsächlich gleicht Eifersucht einem lebendigen Tod. Wenn ihr darüber hinaus noch die andere üble Eigenschaft habt, Klatschgeschichten zu verbreiten, werdet ihr zwangsläufig Leid auf euch ziehen. Warum kritisiert ihr andere? Kritisiert stattdessen eure ei- genen schlechten Eigenschaften. Beseitigt eure eigenen schlechten Empfindungen und schlechten Gedanken. Ihr solltet anderen keine schlechten Eigenschaften zuschreiben und keine Verleumdungen ver- breiten. Trotz meines wiederholten Rates findet in vielen Menschen kei- ne Transformation statt. Euer Verhalten in den letzten fünf bis sechs Jahren widert mich an. Was bringt es, Organisationen zu gründen? Ihr habt die “Sathya Sai Seva Samitis” und die “Bhajan Mandalis”. Ihr leistet gesellschaftliche Hilfsdienste und führt Studienkreise durch. Aber das ist zwecklos, wenn dieser Dienst nicht durch Liebe im Herzen getragen wird. Liebe ist Gott, lebt in Liebe. Stattdessen entwickeln die Menschen Hass aufeinander. Solche Menschen verdienen beispielhafte Bestra- fung, denn auch andere werden aufgrund solch böser Menschen ver- dorben. Ich bin bereit euch alles, sogar mein Leben, zu geben, voraus- gesetzt, ihr befreit euch von euren schlechten Eigenschaften. Wenn ihr Sathya Sais Namen verwendet, wie erhaben sollte die Organisation dann funktionieren! Wie viel Respekt könntet ihr von der Gesellschaft erhalten! Wer immer eine Organisation im Namen Sathya Sais etabliert, muss am Prinzip der Wahrheit festhalten. Wenn ihr unter der Fahne von Sathya Sai tätig seid, aber vom Weg der Wahrheit abweicht, wel- chem Zweck dient das? Nur wenn ihr Liebe entwickelt und dem Weg der Wahrheit und Moral folgt, wird die Organisation sich entfalten und

368 erblühen. Entwickelt deshalb wenigstens von heute an die Eigenschaf- ten der Wahrheit, Liebe und Moral. Das ist eure erste und wichtigste Aufgabe. Im Namen der göttlichen Organisation dämonische Aktivitä- ten durchzuführen, ist nicht angemessen. Gott wird durch viele Namen angebetet, wie „satya dharma parayanaya namaha“, „satya svarupaya namaha“, „prema svarupaya namaha“ etc. (Ich verneige mich vor der Verkörperung der Wahrheit, der Göttlichen Ordnung, der Liebe usw.). Diese Namen sind sehr bedeutungsvoll. Gott ist die Verkörperung der Liebe. In Wahrheit sind die Menschen selbst die Verkörperungen göttlicher Liebe. Liebe ist ihre Haupteigenschaft. Wenn ihr keine Liebe entfaltet, ist das Leben bedeutungslos. Klatsch- geschichten über jemanden zu verbreiten und andere zu verleumden, sind verabscheuungswürdige Eigenschaften. In der Vergangenheit waren die Frauen frei von schlechten Charakterzügen. Aber jetzt sind nicht einmal die Frauen von diesen Krankheiten ausgenommen. Welch eine Schande! Meiner Meinung nach ist diese Verzerrung ein Ergebnis der modernen Erziehung und Bildung.

Trotz seiner Bildung und Intelligenz wird ein törichter Mensch sein wahres Selbst nicht erkennen und ein niedrig gesinnter Mensch wird seine schlechten Eigenschaften nicht aufgeben. Die moderne Erziehung und Bildung führt nur zu Argumentation, nicht aber zur vollkommenen Weisheit. Was bringt es, weltliche Bildung zu erlangen, wenn sie euch nicht zur Unsterblichkeit führen kann? Erwerbt euch das Wissen, das euch unsterblich machen wird.

Eine Bildung, die mit schlechten Eigenschaften verbunden ist, ist nutz- los. Nicht Bildung ist wichtig, sondern gute Eigenschaften, ein guter Charakter und gutes Verhalten. Wenn ihr euch mit Menschen voll schlechter Eigenschaften zusammentut, werdet auch ihr schlecht wer- den. Gebt schlechte Gesellschaft auf, schliesst euch guter Gesellschaft an und vollbringt Tag und Nacht verdienstvolle Taten. Diese drei Prin- zipien sind für den Menschen sehr wichtig. Karna war einer der grossen Krieger im Mahabharatakrieg. Tatsächlich übertraf er sogar Arjuna in diesem Bereich. Warum erwarb er sich dennoch einen schlechten Ruf? Aufgrund seiner Verbindung mit übel gesinnten Menschen wie Duryod- hana und Duhshasana. Letztlich starb er einen elenden Tod auf dem Schlachtfeld. Keine der grossen Waffen, die er beherrschte, konnte ihn

369 retten. Deshalb wird eure ganze Bildung wenig Nutzen bringen, wenn euer Geist nicht auf die rechte Bahn gelenkt wird.

Deshalb, Schüler, Studenten, Jungen und Mädchen! Kultiviert edle Ei- genschaften. Reichtum zu erwerben ohne Tugenden zu besitzen ist nutzlos. Übermässiger Wohlstand lässt das Ego anwachsen, was wie- derum vielen schlechten Eigenschaften den Weg bahnt. Wenn ihr den Wohlstand verliert, verschwindet auch das Ego und zugleich damit die schlechten Eigenschaften. Grösse besteht nicht darin, Reichtum zu er- werben. Das Kultivieren edler Eigenschaften ist von höchster Bedeu- tung. Redet weniger. Denn je mehr ihr euch in lockerem Geschwätz ergeht, desto empfänglicher seid ihr für schlechte Eigenschaften. Es bringt nichts, euch einer Hilfsorganisation anzuschliessen, wenn ihr kei- ne Tugenden pflegt und euer Verhalten nicht in ein gutes Verhalten ver- wandelt. Manche Leute reden gefällig, aber in ihrem innersten Herzen sind sie lasterhaft. Diese Spaltung führt euch nirgendwo hin. Ihr müsst zuerst in eurem Herzen Weichheit und Süsse entwickeln. Euer Herz muss voller Mitgefühl sein. Nur wenn euer Herz mit Liebe und Mitgefühl erfüllt ist, verdient ihr es, Mensch genannt zu werden. Jesus Christus entwickelte diese erhabenen Eigenschaften. Mit lieben- dem Herzen gewährte er vielen armen und Not leidenden Menschen Schutz. Tatsächlich suchten viele solche Menschen bei ihm Zuflucht. Unterdessen wurde er mit dem Zorn zahlreicher Feinde konfrontiert. Ihr solltet den Menschen helfen, auch wenn ihr dabei Schwierigkeiten er- lebt. Äussert euch nie abfällig über andere, denn dasselbe Göttliche Selbst durchdringt jedes Lebewesen. Wenn ihr andere beschimpft, ist es, als beschimpftet ihr euer eigenes Selbst. Wenn ihr andere nicht mögt, haltet euch fern von ihnen, aber kränkt sie niemals. Egal, wie viele gute Werke ihr auch tut, es ist nutzlos, wenn ihr nicht eure schlechten Eigenschaften aufgebt. Wenn ihr anderen nichts Gutes tun könnt, dann sprecht wenigstens gute Worte. Ihr könnt nicht immer gefällig sein, aber ihr könnt immer gefällig sprechen. Wenn ihr jemanden leiden seht, ver- sucht, ihm zu helfen. Heute leidet er, aber morgen könntet ihr an der Reihe sein. Denkt immer daran: Niemand kann Schmerz und Leid ent- rinnen. Betet ständig für das Wohlergehen aller. Das universale Gebet: „Mögen die Wesen der ganzen Welt glücklich sein!“ ist in diesem Zu- sammenhang zu sehen. Euer Herz sollte in Hiranyagarbha transformiert werden. Nur wenn ihr gute Empfindungen kultiviert, könnt ihr ein guter Mensch werden. Ihr braucht kein grosser Mensch zu sein, aber ihr solltet danach streben, ein guter Mensch zu werden. Ihr müsst die Liebe eines jeden erwerben.

370 Eines der an Gott gerichteten Gebete lautet: „Ich verneige mich vor Hir- anyagarbha“. Gott wird von jedem geliebt. Er ist immer glücklich und selig. Er hasst niemanden. Was immer er tut, ist zu eurem Guten. Jeder muss anderen gegenüber diese göttliche Liebe kultivieren. Geht immer den Weg der Wahrheit und Moral. Eine Nation ohne Moral wird entarten und auseinander fallen. Es genügt nicht, Patriotismus zu haben; gleich- zeitig solltet ihr auch Moral besitzen. Nur Vorträge über Moral zu halten, reicht nicht aus; Moral muss jede von euch durchgeführte Aktivität durchdringen.

Verkörperungen der Liebe! Gott ist nicht einfach durch süsse Worte zu bewegen. Ihr müsst diese wohlgefälligen Worte in Handlung umsetzen. Ihr mögt ein grosser Held darin sein, Vorträge auf der Rednerbühne zu halten, aber wenn ihr Nullen beim Umsetzen in Handlung seid, ist es zwecklos. Ihr müsst Helden im praktischen Leben werden. Das be- reitet mir Freude. Jesus Christus und Mohammed waren sehr erhaben und edel. Wie konnten sie diese Grösse und Güte erlangen? Allein durch ihre guten Taten. Ihr müsst deshalb zusammen mit Grösse auch Güte erwerben. Tatsächlich steht Güte höher als Grösse. In diesem Land Indien wurden verschiedene grosse Seelen geboren. Der heilige Tyagaraja sang in einem seiner berühmten Lieder: “Es gibt viele grosse Seelen; ich verneige mich vor ihnen allen.“ Ein grosser Hei- liger wie Tyagaraja zeigte eine solche Demut. Er war auch ein grosser Dichter. In einem seiner Lieder beschreibt er Gottes Grösse folgender- massen:

“Du bist jenseits aller Beschreibung und jenseits des menschlichen Fassungsvermögens. Ist es möglich, deinen Ruhm und deine Herrlichkeit zu bewerten? Ich habe auf deine Gnade gewartet. O Herr! Erhöre mein Gebet und erlöse mich. Du bist es, der den verstorbenen Sohn deines Lehrers ins Leben zurückrief. Du bist es, der die Schlange Kaliya unterjochte, Vasudeva und Devaki befreite und Draupadi vor der Demütigung bewahrte. Du erfülltest Kucelas Wünsche. Du hast aus der hässlichen Kubja eine Schönheit gemacht. Du beschütztest die Pandavas und hast die 16’000 Gopikas errettet. Du bist jenseits aller Beschreibung und

371 jenseits des menschlichen Verstehens. Krishna, nicht einmal der Schöpfergott Brahma kann deine Herrlichkeit in Worte fassen. Ich habe um deine Gnade gebeten.”

Wenn aus der Tiefe des eigenen Herzens erhabene Empfindungen her- vorströmen, finden sie in grosser hingebungsvoller Poesie ihren Aus- druck.

Verkörperungen der Liebe! Heutzutage ist nirgendwo in der Welt Frie- den zu finden. Nur Zerstückelung ist zu sehen! Tatsächlich zerbrechen die Menschen ihr Herz in Stücke. Wie kann man dann Frieden erlan- gen? Es gibt nur eine Lösung für dieses Problem: Liebt Gott! Vertraut auf Gott! Ergebt euch ihm. Widmet Gott euer ganzes Leben und führt jede eurer Aktivitäten als eine Gabe für ihn aus. Lasst all eure Aktivi- täten eine Hilfe für andere sein. Helft immer, verletzt nie. Ihr könnt nicht behaupten, euer Leben sei frei von Problemen. Wer weiss, was im nächsten Moment auf euch zukommt! Wenn ihr immer glücklich sein wollt, dann betet für das Wohlergehen anderer. Das ist wahre spirituelle Disziplin. Spiritualität bedeutet nicht einfach, Bhajans zu singen und ei- nige Gottesdienste abzuhalten. Entwickelt edle Eigenschaften. Seid anderen gegenüber immer hilfsbereit und verdient euch einen guten Namen. Jesus erlangte so einen guten Namen, indem er seinen Körper am Kreuz opferte. Auch ihr müsst zu so einem grossen Opfer bereit sein. Wenn ihr Opfergeist aufgebt und euch Sinnesfreuden hingebt, wird das in Krankheit enden. In Wahrheit ist Opfergeist die wahre Ver- einigung mit Gott und Vergnügen ist Krankheit. Werdet nicht das Opfer von Krankheit. Entwickelt Opfergeist und erreicht die Vereinigung mit Gott.

Liebe Studenten und Studentinnen! Wer immer die Eigenschaft der Lie- be erlangt hat, wird niemals von anderen gehasst werden. Nicht einmal wilde Tiere werden euch Schaden zufügen, wenn ihr Liebe besitzt. Die grossen Weisen der alten Zeiten verbrachten ihr Leben friedlich in dich- ter Wildnis inmitten von wilden Tieren. Die wilden Tiere kämpften un- tereinander, aber sie fügten diesen Weisen keinerlei Schaden zu. Was ist die Ursache davon? Die Weisen besassen die Waffe der Liebe, die sie vor diesen wilden Tieren schützte. Tatsächlich liebten die wilden Tiere diese grossen Weisen ebenfalls. Der Mensch muss diese grosse Waffe der Liebe erwerben. Liebe allein, und nicht die Atombombe oder Wasserstoffbombe, kann uns beschützen. Nehmt mich selbst als Bei-

372 spiel. Ich besitze nur eine einzige Waffe, nämlich Liebe. Aufgrund die- ser Liebe versammeln sich Millionen Menschen aus aller Welt um mich. Habe ich euch jemals eine Einladung gesandt? Nein. Allein meine reine makellose Liebe zieht euch hierher. In Wirklichkeit ist mein Herz selbst ein sehr machtvoller Magnet. Aufgrund der Macht der Liebe in diesem Magneten werden all diese Eisenspäne zu diesem Ort hingezogen. Um vom Magneten angezogen zu werden, sollte das Eisen frei von Rost und Staub sein. Manche Menschen denken: “Swami bezeichnet sich selbst als machtvollen Magneten, aber er ist nicht in der Lage, uns an- zuziehen.“ Der Fehler liegt allein bei ihnen. Ihre Herzen sind verrostet. Nur wenn sie ihre Herzen reinigen, werden sie von dem Magneten von Swamis Liebe angezogen. Wie könnt ihr den im Herzen angesammel- ten Rost und Staub beseitigen? Nur, indem ihr euer Herz mit Liebe ab- rubbelt und poliert. Seien es Inder oder Ausländer, jeder muss sein Herz durch Liebe reinigen, und diese Liebe muss vollkommen selbstlos sein. Wenn ihr diese selbstlose Liebe kultiviert, könnt ihr die ganze Welt an euch ziehen. Selbstsucht ist Lieblosigkeit, und Liebe ist Selbstlosigkeit. Führt deshalb ein Leben voller Liebe.

373

Anhang

Die Körperhüllen

Die Pancakoshas sind die fünf Hüllen oder konzentrischen Schichten von Materie, die das Göttliche Selbst (atman) umgeben. Sie kommen einzeln nicht vor und werden lediglich zu Studienzwecken analysiert. Man sollte erkennen, dass das, was in der fünffachen Umhüllung wohnt, das wirkliche "Ich" ist. Um diese Wahrheit zu entdecken, muss man die fünf Hüllen durchdringen.

Die fünf Hüllen (kosha) sind die folgenden:

1. Annamayakosha - die aus Nahrung gebildete Hülle; gemeint ist der physische Körper, welcher die gröbste Materie des Selbst (atman) dar- stellt. Sie belebt die fünf Sinnesorgane (Augen, Ohren, Nase, Zunge und Haut) und die fünf Handlungsorgane (Stimmorgane, Hände, Füs- se, Geschlechtsorgane und Ausscheidungsorgane).

2. Pranamayakosha - die aus Lebenskraft bestehende Hülle (kosha); die Hülle der fünf Lebenskräfte (prana), die nach dem sichtbaren Körper die zweite, bereits feinstoffliche Schicht darstellt. Es ist dies eine Vital- hülle, die Körper und Denken belebt und zusammenhält. Solange sie im Organismus vorhanden ist, bleibt er am Leben. Ihre grobe Manife- station ist der Atem. Sie umfasst die fünf Sinne (Form, Geräusch, Ge- ruch, Geschmack und Tastsinn) und die fünf physiologischen Systeme (das Wahrnehmungssystem, das Ausscheidungssystem, das Verdau- ungssystem, den Kreislauf und das Denken).

3. Manomayakosha - die aus Geist (manas) bestehende Hülle, welche die dritte Hülle des Selbst ist. Sie ist die aus Gedanken, Begierden, Mo- tiven, Emotionen und Wünschen gebildete Hülle, die sowohl positive als auch negative Aspekte enthalten kann.

4. Vijnanamayakosha - die aus Erkenntnis (vijnana) bestehende, vier- te Hülle des Körpers, die aus der höheren Intelligenz, der Intuition be- steht.

375 5. Anandamayakosha - die Hülle, die aus Glückseligkeit besteht. Dies ist die letzte Hülle, die das Selbst verdeckt. Sie sollte nicht mit der ab- soluten Glückseligkeit verwechselt werden.

Das Göttliche Selbst (atman) ist der Keim dieser fünfschichtigen Struk- tur. Die fünf Lagen sind wie fünf übereinander getragene Kleidungs- stücke (Körper). Sie werden von einer Person getragen, aber sie sind nicht ein Teil dieser Person. Ebenso ist der Atman etwas Eigenes und deutlich getrennt von den fünf Hüllen.

Die zehn Inkarnationen von Vishnu

1. Matsya - Fische 2. Kurma - Schildkröte 3. Varaha - Eber 4. Narashima - Löwe 5. Vamana - Zwerg 6. Parshuram - Rama mit der Axt 7. Ram - Rama 8. Krishna 9. Balarama - Halbbruder von Krishna 10. Kalki - Sathya Sai Baba.

Der Kalki-Avatar beendet das Kaliyuga, das Eiserne Zeitalter und be- ginnt das Goldene Zeitalter mit uns.

Die vier Zeitalter - Yugas

Goldenes Zeitalter - Krita- oder Satyayuga Silbernes Zeitalter - Tretayuga Kupfernes Zeitalter - Dvaparayuga Eisernes Zeitalter - Kaliyuga

376 Glossar

Adi Shankaracarya - Name eines der grössten Heiligen und Philoso- phen Indiens (ca. 788-820), welcher der Hauptvertreter des Advaitave- danta war. Trotz seines kurzen Lebens hat der Schüler von Gaudapa- das Schüler Govindapada zahlreiche Schriften verfasst. Als wichtigste gelten seine Kommentare zu den Vedantasutras, einigen und der Bhagavadgita; ausserdem die ihm zugeschriebenen Atmabo- dha, Tattvabodha, Upadeshasahastri (welche mit grosser Sicherheit von Adi Shankaracarya selbst verfasst worden ist) und Vivekacuda- mani. Der Titel seines Vedantasutra-Kommentars ist Sharirakabha- shya (Erörterung in Bezug auf die Seele, welche der wahre Bewohner des Körpers ist). In Indien wird Adi Shankaracarya aber nicht nur als ein kühler Philosoph betrachtet, sondern auch als ein Heiliger, der von bhakti beseelt war; deshalb werden ihm eine ganze Reihe Hymnen zum Lobe verschiedener Gottheiten zugeschrieben. Adi Shankaraca- rya gilt als der Erneuerer der vedischen Traditionen, nachdem diese zeitweise vom Buddhismus verdrängt worden waren. Sein Wissen und seine Heiligkeit waren so gross, dass man ihn als eine Inkarnation Shivas betrachtete. Shankara ist auch ein Name für Shiva.

Advaita - Nicht-Zweiheit, Nicht-Dualität; Name von Adi Shankaraca- ryas nondualistischer Philosophie, die auf die Natur der höchsten Realität Gottes hinweist, welche ohne relative Zweiheit ist; im Konzept von advaita zeigt sich das Prinzip, dass die Seele (Atman) und die göttliche Wirklichkeit wesensmässig, qualitativ eins sind; die Erfah- rung von advaita ist mit dem Verstand nicht erfassbar; denn das ich- gebundene Denken des Wachzustandes vermag nicht, aus der Dua- lität der Subjekt-Objekt-Beziehungen herauszutreten.

Akasha - Raum, Äther. Der Akasha ist das feinste der fünf Elemente und ist nicht mehr atomar aufgebaut; deshalb kann er das gesamte Uni- versum erfüllen und durchdringen; insofem ist er die physische Reprä- sentanz des allgegenwärtigen göttlichen Einen. Der Klang ist diejenige Wahrnehmung, welche im Akasha strukturiert ist. Auch die psychi- schen Organe des Menschen (vgl. Antahkarana) haben hier ihre Rea- lität.

Amba - Mutter; göttliche Mutter; ein Name für Shakti.

377 Antahkarana - Die Brücke oder der Weg vom höheren zum niederen Denkvermögen, sie ist der Verbindungsweg zur Intuition. Die Antahka- rana wird vom Aspiranten selbst aus mentaler Substanz erbaut. Sie ist das innere Funktionsgefüge der Psyche. Sie befähigt zu denken, zu empfinden, zu unterscheiden und zu erinnern. Sathya Sai Baba nennt sie das innere Organ.

Aranyaka - Zum Walde gehörend; Name einer Klasse heiliger Schrif- ten. Die Aranyakas sind jeweils einem Veda zugeordnet und sind als Lektüre für die Waldeinsamkeit gedacht. Sie enthalten mystische Be- trachtungen sowie die Beschreibung wichtiger Riten und bilden den Ausgangspunkt für die Upanishaden. Die in den Aranyakas beschrie- benen Riten und kultischen Handlungen gelten als besonders heilig und als gefährlich für den Unberufenen, der sie zu früh vollzieht, weil er dadurch Haus, Hof und Leben verlieren könne. Deshalb wurde der Schüler nicht im Dorf, sondern in der Einsamkeit des Waldes belehrt.

Arjuna - Spiritueller Schüler von Krishna. Er wurde während eines Krie- ges durch Krishna unterrichtet.

Artha - Wohlstand, Reichtum, Besitz, der durch rechtschaffenes Han- deln erworben worden ist. ist eines der vier Ziele des menschli- chen Strebens und gilt in der vedischen Tradition so lange nicht als ver- werflich, wie bei seiner Verfolgung Moral und die göttliche Ordnung berücksichtigt werden. Andere Bedeutungen von artha sind: Objekt, Gegenstand; die gegenständliche Welt; Sinn, Bedeutung; Zweck, Ziel.

Ashram - Aufenthaltsort eines Heiligen oder Weisen, wo der Meister seine Jünger und Aspiranten um sich sammelt, um sie persönlich zu belehren.

Atharvaveda - Name des vierten Veda, der Formeln für die Gesundheit und Sicherheit des Körpers und der Gemeinschaft enthält. Vieles, was zu seinem Inhalt gehört, ist den Bereichen der Magie und der Heilrituale zuzurechnen.

Ätherkörper - Nach den okkulten Lehren besteht der physische Körper des Menschen aus zwei Teilen, nämlich aus dem dichten physischen und dem Ätherkörper. Der dichte physische Körper wird aus Materie der drei niedersten Unterebenen der physischen Ebene gestaltet. Der

378 Ätherkörper wird aus den vier höchsten, den ätherischen Unterebenen der physischen Ebene gebildet.

Atindriyashakti - Über die Sinne hinausgehend; mit den Sinnen nicht erfassbar; übersinnlich.

Atmadharma - Gesetz, Göttliche Ordnung; die grundlegende Norm; auf der Wirklichkeit des Selbst beruhende Rechtschaffenheit.

Atmalinga - Symbol des formlosen, alles durchdringenden Selbst; Lin- ga.

Atman - Der Atman ist die unsichtbare Grundlage, das wirkliche Selbst, das Göttliche Selbst, die dem Menschen innewohnende Göttlichkeit, die Seele, welche die Wirklichkeit innerhalb der fünf Schichten (kosha) darstellt, deren äusserste der Körper ist. Er ist der göttliche Funke im Innern, die allerinnerste, dem Menschen ureigene Realität. Er ist die eigentliche Substanz der gesamten "objektiven" Welt, die Wirklichkeit hinter dem Schein und jedem Wesen innewohnend. Er ist von Natur aus frei von jeglicher Bindung. Er handelt nicht, noch besitzt er eigene Bedürfnisse oder Besitztümer, kennt kein "ich" oder "mein". Der Atman ist unsterblich. Er vergeht nicht, er stirbt nicht wie der Körper oder der relative Geist. Er ist die wesenhafte Wirklichkeit des Individuums, der Zeuge, unberührt von allem Wandel in Zeit und Raum, der dem Kör- perlichen innewohnende Geist, das Geheimnis jenseits dessen, was sich durch Körperliches fassen lässt, die wahre Triebkraft, die hinter den Impulsen und Zielen der körperlichen Ebene steht.

Aura - Eine feine, unsichtbare Essenz oder ein Fluidum, das von menschlichen und tierischen Körpern, ja sogar von Sachen ausstrahlt. Die Aura ist eine seelische Ausströmung, an der das Denkvermögen und der Körper teilhaben; sie ist elektro-vital und elektro-mental.

Avatar - Das Erscheinen Gottes auf Erden in einer von ihm frei ge- wählten Form; eine Inkarnation des göttlichen Bewusstseins. Er kommt, um neue Wege der religiösen Verwirklichung aufzuzeigen oder diese Wege dem Zeitalter anzupassen. Er wirkt zur Unterstützung der Menschheit und zur Wiedereinsetzung göttlicher Ordnung und Gerech- tigkeit. Ein Purna-Avatar besitzt alle göttlichen Kräfte und hat einen voll- ständigen, umfassenden Überblick über alles und jedes, er ist voller Liebe und bringt Einheit unter die Menschen.

379 Ayodhya - Eine Stadt, die uneinnehmbar ist, in die kein Feind eindrin- gen kann, eine unbesiegbare Stadt, eine unerschütterliche Festung; Name der Stadt der Sonnenkönige, der Hauptstadt des Königreiches von Dasharatha, dem Vater von Rama.

Balarama - Name des älteren Bruders Krishnas. Im Mahabharata wird berichtet, dass Vishnu sich ein weisses und ein schwarzes Haar aus- zog, woraus Balarama und Krishna wurden. Balarama hatte helle Haut, Krishna eine dunkle Hautfarbe.

Bali - Name eines Königs der Affen, der seinen Bruder Sugriva ent- thront hatte. Er wurde von Rama getötet, der dann Sugriva wieder als König einsetzte.

Bali - Opfergabe, Geschenk, Steuer, Abgabe, Tribut; Name eines Dä- mons, der von Vishnu in der Gestalt des Zwerges Vamana überwunden wurde. Er wird auch Mahabali genannt, da er als Enkel Prahladas eine grosse Frömmigkeit und Freigiebigkeit besass. Aufgrund seiner Hin- gabe wurde er von Vishnu verschont.

Balvikas - (Hindi) abgeleitet von bala vikasa, das Erblühen und Ent- falten der Kinder.

Bhagavan/Bhagavat - Erhaben, heilig; der Erhabene; ein Name für Gott, der seine unumschränkte Grösse offenbart. Wörtlich bedeutet bhagavat "Glanz, Erhabenheit besitzend." Dies ist eine ehrerbietige An- rede, die der Herrlichkeit Gottes angemessen ist und bedeutet, dass er die sechs göttlichen Eigenschaften besitzt:

1. Allmacht, Allwissen und Allgegenwart; 2. Gleichbehandlung, Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit (dharma); 3. Glanz, Herrlichkeit, Ruhm; 4. Reichtum, Majestät, Gnade (shri); 5. Weisheit, Erleuchtung (jnana); 6. Loslösung, Ruhe, Gleichmut (vairagya).

Bhagavadgita - "Der Gesang des Erhabenen”, “das Lied Gottes"; Name eines Ausschnitts aus dem 13. Buch des Mahabharata. Die Gita, wie sie auch kurz genannt wird, ist ein philosophisches Lehrgedicht,

380 das von vielen Menschen als heilige Schrift betrachtet wird und ihrem Leben als Richtschnur dient. In 18 Kapiteln (700 Versen) empfängt der Kriegsheld Arjuna von seinem göttlichen Wagenlenker Krishna ange- sichts der bevorstehenden Schlacht von Kurukshetra eine grundlegen- de Unterweisung über die Kunst des richtigen Lebens und Handelns, über den spirituellen Weg zu Gott. Es scheint verwunderlich, dass der Schauplatz der Belehrung ein Schlachtfeld ist. Doch unabhängig von Arjunas Karma, das ihn in die Schlacht getrieben hat, ist das Schlacht- feld ein Symbol für die unentwegten Kämpfe, die im Menschen zwi- schen den guten und bösen Kräften, zwischen dem Ego und seiner hö- heren Natur stattfinden. Krishna belehrt seinen Freund und Schüler in diesem Dialog über den Pfad, der zur höchsten Wirklichkeit führt. Er zeigt ihm die Wege von Erkenntnis (Jnanayoga), Gottesliebe (Bhakti- yoga), selbstlosem Tun (Karmayoga) und Meditation (Rajayoga). Dies sind die klassischen Hauptwege des Yoga. Das Werk vereinigt in sinn- voller Weise die Lehren der Philosophiesysteme des Sankhya, Yoga und Vedanta und ist in seiner Kombination von künstlerischem Aus- druck und philosophischer Tiefe eines der bedeutendsten Werke der religiösen Weltliteratur.

Bhagavatam/Bhagavatapurana - Name eines heiligen Textes; wörtl.: "Das Purana, welches sich auf den Erhabenen bezieht." Es ist das be- rühmteste der 18 grossen Puranas und wird seiner kunstvollen Sprache und philosophischen Tiefe wegen von vielen mit der Bhagavadgita und den Upanishaden auf eine Stufe gestellt. Das Bhagavatapurana erläu- tert spirituelle Wahrheiten durch Geschichten von Heiligen, Sehern und Königen und beschäftigt sich ausführlich mit dem Leben Krishnas, wes- halb es den Vaishnavas als besonders heilig gilt.

Bhajan/Bhajana - Lobgesang, Lobpreisen der verschiedenen Namen und Aspekte Gottes; traditionell werden die bhajans von Trommeln, Zimbeln etc. begleitet; ein Vorsänger singt jeweils eine Zeile, die Grup- pe singt nach. Oft bestehen die Texte nur aus Namen Gottes ohne an- dere Hinzufügungen; daher rührt ihre Wirkung, den Geist auf Gott aus- zurichten und das Herz mit Liebe zu ihm zu erfüllen.

Bhakti - Anbetung, Hingabe; Gottesliebe; Glaube, Beständigkeit, Ver- bundenheit mit dem Herrn unter allen Umständen; unerschütterliche Loyalität zu Gott, Verehrung des Herrn. Um in bhakti gefestigt zu sein, braucht man Unbeirrbarkeit, Tugend, Furchtlosigkeit, Hingabe und soll- te frei von Egoismus sein. Bhakti ist die höchste und reinste Form der

381 Liebe. Sie zeigt sich als Liebe zu Gott, Hingabe an den Meister (Guru) oder eine bestimmte Manifestation des Herrn. Es werden verschiedene Arten und Grade von bhakti unterschieden:

1. Gurubhakti - die Hingabe an den Lehrer und Meister; 2. Vaidhabhakti - eine vorbereitende Stufe, auf der alle Anordnun- gen des Meisters zur Ausübung von bhakti befolgt werden; 3. Ragabhakti - ein Zustand, in welchem der bhakta nur an Gott denkt, alles erinnert ihn an Gott, alles bezieht sich auf ihn; 4. Parabhakti - höchste Liebe zu Gott, in der nichts ist ausser ihm und dem Bewusstsein der Verbundenheit mit ihm; 5. Premabhakti - ekstatische Liebe zu Gott. Im Zustand von bhakti ist es das natürliche Bedürfnis des Menschen, Gott zu dienen und seinen Plan in die Tat umzusetzen.

Bharata - 1. Name eines Königs und Heiligen aus dem Bhagavata- purana, er war der Sohn von Shakuntala und Stammvater der Kaura- vas und Pandavas. Seine Nachkommen hiessen Bharatas, deren gros- sen Kampf das berühmte Epos Mahabharata schildert. Nach ihm wur- de Indien früher Bharatavarsha genannt, und auch heute nennen die Inder wieder ihr Land Bharata; Arjuna trägt oft den Beinamen Bharata, was ihn als Angehörigen des Volkes der Bharata oder Nachkomme von Bharata kennzeichnet. 2. ein Halbbruder von Rama.

Bharat/Bharathyas - Indien; Inder.

Bhavani - Name für Parvathi, in ihrem freundlichen Aspekt.

Bhima - Name des zweitältesten der Pandava-Prinzen, der für seine aussergewöhnliche Stärke bekannt war. Er spielt in der Schlacht von Kurukshetra eine ganz entscheidende Rolle.

Bhishma - Name des Erziehers der Kauravas und der Pandavas; er war einer der Kriegshelden auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra, kämpfte aber tragischerweise auf seiten der Kauravas. Kurz vor seinem Tod lag er auf einem Pfeilbett und belehrte seine Schüler über die Ge- setze der Göttlichen Ordnung (dharma).

Bhuloka - Die Erdenwelt; die irdische Ebene.

382 Bodhisattva - Ein Chohan; wörtlich jemand, dessen Bewusstsein In- telligenz oder Buddhi wurde. Jemand, der nur mehr eine einzige Inkar- nation (Wiederverkörperung) braucht, um ein vollendeteter Buddha zu werden. Man könnte es als das Amt des Weltlehrers bezeichnen. Der Bodhisattva ist das Haupt aller Religionen in der Welt, er ist der Meister aller Meister und Engel.

Brahma - Der Schöpfergott, der die Entstehung des Universums be- wirkt. (Brahma sollte nicht mit Brahman verwechselt werden.)

Brahmaloka - Die Region von Brahma; ein Himmel oder eine Existenz- ebene, wohin der spirituell Entwickelte nach dem Tode gelangen kann. Dies ist aber nur die höchste Ebene aller relativen Existenzformen, die zwar fast Ewigkeitscharakter besitzt, hinter der aber die eigentliche spi- rituelle Welt von Satyaloka wartet. Satyaloka ist die Welt der Wahrheit; Name der höchsten relativen Welt, der Welt Brahmas; es heisst in man- chen Schriften, dass derjenige, der zu dieser Welt aufsteigt, nicht mehr dem Kreislauf von Geburt und Tod unterworfen sei.

Brahman - Das Allumfassende; das Universelle; das alles durchdrin- gende, göttliche, namenlose, formlose, ewig absolute Prinzip. Brah- man ist unzerstörbar, grösser als das Grösste, kleiner als das Kleinste. Brahman ist das Höhere Selbst, das wahre Ich eines jeden und die höchste nichtduale Wirklichkeit. Brahman ist der unpersönliche Aspekt Gottes, gewissermassen das Licht, das von ihm ausstrahlt.

Buddha - Der Name, den man Gautama gegeben hat. In Indien etwa um das Jahr 621 v. Ch. geboren, wurde er im Jahre 592 v. Ch. ein voll- endeter Buddha. Der Buddha ist ein "Erleuchteter" und hat die höchste Wissensstufe erlangt, die für einen Menschen in diesem Sonnensy- stem möglich ist.

Buddhi - Die universale Seele oder das universale Denkprinzip. Buddhi ist die geistige Seele im Menschen, die Intuition, das sechste Prinzip und daher Hülle des Geistes (Atman), des siebten Prinzips.

Caitanya - 1. Spirituell erwachtes Bewusstsein, welches nicht einfach nur Denkbewusstsein ist; Geist, Leben, Lebendigkeit, Intelligenz; 2. Name eines grossen Heiligen bzw. Avatars, auch Gauranga oder Krish- nacaitanya genannt.

383 Cakra, Zentrum - Rad, Kreis, Scheibe, Ring; Bezeichnung für die sie- ben Zentren feinstofflicher Energie (vgl. Kundalini) im Ätherkörper des Menschen. Die Cakras sammeln, transformieren und verteilen die sie durchströmende Kraft.

Daksha - Fähig, kompetent, geschickt, klug; einer, der alles aus dem Bereich des Wissens gelernt hat, ein Experte; Name eines bedeuten- den Prajapati welcher der Herr der Menschheitspatriarchen war. Be- rühmt ist das Opfer des Daksha, das von Shiva unterbrochen wurde, da dieser nicht eingeladen worden war.

Dharma - Die Göttliche Ordnung; Gebot Gottes, Ordnung, Gesetz; die Pflicht des Menschen, Verhaltensregeln oder Regeln der Selbstdiszi- plin, Verpflichtung, Moralkodex; Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit, Mo- ralgefühl, Tugendhaftigkeit. Dharma ist das, mit dem man in Einklang mit den Prinzipien der Veden kommt; abgeleitet von dem Wortstamm "dhri" mit der Bedeutung "tragen". Dharma ist das, was man trägt. So wie Kleidung die Würde einer Person bewahrt, die sie trägt, so ist auch dharma das Mass für die Würde eines Menschen oder eines Volkes. Dharma ist die Form höherer Lebensführung, die durch die zum Ziel erhobenen Ideale, durch die erreichte Entwicklungsstufe, durch die Stellung des Individuums in der Gesellschaft und die Bewusstwerdung seiner selbst und seiner Stellung bestimmt wird. Der Weg des dharma bedeutet Rechtschaffenheit, die mit Sicherheit zu innerer Reinigung und Harmonisierung führt. Bei allen weltlichen Tätigkeiten sollte man darauf bedacht sein, weder den Anstand noch die Regeln des guten Geschmacks zu verletzen. Man sollte die Eingebungen der inneren Stimme nicht falsch umdeuten, sondern jederzeit bereit sein, den Ge- boten des Gewissens zu folgen. Man sollte sich ständig vergewissern, dass man niemanden in seiner Freiheit einschränkt, und mit wacher Aufmerksamkeit die Wahrheit hinter der verwirrenden Vielfalt zu finden versuchen. Dies und nichts anderes ist die Pflicht des Menschen, sein dharma. Wenn irgendetwas, was mit dem Begriff Wahrheit (satya) be- zeichnet werden kann, in weltliche Wirklichkeit umgesetzt wird, so nennt man es dharma. Dharma ist nicht etwas, das jedermann nach Lust und Laune definieren darf. Man kann auch sagen, dass dharma dasjenige ist, was den Menschen trägt, ihm Sicherheit und Stabilität im Leben gibt; denn dharma ist als ein Göttliches Gesetz unumstösslich und beschützt jeden, der dharma beschützt.

384 Dharmaraja - Der König der Rechtschaffenheit; der Garant des Rech- ten; ein Name für den ältesten der Pandava-Brüder.

Dhoti - (Hindi) Untergewand; Name eines traditionellen Untergewan- des, welches von Männern getragen wird. Es besteht aus einem ca. drei Meter langen Baumwollstoff und wird kunstvoll um die Beine ge- schlungen.

Dhritarashtra - Name des blinden Königs von Hastinapura, der Vater der Kauravas und Bruder von Pandu war. Beide Brüder entsagten nacheinander dem Königsthron. Zwischen ihren Söhnen, den Kaura- vas und den Pandavas entbrannte die grosse Schlacht, die im Mah- abharata geschildert wird. Im Alter zog er sich mit seiner Gemahlin Gan- dhari in eine Einsiedelei in den Wäldern zurück, wo beide bei einem Waldbrand ums Leben kamen.

Draupadi - Name der Tochter von Drupada, dem König von Pancala. Sie war die Gemahlin der fünf Pandava-Prinzen und ist eine wichtige Gestalt des Mahabharata. Als sie vor dem versammelten Königshof auf Betreiben der Kauravas entkleidet werden sollte, betete sie zu Gott um Hilfe; daraufhin erhielt ihr Sari eine unendliche Länge, so dass sie nicht entkleidet werden konnte.

Drona - Name des Lehrers, der die Pandava- und Kaurava-Prinzen in der Kriegskunst unterwies. Er kämpfte in der Schlacht von Kurukshetra auf Seiten der Kauravas und übernahm nach dem Tod von Bhishma deren Oberbefehl.

Duryodhana - "Schwer zu besiegen, unbesiegbar"; Name des ältesten der hundert Söhne des blinden Königs Dhritarashtra und Gegenspieler der Pandavas. Bereits seine Geburt wurde von schlechten Omen be- gleitet und schon als Kind zeigte er eine starke Neigung, die Pandavas vernichten zu wollen.

Ganesha - auch Vinayaka, Ganapathi, Gananatha genannt. Herr der Heerscharen; Name des Sohnes Shivas und Parvatis; Gott der Weis- heit und Beseitiger aller Hindernisse. Er gewährt im weltlichen und im spirituellen Leben Erfolg. Viele religiöse Zeremonien beginnen mit der Anrufung Ganeshas. Meist wird Ganesha elefantenköpfig dargestellt.

385 Garuda - Name des Königs der Vögel; er ist das Reittier Vishnus und wird mit Kopf, Schwanz und Flügeln eines Adlers und Leib und Beinen eines Menschen dargestellt. Sein Gesicht ist weiss, seine Flügel sind rot und sein Körper ist golden. Garuda soll den Unsterblichkeitstrank (amrita) von den Göttern geraubt haben, um eine Mutter von Kadru frei- zukaufen. Indra entdeckte den Diebstahl und kämpfte mit Garuda. Das Amrita wurde zurückgewonnen, aber Indra wurde besiegt, sein Don- nerkeil zerbrochen.

Gopi/Gopika - "Hirtenmädchen, Hirtin"; die Gespielinnen und Vereh- rerinnen Krishnas in Brindavana, wo er seine Kindheit und Jugend ver- brachte. Für den Gotthingegebenen (bhakta) sind sie ewige Gefähr- tinnen Krishnas und die vollkommenen Vorbilder für intensive Gottesliebe.

Guna - Eigenschaft, Qualität; Grundeigenschaft; nach der Sankhya- Philosophie bestehen alle Objekte der Erscheinungswelt aus den drei Grundeigenschaften (guna) sattva, rajas und tamas. Die drei Gunas sind Eigenschaften, die dem Herrschaftsbereich der Maya zuzuordnen und von Brahman abhängig sind. Sie verhüllen dessen Wirklichkeit. Bei vollkommenem Gleichgewicht der Gunas tritt nichts in Erscheinung. Bei gestörtem Gleichgewicht entstehen die Manifestationen der Schöpfung. Sattva tritt in der Welt als das Reine und Feine in Erschei- nung (z.B. als Sonnenlicht), Rajas als Aktivität (z.B. als Vulkanaus- bruch) und Tamas als Schwere und Unbeweglichkeit (z.B. als Fels- block). Alle drei Gunas sind aber überall präsent, nur ihr Mischungs- verhältnis ist unterschiedlich. Im Rahmen der Bewusstseinsevolution bezeichnet Sattva die Möglichkeit, die wahre Realität zu erkennen; Ta- mas steht als Hindernis der Verwirklichung entgegen; Rajas ist die Kraft, die mithelfen kann, Tamas zu stärken oder zu überwinden. In der konkreten Erfahrung zeigen sich Sattva als Ruhe, Frieden und Gelas- senheit, Rajas als Aktivität, Ruhelosigkeit und Leidenschaft, Tamas als Trägheit, Interesselosigkeit und Dummheit. Der jeweils dominierende Guna bestimmt Charakter und Stimmung des Menschen. Der spirituell Strebende muss Tamas mit Hilfe von Rajas, d.h. aktivem Bemühen, überwinden und schliesslich zur reinen Sattva-Qualität kommen. Beim Erkennen des Selbstes (Atman) muss auch der Bereich von Sattva transzendiert werden.

Guru - Ein geistiger Lehrer. Ein Meister in metaphysischen und ethi- schen Doktrinen; der kosmische Guru (Avatar); Meister; Lehrer.

386 Hanuman, Hanumat - "Mit starken Kinnbacken versehen"; Name des Heerführers der Affen; er war einer der unerschrockensten und hinge- bungsvollsten Diener (bhakta) von Rama und wird als ein Wesen dar- gestellt, das zur Hälfte Affe, zur anderen Hälfte Mensch ist. Er konnte durch die Luft fliegen und war ungeheuer stark. Mit seinem Affenheer unterstützte er Rama in dessen Krieg gegen Ravana. Er besass ma- gische und heilende Kräfte und wird deshalb auch Lehrer des Yoga ge- nannt. Im Ramayana ist zu lesen: "Der Häuptling der Affen ist vollkom- men, niemand kommt ihm gleich an Kenntnissen der Shastras, Gelehrsamkeit und Auslegung der Schriften." Für den Gottliebenden (bhakta) ist Hanuman das Symbol für die Haltung des Dieners seinem Herrn gegenüber. Während des Krieges gegen Ravana sprang er mit einem Satz von Indien nach Sri Lanka (Lanka), versetzte den Himalaya, riss Bäume aus und bewirkte viele andere Wunder. Auf Lanka ange- kommen, wurde sein Schwanz von seinen Feinden eingefettet und in Brand gesetzt, wobei ihre eigene Hauptstadt in Flammen aufging. Er war Ramas treuer Diener, sein Kundschafter und ein grosser Kämpfer und begleitete ihn, als er in seine Hauptstadt Ayodhya zurückkehrte; dort wurde Hanuman mit ewiger Jugend und ewigem Leben belohnt. Er wird folgendermassen beschrieben: "Seine Gestalt ist gross wie ein Berg und hoch wie ein gewaltiger Turm, seine Hautfarbe gelblich und glühend wie geschmolzenes Gold, sein Gesicht rot wie ein leuchtender Rubin und sein Schwanz von gewaltiger Länge. Er steht auf einem ho- hen Felsen, brüllt wie Donner, springt in die Luft und fliegt mit sausen- dem Geräusch durch die Wolken, während unter ihm die Wellen des Ozeans toben und donnern."

Hiranya - Gold.

Hiranyagarbha - Der goldene Keim; das goldene Ei. Im Rigveda wird Hiranyagarbha als der Anfang, der erste Schöpfungskeim beschrieben, der Himmel und Erde in sich enthält.

Hiranyakashipu - "Der, welcher goldene Kleidung trägt"; Name eines Dämonenkönigs, des Vaters von Prahlada.

Initiation - Einweihung. Die ersten Grundsätze einer jeden Wissen- schaft. Ein Initiierter oder Eingeweihter ist jemand, der in die Geheim- nisse der Wissenschaft vom Selbst eindringt und vom Einzelselbst in alle Selbste. Der Pfad der Einweihung ist das letzte Stadium des Pfades

387 der menschlichen Evolution und wird in fünf Stufen eingeteilt; diese fünf Stufen nennt man die fünf Einweihungen.

Jnana - Wissen, Weisheit, Verständnis, Erkenntnis; spirituelle Einsicht; universelle Weisheit; gemeint ist die Erkenntnis, die den Zugang zum Wissen über alles erschliesst und deshalb die Kenntnis von allem Üb- rigen letztlich überflüssig macht. Jnana ist kein intellektuelles Wissen, sondern entspringt einer Erfahrung, die jeden Augenblick des Lebens durchdringt und belebt. Blosse Anhäufung von Fakten ist nicht jnana. Es ist das Wissen, das den Knoten im Herzen löst und die Bindung durch äussere Objekte verschwinden lässt. Jnana beinhaltet die Ent- deckung Gottes im Inneren und im Äusseren. Wenn einmal erlangt, er- möglicht jnana den klaren Zugang zur Realität, der Schleier der Illusion fällt, und die Herrlichkeit Gottes wird offenbar. Jnana zeigt sich dann als absolute Wahrheit, die jenseits von Zeit und Raum liegt und unteil- bar ist.

Ishvara - Herr, Meister, der Mächtige und Allgewaltige; Gott in seiner herrschaftlichen Gestalt. Ishvara ist im Sanskrit eine der allgemeinsten Bezeichnungen für Gott, die unabhängig von einer bestimmten Glau- bensrichtung ist; insbesondere in philosophischen Texten wie z. B. dem Yogasutra wird dieser Begriff verwendet. Der Ishvara-Aspekt Gottes ist sehr verbreitet; auch im Christentum wird er als Herrscher, als Herr ge- priesen.

Kailasa - Name eines heiligen Berges im Himalaya. Man sagt von ihm, er sei die Wohnstatt Shivas, der höchste Gipfel im Wesen des Men- schen, wo Gott, der Herr, wohnt. Für viele Menschen ist er der heiligste Berg überhaupt und das Ziel vieler Pilgerfahrten. Zahllose Hymnen und Legenden sind ihm gewidmet.

Kaliyuga - Das Eiserne Zeitalter, das vierte nach der indischen Zeit- rechnung; es ist das Zeitalter, in dem wir heute leben. In diesem letzten der vier Weltzeitalter erreicht das soziale und geistige Leben den Tief- punkt, d. h. nicht nur die spirituellen Aktivitäten werden vernachlässigt, sondern das soziale Leben gerät im Ganzen aus den Fugen. Selbst der Familienzusammenhalt geht verloren, so dass schliesslich jeder gegen jeden kämpft. "Yuga" ist ein Zeitalter oder eine Zeitenrunde. Nach der indischen Philosophie wird unsere Evolution in vier Yugas eingeteilt. Das jetzige Zeitalter heisst Kaliyuga. Es bedeutet “Eisernes Zeitalter”

388 oder “Dunkles Zeitalter" und umfasst einen Zeitraum von 432’000 Jah- ren.

Karma - Tat, Handlung, Aktivität; Karma kann verstanden werden als:

1. eine geistige oder körperliche Handlung; 2. Konsequenz einer geistigen oder körperlichen Handlung; 3. die Summe allen Tuns eines Individuums in diesem oder voran- gegangenen Leben; 4. die Kette von Ursache und Wirkung in der moralischen Welt; 5. rituelles Handeln.

Das Gesetz des Karma gehört zu den Fundamenten verschiedener Traditionsströme, die auf indischem Boden entstanden sind, und findet sich in ähnlicher Form in vielen anderen Religionen, denen es um die ethische Verantwortlichkeit des Menschen für sein Tun geht. In der Kombination mit dem Reinkarnationskonzept versucht es zu erklären, warum Menschen in unterschiedliche Lebenssituationen kommen. Krankheit und Leid sind in diesem Zusammenhang Aufgaben der Rei- fung, die sich eine Seele gestellt hat, um den Weg zu Gott zurückzu- finden. Oft wird das Karma-Konzept als eine Schicksalsgläubigkeit missverstanden. Tatsächlich meint es aber, dass der Mensch die voll- ständige Verantwortung für sein Tun hat und deshalb auch die Freiheit besitzt, jetzt einen neuen Weg einzuschlagen. Die spirituelle Entwick- lung beinhaltet die Loslösung vom Konzept des Karma, der Befreite handelt zwar auch, tut dies aber nicht mehr aus individuellen Motiven heraus; er wird deshalb durch seine Handlungen nicht mehr gebunden. Man unterscheidet drei Arten von Karma: agamikarma, prarabdhakar- ma und sancitakarma. Agamikarma - Das herankommende Karma; zukünftiges Karma. Es entsteht durch Handlungen und Wünsche in der Gegenwart und wirkt sich nach dem Gesetz der Kausalität in der Zukunft aus. Agamikarma sollte von dem aufgehäuften Karma, das sich gegenwärtig auswirkt oder dessen Auswirkung noch bevorsteht (prarabdhakarma), unter- schieden werden. Agamikarma ist von besonderer Bedeutung, da man durch die gegenwärtigen Taten und Wünsche die eigene Zukunft be- einflussen kann. Prarabdhakarma - Das aktivierte Karma; die Wirkung von Handlungen aus früheren Geburten, die sich im gegenwärtigen Leben auswirken.

389 Sancitakarma - Angesammeltes, aufgehäuftes Karma; die angesam- melten Charaktertendenzen, die ein Mensch in vergangenen Leben ge- schaffen hat und die darauf warten, sich in einem zukünftigen Leben auszuwirken. Im gegenwärtigen Leben ist das Sancitakarma nicht ak- tiv, sondern in einem Samenzustand; durch spirituelle Praxis, insbe- sondere durch Einheitserfahrung (samadhi), können diese Samen ge- röstet und damit ihrer Wirksamkeit beraubt werden.

Kaurava - Von Kuru abstammend; Nachkomme der Kurus; gemeint sind insbesondere die 100 Söhne des Dhritarashtra, die durch List die Pandavas aus ihrem Reich vertrieben. Als die Pandavas zurückkehr- ten, besiegten sie in der Schlacht von Kurukshetra die Kauravas und erhielten ihr rechtmässiges Königreich zurück. Diese 100 Söhne eines blinden Königs stehen symbolisch für die schlechten Eigenschaften des Menschen.

Kevala - Allein, einsam, abgetrennt, isoliert; abstrakt, absolut, einzig, rein; nicht zusammengesetzt, unvermischt; ganz, vollständig. Kevala bezeichnet insbesondere den Zustand, in dem der Geist vollständig zur Ruhe gekommen ist und still in sich ruht.

Kumaras - Die sieben höchsten eigen-bewussten Wesenheiten im Sonnensystem. Sie treten vermittels eines Planeten (einer planetari- schen Evolution) in der gleichen Art in Erscheinung, wie sich ein Mensch durch das Mittel des physischen Körpers manifestiert. Sie sind die Regenten der Sieben Strahlen. Sie heissen bei den Hindus “die aus dem Denkprinzip geborenen Söhne Brahmas" und haben noch andere Namen. Sie sind die Gesamtheit von Intelligenz und Weisheit. Im pla- netarischen Evolutionsplan ist auch die Ordnung des Systems ersicht- lich. An der Spitze unserer Weltevolution steht der erste Kumara, Sanat Kumara, dem die anderen sechs Kumaras zur Seite stehen, drei exo- terische und drei esoterische. Sie sind die Brennpunkte für die Vertei- lung von Kraft.

Kumbhakarna - Name des Bruders des Dämonenkönigs Ravana; durch einen Fluch von Brahma schlief er jeweils sechs Monate und war nur einen Tag wach. Während des Kampfs, welcher der Befreiung Sitas galt, wurde er mit grosser Mühe geweckt und kämpfte erst gegen Su- griva, dann gegen Rama, von dem er getötet wurde.

390 Kundalini - Die Lebenskraft oder die latente göttliche Kraft im Men- schen. Die dritte Stufe in der Entwicklung ist das Erwachen der feurigen Schlange, Kundalini genannt, jenes Leben, das durch die Zentren oder Cakras fliesst, sie einigt und in ein harmonisches Ganzes koordiniert. Wenn dies erreicht ist, ist der astrale Mensch (Gefühle, Emotionen etc.) befreit. Diese Kraft ist nur jenen bekannt, die im Yoga Konzentration üben. Die Kundalinikraft ruht, wie eine aufgerollte Schlange, am unte- ren Ende der Wirbelsäule. Wird sie wachgerufen, findet sie bei ihrem Aufstieg durch die verschiedenen Zentren (Cakras) ihren Ausdruck in Form von spirituellen Erkenntnissen.

Krishna - Schwarz oder dunkelblau; Name einer vollkommenen Inkar- nation Gottes (Purna-Avatar). Er steht in der Reihe der Vishnu-Avatare an achter Stelle und soll in der Übergangszeit zum Eisernen Zeitalter (ca. 3100 v. Chr.) auf der Erde geweilt haben. Im Mahabharata ist Krish- na eine hervorragende Gestalt, berühmt sind seine Unterweisungen in der Bhagavadgita, dem "Gesang des Erhabenen." Arjuna spricht Kris- hna darin als höchsten, universalen Herrn an, der ewig, schon vor den Göttern existierend, ungeboren und allgegenwärtig ist. Berichtet wird von ihm auch in den Puranas, insbesondere im Bhagavatapurana, in dem deutlich gemacht wird, dass Krishna der Ursprung aller Avatare ist. Dort wird Krishnas Lebensgeschichte, beginnend in seiner frühen Jugend, die er in Brindavana unter den Hirten verbracht hat, bis zu sei- nem Königtum in Dvaraka in allen Einzelheiten erzählt. Im spirituellen Sinn bedeutet Krishna “der Allanziehende": Er ist derjenige, der für alle Menschen anziehend ist, der alle bezaubert, bei dem jeder sein möchte und in Bezug auf den jeder traurig ist, wenn er nicht bei ihm sein kann. Krishna kann den Gläubigen im tiefsten Inneren berühren. Während seines Weilens auf der Erde hat er für die Gotthingegebenen alle exi- stentiellen Möglichkeiten einer Verbindung mit Gott manifestiert, so dass jeder eine Beziehung zu ihm aufbauen kann. Seine Spiele (lila) beschreiben einerseits die tiefsten Geheimnisse des Verhältnisses des Menschen zu Gott. Andererseits sind sie unfassbarer und unverständ- licher Ausdruck von Krishnas transzendentaler Realität. In der Bhaga- vadgita verkündet er: "Wann immer die Rechtschaffenheit zugrunde geht und die Verstösse gegen das Göttliche Gesetz überhand nehmen, dann erscheine ich selbst." Nun ist er wieder als Sathya Sai Baba, dem zehnten Vishnu-Avatar, unter uns, um uns vom Eisernen Zeitalter zum Goldenen Zeitalter zu führen.

391 Lakshmana - Gute Zeichen habend, Name des Sohnes des Königs Dasharatha und seiner Gattin Sumitra. Er war ein Halbbruder und be- sonderer Freund von Rama, begleitete ihn ins Exil und auf allen seinen Wanderungen.

Linga - Zeichen, Kennzeichen, Symbol, Emblem; Symbol für das Gött- liche; insbesondere das Shivalinga symbolisiert das Aufgehen einer Form im Formlosen: die ovale Form des Linga ist eine Modifikation des Kreises, der ein Ausdruck der absoluten Wirklichkeit ist. Somit zeigt sich im Linga mit seinen zwei Brennpunkten die Gegenwart Gottes in seiner Schöpfung. Das Linga wird oft als eine Säule dargestellt, die in der Form an einen Phallus erinnert und Symbol der göttlichen, schöpferischen Kraft ist. Es erscheint widersprüchlich, dass Shiva, der Gott der Zer- störung und Verwandlung, in dem Symbol der Zeugungskraft verehrt wird. Doch es wird verständlich, wenn man bedenkt, dass jeder Um- wandlung ein neuer Anfang innewohnt.

Mahabharata - Name des grossen Epos, das den Kampf der Nach- kommen des Bharata beschreibt. Neben dem Ramayana ist es das zweite monumentale Heldenepos der indischen Literatur und zugleich das umfangreichste. Es besteht aus 106’000 Versen, die in 18 Bücher eingeteilt sind. Als Verfasser gilt der Weise Vyasa. Hauptthema ist der Kampf zwischen den beiden miteinander verwandten Bharata-Famili- en, den verderbten Kauravas und den tugendhaften Pandavas, um das von dem blinden Dhritarashtra aufgeteilte Königreich. Der bedeutend- ste philosophische Teil ist im 6. Buch die Bhagavadgita; sie enthält die Unterweisungen Krishnas an Arjuna unmittelbar vor Beginn der 18-tä- gigen Schlacht, deren dramatische Geschehnisse im Mittelpunkt des Mahabharata stehen. In das Mahabharata sind zahlreiche Nebenhand- lungen eingeschoben, die Beispiele für die Schicksalswege der Men- schen bieten und so auf praktische Weise spirituelles Wissen lehren.

Mahachohan - Das Oberhaupt der dritten grossen Abteilung der Hier- archie. Dieses grosse Wesen ist der Herr der Zivilisation und die Blüte des Intelligenz-Prinzips. Er ist auf diesem Planeten die Verkörperung des dritten oder Intelligenz-Aspektes Gottes.

Mahashivaratri - Das grosse Shivaratri-Fest; die Nacht des dunkelsten Neumonds des Jahres (meist im Februar oder März), die Shiva geweiht ist. Diese Nacht sollte der spirituellen Aktivität gewidmet sein, d. h. der Meditation, dem Gebet und dem Singen von Bhajans.

392 Maheshvara - (maha = gross und Ishvara = Herr) Der grosse Herr; ein Name für Shiva.

Makrokosmos - Wörtlich: das grosse Universum; Gott, der sich durch seinen Körper, das Sonnensystem, manifestiert.

Manas - Geist (im relativen Sinn); der Bereich der Wünsche, Gedanken und Gefühle; das Denken, die Fähigkeit des Denkens; die Psyche. Durch Manas werden die Eindrücke der äusseren Welt empfangen, die der Unterscheidungskraft (buddhi) unterbreitet werden. Es verarbeitet und koordiniert alle Sinneseindrücke und setzt Willensimpulse, die von innen kommen, in Handlung um. Im Sankhya wird Manas oft als innerer Sinn bezeichnet.

Manava - Menschlich; zum Menschen gehörig; von Manu kommend; Mensch; Name einer Veda-Tradition.

Mantra - “Das Denkwerkzeug”. Gesang, heiliges Wort oder Gebets- formel. Mit Mantra ist ausserdem ein Klang, eine Formel gemeint, die bei richtiger Anwendung bewusstseinsmässige Fortentwicklung be- wirkt. Die regelmässige Wiederholung des Mantra läutert das Denken. Es ist eine Vereinigung rhythmisch angeordneter Worte oder Silben, die auf höheren Ebenen bestimmte Schwingungen hervorbringen.

Manu - Mensch; der Inbegriff des Menschen; der Stammvater der Menschheit und ihr Gesetzgeber. Der darstellende Name für jenes grosse Wesen, das der Herrscher, der Urzeuger und das Oberhaupt der menschlichen Rasse ist. Stammt von der Sanskrit-Wurzel "man" (denken).

Manvantara - Eine Periode der Aktivität im Gegensatz zu einer Periode des Ruhens. Der Ausdruck wird oft gebraucht, um eine Periode pla- netarischer Tätigkeit und deren sieben Rassen auszudrücken.

Markandeya - Name eines Weisen, welcher der Verfasser des Mar- kandeyapurana ist; er war berühmt wegen seiner asketischen Lebens- weise und wegen des hohen Alters, das er erreichte.

Maya - Täuschung, Illusion, Schein; Schöpferkraft; das schöpferische Prinzip, das den allerersten Wunsch hegte, sich zu vervielfältigen; der Urwunsch, der sich ins Universum ausdehnte. Maya ist die faszinie-

393 rende, irreführende Täuschung, welche die tatsächlich unwirkliche, be- dingte Natur mit ihrer verführerischen Mannigfaltigkeit als letztendliche Wirklichkeit erscheinen lässt; es ist die Urillusion, die zugrunde liegen- de Unwissenheit, die verlockende Illusion, die Täuschung, das Unwirk- liche als das Wirkliche anzusehen, das Vergängliche für ewig zu halten. Maya ist ein Bewusstseinsphänomen, das Ergebnis einer mangelhaf- ten Wahrnehmung; denn die Welt ist in ihrem Innern göttlich, eine Ein- heit; das begrenzte Bewusstsein hingegen bindet sich an den Aspekt der Vielfalt. So kann man sagen, dass Maya eine Mischung aus Wirk- lichkeit und Täuschung ist. Die Wirklichkeit ist die göttliche Präsenz, die Täuschung ist die Vielfalt. Die kosmische Illusion ist eine Realität, die letztlich zu Gott gehört und Ausdruck seiner allmächtigen Kraft ist; sie kann daher nicht durch eigene Anstrengung überwunden werden, Got- tes Gnade ist dafür notwendig. Maya besitzt zwei Aspekte avidya (Nichterkenntnis) und vidya (Erkenntnis). Avidya führt den Menschen von Gott fort zu grösserer Weltlichkeit und Bindung, was Leidenschaf- ten und Gier verstärkt. Vidya führt den Menschen zur Verwirklichung Gottes und findet ihren Ausdruck in spirituellen Tugenden. Beide Aspekte bewegen sich in Zeit, Raum und Kausalität und sind somit re- lativ. Der Mensch geht über avidya und vidya hinaus, wenn er Gott in seiner Universalität erkennt.

Mikrokosmos - Das kleine Universum; der Mensch, der durch seinen physischen Körper in Erscheinung tritt.

Moha - Bewusstlosigkeit; Verwirrung, Verblendung, Täuschung; Feh- ler, Irrtum; Erstaunen, Verwunderung. Moha wird durch eine falsche Bewertung der Dinge verursacht und ist eine der nichtgöttlichen, dä- monischen Eigenschaften.

Mohakarma - Handlung, die im Zustand der Täuschung, Verwirrung ausgeführt wird; Handlung, welche die Täuschung stärkt.

Mohakshaya - Die Zerstörung der Täuschung; das Verschwinden der Verblendung; gemeint ist oft dasselbe wie .

Monade - Der oder das "Eine". Der dreifache Geist auf seiner Ebene. Im Okkultismus bedeutet das Wort oft die vereinte Triade: Atma, Bud- dhi, Manas, also den geistigen Willen, die Intuition und das höhere Denkvermögen. Die Monade ist der unsterbliche Teil des Menschen, die sich in den niederen Naturreichen immer wieder verkörpert, von Stu-

394 fe zu Stufe bis zum Menschenreich emporsteigt und von da aus dem Endziel zustrebt. Der göttliche Funke.

Nakula - Name eines der fünf Bandavas; er war der Sohn von Madri und ein Halbbruder Arjunas.

Namaskara - Eine Grussform: Wenn sich zwei Personen begegnen, legen sie die Innenflächen ihrer Hände zusammen und halten sie vor die Brust, nahe der Herzgegend, und begrüssen sich mit namaskara = "Verneigung vollziehe ich" oder “Verneigung sei dir." In einem tieferen Sinn meint der Gruss die Berührung der Lotosfüsse des spirituellen Meisters; symbolisch wird dem Herrn das Ego zu Füssen gelegt. Das Zusammenlegen der Hände kann als eine Darstellung der fünf Wahr- nehmungsorgane (Gehör, Tastsinn, Sehen, Geschmack und Geruch) und der fünf Tätigkeitsorgane (Stimme, Hände, Füsse, Sexualorgane und Anus) gedeutet werden, die zusammengeführt und in einem Akt der Hingabe Gott dargebracht werden.

Narada - Name eines der sieben grossen Rishis und einer der Pra- japatis. In den Puranas werden viele Geschichten und Legenden über ihn berichtet. Er soll der Herr der Gandharvas, der himmlischen Musi- kanten, gewesen sein und ein Saiteninstrument (vina) erfunden haben. Berühmt sind die Bhaktisutras, die Narada zugeschrieben werden; sie behandeln den Weg der sich immer mehr vergrössernden Liebe zu Gott.

Narayana - Eine Bezeichnung Gottes in seinem Aspekt als Urwesen, als erstgeborenes Wesen der Schöpfung, von dem alles ausgeht. Als höchster Gott herrscht er über die Menschen und das Universum. Nara- yana wird oft als eine Manifestation von Krishna bzw. Vishnu betrachtet.

Nayana - Fahrend; hinbringend; erreichend; das Auge.

Nirmanakayas - Jene vollendeten Wesen, die dem (dem höchsten Zustand geistiger Glückseligkeit) entsagen und ein Leben der Selbstaufopferung erwählen. Sie reihen sich ein in die unsichtbare Schar jener, welche die Menschen im Rahmen des karmisch Möglichen beschützen. Es sind grosse Lehrer aus Nirvanischen Sphären, welche die geistige Evolution der Menschheit lenken.

395 Nirvana - "Verlöschen"; Beruhigung aller geistigen Unruhe; dieser Be- griff beschreibt den Zustand der Befreiung insbesondere im Buddhis- mus; es ist der völlig ausgewogene Geisteszustand, der von der Dua- lität von Gut und Böse nicht berührt wird. Durch Nirvana wird der Mensch von Leiden, Tod, Wiedergeburt und allen anderen Formen weltlicher Bindungen befreit. Dieses transzendentale Bewusstsein wird in der Bhagavadgita brahmanirvana genannt, in den Upanishaden tu- riya, im Vedanta nirbijasamadhi und im Yoga nirvikalpasamadhi, wobei zu bedenken ist, dass diese unterschiedlichen Begriffe auch qualitativ andere Aspekte der Befreiung beschreiben.

Nivritti - Rückkehr, Aufhören, Sichenthalten; Sichzurückziehen, Ablö- sung. Nivritti bezeichnet den Weg der Umkehr, den Weg heraus aus immer neuen Karma-Verstrickungen, die Hinwendung nach innen; nivritti zu praktizieren heisst, sich ernsthaft auf den spirituellen Pfad zu begeben.

Nivrittimarga - der Weg der Rückkehr; der Weg nach innen, zur spi- rituellen Selbstbesinnung; der Weg, auf dem man sich in keine neuen Bindungen und Verstrickungen mehr einlässt.

Om namo Narayanaya - "OM, Verneigung dem Narayana"; dieser Satz dient auch als eine traditionelle Grussform unter Sadhus und Hei- ligen oder wird als Mantra benutzt.

Om namah Shivaya - Grussform für Shiva.

Paramatman - Das höchste Selbst, das Göttliche Selbst, der aller- höchste Atman; die ewige Seele, die nicht durch Raum und Zeit be- grenzt ist; der Herr, der als Paramatman im Herzen eines jeden weilt, der göttliche Funke. Weil er in den Menschen eingegangen ist, kann er ihn in seinem Inneren finden. Das höchste Selbst ist ewig, rein, in- telligent, befreit, erleuchtet, zufrieden, bewusst und trägt die göttliche Vollkommenheit in sich.

Paramajyotis - Das höchste Licht; gemeint ist ein immaterielles Licht, zu welchem die Dunkelheit keinen Gegensatz mehr bildet; denn es ist jenseits der Dunkelheit und heller als tausend Sonnen. Es ist die Aus- strahlung des höchsten Herrn, die oft mit Brahman gleichgesetzt wird.

396 Parvati - Dem Gebirge zugehörig; ein Name für die Gemahlin Shivas; die göttliche Mutter (Shakti). Sie ist die Tochter des Himavat.

Prana - Das Lebensprinzip, der Lebensatem. Der Okkultist hält folgen- de Aussage für wahr: “Wir sehen das Leben als die eine Seins-Form an, die sich in der so genannten Materie manifestiert, oder als das, was wir unrichtigerweise dreiteilen und Geist, Seele und Materie beim Men- schen nennen. Die Materie ist die Hülle oder der Körper für die Mani- festation Gottes auf dieser Daseins-Ebene; die Seele ist die Körper- hülle für die Manifestation des Geistes; und diese drei werden vom Leben, das sie durchdringt, zur Dreiheit verbunden.”

Prema - Liebe; Liebe ohne Makel der Bindung; Liebe, die unwandelbar, aufrichtig und rein ist, unbefleckte, unerschütterliche, allumfassende Liebe für alle Wesen, selbstlose, bedingungslose Liebe.

Purana - Uralt, urtümlich; Purana ist der Name einer Literaturgattung, deren Texte zu den klassischen heiligen Schriften zählen. Im Gegen- satz zu den Epen, welche die Handlungen menschlicher Helden be- schreiben, behandeln die achtzehn Haupt-Puranas (Mahapurana) und die ihnen untergeordneten 18 Neben-Puranas (Upapurana) die Berich- te über das göttliche Wirken auf der Erde. In ihnen stehen das Wirken des persönlichen Gottes und die Liebe zu ihm (bhakti) im Mittelpunkt; die einzelnen Texte werden jeweils der Vaishnava-, Shaiva- und Brah- ma-Tradition zugeordnet. Die sechs Vaishnavapuranas sind: Vishnu- , Bhagavata-, Padma-, Narada-, Garuda- und Varahapurana. Die sechs Shaivapuranas sind: Matsya-, Linga-, Skanda-, Kurma-, Shiva- und Agnipurana. An die Stelle des Agnipurana tritt mitunter auch das Vayupurana. Die sechs Brahmapuranas sind: Brahma-, Brahmavai- varta-, Vamana-, Brahmanda-, Markandeya- und Bhavishyapurana. Die berühmtesten aller Puranas sind das Vishnu- und Bhagavatapura- na, Letzteres erzählt die Lebensgeschichte Krishnas und hat starken Einfluss auf den Glauben der Menschen ausgeübt. Jedes Purana soll fünf Charakteristika haben, und zwar soll es folgende Themen behan- deln: 1. Schöpfung; 2. Zerstörung und Erneuerung der Welt; 3. Ge- schlechterfolge der Götter und Helden, 4. die Herrschaft der verschie- denen Manus in den verschiedenen Stadien menschlicher Entwicklung; 5. Leben und Werke der Nachkommen der Manus, ins- besondere der Könige der Sonnen- und Monddynastien. Einzelne Tex- te enthalten aber auch philosophische und wissenschaftliche Betrach- tungen sowie eingeschobene Erzählungen. Sie sind damit der

397 epischen Literatur nicht unähnlich. Ebenso wie ein Avatar eine sicht- bare göttliche Inkarnation ist, sind die Puranas die Exemplifizierung der spirituellen Wahrheiten in Gestalt von existentiell berührenden Schick- salen und Lebenssituationen.

Purusha - Mensch; der ursprüngliche, ewige Mensch; die Essenz des Menschen; das höchste Wesen, göttliche Persönlichkeit; ist eines der beiden ewigen Prinzipien der Sankhya-Philosophie, in der er das Selbst, das absolute und reine Bewusstsein, bezeichnet; er ist der Zuschauer, der den Wandlungen in der Natur (prakriti) unbeteiligt zu- schaut, obgleich er der eigentlich Handelnde, das eigentliche Subjekt des Weltprozesses ist. In manchen Texten wird purusha synonym mit Atman und somit auch mit Brahman benutzt. Er ist die Urperson, von der die Vielfalt der Namen und Formen ausgegangen ist, der Schöpfer des Universums, der auch in diesem wohnt; in den Upanishaden wird das Wort deshalb als "puri shaya" - "in der Stadt ruhend" erklärt. Der purusha ist klar, fleckenlos, unzerstörbar, strahlend und sich nicht ver- ändernd. Auch wenn in vielen Texten solch universale Attribute dem Purusha gegeben werden, finden sich Unterschiede in der Auffassung, ob es nur einen oder viele gibt. Bedeutsam ist auch das Kon- zept des Viratpurusha, des riesigen ausgedehnten Purusha, der das ganze Universum erfüllt und so schon im Rigveda gepriesen wird.

Purushartha - (Purusha-artha) Ziel des Menschen; gemeint sind oft die vier verschiedenen Ziele, auf die das menschliche Leben gerichtet sein kann: Wunscherfüllung (kama), Wohlstand (artha), Rechtschaffenheit (dharma), Befreiung (moksha).

Ramayana - Die Geschichte, der Lebenslauf des Rama; Name eines Epos der Sanskrit-Literatur; als Autor gilt der Heilige Valmiki. Das Werk besteht aus mehreren Abschnitten und ist in Versform verfasst worden; der Umfang beträgt ca. 24’000 Doppelverse. Das Ramayana schildert das Leben Ramas und Sitas, die Entführung Sitas durch Ravana, den Krieg mit den Dämonen, ihre gemeinsame Rückkehr nach Ayodhya, ihren Tod und Aufstieg in den Himmel. Die Abenteuer, die das Rama- yana dramatisch schildert, sowie die Beschreibung der Charaktere, die darin auftreten, haben das Werk - neben dem Mahabharata - zu einem der bedeutendsten Epen der Weltliteratur gemacht.

398 Ravana - Name eines Dämonenkönigs; er herrschte über die Insel Lan- ka; von der er seinen Bruder Kubala vertrieben hatte. Im grossen Epos Ramayana war er der grosse Gegenspieler Ramas.

Radha, Radhika - Namen der ewigen Gefährtinnen Krishnas; die be- kanntesten der Gopis von Brindavana. Das zarte Liebesspiel zwischen Radha und Krishna findet sich als Motiv in vielen Werken und gibt eine vollendete Beschreibung aller Aspekte der Hingabe (bhakti). Es ist das ewige Spiel der Liebe zwischen der individuellen Seele und Gott, das in der Mystik fast aller Religionen zu finden ist. Es ist der Weg der lie- bevollen Hingabe und Erhebung der Gefühle der weltlichen Liebe und Hingabe zur Liebe und Hingabe an Gott.

Rishi - Seher, inspirierter Dichter; gemeint sind insbesondere die Se- her, denen die Hymnen der Veden offenbart wurden. Ein Rishi kann nur jemand werden, der ein Leben ohne Verlangen führt und dessen Geist im Selbst (atman) gegründet ist. Sein Bewusstsein des atman kommt in jedem Aspekt seiner Persönlichkeit voll und strahlend zum Ausdruck; denn sein Denken (manas) und seine Unterscheidungskraft (buddhi) sind durch meditative Praxis gereinigt worden. Auf diese Wei- se ist es ihm möglich, die Urimpulse der Schöpfung klar wahrzunehmen und diese richtig wiederzugeben. Berühmt sind die sieben grossen Rishis, die oft als geistgeborene Söhne Brahmas bezeichnet werden. In den Texten werden allerdings verschiedene Namen aufgezählt; das Shatapathabrahmana als eine alte Quelle gibt die Folgenden: Gotama, Bharadvaja, Vishvamitra, Jamadagni, Vasishtha, Kashyapa, Atri. Die sieben Rishis werden am Himmel durch die sieben Sterne des "Gros- sen Bären" repräsentiert.

Rita - Göttliche Ordnung, kosmisches Gesetz, höchste Wahrheit; der Gegenbegriff dazu ist anrita; rita steht in enger Beziehung zu satya, der Wahrheit. Die intuitive Erkenntnis wird von rita, der göttlichen Urord- nung, inspiriert und ins Herz eingepflanzt.

Sahadeva - Name des Jüngsten der fünf Pandava-Brüder.

Sahasranaman - Die tausend Namen Gottes; im Mahabharata werden insbesondere die tausend Namen Vishnus aufgezählt.

Samadhi - Sammlung, Einheitserfahrung, reines Bewusstsein; sa- madhi bezeichnet einen Bewusstseinszustand, der über Wachen,

399 Träumen und Tiefschlaf hinausgeht, und beinhaltet ein völliges Aufge- hen im Objekt, die Überwindung der Trennung in Bezug auf den Ge- genstand der Wahrnehmung, über den oder mit dem meditiert wurde, sei es nun ein Klang, ein göttlicher Name oder ein Bild. Es gibt ver- schiedene Stufen von samadhi, von denen die höchste nirvikalpasa- madhi ist. Durch samadhi erwacht die Weisheit, die alles als Erschei- nungsform des Göttlichen ansieht. All die verschiedenen Energien, die im Inneren des Menschen wohnen, werden bewusst und können im Dienst des Höchsten verwendet werden. Die Erfahrung von samadhi kann als ein Zustand des Geistes beschrieben werden, der frei ist von allen Impulsen und Aktivitäten, in dem vollkommene Ruhe eingetreten ist, in dem der Meditierende einfach nur still bei sich selbst ist und doch gleichzeitig bewusst. Samadhi tritt ein, wenn man alle Dualität hinter sich lässt, wenn der Meditationsinhalt verschwindet und man sogar sich selbst in seiner körperbezogenen Form vergisst, gleichzeitig aber be- wusst bleibt. Der samadhi-Zustand ist gekennzeichnet durch Glückse- ligkeit, Ausgewogenheit, Stille und Wachheit und bewirkt Gleichmut an- gesichts von Hitze und Kälte, Freude und Leid, Schmerz und Lust, Ablehnung und Begeisterung. Die körperlichen Funktionen beruhigen sich bei längerem samadhi, d. h. der Atem, das Herz usw. erlangen ei- nen anderen Funktionsstatus. Samadhi ist die Einheitserfahrung schlechthin und kann von jedem Menschen erlangt werden. Ohne sa- madhi ist eine spirituelle Verwirklichung nicht möglich. Wenn ein spiri- tuell hochentwickelter Meister freiwillig und bei vollem Bewusstsein sei- nen Körper endgültig verlässt, spricht man von mahasamadhi. Der Begriff samadhi kann dann auch das Denkmal oder Grab einer solchen hervorragenden Persönlichkeit bezeichnen.

Samskara - Verfeinerung, Kultivierung, Erziehung; Eindruck, Nachwir- kung; Fähigkeit, Neigung; im Yoga sind die Tendenzen des Geistes ge- meint, die durch Handlungen und Gedanken in früheren Zeiten oder Geburten entstanden sind. Die Gesamtsumme der Samskaras bildet den Charakter des Menschen. Samskara heissen auch die religiösen Zeremonien, die regelmässig oder bei besonderen Gelegenheiten (z.B. Geburt oder Hochzeit) auszuführen sind; denn diese sollen dem Leben Verfeinerung und Kultivierung schenken.

Sat - Seiend, existierend, wirklich; gut, tugendhaft, weise; Wahrheit, Wirklichkeit, Existenz, Sein; das absolute, unwandelbare Sein; die zu- grunde liegende Seinsrealität des Universums; die Existenz an sich, die im Tiefsten der individuellen Persönlichkeit wohnt.

400 Sat-cit-ananda - Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit; diese drei Begriffe beschreiben die drei Eigenschaften der höchsten transzendenten Wirk- lichkeit, wie sie sich in der Erfahrung von samadhi zeigen. Es ist ein reines Sein, gleichzeitig ein Bewusstsein ohne Subjekt-Objekt.

Satya - Wahr, echt, tugendhaft, ehrlich, aufrichtig; Wahrheit, Echtheit, Treue, Aufrichtigkeit; satya ist eine der fünf Tugenden des ersten Glie- des (yama) des Rajayoga, die im Yogasutra des beschrieben werden und das für alle Entwicklungsstufen geltende Lebensgesetz bil- den. Die übrigen vier sind: Nichtverletzen, Nicht-Stehlen, reine Lebens- führung und Nichtergreifen. Wenn sich im innersten Herzen, im Selbst, ein klarer Impuls bildet und dann als sprachlicher Ausdruck erscheint, so kann man einen solchen Impuls als eine Manifestation der Wahrheit bezeichnen. Diese innere Wahrheit erscheint, wenn der Mensch wahr- haft auch sich selbst gegenüber ist. Jede innere Wahrheit sollte jedoch anhand der heiligen Schriften geprüft werden. Ein Leben ohne Wahr- heit wird zum Unterschlupf von Kummer und Streit. Es gibt nichts Grös- seres als Wahrheit, nichts Dauerhafteres. Wahrheit ist der alles be- schützende Gott.

Sattva - Sein, Existenz; Natur, Essenz, Konstitution; Leben, Vitalität, Bewusstsein; Substanz; Güte, Tugend, Wahrheit; Stärke, Energie. Im Kontext der Lehre von den drei Gunas ist sattva die Qualität der Aus- gewogenheit, der Reinheit und Klarheit, welche die Fähigkeit besitzt, das Sein (sat) sichtbar werden zu lassen. Personen mit dieser Eigen- schaft haben keine egoistischen Wünsche oder Bedürfnisse und sind frei von Leidenschaften. Sie sind bereit, in die Erkenntnis des göttlichen Selbst (atman) hineinzutauchen. Sattva beseitigt die Ursachen von Kummer und Sorge, führt den Menschen auf den Pfad echter Freude und wirklichen Glücks. Viele Praktiken und Observanzen auf dem spi- rituellen Weg dienen dazu, den Grad von sattva zu erhöhen, z. B. die Auswahl der Nahrungsmittel (Meiden von Fleisch, Alkohol, Tabak, Kaf- fee, Tee etc.), das frühe Aufstehen usw.

Seva - Dienst, Hilfe, Dienstbereitschaft; Dienst am Nächsten; Vereh- rung, Anbetung, Gottesdienst; Hingabe, Anziehung; Praxis, Regelmäs- sigkeit, Übung; der Dienst, der für andere ausgeführt wird, sollte gleich- zeitig als Gottesdienst ausgeführt werden. Dabei wird keine Gegenleistung vom anderen erwartet, sondern einzig und allein zur Verherrlichung des Höchsten gehandelt. Das Dienen ist dann ein Aus- druck der Verehrung Gottes in allen Wesen.

401 Sevadal - Eine Gruppe, die sich den Dienst am Nächsten zum Ziel ge- setzt hat und diesen als Gottesdienst praktiziert.

Shakti - Kraft, Macht, Fähigkeit, göttliche Energie, Stärke; unter Shakti wird oft die ewige Kraft des Werdens verstanden, die wesensmässig untrennbar mit der höchsten göttlichen Persönlichkeit verbunden ist. In Gott verschwinden die relativen polaren Gegensätze; er umfasst bei- de Prinzipien und offenbart in Shakti das unendliche Spiel seiner En- ergien. Shakti ist im spezielleren Sinn oft ein Name der Gattin Shivas.

Shankara - Name für Shiva, Heil, Frieden (sham) bringend (kara).

Shastra - Gebot, Befehl, Regel, heilige Schrift, Lehrbuch, Kompendi- um; die Shastras gehen oft auf alte Seher, Weise und Heilige zurück und besitzen daher eine grosse Autorität. Der spirituell Strebende sollte seine persönlichen Erfahrungen und Schlussfolgerungen immer an- hand von Shastras, egal, welcher Tradition sie entstammen, prüfen, um auf seinem Weg nicht in die Irre zu gehen.

Satrughna - Derjenige, welcher die Feinde erschlägt; Name des Halb- bruders von Rama.

Shanti - Frieden, innere Stille, Gelassenheit, Gleichmut, Leiden- schaftslosigkeit; das Ruhen der Sinne, der Leidenschaften, Gefühle, Empfindungen und Impulse. Gemeint ist meist ein Friede, den man durch die spirituelle Erkenntnis erlangt, dass man nicht der sterbliche Körper, sondern unvergängliches Bewusstsein ist. Nur dieser Friede kann durch äussere Einflüsse nicht mehr gestört werden.

Shiva - Gütig, freundlich, gnädig, segensreich; der Gütige, der Freund- liche; der Gnadenvolle, Gnädige; Shiva wird in den Shaiva-Traditionen als der höchste Herr verehrt; er gehört zu der Trinität Brahma, Vishnu, Shiva, in der er der Gott der Auflösung, Umwandlung und Zerstörung ist; seine Wirksamkeit als Zerstörer der Unwissenheit zeigt aber seine segensvolle Natur. Nichtsdestoweniger enthält er viele Wesenszüge, die einer oberflächlichen Betrachtung abschreckend erscheinen mö- gen; so ist sein bevorzugter Aufenthaltsort der Leichenverbrennungs- platz, und seine Gestalt ist weiss, da sein Körper von Asche bedeckt ist usw. Sein Symbol ist das Linga, das oft zusammen in Vereinigung mit der Yoni, dem Symbol seiner Gemahlin Shakti, dargestellt wird. Shi- va besitzt viele Namen u. a.: Shambhu, Shankara, Ishana, Vishvanat-

402 ha, Kedarnatha und Nataraja, der Herr des Tanzes, als der er oft in der bildenden Kunst dargestellt wird. Er reitet auf Nandi, einem Stier, und wird oft als Guru aller Gurus verehrt, als Zerstörer aller Weltlichkeit, der Weisheit gewährt und die Verkörperung von Entsagung und Mitleid ist. In dieser Funktion ist er auch der Herr des Yoga (Yogeshvara), der durch nichts in seiner unerschütterlichen Ruhe gestört werden kann.

Shivalinga - Das Zeichen, Symbol Shivas, das seine Schöpferkraft symbolisiert.

So'ham - "Er (ist) ich"; in diesem Mantra steht nicht das "Ich", sondern "Er" an erster Stelle; damit wird ein Bewusstseinszustand beschrieben, in dem sich die begrenzte Persönlichkeit dem ewigen Selbst, das im innersten Herzen wohnt, überantwortet hat. Die spirituelle Seele ist an sich ewig mit Gott verbunden; dieser Mantra, der eine der heiligen For- meln des nichtdualistischen Vedanta ist, beschreibt die Bewusstwer- dung dieser ewigen Verbindung. So'ham ist eine Repräsentation des Prozesses von Ein- und Ausatmung und geht bei einer Vertiefung in OM über.

Sugriva - Einen schönen Hals habend; Name des Königs eines Affen- geschlechts; Rama verhalf Sugriva wieder zu seinem rechtmässigen Thronrecht, und im Gegenzug half er Rama, Sita von Ravana zurück- zugewinnen; sein Feldherr war der berühmte Hanuman.

Sushumna - Name eines Kanals feinstofflicher Energie im menschli- chen Körper; die Sushumna spielt insbesondere im Kundalini-Yoga eine Rolle.

Tat - In den vedischen Texten wird tat häufig benutzt, um auf das un- aussprechliche Seinsprinzip, das unergründliche Geheimnis des un- endlichen Absoluten hinzuweisen. Es ist die wortlose Geste, die auf das Unbeschreibliche, das Namenlose (Brahman) zeigt und das Be- wusstsein zu dieser Realität erhebt.

Tat tvam asi - "Das bist du"; d. h. das, was dieser unaussprechliche Ur- grund allen Seins (Brahman) ist, das ist deine wahre Natur, das ist iden- tisch mit deinem Göttlichen Selbst (Atman). Dies ist einer der bekann- testen und bedeutendsten Lehrsätze der Vedanta-Philosophie und entstammt der Chandogya-Upanishad. Es ist bemerkenswert, dass in

403 den Upanishaden mal der unpersönliche Ausdruck (z. B. tat) und mal die persönliche Benennung (z. B. sah) steht. Dies weist darauf hin, dass die göttliche Wirklichkeit beide Aspekte umfasst: Das Unpersön- liche und die begrenzte Persönlichkeit. Das Persönliche weist darauf hin, dass man aus Gott kein Objekt machen kann, dass er ein persön- liches Gegenüber ist, dem man sich mit Liebe und Hingabe zuwenden kann.

Trivikarman - Derjenige, welcher drei Schritte tut; Name für Vishnu in seiner Vamana-Inkarnation.

Tukaram - Name eines religiösen Dichters und Heiligen (1608-1649), der im westlichen Indien lebte und seine inneren Erfahrungen in der Marathi-Sprache ausdrückte. Er entstammte einer wohlhabenden Fa- milie von Getreidehändlern; da er sich aber ganz seinen religiösen Übungen und der devotionalen Dichtung widmete, legte er keinen Wert auf materiellen Besitz und vernachlässigte seine Geschäfte. Seine Lie- der erfreuen sich noch heute grosser Beliebtheit und werden vielfach gesungen.

Tulsidas - Name eines bedeutenden religiösen Dichters (1532-1623). Als Sohn eines Brahmanen kam Tulsidas in einem Dorf in der Provinz Uttar Pradesh (Nordindien) zur Welt. Wegen einer ungünstigen Kon- stellation der Planeten bei seiner Geburt wurde er von den Eltern ver- stossen und von einem Heiligen (sadhu) erzogen. Er heiratete und war von einer leidenschaftlichen Liebe zu seiner Frau erfüllt. Als er ihr eines Tages unaufgefordert in ihr Elternhaus folgte, wies sie ihn mit den Wor- ten zurück: "Wenn du nur halb so viel Liebe zu Rama hättest wie zu diesem vergänglichen Körper, hätte all dein Kummer ein Ende und du würdest Erleuchtung erlangen." Durch diese herben, aber weisen Wor- te wurde Tulsidas die Vergänglichkeit der Welt schlagartig bewusst. Er entsagte ihr und weihte sein Leben Rama als seinem höchsten Herrn. Seine Hindifassung des Ramayana ist bis heute eines der verbreitet- sten Bücher in Nord- und Mittelindien. Der Ramcaritmanas ist keine ein- fache Hindi-Übersetzung von Valmikis grossem Sanskrit-Epos, son- dern eine selbständige Bearbeitung des Stoffes, welche die göttliche Natur von Rama besonders herausarbeitet. Tulsidas lässt Shiva die Geschichte von Rama seiner Gemahlin Parvati erzählen. Diese Ge- schichte ist zunächst wie ein See in Shivas Innerem verborgen. Erst durch Parvatis Fragen nach dem wahren Wesen Ramas tritt dieser in Shivas Innerem verborgene See zum Wohl der Menschheit zutage.

404 Udasinata - Unberührtheit; die Gelassenheit; die Neutralität; das Un- beteiligtsein.

Udyoga - Unternehmung, Aktivität, Vorbereitung; Bemühen; Arbeit, Pflicht, Amt, Beruf; Durchhaltevermögen, Standhaftigkeit.

Upanishaden - Sich nahe bei jemandem Niedersetzen (upa = nahe bei, ni = nieder, sad = setzen); das Sitzen zu Füssen des Meisters, um die vertrauliche Lehre über die eigentliche Identität des Menschen zu emp- fangen; Bezeichnung einer Klasse heiliger Schriften. Sie bilden den Schluss des offenbarten Teils der Veden (shruti) und die hauptsächli- che Basis des Vedanta, d. h. der philosophischen Analysen und Schlussfolgerungen, die aus den Upanishaden abgeleitet werden. In den Upanishaden selbst wird keine einheitliche Philosophie gelehrt, sondern es werden in lebendigen Dialogen zwischen Lehrer und Schü- ler existentielle Einsichten präsentiert, die alle Facetten der einen höch- sten Wirklichkeit darstellen. Was sie besonders auszeichnet und für den Wahrheitssucher so wertvoll macht, ist ihre gewaltige Gedanken- freiheit und Unmittelbarkeit, die auf die Transzendenz direkt verweist. Aus der sich vertiefenden Einsicht in die kosmischen Zusammenhän- ge, die in den Brahmanas anhand des vedischen Opferrituals (yajna) ausgearbeitet wurden, erhebt sich der menschliche Geist zur Frage nach dem Höchsten. Die absolute Wirklichkeit wird in den Upanishaden teils persönlich, teils unpersönlich gefasst; denn sie vereinigt in sich die- se Gegensätze. Im Mittelpunkt stehen immer wieder die Erläuterung der Natur von Atman und Brahman, die Erkenntnis der Identität der bei- den, sowie die Bedeutung der heiligen Silbe OM. Von den 12 bedeu- tendsten Upanishaden gehören zum Rigveda die Aitareya und Kaush- itaki, zum Samaveda die Chandogya und Kena, zum Yajurveda die Taittiriya, Katha, Shetashvatara, Brihadaranyaka und Isha, und zum Atharvaveda die Prashna, Mundaka und Mandukya.

Uttarayama - Das Halbjahr, in dem die Sonne nach Norden wandert.

Vaikuntha - Ein Name Vishnus, Indras; Himmel; Name der Himmels- ebene, die Vishnu zugeordnet ist. Dies ist ein Bereich, in dem es keinen Schatten, keinen Gram oder Schmerz gibt. Dies ist bereits eine Wirk- lichkeit, die jenseits von Geburt und Tod ist und von der es keine Wie- derkehr geben muss.

405 Vairagya - Gelassenheit, Losgelöstheit, innere Freiheit, Leiden- schaftslosigkeit allem gegenüber; oft nicht ganz richtig mit "Entsagung" übersetzt, da für Entsagung im Allgemeinen ein Zwang, eine willentli- che Anstrengung notwendig ist. Vairagya bezeichnet jedoch im Ve- danta ein Herauswachsen aus den vergänglichen Dingen, weil die un- vergängliche Wirklichkeit gefunden und damit die Notwendigkeit einer äusseren Bindung zunichte gemacht worden ist. Es ist Loslösung, Auf- geben, Nicht-Bindung, Verzicht auf niedere Wünsche, Loslösung von der äusseren Welt, Aufgeben von Leidenschaftlichkeit (raga) und be- deutet das Verlieren der Gebundenheit an die Sinneserfahrungen: Klang, Berührung, Form, Geschmack und Geruch. Es ist ein Abwerfen der Wünsche während der Lebensreise, was aber nicht bedeutet, das Haus, die vertraute Umgebung, die Familie aufzugeben, sondern dort zu bleiben und die notwendigen Pflichten zu erfüllen, indem alle Hand- lungen für Gott getan werden. Vairagya rettet vor zu viel Bindung und bringt Erleichterung in Zeiten der Ausgelassenheit und Verzweiflung, folglich wird es helfen, die Gefühle zu verfeinern. Wer Freude am Stu- dieren heiliger Schriften hat, braucht sich nicht zu zwingen, keine Kin- derbücher mehr zu lesen. Er ist ihnen entwachsen. In - caryas Werk Tattvabodha und anderen Texten des Vedanta wird vairagya als eine der vier Vorbedingungen genannt, die ein spirituell Strebender erfüllen sollte, wenn er den Vedanta verstehen will. Die drei anderen sind: viveka, mumukshutva und shatsampatti.

Vaishvanara - Allen Menschen gehörig; auf alle Menschen bezogen; im Vedanta bezeichnet vaishvanara den Wachzustand des Menschen im Allgemeinen. Er gehört zu den vier Hauptbewusstseinszuständen (avastha) und ist identisch mit jagrat. Die drei anderen Bewusstseins- zustände werden im Vedanta als (Tiefschlaf), (Traum- schlaf) und turiya (das Vierte) bezeichnet. Im Rigveda steht vaishvan- ara für Sonne und Feuer. Deshalb wird Agni gelegentlich so genannt.

Valmiki - Name des Verfassers des berühmten Sanskrit-Epos Rama- yana, welches er, wie überliefert wird, durch göttliche Inspiration emp- fangen haben soll. Seine eigene Person wird im Gang der Erzählung so erwähnt, als hätte er an einigen Ereignissen selbst teilgenommen: So beherbergte er die verbannte Sita in seiner Einsiedelei und erzog ihre Zwillinge Kusha und Lava. Valmiki gilt als der erste Kunstdichter der indischen Literatur, und wenn er auch nicht der alleinige Verfasser des gesamten Ramayana war, so verdankt es ihm der Überlieferung nach das prägende epische Versmass des shloka. Bezüglich seines

406 Lebens wird Folgendes berichtet: In seiner Jugend fristete Valmiki unter einem anderen Namen (Ratnakara) sein Leben als Strassenräuber. Ei- nes Tages überfiel er Narada, um ihn zu berauben. "Nimm alles", sprach Narada, "aber lass mich erst ein paar Fragen stellen: Warum lebst du als Räuber? Ist dir nicht klar, dass du dadurch Sünden begehst, die Strafe nach sich ziehen werden?" "Ja", antwortete der Mann, "aber meine EItern und meine Familie werden meine Schuld mittragen." "Hast du sie je danach gefragt?" "Nein, aber dessen bin ich sicher." Da forderte Narada ihn auf, seine Familie zu befragen und ihn bis zu seiner Rückkehr an einen Baum zu fesseln. Als der Räuber seiner Familie er- zählte, womit er ihren Lebensunterhalt verdiente, wollte keiner seine Schuld und deren Konsequenzen mittragen. Das öffnete ihm die Au- gen; er ging in sich, kehrte zu Narada zurück, befreite ihn und begann ein intensives spirituelles Leben. Er meditierte, bis ein Ameisenhügel (valmika = Ameisenhügel) um ihn emporwuchs.

Vamana - Klein, kurz; Zwerg; Name eines Avatars von Vishnu in Zwer- gengestalt, der erschien, um die Welt von dem Dämon Bali zu befreien. Dies tat er, indem er in Gestalt eines kleinwüchsigen Brahmanen vor Bali erschien und diesen so in Sicherheit wiegte. Daraufhin bot ihm die- ser ein Willkommensgeschenk an, das Vamana sich in Form von drei Schritten Land erbat. Dies wurde ihm freudig gewährt, und er verwan- delte sich daraufhin in eine riesige Gestalt (trivikrama), die mit zwei Schritten das ganze Universum durchmass. Da erkannte Bali die Grös- se seines Gegenübers und bat ihn, den dritten Schritt auf seinen Kopf zu setzen.

Vayu - Luft, Luftelement, Wind; der Gott des Windes bzw. der Winde. Im Bhagavatapurana wird folgende Geschichte über ihn berichtet: Der Weise Narada forderte einst Vayu auf, die Spitze des Berges Meru ab- zubrechen. Daraufhin entfachte dieser einen gewaltigen Sturm, der ein Jahr andauerte, aber Garuda schützte den Berg mit seinen Flügeln, so dass alle Sturmböen machtlos waren. Narada riet ihm nun, den Berg in Garudas Abwesenheit anzugreifen. Er tat es, brach den Gipfel ab und schleuderte ihn ins Meer, wo er zur Insel Lanka wurde.

Veda - Wissen; spirituelle Erkenntnis; Bezeichnung für die Gesamtheit der ältesten Texte der indischen Literatur, die nach traditioneller Auf- fassung nicht von Menschen geschaffen sind, sondern denen eine ewi- ge Realität zugeschrieben wird. Die vedische Literatur gliedert sich in vier Traditionslinien:

407 1. Rigveda, den Veda der Verse; 2. Samaveda, den Veda der Lieder; 3. Yajurveda, den Veda der Opfersprüche; 4. Atharvaveda, den Veda des Atharvan.

Vedanta - Das Ziel, Ende des Veda, des heiligen Wissens; das Wort ist eine Zusammensetzung aus Veda und Anta (Ende); gemeint sind zuerst einmal die abschliessenden Texte der shruti, d.h. die Upanish- aden. Die in ihnen ausgedrückten Offenbarungen und tiefen Einsich- ten, die sich insbesondere mit Brahman und Atman und dem Verhältnis der beiden zueinander beschäftigen, hat Badarayana in seinen Vedan- tasutras zusammengefasst, welche die Basis der Vedanta-Philosophie bilden. Drei Hauptzweige haben sich im Vedanta herausgebildet:

1. der Advaitavedanta (Nicht-Dualität), dessen wichtigste Lehrer , Adi Shankaracarya, Padmapada, Sureshvara und Vidyaranya sind; 2. der Vishishtadvaitavedanta (qualifizierte Nicht-Dualität), dessen Hauptvertreter ist; 3. der Dvaitavedanta (dualistischer Vedanta), dessen Hauptvertre- ter Madhva ist. Bedeutsam ist auch der von Caitanya begründete Acintyabhedabhedavedanta, der davon ausgeht, dass das gleichzeitige Bestehen der Getrenntheit von Gott (bheda) und der Einheit mit Gott (abheda) mit gedanklichen Mitteln nicht zu ver- stehen ist (acintya).

Vijnana - Intelligenz, Einsicht, Verstehen, Erkennen, Wissen, Unter- scheidungsfähigkeit; die Fähigkeit zur Analyse; vijnana bezeichnet eine Fähigkeit, welche für die Erlangung spiritueller Erkenntnis (jnana) wichtig ist, nämlich die Fähigkeit, Gedanken logisch zu verknüpfen und eine wissenschaftliche Systematik aufzubauen. In bestimmten Fällen steht vijnana jedoch für den höchsten Zustand spiritueller Verwirkli- chung, in welchem der Erleuchtete Brahman nicht in einem gesonder- ten Samadhi-Zustand, sondern mitten in der Erscheinungswelt wahr- nimmt, die für ihn nichts anderes als eine Manifestation Brahmans ist. Der Vedanta nennt diese höchste Erkenntnis "Brahman mit offenen Au- gen sehen."

408 Vibhishana - Der Schreckliche; Name eines Dämonen und Bruders von Ravana; er wurde durch die Verbindung zu Hanuman zu einem treuen Diener von Rama.

Vidya - Wissen, Weisheit, Wissenschaft, Erkenntnis; vidya entspricht ungefähr jnana, das zwei Aspekte besitzt: vijnana (Verstehen und Ana- lysieren des Objektiven, Wissenschaft) und prajnana (die höhere Er- kenntnis, die Erforschung der eigentlichen Natur des Seins und des Menschen). Oft bezeichnet die Vidya das vedische Wissen; Weisheit bezeichnet auch die intuitive, spirituelle Erfahrung selbst.

Vighneshvara - Der Herr (Ishvara) der Hindernisse (vighna); ein Name für Ganesha, welcher die Hindernisse wegräumt. Bevor man etwas un- ternimmt, trachtet man nach seiner Gnade und seinem Segen. Er steht für die Mildherzigkeit, Weisheit und den Willen Gottes.

Vidura - Weise, klug; ein Weiser; Name des jüngeren Bruders von Pan- du.

Vinayaka - Ein Name für Ganesha; derjenige, welcher die Hindernisse beseitigt.

Vishnu - Der alles Durchdringende. Er wird als zweiter der Dreieinigkeit Brahma, Vishnu, Shiva gezählt und gilt als Erhalter der Schöpfung. In dieser Funktion inkarniert er von Zeit zu Zeit, um die Göttliche Ordnung wiederherzustellen. Er wird auch unter den Namen Hari und Narayana verehrt.

Vishvaswarupa - Die Form des Alls besitzend; die universale Form des Herrn; die eigentliche transzendente Form der Dinge.

Vivekananda - “Die Glückseligkeit der Unterscheidung”; Name eines Schülers von Ramakrishna; er lebte von 1862-1902 und war einer der Ersten, der die westliche Welt auf die Spiritualität Indiens aufmerksam machte.

Vritti - Verhaltensweise, Beschäftigung, Tätigkeit, Arbeit; Zustand; Auf- regung, Erregung des Geistes; Kontakt des Geistes mit der objektiven Welt; Aktivität, Funktion.

409 Vyasa - Sammler, Ordner, Kompilator; diesen Namen tragen mehrere der alten Verfasser und Sammler von Sanskrit-Werken, vor allem Ve- davyasa, der als Ordner der Veden gilt. Ausserdem soll er das Mah- abharata zusammengestellt, die Vedanta-Philosophie begründet und die Puranas sowie andere Texte gesammelt haben. Die Puranas selbst erwähnen achtundzwanzig Vyasas, die zu verschiedenen Zeiten auf die Erde gekommen sein sollen, um die Veden zusammenzustellen und zu verbreiten.

Yama - Gott des Todes; Zügel, Zügellenker; König der Toten und der Unterwelt. Er hat die Aufgabe, über die Seelen zu richten und das kos- mische Gleichgewicht wiederherzustellen. Ausserdem ist yama die Be- zeichnung für das erste Glied des Rajayoga von Patanjali, welches die grundlegenden Gesetze für die Veredelung der menschlichen Natur lehrt. Yama manifestiert sich im richtigen Handeln und ist eine spirituelle Praxis, welche das Innenleben verwandelt und sich in fünf Eigenschaf- ten zeigt: Gewaltlosigkeit (), Wahrhaftigkeit (satya), Nichtsteh- len (asteya), reine Lebensweise (brahmacarya) und Nichtergreifen (aparigraha). Die fünf Aspekte von yama weisen alle auf einen Be- wusstseinszustand, in dem die Bindung an den Körper und die Sinne aufgegeben worden ist. Alle diese Eigenschaften sollten in Gedanken, Worten und Taten verwirklicht werden.

Yoga - Vereinigung, Verbindung, Kontakt; unter dem Begriff Yoga wer- den die Traditionen zusammengefasst, welche durch Übungen, Prak- tiken und Disziplinen den Kontakt zum Göttlichen Selbst (atman) oder zu Gott herstellen wollen. Bereits in der Bhagavadgita werden ver- schiedene Formen des Yoga beschrieben: Karmayoga, Jnanayoga und Bhaktiyoga. Der Yoga im Allgemeinen zielt auf die Umwandlung des Menschen und Reinigung aller Ebenen des Körpers und des Gei- stes, auf die Entwicklung einer Offenheit für Transzendenz. Patanjali definiert Yoga als Beruhigung der Bewegungen des Bewusstseins (cit- ta); d.h. für ihn zeigt sich Yoga in der Erfahrung der Stille, in der Ver- senkung, bei der das Selbst bei sich selbst ist und seine unendliche Natur erkennt. Der Kommentator Vyasa führt dazu aus, dass Yoga dem samadhi-Zustand entspricht. Im Sinne der acht Glieder von Patanjalis System kann man Yoga als eine Integration aller Aspekte der Persön- lichkeit, als die Verbindung aller Fähigkeiten, die der Mensch besitzt, verstehen. Dieser Entwicklungsprozess dient dem einen Ziel, Selbst- erkenntnis zu erlangen und Gott nahe zu kommen. Oft wird Yoga als Kontrolle und Zwang definiert. Auf der Ebene des relativen Geistes

410 (manas) ist es jedoch nicht möglich, alle Impulse zu lenken und zu durchdringen; erst, wenn die Seligkeit absoluter Stille, der Glanz des Göttlichen Selbst (paramatman) erfahren wird, ist wahre Selbstbeherr- schung möglich. Yoga ist Einheit, ist Fülle, ist Gottesschau.

Yuga - Zeitalter, Weltzeitalter; Joch; Generation. Es gibt in der indi- schen Tradition (speziell nach den Lehren der Puranas) vier Weltzeit- alter:

1. Krita- oder Satyayuga (1’728’000 Menschenjahre); (Goldenes Zeitalter) 2. Tretayuga (1’296’000 J.); (Sibernes Zeitalter) 3. Dvaparayuga (864’000 J.); (Kupfernes Zeitalter) 4. Kaliyuga (432’000 J.) (Eisernes Zeitalter)

Wenn man diese vier Zeitalter zusammenzählt, ergeben sich 4’320’000 Menschenjahre. Dies nennt man ein Mahayuga, ein grosses Weltzeit- alter. Um die Menschenjahre in Götterjahre umzurechnen, ist die An- zahl der Menschenjahre durch 360 zu teilen. 2’000 Mahayugas erge- ben einen Tag und eine Nacht Brahmas (kalpa). Bei Manu und im Mahabharata werden die vier Zeitalter wie folgt beschrieben: Kritayuga ist das ideale oder Goldene Zeitalter. Es gibt darin weder Hass noch Neid, Kummer, Angst oder Bedrohung. Es wird nur der eine Gott verehrt, es gibt nur einen Veda, ein Gesetz und einen Ritus. Die Stände haben verschiedene Aufgaben und erfüllen selbstlos ihre Pflicht. (In das treten wir jetzt ein.) Im Tretayuga lässt die Rechtschaffenheit um ein Viertel nach, und man beginnt, Opferhandlungen, Riten und Zeremonien durchzuführen. Die Menschen handeln mit Absichten, erwarten Belohnungen für rituelle Gaben, und das Pflichtgefühl lässt nach. Im Dvaparayuga ist die Rechtschaffenheit auf die Hälfte geschrumpft. Es gibt vier Veden, die aber nur noch von wenigen studiert werden. Die Riten nehmen überhand, nur wenige Menschen halten sich noch an die Wahrheit. Sinnenbezogene Wünsche und Krankheiten tauchen auf, das Unrecht nimmt zu. Im Kaliyuga bleibt nur ein Viertel der Rechtschaffenheit übrig. Spiritu- elle Bemühungen kommen fast vollständig zum Erliegen, und viele Er- kenntnisse geraten in Vergessenheit. Das Böse dominiert, Krankhei- ten, Erschöpfung, Zorn, Hunger, Furcht und Verzweiflung greifen um

411 sich, und die Menschen sind ohne Ziel. Dieses Zeitalter soll 3’102 v. Chr. begonnen haben. (Es neigt sich jetzt dem Ende zu.)

412 Andere Titel aus dem Rosenkreis-Verlag

Sathya Sai Baba  Der Welt-Avatar Lehre und Offenbarungen

Zusammengestellt von Annrose Künzi 614 Seiten, Hardcover, ISBN 3-9521968-2-7

Sathya Sai Baba ist der Welt-Avatar unserer Zeit. Er ist der Weltlehrer. Das heisst, das Göttliche hat sich in ihm als Menschen inkarniert, um uns erneut bewusst zu machen, dass auch wir göttlichen Ursprungs sind. In diesem Buch sind die Strahlen seiner Lehre so gebündelt, dass sie, wie durch ein Brennglas, auf die akuten menschlichen Probleme gerichtet sind. Seine Lehre zeichnet sich durch ihre Klarheit und Einfachheit aus, so dass je- der Mensch sie verstehen und in die Praxis umsetzen kann. Sathya Sai Baba ist hier, um uns die göttliche Liebe erneut zu beweisen, uns zu führen, zu belehren und uns die neuen Offenbarungen zu verkünden. Dieses Buch ist unter der ISBN 3-9521968-3-5 auch in Englisch erhält- lich: “Teaching and Revelations”, 511 Seiten, Hardcover, mit umfangrei- chem Index zur themenbezogenen Suche.

Sathya Sai Baba  Der Welt-Avatar Ankündigung und neues Wirken

Zusammengestellt von Annrose Künzi 372 Seiten, broschiert, ISBN 3-9521968-0-0

Der Tibetanische Meister Djwhal Khul, Autor eines umfassenden Werkes über esoterische Philosophie in Zusammenarbeit mit Alice A. Bailey, sagte am Anfang dieses Jahrhunderts: “Ich möchte hier behaupten und erklären, dass die grosse und befriedigende Antwort auf alle menschlichen Fragen und Bedrängnisse in der Doktrin der Avatare zu finden ist.” Sathya Sai Baba ist der Welt-Avatar unserer Zeit. Er ist der Weltlehrer. Die- ses Buch vermittelt eine vergleichende Gegenüberstellung der beiden gros- sen Lehren anhand von Zitaten aus rund 65 Büchern beider Quellen.

Dieses Buch ist unter der ISBN 3-9521968-4-3 auch in Englisch erhält- lich: “Announcement and New Activity”, 376 Seiten, broschiert.

413 Amrita Vahini von Sudha Aditya 110 Seiten, broschiert, ISBN 3-9521968-1-9

Dieses kleine Buch entstand im Auftrag des Heiligen und Lehrers Sathya Sai Baba, der in Südindien lebt und weltweit von Millionen Menschen als Welt- Avatar verehrt wird. Es ist ein Leitfaden für den spirituellen Weg, den zu gehen wir alle aufgerufen sind. Das Schöne an diesem Buch sind die klaren Antworten auf Fragen, die alle suchenden Menschen beschäftigen. Wir leben in einer Zeit, in der sich ein grosser Umbruch abzeichnet. Die in diesem Buch beschriebenen Lehren machen deutlich, dass es jedem Men- schen möglich ist, spirituelle Qualitäten in das tägliche Leben einzubinden.

Des Menschen Weg

Zusammengestellt von Annrose Künzi 70 Seiten, broschiert, ISBN 3-9521968-5-1

Wir fragen uns: Was ist mit der Menschheit los? Diese Schrift versucht einige wichtige Hintergründe aufzudecken. Wir sind in kosmische, solare, planetarische, nationale und persönliche Ein- flüsse eingebunden. Darüber besser Bescheid zu wissen, lässt uns zuver- sichtlich und mutig den Weg weitergehen, der uns höheren Zielen entgegen- führt.

Ausgesuchte Zitate zum Thema aus den Lehren des Avatars Sathya Sai Baba und des Tibetanischen Meisters Djwhal Khul.

Dieses Buch ist unter der ISBN 3-9521968-9-4 auch in Englisch erhält- lich: “The Way of Man”, 88 Seiten, broschiert.

414 Shamballa - Hierarchie - Menschheit Das grosse Dreieck

Zusammengestellt von Annrose Künzi 439 Seiten, broschiert, ISBN 3-9521968-7-8

Es gibt drei grosse Energieströme, die sich in der Welt machtvoll auswirken. Diese werden den Lauf des Weltgeschehens bestimmen: Die erste und mächtigste Kraft strömt in die Welt aus Shamballa, aus dem planetarischen Zentrum, das den Willen Gottes kennt. Nur zweimal in der frü- hen planetarischen Geschichte liess diese Shamballa-Energie ihre Anwesen- heit direkt verspüren. Jetzt strömt diese Kraft wieder aus dem Heiligen Zen- trum aus. Sie verkörpert den Willensaspekt der gegenwärtigen Weltkrise und deren beiden Nebenwirkungen: erstens die Zerstörung dessen, was in den derzeitigen Erscheinungsformen, in Staatsführung, Religion und Gesellschaft unerwünscht und hinderlich ist. Zweitens die nach Synthese strebende Kraft, die das vereint und verbindet, was bisher getrennt war. Die Shamballa-Kraft ist so neu und unbekannt, dass es für die Menschheit schwer ist, sie als das zu erkennen, was sie ist, nämlich die Demonstration des wohltätigen Willens Gottes in neuer und machtvoller Wirksamkeit. Die zweite Hauptkraft ist die der Geistigen Hierarchie, des pla- netarischen Zentrums, wo die Liebe Gottes herrscht. Sie bahnt jetzt eine ihrer zyklischen Hauptannäherungen an die Menschheit an. Die Menschheit selbst ist das dritte planetarische Hauptzentrum, durch das einer der drei göttlichen Aspekte, nämlich die Intelligenz, zum Ausdruck kommt und in der Welt Wirkungen hervorbringt. Diese drei Zentren hängen untereinander eng zusammen. Es ist interessant, dass sie stets nur durch Menschen zu wirksamer Tätigkeit kommen. Diejenigen von euch, die bemüht sind, der Menschheit zu dienen und der Hierarchie zu helfen, müssen sich bemühen, mit den Kräften von Shamballa oder der Hierarchie in Verbindung zu kommen und die Gründe für die menschliche Not aufzuspüren.

Dieses Buch ist unter der ISBN 3-9521968-8-6 auch in Englisch erhältlich: “Shamballa-Hierarchy-Mankind, The Great Triangle”, 382 Seiten, bro- schiert.

415 MEDITATION IST LEBEN GOTT MEDITIERT. UND SOLANGE GOTT MEDITIERT, BLEIBT DAS UNIVERSUM IN MANIFESTATION.

Zusammengestellt von Annrose Künzi 228 Seiten, broschiert, ISBN 3-9522528-0-8

Das Thema Meditation beschäftigt seit Jahrzehnten immer mehr Menschen. Dieses Buch enthält Informationen über Hintergründe, Methodik und Ziel der Meditation aus den beiden grossen philosophischen Lehren des Welt-Ava- tars Sathya Sai Baba und von Alice A. Bailey/Tibeter. Meditation hat mit Sinnfindung zu tun, sie sollte nicht beim eigenen Selbst stehen bleiben. Das Individuelle hat sich im vergangenen Fische-Zeitalter zur Blüte entwickelt. Das Wassermann-Zeitalter hingegen konfrontiert uns wie- der mit der Gruppen-Verantwortlichkeit - nicht mehr allein mit der Verantwor- tung für Familie und Freunde, sondern immer mehr auch mit der Verantwor- tung für die “eine und unteilbare Menschheit”, das göttliche Geschlecht, von dem wir alle ein Teil sind. Meditation verbindet uns sowohl mit der Menschheit als auch mit unserer ei- genen Göttlichkeit und führt uns zu Gott, dem letzten Ziel.

Dieses Buch ist unter der ISBN 3-9522528-1-6 auch in Englisch erhältlich: “Meditation is Life”, 222 Seiten, broschiert.

LUCAS RALLI Sai Botschaften für Dich und mich AUDIO-CD Gelesen von: Michael Schacht

Eine wunderschöne CD mit vorgetragenen Texten aus Lucas Ralli`s erstem Band. Aufgelockert durch ergreifende Musik von Gabriele und Gianluca Du- cros (Premasound) aus der CD “Embodiment of Love”. Der Originalgesang von Sathya Sai Baba wird von Instrumentalmusik begleitet.

Ca. 51 Minuten, ISBN 3-9521968-6-X

416 SATHYA SAI BABA Mein geliebter Sathya Saayine von Annrose Künzi

432 Seiten, broschiert, ISBN 3-9522528-5-9

MEIN WEG ZU SATHYA SAAYINE

“Sathya Saayine ist dein Führer”, sagte er mir eines Morgens in der Meditati- on. Sathya Saayine ist der Name, den ich ihm vor langer Zeit gegeben habe, nachdem ich erkannt hatte, dass er die Instanz ist, die im September 1976 in Liebe ganz und gar von mir Besitz genommen hat. In der Rückschau erkann- te ich auch, dass immer er es war, der mir in irgendeiner Form, die mir in die- ser Zeit besonders wichtig war, den Weg gewiesen, Antwort gegeben, mich geheilt und getröstet hat. Von diesem gemeinsamen Weg und der spirituellen Führung erzähle ich nun. Es ist eine Liebesgeschichte zwischen Mensch und Gott.

SATHYA SAI BABA UND JESUS Zusammengestellt von Annrose Künzi 120 Seiten, broschiert, ISBN 3-9522528-2-4

Wir hören die Geschichte, die vor 2000 Jahren geschah. Jetzt aber sind wir mitten in einem Geschehen, das in Zukunft Geschichte sein wird. Wir erleben den Advent und die Kreuzigung desjenigen, der Jesus Christus auf die Erde geschickt hat.

Wenn der Meister Jesus vom Heiligen Stuhl des Papstes aus die Zügel der Christlichen Kirche wieder an sich nimmt, wie es verkündet wurde, dann wird einer, der tot ist und dessen Tod wir verherrlicht haben, wiedergekommen sein. Ein Meister ist sich seiner früheren Inkarnationen bewusst. An diesem Punkt werden die Verantwortlichen der Christlichen Kirche nicht mehr darum herum kommen, die Wiederverkörperungslehre, die im Jahre 553 nach Chris- tus verworfen wurde, wieder anzunehmen. Der Meister Jesus wird die Lehre an sich selbst beweisen. Dadurch wird die Christliche Kirche aus der Sack- gasse, in der sie heute ist, wieder herausfinden.

417 DIE HEILIGEN GESÄNGE DER VEDEN UND DIE EVOLUTION Zusammengestellt von Annrose Künzi 238 Seiten, broschiert, ISBN 3-9522528-3-2

Wir stehen an der Schwelle eines neuen Zeitalters. Neue Erkenntnisse däm- mern herauf. Eine davon ist das Gewahrwerden der Deva-Evolution, die par- allel zur Menschen-Evolution verläuft. Wir erleben eine Annäherung der beiden Lebenslinien. Das Zeichen dafür sehen wir in den unzähligen Engel- durchsagen, von denen wir jetzt Kenntnis erhalten. Wir kennen diese hohen Wesen. Es sind Devas der höchsten Ebene, ebenso heilig, ebenso mächtig wie die höchsten Wesen der Menschen-Evolution. Wir sollten jetzt wissen, dass niedrigere Devas die menschliche Existenz erst möglich machen, indem sie mit ihrer eigenen Substanz unsere Körper auf- bauen, erhalten und zu gegebener Zeit auflösen. Die Devas reagieren zudem auf unsere Gedanken, Worte und Schwingungen und bringen sie in Objektivität. Das Medium, um mit den Devas aller Stufen in Kontakt zu treten ist der Schall. Da die Veden als Gesang übermittelt wurden, konnte von Anbeginn durch sie mit den Devas Verbindung aufgenommen werden. Wir erkennen nun, dass durch die Veden jedes Gebiet menschlichen Lebens mit den Devas in Verbin- dung gebracht und beherrscht werden kann. Der siebte Strahl der Zeremonie ist jetzt einer der Hauptstrahlen. Es liegt da- her nahe, dass wir über die Wirkung der Zeremonien, der Kraft der Mantren und des Gebets mehr wissen. Dass wir lernen, wie die gewünschten Devas gerufen und wieder aus ihrer Verantwortung entlassen werden. In den Lehren von Sathya Sai Baba, dem Welt-Lehrer und denen von Alice. A. Bailey/Tibeter finden wir das Wissen, wie wir mit diesen Kräften in Harmo- nie leben können.

418 SATHYA SAI BABA - DER WELTAVATAR Ansprachen aus den Jahren 1999 bis 2006

Ansprachen von 1999 Ansprachen von 2000 Ansprachen von 2001 Ansprachen von 2002 Ansprachen von 2003 Ansprachen von 2004 Ansprachen von 2005 Ansprachen von 2006

419 Bücher, herausgegeben von der Sathya Sai Vereinigung e.V., Dietzenbach

1. Besinnung auf Gott (Dhyana Vahini), ISBN 3-924739-32-3 2. Mensch und Göttliche Ordnung (Gita Vahini), ISBN 3-924739-60-9 3. Strom des Friedens (Prashanti Vahini), ISBN 3-924739-33-1 4. Lebe die Liebe (Prema Vahini), ISBN 3-900790-00-0 5. Ewige Wahrheiten (Bharathiya Paramartha Vahini und Sathya Sai Vahini), ISBN 3-924739-59-5 (früherer Titel: Sathya Sai Vahini) 6. Quellen der Weisheit ( Vahini), ISBN 3-924739-27-7 7. Erziehung zur Selbsterkenntnis (Vidya Vahini), ISBN 3-924739-55-2 8. Dharma - Göttliche Ordnung (Dharma Vahini), ISBN 3-924739-97-8 (Alter Titel: Die göttliche Urordnung) 9. Erfüllung in Gott (Bhagavatha Vahini), ISBN 3-924739-78-1 10. Die Geschichte von Rama - Strom göttlicher Liebe, Bd. 1 (Rama Katha Rasa Vahini), ISBN 3-924739-75-7 11. Die Geschichte von Rama - Strom göttlicher Liebe, Bd. 2 (Rama Katha Rasa Vahini), ISBN 3-924739-79-X 12. Antworten (Lila Kaivalya Vahini - Prashnottara Vahini), ISBN 3-924739- 87- 0 13. Hinführung zum Höchsten Wissen (Upanishad Vahini), ISBN 3-924739-88-9 14. Strom der Erkenntnis (Jnana Vahini), ISBN 3-924739-96-X 15. Sathya Sai Baba spricht, Band 1, ISBN 3-924739-16-1 16. Sathya Sai Baba spricht, Band 2, ISBN 3-924739-48-X 17. Sathya Sai Baba spricht, Band 3, ISBN 3-924739-49-8 18. Sathya Sai Baba spricht, Band 4, ISBN 3-924739-43-9 19. Sathya Sai Baba spricht, Band 5, ISBN 3-924739-50-1 20. Sathya Sai Baba spricht, Band 6, ISBN 3-924739-29-3 21. Sathya Sai Baba spricht, Band 7, ISBN 3-924739-51-X 22. Sathya Sai Baba spricht, Band 8, ISBN 3-924739-52-8 23. Sathya Sai Baba spricht, Band 9, ISBN 3-924739-07-2 24. Sathya Sai Baba spricht, Band 10, ISBN 3-924739-30-7 25. Sathya Sai Baba spricht, Band 11, ISBN 3-924739-53-6 26. Ansprachen 27. Der Weg nach Innen, ISBN 3-924739-15-3 28. Einheit ist Göttlichkeit, ISBN 3-924739-09-9 29. Sai Avatar, Bd. 1 32. , ISBN 3-924739-42-0 33. Meditation, ISBN 3-924739-76-5 34. Sommersegen in Brindavan, Band 1, ISBN 3-924739-19-6 35. Sommersegen in Brindavan, Band 2, ISBN 3-924739-14-5 36. Sommersegen in Brindavan, Band 3, ISBN 3-924739-41-2 37. Sommersegen in Brindavan, Band 4, ISBN 3-924739-62 5 38. Sommersegen in Brindavan, Band 5 39. Sommersegen in Brindavan, Band 6 40. Sommersegen in Brindavan, Band 7, ISBN 3-924739-80-3 41. Sathya Sai Baba spricht, Band 20, ISBN 3-932957-11-3 42. Sathya Sai Baba spricht, Band 30, ISBN 3-924739-62-5 43. Sommersegen in Brindavan von 1993, ISBN 3-932457-10-5 44. Sanathana Sarathi

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