Sabine Meyer Und Reiner Wehle Klarinettisten Im Gespräch Mit Roland Spiegel
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Sendung vom 13.4.2012, 21.00 Uhr Sabine Meyer und Reiner Wehle Klarinettisten im Gespräch mit Roland Spiegel Spiegel: Herzlich willkommen beim alpha-Forum. Ich freue mich, Ihnen heute ein sehr berühmtes Musikerpaar vorstellen zu dürfen: Sabine Meyer und Reiner Wehle. Herzlich willkommen, Frau Meyer und Herr Wehle. Und nun gibt es zuerst einmal Musik. (Meyer und Wehle spielen auf ihren Klarinetten ein Stück von Carl Philipp Emanuel Bach) Spiegel: Vielen Dank. Das war ein Ausschnitt aus einem Stück von Carl Philipp Emanuel Bach mit dem Titel "Duett für zwei Clarinetten". Ich habe mich immer gewundert über diesen Titel. Hat es eine subtile Bewandtnis, dass es sozusagen doppelt gemoppelt ist? Denn ich dachte mir, ein Duett sei immer für zwei. Wehle: Ja, das ist eigentlich doppelt gemoppelt, aber ich glaube, das sagt man einfach so. Und dieser Titel stammt so auch sicherlich nicht von Carl Philipp Emanuel Bach. Den hat damals sicherlich der Verleger so geschrieben, ohne sich dabei was zu denken. Spiegel: Und vielleicht auch, um deutlich zu machen, dass hier zwei gleiche Instrumente mitspielen. Damit wären wir auch schon bei unserem Thema. Sie sind beide weltberühmt als Klarinettisten. Kommen wir doch vielleicht mal zuerst zu Ihren Instrumenten. Dankenswerterweise sehen sie ja schon sehr unterschiedlich aus. Frau Meyer, Sie haben hier eine Klarinette aus Buchsbaumholz. Meyer: Ja, aus Buchsbaumholz, genau. Sie wurde gebaut von Herrn Seggelke aus Bamberg. Das Holz dafür hat er in Südfrankreich in einem Kloster gefunden: Das ist Holz, das 90, 100 Jahre gelagert war. Es ist nämlich sehr wichtig beim Instrumentenbau, dass das Holz richtig und lange gelagert wurde. Er hat mit diesem Holz nur wenige Instrumente gebaut, ich glaube, es waren nur drei oder vier – und ich habe einen ganzen Satz davon abbekommen. Ich spiele hauptsächlich Kammermusik auf diesen Instrumenten: Das Quintett von Mozart, das Brahms-Quintett. Mit der B- Klarinette spiele ich auch im Trio. Denn dieses Instrument hat schon einen besonderen Schmelz und ich finde es besonders schön, wenn man mit Streichern spielt, also mit einem Streichquartett: weil sich das noch schöner mischt mit dem Streicherklang. Und im Vergleich zur schwarzen Klarinette, die aus Grenadill-Holz gebaut wird, ist sie – wir haben das schon mal in einem großen Saal getestet ist – auf die Entfernung sogar noch runder, noch tragfähiger und noch obertonreicher. Dieses Instrument ist also schon etwas sehr Besonderes. Spiegel: Sie sagen, dass Sie damit hauptsächlich Kammermusik spielen, also in kleineren Besetzungen. Aber Sie sagen auch, dass dieses Instrument tragfähiger sei. Ich würde dann davon ausgehen, dass es sich hervorragend eignet für Konzerte mit einem großen Orchester in großen Sälen. Oder stimmt das gar nicht? Meyer: Doch, eigentlich schon. Aber es hat andere Gründe, warum ich das nicht mache. Denn man ist die Schwarze vielleicht doch noch ein bisschen besser gewöhnt. Und es ist so, dass Herr Seggelke einen anderen Klappenmeister hat: Das heißt, die Klappen sind etwas anders geformt als sonst, was dazu führt, dass man für die Finger ein bisschen weitere Wege hat. Gerade bei hoch virtuosen Konzerten wie bei einem Weber-Konzert oder einem Nielsen-Konzert ist es sehr, sehr wichtig, dass man wirklich unheimlich fit und schnell über die Runden kommt mit seinem Instrument. Mit diesen Klappen habe ich dabei einfach ein bisschen Schwierigkeiten. Aber vielleicht gibt sich das ja noch. Bis heute ist es jedenfalls so, dass ich mich bei solchen Konzerten mit der Schwarzen viel sicherer fühle, denn da kommt es wirklich auf hunderttausendstel Millimeter an, um wirklich perfekt spielen zu können. Wehle: Es ist einfach so, dass man da mit den Fingern eine unglaubliche Arbeit leistet. Wir hatten jetzt eine Amerika-Tournee und da wollten wir nicht so viele Klarinetten mitnehmen. Wir haben ja immer eine A-Klarinette und eine B-Klarinette und ein Bassetthorn mit dabei. Ich habe dann einmal Strawinsky auf ihrer A-Klarinette gespielt: Für einen Laien wären das völlig identische Instrumente. Trotzdem habe ich mich dabei nicht so ganz wohl gefühlt: weil das Instrument halt doch irgendwie anders ist, und wenn es nur hier und dort ein Zehntelmillimeter ist. Meyer: Eine weitere Besonderheit ist, dass diese Klarinette aus Buchsbaumholz empfindlicher ist. Ich nehme daher auf ein Konzert, wenn ich diese Klarinette dabei habe, immer noch einen zweiten Satz Instrumente mit, falls etwas passieren sollte, falls die Klarinette z. B. auf bestimmte Wetterverhältnisse – wenn es meinetwegen sehr kalt ist – oder auf die Heizungsluft reagieren sollte. Das Holz arbeitet immer noch, ist einfach weicher, und so kann es sein, dass ich unmittelbar vor dem Konzert feststelle, dass irgendeine Kleinigkeit nicht mehr deckt. Da ist man dann ganz froh, wenn man noch einen zweiten Satz Instrumente mit dabei hat. Wehle: Das ist auch der Grund dafür, warum man früher, also so um das Jahr 1800 herum, von diesem Buchsbaumholz auf die afrikanischen Harthölzer umgestiegen ist: weil sie einfach robuster sind. So eine schwarze Klarinette aus afrikanischem Holz ist daher auch viel, viel schwerer. Spiegel: Die hier ist aus Grenadill. Wehle: Ja, und dieses Holz ist wirklich hart wie Beton. Man kommt da wirklich nur mit dem Betonbohrer rein. Das arbeitet natürlich nicht so sehr wie das Buchsbaumholz. Buchsbaumholz war bis dahin das härteste Holz in unseren Breiten, also in Europa gewesen: Aber das arbeitet eben immer noch viel, viel mehr als Grenadill-Holz. Wenn im Winter in den Räumen aufgrund der Heizung recht trockene Luft herrscht, dann schrumpft das Instrument ein bisschen, weswegen dann einige Klappen nicht mehr gehen, weil sich das Material zusammengezogen hat. Das ist einfach lebendes Material und das ist ja auch das Schöne daran. Spiegel: Wieso ist es so wichtig, dass das Holz für ein solches Instrument so lange abgelagert ist? Wehle: Es darf einfach keine Restfeuchte mehr haben. Das ist beim Klavier ja genauso. Warum gab es nach dem Krieg Blüthner und Bechstein zunächst nicht mehr? Weil ihnen im Krieg das Holzlager verbrannte. So konnte Steinway seine Karriere machen. Bei billigeren Instrumenten wird das Holz künstlich getrocknet: Es gibt da Trocknungskammern, in die das Holz kommt. In zwei, drei Tagen wird es dabei heruntergetrocknet. Aber dieses natürliche Trocknen über zehn, 20 Jahre, und in diesem Fall über 90 Jahre, ist einfach besser für das Holz. Spiegel: Würde man denn den Unterschied sofort hören? Wehle: Den würde man natürlich schon spüren, ja. Man wird schon spüren, ob das Holz noch viel arbeitet oder gar irgendwo reißt. Das ist immer die Gefahr, wenn es nicht richtig trocken ist. Meyer: Es gab daher bei Wurlitzer einen Meister, der jeweils das Holz für die verschiedenen Instrumente ausgesucht hat: Wenn das ein Solisteninstrument werden sollte, dann hat er am Klang – er hat dazu einfach auf das Holz geschlagen – gehört, wie kompakt dieses Holz ist, welche Qualität es besitzt. Wehle: Man sagt das ja auch von Stradivari: Er hat die Bäume im Wald für seine Instrumente selbst ausgesucht. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber ... Spiegel: ... und wenn, dann hat es sich jedenfalls gelohnt. Wehle: Auf jeden Fall. Spiegel: Muss denn das Grenadill-Holz genauso lange trocknen wie das Buchsbaumholz? Wehle: Ja, durchaus. Spiegel: Mich würde jetzt doch noch einmal der direkte Vergleich interessieren. Würden Sie doch bitte mal den gleichen Ton jeweils in Ihr Instrument blasen? Meyer: Ach, herrje. Spiegel: Ich bin gespannt, ob wir da einen Unterschied hören. Wehle: Ich glaube nicht, dass da ein einziger Ton reicht, aber bei längeren Passagen hört man das im Vergleich sehr wohl. Ich habe das ein paar Mal ausprobiert: Sabine spielte den ersten Satz der Phantasiestücke von Schumann einmal auf der schwarzen und einmal auf der braunen Klarinette. Und ich bin dann auch schon mal durch den Saal gegangen, um mir das anzuhören. Je nachdem, wo man sich im Saal gerade befindet, hört man den Unterschied stärker oder schwächer. Dieses braune Instrument hat einfach einen wunderbaren schmelzenden Ton. Das ist wirklich wunderschön. Spiegel: Sie können jetzt gar nicht sofort spielen, weil das Blatt nicht drin ist. Lassen Sie uns also stattdessen gleich über das Geheimnis des sogenannten Rohrblatts sprechen. Auch hier gibt es ganz unterschiedliche Philosophien: Es gibt härtere und weichere Blätter. Warum ist das so wichtig? Wehle: Dieses Rohrblatt ist ja das Einzige, was schwingt bei diesem Instrument. Beim Sänger schwingen die Stimmbänder und bei uns schwingt eben dieses Rohrblatt. Es kann sich daher jeder vorstellen, dass es elementar wichtig ist für die Tonerzeugung. Sie haben ganz recht, da gibt es nun verschiedene Philosophien. Ich will das jetzt nicht allzu ausführlich darlegen, denn wir haben hier kein reines Klarinettenpublikum vor dem Fernseher sitzen. Es ist jedenfalls so, dass das Mundstück eine Öffnung hat: Die Österreicher spielen sehr, sehr lange, aber kleine Öffnungen mit sehr dicken Rohrblättern. In der französischen Schule hingegen sind das nur sehr kurze Bahnen mit sehr weiten Öffnungen. Das heißt, da spielt das Blatt keine so große Rolle. Beides hat Vor- und Nachteile. Die französische Schule mit den kurzen, offenen Bahnen ist tonlich sehr flexibel: Damit kann man super artikulieren, die Klangfarben variieren usw. Die österreichische Schule mit den langen Bahnen und den dicken Rohrblättern bedingt, dass so eine Klarinette einfach unheimlich Power hat in einem großen Orchester. Wir hier in Deutschland liegen mit den Mundstücken und den Blättern so ein bisschen dazwischen: Wir verbinden für meinen Begriff beide Vorteile, denn wir können noch super artikulieren und haben trotzdem ein bisschen Power. In Deutschland geht die Entwicklung nun allerdings ein bisschen stärker in Richtung offener Mundstücke, weil die Leute alle keine Rohrblätter mehr machen wollen. Früher haben das die Klarinettisten selbst gemacht, heute kauft man Blätter. Das funktioniert dann aber alles nicht so gut und deswegen nimmt man dann weitere Bahnen, weil das dann keine so große Rolle spielt. Leider ist dann auch der Ton nicht mehr ganz so schön.