V. Die Mordaktionen, Das „Besatzungs-Klima" Und Die Zwangsarbeitslager Während Der „Endlösung"
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V. Die Mordaktionen, das „Besatzungs-Klima" und die Zwangsarbeitslager während der „Endlösung" 1. Die Organisation der „Endlösung" in Ostgalizien Der Prozeß der „Endlösung" in Ostgalizien, der hier in seiner Entwicklungsgeschichte dargelegt wurde, bestand aus Hunderten von Mordaktionen. Allein nach den Ermittlun- gen von Berenstein und Krugtow fanden mindestens 179 Massenerschießungen statt. In mindestens 129 Fällen erfolgten brutale Deportationen, bei denen Tausende Opfer an Ort und Stelle erschossen wurden. Mindestens 65 Deportationszüge fuhren nach Bel- zec1. Die Zahl der Massenerschießungen war mit Sicherheit weit höher als von beiden Autoren angegeben. Diese Verbrechen können hier natürlich nicht im einzelnen darge- legt werden. Da die Abläufe aber in den verschiedenen Zeitabschnitten sehr ähnlich wa- ren, läßt sich eine Typologie dieser Einzelvorgänge entwickeln. Das soll im folgenden versucht werden. Die Organisation des Judenmordes in den Dienststellen Wenden wir uns zunächst aber den Abläufen der „Endlösungs"-Organisation innerhalb der Dienststellen im Distrikt zu. Auch sie wurden im Laufe des Jahres 1942 zu standar- disierten Vorgängen, die sich ständig wiederholten. Der Stab des SS- und Polizeiführers Der Stab des SS- und Polizeiführers (SSPF) wurde im Frühjahr 1942 zum Führungsor- gan des Massenmordes im Distrikt Galizien. Dabei waren dort weniger als zehn SS-An- gehörige beschäftigt. Und selbst von diesen waren nicht immer alle in der „Endlösung" tätig. Schon 1941 sorgte Katzmann für die Einrichtung der Zwangsarbeitslager und die kombinierten Mordeinsätze von Sicherheits- und Ordnungspolizei. Ende 1941 gab Katzmann noch persönlich Anweisungen an den Lemberger Judenrat, der sich dazu beim SSPF einzufinden hatte. Damals war er aber auch noch mit anderen Aufgaben be- traut wie der Einrichtung einer Polizeiorganisation, dem Umbau der Milizen in die Hilfspolizei und der Hochwasserbekämpfung ab September 1941. Speziell für die Ju- denverfolgung verantwortlich waren vor allem der Stabsführer Willi Ost, Friedrich Hil- debrand und die Referenten für die Zwangsarbeitslager. Im Laufe des Jahres 1942, besonders ab Ende Juli, wurde jedoch der Judenmord zur Hauptaufgabe des SSPF-Stabes, wie auch eine Sekretärin bestätigt: „Andererseits ist es richtig, daß die Dienststelle des SSPF vorwiegend nur mit Judenangelegenheiten zu tun hatte."2 Die Weisungen des HSSPF mußten umgesetzt werden. Zur Vorbereitung wur- den die jüdischen Gemeinden zahlenmäßig genau erfaßt. Für die Deportationen mußten 1 Berenstein, Eksterminacja, Tabellen; Krugtow, S. 102-107 (hier nach unten korrigiert). 2 GStA Berlin P(K) Js 7/68, Vern. F.M., 9. 2. 1966. 268 V. Die Mordaktionen, das „Besatzungs-Klima" und die Zwangsarbeitslager Gespräche mit den Funktionären der „Aktion Reinhard" in Lublin und mit der Reichs- bahndirektion in Lemberg geführt werden. Damit waren Tag und Ort der „Judenak- tion" vorbestimmt. Der gemeinsame Einsatz aller Polizeizweige wurde von Katzmann mündlich mit den Kommandeuren der Sicherheitspolizei (KdS), der Ordnungspolizei (KdO) und der Gendarmerie (KdGend) besprochen. Dies geschah alle zwei bis drei Wo- chen3. Die verschiedenen Kommandeure gaben dann schriftliche Weisungen an ihre nachgeordneten Dienststellen. Die Hauptaufgabe des SSPF-Stabes in der „Endlösung" wurde ab Ende Juli 1942 die Bestimmung des Opferkreises. In Lemberg selbst stempelte Adjutant Inquart dazu eigenhändig tagelang Arbeitsausweise von Juden. Während der großen „Judenaktionen" waren meist Katzmann persönlich oder einer der Judenrefe- renten anwesend. Gerade in Lemberg beteiligten sich Stabsangehörige häufig an der Se- lektion von Arbeitern. Ab Herbst 1942 intensivierte sich die Rolle des SSPF-Stabes in der „Endlösung" nochmals. Mit den Absprachen über die jüdischen Arbeiter vom Oktober war Katz- mann formal Herr über diese geworden. Die bestehenden Lager wurden sukzessive von SSPF-Personal übernommen, hinzu kamen die nach den Morden zu Lagern umgewan- delten Gettos. Die direkte Übernahme des Lemberger Gettos als „Judenlager" ist das herausragende Beispiel hierfür. Die endgültige Auflösung der Gettos 1943 wurde in ei- ner Vielzahl von Fällen von Angehörigen des SSPF-Stabes geleitet bzw. beaufsichtigt. Dies erstaunt um so mehr, als der SS- und Polizeiführer auch in der zweiten Hälfte des Jahres 1942 eine Vielzahl weiterer Aufgaben zu erfüllen hatte. Katzmann beklagte sich gegenüber Gouverneur Wächter Ende 1942: „... daß die Polizei durch Arbeitererfassung, Ernteerfassung, Judenumsiedelung und allgemeine Si- cherheitsaufträge derart überlastet ist, daß eine weitere Intensivierung nicht möglich ist. Hinzu komme die außerordentlich beschränkte Lage im Fahrzeugsektor."4 Die Aufgabenteilung innerhalb des Stabes läßt sich nicht mehr zweifelsfrei rekonstruie- ren, da diese Frage nach dem Krieg eine erhebliche strafrechtliche Relevanz hatte und sich die Beschuldigten in ihren Aussagen folglich zurückhielten. Die Anweisungen zu groß angelegten „Judenaktionen" gab Katzmann selbst, zu den übrigen sein Stabsführer Willy Ost. Allerdings war Ost wegen seines exzessiven Alkoholkonsums nur einge- schränkt dienstfähig. Unmittelbar bei Getto-Räumungen waren zumindest Judenrefe- rent Hildebrand und Katzmanns Adjutant Inquart führend tätig. Für die einzelnen La- ger waren neben Hildebrand vor allem Löhnert, Röder, Eisfeld, Willy Schulze zustän- dig. Eine Vielzahl nomineller Stabsangehöriger war in den Lagern selbst eingesetzt und an diesen Orten auch oftmals Leiter der Judenmorde5. Gerade von August bis November 1942 war der SSPF-Stab so sehr mit verschiedenen Aufträgen beschäftigt, daß die - an sich schon schwach entwickelte - Aufgabenteilung6 gänzlich hinfällig wurde: 3 Ebenda, Vern. A. Löhnert, 8. 9. 1965. 4 BÄK NS 19/2664, Wächter an GBA/GG, 24. 11. 1942. 5 Vgl. im einzelnen die Urteile gegen Hildebrand, Inquart und Löhnert sowie StaL EL 317 III, LG Stuttgart Ks 5/65, Vern. R.A., 1. 8. 1967. 6 Die nominelle Aufgabenteilung geht aus BDC Ordner 47, Schreiben HSSPF Krüger an SS-Füh- rungshauptamt, 28. 9. 1942, hervor. Sie führt Warzok, Raebel, Bolten, Löhnert, Hildebrand, Ro- kita und Schulze als Judenreferenten an. 1. Die Organisation der „Endlösung" 269 „Nach meiner Kenntnis war die Dienststelle [...] eine gut funktionierende Einrichtung und ich würde heute sagen, die Angehörigen dieser Dienststelle waren eine Arbeitsgemeinschaft, die die wesentlichen Probleme, die anfielen, gemeinsam erledigten."7 Nach den Judenmorden erstattete Katzmann seinem Vorgesetzten, dem Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) Friedrich-Wilhelm Krüger, regelmäßig Bericht, im Jahre 1942 vermutlich täglich8. Im Sommer 1943 zeichnete sich ein erheblicher Funktionswan- del des SSPF ab. Nach der Ermordung fast aller Juden rückten der erbarmungslos ge- führte Anti-Partisanenkrieg und die Erfassung bzw. Ansiedlung Volksdeutscher in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD und seine Außenstellen Die detaillierten Anweisungen zu den Massenmorden gab die Behörde des KdS. Sie wurden i m Raum Lemberg von eigenem Personal, sonst von ihren Außenstellen ausge- führt. Bis in den Herbst 1941 hinein wurde sie dabei in erster Linie vom Reichssicher- heitshauptamt (RSHA) und vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei (BdS) angewiesen, 1942/43 gab dann Katzmann die Rahmenbefehle. Wegen der fehlenden Akten sind die Weisungen von BdS und RSHA bis jetzt nur indirekt zu erschließen9. Von Seiten des SSPF erfolgte die Befehlserteilung in größeren Abständen bei den Kommandeursbespre- chungen, sonst kam Judenreferent Engels direkt zu Katzmann: „Engels war häufiger beim SSPF. Wenn er zu uns kam, war am nächsten Tag meistens eine Judenaktion."10 En- gels arbeitete anschließend den Befehl zur „Judenaktion" aus, der meist an eine Außen- stelle gerichtet war. Bei den Morden in Lemberg und in den Kreisen Lemberg-Land, teil- weise auch Brzezany und Zloczow, rückte ein eigenes Kommando des KdS unter Sta- wizki im Omnibus aus11. Es bestand aus Angehörigen des Judenreferats und meist wei- teren Gestapo-Funktionären, die normalerweise andere Aufgaben ausführten. Ab etwa Oktober 1942 wurde ein festes Exekutionskommando des KdS rekrutiert, das genauso strukturiert war. Stawizki bevorzugte dabei Beamte, die früher in der Sicherheitspolizei- Schule in Zakopane ausgebildet worden waren12. Die Ukrainer-Einheit des KdS er- gänzte dieses Kommando. „Wenn Stawizki hierzu sein Büro verließ, teilte er mir mit, daß er zur ,Ex* fährt."13 Neben den Deportationen wurden die Massenerschießungen - vor allem in den Hügeln hinter dem Janowska-Lager - zur Hauptaufgabe dieses Kom- mandos. Von ihm wurden auch die Juden erschossen, die vereinzelt in Lemberg aufge- 7 StaL EL 317 III, LG Stuttgart Ks 5/65, Vern. der Sekretärin J.G., 11.1. 1967. 8 Vgl. DALO R-36/2/13, Einlieferungsbuch für Postsendungen des SSPF, 4. 4.-16. 6. 1942; DALO R-36/2/14 dasselbe für 28. 3.-3. 7.1943 verzeichnet nur unregelmäßige Schreiben an HSSPF Krü- ger. 9 Die Tätigkeit Eichmanns bezüglich des GG bedarf noch der Untersuchung, über die Abteilung Gegnerbekämpfung IVB und das Judenreferat IVB4 des BdS unter Kriminalrat Max Müller und Polizei-Inspektor Hahn ist fast nichts bekannt. Vgl. AGK CA 375/251, Geschäftsverteilungsplan BdS zum 15. 10.1942; Müller behauptete in seiner Vern. vom 15. 1.1963, nur für ausländische Ju- den zuständig gewesen zu sein (ZStL 201 AR 1434/61). Schwach bezüglich der Rolle des SD: Ramme. 10 GStA Berlin P(K) Js 7/68, Vern. A. Löhnen, 8. 9. 1965. 11 StaL EL 317 III, LG Stuttgart Ks 5/65, Vern. B.M., 16. 2.1962. Vermutlich war dieses