FEIERTAGSKONZERT Neujahrskonzert: Maskenball mit Donner und Blitz

Nikolaisaal | Großer Saal Dienstag, 1. Januar 2013 | 17.00 Uhr

MITWIRKENDE

Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt Leitung und Moderation: Scott Lawton PROGRAMM

Gustav Holst (1874-1934) Indra op. 13 Tondichtung

Josef Strauß (1827-1870) Dynamiden-Walzer

Aram Chatschaturjan (1903-1978) Mazurka aus der Suite Maskerade Nach der Zwischenaktmusik zu Lermontows gleichnamigen Schauspiel

César Franck (1822-1890) Les Eolides (Die Äoliden) Tondichtung

Johann Strauß jr. (1825-1899) Unter Donner und Blitz Schnellpolka

PAUSE Johann Strauß jr. Ouvertüre zur Operette Die Fledermaus

Csárdás aus der Operette Die Fledermaus

Carl Nielsen (1865-1931) Ouvertüre zur Oper Maskarade

Aram Chatschaturjan Walzer aus der Suite Maskerade Nach der Zwischenaktmusik zu Lermontows gleichnamigen Schauspiel

Johann Strauß jr. Tik-Tak-Polka

Carl Nielsen Hahnentanz aus der Oper Maskarade

Aram Chatschaturjan Galopp aus der Suite Maskerade Nach der Zwischenaktmusik zu Lermontows gleichnamigen Schauspiel VON GÖTTERN, ATOMEN, DEM WETTER UND MENSCHLICHEN LEIDENSCHAFTEN...

erlernte, eröffneten sich ihm völlig neue Welten und Ideen für einen musikalischen Exotismus. Eine Idee führte zu der Tondich- tung Indra, die jener vedischen Gottheit gewidmet ist, die die produktiven Kräfte der Natur verkörpert. So gilt Indra – der »König« der Götter – als Gott des Kampfes und der Krieger, der Fruchtbarkeit, der Schöpfung, des Sturmes und Regens – und somit des Himmels. Dort regiert er gemein- sam mit seiner Göttergattin Indrani über Gustav Holst eine Art »Kriegerparadies« in den Wolken. Holst entwirft in seiner Musik ein leben- Hinter seiner Orchestersuite Die Planeten diges Porträt dieses »Erhalters der Welt«, (1916), die als Kultstück mythologischer der den Drachen Vrita mit seinem Don- Erlebnissucher vor allem im Hi-Fi-Zeitalter nerkeil bezwingen und so eine drohende zu boomen begann, führen Gustav Holsts Dürre abwenden kann. Am Ende steht der einige 100 Werke – vor allem die frühen fruchtbaren Kraft des Regens nichts mehr – eher ein Schattendasein. Doch dass die- im Wege. Die Musik ist bemerkenswert dy- ser englische Komponist lettisch-schwe- namisch und farbenreich, wenngleich die discher (und weit entfernt auch spanischer) indischen Einflüsse rein literarischer Natur Abstammung einzig an seinen Planeten sind. gemessen wurde, verbitterte ihn selbst nicht im geringsten, pflegte er doch zu sa- Àpropos »literarisch«: Was wären die gen, dass es die größte Freude für einen Klatschspalten der (Wiener) Massen- Künstler sei, bekannt und respektiert zu presse ohne die Errungenschaften des sein bei all denen, die sich für wahre Kunst Strauß'schen Jahrhunderts gewesen? Die interessieren, und ignoriert zu werden vom Industrielle Revolution und die kleinen ganzen Rest. Dabei war Holst ungeachtet technischen Neuerungen des Alltags fan- seines kurzen, von andauernder Krankheit den sich ebenso in der Boulevardpresse überschatteten Lebens ein Musiker mit der Zeit wieder wie die Boulevardthemen breitem stilistischem Horizont, der etliche in den Wiener Walzern, Polkas und Mär- Genres abdeckte. Mit 20 Jahren begann schen. Ob Eisenbahn-Lust, Aether-Träume er sich für hinduistische Philosophie und (eine Persiflage auf die im Jahr 1847 von Sanskrit-Literatur zu interessieren, und Wiener Ärzten eingeführte Narkose) oder indem er selbst die alt-indische Sprache aber der Feuilleton-Walzer und Leitartikel

4 | neujahrskonzert (Reverenzen an neue Formen des Zeitungs- mehr als etwa bei Prokofjew oder Scho- wesen) – jene »Genres« übten eine beson- stakowitsch – in vielfältiger Weise von dere Anziehungskraft aufeinander aus und der Volksmusik seiner (kaukasischen) Hei- schufen ihre eigenen »Wiener« Geschich- mat geprägt. Nach dem Tod Stalins fiel ten. Auch Josef Strauß' Walzer Geheime auch seine Musik unter die Zensur der Anziehungskräfte (Dynamiden) gehört in sowjetischen Kulturpolitik. Sein Spagat diese »kulturverbindende« Kategorie. Ge- zwischen äußerlichem Partei- und persön- schrieben für den Industriellen-Ball 1865, lichem Gestaltungs-Anspruch zeigt sich erschloss die Musik Gefilde, die in der am unmittelbarsten im Jahr 1944, als er Regel weniger der Tanz- als vielmehr der sowohl die Staatshymne der Armenischen Unterhaltungsmusik galten und ging weit Sozialistischen Sowjet-Republik als auch über die Grenzen der traditionellen Walzer- die Bühnen-Musik zum Schauspiel Maske- Form hinaus in Richtung sinfonische Musik. rade komponierte, einer leidenschaftlich- Und es ist sicher kein Zufall, dass die Dy- kritischen Vers-Satire auf die zaristische namiden unverkennbar in Richard Strauss' Adelsgesellschaft des russischen Romanti- Rosenkavalier-Walzer widerhallen. In kers Michail Lermontow. Arbenin, ein mei- Anspielung auf das bedeutende Werk sterhafter Kartenspieler, hat der überaus des Maschinenbauingenieurs Ferdinand erfolgreichen Spielsalon-Zeit den Rücken Redtenbacher (Das Dynamiden-System. gekehrt. Ihn fasziniert viel mehr das ihm Grundzüge einer mechanischen Physik; gleichermaßen neue wie suspekte Glück 1857) hatte Strauß, als er dieses Werk ver- in der Liebe zu seiner jungen Frau Nina. So fasste, offenbar wirbelnde Atome im Sinn, reicht eine unglückliche Verwechslung auf noch konkreter vielleicht das Atom-Modell einem Maskenball, um seine Eifersucht Pilipp Lenards (in dem Dynamiden die Bau- zu entfachen. Und so kommen hinter den steine des Atoms darstellen). So erklärt Masken die wahren Gesichter zum Vor- sich wohl auch der »Untertitel« des Stücks schein, werden verborgene Karten aufge- – Geheime Anziehungskräfte –, dürfte deckt, und das Liebesglück fällt in sich zu- doch die Atomphysik auf den gelernten sammen wie ein Kartenhaus: Arbenin tötet Ingenieur Strauß eine große Faszination Nina und verliert den Verstand – auch sein ausgeübt haben. Jedenfalls erreicht diese Spiel ist aus. Musik geradezu verblüffende, übernatür- Die Zwischenakt-Musiken zu diesem liche Kräfte – Kräfte, die sich hinter dem Schauspiel sollten die Stimmung und verstecken wollen, was die Realität zu sein das Milieu von St. Petersburg zur Zeit scheint... des Zaren untermalen. Aus diesen stellte Chatschaturjan Walzer, Nocturne, Mazur- Aram Chatschaturjans Tonsprache ist – ka, Romanze und Galopp zu einer konzer-

neujahrskonzert | 5 seus und seine Gefährten genossen seine Gastfreundschaft; für die Heimfahrt gab er ihnen einen Sack mit ungünstigen Win- den mit, der verschlossen bleiben sollte. Gleichzeitig griff er Odysseus auf seiner Heimfahrt mit günstigen Westwinden un- ter die Arme. Seine Gefährten jedoch öff- neten den Sack kurz vor Erreichen Ithakas. So konnten alle Winde entweichen, und das Schiff wurde zur Aiolos-Insel zurück- getrieben. So wehte Odysseus' erneute Bitte um günstige Winde schlichtweg an Aiolos' Ohr vorbei. Auch bei der Premiere Karl Hofer: Maskerade (1922) von Francks Äoliden (bei einem Konzert der Pariser Société Nationale im Mai 1877) tanten Orchester-Suite zusammen. Die wehte kein besserer Wind: Das Stück Mazurka (ein stilisierter, walzerartiger pol- wurde anstandslos ausgezischt. Erst bei nischer Volkstanz) – gewissermaßen dra- späterem Hören blies ihm eine Brise der maturgisches Zentrum der Suite – ist trotz Begeisterung entgegen. ihres derberen rhythmischen Impulses von Die in einem Satz (Allegro vivo) geschrie- einer verspielten Leichtigkeit (man höre auf bene Musik erzählt ihre eigene Geschichte: das wiederkehrende, chromatisch herab- Das Eröffnungsmotiv verleiht den ersten fallende Motiv der Holzbläser), als ließe Zeilen des Poems Ausdruck: »Oh, leichte sie (die) Puppen tanzen und ab und zu ei- Winde des Himmels, süße Atemzüge des nen lustigen Knicks machen. liebreizenden Frühlings, die die Hügel und Ebenen umschmeicheln mit frischesten In seiner ersten sinfonischen Tondichtung Küssen.« Auch im weiteren Verlauf der Les Eolides (Die Äoliden) haucht César Musik spiegelt sich die Empfindung des Franck Charles Marie Leconte de Lisles Gedichts bildhaft wie eindrucksvoll wider gleichnamigem Poem und somit dem – mit durchweg sanften Tönen (die Harfe klassischen Mythos von Aiolos, dem grie- spielt hier eine wichtige Rolle) ohne große chischen Gott des Windes, musikalisches dynamische oder Stimmungs-Wechsel. Die Leben ein. Instrumentierung ist transparent, und ob- Aiolos bewohnte laut Homers Odyssee wohl sich das thematische Material, das die im fernen Westen liegende, legendäre zunächst nacheinander und dann überei- schwimmende Insel Aiolia. Auch Odys- nander erscheint (ein Lieblings-Kunstgriff

6 | neujahrskonzert des Komponisten), extrem chromatisch anderen slawischen Tänzen kamen meh- gebärdet, wahrt die Musik eine einhellig rere lokale Abwandlungen der Polka auf harmonische wie melodische Welt und wie die elegante Polka française, die Polka ein klares Gefühl von frühlingshaft-freund- hongroise, die Polka mazur, die Polka à la lichem Dur. Polacca oder die auch von Johann Strauß aufgegriffene Schnellpolka. Unter Donner Die Polka gehörte im späten 19. Jahr- und Blitz (1868) ist jedenfalls die lärmigste hundert zu den beliebtesten Tänzen – sie unter Strauß' Tanzstücken, hervorgerufen wurde dementsprechend von fast jedem durch permanente Paukenwirbel und Be- bedeutenden Komponisten von Tanzmu- ckenschläge und einem donnernden Tosen sik aufs Notenpapier gebracht, von na- am Ende des Stücks. hezu allen Militärkapellen gespielt und in gedruckter Form über die ganze Welt Es geht nichts über einen guten Trailer, der verbreitet. Einige der Charakteristika der anschaulich und pointiert erzählt was einen Polka erscheinen bereits in der Musik der erwartet. Das ist beim Film nicht anders als böhmischen Dörfer um 1800. Ansonsten in der Musik. Die Ouvertüre zur Fledermaus ist ihr Ursprung unklar und basiert vielfach von Johann Strauß junior verführt den Hö- auf Legenden. Demnach soll sie etwa ein rer vorab mit süßen Melodien, federnden tschechisches Landmädchen namens Anna Rhythmen und einer packenden Besetzung, Slezák aus dem Ort Týnec nad Labem 1830 die anspielen auf die Verwechslungssze- erfunden haben; danach hätte die Polka nerie, den Galaball und die wendehalsige den Namen von ihrem Halbschritt (tsche- Handlung, die – kurz gefasst – von ei- chisch: pulka = Hälfte). Aus dem Tsche- ner Frau, ihrem Liebhaber, Ehemann und chischen und Polnischen übersetzt bedeu- Dienstmädchen sowie von einem großen tet »Polka« jedoch schlichtweg »Polin« – Ball und dem Mann, der zu Unrecht im und so wurde der Tanz seit seiner Verbrei- Knast landet, erzählt. Die Ouvertüre dürfte tung von Prag (1835) aus über ganz Europa Strauß erst in Angriff genommen haben, auch genannt (vielleicht aus Sympathie für als der größte Teil der Partitur bereits ge- die damals unterdrückten Polen). Zunächst schrieben war, denn sie fasst auf geniale einmal ist die Polka nichts anderes als ein Weise bedeutsame Motive des Werkes beschwingter Rundtanz im lebhaften bis zusammen. Sie eröffnet mit einem Motiv raschen Zweivierteltakt mit einer Folge aus drei Noten, das den dramatischen Hö- von Wechselschritten (kurz-kurz-lang, von hepunkt des dritten Aktes bereits vorweg- einem Hüpfer eingeleitet) und einer Be- nimmt: das Trio von Rosalinde, Eisenstein tonung auf dem ersten Kurzschritt. Unter (ihrem Gatten) und Alfred (ihrem Liebhaber, Aufnahme einzelner Pas (Tanzschritte) aus der irrtümlich für Eisenstein gehalten und

neujahrskonzert | 7 Johann Strauß ins Gefängnis gesteckt wird). Dieses Mo- nur scheinbar elegischen Andante con mo- tiv durchzieht die ganze Ouvertüre – das to über, das überspitzt Rosalindes Enttäu- Publikum beharrlich darauf hinweisend: schung darüber zum Ausdruck bringt, nicht »Ja, ich bin's (den ihr betrogen)«. Doch die am Ball teilnehmen zu können (Terzett Nr. Dramatik wendet sich sogleich zum Amü- 4, »So muss ich allein bleiben«), das vom santen und bettet sich durch eine Reprise folgenden »O je, o je, wie rührt mich dies« des Beginns sowie dem darauffolgenden, jedoch humorvoll als Heuchelei entlarvt tändelnden und doch energisch gestei- wird; in dieser vergnügten Polka spiegelt gerten Allegretto in die Operettensphäre sich ebenso die freudige Erregtheit wider, ein. Ein elegantes, von Hörnern und Flöten die Adele (Rosalindes Dienstmädchen) bestimmtes Grazioso (aus dem alles erklä- und Eisenstein ob ihrer Einladung zum Ball renden Finale des dritten Akts, »Alles was erfasst. Mit flüchtigen Themen-Reprisen dir Sorgen macht, war ein Scherz«) leitet (Wiederholung des Grazioso und des Wal- zum Höhepunkt der Ouvertüre über, dem zers) kehrt die Ouvertüre zum Motiv der mitreißenden Walzer aus dem zweiten Fi- Polka zurück und macht einem grandiosen nale des 2. Akts, »Bei rauschender Weise Ende Platz. in fröhlichem Kreise lasset uns selbst hier Am 25. Oktober 1873 hatte die Diva des tanzen nun«, der die Partygesellschaft in Theaters an der Wien, Marie Geistinger, den Chorwalzer »Ha, welch ein Fest, wel- bei einem Konzert im Musikverein (zu che Nacht« führt. Mit einem lebendigen Gunsten einer nach einer Choleraepide- Zwischenspiel geht die Ouvertüre zu dem mie dringend nötigen Ungarn-Hilfe) jenen

8 | neujahrskonzert Csárdás für Gesang und Orchester vor- den haben, die die Väter zuvor füreinander getragen, der später als Einlage in den bestimmt hatten. So weit so gut. Doch so zweiten Akt der Fledermaus übernommen seicht, wie es scheint, ist es nicht. Das wurde. In den darauffolgenden Wochen Ganze spielt sich ab in einer Zeit des Auf- stellte Johann Strauß gemeinsam mit dem bruchs aus einer strengen, pietistischen Dirigenten, Komponisten und Textdichter Moral in eine mehr Lebensfreude vermit- Richard Genée den Großteil der Partitur telnde Zeit. Den Weg dahin ebnen vielfach des Werkes fertig (laut zeitgenössischen die Maskeraden, hinter deren Schutz man Berichte innerhalb von 42 Tagen!). Der Au- sich richtig austoben kann. Auch der Kon- tograph der Operette weist neben dieser flikt zwischen Arm und Reich, zwischen vokalen jedoch ebenfalls eine in manchen Alt und Jung spielt in Nielsens einziger ko- Details abweichende, rein instrumentale mischer Oper eine wesentliche Rolle. Das Fassung auf (Csárdás für Orchester). Die Libretto von Vilhelm Andersen basiert auf Uraufführung des Csárdás für Orchester dem gleichnamigen Theaterstück von Lud- fand ein Jahr später (am 25. Oktober 1874) vig Holberg, der mit seiner heute harmlos im Wiener Musikverein statt. Veröffent- erscheinenden Rokoko-Komödie scharf ge- licht wurde die Version allerdings erst im gen die behördliche Einschränkung der Ko- Jahre 1968: in der von Hans Swarowsky penhagener Maskenfeste demonstrierte. revidierten Ausgabe der Fledermaus (nach Die Maskarade gilt seit ihrem durchschla- der sie auch einzeln erschien). Hier weht genden Erfolg bei ihrer Uraufführung am auf temperamentvolle Weise (mit der ty- 11. November 1906 (nicht zuletzt wegen ih- pischen Steigerung des Tempos) eine Brise ren gesellschaftskritischen Hintergrundes) Ungarn durch die Donaumetropole und um als heimliche Nationaloper Dänemarks. die Welt. Nielsens Maskarade erinnert ob ihrer mu- sikalischen Unbeschwertheit zuweilen an Auch in Carl Nielsens Oper Maskarade die Fledermaus – mit ein wenig Mozart und geht es doppelbödig zu. Zwei wohlhabende Rossini angemacht und mit dänischer Fol- Väter haben beschlossen, ihre Kinder mit- klore und romantischer Harmonik gewürzt. einander zu vermählen. Doch auf einem Die übersprudelnd spiellaunige Ouvertüre Maskenfest am Tag zuvor haben sich diese eröffnet mit theatralischem Aplomb, unter beiden bereits in ihnen vermeintlich unbe- dessen Oberfläche bereits das tänzerische kannte Partner verliebt. Von den Verkupp- Hauptthema hervorspringt. Aus einer hu- lungsplänen ihrer Väter halten sie daher morvoll-pikanten Melodie, von Streichern wenig. Nach einiger Verwirrung ergibt sich und Holzbläsern präsentiert, entwickelt aber auf dem folgenden nächtlichen Mas- sich ein lebhaftes Fugato für das ganze kenball, dass sich damit genau die gefun- Orchester, das schließlich zum Hauptthe-

neujahrskonzert | 9 leihen und daraus eine »Polka schnell« zu machen. Das Ergebnis – die Tik-Tak-Polka – ist eine putzmunter federnde, von Anfang bis Ende ausgelassen verspielte Musik, getrieben von scharf-würziger Perkussion, zirpenden Holzbläsern und immer wieder dazwischenfahrendem, aufpeitschendem Blech. Als solle man ja keine Zeit ver- schwenden, jeden Unsinn mitmachen und die guten Vorsätze für das neue Jahr auch mal außen vor lassen...

Der dritte Akt von Nielsens Oper Maska- rade besteht quasi nur aus einer Masken- ball-Szenerie, während der sich auch der Carl Nielsen ebenso kokettierende wie aufgeblasen bal- zende Hahnentanz abspielt. ma zurückkehrt und eine frenetisch-feurige Coda entfacht. Mit Galopp ins neue Jahr – und zum Schlusspunkt dieses musikalischen Mas- Da passt der festlich aufrauschende Wal- kenballs! Im Finale furioso der Maskerade- zer aus Chatschaturjans Maskerade mü- Suite Chatschaturjans jagt das Orchester in helos ins Bild. Mit seiner großen Batterie einem atemlosen Allegro vivo gleich einem an vitalem Schlagwerk, den übermütigen rasanten wie facettenreichen Jahres- Einsprengseln und dem ausgelassen-heiter rückblick durch wechselnde musikalisch- klingenden Intermezzo – in allem spiegelt seelische Landschaften, mal angetrieben sich der ausschweifende Lebenswandel durch rasante Tonwiederholungen der von Lermontows Figuren – steht er in selt- Blechbläser, mal durch frech-dissonante samem bis trotzigem Kontrast zu der be- Einwürfe der Holzbläser. Nur ein »schleier- drückenden Atmosphäre der (Kriegs-)Zeit, haftes« Klarinetten-Solo stimmt für einen in der er komponiert wurde. Moment nachdenklich. Doch alsbald nimmt die Flöte die Zügel wieder in die Hand, und Ohne Zweifel ist Johann Strauß' (junior) das Orchester startet einen letzten Anlauf, populärstes Großwerk die Fledermaus. Ein bis es die Korken knallen lässt. Ein kräf- Grund mehr für den Komponisten, sich ein tiges Prosit Neujahr! paar Motive aus seiner Operette zu ent- Christoph Guddorf

10 | neujahrskonzert SCOTT LAWTON

den Scorpions, Udo Lindenberg, Jon Lord und Omara Portuondo mit dem Buena Vista Social Club, sowie Konzerte bzw. Aufnahmen mit Joseph Calleja, Tatia- na Lisnic, und Roger Hodgson.

Stummfilme von Charlie Chaplin, Fritz Lang, Alfred Hitchcock und Laurel und Hardy hat Lawton begleitet. Als Dirigent wirkt er alljährlich beim José-Carreras- Benefizkonzert in mit sowie seit 2000 bei vielen Konzerten im Rahmen von »Classic Open Air« am Gendarmen- Scott Lawton studierte am Oberlin Col- markt in . 2005 leitete er das Er- lege und am College Conservatory of Mu- öffnungskonzert der Wiener Festwochen. sic Cincinnati. Nach Stationen als Solore- 2007, 2008 und 2010 dirigierte er das petitor in Bielefeld und Kapellmeister am Abschlusskonzert der Musikfestspiele Saarländischen Staatstheater wurde er Potsdam Sanssouci vor der illuminierten 1999 Chefdirigent beim Deutschen Film- Kulisse des Neuen Palais. orchester Babelsberg. Von 2004 bis 2009 war er auch Musikalischer Leiter bei den Neben seiner Arbeit als Dirigent kompo- Gandersheimer Domfestspielen. niert Scott Lawton für das Musiktheater: So schrieb er Mozart in Manhattan, einen Als Gastdirigent ist er mit vielen Orche- Opernkrimi über Lorenzo da Pontes Leben stern aufgetreten, unter anderem mit in New York, und Wenn Ärzte lieben, eine dem Kölner Rundfunkorchester, dem Gür- Parodie des Arztroman-Genres. zenich-Orchester Köln, dem Sinfonieor- Beide Werke wurden bei den Gandershei- chester Wuppertal, dem Saarländischen mer Domfestspielen erstmals gezeigt. Staatsorchester, der Meininger Hofkapel- le, dem Brandenburgischen Staatsorche- ster Frankfurt und dem Philharmonischen Orchester der Stadt Ulm.

Scott Lawton betreute zahlreiche sym- phonische Crossover-Projekte, u.a. mit

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BRANDENBURGISCHES STAATSORCHESTER FRANKFURT

Die Geschichte des Brandenburgischen mit eigens entwickelten »Education- Staatsorchesters Frankfurt reicht bis Projekten« für Kinder und Jugendliche ins Jahr 1842 zurück. Nach der Einheit um die musikalische Bildung von Heran- Deutschlands etablierte es sich dann in- wachsenden. Die letzte erfolgreiche Pro- nerhalb weniger Jahre als ein weit über duktion dieser Education-Arbeit waren die Landesgrenzen Brandenburgs hinaus im Mai 2011 die Aufführungen der The- wirkendes Sinfonieorchester. Dies spie- resienstädter Fassung von Hans Krasas gelt sich in der regen Gastspieltätigkeit Brundibar mit Schülern aus Slubice und wider, die das Brandenburgische Staats- Frankfurt (Oder). Seit 2010 übernimmt das orchester Frankfurt zu Konzertreisen Orchester bei den Bayreuther Festspielen durch zahlreiche Länder Europas und nach die musikalische Betreuung der »Kinder- Japan führte. Mit seinen Konzerten in der festspiele«. Konzerthalle Carl Philipp Emanuel Bach Im Laufe seiner Geschichte hat es mit und dem Kleist Forum sowie Veranstal- Künstlern wie Sabine Meyer, Ivo Pogo- tungen mit den Frankfurter Chören bildet relich, Shlomo Mintz, Daniel Hope und es den musikalischen Dreh- und Angel- Mstislaw Rostropowitsch zusammenge- punkt der Oderstadt. Darüber hinaus ge- arbeitet. Seit der Spielzeit 2007/08 ist hört es mit seinen Gastspielen im Rahmen GMD Howard Griffiths der künstlerische des Theater- und Orchesterverbundes in Leiter des Brandenburgischen Staatsor- Potsdam und Brandenburg (Havel) sowie chesters Frankfurt. in anderen Städten des Landes zum prä- genden Bestandteil des kulturellen Le- bens im Land Brandenburg. Projekte mit osteuropäischen Nachbarlän- dern bilden einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit. Seit 1993 hat es durch zahlreiche und zum Teil prämierte CD- Ersteinspielungen auf sich aufmerksam gemacht. Neben den CD-Produktionen tragen Rundfunkmitschnitte des RBB und von Deutschlandradio Kultur zum außer- ordentlichen Renommee des Brandenbur- gischen Staatsorchesters Frankfurt bei. Neben der seit jeher gepflegten Jugend- arbeit mit heranwachsenden Musikern kümmert sich das Orchester seit 2008

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Das Team des Nikolaisaals wünscht Ihnen allen ein friedliches, gesundes und glückliches Jahr 2013! IMPRESSUM

Herausgeber Nikolaisaal Potsdam Konzert- und Veranstaltungshaus der Landeshauptstadt Potsdam

Geschäftsführerin Dr. Andrea Palent

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Dramaturgie | Presse Astrid Weidauer

Marketing Holger Kirsch

Künstlerisches Betriebsbüro (Chefdisponentin) Anke Derfert

Mitarbeit Künstlerisches Betriebsbüro Sebastian Wiethaup

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Sekretariat | Buchhaltung Jacqueline Rehfeld Programmheft Technische Leitung Knut Radowsky Redaktion Astrid Weidauer Veranstaltungsmeister Ralf Knobloch Gestaltung Andreas Juhnke (a.G.) | Simon Weiß (a.G.) www.maria-pfeiffer.de

Hausmeister Bildnachweis Marcus Dölle Archiv | Agentur