Zur Historischen Entwicklung Der Kenntnis Von Korrosionsprodukten
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Berliner Beiträge zur Archäometrie Seite 93 - 111 Berlin 1992 Zur historischen Entwicklung der Kenntnis von Korrosionsprodukten auf kulturgeschichtlichen Objekten aus Kupferlegierungen JosEF RIEDERER, Rathgen-Forschungslabor, Berlin Zusammenfassung Am Rathgen-Forschungslabor wurden einige Einzelprobleme der Patinabildung auf kulturgeschichtlichen Objekten aus Kupferlegierungen untersucht, wie die Korrosion von Sammlungsobjekten im Inneren von Museen, die Merkmale fälscherisch erzeugter Patinaschichten, die Mineralneubildungen auf Kupferschlacken und ähnliche Frage stellungen. Dafür war die Aufarbeitung der reichhaltigen Literatur ein erster Schritt. Es zeigte sich, daß vor allem im 19. Jahrhundert auf diesem Gebiet sehr intensiv geforscht wurde, wobei die Art der verschiedenen Korrosionsprodukte sowie der Kor rosionsmechanismus weitgehend geklärt wurden. In unserer Zeit brachte lediglich die genaue Identifizierung der Patinaverbindungen mit Hilfe der Röntgenfeinstruktur• Analyse und die Charakterisierung der Formmerkmale durch rasterelektronenmikro skopische Aufnahmen neue Erkenntnisse. Zusammen mit Anschliffuntersuchungen lassen sich die sehr vielfältigen Phänomene der Umwandlung von Kupferlegierungen anschaulich darstellen. Summary At the Rathgen-Forschungslabor a series of peculiar problems connected with corro sion phenomena on historical objects made of copper alloys have been studied, like the corrosion on objects kept in the interior of museums, the properties of patinas on forgeries, the formation of new minerals on copper slags an related subjects. For this a survey of the extensive Iiterature was a first step. It became obvious that there was a very intense research on this field already in the 191h century and most of the corro sion products as weil as the corrosion mechanism could be clarified at that time. More recently the precise identification of corrosion products by X-ray diffraction analysis and the characterization of morphological features by the scanning electron micro scope has provided new results. Tagether with the results of examinations under reflect ed light, the various phenomena of the transformation of copper alloys can be documented. Die Untersuchung und Identifizierung von Korrosionsprodukten auf kulturgeschicht lichen Objekten aus Kupferlegierungen war ein zentrales Thema der Archäometrie des 19. Jahrhunderts, was sich in einer großen Zahl von Veröffentlichungen äußert. Bemerkenswert ist, daß sich schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts zwei Forschungs richtungen entwickeln, erstens die Gruppe von Analytikern, die mit den Archäologen zusammenarbeiten, zweitens die mehr technologisch interessierten Chemiker, die ge meinsam mit den Denkmalpflegern die Patina von Bronzeskulpturen im Freien unter suchten. Ziel der ersten Gruppe war es, die Vielfalt der Patinaverbindungen zu erschließen, die auf archäologischen Funden vorkommen. Aus dieser Zeit stammen die zahlreichen 93 Informationen über die Korrosionsprodukte auf Ausgrabungsfunden aus Mitteleuropa, dem Mittelmeerraum und dem Vorderen Orient, die den Grabungsberichten beigegeben sind. Als sich ein Zusammenhang zwischen den Boden- oder Feuchtigkeitsbedingungen am Fundort und der Art der Patina abzeichneten, wurden extremere Fundbedingungen unter die Lupe genommen, um etwa die Umwandlung von Kupfer und Bronze in heißen Quellen kennenzulernen. Die zweite Gruppe, die sich um die Denkmäler kümmerte, untersuchte mit gleichem Eifer die Korrosionsprokukte auf Bronzedenkmälern. Noch vor 1900 wurden in vielen europäischen Ländern Arbeitsgruppen gebildet, die ein reiches Material erarbeiteten. In Deutschland formierte sich 1863 eine Patinakommission, die eine Fülle von Daten veröffentlichte. Auf dieser breiten Basis des 19. Jahrhunderts aufbauend, entwickelten sich zu Beginn dieses Jahrhunderts weitere Gruppen, etwa das Corrosion Research Committee, das sowohl durch experimentelle Arbeiten im Labor, als auch durch Bewitterungsversuche im Freien den Korrosionsablauf klären wollten. Einschlägige Bibliographien führen bereits tausende von Veröffentlichungen auf, die die Korrosion von Kupferlegierungen behandeln, zum Beispiel von VAN PATTEN (1924) und VERNON (1928). Vor etwa 50 Jahren setzte eine neue Phase der Untersuchung von Korrosionsprodukten ein, als weiterentwickelte Techniken der Analytik und verbesserte photographische Möglichkeiten zur Verfügung standen. Zu den wichtigen analytischen Techniken, die damals neu zum Einsatz kamen, zählt vor allem die Röntgenfeinstrukturanalyse, die die sichere Identifizierung kleinster Probenmengen erlaubt, die sich ohne Schwierigkeit von archäologischen Funden abnehmen läßt. Bei der photographischen Dokumenta tion macht sich die Farbdrucktechnik bemerkbar, da Veröffentlichungen über die Korrosion kulturgeschichtlicher Bronzen oft sehr aufwendig mit Farbabbildungen von Auflichtaufnahmen durch die Patinaschichten versehen werden, so daß die optischen Phänomene der Korrosionszonen von Kupferlegierungen umfassend dokumentiert sind. Inzwischen gehört die röntgenographische Identifizierung der Korrosionsproduk te und die Farbdokumentation von Anschliffaufnahmen zur Routine archäometrischer Arbeit und an den Instituten, deren Aufgabe die Untersuchung kulturgeschichtlicher Objekte aus Kupferlegierungen ist, hat sich ein umfassendes, aus der praktischen Arbeit erwachsenes Dokumentationsmaterial angesammelt, das die Breite der Korro sionsphänomene erkennen läßt. Neuere Arbeiten haben versucht, weitere analytische Techniken zur Patinaanalyse einzuführen, wie die lnfrarotspektrographie, die mikroanalytischen Verfahren und die lsotopenanalyse, so daß heute dieser Komplex ausreichend dokumentiert erscheint. Dazu kommt, daß eine breite mineralogische Literatur über die in der Natur vorkom menden sekundären Kupferverbindungen vorliegt, die archäologisch interessierende Fragen, wie die Bildungsbedingungen der einzelnen Verbindungen, weitgehend beant wortet. Stark erweitert wurde in den vergangeneo Jahren die Sammlung von Röntgen• feinstrukturdaten von künstlich hergestellten Kupfersalzen. Für die Lösung von Detailfragen, die es noch in großer Zahl gibt, ist somit ein solides Fundament vorhanden. Zu den offenen Fragen im Zusammenhang mit der Korrosion von Kupferlegierungen, über die zur Zeit am Rathgen-Forschungslabor gearbeitet wird, gehört die Bildung von 94 Korrosionsprodukten auf Kupferverbindungen im Inneren von Museen, die allein in den Berliner Museen in einer erstaunlichen Vielfalt beobachtet wurden und in Hinblick auf die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen geklärt werden müssen. Unsachgemäße restauratorische Maßnahmen, etwa zur Reinigung, eine unsachgemäße Aufbewahrung oder Folgen des Gebrauchs bei völkerkundlichen Objekten können hier die Schadens ursache sein. Weiter ist es nach wie vor ein offenes Problem, eine Chiaridpatina auf einem authentischen antiken Bodenfund von fälscherisch erzeugten Patinas zu unter scheiden, die mit Salzsäure, Salzwasser oder ähnlichen Verbindungen erzeugt wurden. Die dritte Forschungsrichtung des Rathgen-Forschungslabors betrifft seit Jahren die Analyse der Korrosionsprodukte auf Bronzen im Freien, wozu alle wichtigen Objekte des Mittelalters und der Renaissance untersucht wurden, so daß diese Erfahrungen bei aktuellen Restaurierungen, etwa des Braunschweiger Löwen, der Quadriga des Bran denburger Tores oder süddeutscher Renaissancearbeiten nutzbringend eingesetzt wer den konnten. Sinnvoll ist es jedoch, sich bei neu zu beginnenden oder laufenden Projekten auf das schon erarbeitete Wissen zu besinnen, um nicht durch Unkenntnis der frühen Literatur längst bekanntes neu zu entdecken. Deshalb sei im folgenden die chronologische Entwicklung der Untersuchung der Korrosionsprodukte auf kulturgeschichtlichen Kupferobjekten etwas eingehender dargestellt, wobei der Schwerpunkt auf den archäo• logischen Bronzen liegt, da die Verhältnisse bei Bronzen aus dem Bereich der Denkmal pflege schon an anderer Stelle (RrEDERER, 1985) dargestellt wurden. Nicht eingegangen werden soll hier auf die Informationen der antiken Literatur, die nützliche Berichte über die künstliche Patinierung und Pflege von Bronzeskulpturen sowie Hinweise zur Korrosion und zum Korrosionsschutz geben. Diese schriftlichen Quellen, die von Archäologen längst gesammelt und interpretiert worden sind, ent halten keine Angaben, die für die Analyse von Korrosionsprodukten, die sich im Laufe der Zeit im Boden bildeten, nützlich sind. Sicher läßt sich auch in der archäometrischen Literatur aus dem Ende des 18. Jahr hunderts, als die analytische Chemie ihre erste Blüte erlebte und eine Vielzahl neuer Mineralien entdeckt wurden, der eine oder andere Hinweis auf ein Kupfersalz auf einer Bronze entdecken. Die erste gründlichere Arbeit zu unserem Thema stammt aber von NöoGERATH (1825), der die Bildung von Cuprit auf Bodenfunden aus Kupfer disku tiert, wobei er, was die frühen Wurzeln dieser Arbeiten erkennen läßt, die Auffassungen einer Reihe weiterer Analytiker erwähnt. Die Kristallform des Cuprits und seine Ver wachsung mit dem unveränderten Metall werden dargestellt. DAVY (1826) untersuchte mehrere archäologische Objekte und geht eingehend auf die Cupritbildung ein. Er analysiert die verschiedenen Bestandteile, die er zwischen dem metallischen Kern und der grünen Patina erkennen kann. Er findet in der grünen Patina eines bei Korfu im Meer gefundenen Helmes Kupferkarbonat als HauptbestandteiL Interessant ist sein Hinweis, daß die Eigenschaften der Patina eine Entscheidung über die Echtheit eines archäologischen Objektes zulassen.