Sozial-Irrsinn»: Worum Es Bei Der Kampagne Gegen Seite FISCHER AUREL FOTO : Die Schwachen Geht
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Freitag 3."10."2014'4. Jahrgang' 5.– www.tageswoche.ch Nr. Gerbergasse 30 4001 Basel 40 T 061 561 61 61 DER Arnold Gjergjaj kämpft um den EM-Titel – fr sich, seine Familie und das Seite Image der Albaner. 32 TRAUM DES BOXERS Armut FISCHER «Sozial-Irrsinn»: Worum AUREL : es bei der Kampagne gegen Seite FOTO die Schwachen geht. 6 Vision Von minimal bis multifunktional – USM Möbelbausysteme sind das flexible Programm für wechselnde Ansprüche und neue Ideen. Fragen Sie nach detaillierten Unterlagen im autorisierten Fachhandel. Alinea AG Showroom City, Kirschgartenstrasse 5, 4007 Basel Telefon 061 690 97 97, www.alineabasel.ch Wohnbedarf AG Aeschenvorstadt 48, 4010 Basel Telefon 061 295 90 90, www.wohnbedarf.com Wohntip AG Gelterkinderstrasse 28, 4450 Sissach Telefon 061 975 40 70, www.wohntip.ch www.usm.com 3 INHALTPaola Gallo!FOTO: NILS FISCH Die «Surprise»-Geschäftsleiterin über die neue Armut, das Kesseltreiben gegen die Seite Schwachen und ihren Werdegang vom «Tschingg» zur Chefin. 18 Sozialwesen!FOTO: ZVG Stadtentwicklung!FOTO: PETER SENNHAUSER Warum wird die «Sozialindustrie» Seite Wo sollen all die Leute leben? Auf Seite bekämpft? Ein Klärungsversuch. 8 der Suche nach neuem Wohnraum. 12 Kino MÓnica Wohlwend S. 4 Bestattungen S. 16 Aktuell werden mehr Bücher Kulturflash S. 41 Sie, er, es S. 43 verfilmt denn je. Die Gründe dafr Impressum S. 43 sind vielfltig und reichen von Kultwerk S. 44 der Hollywoodkrise bis zum Wochenendlich S. 45 Seite Zeitmaschine S. 46 Marketing. 38 TagesWoche 40/14 EDITORIAL PORTRÄT 4 Vorsicht, Sozialhilfetouristen! Mónica Wohlwend von Mara Wirthlin ozialhilfe-Industrie: Es war eine Frage der Die Leiterin macht am Kindertheater Zeit, bis dieses hässliche Wort wieder Basel schüchterne Mäuschen zu hochgespült würde. Seit Tagen übertrefen strahlenden Bühnensternen. Sie selbst Remo Leupin S hat nie das Rampenlicht gesucht. sich Medienschafende beim Fahnden nach «teu- Leiter Print ren Fehlern» im Sozialhilfesystem. Dieses, so ein ls wir uns im märchenhaft-waldi- gen Eingangsbereich des Basler oft kolportierter Vorwurf, bekämpfe Armut nicht, Kindertheaters treffen, fragt sondern produziere noch mehr Arme. Ganz nach Mónica Wohlwend als Erstes, ob Aman das Foto nicht weglassen könnte. dem Motto: Das Angebot schaft die Nachfrage. Die 47-jährige Teaterleiterin steht nicht In dieses Weltbild fügen sich angebliche gerne im Rampenlicht. Lieber bleibt sie im Hintergrund, zieht die Fäden und feiert mit «Sozial schmarotzer» bestens ein. Oder «Sozial- viel Freude die Erfolgserlebnisse der thea- hilfetouristen». Damit sind Leute gemeint, die terbegeisterten Kinder. So viel Zurückhal- tung wirkt ungewohnt fr eine Teaterfrau. ihre Wohngemeinde nach den jeweils lukrativsten Wohlwend kommt ursprünglich auch Hilfsangeboten aus s uchen. Eine Basler Zeitung aus einer anderen Ecke: Früher war sie im Marketing tätig. Vor über 15 Jahren hatte sie ortete hier jüngst ein Riesenproblem – bis eine das Bedürfnis nach mehr Kreativität und andere Basler Zeitung diese Tese widerlegte. Kontakt zu den Menschen. So stiess sie erst zu der angegliederten Bastelschule, dann Was läuft schief in der Sozialhilfedebatte? zum Kindertheater selbst. Warum faszinieren uns angebliche Sozial miss- In jeder Saison, die von September bis Juni dauert, werden vier Produktionen ein- stände so sehr, wo es doch ziemlich gut läuft? «Es studiert und auf die Bühne gebracht. Diese ist eine Gehirnwäsche im Gang – auch wenn dies Weiterlesen, S. 18 Monate sind fr Wohlwend eine intensive Zeit: «Ich bin meistens sieben Tage die viele Leute nicht wahrhaben wollen», sagt W oche im Teater.» Dabei ist sie nicht die «Surprise»-Geschäftsfhrerin Paola Gallo. Statt Einzige, die mehr arbeitet, als ihre Stellen- prozente es verlangen würden. Armut bekämpfe man heute die Armen. Das Kindertheater wird zwar zum Teil Aktuell unter die Räder geraten sind die vor «Statt Armut subventioniert, doch Wohlwend sagt: «Wir bekämpft man können finanziell nur überleben, weil wir zwei Jahren per Volksentscheid eingefhrten Kin- die Armen», alle unseren ehrenamtlichen Teil dazu bei- des- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb), tageswoche.ch/ tragen.» Schwer falle dies aber niemandem: die das alte Vormundschaftswesen ablösten. Statt +q2mun «Dieser Job ist fr alle eine Leidenschaft.» Laien kümmern sich seit Anfang Jahr Profis um Aufwendige Accessoires Wohlwend ist fr die Finanzen und För- das Schicksal von Menschen, die nicht allein fr derbeiträge zuständig, sie bestimmt aber sich sorgen können. Eine sinnvolle S ache. Doch auch den Spielplan und ist bei allen Proben dabei. Regie fhrt sie selber nicht, das über- dummerweise kostet das professionalisierte Sys- lasse sie lieber den «Profis». Dabei gibt sie tem mehr Geld – darum wird es bereits nach weni- gerne jungen Nachwuchsregisseuren eine Chance: «Hier sollen nicht nur Kinder, son- gen Monaten radikal in Frage gestellt. dern auch junge Erwachsene gefordert und Was in der Empörung völlig untergeht, ist die Weiterlesen, S. 6 gefrdert werden.» Die Zusammenarbeit mit Bühnenbildner George Steiner ist fr langfristige Sicht der Dinge. Natürlich kosten die Wohlwend zentral: «Er ist enorm professio- neuen Kesb mehr Geld. Natürlich gibt es grossen nell und schaft es immer wieder, eine ein- zigartige Welt auf der Bühne zu kreieren.» Optimierungsbedarf. Doch was passiert, wenn Sozialstaat im Laut Wohlwend ist es fr Kinder hilf- junge Menschen nicht frühzeitig professionell Gegenwind reich, wenn das Bühnenbild und die Kostü- tageswoche.ch/ me professionell sind: «Sie können dann betreut werden? Vielleicht finden sie keinen Job, +sk70n besser in ihre Rollen schlüpfen.» Zudem werden frsorgeabhängig oder gar strafllig. seien sie stolz auf diese aufwendigen Acces- soires und fhlten sich ernst genommen. Und das verursacht viel höhere Sozialkosten. Ihren Theatergeschmack bezeichnet tageswoche.ch/+uwh4n × Mónica Wohlwend selbst als eher traditio- TagesWoche 40/14 5 Überlässt das Rampenlicht lieber den Kindern: Mónica Wohlwend, Leiterin des Basler Kindertheaters. FOTO: NILS FISCH nell. Zwar besuche sie manchmal auch Diese Art Theater bedeutet für die Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist moderne Teaterdarbietungen, doch zwei Kinder aber auch, dass sie oft richtig viel ebenfalls ein wichtiger Punkt von Wohl- Aufhrungen jährlich würden ihr reichen. Text auswendig lernen müssen, sie werden wends Arbeit. «Sie vertrauen uns jedes Vom klassischen Teater hingegen kriegt also kaum «geschont». Die Teilnahme an Mal gewissermassen ihre Kinder an.» sie kaum genug: «Die traditionellen Insze- den Stücken ist kostenfrei und steht allen D abei erhält Wohlwend einen intimen nierungen sind fr mich zeitlos und wun- Kindern zwischen vier und sechzehn Einblick in die jeweiligen familiären derbar unterhaltsam.» J ahren ofen, doch müssen sie bereit sein, V erhältnisse. «Kinder können sich kaum In die Saison startete das Kindertheater während zwei bis drei Monaten «alles zu verstellen, sie sind sehr aufrichtig und Anfang September mit «Aschenputtel», geben», sich mit viel Herzblut in die Probe- transparent – man merkt schnell, wenn auch sonst werden vor allem Märchen wie und Vorfhrungszeit zu stürzen. etwas nicht stimmt.» etwa das «Rumpelstilzchen» auf die Bühne In fast jeder Gruppe befinde sich jemand gebracht. Dieser klassische Stil komme Intime Einblicke mit einer schwierigen Biografie. Doch die sowohl bei den Kindern als auch beim er- Bereut hätten es bisher die wenigsten: Erfolgserlebnisse und Schicksale, die sie wachsenen Publikum sehr gut an: «Ich «Die Teilnahme ist fr Kinder enorm berei- positiv berühren, überwiegen: «Es ist ein- habe manchmal den Eindruck, dass die chernd. Manchmal kann man buchstäblich fach unglaublich, was fr eine Entwicklung heutige Zeit fast schon ein bisschen über- beobachten, wie ein schüchternes Kind Kinder über die Jahre durchmachen. Aus sättigt ist, was abstraktes Teater anbelangt. den Knopf aufmacht.» Eher zappelige so manch einer grauen Maus wurde eine Da sieht man sich hin und wieder gerne die Kinder hingegen könnten sich im Teater Bühnenprinzessin!» guten, altbewährten Stücke an.» austoben und Dampf ablassen. tageswoche.ch/+1×lho × TagesWoche 40/14 6 Sozialhilfe Eine Familie, die 60#000 pro Monat kostet, ein junger Straftäter, auf einem Segelschif: Weshalb faszinieren uns angebliche Missstände im Sozialwesen, wo es doch eigentlich ganz gut läuft? SOZIALSTAAT IM GEGENWIND Von Jeremias Schulthess eit vier Monaten ist er auf hoher punkt ist hochbrisant. Ausgerechnet nach Die Sozialhilfe sichert das Existenzmi- See und sorgt fr Rauschen im der Berichterstattung zum «Luxus-Segel- nimum, sie sorgt fr alles, was «fr ein men- Schweizer Boulevardblätterwald: törn» interveniert die Behörde – Zufall oder schenwürdiges Dasein unerlässlich» ist – ein verhaltensauflliger Jugendli- Öfentlichkeitsdruck? Es habe nichts mit so steht es in der Bundesverfassung. Die Scher (14), der an einer sozialpädagogischen den Kosten zu tun, sagt das Jugendamt ge- Höhe der Sozialhilfe ist von Gemeinde zu Massnahme teilnimmt. Der «Blick» nennt genüber der NZZ. Gemeinde unterschiedlich und orientiert ihn den «Carlos von Schmerikon», sein Se- «Sozial-Irrsinn» ist in aller Munde, das sich an festgesetzten Parametern: Grund- geltörn wird als Ferienplausch kolportiert. Wort hat längst Eingang in das Alltagsvoka- bedarf, Mietkosten, Kosten fr Kranken- Dabei sprechen die Kommentatoren nur bular gefunden. Warum beschäftigt uns das versorgung. Der Fachverband Schweizeri- über die exorbitanten Kosten, von einem Tema straflliger Jugendlicher in sozial- sche Konferenz fr Sozialhilfe (Skos) legt möglichen