Die Entwickelungsgesehichte Der Flora Der Holländischen Dünen
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269 Die Entwickelungsgesehichte der Flora der holländischen Dünen. Von Jakob Jeswiet, Haarlem. Mit Tafel XIV bis XVI und 9 Abbildungen im Text. Einleitung. Die Existenz zweier Floren in den Dünen, einer Heideflora und einer echten Dünenflora, hat wiederholt die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen und mancherlei Erklärungsversuche veranlaßt. Der Geologe Staring (1856) war der erste, der sich darüber äußerte. Bei der Besprechung der Vegetation von Huisduinen sagt er, daß diese so viel Übereinstimmung mit derjenigen der dihrvielen Heiden im Osten des Landes zeigt, daß man sich dorthin versetzt glaube. In dieser Übereinstimmung sieht Staring einen Beweis für eine diluviale Natur dieses Bodens, auch von Texel und Ameland. Auch Kops (1798) hatte bereits mehrfach, so beim Besprechen des heutigen „Zwanewaters“ und der Dünen von Bergen, auf das Vorkommen der Hei de Vegetation hingewiesen. An anderen Stellen erwähnte er das Vorkommen und das Fehlen von Kalk, ohne aber den Zusammenhang zwischen diesem Faktor und der Dünenvegetation zu ahnen. Le FrancQ von Berkhey (1774) hatte drei Regionen nebst den sie charakterisierenden Floren unterschieden, aber seine Einteilung war eine topogra¬ phische, wodurch die Elemente der beiden Floren durcheinander gemischt erscheinen. A. P. de Candolle (1779) unterschied die ,,Dunes stables, Dunes mobiles, Dunes interieures, Dunes de sable, Vallons hu¬ mides, Valions secs, Bruyeres des Dunes“ etc. und sagt einmal ,,Convallaria Polygonatum dans les dunes posterieures de Haarlem; les dunes y sont plus consistantes que d’ordinaire“. Weiter „Erica tetralix dans les dunes interieures“. Keine der hinzugefügten Bemerkungen zeigt aber, daß die zwei Floren als solche seine Aufmerksamkeit erregt haben. Es ist vor allem van Eeden, welcher sich in seinen vielen, über die Dünenflora publizierten Arbeiten die Mühe gibt, den Unterschied der beiden Floren hervorzuheben. Auch er betrachtet 270 Je s w i e t, Entwickelungsgeschichte der Flora der holländischen Dünen. die Heidevegetation der Dünen als eine diluviale Flora und ver¬ sucht ihre Verbreitung darzustellen. Leider benützt er für die Erklärung der mit großer Klarheit beschriebenen tatsächlichen Verhältnisse eine durchaus nicht bestätigte Vorstellung über den Lauf des Rheins durch Nordholland und die Hypothese einer stellen weisen Verbreitung von diluvialen Böden, welche gleich¬ falls nicht bewiesen ist. Denn Lorie (1893) hat klar gezeigt, daß die Dünen zwischen Texel und Hoek van Holland überall auf alluvialen Sanden liegen und daß die Muschelbank unter ihnen verläuft. Auch hat er die Vermutung van Eeden’s über einen früheren Lauf des Rheins durch Nordholland als irrtümlich nachgewiesen. Flußsedimente sind in Nordholland gar nicht zu finden. Den Unterschied der Floren führt Lorie (1893) auf das Alter der Binnendünen und ihren Mangel an Kalk zurück. In den Binnendünen war seiner Ansicht nach im Lauf der Zeiten der Kalk ausgelaugt und hatte sich im Grundwasserniveau angesammelt. Auf diesen Unterschied im Kalkgehalt übe nur die Nähe des Meeres einen Einfluß aus. Wiewohl Lorie positive Daten für seine Behauptungen an¬ führt, finden wir bei Vuyck (1898) noch folgendes: „Die Dünen sind gebildet worden auf alluvialen Sedimenten, hier und da von diluvialen Hügeln unterbrochen ... Vielleicht hat man (neben geologischen Beweisen) eine noch schärfere Reaktion auf diese diluvialen Böden in der Vegetation; denn wo wir bei Loos- duinen, Schoorl, Bergen, Calluna, Erica usw. antreffen, da können wir wohl sicher auf einen diluvialen Boden schließen ... Es kommen einige Pflanzen vor, die einen mehr oder weniger diluvialen Charakter tragen .... Ich stelle mir vor, daß in den Dünenketten diluviale Hügel vorhanden sind .. Höchstwahrscheinlich sind hier und da die Flächen bis auf diese Diluvialhügel ausgeweht, wodurch die ursprüngliche Vegetation erhalten geblieben ist.“ Ich verlebte meine Kindheit in Haarlem, das in der Mitte der Dünenlandschaft liegt. Bei Spaziergängen wurde es mir ge¬ läufig, daß die Binnendünen vielfach große Bäume tragen, während die Außendünen nur spärlich bewachsen sind. Später lernte ich den Unterschied zwischen den Sanden der „Außendünen“ und der „Binnendünen“ kennen. Die ersteren lassen sich schwierig, die letzteren sehr gut für die Kultur benützen. Auch die beiden Floren haben stets meine Aufmerksamkeit erregt und anfangs war ich überzeugt, daß durch die von Lorie angegebenen Ursachen ihre Verschiedenheit vollkommen erklärt werden könne. Als ich mir dann aber die Aufgabe stellte, die Verbreitung dieser Floren genau zu verfolgen, ergab sich, daß die Flora der „Binnendünen“ sich wiederholt zwischen die Meeresdünen drängt, und daß sie sogar von Bergen bis Groet das Meer erreicht. Überall dort, wo Niederungen weit nach Westen Vordringen, werden sie durch diese Flora gekennzeichnet. Sobald ich dieses festgestellt hatte, fand ich an verschiedenen Stellen die Floren des kalkarmen und des kalkreichen Bodens keilförmig ineinander geschoben. Auch be- J e s w i e t, Entwickelungsgeschichte der Flora der holländischen Dünen. 271 obachtete ich, daß stellenweise auf den kalkarmen, meist niedrigen Dünen, kalkreiche Dünen mit der sie begleitenden Flora auf¬ gesetzt waren. Meine vorläufigen Untersuchungen über den Kalkgehalt zeigten dann bald, daß dessen Verteilung keine so einfache ist, wie es Lorie angegeben hat. Niemals fand ich eine langsame Zunahme, dagegen war stets da, wo die beiden Floren aneinander grenzten, ein ziemlich plötzlicher Unterschied von etwa 3 % an Kalk zu beobachten. Solche Unterschiede im Kalkgehalt wären noch erklärlich gewesen, wenn sie sich nur stellenweise gezeigt hätten. Ich fand sie jedoch an der ganzen Küste ausgeprägt. Dieses wies nicht allein auf einen Altersunterschied, sondern auch auf eine allgemeine Überschüttung aus dem Westen hin. Wieweit diese gegangen war, konnte ich vorläufig an dem stellenweise tiefen Eingreifen der „Außendünen'‘-Flora in die „Binnendünen“- Flora feststellen. In der Literatur fand ich über eine solche Transgression der Dünen und über ihr Alter wenig oder nichts Bestimmtes vor. Nur kleine, zerstreute Andeutungen in dieser Richtung waren vorhanden. Deshalb stellte ich mir als Aufgabe für die vorliegende Arbeit, die Faktoren, welche den Dünenboden und seine Flora so stark beeinflußt hatten, zu ermitteln. Daß meine Untersuchungen sich dadurch zunächst mehr auf geologischem, mineralogischem, chemischem und meteorologischem Gebiete bewegt haben als auf botanischem, ist leicht begreiflich. Ich habe das Gebiet von Helder bis Hoek van Holland be¬ handelt, und dabei einige Strecken ihrer Mächtigkeit wegen be¬ vorzugt. Einzelne Stellen, die ich sehr gerne besuchen wollte, waren leider nicht zugänglich und dadurch wird meine Arbeit hier und da Lücken aufweisen, wie z. B. bei Haag und zwischen Wyk aan Zee und Egmond. Doch glaube ich, daß es mir gelungen ist, die wesentlichsten Faktoren der eigentümlichen Floren¬ verteilung in unseren Dünen festzustellen und zu zeigen, daß die alte Dünenlandschaft in historischen Zeiten stellenweise, und namentlich in der Gegend von Zandvoort und Haarlem, von neuen Dünen überschüttet worden ist. Abschnitt I. Die Entwickelungsgeschichte der Dünenlandschaft. § 1. Geographische Verhältnisse. Die Dünenküste von Holland macht nur einen kleinen Teil der großen Dünenkette aus, welche — bei Calais in Nord¬ frankreich beginnend — von Südwesten nach Nordosten bis an die Insel V 1 i e 1 a n d läuft, dann östlich umbiegt, um endlich bei der Elbemündung bis zur dänischen Halbinsel Skailigen vor¬ zudringen. Im westlichen Teile schließen die Dünen unmittelbar an das hinterliegende Polderland an, im Norden bilden sie Inseln und sind einem Wattenmeer von sehr geringer Tiefe vorgelagert, 272 Jeswiet, Entwickelungsgeschichte der Flora der holländischen Dünen. hinter welchem Friesland und Groningen liegen. Zn diesem Meer gehört auch die Zuiderzee, ein großer Busen, welcher weit land¬ einwärts dringt und sehr seicht ist. Der holländische Teil dieser Dünenkette fängt in Zeeuwsch- Vlaanderen mit den Dünen von Cadzand an1). Diese sind ebenso alt, wie die so musterhaft und eingehend von Professor MASSART und seinen Schülern beschriebenen belgischen Dünen. Die Dünen¬ kette ist hier sehr schmal und wird von Deichen unterbrochen. Um das dahinterliegende Land besser zu sichern, liegt ein zweiter Deich weiter landeinwärts. Von Zeeuwsch-Vlaan deren bis Hoek van Holland ist die Dünenkette in Inseln aufgelöst. Hier münden die Flüsse Rhein, Maas und Schelde. Die Dünenreste auf diesen Inseln sind teils sehr neuen, teils älteren Ursprungs. Weil das Meer in dieser Inselgruppe öfters große Verheerungen anrichtete, war es die Aufgabe der Menschen, diesen Feind zu bewältigen. Während dieses Kampfes und auch jetzt noch änderte sich die Form der Inselgruppe Zeelands und Südhollands unauf¬ hörlich. Fortwährend werden Teile von Meeresarmen und Flu߬ mündungen trocken gelegt und als fruchtbarer Boden dem Lande zugefügt, während die hohen Sturmfluten dann und wann Deiche durchbrechen und das hinter ihnen liegende Land überschwemmen. Wo ein natürlicher Schutz gegen das Meer vorhanden war, wie z. B. die Dünen, hat man sie deshalb möglichst zu sichern und ihr Wachstum zu fördern gesucht. Schon zur Römerzeit war die Dünengegend der heutigen Insel Walcheren bewohnt und bei Domburg sieht man bei sehr niedrigem Wasserstand im Meere öfter die Reste eines alten Tem¬ pels, des Nehallenniatempels. Darin gefundene Münzen trugen die Jahreszahlen 267 und 270 n. Chr. (Staring 1856). Im Jahre 1430 waren dort die Dünen fast ganz durch den Wellen¬