„Die Historische Wahrheit Kund Und Zu Wissen Tun“
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U1-U4+RB_14mm_374x240 23.04.14 11:06 Seite 1 15 s selecta 15 selecta s „Die historische Wahrheit kund und zu wissen tun“ Die justizielle Aufarbeitung von NS-Verbrechen in Hessen Die justizielle Aufarbeitung von NS-Verbrechen in Hessen – „Die historische Wahrheit kund und zu wissen tun“ Katalog1-124_Auschwitz_180x240_180x240 23.04.14 16:04 Seite 1 s selecta 15 „Die historische Wahrheit kund und zu wissen tun“ Die justizielle Aufarbeitung von NS-Verbrechen in Hessen Katalog zur Wanderausstellung des Hessischen Hauptstaatsarchivs 2014/2015 Katalog1-124_Auschwitz_180x240_180x240 23.04.14 16:04 Seite 2 2| Katalog1-124_Auschwitz_180x240_180x240 23.04.14 16:04 Seite 3 | 3 5 Grußwort Boris Rhein, Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst 7 Grußwort Eva Kühne-Hörmann, Hessische Ministerin der Justiz 9 Grußwort Dr. Thomas Wurzel, Geschäftsführer der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen 11 Danksagung Prof. Dr. Klaus Eiler, Direktor des Hessischen Hauptstaatsarchivs 12 Einführung 13 I. Beginn der justiziellen Aufarbeitung zwischen 1945 und 1960 41 II. Judenverfolgung und Völkermord – die justizielle Aufarbeitung in Hessen 41 II.1. Judenverfolgung zwischen 1933 und 1939 57 II.2. Deportation und Ghettoisierung mit Beginn des 2. Weltkrieges 71 II.3. Übergang zum systematischen Massenmord 83 II.4. Auschwitz 111 III. Fazit und Ausblick 125 Dokumentenanhang 202 Bildnachweise 205 Ausgewählte Literatur 208 Impressum Katalog1-124_Auschwitz_180x240_180x240 23.04.14 16:04 Seite 4 4| Katalog1-124_Auschwitz_180x240_180x240 23.04.14 16:04 Seite 5 Grusswort | 5 „Ein zentrales Element deutscher Erinnerungskultur“ Vor 50 Jahren wurde vor dem Frankfurter Landgericht der 1. Auschwitz-Prozess verhandelt. Dieser Prozess war zum damaligen Zeitpunkt das größte Schwurge- richtsverfahren in der deutschen Justizgeschichte. Das Strafverfahren gegen Angehörige der Lagermann- schaft des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz führte einer breiten Öffentlichkeit erstmals die entsetzliche Wirklichkeit des industriellen NS-Mas- senmordes drastisch vor Augen. Nicht zuletzt dank der Auf klärungsarbeit, die während des Prozesses geleistet wurde, steht „Auschwitz“ heute synonym für die Shoa sowie den Porajmos, den Völkermord an den europäischen Roma. Zugleich ist „Auschwitz“ ein zentrales Element der deutschen Erinnerungskultur, die sich dem „Nie wieder Völkermord“ als handlungsleitende Maxime verpflichtet fühlt. Das Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden hat den 50. Jahrestag des Auschwitz-Prozesses zum Anlass genommen, über dieses legendäre Verfahren hinaus die justizielle Auf- arbeitung nationalsozialistischer Verbrechen in Hessen zwischen 1945 und 1970 in einem weiten historischen Kontext zu beleuchten. Hessische Gerichte und Staatsanwaltschaften hatten unmittelbar nach der Befreiung 1945 mit der Ahndung von NS-Kriminalität begonnen. Dem hessischen Generalstaats- anwalt Fritz Bauer, der erreichte, dass das Auschwitz-Verfahren in Frankfurt stattfand, ist es zu verdanken, dass durch die zentrale Stellung Hessens bei der Durchführung von NS-Prozessen eine Zäsur bei der juristischen Ahndung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen in Deutschland vollzogen wurde. Darüber hinaus hatte der Prozess auch weitreichende gesellschaftliche und politische Auswirkungen für die gesamte Bundesrepublik, die noch bis zum heutigen Tag andauern. Dass diese Ausstellung vom Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden als Teil des Hessischen Landesarchivs erarbeitet wurde, ist mir als dem für das Archivwesen zuständigen Minister natürlich besonders wichtig. Denn damit leisten wir einen wichtigen Beitrag, um einen Ausschnitt hessischer und damit auch deutscher Geschichte eindrucksvoll zu vermitteln. Ich wünsche mir, dass diese Ausstellung bis Ende 2015 in vielen hessi- schen Städten zu sehen sein wird und zahlreiche Besucherinnen und Besucher, insbesondere auch junges Publikum, anziehen möge. Abschließend danke ich dem Hauptstaatsarchiv für die Arbeit an dieser Ausstellung. Sie wäre in der endgültigen Dimension nicht möglich geworden ohne die großzügige Förderung des Hessischen Ministeriums der Justiz sowie der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen. Ihr Boris Rhein Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst Katalog1-124_Auschwitz_180x240_180x240 23.04.14 16:04 Seite 6 6| Katalog1-124_Auschwitz_180x240_180x240 23.04.14 16:04 Seite 7 Grusswort | 7 Die Aufarbeitung des Grauens Der Name Auschwitz steht als Synonym für den Tiefpunkt mensch- licher Kultur, für eine zum industriellen Verfahren perfektionierte „End- lösung“, für millionenfachen Massenmord. Das Vernichtungslager Auschwitz markiert eine Barbarei, eine Perversion der Rechtsordnung, die wir bis dahin nie für möglich gehalten hätten. Es bedurfte der Ent- schlossenheit eines Mannes, der in der Nachkriegszeit der deutschen Justiz den Weg wies, der das Unrecht als solches brandmarkte und Täter zur Verantwortung zog. Erinnern wir uns: Das deutsche Reich hatte bedingungslos kapituliert. Die alte Unrechtsordnung war zusammengebrochen. Das Grundgesetz markierte den Neuanfang. Artikel I, Satz 1 wurde zum Programm: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Aber viele Staatsanwälte und Richter, die Mitläufer waren oder das Unrechtssystem gestützt hat- ten, die sich ebenfalls schuldig gemacht hatten, duckten sich hinter Aktenbergen und machten weiter, als wenn nichts gewesen wäre. Vergessen wir nicht, dass keiner der Richter eines Sondergerichts oder der 570 Richter und Staatsanwälte des Volks- gerichtshofs wegen eines der zahlreichen Unrechtsurteile von bundesdeutschen Gerichten rechtskräftig verurteilt wurde. Doch auch viele Juristen der neuen Genera- tion waren schockiert von dem, was sie nach und nach über die grausame Wahrheit der Vernichtungslager erfuhren. Sie waren paralysiert von der schier unmöglichen Aufgabe, das Unrecht in Worte zu fassen und zur Anklage zu bringen. Es bedurfte einer ganz außergewöhnlichen Persönlichkeit, die diese neuerliche Zäsur in der Rechtsgeschichte vornahm. Der damalige hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer ergriff die Initiative und organisierte vor dem Frankfurter Landgericht den Auschwitz-Prozess, der die noch junge Republik aufwühlte, der zum Synonym wurde für die Aufarbeitung des Grauens, des unsagbaren Leids, das Mitmenschen angetan wurde. Es fällt immer wieder mal der Satz, dass des Mahnens und Erinnerns doch irgend- wann genug sein müsse. Das ist falsch. Wir müssen Unrecht als solches benennen. Wir müssen immer wieder den Weg zeichnen, der in diesen Abgrund geführt hat. Nur wer die Geschichte kennt, kann daraus lernen. Das Hauptstaatsarchiv hat eine bemerkenswerte Ausstellung über den Jahrhundert- Prozess zusammengetragen. Ich danke der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen- Thüringen für die großzügige Förderung und bitte unsere Lehrer, diese Ausstellung in den Unterricht mit einzubeziehen. Ich wünsche mir, dass vor allem die junge Gene- ration von der hervorragenden Ausstellung Kenntnis nimmt. Eva Kühne-Hörmann Hessische Justizministerin Katalog1-124_Auschwitz_180x240_180x240 23.04.14 16:04 Seite 8 8| Katalog1-124_Auschwitz_180x240_180x240 23.04.14 16:04 Seite 9 Grusswort | 9 Am 20. Dezember 1963 begann die Hauptverhandlung im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess. In ihm und in den folgenden Prozessen wurden vor fünfzig Jahren erstmals Personen angeklagt, denen die Beteiligung am Massenmord im Vernichtungslager Auschwitz zur Last gelegt wurde. Sitzungsort war zunächst der Saal der Stadtverordneten im Frankfurter Römer. Im April 1964 erfolgte die Verlegung der Gerichtsver- handlung in das Frankfurter Gallusviertel. Mit den Auschwitz-Prozessen wurde der Grundstein für die justizielle Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Hessen gelegt. Anlässlich des 50. Jahrestages des Prozessbeginns hat sich das Land Hessen – namentlich das Hessische Hauptstaatsarchiv – der Aufgabe gestellt, eine Ausstellung zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen vermit- tels von Forschungsergebnissen und der mittlerweile digitalisierten Gerichtsdokumente zu initiieren. Sie stellt die in den Fokus, die an den Massen- morden beteiligt waren, sich auf Befehlsnotstand beriefen oder behaupteten, von nichts etwas gewusst zu haben. Die Ausstellung dokumentiert die Anklage und die Verurteilung der Beteiligten als Täter wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Grundlage der Anklage war vor allem deren Mitwirkung an Tötungsdelikten. Rechtlich problema- tisch erschien unter anderem die Anklage der als Verwaltungsbeamte beteiligten „Schreibtischtäter“, die sich auf Vorgaben und Anweisungen beriefen. In tatsächlicher Hinsicht litten viele Verfahren unter dem Fehlen sicherer Beweismittel, denn Tat- zeugen waren verstorben, galten als unauffindbar oder ihr Erinnerungsvermögen wurde nach mehr als zwanzig Jahren angezweifelt. Die Ausstellung zeigt auch, dass der Exodus vor aller Augen und mit dem Wissen und Wollen vieler geschah. Da vermag es kaum einer zu glauben, dass die Täter nicht wussten, was mit den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern geschah. Die Wanderausstellung ist für hessische Städte und Kommunen konzipiert worden. Gleichzeitig wurde für Schulen eine technisch weniger aufwändige, aber dennoch inhaltlich gleichwertige Plakatausstellung produziert, um dort das historische Wissen auch über den Geschichtsunterricht hinaus im Gedächtnis zu halten. So kann der kulturelle und politische Auftrag der Bildung der Heranwachsenden mit einem Projekt dieser Art verwirklicht werden. Obgleich die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen damit ein thematisch schwieriges Feld betritt, ist es ihr ein großes Anliegen, das Wissen über das