2 2008 JOURNALDie Münchner Opernfreunde 27. Jahrgang

„Das Dirigieren ist nur ein Hilfsmittel, nie Selbstzweck“ – Joseph Keilberth zum 100. Geburtstag am 19. April 2008

ur die älteren Opern- und chend“, um z. B. das gewaltige Elektra- Ein synchrones Taktschlagen mit bei- Konzertbesucher unter den Orchester zu der vom Komponisten den Armen kam bei ihm ebenso wenig NLesern werden Joseph vor, wie ein Anfeuern des Orches- Keilberth noch erlebt haben und ters, wenn es ohnehin schon seine sich seiner erinnern. Interessier- größte Lautstärke erreicht hatte. ten Jüngeren ist er vielleicht durch War er nach der Vorstellung oder Veröff entlichungen seiner Diri- einem Konzert ausgepumpt, dann gate und Rundfunksendungen be- nicht wegen seines körperlichen kannt. Eine Rückbesinnung auf das Einsatzes, sondern vielmehr we- künstlerische Leben des unspekta- www.klassika.info Foto: gen der geistigen Anspannung und kulären und dennoch großen Diri- der ungeheuren Konzentration, genten ist Anliegen dieses Artikels. die nötig ist, um jeden Mitwirken- den geleitend und begleitend stän- Äußerlich fi el an Keilberth sein dig im Bewusstsein zu haben. So weißhaariger Schädel auf, durch dirigierte er im Sinne von Richard dessen Ausdruck sich mancher an Strauss, den er auch selbst als sein Beethoven erinnert fühlte, ferner dirigentisches Vorbild bezeichne- die von seinen gedrungenen Schul- te. Zu seinem Tun sagte Keilberth tern ausstrahlende Kraft, die Zart- vor einer Schulklasse in Berlin: heit seiner relativ kleinen Hände „Wenn ich dirigiere, kann ich mich und die Ästhetik, mit der er sich dem Moment nicht hingeben. Ich beim Gestalten der Musik bewegte. habe aber dann etwas anderes: Die Stellung seiner Beine veränderte er Unbestechlicher Musiker nämlich die Freude des Gestaltens. Ge- kaum, wiegte zuweilen den Oberkör- selbst gewünschten und empfohlenen staltung ist im Beruf des Dirigenten al- per zum Beschleunigen des Tempos, „Elfenmusik“ zu bewegen. In der Oper les, ich meine Gestaltung als Aussage, manchmal wendete er sich den Strei- schwebte Keilberth ein Klangbild vor, und die Kraft der Gestaltung ist eine chern links oder rechts von sich direkt das er selbst als „klingendes Piano“ be- seltene Gabe.“ (2. Dezember 1965) zu. Er benutzte nur sehr dünne Takt- zeichnete. Es bettete die Singstimme stöcke und auch diese erst dann, wenn ein, deckte sie aber nie zu und nötigte Keilberth begann seine Karriere am er festgestellt hatte, dass ihre Spitze sie dadurch auch nie zum Forcieren. Badischen Staatstheater in Karlsruhe, beim Schlagen vibriert; denn haupt- Natürlich gab es an passenden Stel- wo er sich das gesamte gängige Opern- sächlich mit dieser Spitze dirigierte len auch Ausbrüche, die dann desto repertoire erarbeitete und innerhalb er illustrierend und trotzdem deutlich beeindruckender wirkten. Stets di- von zehn Jahren zum GMD aufstieg. den Taktschlag angebend. Dies mit klei- rigierte Keilberth in ganz lockerer Nach fünf Jahren in dieser Position nen und nur sehr selten ausladenden Haltung und optisch unaufdringlich, verlängerte er seinen Vertrag nicht. Bewegungen. Den linken Arm hielt er um die Aufmerksamkeit der Besucher Durch eine Empfehlung Wilhelm Furt- gewöhnlich leicht angewinkelt. Von nicht von der Musik und dem Büh- wänglers fand er zum Deutschen Phil- dieser Grundstellung aus gebrauchte nengeschehen abzulenken. Musikern harmonischen Orchester in Prag, dem er ihn zum Modellieren der Musik, und Sängern ließ er ein gewisses Maß er von 1940 bis 1945 vorstand. Mit etwa mit geballter Faust ein Fortissimo eigenen Gestaltens, auf das er sofort diesem Orchester, aus dem später die auslösend oder mit fl acher Hand vor eingehen konnte. Dadurch wirkte sein Bamberger Symphoniker hervorgin- allem Blech und Pauken abdämpfend – Musizieren so lebendig. Ein „so und gen, erwarb und vervollkommnete er manchmal dabei bis „unters Pult krie- nicht anders“ gab es bei ihm nicht. sein Konzertrepertoire. Nach lebens- JOSEPH KEILBERTH ZUM 100. GEBURTSTAG

bedrohlicher er freilich INHALT Internierung der Tendenz wurde er mit seiner Zeit seiner Familie e n t g e g e n , nach Dresden die den Spe- 1/2 Joseph Keilberth abgeschoben. zialisten mit zum 100. Geburtstag Zum GMD a u s g e t ü f - 3 Veranstaltungen der Staats- telten, im- 4 Rudolf Buchbinder kapelle und mer gleich 5 Sonia Prina Oper beru- bleibenden 6/7 Wolfgang Brendel fen, gab er am W i e d e r - Mitgliederversammlung 2008 16. Juli 1945 gaben be- 8 Franz Crass zum 80. Geb. sein erstes v o r z u g t e . 9 Kurt Böhme zum 100. Geb. Konzert. Er 10 Rudolf Nurejew blieb bis 1950 In der Oper zum 70. Geburtstag in Dresden, d i r i g i e r t e 11 Verschiedenes ü b e r n a h m Keilberth al- 12 La Rondine in Landshut aber parallel les von Hän- Die Pilger von Mekka dazu 1948/51 del bis Hin- in München die musika- demith, im 13 Macbeth / Eugen Onegin lische Leitung Konzert von der Berli- J. S. Bach bis in Ulm ner Staats- Alban Berg, 14 Buch- und DVD-Besprechungen oper. Nach einem Gastspiel 1949 wur- sogar Ausfl üge zu Karl Amadeus Hart- 15/16 Buch-Besprechungen de Keilberth 1950 Chefdirigent der mann gab es (WDR Köln). Auff allend Bamberger Symphoniker und blieb an Keilberth war auch sein beständi- dies bis zu seinem Tod 1968. 1951 und ges Ringen um Ausgewogenheit. Be- 1959 leitete er als Hamburgischer GMD sonders im symphonischen Bereich, IMPRESSUM - IBS JOURNAL das Philharmonische Staatsorchester, wo er nicht von den Möglichkeiten 1959 trat er seine Position als Baye- einer Singstimme abhängig war, konn- rischer GMD an. Im Unterschied zu sei- te man bemerken, dass nie ein Tempo Zeitschrift des Interessenvereins des nen Kollegen und Felix für sich abstrakt im Raum stand, jedes Bayerischen Staatsopernpublikums e.V. Mottl, die von Karlsruhe direkt nach Forte und jedes Piano stets im Verhält- im Eigenverlag München gekommen waren, musste nis zum ganzen Werk wiedergegeben Herausgeber: Der Vorstand Redaktion: Vesna Mlakar Keilberth diesen Umweg nehmen. Im wurde. Dies beraubte ihn zwar leicht Layout: Ingrid Näßl nachhinein empfand mein Vater dies wahrnehmbarer Eff ekte, gab aber da- Erscheinungsweise: 4 x jährlich aber als wichtig für seine Entwicklung. für seiner Art der Interpretation die Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Als Gast der Berliner Philharmoniker Geschlossenheit der Form und die Jahresabonnement für Nichtmitglieder (ab 1936), der Wiener Philharmoniker Schlüssigkeit im gedanklichen Aufbau. € 15,-- einschließlich Zustellung. (ab 1944) und der Bayerischen Staats- Zur Zeit gültige Anzeigenpreisliste: oper (ab 1951) erntete er viele Lorbee- Joseph Keilberths dirigentisches Nr. 6, 1. März 2006 ren. Er arbeitete auch mit den Rund- Credo lautete: „Das Dirigieren ist Die mit Namen gekennzeichneten Artikel stellen funkorchestern in München, Stuttgart nur ein Hilfsmittel, nie Selbstzweck. die Meinung des Verfassers und nicht die Ansicht der Redaktion dar. und Köln. Als Höhepunkte seiner Lauf- Musizieren ist alles – je unauff älliger Nachdruck in anderen Druckwerken bahn dürfen wohl die Mitwirkung bei dabei dirigiert wird, desto schöner wird nur mit Genehmigung des Vorstandes. den Bayreuther Festspielen 1952/56, die Musik gestaltet sein und so unsere Druck: Druck & Medien Schreiber GmbH die auf zahlreichen CDs dokumentiert Seele berühren. Das mag der heutigen sind, und die Wiedereröff nung des Na- Mode widersprechen – eine ästhe- Kolpingring 3 tionaltheaters in München 1963 gelten. tische Wahrheit bleibt dies trotzdem.“ 82041 Oberhaching-München omas Keilberth Vorstand Charakteristisch für Keilberth war, Wolfgang Scheller  Monika Beyerle-Scheller  Richard Eckstein  Hans Köhle  Vesna Mlakar  dass er für sich jegliche Spezialisierung Umfassendes Künstlerporträt Wulfhilt Müller  Eva Weimer ablehnte. Auch musikalisch mochte er Thomas Keilberth: Ehrenmitglieder sich nicht festlegen und machte sich Joseph Keilberth. Ein Dirigentenleben Heinrich Bender, , Sir Peter Jonas, daher auch kaum Einzeichnungen im XX. Jahrhundert Hellmuth Matiasek, Aribert Reimanm, Wolfgang in die Partitur. So blieb dem Akt der Apollon Musikoffi zin Austria, Wien, 2007 Sawallisch, Wolfgang Scheller, Peter Schneider, Nachschöpfung stets ein Funke von 794 S., 69,00 € Peter Schreier, Peter Seiff ert, Konstanze Vernon Neuschöpfung erhalten. Damit stand ISBN 978-3950119060

2 VERANSTALTUNGEN

KÜNSTLERGESPRÄCHE KÜNSTLERGESPRÄCHE Alle Veranstaltungen fi nden im Künstlerhaus am Lenbachplatz statt. Nicole Cabell David Pountney Der neue Stern am Opernhimmel aus Dem britischen Regisseur gelang der Kasse und Einlass jeweils ½ Std. vor Kalifornien singt nach der Musette in internationale Durchbruch 1972 mit Beginn La Bohème (neben Anna Netrebko und Katja Kabanowa beim Wexford Festival. Kostenbeitrag: Mitgl. € 4,-- / Gäste € 7,-- Rolando Villazón) und einem Arienabend Anschließend war er zehn Jahre lang Schüler und Studenten zahlen die Hälfte. nun beim Sonntagskonzert des Münch- Chefregisseur der English National Ope- ner Rundfunkorchesters am 20. April ra. Regelmäßig arbeitet er an der Wiener KULTURELLER VORMITTAG 2008 im Gasteig die Rolle der Norina in Staatsoper, der Deutschen Oper Berlin, Don Pasquale von Gaetano Donizetti. der Met und am Opernhaus Zürich, wo er Blick hinter die Kulissen der Freitag, 18. April 2008, 19.00 Uhr zuletzt La Juive von Halévy herausbrach- Bayerischen Staatsbibliothek Gastmoderation: Michael Atzinger te. In München inszenierte er bisher Die Rund zweistündige Führung durch das (BR 4 Klassik) Ausfl üge des Herrn Brouček, Aida, Katja Haus und seine Abteilungen (geeignet Kabanowa, Faust und Schönbergs Moses nur für Mitglieder, die gut zu Fuß sind! Nikolai Schukoff und Aron. David Pountney ist derzeit Keine Sitzgelegenheit!) Nach seinen Auftritten als Narraboth Intendant der Bregenzer Festspiele, wo Leitung: Wulfhilt Müller und wird der aus Graz stam- er zuvor schon einige Male selbst Regie Freitag, 13. Juni, 11.00 Uhr mende Künstler nun an der Bayerischen führte, so z. B. beim Fliegenden Holländer. Treff punkt: 10.50 Uhr in der Eingangs- Staatsoper als Dionysos in der Neu- Samstag, 21. Juni 2008, 19.00 Uhr halle (am Fuß der großen Treppe) inszenierung von Henzes Die Bassariden Moderation: Monika Beyerle-Scheller Ludwigstraße 16 zu erleben sein. (U3/U6 Haltestelle: Universität) Mittwoch, 21. Mai 2008, 19.00 Uhr Bitte Anmeldung über das IBS-Telefon Moderation: Jakobine Kempkens Piotr Beczala Der aus Polen stammende Sänger war MITGLIEDERVERSAMMLUNG Hanno Müller-Brachmann Ensemblemitglied am Linzer Landesthe- Der Bariton Hanno Müller-Brachmann ater und der Oper Zürich. Heute zählt er Alle IBS-Mitglieder sind herzlich einge- begann seine Ausbildung an der Kna- zu den führenden Tenören des lyrischen laden zur diesjährigen Mitgliederver- benkantorei in Basel, und seit seinem Fachs. Neben der Oper singt er auch ein sammlung. Wir hoff en auf Ihr zahlreiches Debüt 1991 in Freiburg gastiert er als umfangreiches Konzertprogramm. 2006 Erscheinen! Im Anschluss erwartet Sie Opern-, Lied- und Konzertsänger rund gab er sein Debüt an der Bayerischen ein interessantes Live-Konzert, bei dem um die Welt. Wir kennen ihn in Mün- Staatsoper,BUCHVORSTELLUNG im Juli können wir ihn wieder Richard Eckstein Ihnen den Sänger und chen bereits als Minister (Fidelio), Orest, als Werther erleben. Bei den diesjährigen Lautenisten Joel Frederiksen vorstellt. Guglielmo und Papageno. Jetzt kommt Salzburger Festspielen wird er als Prinz in Samstag, 26. April 2008, 14.00 Uhr er wieder als Figaro in Le nozze di Figaro. Rusalka debütieren. Tagesordnung: siehe Seite 7 Dienstag, 27. Mai 2008, 19.00 Uhr Freitag, 25. Juli 2008, 19.00 Uhr Künstlerhaus am Lenbachplatz Moderation: N.N. Moderation: Helga Schmidt

Werk & Interpret Hinweis Die anlässlich des 30-jährigen Jubilä- In Wort und Ton präsentiert sich der in München lebende amerikanische Bassist und ums der Münchner Opernfreunde her- Lautenist Joel Frederiksen. Seit einigen Jahren lassen er und das von ihm gegründete ausgegebene IBS-Festschrift Nr. 3 mit Ensemble Phoenix Munich damit aufhorchen, wie aufregend aktuell Alte Musik klingen allen Künstlergesprächen der vergan- kann. Mit live gespielten und gesungenen Einlagen gibt er einen Vorgeschmack auf sein genen fünf Jahre kann bei allen Veran- Konzertprogramm e Elfi n Knight (u. a. englische und schottische Balladen), das am staltungen des IBS für € 3,-- erworben 27. April, um 12 Uhr im Mars-Venus-Saal des Bayerischen Nationalmuseums zu erleben werden. Gern schicken wir Ihnen die sein wird. Anfang 2008 wurde Frederiksen, der sein – extrem seltenes – Stimmfach Festschrift auch zu. Bitte überweisen selbst als „coloratura basso profundo“ bezeichnet, mit dem AZ-Stern des Jahres im Sie in diesem Fall die Gebühr von Bereich Klassik ausgezeichnet. Unlängst ist seine Debüt-CD beim renommierten Label € 5,50 auf das IBS-Konto und geben Hamonia Mundi erschienen (CD-Verkauf im Anschluss). Ihre Versandadresse an. Samstag, 26. April 2008, 16.00 Uhr Moderation: Richard Eckstein Wanderungen siehe Seite 11

IBS e. V., Postfach 10 08 29, 80082 München Tel. und Fax: 089 / 300 37 98  [email protected]  www.opernfreundemuenchen.de Bankverbindung: Postbank München 312030-800 (BLZ 700 100 80) Bürozeiten Montag  Mittwoch  Freitag 10-13 Uhr

3 ZU GAST BEIM IBS

Rudolf Buchbinder – Weltstar aus Wien

m 15. Dezember 2007 besuchte hannes Brahms. Als besonders verdienst- zur Verfügung. Die Eintrittspreise sind uns ein Künstler, dessen musi- voll gilt die Einspielung des gesamten moderat und besonders für Jugendliche A kalisches Ausdrucksmittel nicht Klavierwerks von Joseph Haydn, dem stehen preisgünstige Plätze zur Verfü- die menschliche Stimme, sondern das gung. Vom 21. August bis 7. Septem- Klavier ist. Da viele IBSler auch eifrige ber 2008 werden u. a. das Philharmo- Konzertbesucher sind, war der Saal gut nische Orchester Oslo, das Orchestre de gefüllt, und Frau Beyerle-Scheller stellte Paris, das Royal Philharmonic Or- uns ihren Lieblingspianisten durch sach- chestra, die Instrumentalsolisten Ma- kundige Fragen vor. Mit Applaus wurde xim Vengerov, Jean Yves  ibaudet, Ar- seine Gattin, mit der er seit 42 Jahren cadi Volodos und Nikolaj Znaider sowie verheiratet ist, begrüßt. Anlass seines die Gesangssolisten Christine Schäfer, Aufenthaltes in München war ein Kon- Homepage des Künstlers Foto: Vesselina Kasarova, Michael Schade zert im Prinzregententheater, in dem er und Giuseppe Sabbatini zu hören sein. mit dem BR-Kammerorchester Haydns Man sollte ein ganzes Wochenende Klavierkonzert D-Dur und das Jeune- einplanen, um auch die Gastronomie homme-Konzert von Mozart auff ührte. und die schöne Umgebung genießen zu können. Auf nach Schloss Grafenegg! Zunächst erfuhren wir, dass Rudolf Buchbinder am 1. Dezember 1946 in Zur Auff ührungspraxis auf Original- Leitmeritz in Böhmen geboren und in instrumenten befragt, glaubte man Wien aufgewachsen ist. Auf dem elter- eine gewisse Zurückhaltung zu spüren, lichen Pianino, das gewöhnlich „zum obwohl er selbst eine größere Samm- Klavier-Universalist Aufstellen von Fotos und Vasen“ diente, lung von historischen Tasteninstru- begann er als Vierjähriger im Radio seiner Meinung nach unterschätztesten menten besitzt und die Auff ührungen Gehörtes nachzuspielen. Die nach den Komponisten. Ursprünglich sollte die von Barockmusik auf alten Instru- Kriegszerstörungen wieder aufgebaute Beschäftigung mit Haydn zur Vorberei- menten, wie sie Harnoncourt begon- Wiener Musikakademie suchte junge tung der zyklischen Auff ührung aller 32 nen hat, für verdienstvoll hält. Sein Talente und so absolvierte er im Alter Klaviersonaten von Ludwig van Beetho- Instrument auf dem Konzertpodium von fünf Jahren mit dem Schlager Ich ven dienen. Dieses Großprojekt hat er im allerdings ist und bleibt ein Steinway. möcht’ gern Dein Herz klopfen hörn die Laufe der Jahre 40 mal in verschiedenen Aufnahmeprüfung. Er war der Jüngste, Städten der Welt verwirklicht. Mit be- Im Februar 2008 feiert Rudolf der jemals an dieser Ausbildungsstätte sonderer Liebe und Hingabe widmet Buchbinder ein Jubiläum mit Be- aufgenommen wurde. Ein Jahr später sich Buchbinder den Werken Mozarts, ethovens 1. Klavierkonzert, das er kam er in die Volksschule. Mit elf Jah- dessen Klavierkonzerte er mit verschie- auch vor fünfzig Jahren in seinem ren besuchte er die Meisterklasse von denen Orchestern aufgeführt und auf ersten Konzert im Musikverein ge- Prof. Seidlhofer an der heutigen Univer- Tonträger eingespielt hat. Zum Johann spielt und welches ihn sein Leben lang sität für Musik und darstellende Kunst. Strauß-Jahr 1999 erschien eine CD mit begleitet hat. Aus diesem Anlass wird Klavier-Transkriptionen unter dem Titel er Ehrenmitglied im Wiener Musikver- Nach Beendigung seiner Studien begann „Waltzing Strauss“. Als Musikbeispiel ein, und dazu gratulieren wir herzlich. Rudolf Buchbinder eine umfangreiche wählte er daraus den Donau-Walzer. Rudolf Buchbinder verabschiedete sich Konzerttätigkeit, zunächst als Kammer- mit einem Ausschnitt aus dem Jeune- musiker und in zunehmendem Maße als Im vorigen Jahr gründete Buchbinder homme-Konzert von Mozart und stell- Solist bei den berühmtesten Orchestern ein Musikfestival auf Schloss Grafen- te die erneute zyklische Auff ührung und Dirigenten der Zeit in Wien und in egg in der Nähe von Krems. Besitzer der 32 Klaviersonaten von Beethoven aller Welt. Ein akribisches Quellenstu- des Schlosses ist die kunstbegeisterte im hochgeschätzten Prinzregenten- dium bei der Erarbeitung neuer Werke Familie Metternich. Das Festival zeich- theater in Aussicht. Wir sind sehr ist für ihn Notwendigkeit und Passion. net sich durch die glückliche Symbiose neugierig, besonders auf das „Ada- Dabei hilft ihm seine Sammlung an Erst- von Natur, Architektur und Kunst aus. gio cantabile“ der Pathétique, das er drucken und Originalausgaben, auch be- Es stehen ein Kammermusiksaal, ein nach Meinung einer versierten IBSle- sitzt er Kopien der Originalpartituren großer Konzertsaal und eine Open-Air- rin so innig wie kein Anderer spielt. der beiden Klavierkonzerte von Jo- Bühne, die ohne Verstärker auskommt, Hiltraud Kühnel

4 ZU GAST BEIM IBS

Ein contralto barocco – Sonia Prina

ls ersten Gast im neuen Jahr te sie schon kleinere Rollen überneh- (Penelope, Orfeo oder Ottone) oder konnte der IBS am 8. Janu- men, bis es dann nach zwei Jahren zur Vivaldi. Einen neuen Trend, Belcanto- A ar eine junge, aufstrebende großen Entscheidung kam: sie sollte Opern mit Originalinstrumenten zu und sehr temperamentvolle Künst- kurzfristig als Rosina in Il barbiere di spielen, nimmt sie gerne auf, da sie ja lerin, Sonia Prina, präsentieren. auch lange Zeit Rossini-Rollen gesun- Markus Laska gelang es, den elo- gen hat, wie die Rosina, Cenerentola quenten italienischen Redestrom oder Isabella. Sie räumt einer solchen perfekt ins Deutsche zu übersetzen. Auff ührungspraxis große Erfolgschan- cen ein, denn diese Orchesterstim-

Sonia Prina war für eine Auff ührungs- Müller Wulfhilt Foto: mung ist die Stimmung zur Zeit Ros- serie von Händels Ariodante nach sinis, und die Sänger fühlen sich sehr München gekommen und hatte sich wohl dabei. schon sehr auf die Auftritte mit Vesse- lina Kasarova in der Titelrolle gefreut. Sonia Prina liebt die Opernbühne Vier Tage hatte sie mit der Regieassis- über alles, doch ebenso gerne steht sie tentin Bettina Göschl intensiv geprobt auch auf dem Konzertpodium bei kon- und war dann doch sehr überrascht, zertanten Opernauff ührungen oder als bei der ersten Auff ührung statt der Jung-Altistin aus Italien Arienabenden, bei denen der Sänger erkrankten Kasarova Frau Göschl als Siviglia unter Riccardo Chailly ohne Or- mehr Möglichkeiten hat, eine eigene Ariodante neben ihr auf der Bühne chesterprobe einspringen. Der Dirigent Interpretation zu fi nden oder dem Pu- stand, und die Gesangsstimme der Ein- sprach ihr zwar Mut zu, aber vor ihrer blikum mehr Facetten verschiedener springerin von weit her aus dem Orches- großen Arie „Una voce poco fa“ starrte Rollen nahe bringen kann. Mit einem tergraben kam. Keine guten Voraus- sie in das große, dunkle Auditorium Crossover-Abend mit Monteverdi, Hän- setzungen für einen perfekten Abend! und sagte zu sich: „Entweder singe ich del und z. B. Gershwin würde sie gerne Trotzdem liebt Sonia Prina München jetzt los, oder ich werde nie Sängerin“. zeigen, was mit ihrer Stimme möglich sehr, sie hat hier bereits in drei ande- Zum Glück sang sie! Schon bald fand sie ist und auch ein breiteres Publikum ren Produktionen von Barockopern, nun auch den Zugang zur Barockmusik. ansprechen. Wir sahen und hörten ihrem Spezialrepertoire, mitgewirkt: Sie lernte Ottavio Dantone kennen, an diesem Abend von ihr Ausschnitte in Rodelinda, Alcina, und . gemeinsam erarbeiteten sie 1997 die aus Mozarts Ascanio in Alba, Händels Sie bedauert es sehr, dass die italie- selten aufgeführte Barockoper Giulio Rodelinda und Il trionfo del tempo e del nischen Opernhäuser dieses Repertoire Sabino von Giuseppe Sarti in Ravenna disinganno, Rossinis La pietra del para- kaum anbieten, da die Intendanten mit der Accademia Bizantina, die Dan- gone und Vivaldis Orlando fi nto pazzo. Angst vor leeren Häusern haben. tone seit 1996 leitet. Diese Arbeit hat Natürlich wollte das Publikum auch ihr so viel Spaß gemacht, dass sie sich etwas über die Zukunftspläne der Doch wie kam es zu dieser Barock- nun hauptsächlich für dieses Reper- Künstlerin, die mittlerweile auf Sardi- karriere? Sonia Prina verbrachte ihre toire entschieden hat, ein Schritt, der nien wohnt, erfahren. Neben den Ba- Jugend in der Provinz Mailand, ihre ihr bis heute viel Glück gebracht hat. rockopern wird sie 2011 in Barcelona Eltern haben Musik zwar sehr geliebt, Natürlich kam ihr dabei auch zugute, wieder in Anna Bolena neben Grubero- aber nicht selbst ausgeübt. Sie folgte dass die Partien in Händels Opern, die va und Garanča singen. Gerne würde ihrem Bruder in die „banda“ des Ortes, vorwiegend für die beiden Kastraten sie eine L’Italiana in Algeri mit Original- nach einem Fehlversuch mit der Klari- Farinelli und Senesino geschrieben instrumenten machen, und ein ganz nette lernte sie erfolgreich Trompete waren, eine sehr tiefe Tessitura ha- großer Traum ist eine Carmen, vielleicht spielen und ging mit knapp 14 Jahren ben, die ihrer Stimme (sie bezeichnet in ein paar Jahren. Leider hat die sehr aufs „Conservatorio Giuseppe Verdi“ in sich als „contralto barocco“) beson- sympathische Künstlerin für München Mailand, wo sie dieses Instrument bis ders entgegenkommen, und wo sie keine großen, neuen Pläne, da das Ba- zum erfolgreichen Diplom studierte. nicht allzu viele Konkurrentinnen hat. rockrepertoire ja weitgehend aus dem Nebenher sang sie im Chor, entdeck- Spielplan genommen wird. Vielleicht te ihre Stimme und begann ein Ge- Mittlerweile hat Sonia Prina mit al- wird sie jedoch in der Rolle des Tamer- sangstudium. Bereits mit 21 Jahren len bekannten Barockspezialisten zu- lano anstelle von David Daniels wie- wurde sie in die Accademia der Mai- sammengearbeitet. Selbstverständlich derkommen. Freuen wir uns darauf. länder Scala aufgenommen, bald durf- singt sie auch Rollen von Monteverdi Hans Köhle

5 ZU GAST BEIM IBS

Selbstsicher – Selbstironisch – Gelassen: Ks. Wolfgang Brendel

m vollbesetzten Saal im Künst- aber andere taten das, wie der dama- überzeugt als Eisenstein und Mand- lerhaus begrüßten am 9. Februar lige Betriebsdirektor Herbert List, als ryka, als grandioser Holländer und Ibegeisterte Verehrer/innen immer wieder – als Sachs! Wie Wolfgang Brendel. Der glänzend kommen solche Sternstun- gelaunte Sänger hub sofort zu er- den wie bei dem letzten Hol- zählen an und sprudelte wie ein länder in München zustande? Wasserfall, ach was – eher wie Ob die Kommunikation mit ein mitreißender Strom, so dass einem gespannten Publikum die sympathische Moderatorin spürbar sei während der Auf-

Jakobine Kempkens zunächst Weise-Richter Helga Foto: führung? Überhaupt nicht, da Mühe hatte, überhaupt zu Wort hat jeder zu tun auf der Bühne zu kommen. Nach einiger Zeit und muss sich voll konzent- aber entwickelte sich ein über- rieren auf jeden Augenblick; aus lebhafter, geistreicher und es ist ein Geheimnis, vielleicht faszinierender Dialog, die Fragen wird es einem geschenkt, wurden immer tiefgründiger und wenn man es geschehen lässt. die Antworten philosophischer. Showtalent mit pädagogischer Ader Mit eindringlichem Ernst redet Bren- Der Kammersänger ist seinen frühen dieser seinen ersten Wolfram hörte. del von der Demut am Werk, der stän- Lehrern, Weggefährten, Dirigenten Da war er gerade mal 25. Brendel sel- digen Bemühung um die Gestaltung und Agenten dankbar und hat alles ber aber wollte dringend die Italiener der „uralten Oma Oper“, ohne der begierig aufgenommen und sich zu singen und sich Zeit lassen. Die Rolle Selbstgefälligkeit zu dienen und mit eigen gemacht. Er erzählt von der des Sachs nahm dann aber einen wei- Respekt vor allen, die daran arbeiten. Sorgfalt der damaligen Dirigenten ten Raum im Gespräch ein, die Ent- Er ist dabei keinen Augenblick pathe- wie Sawallisch, die nicht nur „dirigie- wicklung der sängerischen und dar- tisch, sondern fi ndet oft recht drasti- ren“ wollten und Proben lästig fanden, stellerischen Interpretation. Brendel sche Worte für Rollen: Nein, den Wolf- sondern mit jungen Sängern einzel- meint, die ersten 20 Male wird die ram wolle er nicht mehr singen, der ne Passagen sorgfältig durchgingen. Rolle erarbeitet und sitzt, aber das ist „ausgelutscht“, der Sachs ist „ein Er übt harsche Kritik am heutigen Wesentliche kommt erst danach: die harter Brocken, aber kein alter Sack“. Betrieb der schnellen Reproduktion Verinnerlichung, die Durchdringung, und der Oberfl ächlichkeit. Es wird zu und wieder: das „Strömenlassen“. Posa So geradeheraus war er immer und schnell abgehakt, und es ist keine Ge- und Sachs – ginge das nebeneinan- hat sich mit dem Herz auf der impul- duld da, einen Künstler in seinen Mög- der, wird aus dem Publikum gefragt. siven Zunge schon öfter mal daneben lichkeiten auszuschöpfen. Er betont Ginge schon, aber der Posa ist 23 und gesetzt. Andererseits weiß jeder, wie immer wieder das langsame Wachs- der Sachs an die 60 – so die nüchterne er mit ihm dran ist. Er ist von kompro- tum. Zuerst muss sich ein Sänger die Feststellung. Wie sollte man den jun- missloser Ehrlichkeit, setzt sich mit profunden Kenntnisse erwerben, auf gen Mann noch glaubhaft darstellen? seinem „G‘schwollschädel“ durch, folgt diesem Fundament erst komme dann aber überzeugenden Argumenten und das Entscheidende: das Wachsen, Worauf Frau Kempkens behutsam zart überragenden Kenntnissen „lamm- Reifen, Strömen und das Geschehen- eine sehr intime Frage stellt: Brendel fromm“ (glaubt man nicht so recht!), lassen! Er rühmt vor allem Wolfgang sei nun 60 geworden (will niemand „aber wenn einer nur daherschwa- Wagner, der mit Geduld und unbeirr- glauben, sieht blendend aus!), wie er felt, dann haben wir ein Problem!“ barem Vertrauen über Jahre hinweg zu es mit dem Alter halte und ob er Angst (glaubt man schon eher). Er hat aber seinen Künstlern stand. Sawallisch be- davor hätte? Nein, keine Angst, eher auch die Erfahrung gemacht, dass je- gleitete ihn ein ganzes Jahr und „hob Neugier. Er zitiert den 90-jährigen mand wie Rennert einen als Fußab- ihn durch“ bei der Erarbeitung der Ernst Bloch: „Mal gucken, was noch streifer behandeln konnte, wenn ein sehr schwierigen Rolle des Mandryka. kommt“. Sein Wunsch wäre, in der Fül- noch ganz junger Sänger keine eigene le abzutreten. „Wenn die Stimme ver- Meinung hatte. Dann war er es nicht Frage: Ob er als Posa schon geahnt sagt, dann hat keiner mehr etwas auf wert, mit ihm zu arbeiten. Der Ren- habe, dass er einmal den Sachs sin- der Bühne verloren, dann ist es eben nert war aber auch so off en, Anre- gen würde? Nein, überhaupt nicht, aus.“ Noch ist es nicht an der Zeit. Er gungen von den Jungen anzunehmen.

6 ZU GAST BEIM IBS

Brendel selbst ist seit zehn Jahren Pro- fi relli, Chéreau und – dem „schärfs- fessor an der Münchner Musikhoch- ten Geist“ unter allen: Rudolf Noelte. schule und sagt da den jungen Men- Carlos Kleiber war zwar „sein Held“, schen unverblümt die Wahrheit ins aber heute, bei diff erenzierter Be- Gesicht. Zum Künstler kann er sie nicht trachtung, würde er auch niederknien Foto: John Martin Foto: machen, wenn sie den Ausdruckswillen vor Kubelik und Beauvais, die Arabel- nicht in sich tragen. Dann sind sie fehl la und Aida so darstellten, wie sie gut am Platz. Er kann ihnen nur die Art und richtig waren. Die abschließende des Singens beibringen. Bemerkt aber, Frage: Was wäre sein Wunsch, au- dass angesichts der Medien heutzutage ßer das Rad zurückzudrehen zu die- „das Klappern“ zum Handwerk gehört; sen Heroen! „Es geht noch ganz gut“, er selber hätte „zu seiner Zeit“ keinen schmunzelt er mit Schalk in den Au- Wert auf Konservierung gelegt, schon gen, und so würde er „ganz gern noch deshalb, weil man nichts mehr verän- ein bisserl mitspielen auf der Bühne!“ dern könne. Die Bühne ist sein Me- dium und die ständige Bemühung, es Nicht nur ein bisserl, Herr Brendel, wir noch und noch besser zu tun als vorher. Los Angeles 2006: Fledermaus freuen uns – besonders nach diesem herrlichen Gespräch – auf viele auf- Er betont – da wird er enthusiastisch den bedeutendsten Regisseuren und regende Opernerlebnisse mit Ihnen! – das große Glück, dass er sein ganzes Dirigenten der Zeit, mit Strehler und Leben spielen durfte und das unter Ponnelle, Götz Friedrich, Schenk, Ze- Helga Weise-Richter

Ausstellungs-Tipp Villa Stuck Augen geführt. Die gelungene Video- unter dem Titel beziehungsTräume animation von Peter Weibel verbin- getanzte Führungen anbieten: In Noch bis zum 12. Mai ist in der Villa det dabei in ihren Überblendungen kurzen Bewegungs-Sequenzen Stuck die Ausstellung True Romance – von Bild zu Bild und von Motiv zu (u. a. aus Choreografi en des Ballett- ein abwechslungsreicher Kunstpar- Motiv Amors Kosmos mit der künst- chefs Hans Henning Paar) wollen die cours mit Malerei, Grafi k, Foto- und lerischen Aufarbeitung desselben. Tänzer vor ausgesuchten Werken ganz Videoexponaten rund um das Thema neue Sichtweisen erlebbar und Kunst „Wa(h)re Liebe“ zu sehen. Unter dem Eine ganz besondere Idee der Kura- diff erenziert erfahrbar machen. Motto Allegorien der Liebe von der toren setzen am 19. und 20. April Renaissance bis heute werden dem jedoch Mitglieder des TanzTheater- Der Eintritt kostet regulär 8,-- €, eine Besucher die verschiedensten Aspekte München um, wenn sie am Samstag Anmeldung ist unter der Telefonnum- realer, poetisch erdachter, käufl icher um 18.00, 19.00 und 20.00 Uhr und mer 089-45 55 510 empfehlenswert. und in Mythen erzählter Liebe vor am Sonntag im 11.00 und 12.00 Uhr vm

EINLADUNG TAGESORDNUNG: zur ordentlichen Mitgliederversammlung 1. Genehmigung des Protokolls der letzten Mitglieder- am Samstag, den 26. April 2008, 14.00 Uhr versammlung vom 17. April 2007 2. Berichte des Vorstandes (mit anschließender Künstlerhaus am Lenbachplatz Aussprache) 3. Bericht der Kassenprüfer 4. Wahl der Kassenprüfer 5. Entlastung des Vorstandes 6. Anträge: schriftliche Anträge werden gemäß § 12/1 der Satzung bis spätestens 11. April 2008 erbeten. 7. Verschiedenes

7 GEBURTSTAGE

Franz Crass – ein Hoch auf den treuen IBS-Freund

ir gratulieren von Herzen stolz. Geradezu ins Schwärmen ge- Kammersänger Franz Crass rät er – und das ist mehr als verständlich W zum 80. Geburtstag am 9. – wenn das Gespräch auf die Mozart- März. Sein Geburtsdatum (meistens Zusammenarbeit mit den Kollegen wird der 9. Februar genannt) ist ein Wunderlich und Prey kommt. Kritiken schönes Beispiel dafür, wie hartnäckig Privatarchiv Foto: weisen immer wieder darauf hin, dass sich doch einmal falsch notierte Da- der Bassist Franz Crass „einen dem ten in Künstlerbiografi en festsetzen, Ideal nahe kommenden Sarastro“ denn auch der Bayerische Rundfunk singen konnte. gratulierte mit einer Sondersendung bescheinigt ihm bei seinen Erinne- bereits im Februar, weil sich das seit rungen an den Kölner : Jahren in der Literatur falsch grassie- „Franz Crass, eine der großartigsten rende Datum nicht ausmerzen lässt. Bassbariton-Stimmen als Komtur...“.

Franz Crass wurde 1928 im Bergischen Es ist außerordentlich zu bedau- Land (Wipperfürth) geboren. Mitte ern, dass diese glanzvolle Karriere der 50er Jahre begann seine Karri- Großartiger Bassbariton 1980 mit 52 Jahren beendet wur- ere in Krefeld und Hannover, setzte kräftig, intonationssicher, ausdrucks- de – für einen Bassisten viel zu früh. sich fort in Köln, Gastspiele an allen stark, nobel und vornehm wie im rich- Aber eine zunehmende Hörschwä- berühmten Opernhäuser in Europa tigen Leben. Von 1967 bis 1972 fi ndet che machte Franz Crass zu schaff en. und Amerika schlossen sich an. Schon er mit der Partie des Gurnemanz un- während seiner Studienzeit sang er im ter Boulez, Jochum und Stein die Er- Wir wünschen dem Jubilar viel Zeit, Chor der Bayreuther Festspiele. 1959 füllung seiner Laufbahn in Bayreuth. sich zu freuen, zu lachen, zufrieden sein fi el er in Bayreuth als König Heinrich Jens Malte Fischer schreibt dazu: „... zu können, zu staunen, zu hoff en, zu auf. Im darauf folgenden Jahr über- Crass, der nach meinem Eindruck der lieben, Glück zu empfi nden, Zeit zum redeten ihn und beste Gurnemanz im Parsifal war, den Leben – gemeinsam mit seiner Frau. Wolfgang Sawallisch, die Partie des es nach dem Krieg gegeben hat ....“. Wir bedanken uns für die zahlreichen Holländers für den erkrankten Geor- musikalischen Sternstunden, die guten ge London zu übernehmen. Er wird Franz Crass und seine Frau sind treue Gespräche, für Freundschaft und Treue. zum Holländer schlechthin: stimm- Freunde des IBS. Darauf sind wir sehr Sieglinde Weber

Wir gratulieren Wir trauern um 12.04.2008 Montserrat Caballé zum 75. Geb. 10.02.2008 Inga Nielsen 29.04.2008 Kenneth Riegel zum 70. Geb. 03.03.2008 Giuseppe di Stefano 12.05.2008 Doris Soff el zum 60. Geb. 21.05.2008 Katharina Wagner zum 30. Geb. Bolschois legendäre Ballerina Natalja Bessmertnowa, 02.05.2008 zum 80. Geb. die 66-jährig in Moskau verstorben ist. 26.05.2008 Teresa Stratas zum 70. Geb. 28.05.2008 Ekkehard Wlaschiha zum 70. Geb. 18.06.2008 Eva Marton zum 65. Geb. Wir gedenken 23.06.2008 James Levine zum 65. Geb. 26.06.2008 Claudio Abbado zum 75. Geb. 07.03.2008 zum 10. Todestag 03.07.2008 Peter Ruzicka zum 60. Geb. 12.03.2008 zum 120. Geb. 20.03.2008 Bernd Alois Zimmermann zum 90. Geb. Edita Gruberova zum 40jährigen Bühnenjubiläum 02.04.2008 Fritz Uhl zum 80. Geb. Vicco von Bülow „Loriot“ zum Kulturellen Ehrenpreis der 05.04.2008 zum 100. Geb. Stadt München 25.04.2008 zum 90. Geb. 07.05.2008 Johannes Brahms zum 175. Geb. Joel Frederiksen zum AZ-Klassik-Stern 2007 17.05.2008 Birgit Nilsson zum 90. Geb. John Neumeier zur Verleihung des Deutschen Jubiläums- 17.05.2008 Nicolai Rimsky-Korsakow zum 100. Todestag Tanzpreises 2008 für sein außergewöhnliches Lebenswerk

8 IN MEMORIAM

Einem singenden Komödianten zum 100. Geburtstag: Kurt Böhme

urt Böhme wurde am 5. Mai ab 1941 trat er auch bei den Salzburger „Er, Böhme, könnte auch in einem Mu- 1908 in Dresden geboren und Festspielen auf. Ab 1949 war Böhme an sical am Broadway erfolgreich sein.“ K wollte zunächst Kapellmei- der Münchner Staatsoper verpfl ichtet. ster werden. Er begann mit 14 Jahren In die Operngeschichte ging er ein als am Dresdner Konservatorium „alles“ unübertreffl icher Baron Ochs auf Ler- zu studieren, nämlich Orchesterlei- chenau im Rosenkavalier, den er auf tung, Geige, Klavier, Trompete, Horn fast allen großen Bühnen der Welt – und auch Gesang. Nach drei Jahren sang. Seinen 500. Ochs sang er hier entdeckte er dann seine Stimme und in München 1966 anlässlich der Fest- Foto: Privatarchiv Privatarchiv Foto: strebte eine Opernkarriere an. Mit 21 spiele. Diese seine berühmteste Büh- Jahren debütierte er in Bautzen als nenfi gur stellte sein übriges, aus etwa Kaspar im Freischütz. Ein Jahr später 120 Partien bestehendes, außeror- war er bereits an der Dresdner Staats- dentlich vielseitiges Repertoire in den oper und sang dort zwei Jahrzehnte Schatten, obwohl er als Mozart- und lang. Er erarbeitete eine Vielzahl an Wagner-Interpret ebenso bedeutend komischen und seriösen Bassrollen, war wie als Strauss-Sänger. Auch stand wobei einige der von ihm geschaff enen er Hunderte von Abenden auf dem Po- Bühnengestalten erwähnt sein sollten. dium und sang Schuberts Winterreise Da ist der köstlich-schrullige Don Pas- bis zu den quale, dann sein „Stammverwandter“ Bei Plattenaufnahmen v o l k s - Morosus, die elegante Lustspielfi gur t ü m - des Grafen Waldner (Arabella), der Außerdem gehörte er von 1955 auch l i c h e n überwältigende Komödiant La Roche zum Ensemble der Wiener Staatsoper. L o e w e -

(Capriccio), Osmin in der Entführung Die großen Wagnerrollen seines Fachs Balladen, Privatarchiv Foto: und – nicht zuletzt – der klassisch hat er alle gesungen, bis hin zur Met. was ihm gewordene Ochs auf Lerchenau im und dem Rosenkavalier. Und dies nicht nur, Dagegen ist er in Bayreuth nur selten Publikum weil er an Körpergröße und Fülle dem aufgetreten: Sein Fach wurde dort g e f i e l . Hofmannsthal/Strauss’schen Bild der von Greindl, Neidlinger, Hotter und Im Juni Rolle frappierend entsprach. Schon Frick gesungen. Kurt Böhme trat aber 1 9 8 5 , 1936 sagte der Dirigent Karl Böhm auch als Interpret moderner Werke in ziemlich zu Kurt Böhme: „Mit dem Ochs ver- Erscheinung, u. a. in den Urauff üh- genau 56 Jahre nach seinem Debüt, dienen Sie einmal ein Haus allein. Das rungen von Penelope und Die Schule der beendete Böhme seine Sängerlaufbahn sag’ ich Ihnen heute schon.“ Richard Frauen von Rolf Liebermann sowie in während der Münchner Festspiele. Strauss hatte ihn ja auch seinen bes- der Irischen Legende von Werner Egk. ten Ochs auf Lerchenau genannt. Und Seine größten Erfolge hatte Kurt Böh- Er starb am 20. Dezember 1989 in der Elisabeth Grümmer erinnerte sich: me in komischen Partien (Ochs, Ke- bayerischen Landeshauptstadt, und „...welch’ unvergleichliche Marschal- zal, van Bett, Baculus). Er verstand vielleicht waren seine letzten Worte auf lin Margarete Teschemacher war, wie sich wie kein zweiter auf die psycho- dem Weg in den Himmel: „Selbstver- zauberhaft Maria Cebotari als Sophie logische Ansteckung des Publikums. ständlich empfängt mich Ihro Gnaden.“ sang ... und Kurt Böhme war der beste Ochs, den ich je gesehen habe.“ Seinen Vortrag begleitete er mit mi- Ilse-Marie Schiestel mischen Eff ekten, die das Publikum in In Dresden nahm Kurt Böhme auch an Begeisterung versetzten. Dies ging – Orff in Andechs 2008 verschiedenen Urauff ührungen teil: versteht sich – auf Kosten des Musika- Unter neuer künstlerischer Leitung von Mark Lothar, Eugen d’Albert, Hein- lischen: Er war ein vitaler, lebendiger, von Marcus Everding, der nach 10 rich Sutermeister sowie 1933 Arabella prall-komischer, aber auch immer ein Jahren Hellmuth Matiaseks Nachfolge und 1935 von genauer Sänger. Von Günther Rennert antritt, präsentieren die Festspiele . Von Dresden aus wur- besteht der Ausspruch: „Wenn Böhme vom 13. Juni bis 3. August neben Hil- lers Goggolori Orff s Carmina Burana/ de er danach europaweit bekannt: 1936 die Bühne betritt, brauche ich keine Trionfo di Afrodite und Astutuli. sang er in London Mozart-Partien und Dekoration“, und James King meinte:

9 IN MEMORIAM

Charismatischer Exzentriker – Rudolf Nurejew zum 70. Geburtstag

ls Nurejew sich am 17. Juni Kopenhagen trainierte, beteiligte 1961 mittels Antrag auf po- sich Margot Fonteyn in London an Alitisches Asyl auf dem Flug- der Planung für eine Gala der Royal hafen von Le Bourget zur Flucht Academy of Dancing. Auf die Absage entschied, erregte dieser Schritt ihres Moskauer Wunschgastes Gali- weltweites Aufsehen. Als erster rus- na Ulanowa hin kam ihr die Idee, sischer Tänzer setzte er sich in den den Newcomer einzuladen. Nure-

Westen ab und fügte seiner Mut- Round Roy Foto: jews vielbeachtetes Londoner Debüt terkompanie – dem Leningrader Ki- brachte ihm ihre Anerkennung und rov-Ballett – dadurch einen herben den Kommentar der Weekend Re- Verlust zu. Vom Ehrgeiz getrieben, view ein: „Es war, als hätte man ein einer der größten Tänzer zu werden, wildes Tier in einem Salon freige- zögerte er nicht, die gewonnene Frei- lassen.“ Tatsächlich ebnete Fonteyn heit künstlerisch wie privat in vollen ihm damit den Weg zum Royal Bal- Zügen auszuleben. Zwar versperrte let. Und sie gab seiner weiteren Kar- ihm seine vorlaute Art manche Tü- riere eine entscheidende Wendung. ren und seine keineswegs makellose Technik war umstritten. Aber seine Ihr erster gemeinsamer Auftritt unglaubliche Bühnenpräsenz, ge- 1962 in Giselle wurde zur Off en- waltige Sprungkraft und sinnliche barung: Zwei Künstlerpersön- Ausstrahlung zog das Publikum auch Als Armand in Ashtons Marguerite und Armand lichkeiten, wie sie kaum unter- außerhalb der sowjetischen Grenzen tern mit nur einer gekauften Eintritts- schiedlicher hätten sein können, in den Bann. Mit rebellischer Intelli- karte in die Vorstellung geschmuggelt. verschmolzen zu einem Ballettpaar, genz, unermüdlicher Arbeitswut und Mit Hilfe eines Stipendiums reiste er dass die Geschichte des Tanzes für die seinem einnehmend cholerischen, 17-jährig alleine nach Leningrad, um folgenden Jahre prägen sollte. Die ein- bisweilen auch überschäumend rüden an der renommierten Ballettschule Va- zigartige Dynamik ihrer gut ein Jahr- Wesen schaff te er es über die Sprach- ganova zu studieren. Es gelang ihm, den zehnt dauernden Partnerschaft setzte barrieren hinweg schnell, als Aus- technischen Vorsprung seiner Kame- sich in zahlreichen Auftritten rund nahmetänzer Beachtung zu fi nden. raden aufzuholen und die regulär auf um die Welt und weiteren Produk- Der Marquis de Cuevas war der acht Jahre anberaumte Ausbildung in tionen bis Mitte der 1970er Jahre fort. Erste, der ihn unter Vertrag nahm. nur drei Jahren zu absolvieren. Noch vor Bald darauf begann Nurejew, die Doch noch vor Ablauf des vereinbar- seinem Abschluss wurden dem eigen- großen Klassiker seiner traditionsbe- ten Vertrags verabschiedete Nure- willigen Tatarenjungen erste wichtige wussten Heimat für das Royal Ballet jew sich unter dem Vorwand, bei der Rollen anvertraut. 1958 gewann er den sowie andere westliche Kompanien exilierten russischen Pädagogin Vera nationalen Ballettwettbewerb in Mos- einzustudieren – nicht ohne dabei Volkova in Kopenhagen Unterricht kau und avancierte zum Mitglied die bis dato eher bescheidenen Män- nehmen zu wollen. Dabei war es u. a. der Kompanie. Innerhalb kürzes- nerpartien erheblich aufzuwerten. der herausragende dänische Bournon- ter Zeit machte er sich einen Namen Seine erste eigene Schwanensee-Cho- ville-Tänzer Erik Bruhn, von dem er und folgte dem Solisten Konstantin reografi e präsentierte er 1964 an sich neue tänzerische Impulse erhoff te. Michailowitsch Sergejew nach, der der Wiener Staatsoper, mit Fonteyn aufgrund einer Verletzung ausschied. in der Doppelrolle Odile/Odette. Nurejew wurde am 17. März 1938 in 1979 beendete Fonteyn ihre 45 Jah- der Nähe von Irkutsk geboren, während In Paris war man von seiner Inter- re währende Tänzerlaufbahn und seine Mutter mit der Transsibirischen pretation des Prinzen in Dornröschen zog sich nach Panama zurück, wo Eisenbahn nach Wladiwostok reiste, wo begeistert, und Nurejew wagte den sie am 21. Februar 1991 starb. Nu- sein Vater als Soldat stationiert war. Er Bruch mit der Heimat. Die Möglich- rejew überlebte sie nicht lange. Er wuchs in einem Dorf bei Ufa in Basch- keit zu einer Rückkehr bot sich ihm erlag seiner Immunschwäche am kirien auf. Hier lernte er Volkstänze erst 1989, nach Aufhebung seiner Ver- 6. Januar 1993, nur drei Monate nach und erlebte am Opernhaus sein erstes urteilung zu sieben Jahren Zwangsar- seiner Neueinstudierung des Bal- Ballett. Da das Geld daheim knapp war, beit durch ein sowjetisches Gericht. letts La Bayadère an der Pariser Oper. hatte die Mutter ihn und seine Schwes- Gerade zu jener Zeit, als Nurejew in Vesna Mlakar

10 VERSCHIEDENES

Buch-Tipp Rudolf Nurejew 11. MÜNCHNER BIENNALE WANDERUNGEN

Pierre-Henri Verlhac (Hrsg.): Veranstaltungstipps für Neugierige Samstag, 12. April 2008 Nurejew. Bilder eines Lebens Von Kochel über Kohlleite – Loisach- Henschel Verlag, Berlin 2008 Vor genau 20 Jahren, im Mai 1988, er- weg nach Kochel 184 S., 34,-- € öff nete Komponist Hans Werner Henze Gehzeit ca. 2 ½ Std. ISBN 978-3-89487-606-7 in München die erste Biennale. Seither Führung: H. Kühnel Tel.: 089-7559149 wurden im Rahmen des international München Hbf ab 9.32 Uhr renommierten Münchner Festivals für (RB 30611) Grace Kelly, Marilyn Monroe, Her- neues Musiktheater – einem Ort des Kochel an 10.36 Uhr bert von Karajan und nun – Nurejew: Experiments und des Diskurses – 75 (umsteigen in Tutzing) Pierre-Henri Verlhac ist kein Tanzex- Werke kreiert und uraufgeführt. Ein Teil Einkehr nach ca. 1 ½ Std. im Gasthof perte, sondern Fotograf und Verleger. davon fand seinen Weg ins Repertoire Jägerwirt in Pessenbach/Ort Nichtsdestoweniger ist sein soeben er- der Opernhäuser. Die 11. Münchener Achtung: Anmeldung über IBS-Tele- schienener Prachtbildband über den Biennale fi ndet in diesem Jahr vom 17. fon wegen Bayernticket legendären Startänzer Rudolf Nure- April bis zum 3. Mai 2008 unter dem jew zu dessen 70. Geburtstag am 17. Motto „Fremde Nähe“ statt. Samstag, 17. Mai 2008 März 2008 ein wertvoller Beitrag zur Wildbad Kreuth – Schwarzentennalm Lebensgeschichte des Ballettkünstlers. 17., 19., 20. April, 20 Uhr, Muff athalle – Söllbach/Wiessee Arbeit – Nahrung – Wohnung Gehzeit ca. 3 ½ Std. Musik: Enno Poppe In 150 zum Großteil bisher unveröff ent- Führung: W. Scheller Tel.: 08022-3649 Die literarische Folie bildet Daniel De- München Hbf. (BOB) ab 8.42 Uhr lichten Bildern verschiedener Fotografen foes Geschichte von Robinson Crusoe. Tegernsee an 9.43 Uhr zeichnet das opulente Werk die einzel- Bus 9556 nach Wildbad Kreuth nen Stationen von Nurejews bewegter 18., 20. (um 17 Uhr) und 21. April, an 10.25 Uhr Karriere nach – beginnend mit einem jeweils um 20 Uhr, Carl-Orff -Saal Einkehr: Schwarzentennalm nach ca. Schnappschuss von 1957: Noch mit ver- Architektur des Regens 1½ Std. bissenem Mund übt hier der junge Ele- Musik: Klaus Lang Achtung: Anmeldung über IBS-Tele- ve Rudolf an der Stange die Kunst der Die Handlung ist durch eine Geschichte fon wegen BOB-Ticket hohen Arabesque. Doch schon auf den aus dem japanischen  eater angeregt. folgenden Seiten taucht der Leser – im- Samstag, 14. Juni 2008 23., 24. April, jeweils um 20 Uhr, 25. mer wieder aufgerüttelt durch treff end- Weßling – Grünsink – Steinebach – April um 19 Uhr, Reithalle Hechendorf tiefsinnige Zitate – ein in den Kosmos Hellhörig – Musik: Carola Bauckholt der Ballettsäle, Kulissen und internatio- Gehzeit ca. 3 ½ Std. Eine Klanginstallation aus Geräuschen Führung: John Cox Tel.: 089-3202368 nalen Bühnen, die für Nurejew die Welt der Natur, um aufzuzeigen, wie sich S5 Marienplatz ab 9.24 Uhr bedeuteten. Dazu gehören auch Szenen Räume durch Klänge verschieben. Weßling an 10.01 Uhr aus Nurejews buntem Partyleben, Situ- Einkehr: nach ca. 2 Std. bei „Raabe am ationen mit Kollegen und Journalisten 30. April, 2., 5. Mai, 20 Uhr, Muff athalle See“, Wörthsee oder intime Augenblicke am Schmink- Piero – Ende der Nacht Bis Bahnhof Steinebach ca. ½ Std. tisch bzw. bei der Arbeit. Nurejew war Musik: Jens Joneleit überzeugt: „In jeden Schritt muss man Eine ungewöhnliche Platzierung des Samstag, 5. Juli 2008 sein ganzes Herzblut hineinlegen.“ Ein- Publikums verspricht neue Klangerleb- Gauting – Leutstetten – Starnberg- nisse. geleitet von Vladimir Malakhov rundet Nord (S-Bahn) ein biografi scher Essay von Ana Veb- Gehzeit ca. 3 ½ Std. 22., 23. April, 20 Uhr, Akademietheater Führung: G. Ritz Tel.: 089-721 28 46 len das einfühlsam bis in die Jahre der Hin und weg – Vier Studierende der Krankheit führende Porträtbuch ab. S6 Marienplatz ab 9.30 Uhr Kompositionsklassen an der Hochschu- Gauting an 9.57 Uhr Vesna Mlakar le für Musik und  eater Hamburg und Einkehr: nach ca. 2 Std. in Leutstetten vier Regiestudenten der  eateraka- - Schlossgaststätte demie Hamburg beleuchten das Motto „Fremde Nähe“ der Biennale aus ganz Achtung: verschiedenen Blickwinkeln. Der Termin für die August- Wanderung wurde auf Samstag, den Weitere Informationen und das genau 16.08.2008 verlegt. Nähere Einzel- Programm entnehmen Sie bitte der heiten in der nächsten Ausgabe. offi ziellen Biennale-Broschüre, die bei allen Vorverkaufsstellen ausliegt. Jeder Teilnehmer unternimmt die Wan- derungen auf eigene Gefahr. Irgendeine Kartenvorverkauf: München Ticket, Tel. Haftung für Schäden wird nicht über- 0180-54 81 81 81 (0,14 €/Min), www. nommen. muenchenticket.de

11 OPERN-BESPRECHUNGEN

La Rondine von Giacomo Puccini in Landshut

m Ende von Puccinis La stellerisch – und Wiebke Renner Rondine stellten sich alle spielte ihre Naivität voll aus, dabei A die Frage, warum man sie zählte ihre gesangliche Leistung zu nicht öfter auf den internationa- den Höhepunkten dieses Abends. Für

len Spielplänen fi ndet? Der Inten- Litvai Peter Foto: den erkrankten Basil Coleman diri- dant des Landestheaters Nieder- gierte Assistent Vladislav Karklin sehr bayern Stefan Tilch hat ein Händ- sängerfreundlich und mit viel Gespür chen für Ausgrabungen, wie z. B. für den ganz besonderen Charakter Zandonais Francesca da Rimini. Die dieses Puccini-Stücks (das Puccini Handlung von La Rondine ist ein selbst übrigens in Richtung Rosenka- wunderbarer Schmachtfetzen und valier komponieren wollte, „nur un- wird von Tilch so überzeugend wie „Nebenpaar“ Prunier und Lisette terhaltsamer und mehr organisch“!). packend auf die Bühne gezaubert, dass Die weibliche Hauptrolle Magda wur- man gebannt der Szenerie folgt. Dieses de von der etwas grippegeschwächten Vor der Auff ührung gab es eine halb- Spätwerk Puccinis ist eine Mischung Yvonne Madrid mit makellosem So- stündige(!) Mitgliederversammlung aus Traviata, Louise und La Bohème. pran und sehr intensivem Spiel bestens der Freunde des Landshuter  eaters, Das Original-Libretto Die Schwalbe, gestaltet. Ihr Liebhaber,  omas Helm wo über deren Verdienste gesprochen ursprünglich ein Operettenauftrag für als Ruggero, überzeugte durchaus mit wurde: z. B. Anschaff ung der Übertite- Wien, verfassten Arthur Maria Will- seinem sehr deutschen Tenor, an den lungsanlage, Unterstützung der Mu- ner und Heinz Reichert. Der Inhalt italienischen Kantilenen sollte er noch sical-Produktionen, die nicht aus dem für „Ungeduldige“ liest sich im Pro- feilen. Das „Nebenpärchen“ Prunier normalen Etat bezahlt werden kön- grammheft so: „Große Oper triff t Ope- und Lisette begeisterte wahrlich. Oscar nen. Intendant Tilch revanchierte sich rette, Puccinis Kantilenen treff en auf Imhoff konnte bei der auf seinen Leib mit einem kostenlosen Opernabend Modetänze, eine Kurtisane triff t ein geschneiderten Charakterpartie mun- und gab Ausblicke auf die neue Saison. Landei, am Ende steht der Verzicht.“ ter drauf los legen – gesanglich wie dar- Monika Beyerle-Scheller

Die Pilger von Mekka von Christoph Willibald Gluck

nsgesamt gesehen hat uns wäre insofern interessant gewesen, die  eaterakademie schon als man dann einen besseren Ein- I mit vielen interessanten und druck des frühen Kompositionsstils auch schönen Arbeiten über- Glucks bekommen hätte. Dies wäre rascht. Da muss man wohl konzi- auch für die Sänger nur von Vorteil Foto: A. T. Schäfer T. A. Foto: dieren, dass auch mal was schief gewesen! Schade für das insgesamt gehen kann – und die letzte Pro- sehr gut aufspielende Münchener duktion Die Pilger von Mekka tat Kammerorchester unter der Lei- dies leider gründlich. Es lag in tung von Alexander Liebreich und erster Linie an der Regisseurin die Solisten aus verschiedenen Vera Nemirova, die diese Oper Musikhochschulen, wie Trossin- mit langen Sprechszenen zusätz- gen, Nürnberg-Augsburg und der lich aufgebläht hat; aber auch Verkleidungsfreudiger Männer-Club Bayerischen  eaterakademie. das Libretto ist ein wenig dürftig. Regie ab, und als dann auch noch die Wolfgang Scheller wohl heutzutage unvermeidbaren se- Bond-Spielort Bregenz Der Anfang war durchaus witzig, man xuellen Verrenkungen und Geräusche Bevor die Bregenzer Festspiele am 23. Juli fühlte sich an die Jugendzeit und einsetzten, war das Geschehen auf mit Puccinis Tosca starten, wird der Fest- Aufenthalte in der Jugendherberge der Bühne nur noch langweilig. spielort mitsamt Seebühne und Toscadar- stellerin zum Film-Set (Kinostart: 7. Nov.). erinnert oder an die aktuelle Jakobs- Aber auch Ernst Kreneks selten gespieltes weg-Hysterie durch Hape Kerkelings Nur die auf eine gute Stunde kompri- Hauptwerk Karl V. (Premiere: 24. Juli) Pilger-Episoden. Bald aber fl achte die mierte Musik, ohne Zwischentexte, lohnt eine Reise.

12 OPERN-BESPRECHUNGEN

Macbeth und Eugen Onegin in Ulm

nsere Frau Hessdörfer war für eine beeindruckende Königs- von Macbeth so begeistert, tafel. Er führt die Solisten und den U dass sie mich animierte, mit bestens disponierten Ulmer Chor ihr nochmals zu einer Regiearbeit des auf eine natürliche Art, sparsam, Ulmer Operndirektors Matthias Kai- aber sehr geschickt – da gibt es kei- ser zu fahren. Er versteht es, eine mo- nen störenden „Schnickschnack“. Hölting Carola Foto: derne Regiearbeit mit stringenter Per- Für ein Stadttheater-Niveau bietet Ulm wieder über- ragende Solisten: Am 24. Februar waren dies: Kwang- Keun-Lee als auftrump- Duellanten: Michael Burow-Geier und Marc Haff ner

Foto: Jochen Klenk Foto: fender, nicht-schwächlicher rätseln darf man über das Gremin- Macbeth mit belcantem Ver- Bild, wo der Chor eine Art angejahrte di-Bariton, Rúni Brattaberg als Beerdigungsgesellschaft darstellte Banquo, ein geschmeidig-tiefer und die Polonaise nur von zwei her- , um den jedes Haus froh anwachsenden Kindern ausgeführt wäre, sowie die beiden ordent- wurde – Trauernde tanzen nicht! lichen Tenöre Marc Haff ner Teufelsweib: Merav Barnea und Gerd Jaburek. Schwierig zu be- Um den zweiten Ulmer Bass Kakhaber sonenregie auf die Bühne zu bringen, setzen ist Lady Macbeth, hier Merav Tetvadze als Gremin wird das  eater si- das Werk verständlich zu erzählen und Barnea: sie hat eine weiche, dunkel cher beneidet: eine voluminöse schöne, nie im unästhetischen Bereich zu lan- timbrierte, das Haus leicht füllende warme Stimme. Die Titelpartie lag bei den. Bei Verdi erzählen die Hexen den Stimme, die fast zu schön ist, denn Tomász Kaluzny in guten Händen. Im Fortgang der Geschichte – dazu bringt wie schon Verdi forderte: „Die Stim- Zusammenspiel mit Marc Haff ner als er passend die spätere Pariser Fassung me der Lady muss teufl isch klingen“. Lenski wurde die Unterschiedlichkeit mit dem kompletten Ballett auf die der Charaktere äußerst deutlich. Die Bühne. Diese Hexen sind amazonen- n Tschaikowskys Eugen Onegin Tatjana wurde von Merav Barnea ge- hafte, langhaarige, weiblich-kraftvolle am 9. März dominierte ein Baum sungen, und sie hätte ihre Wandlungs- Wesen, die durch ausdrucksstarke Be- I (Bühne: Detlev Beaujean) die Büh- fähigkeit von der herrschsüchtigen wegungschoreografi e (Andris Plucis) ne – in den ersten Bildern mit buntem Lady in Macbeth zur liebenden jungen immer am Geschehen beteiligt sind, Laub, ab der Duell-Szene dann als Frau in Eugen Onegin nicht besser de- und zwangsläufi g „sägen“ sie am Ende verkohlter Baumstumpf, der zuletzt monstrieren können. Beide Opern bereits am  ron des neuen Königs. mit vielen Teelichtern geschmückt begleitete das sehr ambitionierte und den Gremin'schen Wintergarten ziert. gute Ulmer Orchester (in Eugen One- Gemeinsam mit Bühnenbildnerin Ma- Auch hier überzeugte eine gut geführ- gin angeleitet von Gordian Teupke). rianne Hollenstein versteht Kaiser es, te, natürliche, immer ästhetische Re- mit einfachen Mitteln Eff ekte zu erzie- gie sowohl für die Solisten als auch für Monika Beyerle-Scheller len, z. B. genügt ein großes rotes Tuch den sehr, sehr guten Chor. Ein wenig

Opern- & Kulturreisen – Monika Beyerle-Scheller – Tel. 08022-3649 – Email: [email protected] So. 20.4. Regensburg HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN (Off enbach) D: Raoul Grüneis; I: A. Brandt mit Katharina Leitgeb, Silvia Fichtl, Nachmittagsvorstellung, Fahrt: Bayernticket 01.-04.5. 4-Tage Wandern und mehr... Rund um Kempten 09.-10.5. Frankfurt Ausstellung der weiblichen Impressionisten, IL VIAGGIO A REIMS (Rossini), Zugfahrt, mit und ohne Übern. möglich 14.05. Augsburg (Hindemith) D: R. Piehlmayer, Ausstellung im Maximiliansmuseum: Das Zarensilber So. 25.05. Innsbruck SALOME (Strauss) WA I: Brigitte Fassbaender, Nachmittagsvorst. So. 01.06. Nürnberg (Wagner) D: Chr. Prick mit Vincke, Gabler, Jentjens, Bahnfahrt 09.-16.06. Musikreise ins Baltikum Anmeldung schnellstmöglichst erforderlich! So. 22.06. Andechs GOGGOLORI (Hiller) I: H. Matiasek, Fahrt mit MVV und Zubringerbus möglich 24.-28.05. Mailand LA TRAVIATA in der Scala, Besichtigungsprogramm und Vicenza 500 Jahre PALLADIO – der geniale Architekt (Weltkulturerbe) 17. 07. Immling COSÌ FAN TUTTE (Mozart) in dt. Sprache, D: Cornelia von Kerssenbrock

13 BUCH- und DVD-BESPRECHUNGEN

sche Rang, der den „Berlinern“ in Hit- Misha Aster: ler-Deutschland zukam, ist schon dar- „Das Reichsorchester“. an ersichtlich, dass sämtliche Musiker Die Berliner Philharmoniker und der bis Kriegsende „uk-gestellt“, also „un- Nationalsozialismus abkömmlich“ waren, d. h. selbst nach Siedler Verlag, München 2007 der Erklärung des „totalen Krieges“ 400 S., 21,95 € vom Fronteinsatz verschont blieben. ISBN 978-3-88680-876-2 Misha Aster spürt dieser zu Anfang ge- Enrique Sánchez Lansch: stellten Gretchen-Frage anhand bisher „Das Reichsorchester“. unveröff entlichter Akten ebenso nach Die Berliner Philharmoniker und der wie Enrique Sánchez Lansch („Rhythm Nationalsozialismus is it!“) in seiner gleichnamigen Film- 90 Min. + 10 Min. Bonus-Material doku „Das Reichsorchester“. Die dort Arthaus Musik 101 452, 1 DVD zu Wort kommenden ehemaligen Or- chestermitglieder verneinen es freilich Stiftung Berliner Philharmoniker vehement, je Teil eines Nazi-Orches- (Hrsg.): ters gewesen zu sein. Und welcher kommenden alten Männern eine sol- Variationen mit Orchester. 125 Jahre mit Unwissenheit über die damaligen che – psychologisch komplexe – Selbst- Berliner Philharmoniker atmosphärischen Befi ndlichkeiten erkenntnis erwarten, die die Grenzen Henschel Verlag, Berlin 2007 gesegnete Nachgeborene kann dem eines Dokumentarfi lms sicher tiefer Hauptband: 400 S., Supplement- schon widersprechen? Doch Skepsis ausloten würde, als es hier geschieht… band: 400 S., 39,90 € ist angebracht. Ja, Zweifel dürfen an- ISBN 978-3-89487-568-8 gemeldet werden, ob die im Film im- Ohne das gewiss dunkelste Kapitel in mer wieder thematisierte Fragestel- der Philharmoniker-Geschichte ver- Wer möchte schon die Frage beant- lung nicht grundsätzlich überdacht harmlosen zu wollen, muss der Hin- worten, ob die Berliner Philharmoni- werden muss: Was sollen Zahlen Er- weis gestattet sein, dass unter den ker, die in der NS-Zeit als „Reichsor- hellendes beitragen, wenn sich der verschiedenen Chefdirigenten künstle- chester“ fi rmierten, ein dezidiertes Zuschauer selbst zusammenrechnen rische Glanzleistungen erzielt wurden, Nazi-Orchester waren oder nicht?! kann, dass von den 120 Musikern wohl die ihresgleichen suchen. Pünktlich Tatsache ist, dass sich alliierten Ver- ein Großteil – ob nolens oder volens zum 125. Geburtstag hat das Orches- hörprotokollen zufolge nach dem 8. – NSDAP-Mitglieder waren, davon ter in zwei opulenten Bänden die bis- Mai 1945 – sieht man von der unver- aber „nur“ fünf „scharfe“ Nazis, der lang umfassendste Gesamtdarstellung besserlichen Winifred Wagner ab – so Rest als genuine Künstler unpolitisch. seiner selbst veröff entlicht: Mehr gut wie keine Nazis mehr in Deutsch- Unmittelbar nach Ende des 2. Welt- Berliner Philharmoniker war nie. re land befunden haben sollen. Die zuvor kriegs nahmen sich allerdings „aus „mannhaften“ Deutschen konnten Angst vor den Russen“ drei Musiker oder wollten inmitten selbstverschul- – teils mit ihren Familien – das Leben. Peter-André Alt: deter Trümmerhaufen keine Reue Klassische Endspiele. Das eater zeigen, weideten sich entweder in Ist es historisch oder gar moralisch Goethes und Schillers Selbstmitleid oder mussten zusehen, wirklich sinnvoll, nachträglich in C. H. Beck Verlag, München 2008 wie sie von Tag zu Tag über die Run- Quoten zu denken: hie 20% böse, da 310 S., 26,90 € den kamen. Unter den Mitgliedern des 80% gute Philharmoniker? Vielleicht ISBN 978-3-406-56929-6 Berliner Philharmonischen Orchesters stimmt die Quote 80:20 bei den „Ber- befanden sich zwar mehrere Parteige- linern“ sogar. Indes liegt der Verdacht Wer über Goethes und Schillers nossen, aber der vom Klangkörper im nahe, dass die Quotengrenze nicht zwi- Dramen alles zu wissen glaubt, wird Sommer 1945 vollzogene Selbstreini- schen einzelnen Instrumentalisten ver- hier gründlich ernüchtert. Schon im gungsprozess erstreckte sich nur auf läuft, sondern innerhalb der jeweiligen Vorwort weist der Autor Peter-André die „Überzeugungstäter“. Fünf Kolle- Personen – je nach Tagesbefi ndlichkeit. Alt – Professor für Neuere Deutsche gen, die sich durch ihre NS-Nähe allzu Wäre dies nicht realistischer bzw. käme Literatur an der Freien Universität Ber- sehr kompromittiert hatten, wurden der historischen Wahrheit näher?! lin – darauf hin, eine der wesentlichen ausgeschlossen. Der propagandisti- Aber soll man von den hier zu Wort Arbeitsgrundlagen der Literaturwis-

14 BUCH-BESPRECHUNGEN

senschaft bestehe in der Möglichkeit, geradezu magischen Auff ührungen auch über kanonische Texte Neues zu geworden sein und sich ihre eigenen Harald Eggebrecht: sagen. Und wie bewältigt dies Prof. Gedanken über das komplexe Persön- Große Cellisten Alt, der mit 48 Jahren noch zum Nach- lichkeitsbild des Dirigenten gemacht Piper Verlag, München 2007 wuchs seiner Zunft gehört? Er rückt haben. Er wollte so gar nicht in das – ge- 407 S., 24,90 € die  eaterstücke (von der Iphigenie wiss von Karajan geprägte – Klischee- ISBN 978-3-492-04669-5 über Torquato Tasso bis Faust I und II, Bild eines Pultstars in der zweiten von Don Karlos bis zur Wallenstein-Tri- Hälfte des 20. Jahrhunderts passen. Für das Problematischste an diesem logie) in die Nähe der Geschichtsphi- Dieser zwischen Privat-Biografi schem Buch dürfte Autor Harald Eggebrecht losophie um 1800, zeitgenössischen und Karrierestationen changierenden nicht verant-  eorien von Politik und Gesellschaft Spur folgt Alexander Werners fast 600 wortlich sein: sowie der historischen Psychologie der Seiten starkes Lebensbild mit einer den Schutz- Geschlechterverhältnisse. Die Stücke ungeheuren Informationsfülle. Der u m s c h l a g . werden somit – in dieser zwingenden Autor führte zahlreiche Gespräche Wenn eine Form erstmals – aus dem Gedanken- mit Kleiber-nahen Künstlern, deren junge, hüb- gut ihrer Entstehungszeit erklärt und markanteste Aussagen er unkommen- sche, blonde die Folgen, die dies mit sich bringt, tiert wiedergibt, und zitiert ebenso (Nachwuchs-) umrissen: Für die Weimarer Klassiker viele Kritiken. Dabei unterlässt er es K ü n s t l e r i n waren Trauer und Schönheit eben kei- jedoch, das auf diese Weise gewon- wie die char- ne Gegensätze wie für uns Nachgebo- nene neue Material auch auszuwerten, mant lächeln- rene, sondern zwei Seiten derselben eigene Schlüsse daraus zu ziehen, de Sol Ga- endspielartigen Medaille. Es bleibt nur die der Leser teilen kann oder nicht. betta gemeinsam mit Pablo Casals zu hoff en, dass dieses faszinierende Dem Eindruck, der Autor verstecke – glatzköpfi g und Pfeife rauchend Buch und die darin enthaltenen Er- sich hin- – auf dem Cover abgebildet ist und kenntnisse auch in die  eaterarbeit ter einer damit dem ersten wirklichen Cello- des einen oder anderen („radikalen“) Aneinan- Weltstar quasi gleichgestellt wird, mag Jungregisseurs einfl ießen. Das gegen- derreihung dies zwar werbewirksam sein, wirkt wärtig oftmals bei Schauspiel-Insze- von Fak- aber sonst geradezu despektierlich. nierungen zu erlebende „Braten im ten bzw. medialen Saft der eigenen Zeit“ könnte dem Urteil Im Innenteil weist der enorm kennt- dadurch nicht nur auf die Füße ge- a n d e r e r , nisreiche Verfasser dagegen zurecht stellt, sondern eine wirklich Erkennt- wird so mehrfach auf die Bedeutung der vi- nis stiftende Brücke zwischen Damals Vorschub suellen Komponente beim Cellospiel und Heute geschlagen werden. re geleistet. hin: Welche Haltung nimmt ein Solist Deswegen an seinem Instrument ein, wie „prä- Alexander Werner: ist die Lek- sentiert“ er sich vor, während und Carlos Kleiber. Eine Biografi e türe dieses Buches – seinem Standard- nach einem Konzert. Die Porträts der Schott Verlag, Mainz 2008 werk-Status zum Trotz – kein reines einzelnen Musikerpersönlichkeiten 590 S., 29,95 € Vergnügen. Wenn Carlos Kleiber in folgen gottlob keiner strengen Chro- ISBN 978-3-7957-0598-5 seiner Blütezeit die „Aura eines di- nologie, sondern dem schon in „Große rigierenden Märchenprinzen“ zu ei- Geiger“ von Eggebrecht erfolgreich „Unser Charakter ist unser Schicksal.“ gen war, möchte man beispielsweise erprobten Konzept, teils entfernte Diese weise Selbsterkenntnis aus dem gern Werners Meinung erfahren, ob Epochen einander gegenüberzustellen letzten Interview des genialen Schau- dies nicht der resignativen Verbitte- bzw. Korrespondenzen zwischen alten spielers Oskar Werner kann ohne Ab- rung und selbst gewählten Einsam- Meistern und jungen Artisten zu ver- striche auch für das seelenverwandte keit des alternden Musikers Vorschub deutlichen. Unter dem Leitmotiv „Was Musikgenie Carlos Kleiber gelten. Ob geleistet hat. Ein bisschen psycho- spielt wer wie?“ ist eine – von genauer beide – vom „Business“ ihrer Kunst- logisches Spekulieren hätte gewiss Kenntnis der umfangreichen Cello- sparten als Schwierige abgestempelt nichts geschadet. Denn sich selbst Diskografi e und unzähligen Besuchen – voneinander wussten oder sich je stets die nötigen Schlussfolgerungen einschlägiger Konzerte gespeiste – Ver- begegnet sind…? Viele von uns wer- zurecht zu legen, kann nicht die Auf- lebendigung entstanden, die „Große den noch selbst Zeugen von Kleibers gabe eines Biografi e-Lesers sein. re Cellisten“ (inkl. zweier Exkurse zu

15 BUCH-BESPRECHUNGEN

IBS Journal: Zeitschrift des Interessenvereins des Bayerischen Staatsopernpublikums e. V., Postfach 10 08 29, 80082 München

Violastars von einst und jetzt) zu einem hörende Szenen aus Postvertriebsstück, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt, B 9907 weiteren Standardwerk über die inter- Korngolds Haupt- nationale Streicher-Zunft des 20. und werk Das Wunder 21. Jahrhunderts aus der Experten- der Heliane (mit Feder Harald Eggebrechts macht. re Lotte Lehmann!) und seiner letzten Oper Die Kathrin, Michaela Feurstein-Prasser sondern auch Auf- und Michael Haas (Hrsg.): nahmen, bei denen Die Korngolds – Klischee, der berühmte Hol- Kritik und Komposition lywood-Filmkom- Jüdisches Museum der Stadt Wien, ponist Anfang der 1950er Jahre eige- Wien 2007 ne ernste Kompositionen am Klavier 212 S., 24,90 € spielt. re ISBN 978-3-901398-48-1

Philippe Olivier: Schlimmer noch als ein Musikkritiker in und Komponist in Personalunion muss Bayreuth von den Anfängen bis heute es sein, wenn sich diese beiden zuwi- Schott Verlag, Mainz 2007 derlaufenden Berufszweige auf Vater 272 S., 49,95 € und Sohn verteilen. Dass nicht nur das ISBN 978-3-7957-0594-7 Wunderkind Erich Wolfgang, sondern auch Julius Leopold (Hanslick-Nach- folger bei der Neuen Freien Presse) Dass sich an Wagners Nibelungen-Ring damit seine liebe Not hatte, verrät vieles ablesen lässt, fällt jedem auf, der eine Ausstellung, die unter dem Titel einmal hineingeschnuppert hat. An- „Die Korngolds – Klischee, Kritik und ders wären sowohl die unübersehbare Komposition“ noch bis zum 18. Mai Flut von Sekundärliteratur, die noch im Jüdischen Museum Wien zu sehen immer in der bewusst verstiegenen nismus des späten 20. Jahrhunderts ist. All‘ denen, die es nicht mehr in die juristischen Exegese Ernst von Piddes und der Globalisierungskritik der ak- österreichische Hauptstadt schaff en, („Richard Wagners Ring des Nibelun- tuellen Welt. aber nichtsdestoweniger in aller Kür- gen im Lichte des deutschen Straf- ze Substantielles über den „letzten rechts“) gipfelt, als auch die höchst Immer wieder haben sich – neben Mit- Melodiker“, seine couragierte Ehefrau unterschiedlichen Regiekonzepte seit gliedern der Familie Wagner selbst „Luzi“ und seinen dominanten Vater der zyklischen Urauff ührung 1876 – Regisseure der Herausforderung erfahren wollen, sei der vorzügliche, nicht erklärbar. Da tut es wohl, wenn gestellt, die politisch-gesellschaftlich- reich bebilderte Ausstellungskatalog der elsässische Schriftsteller, Fern- soziologischen Voraussetzungen ihrer empfohlen. Darin wird deutlich, wel- sehautor und Musikwissenschaftler Epoche in eine spezifi sche  eater- che Interessenskonfl ikte das immense Philippe Olivier ein scharf umris- ästhetik einzubinden und das ca. 15- Kompositionstalent des Sohnes einer- senes Schlaglicht einzig auf die 14 stündige Mammutwerk im Rahmen der seits und die intellektuell-journalisti- Bayreuther Ring-Inszenierungen wirft. jeweiligen technischen Möglichkeiten sche Brillanz des Kritiker-Vaters an- im Lauf von nur vier Auff ührungs- dererseits heraufbeschworen haben. Indem er das reichlich vorhandene und zwei Pausen-Tagen auf die Bret- Erich Wolfgang musste sich durch die Bild- und Textmaterial prägnant aus- ter des Festspielhauses zu wuchten. „leichte Muse“ – seine Operettenbe- wertet, nimmt er den Leser gleichsam „Hier schließ’ ich ein Geheimnis ein, arbeitungen und Filmmusiken – vom auf eine Zeitreise mit: vom deutschen da ruh’ es viele hundert Jahr, so- väterlichen Einfl uss freischwimmen. Kaiserreich, der Weimarer Republik, lange es verwahrt der Stein, macht dem sog. Dritten Reich, den Wirt- es der Welt sich off enbar.“ – textete Doch litt er später schwer darunter, schaftswunder-Jahren, der Bedrohung einst zur Grund- nicht mehr als seriöser Komponist der inneren Sicherheit der Bundesre- steinlegung. Damit ist alles gesagt. wahrgenommen zu werden. Die beige- publik durch die RAF, dem Blick auf Der vorliegende Prachtband bestätigt legte CD umfasst nicht nur selten zu den Osten Deutschlands, bis zum Zy- es. re

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