Deutsche NS-Prozesse – Beiträge, Heft 9 3

Schuldig. NS-Verbrechen vor deutschen Gerichten Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland

Heft 9

Edition Temmen Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

Herausgeberin: KZ-Gedenkstätte Neuengamme Jean-Dolidier-Weg 75, 21039 Tel.: +49 40 428131-03, Fax: 428131-525 www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de [email protected]

Redaktion: Herbert Diercks (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) Simone Erpel (KZ-Gedenkstätte Ravensbrück) Insa Eschebach (KZ-Gedenkstätte Ravensbrück) Claus Füllberg-Stolberg (Universität Hannover) Detlef Garbe (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) Sigrid Jacobeit (Fürstenberg a. d. Havel) Hermann Kaienburg (Hamburg) Habbo Knoch (Universität Göttingen) Reimer Möller (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) Thomas Rahe (Gedenkstätte Bergen-Belsen) Stefanie Stein (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) Jens-Christian Wagner (KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora) Christl Wickert (FU Berlin)

Schwerpunktthemen der nächsten Hefte: Heft 10: Bemühungen, KZ-Häftlinge zu retten Heft 11: Internierungslager

Anregungen, Kritik, Hinweise auf Neuerscheinungen und andere Informationen sowie Beitragsvorschläge für die nächsten Hefte nimmt die Redaktion dankbar entgegen. Ein Merkblatt zur Abfassung von Texten ist bei der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erhältlich.

Umschlag: Wolfgang Wiedey Titelabbildung: Titelblatt der Illustrierten »Quick« vom 23. März 1952. Quelle: Staatsbibliothek Hamburg. Rechte beim Heinrich Bauer Verlag.

Einzelbestellung: 12,90 EUR; 23,50 CHF Abonnementbestellungen bitte an den Verlag

© 2005 für die Ausgabe: Edition Temmen Hohenlohestraße 21, 28209 Bremen Tel.: +49-421-34843-0, Fax: +49-421-348094 Herstellung: Edition Temmen ISBN 3-86108-081-8 Inhalt Editorial...... 7 Oliver von Wrochem: Nationalsozialistische Verbrechen vor Gericht – eine Ortsbestimmung...... 9

Hauptteil Claudia Fröhlich: Der Braunschweiger Remer-Prozess 1952. Zum Umgang mit dem Widerstand gegen den NS-Staat in der frühen Bundesrepublik...... 17 Georg Wamhof: »Aussagen sind gut, aber Auftreten als Zeuge nicht möglich.« Die Rechtshilfe der DDR im Mittelbau-Dora-Verfahren (1962–1970)...... 29 Annette Weinke: »Verteidigen tue ich schon recht gern …« Friedrich Karl Kaul und die westdeutschen NS-Prozesse der 1960er-Jahre ...... 44 Sabine Homann-Engel: »Und am Schluß kommt ein Freispruch raus.« Ermittlungs- und Strafverfahren gegen SS-Angehörige des KZ Neuengamme in Hamburg ...... 58 Jochen Kuhlmann: Ermittlungen zu NS-Gewaltverbrechen. Tätigkeitsbericht eines Dezernenten der Hamburger Staatsanwaltschaft ...... 66 Elissa Mailänder Koslov: Der Düsseldorfer Majdanek-Prozess (1975–1981): Ein Wettlauf mit der Zeit? ...... 74 Irmtraud Heike: Ehemalige KZ-Aufseherinnen in westdeutschen Strafverfahren...... 89

Dokumentation Herbert Diercks: Gesucht wird: Dr. Kurt Heißmeyer...... 102 Hans Ellger: Die Belegung der Frauenaußenlager des KZ Neuengamme: eine Chronologie ...... 116

Meldungen Gedenkstätten...... 135 Zeitspuren: Die neuen Ausstellungen in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme »Im Gefolge der SS: Aufseherinnen des Frauen-KZ Ravensbrück«. Zur neuen Dauerausstellung der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück Museum Mittelbau-Dora: Zur Neukonzeption der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora und der geplanten Dauerausstellung Gedenktafel in Burgwedel erinnert an ermordete Teilnehmer eines KZ-Räumungsmarsches aus Hannover »Stiftung Lager Sandbostel« – Einigung über die Errichtung einer Gedenkstätte auf dem historischen Lagergelände Verfolgtenverbände und Gedenkstätteninitiativen ...... 154 Joop van Vonderen (* 8.9.1921, † 11.12.2004) Deutsche NS-Prozesse – Beiträge, Heft 9 17

Claudia Fröhlich Der Braunschweiger Remer-Prozess 1952. Zum Umgang mit dem Widerstand gegen den NS-Staat in der frühen Bundesrepublik

»Vor dem Oberlandesgericht in der Braun- von Stauffenberg, Hitler im Führerhauptquar- schweiger Münzstraße stand an jedem Ver- tier »Wolfsschanze« durch einen Sprengstoff- handlungstag schon eine Stunde vor Saalöff- anschlag zu töten, Verrat gewesen sei. Die »Wi- nung eine lange, dicke Menschenschlange. derstandskämpfer vom 20. Juli 1944 [seien] in Die Einlaßkarten waren begehrt. Der Wieder- sehr starkem Maße Landesverräter gewesen aufbau des Gebäudes ist noch nicht beendet. […], die vom Ausland bezahlt wurden«. Re- Während im breiten, hellen Sitzungssaal die mer habe gesagt, es werde »einmal die Zeit Zeugen und Sachverständigen ihre Aussagen kommen, in der man schamhaft verschweige, ins Mikrophon machten, dröhnten draußen vor daß man zum 20. Juli 1944 gehört habe.«3 der Tür die Hammerschläge.«1 Sichtlich beein- Die Parolen Remers führten zum Erfolg. Die druckt vom großen Interesse der Öffentlichkeit SRP gewann bei der Landtagswahl in Nieder- berichtet der Journalist Guido Zöller am 14. sachsen elf Prozent der Stimmen und zog als März 1952 in der Rhein-Neckar-Zeitung über Fraktion in den Landtag ein.4 Der Wahlerfolg den Braunschweiger Remer-Prozeß. Zöller ge- der als Nachfolgepartei der NSDAP gegründe- hörte zu den mehr als 70 aus Westdeutschland ten Partei wies auf ein Wählerpotenzial in der und dem Ausland angereisten Prozessbeobach- westdeutschen Gesellschaft hin, das Anfang tern, die Anfang März 1952 in Braunschweig der 1950er-Jahre für neofaschistische Ideolo- ein Verfahren miterlebten, das heute als »be- gie und Programmatik zu gewinnen war und deutendster Prozess mit politischem Hinter- das die anderen Parteien nicht integrieren und grund seit den Nürnberger-Kriegsverbrecher- marginalisieren konnten.5 Nachdem die CDU prozessen und vor dem Frankfurter Auschwitz- und die Deutsche Partei (DP) in Niedersach- prozess« gilt.2 sen sogar Koalitionsverhandlungen mit der Die Vorgeschichte des Verfahrens reicht in rechtsextremen Partei aufgenommen hatten den Frühsommer 1951 zurück. Als Mitglied und deutlich wurde, dass »antifaschistische des Vorstandes der im Oktober 1949 gegründe- Motive im bürgerlichen Spektrum des Partei- ten rechtsextremen Sozialistischen Reichspar- ensystems« hinter dem Interesse, die SPD von tei (SRP) war im Wahlkampf der Regierung auszuschließen, zurückstehen seiner Partei anlässlich der für den 6. Mai 1951 konnten6, schrieb Claus Jacobi im Sommer angesetzten niedersächsischen Landtagswahl 1951 anlässlich des 7. Jahrestages des 20. Juli aufgetreten. Am 5. Mai, einen Tag vor der in der »Zeit«: »Sieben Jahre ist es jetzt her […] Landtagswahl, berichtete die »Frankfurter und die ›Verräter‹ von damals gelten beinahe Allgemeine Zeitung« von einer Veranstaltung schon wieder als ›Verräter‹. Vergessen sind der SRP, zu der sich mehr als 1000 Interes- die Zeiten, da das Leben und der Tod dieser sierte im Schützenhaus in Braunschweig ver- [Widerstandskämpfer] vereinsamt […] einem sammelt hatten. Unter der Überschrift »Remer unermeßlichen Schuldkonto gegenüber[stand]. greift Widerstandskämpfer an« referierte die In Deutschland geht es wieder aufwärts. Der »Frankfurter Allgemeine Zeitung« die Rede Neonazismus marschiert. […] Wenn diese Ent- von Remer, wonach der Widerstand vom 20. wicklung weitergeht, werden die Überlebenden Juli 1944, der Versuch von Claus Graf Schenk des 20. Juli spätestens den zehnten Jahrestag 18 Fröhlich: Der Braunschweiger Remer-Prozess 1952 ihres Aufstandes gegen die Diktatur als Emi- me des Widerstands vom 20. Juli 1944 als granten im Ausland erleben. […] Wenn [die nationaler Freiheitsbewegung den Anspruch Neonazis] das Spiel noch einmal gewinnen der Bundesrepublik auf Souveränität begrün- sollten, […) dann könnte mancher Deutsche det. Diese geschichtspolitische Deutung des mit Bitterkeit sagen, es lohne sich nicht mehr, Widerstands im Sinne einer nationalen, frei- in diesem Lande zu leben.«7 heitlichen Tradition fiel aber mit einer ambi- Auch der Innenminister der Bundesrepu- valenten Haltung der Bevölkerung und einer blik, Robert Lehr, fühlte sich als ehemaliger weit verbreiteten Auffassung zusammen, der Angehöriger des Widerstands durch Remers Widerstand der Männer um Stauffenberg sei »Mißachtung gegenüber den Widerstands- durch kein Recht legitimiert gewesen.9 Auch kämpfern« beleidigt.8 Im Juni 1951 stellte Theodor Heuss etwa riet Angehörigen davon er beim zuständigen Landgericht in Braun- ab, wegen der Verleumdungen der Wider- schweig Strafantrag. standskämpfer Gerichtsverfahren anzustren- Eine Analyse des an nur vier Tagen verhan- gen. Die Justiz sei, so argumentierte der Bun- delten Prozesses gegen Remer und der öffentli- despräsident, »für solche Geschichtsurteile, die chen Wahrnehmung des Verfahrens erhellt die keine Gerichtsurteile sind, unzuständig.«10 Das Anfang der 1950er-Jahre wirksamen und im fehlende Bewusstsein von der Legitimität des Folgenden exemplarisch zu rekonstruierenden Widerstands war auch Folge der bis 1951 eta- Kommunikationszusammenhänge und histori- blierten westdeutschen Judikatur. schen Rahmenbedingungen für die Auseinan- Richtungsweisend hatte ein Verfahren ge- dersetzung der westdeutschen Gesellschaft mit wirkt, das zwei Jahre vor dem Remer-Prozess dem Widerstand gegen den NS-Unrechtsstaat. in der politischen und publizistischen Öffent- Guido Zöller beschrieb in seinem eingangs zi- lichkeit für viel Aufsehen gesorgt hatte. Im tierten Prozessbericht treffend, dass die west- Februar 1950 hatte eine Gericht Wolfgang deutsche Gesellschaft mit dem Wiederaufbau Hedler, Abgeordneter der Deutschen Partei der durch den Krieg zerstörten Städte beschäf- (DP) im Bundestag, vom Vorwurf der Ver- tigt war. Der Prozess gegen Otto Ernst Remer leumdung von Widerstandskämpfern freige- aber machte klar, dass auch die Realisierung sprochen.11 Brisant war die Bemerkung des der mit dem Grundgesetz formal institutiona- Richters gewesen, Hedler habe wohl in einer lisierten demokratischen Ordnung auf der po- Rede eine nachträgliche Überbewertung der litischen und juristischen Agenda stand. Widerstandskämpfer kritisiert. Dabei habe es sich aber um die politische Meinung des Abge- Delegitimierung von Widerstand in ordneten gehandelt, über die das Gericht eben- der frühen Bundesrepublik so wenig zu urteilen habe wie über die Wider- standskämpfer. Nach dem Freispruch Hedlers Remers Äußerungen markierten im Frühsom- lautete die Frage, ob die Verleumdung des mer 1951 nur einen Höhepunkt einer im öf- Widerstands als Meinungsfreiheit strafrecht- fentlichen und juristischen Diskurs wirksa- lich als unbedenklich zu qualifizieren und die men Delegitimierung des Widerstands gegen Position der Gegner des NS-Unrechtsregimes das NS-Unrechtsregime. Unter den politischen damit als eine mögliche politische Haltung ne- Rahmenbedingungen des Kalten Krieges hat- ben anderen zu bewerten sei oder ob »den Op- ten westdeutsche Politiker den 20. Juli 1944 fern und Gegnern des Naziterrors« hier nicht, zwar genutzt, um den Vorwurf einer Kollek- wie Erich Ollenhauer (SPD) hervorhob, »ihr tivschuld der Deutschen zu entkräften, und Recht verweigert worden«12 sei? Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte ge- Nur ein Jahr später, im Februar 1951, genüber den westlichen Besatzungsmächten hatte das Landgericht München zudem Wal- mit einer geschichtspolitischen Indienstnah- ter Huppenkothen vom Vorwurf der Beihilfe Beiträge, Heft 9 19 zum Mord freigesprochen. Der Jurist Huppen- Ende September 1951 teilte er dem Bundes- kothen hatte im April 1945 als »Anklagevertre- innenminister mit, dass eine »Erhebung der ter« in den Konzentrationslagern Sachsenhau- öffentlichen Klage auf Grund [von Lehrs] sen und Flossenbürg an Standgerichtsverfah- Strafantrag keine Aussicht auf einen sicheren ren gegen Hans von Dohnanyi, Dietrich Bon- Erfolg« habe.18 Erst nachdem Generalstaatsan- hoeffer, Wilhelm Canaris, Hans Oster, Ludwig walt Fritz Bauer den Bericht des Oberstaatsan- Gehre und Karl Sack teilgenommen, in denen walts wenige Tage später zur Kenntnis nahm die Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt und mehrere Wochen lang mit ihm den Fall worden waren. Das Landgericht München I Remer diskutierte, vermerkte Topf handschrift- sprach Huppenkothen mit der Begründung frei, lich, Otto Ernst Remer werde nun auf Weisung die Taten aller sechs Widerstandskämpfer hät- des Generalstaatsanwalts angeklagt.19 ten nach damaligem Recht den Tatbestand des 13 Hoch- und Landesverrats erfüllt. Der Fall Remer wird zum Fall Topf Noch im selben Jahr stellte auch ein Lüne- burger Untersuchungsrichter ein Ermittlungs- Noch bevor der Prozess gegen Remer in Braun- verfahren gegen Manfred Roeder ein, der als schweig verhandelt wurde, wurde Staatsanwalt Ankläger beim Reichskriegsgericht die Unter- Erich Günther Topf mit Wirkung vom 1. No- suchung und Anklage gegen die Mitglieder der vember 1951 nach Lüneburg abgeordnet. Kurz »Roten Kapelle« sowie die Untersuchung ge- nach Amtsantritt unterzeichnete er hier den gen Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohn- oben bereits erwähnten Einstellungsbeschluss anyi geleitet hatte.14 Der Prozess gegen die im Ermittlungsverfahren gegen Manfred Roe- Mitglieder der »Roten Kapelle« sei kein Ver- der und ein Blick auf die berufliche Laufbahn brechen gegen die Menschlichkeit gewesen, des Staatsanwalts spiegelt beispielhaft eine weil nach der damaligen Gesetzeslage Recht Dominanz früherer Träger des NS-Systems gesprochen worden und ihr Verhalten als Lan- bei der Zurückweisung des Widerstandsrechts desverrat mit dem Tode zu bestrafen gewesen durch die Justiz in der Bundesrepublik. sei.15 Die Ermordung der Widerstandskämp- Erich Günther Topf war nach dem Studi- fer wurde von dem zuständigen Lüneburger um der Rechtswissenschaft und der Promotion Staatsanwalt nicht als unrechtmäßiger Akt von 1930 bis 1935 als Gerichtsassessor bei den nationalsozialistischer Repression gedeutet, Staatsanwaltschaften in , Torgau, Magde- sondern als Folge des von den Widerstands- burg, Naumburg, Halle, Kiel und Königsberg kämpfern begangenen »Landesverrats«.16 und bis 1939 bei der Staatsanwaltschaft in Kiel Der Staatsanwalt ging davon aus, dass durch tätig. In den 1940er-Jahren hatte er als Oberre- Bonhoeffer und von Dohnanyi und von »der gierungsrat beim Preiskommissar und der Lan- Gruppe des 20. Juli in umfassendem Maße desregierung Sachsen-Anhalt gearbeitet, seit Landesverrat und Spionage betrieben worden 1938 war er Mitglied der NSDAP und Mitte ist«. Die Militäropposition habe ein »unge- der 1930er-Jahre war er u. a. dem Reichsbund heures Maß an Schuld auf sich genommen. der Deutschen Beamten beigetreten. Drei Jah- […] Blut deutscher Soldaten« sei »unnütz und re lang, von 1936 bis 1939, war er Sturmmann unschuldig durch ihre Verratshandlungen ge- bzw. Rottenführer der SA. Seine Überprüfung flossen«. Schließlich kam der Staatsanwalt zu durch die Entnazifizierung wurde im Juni 1947 dem Ergebnis, es habe »für das Flossenbürger mit der Einstufung in Gruppe V abgeschlossen. Standgericht keine andere Möglichkeit als das Topf galt als »Entlasteter«. Im Juli 1947 trat er Todesurteil« gegeben.17 seinen Dienst als Staatsanwalt in Kiel an, zu- Auch der für die Ermittlung gegen Remer nächst auf Widerruf und seit April 1948 als Ers- zuständige Staatsanwalt, Erich Günther Topf, ter Staatsanwalt. Seit 1. März 1949 war er dann lehnte die Eröffnung eines Strafverfahrens ab. als Oberstaatsanwalt in Braunschweig tätig.20 20 Fröhlich: Der Braunschweiger Remer-Prozess 1952

Das Zonal Office of the Legal Adviser in Topf zeigt aber exemplarisch die Auswirkun- Herford stand noch im Februar 1949 seiner gen der in der frühen Bundesrepublik vollzo- Einstellung als Oberstaatsanwalt in Braun- genen personellen Restauration auf das sich schweig ablehnend gegenüber: »Wir haben entwickelnde demokratische und rechtsstaat- außerordentliche Bedenken, der Ernennung liche Normgefüge. Dr. Erich Topfs zum Oberstaatsanwalt beim Landgericht Braunschweig zuzustimmen. Er Fritz Bauer initiiert einen Prozess um war Parteimitglied von 1937 und Rottenführer den 20. Juli 1944 in der SA. Wir sind der Auffassung, daß wegen der besonderen Stellung der Staatsanwaltschaft Mit Fritz Bauer übernahm ein Jurist die Ankla- in Braunschweig und wegen der dort beste- ge im Prozess gegen Remer, der jener Minder- henden höchst unbefriedigenden Zustände, da- heit der Verfolgten des NS-Unrechtsregimes selbst nicht nur ein energischer und tüchtiger angehörte, die nach dessen Kapitulation nach Oberstaatsanwalt benötigt wird, sondern auch Westdeutschland zurückkehren konnte. ein Mann mit völlig einwandfreien politischen 1903 in Stuttgart geboren hatte Bauer in Papieren.« Der Legal Adviser to the Regional den 1920er-Jahren in Heidelberg, München Commissioner des Landes Niedersachsen war und Tübingen Rechtswissenschaft studiert. der gleichen Ansicht und wies darauf hin, dass 1930 war er in den württembergischen Justiz- annähernd 1/3 der unter die Verordnung Nr. 41 dienst eingetreten. Als Vorsitzender der Orts- fallenden Stellen seines Landes mit früheren gruppe Stuttgart des »Reichsbanners Schwarz- Parteimitgliedern besetzt seien: »Das ist ein Rot-Gold« und als Mitbegründer des »Repu- düsteres Bild.«21 In der britischen Besatzungs- blikanischen Richterbundes« in Württemberg zone, in der der Gerichtsbezirk Braunschweig hatte er sich für die Realisierung der demo- lag, waren so viele Juristen, die zur ehemali- kratischen Ordnung engagiert und war damit gen Interpretationselite des Nationalsozialis- unter den Juristen der Weimarer Republik ein mus zählten, in den Justizdienst zurückgekehrt, Außenseiter gewesen. Der Jude und Sozialde- dass das zuständige Ministerium bemerkte, mokrat wurde im Mai 1933 von der Gestapo »die personelle Besetzung der Gerichte im verhaftet, aus dem Staatsdienst entlassen und Jahre 1949 [bietet] äußerlich im wesentlichen in einem Konzentrationslager inhaftiert. Bauer genau das gleiche Bild […] wie im Jahre 1945 konnte später emigrieren. Im dänischen und vor dem Zusammenbruch.«22 Nachdem sich schwedischen Exil galt er als Integrationsfigur aber der Generalstaatsanwalt von Kiel beim für sozialdemokratische und kommunistische Zentral-Justizamt für Topfs Wiedereinstellung Flüchtlinge. Er hatte sich in Stockholm der eingesetzt, Topf Fürsprache aus dem Justizmi- »Sozialdemokratischen Partei Deutschlands nisterium von Schleswig-Holstein erhalten und im Exil« angeschlossen und gemeinsam mit er selbst beim Zentral-Justizamt in Hamburg Willy Brandt die Exil-Zeitung »Sozialistische vorgesprochen und dargelegt hatte, dass seine Tribüne« gegründet.23 Im November 1948 NSDAP-Mitgliedschaft eine rein nominelle ge- hatte sich Bauer um Wiedereinstellung in den wesen sei, kam das Zonal Office of the Legal Justizdienst beworben und kehrte als Landge- Adviser nur zwölf Tage später, am 16. Februar richtsdirektor in Braunschweig nach Deutsch- 1949, zu einer nun wesentlich günstigeren Ein- land zurück. schätzung. Topfs Einstellung als Oberstaats- Schon vor Eröffnung der Verhandlung ge- anwalt in Braunschweig stand nichts mehr im gen Remer hatte Bauer gegenüber der Presse Wege. Zwar war das Personal in Verwaltung, erklärt, der Fall Remer sei für die Staatsan- Justiz und später im Militär gezwungen, die waltschaft ein »Anlaß«, »die Geschichte und demokratische Ordnung der Bundesrepublik Problematik des 20. Juli 1944 zu klären.«24 formal anzuerkennen. Der Fall Erich Günther Vor dem Hintergrund der skizzierten weit- Beiträge, Heft 9 21 reichenden Delegitimierung von Widerstand Bürger hat das Recht, seine eigene Mensch- initiierte Bauer einen Prozess »nicht nur um lichkeit und die seiner Mitmenschen zu ver- des Andenkens der Männer und Frauen willen, teidigen. Er hat ein Widerstandsrecht. die für die Erhaltung der Menschenrechte in Im Verfahren gegen Remer musste Fritz den Tod gegangen waren, sondern vor allem, Bauer diese Rechtsauffassung konkretisieren. um das Widerstandsrecht, das in der deutschen Etwa als die Prozessparteien diskutierten, ob Rechtslehre und Praxis völlig verkümmert und den Männern um Stauffenberg Widerstand in das Raritätenkabinett der Rechtsgeschichte nicht schon deshalb verboten war, weil sie als verbannt war, erneut zu sanktionieren.«25 Es Soldaten der Wehrmacht einen Eid auf Hitler war so ganz im Sinne Bauers, dass die Presse geschworen hatten. Im Kontext der strittigen im Frühjahr 1952 nahezu bundesweit das Ver- Wiederbewaffnung des Bundesrepublik hatte fahren gegen Remer als Prozess um den 20. diese Frage eine enorme politische Bedeu- Juli ankündigte.26 tung. Um die Legitimität des Widerstands zum Die Rechtsanwälte von Remer, Josef Weha- Gegenstand des Verfahrens machen und nach- ge und Erwin Noack, stützten die Verteidigung weisen zu können, klagte Bauer Remer auf auf eine damals gängige Argumentation: Die der Grundlage von § 186 StGB wegen »übler Angehörigen der Wehrmacht hätten einen Eid Nachrede« an. Im Unterschied zu einer »ein- auf Hitler geleistet und diesen Eid zu brechen fachen Beleidigung« beruht ihre Strafbarkeit sei Verrat. Um ihrer Rechtsauffassung Geltung darauf, dass der Wahrheitsgehalt der vom zu verschaffen, beantragten die Rechtsanwälte Angeklagten geäußerten Behauptung geprüft am zweiten Prozesstag die Anhörung von Ge- werden muss. Um eine Verurteilung Remers zu neralfeldmarschall a. D. Erich von Manstein erreichen, musste die Staatsanwaltschaft dem- und Generalfeldmarschall a. D. Albert Kes- nach darlegen, dass die Männer um Stauffen- selring als Zeugen zur »Bedeutung und Trag- berg entgegen der Behauptung Remers keine weite des Soldateneides«.29 Kesselring und von Landesverräter waren, sondern das Recht hat- Manstein waren in Verfahren britischer Mili- ten, gegen den NS-Staat Widerstand zu leisten. tärgerichte wegen Kriegsverbrechen verurteilt Im März 1952 musste nun das Braunschweiger worden und zu dieser Zeit im Kriegsverbre- Gericht »in die geschichtliche Sachlage ein- chergefängnis in Werl inhaftiert.30 Dennoch dringen und also auch die Widerstandskämpfer vertraute die Verteidigung auf die Reputation beurteilen«, wie Dolf Sternberger schon zwei der ehemaligen militärischen Elite des NS- Jahre zuvor, im Zusammenhang mit dem Fall Systems. Bundeskanzler Adenauer etwa hat- Hedler, gefordert hatte.27 te sich, obwohl von Manstein im Dezember Die Basis für die von Bauer konstatierte 1949 verurteilt worden war, »den Völkermord Legitimität des Widerstands bildete die Qua- mitgetragen zu haben«31, für eine Reduzierung lifizierung des NS-Staates als Unrechtsstaat.28 der Strafe eingesetzt und während seiner ers- Fritz Bauer entzog dem NS-Staat daneben sei- ten Reise nach Großbritannien im Dezember ne Geltung und legitimierte ein Widerstands- 1951 hatte er sich für von Manstein und Kes- recht gegen ihn, indem er im Anschluss an das selring engagiert.32 Auch der sozialdemokra- von Gustav Radbruch in den 1930er-Jahren als tische Bundestagsabgeordnete Hans Merten Wesensmerkmal von Recht begründete Prinzip bewertete den Prozess gegen von Manstein in des Relativismus eine »Ethik des Pluralismus« einer Sitzung des Bundestags im September und eine gegebene Pluralität menschlicher Le- 1952 unwidersprochen als Siegerjustiz.33 Und bensformen als Bezugspunkt von Recht und schon 1950 hatte Paul Sethe die Inhaftierung Politik begründete. Sobald ein Staat diese der ehemaligen Militärs im Kontext der offe- Rechtsprinzipien einschränkt oder aufhebt, nen Wiederbewaffnungsfrage in der »Frank- wird ein Menschenrecht verletzt und jeder furter Allgemeinen Zeitung«. kritisiert: »Was 22 Fröhlich: Der Braunschweiger Remer-Prozess 1952 soll eine deutsche Kompanie denken, die an Realisierung demokratischer Prinzipien aner- den Mauern von Landsberg vorbeimarschiert, kannt werden, weil jeder Protest gegen eine wenn solche Männer [wie die ehemaligen An- Diktatur die politische Idee spiegelt, dass die gehörigen der Wehrmacht] dahinter sitzen?«34 Staatsgewalt vom Volk und nicht von einer Das Bild der jungen Soldaten, die an den Fens- Autorität ausgeht. tern der Gefängnisse in Landsberg und Werl Zentraler Bestandteil der Prozessführung vorbeimarschieren, wurde zu einer – auch von von Fritz Bauer war die Ladung von Gutach- Politikern – oft herangezogenen Metapher, tern,39 am ersten Prozesstag hörte das Gericht die die westdeutsche Position auf den Punkt das moraltheologische Gutachten des katho- brachte: Die ehemaligen Militärs gehörten lischen Theologen Rupert Angermair. Anger- nicht zu den, um in Adenauers Terminologie mair begründete die Rechtsauffassung zur zu sprechen, »wirklich Schuldigen«.35 Die Hal- Unsittlichkeit des Soldateneides aus katholi- tung der politischen und publizistischen Öf- scher Perspektive. Als wesentliches Merkmal fentlichkeit schien also für die Strategie der des weltlichen, bürgerlichen und religiösen Ei- Verteidigung im Remer-Prozess zu sprechen, des beschrieb er die »menschliche […] Treue- auf die Überzeugungskraft von von Manstein bindung«, die »jedem Staat die letzte zusam- und Kesselring zu setzen, um das Handeln der menhaltende sittliche Kraft«40 verleihe. Diese »eid-treuen« Soldaten zu rechtfertigen und die Treuebindung realisiere sich im Eid, indem Legitimität von Widerstand zurückzuweisen. dieser das menschliche Handeln dem Gewis- Obwohl im Remer-Prozess weder Kesselring sen des Einzelnen verpflichte und das Handeln noch von Manstein als »sachverständige« Zeu- des Soldaten »an eine höhere Sittennorm« bin- gen angehört wurden36, hielt die Verteidigung de. Diese »höhere Sittennorm« beschrieb der an ihrer Taktik fest. In seinem Plädoyer refe- Theologe als Verpflichtung gegenüber »Gott«, rierte Rechtsanwalt Wehage die Position, die der »Gemeinschaft«, dem »Sittlich-Gute[n]« Erich von Manstein gegenüber dem britischen und dem »allgemeine[n] Wohl«.41 Den Eid Militärgericht vertreten hatte. »Wir deutschen hingegen, den die Soldaten der Wehrmacht Soldaten«, zitierte der Rechtsanwalt von Man- auf Hitler geleistet hätten und der sie dazu stein, »hielten dem Kaiser unseren Eid, […], verpflichtet habe, das eigene Handeln der ab- ich hielt meinen Eid der Weimarer Republik, soluten Autorität eines anderen Menschen zu bis ihre Politiker ihre Armee unter Hitlers Be- unterstellen, bezeichnete Angermair als »me- fehlsgewalt brachte. In gleicher Weise hielt chanistisch-formalistisch[en]«, der die Solda- ich meinen Eid, den ich Hitler geschworen ten zu »willenlose[n] Maschinen«42 degradiert hatte.«37 habe. Angermair führte aus, dass der Eid auf Generalstaatsanwalt Fritz Bauer kritisier- einen Menschen, der Gehorsam verlange und te die von der Verteidigung vertretene Positi- jede Anfrage an das Gewissen des Handelnden on als eine im Widerspruch zu Prinzipien der ausschließe, die menschliche Person missach- demokratischen Ordnung stehende autoritäre te, denn »der Soldat […] wäre in seinem Dienst Pflichtethik. Er betrachtete den Eid auf Hitler keine vollwertige menschliche Persönlichkeit als »unsittlich«, weil er die Soldaten zu »un- mehr.«43 Im Kontext der Anfang der 1950er- bedingtem Gehorsam […] gegenüber einem Jahre geführten Debatte über die Bedeutung Menschen« verpflichtet hatte.38 Der Eid habe des Eides bestand die Essenz des Gutachtens übergeordnete Menschenrechte missachtet und von Angermair und der Rechtsposition von im Widerspruch zum Gemeinwohl als einem Fritz Bauer darin, dass die Gültigkeit des Ei- übergeordneten Recht gestanden. Mit wider- des an die politische Norm des Gemeinwohls ständigem Verhalten hätten die Angehörigen geknüpft ist und die politische Mündigkeit der Wehrmacht demnach nicht ihren Eid ge- des Bürgers als normativen Bezugspunkt be- brochen, ihr Widerstand müsse vielmehr als inhaltet.44 Beiträge, Heft 9 23

Während das Gutachten von Rupert An- ein in der Auseinandersetzung mit dem NS- germair die Rechtsauffassung von Fritz Bauer Unrechtsregime vollzogener Erkenntnispro- stützte, kann das von der Staatsanwaltschaft zess widergespiegelt, der im Braunschweiger beauftragte und von Generalleutnant a. D. Hel- Gerichtssaal sowohl von ehemaligen Angehö- mut Friebe erstattete Gutachten über die Stel- rigen der Wehrmacht – etwa von Friebe – als lung des Offizierskorps zum 20. Juli 1944 vor auch in der Tradition der politischen Haltung allem als ein strategisch kluger Schachzug der des Widerstands – etwa von den theologischen Staatsanwaltschaft im Prozess gelten. Der ehe- Gutachtern – entfaltet wurde. malige kommissarische Vorsitzende des Ver- bandes deutscher Soldaten (VdS) hatte sich Das Urteil: Der 20. Juli 1944 war schon im Herbst 1951 von den Verleumdun- rechtmäßiger Widerstand gegen das gen der Widerstandskämpfer durch Hedler, Re- NS-Unrechtsregime mer und Funktionäre des VdS distanziert.45 Im Remer-Prozess führte er jetzt aus: Die »große Am 15. März 1952 wurde der Angeklagte Masse der Frontoffiziere und hauptsächlich der Otto Ernst Remer »wegen übler Nachrede in jüngeren Generation [stand] dem Attentat [im Tateinheit mit Verunglimpfung des Anden- Sommer 1944] verständnislos und ablehnend kens Verstorbener zu einer Gefängnisstrafe gegenüber. […] Inzwischen sind sieben Jahre von drei Monaten verurteilt.«48 Mit der Ver- vergangen. […] Viele Prozesse, Dokumente urteilung Remers erkannte ein westdeutsches und Veröffentlichungen öffneten ihm [dem Gericht 1952, mehr als sieben Jahre nachdem Frontsoldaten] die Augen. […] Haben nun die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 in diese […] Erkenntnisse […] die Einstellung Berlin hingerichtet worden waren, ihr Handeln des ehemaligen Offizierskorps zum Attentat als rechtmäßigen Widerstand gegen das NS- vom 20. Juli geändert? Ich glaube, diese Fra- Unrechtsregime an. Das Urteil gegen Remer ge mit einem klaren ›ja‹ beantworten zu kön- markiert eine Zäsur in der Auseinandersetzung nen«.46 Die Presse berichtete ausführlich über mit dem Widerstand gegen den NS-Staat in Friebes Gutachten.47 Fritz Bauer hatte einen der frühen Bundesrepublik. Die Rechtsauffas- Gutachter gewonnen, der als ehemaliger Ge- sung von Fritz Bauer und das Urteil bildeten neralleutnant Angehöriger der Wehrmacht war eine Gegenposition zur Delegitimierung des und als Funktionär des VdS aus den Reihen der Widerstands. ehemaligen Soldaten kam. Friebes Gutachten Bauer zeigte sich »hoch befriedigt« über konnte die Argumentation der Verteidigung, das Urteil, er war jedoch auch »enttäuscht, daß die stets im Anschluss an die öffentlich geführ- das Gericht nicht auf die Frage des Hochver- te Debatte auf das dichotomische Bild von der rats eingegangen war.«49 Das Gericht war den Mehrheit der Wehrmachtsangehörigen als den Einlassungen Remers gefolgt, er respektiere »Eid-Treuen« gegenüber der Minderheit der den Hochverrat und spreche den Hochverrätern Widerstandskämpfer als den »Eid-Brechern« seine Achtung aus. Aufgrund von Zeugenaus- aufbaute, durchbrechen. sagen galt hingegen als bewiesen, dass Remer Während die Verteidigung zum Nachweis gegenüber den Widerstandskämpfern den Vor- der Unrechtmäßigkeit von Widerstand in wurf des Landesverrats erhoben hatte. Zwar bruchloser Kontinuität die Haltung ehemaliger kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass ei- und als Kriegsverbrecher verurteilter Angehö- nige Männer des 20. Juli tatsächlich Kontakte riger der Wehrmacht übernahm, reflektierte die zum Ausland gehabt hätten, aber sie stellten Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft zur fest, dass auf »keinem dieser Männer […] auch Begründung des Widerstandsrechts einen auf nur der Schatten des Verdachts [ruht], jemals die demokratische Ordnung der Bundesrepu- für irgendeine mit dem Widerstandskampf in blik bezogenen Rechtsbegriff. Zudem wurde Verbindung stehende Handlung vom Ausland 24 Fröhlich: Der Braunschweiger Remer-Prozess 1952 bezahlt worden zu sein.«50 Danach hätten die kritisierte in seiner Stellungnahme zum Re- Widerstandskämpfer zwar den »objektiven visionsantrag die Argumentation des Urteils. Straftatbestand des Landesverrats erfüllt«, Die Feststellung des »objektiven« Tatbestands das Gericht verneinte aber die Voraussetzung des Landesverrats »ist mit den tatsächlichen der inneren Tatseite.51 und rechtlichen Gesichtspunkten des übri- Anhänger der SRP kritisierten das Urteil gen Urteils unvereinbar.« Denn, so Bauer, und drohten Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, »die Tatbestände des Landesverrats [sind] er müsse sich für die Verurteilung »verantwor- aus objektiven und subjektiven Unrechtsele- ten«.52 Als Reaktion auf die Verurteilung Re- menten zusammengesetzt, so liegt beim Feh- mers galten in der Öffentlichkeit auch die in len der subjektiven Unrechtselemente nicht den Tagen nach der Urteilsverkündung regis- der ›objektive Tatbestand‹ oder ›der äußere trierten Beschmierungen von Gehwegen und Tatbestand‹ des Landesverrats vor […]. Es Straßen mit den Worten, die Widerstandskämp- liegt überhaupt kein strafrechtlich relevanter fer »sind doch Verräter«.53 Tatbestand vor. […] Die Strafkammer hat Die SRP nutzte die Passage des Urteils über ausführlich abgelehnt, daß die in Frage ste- den »objektiven Straftatbestand des Landes- henden Widerstandskämpfer mit einem Schä- verrats«, den der 20. Juli erfüllt habe, um die digungsvorsatz gehandelt haben.« Vielmehr Verratskampagne gegen die Widerstandskämp- habe das Gericht festgestellt, dass das »für fer fortzusetzen. Wenige Tage nach der Urteils- die moralische Weltgeltung Deutschlands, verkündung erklärte der Parteirat der SRP, der seine innere moralische Revolution, seinen Remer-Prozess habe »in vollem Umfange die eigenen Selbstrespekt und die Bekämpfung Auffassung der SRP bestätigt, dass während des Vorwurfs der Kollektivschuld wichtigste des Krieges von einer Anzahl von Personen, Ziel […] voll erreicht worden« sei.57 die sich nach 1945 zu den Widerstandskämp- Der BGH verwarf am 11. Dezember 1952 fern rechneten, Landesverrat betrieben worden die Revision. Bauer war jedoch nicht zufrie- ist. Widerstandskämpfer, die aus nationalen den. »Das Urteil des Bundesgerichtshofs in der Motiven lediglich Hochverrat begangen haben, Strafsache Remer liegt vor«, schrieb er und sind und werden von der SRP anerkannt.«54 brachte seine Enttäuschung zum Ausdruck: Als hätte die Partei den Prozess gewonnen, »Es ist völlig inhaltslos. Der Bundesgerichts- machte Wolf Graf von Westarp, Gründungs- hof hat sich so gut wie ausschließlich mit den mitglied und Fraktionsvorsitzender der SRP prozessualen Rügen der Verteidiger beschäf- im niedersächsischen Landtag55, den demokra- tigt; zu den uns interessierenden Fragen hat tischen Parteien im Namen der SRP ein »Waf- der Senat bedauerlicherweise kaum Stellung fenstillstandsangebot«: Die Politik solle sich genommen.«58 auf eine moralische Anerkennung des Hoch- Das Urteil gegen Remer war damit rechts- verrats und eine gemeinsame Ächtung des kräftig.59 Bauer beurteilte den Erfolg des Pro- Landesverrats verständigen. Dann werde die zesses aber nicht nur mit gemischten Gefühlen, SRP den Prozess und das Urteil gegen Remer weil das Gericht die Frage des Hochverrats nicht weiter für politische Propagandazwecke ausgeklammert und einen »objektiven« Tat- »auswerten«.56 bestand eines Landesverrats konstatiert hatte. Die Rechtsanwälte von Otto Ernst Remer Vielmehr hatte sich während des Verfahrens formulierten derweil ihren Revisionsantrag. gezeigt, dass die Rehabilitierung des Wider- Im Anschluss an die Feststellung des Braun- stands im Frühjahr 1952 an zwei Rahmenbe- schweiger Landgerichts, der 20. Juli habe dingungen geknüpft war. »objektiv« den Tatbestand des Landesverrats erfüllt, wollten sie eine Aufhebung der Ver- urteilung ihres Mandanten erreichen. Bauer Beiträge, Heft 9 25

Zur zeitgeschichtlichen Bedeutung gelesen wird, woran ja die Bundesregierung des Remer-Prozesses nur Interesse haben kann. Die Ehrenrettung der Widerstandskämpfer muß in dieser Broschüre Der von Fritz Bauer initiierte Prozess hatte auf geschickt, nicht allzu deutlich und deshalb um die Begründung eines demokratischen Wider- so wirkungsvoller eingeflochten werden.«62 standsrechts des Bürgers am konkreten Bei- Eine zweite Rahmenbedingung für die er- spiel des 20. Juli 1944 gezielt. In der öffentli- folgreiche Rehabilitierung des Widerstands chen und politischen Rezeption des Verfahrens hatte Fritz Bauer bereits bei den Vorbereitun- war aber ein anderer Zusammenhang für die gen des Verfahrens bedacht. Die Konzeption Anerkennung der Legitimität des Widerstands des Verfahrens gegen Remer als Prozess um zentral: Der Prozess um das Widerstandsrecht den 20. Juli erwies sich als strategisch klug, wurde vor allem auch als ein Prozess gegen die denn sie knüpfte an das von der Bundesregie- SRP wahrgenommen. rung instrumentalisierte Bild des 20. Juli als Die Verratskampagnen von ehemaligen der deutschen »nationalen Freiheitsbewegung« Soldaten der Wehrmacht hatten die Bundesre- an. Fritz Bauer erinnerte im Braunschweiger gierung 1951 in eine schwierige Lage gebracht. Gerichtssaal ausdrücklich an die Haltung der Adenauer hatte mit Verweis auf den Widerstand Regierung, und er begrüßte, dass die Witwen als der deutschen Freiheitsbewegung nicht nur und Söhne der Widerstandskämpfer vom 20. den Souveränitätsanspruch der Bundesrepublik Juli, wie etwa Marion Gräfin York von War- gegenüber den Alliierten begründet. Er hatte in tenburg und Annedore Leber, als Nebenkläge- seiner ersten Regierungserklärung im Septem- rinnen im Prozess gegen Remer auftraten. Als ber 1949 auch erklärt, dass die Abwehr jeder aber auch Anna von Harnack einen Strafantrag rechten Propaganda eine entscheidende Lehre gegen Remer stellte, bat er die Angehörige der sei, die die Bundesregierung aus dem Natio- Widerstandsgruppe der »Roten Kapelle«, die- nalsozialismus gezogen habe.60 Die Alliierten sen zurückzuziehen. Bauer teilte ihr in einem beobachteten nun die Reaktion der Bundes- Brief mit, dass die »Strafsache gegen Remer regierung auf die rechte Propaganda genau. […] auf die engsten Widerstandskämpfer vom Im Herbst 1951 gab die Regierung deshalb 20. Juli 1944 beschränkt« sein sollte und er – und nur auf Drängen der Alliierten61 – eine »nicht zum Nachteil der Strafsache von die- Ehrenerklärung für den Widerstand vom 20. ser Linie ab[…]weichen« wolle.63 Die »Rote Juli 1944 ab, versprach Unterstützung für die Kapelle« war in der Bundesrepublik als sow- im »Hilfswerk 20. Juli« zusammengeschlos- jetisch gesteuerter Spionagering stigmatisiert. senen Hinterbliebenen und Überlebende des Mit einem Prozess um ihr Widerstandsrecht Widerstands vom 20. Juli 1944 und kritisierte hätte Bauer das antikommunistische Legiti- die Verratskampagnen. Dass dieser wirkungs- mationsmuster der Bundesrepublik zum The- mächtige Zusammenhang zwischen der Aner- ma gemacht. kennung des Widerstands und der Abwehr des Der Prozessverlauf gab Bauer Recht. Als Neonazismus auch nach dem Remer-Prozess der Wiesbadener Rechtsanwalt Fabian von bestand, wurde für Fritz Bauer deutlich, als er Schlabrendorff am zweiten Prozesstag als und ein befreundeter Journalist mit Verlagen Zeuge gehört wurde und zwischen dem 20. wegen der Veröffentlichung des Urteils ver- Juli 1944 und dem Widerstand der »Roten handelten. Der Journalist berichtete Bauer von Kapelle« unterschied, steuerte das Verfah- einem Gespräch: »Das Interesse [des] breiten ren auf einen kritischen Höhepunkt zu. Fritz Publikum[s] ist leider an dem Thema n i c h t Bauer hatte die 1946 erschienene erste Aufla- sehr groß […] Also eine Broschüre wird nur ge von von Schlabrendorffs Buch »Offiziere tragbar sein, wenn sie so abgefaß[t] ist, daß sie gegen Hitler« gelesen und ihn im Namen der als Kampfschrift gegen die SRP und Remer Staatsanwaltschaft geladen, im Prozess gegen 26 Fröhlich: Der Braunschweiger Remer-Prozess 1952

Remer als »einer der wenigen Überlebenden den Widerstand des 20. Juli 1944 begrenzten des Widerstandskampfes«64 und als Tatzeuge Prozess initiiert. Im Frühjahr 1952 ist auf die- über die Motive der Widerstandskämpfer vom se Weise eine Rehabilitierung des 20. Juli ge- 20. Juli auszusagen.65 Fabian von Schlabren- lungen. Dennoch hat Fritz Bauer im Prozess dorff, ehemals Ordonnanzoffizier beim Chef gegen Remer die Rehabilitierung des »Ge- des Stabes der 2. Armee, war im August 1944 samtwiderstands« begründet und widerstän- als Angehöriger der Opposition verhaftet und diges Handeln als Recht jeden Bürgers gegen- in den Konzentrationslagern Flossenbürg und über dem Unrechtsstaat gerechtfertigt.71 Die Dachau inhaftiert worden.66 Im Zeugenstand Debatte um dieses demokratisch begründete führte von Schlabrendorff, über die Haltung Widerstandsrecht war mit dem Prozess gegen der Widerstandskämpfer befragt, aus: »Ich bin Remer allerdings gerade erst eröffnet. zutiefst davon überzeugt und durchdrungen, daß keiner der Widerstandskämpfer auch nur Anmerkungen im entferntesten daran dachte, eine Handlung zu begehen, die Deutschland hätte schaden 1 Guido Zöller: Rehabilitierung der Widerstands- können. Im Gegenteil, alles geschah in der kämpfer, in: Rhein-Neckar-Zeitung, 14.3.1952; Rudolf Wassermann: Zur juristischen Bewertung Überzeugung, daß das Vaterland gerettet wer- des 20. Juli 1944, in: Recht und Politik (1984), Nr. 2, den müßte.«67 Während seiner Aussage nahm S. 77. 3 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.5.1951. von Schlabrendorff dann aber auch zum Wi- 4 Vgl. Horst W. Schmollinger: Die Sozialistische derstand der »Roten Kapelle« Stellung, den er Reichspartei, in: Richard Stöss (Hg.): Parteien- Handbuch: Die Parteien der Bundesrepublik in der ersten Fritz Bauer bekannten Auflage Deutschland 1945–1980, Bd. 2, Opladen 1984, seines Buches überhaupt nicht erwähnt hatte. S. 2274–2336. 5 Vgl. Schmollinger (Anm. 4), S. 2313. Im Braunschweiger Gerichtssaal beurteilte von 6 Schmollinger (Anm. 4), S. 2278. Schlabrendorff den Widerstand der Mitglieder 7 Claus Jakobi: Vor sieben Jahren, in: Die Zeit, 19.7.1951. der »Roten Kapelle« als »verabscheuungswür 8 Der Strafantrag von Dr. h. c. Robert Lehr, Bundes- dig[en] […] Landesverrat aus Gewinnsucht.«68 minister des Inneren, vom 20.6.1951. Niedersächsi- sches Staatsarchiv Wolfenbüttel (NdsStA), 62 Nds. Mit der Aussage von Schlabrendorffs erreichte Fb. 3, Zg 51/1985, Nr. 2/1. der Prozess gegen Remer einen jener Momen- 9 Vgl. Elisabeth Noelle/Erich Peter Neumann (Hg.): Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1947–1955, te, über die Fritz Bauer später schrieb, er sei 2. Aufl., Allensbach 1965, S. 138. »bemüht [gewesen], das Schiff des Prozesses, 10 Theodor Heuss: Zum 20. Juli 1944, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesre- das vielen Stürmen ausgesetzt war, einigerma- gierung, Nr. 94, 19.7.1952, S. 927. ßen heil in den Hafen zu bringen«.69 Fritz Bau- 11 Vgl. Werner Bergmann: Antisemitismus in öf- fentlichen Konflikten, am Main 1997, er setzte auf den Erfolg seiner Prozessstrategie S. 117–132; Detlef Korte: Der Hedler-Skandal und wies zum Abschluss des Verfahrens gegen 1949–53, in: Demokratische Geschichte. Jahrbuch zur Arbeiterbewegung und Demokratie in Schles- Remer darauf hin, dass es in »diesem Prozeß wig-Holstein 9 (1995), S. 275–293; Norbert Frei: […] um die Männer des 20. Juli [geht]. Die Vergangenheitspolitik, 2. Aufl., München 1997, S. 309–325; Eugen Kogon: Der Fall Hedler, in: Männer des 20. Juli waren, davon sind wir Frankfurter Hefte (1950), Nr. 4, S. 426–430. Wolf- alle überzeugt, Kämpfer für Freiheit und, wie gang Hedler wurde in einem Revisionsverfahren am 20. Juli 1951 zu neun Monaten Haft verurteilt. Stauffenberg sagte, Kämpfer für ein ›heiliges Vgl. »Hedler-Urteil«. BGH, Urteil vom 8.5.1952 Deutschland‹.«70 – 5 StR 182/52 (LG Kiel), in: Neue juristische Wo- chenschrift (1952), Nr. 30, S. 1183. In der Presse Um im Frühjahr 1952, in der histori- galt der Fall Hedler jedoch als abgehandelt und von schen Situation der deutsch-deutschen Sys- dem Urteil wurde kaum Notiz genommen. 12 Stenographische Berichte des Deutschen Bundesta- temkonfrontation und vor dem Hintergrund ges, I. Wahlperiode, Sitzung vom 16. Februar 1950, einer weitreichenden Delegitimierung des S. 1302. 13 Vgl. Günter Spendel: Die »Standgerichtsverfahren« Widerstands durch die westdeutsche Justiz, gegen Admiral Canaris u. a. in der Nachkriegsrecht- eine Anerkennung seiner Legitimität zu er- sprechung, in: ders.: Rechtsbeugung durch Recht- reichen, hatte Bauer einen strategischen, auf sprechung, Berlin 1984, S. 89–103; Joachim Perels: Beiträge, Heft 9 27

Die schrittweise Rechtfertigung der NS-Justiz. Der Generalfeldmarschall Erich von Manstein 1949, in: Huppenkothen-Prozess, in: Peter Nahamowitz/ Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 46 (1998), Stefan Breuer (Hg.): Politik–Verfassung–Gesell- Nr. 4, S. 330-332; ders.: Rehabilitation oder Straf- schaft: Traditionslinien und Entwicklungsperspek- verfolgung, in: Mittelweg 36 (1997), Juni/Juli, tiven, Baden-Baden 1995, S. 51–65; Christoph U. S. 26–36. Schminck-Gustavus: Der »Prozeß« gegen Dietrich 31 von Wrochem: Wehrmachtsverbrechen (Anm. 30), Bonhoeffer und die Freilassung seiner Mörder, Bonn S. 351–352. 1995. Einige Wochen vor dem Remer-Prozess, im 32 Vgl. Ulrich Brochhagen: Nach Nürnberg. Vergan- Februar 1952, hob der BGH das Urteil gegen Hup- genheitsbewältigung und Westintegration in der Ära penkothen auf. Adenauer, Berlin 1999, S. 78. 14 Vgl. Heinrich W. Grosse: Dietrich Bonhoeffer, 33 Stenographische Berichte des Deutschen Bundes- sein Ankläger Manfred Roeder und die Lünebur- tages, I. Wahlperiode, Sitzung vom 17. September ger Nachkriegsjustiz, in: Jahrbuch der Gesellschaft 1952, S. 10500. für Niedersächsische Kirchengeschichte 93 (1995), 34 Paul Sethe: Und Landsberg? in: Frankfurter Allge- S. 243–250; Norbert Haase: Der Fall »Rote Kapelle« meine Zeitung, 16.8.1950. vor dem Reichskriegsgericht, in: Hans Coppi/Jürgen 35 Vgl. Stenographische Berichte des Deutschen Danyel/Johannes Tuchel (Hg.): Die Rote Kapelle im Bundestages, I. Wahlperiode, Sitzung vom 5. April Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1951, S. 4984. 1994, S. 160–179. 36 Das Gericht hörte von Manstein und Kesselring im 15 Vgl. Haase (Anm. 14), S. 172–173. Verfahren nicht als Zeugen, weil der Vorsitzende 16 Vgl. Peter Steinbach: Widerstandsorganisation Richter die Urteile des Nürnberger Prozesses und Harnack/Schulze-Boysen, in: ders.: Widerstand der Nachfolgeprozesse sowie die der Militärgerichte im Widerstreit, Paderborn 1994, S. 236. Vgl. auch als gültig betrachtete. In der schriftlichen Urteils- Ulrich Sahm: Das Ermittlungsverfahren gegen Dr. begründung weist das Gericht darauf hin, dass auf Manfred Roeder (1946–1951), in: ders.: Rudolf von die Anhörung von Erich von Manstein und Albert Scheliha 1897–1942. Ein deutscher Diplomat gegen Kesselring verzichtet worden sei, weil das Gericht Hitler, München 1990, S. 297–299. der Einlassung Remers folge, dass er den Hochverrat 17 Zit. n. Grosse (Anm. 14), S. 252. anerkennen würde, Hochverrat also nicht mehr Be- 18 Der Oberstaatsanwalt Dr. Erich Günther Topf am standteil des zu erbringenden Wahrheitsbeweises sei 29.9.1951 an den Bundesinnenminister Robert Lehr. und die Zeugen zu diesem Gegenstand nicht mehr NdsStA, 62 Nds. Fb. 3, Zg 51/1985, Nr. 2/4. gehört werden müssten. Vgl. Urteil des Landgerichts 19 Handschriftl. Notiz des Oberstaatsanwalts. NdsStA, Braunschweig vom 15. März 1952 in der Strafsache 62 Nds. Fb. 3, Zg 51/1985, Nr. 2/4. gegen Generalmajor a. D. Remer wegen übler Nach- 20 Niedersächsisches Ministerium der Justiz und für rede, in: Herbert Kraus (Hg.): Die im Braunschwei- Europaangelegenheiten, Hannover (NmdJE), Per- ger Remer-Prozess erstatteten moraltheologischen sonalakte Dr. Erich Günther Topf. und historischen Gutachten nebst Urteil, Hamburg 21 Ebd. 1953, S. 112. 22 Mitschrift einer Besprechung vom 28.1.1949 im 37 Plädoyer von Rechtsanwalt Wehage. NdsStA, 62 Ministerium, zit. n. Hinrich Rüping: Staatsanwälte Nds. Fb. 3 Zg 51/1985, Nr. 2/5. Vgl. zur Position, und Parteigenossen. Haltung der Justiz zur national- die von Manstein und seine Verteidigung im Prozess sozialistischen Vergangenheit zwischen 1945 und gegen ihn hinsichtlich des Eides und der Gehor- 1949 im Bezirk Celle, Baden-Baden 1994, S. 31. samspflicht vertreten haben, Reginald T. Paget: 23 Vgl. zur Biografie Bauers Irmtrud Wojak/Joachim Manstein, Wiesbaden 1952, S. 139–140. Perels: Motive im Denken und Handeln Fritz Bau- 38 Bauer (Anm. 28), S. 198. ers, in: dies. (Hg.): Fritz Bauer. Die Humanität der 39 Die Gutachten sind publiziert in Kraus (Anm. 36). Rechtsordnung. Ausgewählte Schriften, Frankfurt 40 Rupert Angermair: Moraltheologisches Gutachten am Main 1998, S. 9–13. über das Widerstandsrecht nach katholischer Lehre, 24 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.2.1952. in: Kraus (Hg.) (Anm. 36), S. 33. 25 Fritz Bauer im Frankenpost-Interview. Das Lehr- 41 Ebd. stück von Kain und Abel, in: Frankenpost (Hof), 42 Angermair (Anm. 40), S. 35. 24.12.1964. 43 Ebd. 26 Josef Schmidt: »Ein Landgericht soll Geschichte 44 Vgl. Gerhard Ringshausen: Der 20. Juli als Problem schreiben. Der 20. Juli 1944 als eigentlicher Ge- des Widerstandes gegen die Obrigkeit, in: Gerd R. genstand des Beleidigungsprozesses gegen Remer Ueberschär: Der 20. Juli 1944, Köln 1994, S. 194. in Braunschweig«, in: Frankfurter Allgemeine 45 Vgl. Helmut Friebe: Nochmals: Der 20. Juli (Le- Zeitung, 11.3.1952; »Remer wird zur Randfigur serbrief), in: Neue Zeitung, 24.10.1951. Vgl. auch des Prozesses«, in: Frankfurter Allgemeine Zei- Gießener Freie Presse, 25.10.1951. tung, 10.3.1952; »Im Hintergrund der 20. Juli«, in: 46 Helmut Friebe: Gutachten über die Stellung des Süddeutsche Zeitung, 8./9.3.1952; Rüdiger Proske: Offizierskorps zum 20. Juli 1944, in: Kraus (Hg.) Prozeß um den 20. Juli, in: Der Monat (1952), Nr. (Anm. 36), S. 83ff; hier S. 84–85, 90. 43, S. 16; Michael Freund: Der Angeklagte aus Ver- 47 Vgl. etwa Neue Zeitung, 10.3.1952, Frankfurter sehen. Zum Prozeß gegen Remer, in: Die Gegenwart Rundschau, 10.3.1952. (1952), Nr. 6, S. 168. 48 Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15. 27 Welt am Sonntag, 18.2.1950. März 1952 in der Strafsache gegen Generalmajor 28 Fritz Bauer: Eine Grenze hat Tyrannenmacht, in: a. D. Remer wegen übler Nachrede, in: Kraus (Hg.) Geist und Tat (1952), Nr. 7, S. 194–200. (Anm. 36), S. 105. 29 Rechtsanwalt Wehage am 8.3.1952 in einem Schrift- 49 Wassermann (Anm. 1), S. 79. stück an den Oberstaatsanwalt. NdsStA, 62 Nds. Fb. 50 Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15. 3 Zg 51/1985, Nr. 2/2. März 1952 in der Strafsache gegen Generalmajor 30 Vgl. Oliver von Wrochem: Die Auseinandersetzung a. D. Remer wegen übler Nachrede, in: Kraus (Hg.) mit Wehrmachtsverbrechen im Prozeß gegen den (Anm. 36), S. 121. 28

51 Ebd., S. 129. 61 Vgl. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, 52 Frankfurter Rundschau, 18.3.1952. Bd. 4, 1951, bearb. v. Ursula Hüllbüsch, Boppard a. 53 Ebd. Rhein 1988, S. 671. 54 Ebd. 62 Walter H. Kleffel am 16.3.1952 in einem Brief an 55 Vgl. Schmollinger (Anm. 4), S. 2276. Fritz Bauer. NdsStA, 61 Nds. Fb. 1, Nr. 24/3. 56 Vgl. Frankfurter Rundschau, 15.3.1952, Die Zeit, 63 Fritz Bauer am 23.1.1952 in einem Brief an Anna 20.3.1952. von Harnack. NdsStA, 61 Nds. Fb. 1, Nr. 24/1. 57 Der Generalstaatsanwalt bei dem OLG, Fritz Bauer, 64 So die Begründung der Ladung des Zeugen in am 8.7.1952 an das LG. NdsStA, 62 Nds. Fb. 3 Zg einem Schreiben von Fritz Bauer vom 5.2.1952 an 51/1985, Nr. 2/3. Hervorh. im Original. das Landgericht. NdsStA, 62 Nds. Fb. 3 Zg 51/1985, 58 Fritz Bauer am 14.2.1953 in einem Brief an Nr. 2/1. Rechtsanwalt Dr. A. Lifschütz, Bremen, der sich 65 Auch Fabian von Schlabrendorff unterstützte als mit Bitte um Überlassung verschiedener Schriftstü- Stifter die Arbeit des »Hilfswerks 20. Juli 1944«, cke aus dem Verfahren gegen Remer mit Bauer in womit auch sein Engagement für die Erinnerung Verbindung gesetzt hatte. NdsStA, 61 Nds. Fb. 1, an den Widerstand ganz im Sinne der öffentlichen Nr. 24/5. Ehrenerklärung der Bundesregierung war. Vgl. zur 59 Im Februar 1953 beantragten die Rechtsanwälte Tätigkeit von Schlabrendorffs: Rundbrief der Stif- von Otto Ernst Remer einen Strafaufschub für ihren tung »Hilfswerk 20. Juli 1944« vom Februar 1950 Mandanten. Fritz Bauer und der niedersächsische im Bestand der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Minister der Justiz teilten mit, dass von ihrer Seite (Berlin). »kein außergewöhnliches Interesse an dem Falle 66 Vgl. Peter Hoffmann: Widerstand–Staatsstreich–At - Remer« mehr bestehe. Noch im Frühjahr 1953 tentat, 4. Aufl., München 1985, bes. S. 335–346, floh Remer ins Ausland, während Bauer dann in 350–357. Deutschland doch einen Haftbefehl erließ. Als Re- 67 Neue Zeitung, 10.3.1952. mer im Herbst 1954 nach Deutschland zurückkehr- 68 Vgl. die Berichterstattung über von Schlabrendorffs te, wurde die Strafe mit Reststrafen anderer Urteile Aussage von Guido Zöller: Rehabilitierung der gegen Remer zusammengefasst. Die verbleibende Widerstandskämpfer, in: Rhein-Neckar-Zeitung, Reststrafe von einem Monat wurde zur Bewährung 14.3.1952 und Frankfurter Allgemeine Zeitung, ausgesetzt.Vgl. die Aktennotizen des Oberstaats- 10.3.1952. anwaltes in NdsStA, 62 Nds. Fb. 3 Zg 51/1985, 69 Fritz Bauer am 21.3.1952 in einem Brief an Marga- Nr. 2/15. rethe von Hase. NdsStA, 61 Nds. Fb. 1, Nr. 24/4. 60 Vgl. die Regierungserklärung von Bundeskanzler 70 Laut Prozessmitschrift. NdsStA, 61 Nds. Fb. 1, Konrad Adenauer am 20. September 1949, in: Ste- Nr. 24/7. Vgl. auch Gerhart Mostar, in: Stuttgarter nographische Berichte des Deutschen Bundestages, Zeitung, 12.3.1952. I. Wahlperiode, Sitzung vom 20. September 1949, 71 Bauer (Anm. 28), S. 197. S. 27. Vgl. auch Frei (Anm. 11).