Repositorium für die Medienwissenschaft

Dennis Henkel Der Seuchenfilm: Epidemien und virale Infektionen im Film Teil I: Filmographie 1905–1931 (Früher Seuchenfilm / Seuchen im Stummfilm) 2020-07-22 https://doi.org/10.25969/mediarep/14137

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Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Henkel, Dennis: Der Seuchenfilm: Epidemien und virale Infektionen im Film Teil I: Filmographie 1905–1931 (Früher Seuchenfilm / Seuchen im Stummfilm). Westerkappeln: DerWulff.de 2020-07-22 (Medienwissenschaft: Berichte und Papiere 193). DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/14137.

Erstmalig hier erschienen / Initial publication here: http://berichte.derwulff.de/0193_20.pdf

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Redaktion und Copyright dieser Ausgabe: Hans J. Wulff u. Ludger Kaczmarek. ISSN 2366-6404. URL: http://berichte.derwulff.de/0193_20.pdf. CC BY-NC-ND 4.0. Letzte Änderung: 22.07.2020.

Der Seuchenfilm: Epidemien und virale Infektionen im Film Teil I: Filmographie 1905–1931 (Früher Seuchenfilm / Seuchen im Stummfilm) Kompiliert und eingeleitet von Dennis Henkel

Inhalt: 1. Einführung: Siechtum und Seuche im Stummfilm: Präambel zu einem Epochenüberblick [2] 2. Der frühe Seuchenfilm. Eine kleine Filmographie zu Infektionskrankheiten im Stummfilm, 1905–1931 [12] 3. Quellen [51]

Medienwissenschaft: Berichte und Papiere wird herausgegeben von Hans J. Wulff und Ludger Kaczmarek in Verbindung mit Anna Drum (Dresden), Sophie G. Einwächter (Marburg), Dietmar Kammerer (Marburg), Franz Obermeier (Kiel) und Sebastian Stoppe (Leipzig). Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 2

Teil I: Filmographie Früher Seuchenfilm / Seuchen im Stummfilm, 1905–1931 1. Einführung: Siechtum und Seuche im Stummfilm: Präambel zu einem Epochenüberblick

Vorwort

Bei einem derart großen und heterogenen Corpus wie dem vorliegenden würde ein Epochenüber- blick mit Vollständigkeits-Prämisse den Rahmen sprengen. Daher soll dieser Beitrag als repräsen- tativ verstanden werden, Schwerpunkte und Tendenzen aufdeckend, um weitere Forschungsarbei- ten zu erleichtern und zu ermöglichen. Auf die Inklusion von verschollenen oder nicht öffentlich zugänglichen Filmen wurde verzichtet [1] – der geneigte Leser kann aber mittels der kommentier- ten Filmographie einen Einstieg zur Vertiefung der Thematiken von Seuchen und Infektionskrank- heiten im stummen Kino finden.

Tod durch Aerosol

Jahrhundertelang zählte die Tuberkulose (TBC) zu den häufigsten Todesursachen, und die Spani- sche Grippe bescherte dem „common cold“ eine neue Dimension der Bedrohlichkeit. Dies sind Umstände, die unterstreichen, wie stark Atemwegsinfekte die Menschheit über Jahrtausende mal- trätierten. Die Schwindsucht wurde im Stummfilm oft porträtiert, denn obwohl die Erkrankungs- rate zurückging, brachten neue wissenschaftliche Erkenntnisse grundlegende Veränderungen im Krankheits- wie Präventionsverständnis. Dieser Umstand bescherte der TBC dramaturgische Rol- len in großen Klassikern wie kleinen Lehrfilmchen, die an anderer Stelle genauer besprochen wer- den [2]. Nicht weniger großes Aufsehen erregte die Influenza, die Anfang des 20. Jahrhunderts mit ihrer bis dato tödlichsten Pandemie die Menschheit geißelte. Wie der Filmemacher D. W. Griffith die Ka- tastrophe in seinem frühen Film The Country Doctor schon 1909 antizipierte, wurde ebenfalls an anderer Stelle dargestellt [3]. Wir beginnen den Streifzug im Jahr 1919, in dem nicht nur die bisher wohl fatalste Influenza-Welle der Menschheitsgeschichte wütete, sondern auch ein kinemato- graphischer Versuch, der Seuche Herr zu werden, die Kinosäle erhellte: In Dr. Wise on Influenza (Großbritannien 1919, Joseph Best) [4] tritt der – wahrscheinlich fiktive, jedenfalls charakterisierend benannte – Mediziner als Erzähler auf, der seine Weisheiten zum Kampf gegen die Influenza zum Besten gibt. Das Lehrstück lässt einen erkrankten Protagonisten alle Hygiene-Fauxpas begehen, die dem medizinisch ungebildeten Patienten zum Verhängnis wer- den können: Er geht trotz eindeutiger Symptome zur Arbeit, vernachlässigt in öffentlichen Ver- kehrsmitteln wie bei seinem Job jegliche Abstands- und Hygieneregeln, bis er in „critical conditi- on“ verfällt und an den Komplikationen verstirbt. Aus filmhistorischer Perspektive sehen wir erste mikroskopische Aufnahmen [5] von Erregern, werden in Hygiene gemaßregelt und erfahren, wie ein Patient Genesung erlangte: Er gurgelte eine Kaliumlösung [6]. Bedenkt man, dass der Film mitten im verheerenden Ausbruch des H1N1 Subtypus des Influenzastamms erschien, kann kaum noch von Prävention als vielmehr vom Versuch der akuten Intervention die Rede sein. Ob dies rein Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 3 mediale Aufklärung bewerkstelligen kann, lässt der damals weitestgehend unaffizierte Verlauf der Spanischen Grippe bezweifeln, auch wenn die dritte Welle um 1920 weniger letal zuschlug. Der Film endet mit einem Bonmot, dass in Zeiten der Covid-19–Krise zu einer Art anachronisti- schem Déjà-vu führt: Dem Zuschauer wird nicht nur das Tragen einer Maske ans Herz gelegt, er wird sogar direkt adressiert und geschult: Die theatralische vierte Wand wird durchbrochen und das „do-it-yourself“-Anfertigen von Gesichtsmasken vorgeführt! Welchen Benefit man sich vom Tragen des Mund- und Nasenschutzes versprach, für wie groß man den protektiven Effekt hielt oder ob Selbst- und Fremdschutz die Intention war, lässt diese frühe kinematographische Bastel- stunde leider offen.

Das unbekannte Böse

Das filmische Virus bzw. Bakterium wurde von Filmemachern gerne als unbekanntes, fremdes und neuartiges Lebewesen inszeniert, das die Gesellschaft subversierte und in frenetisches Chaos stürz- te. Dies mag häufig wie ein Hitchcock’scher MacGuffin zur Erzeugung der Peripetie anmuten – man denke hier an beliebige modernere Zombie- und Endzeitfilme –, könnte aber auch als drama- turgisches Mittel zur Mystifizierung des Feindes oder zur Entfremdung des Publikums (vom ei- gentlich ubiquitären Keim) verstanden werden. Ein anderer Interpretationsansatz impliziert aber Überraschendes: Realitätskonformität. Denn nicht nur die Spanische Grippe war anfangs ein voll- kommenes Rätsel für die damalige Medizinwelt [7], auch aktuelle Pandemien wie der SARS-Cov- 2–Aufbruch waren für die Wissenschaftler im Ausbruchsort Wuhan initial ohne klar identifizierten Erreger. Nebulös bedrohliche Mikroorganismen als Kino-Entität können daher durchaus als Spie- gelung menschlicher Realitätserfahrung gewertet werden! Den filmischen Einstieg ins unbekannte Keimmilieu macht Lægen (Dänemark 1918, Fritz Ma- gnussen), in dem ein gewisser Dr. Letter versucht, die Menschheit vor der Extinktion durch Mikro- organismen zu bewahren. Erstaunlich scheint aus medizinhistorischer Perspektive, dass der Dok- tor mittels Antigentherapie die Zivilisation rettet [8]. Doch zuvor präsentiert der Filmemacher das ganze Panorama an Seuchen-Klischees: Man sieht, wie erste Opfer heillose Panik in den Straßen verursachen, Politiker, die hilf- und ratlos debattieren, sowie Raffkes, die versuchen, aus der Kata- strophe Profit zu schlagen – womit der Film die Seuche nutzt, um in zeitgenössische Kapitalismus- kritik einzustimmen. Unterstrichen wird diese Deutung durch den garstig porträtierten dänischen Geldadel, der die unhaltbare Überzeugung hegt, Seuchen seien lediglich ein Problem der Mittello- sen und Verarmten. Am Ende triumphiert der Arzt – einiger Intrigen zum Trotz – und imponiert als Prototypus des omnipotenten Heilers. Doch die Regiearbeit zeigt auch die Gefahren der modernen Forschung auf: Ein kleiner Einbruch in das private Labor des Medicus genügt, um die Antigen-Seren zu vertau- schen und die Existenz des Arztes sowie der gesamten Bevölkerung zu bedrohen. Kapitalismus- kritik, Darstellung von Forschungsrisiken und Ärztehuldigung – Magnussen verpackt dies solide im Mantel des Pandemiefilms und zeichnet ein Dystopia, dass das Publikum bis heute in seinen Bann ziehen kann. Eine gänzlich andere Interpretation des Umgangs mit Infektionen und Seuchen fordert der US- amerikanische Spielfilm The Man Beneath (USA 1919, William Worthington) ab. Der Protagonist Dr. Chindi Ashutor reist in sein Heimatland Indien, um eine unbekannte Seuche zu bekämpfen. Der Plot wendet sich schnell von der Seuchenthematik ab und evolviert in eine Geheimbund-Ver- schwörung, die den Arzt und einen mitreisenden Freund bedroht. Die Rettung vor der Geheimor- ganisation bewerkstelligt ein Scheintod-Medikament, welches den gejagten Freund als Seuchento- ten „tarnt“ und das Duo überleben lässt. Die Krankheit wird hier instrumentalisiert, erweist sich als äußerst nützlich und wird zur Rahmenbedingung des Happy-Ends! Verharmlost wird die Krankheit aber nicht, denn Dr. Ashutor wird am Ende vor ein ethisches Dilemma gestellt und muss sich (in einer langen, melodramatischen Sequenz) zwischen seinem Privatleben und seiner Profes- sion entscheiden: „Volksheil“ gehe über das „Herz“, verkündet ein Zwischentitel – erneut eine Arztfigur, von der erwartet wird, auf Kosten des Privatlebens gänzlich in der Rolle des Heilers auf- Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 4 zugehen (vgl. die Arztfigur in The Country Doctor [9]). Die romantisch-exotische Liebeskomödie Tell It to the Marines (Brand im Osten, USA 1926, Geor- ge W. Hill) mit dem Stummfilmstar Lon Chaney in der Rolle des Sergeant O’Hara, des väterlichen Beschützers des einfachen Soldaten Private ‚Skeet‘ Burns (gespielt von William Haines), des Prot- agonisten der Liebesgeschichte, war der erfolgreichste Film der Saison 1926/27 [10]. Der Film illus- triert dem Zuschauer eine wiederum sehr kontemporäre Auffassung vom Siechtum, die Epidemien als entferntes Problem orientalischer Länder darstellt: Am Ende des in den frühen 1920ern spielen- den Werks werden Krankenschwestern – eine davon die Geliebte des Protagonisten – in die Stadt Hangzhou in China berufen, um die Bekämpfung einer Seuche zu unterstützen. Dies präsentiert der Film als einen als selbstverständlich erachteten „nurse call“. Der Zuschauer erhält einen kurzen Einblick in das überraschend einladende Krankenlager, sieht geschwächte Infizierte, die beim Ste- hen gestützt werden müssen. Das Seuchenszenario tritt aber bald wieder in den Hintergrund, als die Nachricht eintrifft, dass eine Banditenarmee die Stadt bedroht und amerikanische Soldaten zur Rettung der Stadt und des improvisierten Krankenhauses aufgefordert werden. Es erfolgt die ent- scheidende Handlungswendung zum Finale: Die Evakuierung der Kranken und der Schwestern er- folgt in größter Anspannung, es kommt zu kriegsartigen Auseinandersetzungen, Rettung erfolgt in letzter Minute [11]. Bevor wir die Sphären der undefinierbaren Erreger verlassen, soll ein recht amüsantes Kurio- sum vorgestellt werden: The Last Man on Earth (USA 1924, John G. Blystone) entwirft eine absurde Zukunftsvision, in der eine Plage namens „Maskulitis“ nahezu alle Männer der Schöpfung dahinge- rafft hat. Zwar entwickelt die brillante Wissenschaftlerin Dr. Prodwell ein potentes Gegenmittel, doch alle Männer sind totgeglaubt – bis ein überlebender Mann auftaucht, der die Frauenwelt auf den Kopf stellt. Amüsanterweise wird dieser später an lüsterne Millionärinnen versteigert, was an moderne, mit satirischen Untertönen versetzte reality-shows erinnern könnte. Der Film mag aus fe- ministischer Sicht durch einige biestige weibliche Figuren negativ aufstoßen, zeigt aber, dass es selbst in Zeiten kürzlich überstandener Pandemien Künstlern nicht an reflexivem Abstand fehlte, um aus der Tragödie ein Lustspiel zu kreieren.

Alte Bekannte: Aussatz und Der schwarze Tod

Kaum ein Erreger hat die Menschheit mit schlimmeren Pandemien geplagt als das Bakterium Yer- sinia pestis. Aber zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts waren Ausbrüche selten geworden und meist lokal auf asiatische Regionen begrenzt. Nur ein einziger Film greift das historisch gewordene Thema direkt auf, ich werde darüber später berichten. Allerdings hatte sich der Schrecken der Pest ins kollektive Gedächtnis des Publikums gebrannt, und die Regisseure der Zeit wussten dies ge- schickt zu nutzen: So lässt Friedrich Wilhelm Murnau die Ankunft des Vampirs in Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens (Deutschland 1922, Friedrich Wilhelm Murnau) durch Pestratten ankündi- gen, die wie ihr dämonischer Herr sprichwörtlich die Erde verbrennen, auf der sie wandern. Diese infernale Symbolik treibt Dudley Murphy in seinem Danse Macabre (USA 1922) noch weiter: Hier wird die Pest als figurative Teufelsmetapher entworfen und folglich als Schuldige allen Übels iden- tifiziert. Ein dämonischer Geiger wird zur Personifizierung des Bösen und dirigiert die Pest in ei- nem makabren Konzert, zu dem die Seuchenopfer ihre Erkrankung als choreographiertes Ballett (zu Camille Saint-Saëns’ sinfonischer Dichtung des gleichen Namens) darbieten. Doch zurück zu Murnau: Vier Jahre nach Nosferatu versuchte sich der Filmemacher mit Faust: Eine deutsche Volkssage (Deutschland 1926, Friedrich Wilhelm Murnau) an Goethes Fauststoff, des- sen Handlung hier als bekannt vorausgesetzt ist. Der in imponierend expressionistischer Manier gestaltete Film folgt der Vorlage weitestgehend treu und thematisiert somit (indirekt) die Arztpro- fession wie auch die Seuchenproblematik: Als Faust Mephistopheles seine Seele verkauft, ist seine erste Tauschwert-Forderung die Fähigkeit des Heilens, genauer das Eindämmen der auf den Stra- ßen grassierenden Pest. Zwar wird er vom gemeinen Volk schnell als Hexer im Teufelsbunde ent- tarnt, doch die Implikationen des Tauschgeschäftes sind weitreichend: Die Rolle des Heilers wird im Angesicht des Schwarzen Todes eine inverse Apotheose – Faust sagt dem ewigen Himmelsreich Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 5 ab, um seine Mitbürger zu heilen. Pointiert: Er möchte zum fehlerfreien und omnipotenten Arzt werden und gibt dafür das Paradies her! Ebenfalls aus Deutschland stammt Otto Ripperts Die Pest in Florenz (Deutschland 1919, Otto Rippert) [12], der vor kurzem (2000) restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist: Hier verfällt eine ganze Stadt (Florenz) zügellosem Hedonismus und wird mit göttlichem Zorn durch die Pest gestraft. Der Bestrafer ist in diesem Fall ein religiöser Einsiedler, der im Handlungs- verlauf zwar selbst den Versuchungen der Weiblichkeit erliegt, sich seiner Frömmigkeit aber wie- derbesinnen kann. Er schleppt dem quarantänisierten Moloch Florenz die Krankheit absichtlich ein – folglich wird Florenz die Stadt der „Qualerkorenen“ genannt, ein Anathema wird über die Stadt erlassen und das Eindringen der Seuche als Happy-End gefeiert. Ein morbides Film-Spektakel! Es werden christliche Ideologien unkritisch reflektiert, die durchaus als gefährlich interpretiert wer- den könnten. Die Krankheit selbst taucht als Allegorie auf: Wie schon in Danse Macabre wird das Siechtum als Geige spielender Dirigent oder Musiker gezeigt, hier jedoch in Form einer alten, ge- spenstisch aussehenden Frau, die das Geschehen in sadistischer Weise musikalisiert. In Relation zu fast allen anderen Epidemie-Darstellungen der Stummfilmzeit sticht Die Pest in Florenz durch eine Beobachtung heraus: Die spätere Regiegröße Fritz Lang schrieb das Drehbuch zu einer Zeit, in der die Influenza-Pandemie Schrecken verbreitete. Erstaunlich erscheint in diesem Kontext, dass die vermittelte Botschaft von Konservatismus und Religiosität nur so strotzt: Die Seuche wird als Rache der Natur gegen fleischliche Gelüste präsentiert, der Held als langer Arm Gottes, der Florenz die Pest bringt und damit des Schöpfers zornigen Willen umsetzt – Die Pest als „himmlisches“ Instrument der Bestrafung. Eine andere religiös gefärbte Literaturadaption, Ben Hur (USA 1925, Fred Niblo), deren Hand- lung durch die breite Bekanntheit der Neu-Verfilmung von 1959 vorausgesetzt werden kann, bannt Seuchen ganz anders konnotiert auf die Leinwand: In beiden Filmen wird zwar nicht die Pest, son- dern Lepra in mythologischem Umfeld inszeniert, nun aber als antagonistisches Motiv zum Chris- tentum. Mutter und Schwester des Helden Judah werden angesteckt, während sie als Gefangene im Kerker der Römer dahinvegetieren. Zum Ende der Handlung werden die Erkrankten in eine Lepra- kolonie verbannt, aus der sie aber tollkühn befreit werden. Die rasche Genesung kann der „Sohn Gottes“ höchstpersönlich bewerkstelligen: Die „lepers“ fangen den Heiland auf dem Weg zu seiner Kreuzigung ab und werden en passant geheilt [143]. Hier trifft also in Ripperts Werk eine alttesta- mentarisch anmutende Interpretation göttlicher Gerechtigkeit in Niblos Sandalenfilm auf eine neu- testamentarische, eine Differenz, die nochmals den historischen Wandel von Seuchendarstellung in religiösem Kontext vor Augen führt. Auch Cecil. B. DeMille brachte einen Historienfilm – The Ten Commandments (Die Zehn Gebote, USA 1923) – auf die Leinwand, dessen Seuchenkonnotation wohl zwischen Ben Hur und Die Pest in Florenz anzusiedeln ist: Schon in der ersten Hälfte des Films, die in einer knappen Stunde die bibli- sche Geschichte Moses’ erzählt, sehen wir an Lepra Erkrankte, die dem Propheten zu Füßen fallen, nachdem sie das Goldene Kalb angebetet haben. Der zweite Teil der Erzählung – nun in der Ge- genwart angesiedelt – ist ein religiöses Lehrstück um die beiden Brüder John und Dan, die unter- schiedlicher kaum sein können: John ist Schreiner und wie die Mutter der beiden fromm und bibel- treu, Dan dagegen imponiert als raffgieriger Bauherr, der den satanischen Versuchungen seiner Umwelt nicht widerstehen kann. Im Verlauf der Handlung infiziert eine leprakranke Einwanderin nicht nur den Abtrünnigen der Brüder, der die Infektionsquelle erschießt und selbst bei einem Fluchtversuch auf hoher See umkommt, sondern indirekt auch dessen unschuldige Partnerin Mary. Rettend liest der fromme John Mary aber eine Szene aus dem neuen Testament vor – die dem Pu- blikum mit heilendem Christus präsentiert wird – und erreicht so die rasche Gesundung auf Wun- derheilungs-Niveau. Die letzte „Pestfilm“-Besprechung soll eine kleine Rarität vorstellen: den expressionistisch ange- hauchten Horrorfilm Příchozí z temnot (Der Ankömmling aus der Finsternis, Tschechoslowakei 1921, Jan S. Kolár) [14]. Die Handlung gestaltet sich ungewöhnlich komplex, zirkuliert um einen Leben- strank, den ein Alchemist zu Zeiten Rudolfs II. von Habsburg mischt. Diese Tinktur vermag den Konsumenten in eine Art unbegrenzten Schlaf zu versetzen, aus dem der nicht Alternde erweckt Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 6 werden kann. Die Wirkung ermöglicht dem Regisseur multiple Handlungszeiten, die mit densel- ben Schauspielern (als Vor- und Nachfahren) inszeniert werden. Der Handlungsstrang um 1600 bringt die entscheidende Wende, denn – wenig überraschend! – die Pest bricht aus, die der Film rasch und in düster gezeichneten Klischeebildern in Szene setzt: Bilder verzweifelt betender Mön- che, kopfloser Panik auf den Straßen und sterbend zusammenbrechender Kinder flackern über die Leinwand. Auch die Angebetete des vermeintlichen Helden stirbt am Siechtum; der Trauernde trinkt das einschläfernde Gebräu, um seinem Schmerz zu entfliehen. Als er aus dem Schlummer er- weckt wird, erblickt er eine Nachkommin der Geliebten, die ihr verblüffend ähnlich sieht – das Schicksal nimmt seinen Lauf. Kolár bringt in einige Szenen gelungen eine symbolische mise-en- scène ein und verlangt der damaligen Sehgewohnheit (z.B. mit Rückblenden in Rückblenden) eini- ges ab. Er zeigt aber, dass die Seuchen-Thematik auch außerhalb der großen Kinonationen den Film-Figuren unentrinnbares Verderben brachte.

Eine gewonnene Schlacht im ewigen Krieg – Die Pocken

Im Jahre 1926 adaptierte Jean Renoir, Sohn des weltberühmten Impressionisten Pierre-Auguste Re- noir, Émile Zolas Roman Nana (Nana, Frankreich 1926). Die Geschichte um eine femme fatale – ge- spielt von Renoirs Ehefrau Catherine Hessling – ist wenig originell und folgt dem unaufhörlichen Niedergang der Heldin samt männlichem Opfer. Letztendlich verfängt sich der Vamp in den eige- nen Intrigen und bekommt eine Pockeninfektion als Rechnung präsentiert. Wie das gesamte Werk bewegt sich die Szene der Diagnosestellung auf hohem artistischem Niveau, das Schauspiel bleibt dezent, die Gesten sind subtil, aber vielsagend, die Bildsprache und Kameraführung bedeutungs- schwer wie avantgardistisch. Der Gang des mimisch regungslosen Arztes – vom Patientenzimmer die Treppe hinab durch die Eingangshalle – besticht mit bedeutungsschwerer Stille und ist von zu- gleich endloser Angst beherrscht: Es ist das Todesurteil der Patientin, der Arzt braucht die Diagno- se nicht einmal auszusprechen, als er ihren wartenden Mann in der Halle erreicht. Der Film endet mit der fiebernden, halluzinierenden Nana im Sterbebett. Krankheit als finale Strafe – ganz ohne religiösen Überbau. Eine nicht ganz so düstere Darstellung präsentiert der heute vergessene Komiker Reginald Switz in seinem Winky Causes a Smallpox Panic (Großbritannien 1914, Cecil Birch) [15] und illus- triert, dass selbst äußerlich entstellende Erreger als Katalysator für Komik dienen können. Das Werk selbst ist mit zwei Minuten – gerade im Jahr 1914 – sehr kurz. Es ist denkbar, dass der Film ursprünglich länger war, ist aber zum derzeitigen Forschungsstand reine Spekulation. Der Plot ist rasch zusammengefasst: Winky verkleidet sich als Bär und erschreckt so seine Mitmenschen, da- nach stampft er in eine Bar, um sich an den Getränken der aus Panik fliehenden Gäste schelmen- haft zu bedienen – Ende. Aus heutiger Perspektive scheint nicht eindeutig, ob Pocken die Ursache der Panik sind – dies könnte durchaus das vermeintlich wilde Tier allein bewerkstelligen. Doch ge- nau dieser Umstand zeigt, wie das frühe Kino gesellschaftliche Paradigmen spiegeln kann, ein Ku- riosum, dass nur aus dem historischen Kontext erklärt werden kann: Die bloße Anwesenheit eines wilden Tieres ließ reflexartig die Angst vor Zoonosen aufkommen (in diesem Fall die sogenannten „Säugerpocken“, die auch für den Menschen pathogen sind), wohingegen die Angst vor direkter Gewalt des Bären wohl die adäquate evolutionäre Schreckreaktion wäre. Noch weniger seriös wird die Thematik in Cupid in Quarantine (USA 1918, Scott Sidney) [16] aufs Korn genommen: Ein Paar wird durch die Ablehnung des Schwiegervaters an der Zusammen- kunft gehindert, nutzt aber einen an Pocken erkrankten Nachbarn, um die Erkrankung zu fingie- ren und gemeinsam in Quarantäne zu kommen. Die aufgemalten Pocken bringen den Liebenden den erhofften Erfolg, am Ende kann der erkrankte Nachbar – seinerseits zufällig Pfarrer – die bei- den auch noch trauen. Doch als sich herausstellt, dass der Geistliche faktisch die Pocken hat, bricht Erschrecken aus und der Film endet mit dem für Slapstick typischen Chaos. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 7

Peripherie, Randbereiche und Raritäten

Will man den Begriff „Seuche“ definieren, landet man schnell beim Robert Koch-Institut, das diese als ansteckende Erkrankung, die sich rasch verbreitet, charakterisiert [17]. Akzeptiert man diese Definition, ist die Besprechung der folgenden Lichtspiele in der Kategorie „Seuchenfilme“ nicht un- problematisch, da die Eigenschaften der Erreger selten zu schnell fortschreitenden Epidemien his- torischen Ausmaßes führten. Die Folgen der Erkrankungen waren aber für die zahlreichen Betrof- fenen derart desaströs, dass die Angst vor der Infektion denen einer Seuche gleichkam und Filme- macher diese ähnlich instrumentalisierten. Die definitorische Ungenauigkeit lässt uns also in Randbereiche des Genres vorstoßen; den Ein- stieg machen die sexuell übertragbaren Krankheiten am Beispiel der Syphilis [18]. In Any Evening After Work (Großbritannien 1930) der Regisseurin Mary Field verfolgen wir einen infizierten Mann, der mit einer Arztkonsultation hadert, weil die Scham ihn abhält. Schnell werden die Sym- ptome unerträglich, jedoch lässt ihn die verspätete Behandlung genesen. Das unspektakuläre Werk richtet seine Aufmerksamkeit auf die hohe Schamgrenze, die Patienten mit „sexually transmitted diseases“ überwinden müssen. Somit versucht der Film der Erkrankung eine Aura von Normalität zu verleihen, um eine frühe Behandlung zu erleichtern und die gefürchteten Folgeschäden erheb- lich zu reduzieren. Mit diesen sowie den nicht minder schrecklichen des Trippers (die Gonorrhoe, ausgelöst durch das Bakterium Neisseria gonorrhoeae) setzt sich auch How to Tell (Großbritannien 1931, Regie unbekannt, P: British Instructional Films) auseinander, in dem ein ratsuchender Junge vor den Gefahren des ungeschützten Verkehrs gewarnt wird. Doch zurück zum schamerfüllten Mann und dessen Behandlung. Der Medikus doziert in literarischer Manier fünf fingierte Schicksa- le, die den Patienten wie den Rezipienten abschrecken und mahnen sollen: (1) Das eines Seemanns, der sich selbst, seine Frau und sein Kind mittels eines kontaminierten Handtuchs ansteckt und sich mit den moralischen Konsequenzen seiner Nachlässigkeit konfron- tiert sieht. (2) Das eines Farmers, der nach einer durchgemachten Gonorrhoe eine Entzündung im Knie er- leidet. Er verliert seine Arbeit und wird in eine existentielle Krise gestürzt. (3) Das eines LKW-Fahrers, welcher nach einer Syphilisinfektion mit „locomotor ataxia“ (Stö- rungen der Bewegungskoordination, hier der Beine) zu kämpfen hat. Man sieht ihn unsicher und breitbasig gehen – auch er verliert seinen Job. (4) Das eines ambitionierten „city clerks“, der an „general paralysis of the insane“ leidet. Dieses Krankheitsbild zeichne sich durch fehlende Krankheitseinsicht und zu hohe Geldausgaben aus, suggeriert die Handlung [19]. Die Familie verarmt und muss zu allem Übel noch zusehen, wie der Sohn als Folge der „congenital syphilis“ sein Augenlicht verliert. (5) Das eines „steel workers“, der seine Syphilisbehandlung vorzeitig abgebrochen hat. Als folg- lich bei seiner Arbeit die – vom Film rasch diagnostizierte – „syphilis heart disease“ symptoma- tisch wird, stürzt er von einem Gerüst und stirbt an den Folgen des Traumas. Es fällt auf, dass die Krankheit als primär männliches Problem, erst sekundär als gesellschaftli- ches Problem gesehen wurde. Die Syphilis mag sich nicht so schnell verbreiten wie z.B. respirato- risch übertragbare Erkrankungen, löst als schleichendes Siechtum aber vergleichbaren Schrecken beim Kinobesucher aus. Dies mag moderne Zuschauer verwundern, ein heute wenig bekannter Umstand – prominent verarbeitet in Thomas Manns Roman Doktor Faustus von 1947 – zeigt aber, wie schnell fehlende medizinische Bildung eine „nur“ sexuell übertragbare Krankheit zum potenti- ell-epidemischen Problem werden lassen konnte: Der syphilitische Künstler, eine Figur oder Ideal- vorstellung vor allem des 19. Jahrhunderts, der sich absichtlich ansteckte, im Glauben, Genietum und Inspiration aus den neurologischen Symptomen zu gewinnen. Eine gefährliche Maxime und zugleich eine Ausprägung der Vorstellung, dass Genie und Wahnsinn eng verwoben sind, die dem Zuschauer vor knapp 100 Jahren besser im kollektiven Gedächtnis verankert gewesen sein muss als dem modernen Rezipienten [20]. Die nächsten Pathologien können durchaus verheerende Epidemien auslösen, auch wenn sie meist im Mikrokosmos, wie z.B. dem Lazarett oder in Wundstationen, ausbrechen: Die Wundinfek- Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 8 tionen, deren gefürchtetste wohl der Tetanus ist. Ob das folgende Werk dieses Krankheitsbild in- szeniert, bleibt unklar – die Frühphase der Infektion wäre aber durchaus plausibel dargestellt. Die Rede ist von Finis terræ (Frankreich 1929, Jean Epstein), ein Film, der von dem jungen bretonischen Fischer Ambroise erzählt. Der junge Proletarier verletzt sich bei der Arbeit, doch die stürmischen Witterungsverhältnisse lassen die Seereise zum nächsten Arzt nicht zu. Die Wunde infiziert sich und der Kranke durchleidet einen Fiebertraum – einer der künstlerisch raffiniertesten und avant- gardistischsten Momente des Films. Letztendlich gelingt die Rettung trotz aller Widrigkeiten und der Fischer wird kuriert. Die fulminante Infektion wird wieder besiegt durch die heroisch charak- terisierte Arztfigur, welche am Ende des Films die Szenerie wie ein Westernheld verlässt: Er geht in epischer Manier einem Sonnenuntergang entgegen. Der impressionistische Filmemacher Jean Ep- stein bannt Laienschauspieler (in diesem Fall „echte“ Fischer) in ein raues Küstenpanorama, das er in lyrischen Zeitlupen-Sequenzen auf Celluloid verewigte, die an den poetischen Realismus des französischen Films der 1930er erinnern [21]. Bleiben wir in Frankreich und widmen uns dem Gardiens de phare (Leuchtturmwächter, Frank- reich 1929, Jean Grémillon), in dem eine „besonders“ tödliche Infektion porträtiert wird: die Toll- wut (Rabies). Erzählt wird die Geschichte zweier Leuchtturmwärter, dem Vater Pére Bréhan und seinem Sohn Yvon, die einen Monat lang in dem titelgebenden Turm ihrer Arbeit nachgehen. Schon zu Beginn des Plots wird klar, dass der Sohn von einem tollwütigen Hund gebissen worden ist – das Verhängnis nimmt seinen Lauf. In Grémillons Werk wird – wie schon in Finis Terræ – jeg- liche medizinische Hilfe durch die stürmische Witterung verwehrt. Im Gegensatz zu Epsteins Fi- scherdrama bleibt dem Zuschauer das Happy-End verwehrt: Als der Vater zum Ende hin den sym- ptomatischen Sohn konfrontiert, greift Yvon ihn an und die Rangelei endet im tödlichen Sturz des Jüngeren ins Meer. Bei einer selbst heute noch nahezu immer letal verlaufenden Erkrankung ist dies zwar nur ein verfrühtes Eintreten des Unvermeidlichen, doch es unterstreicht den düsteren Grundton des Dramas. Hier liegen auch die Stärken der Produktion: Grémillon, der dem mechanischen oder poetischen Realismus zugeordnet wird (eine Stiltendenz, die auch Epsteins Finis terrae zeigte [22]), bringt in dem Werk alle avantgardistischen Kniffe gekonnt auf die Leinwand. So sehen wir düstere Schatten, immer wieder kontrastiert durch die helle, stürmische See, sowie ein klaustrophobisches Leucht- turminneres, das in seiner Aussichtslosigkeit der Rabies in nichts nachzustehen scheint. Die Tur- bulenzen des Meeres werden mit den Symptomen des Patienten zeitgleich stärker und erzeugen eine Verbundenheit von belebter (Erreger) und unbelebter (Witterung) Natur. Das Licht- und Schattenspiel ist metaphorisch aufgeladen und es werden ganze Sequenzen in 360° Grad zirkulie- rendem Licht illuminiert, dessen Kreis-Symbolik an einen circulus vitiosus erinnert. Verstärkt wird dieser hypnotische Eindruck von experimentellen, ja fast abenteuerlichen Kameraperspektiven, die in den wenigen actionreichen Sequenzen so rasant montiert werden und die Einflüsse der russi- schen Montagefilme erahnen lassen [23]. Platz für einen Humanmediziner hat das Werk nicht, doch wird in zwei kurzen Rückblenden ein Veterinär vorgestellt, der den bissigen Verursacher ein- schläfert. Jedoch sind die medizinischen Fakten akkurat porträtiert: Der Erkrankte leidet an hallu- zinatorischen Episoden, klagt über quälende Hydro- wie Phonophobie und wird zuletzt so aggres- siv, dass es zum fatalen Finale kommt. Ein bemerkenswerter Film in allen Ebenen der Analyse, der außerhalb Frankreichs zu Unrecht fast vergessen ist. Bemerkenswert auch, dass der Gardiens de phare sich filmisch auf die innere Erlebniswelt des Kranken einlässt. Zwar ist The Catechist of Kil-Arni (1923, Thomas Gavin Duffy, R. S. Prakash) zweifelsfrei als Seu- chenfilm zu klassifizieren, er stellt aber in zweierlei Hinsicht eine Rarität bzw. ein Unikum dar: So ist das Werk nicht nur der einzige Film dieses Korpus, der die Cholera thematisiert, es ist auch des- sen einzige indische Produktion. Die Geschichte handelt grob zusammengefasst von einem Missio- nar und Priester (gespielt von Regisseur Duffy), der mithilfe von katholischen Schwestern maßgeb- lich an der Eindämmung einer Choleraepidemie beteiligt ist. Nach diesem Erfolg kann der Geistli- che auch noch Einheimische konvertieren und Katechisten anwerben. Das christliche Happy-End folgt, nachdem der Pfarrer mit den Worten „Get the priest and come at once!“ zu einem zweiten Ausbruch des „Gallenflusses“ gerufen wird. Duffy, auch im echten Leben ein Priester und Missio- Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 9 nar, hat die Laienschauspieler lokal angeworben und ein authentisches Dorf in Indien als Schau- platz gewählt. Der Film gibt also durchaus spannende Einblicke in das historische Indien, ver- schenkt aber viel von diesem Potential durch seine „missionarische Brille“ und die kirchliche Fi- nanzierung – ein christlicher Propagandafilm eben. Diesen Eindruck unterstreicht auch die Insze- nierung der Cholera: Es wird ein Krankenlager gezeigt, dessen Zustände desolat sind (Kinder krümmen sich auf der Erde), alte autochthone indische Medizinrituale, die diffamierend abgehan- delt werden, und gebrechliche Dorfbewohner, die nicht mehr aus eigener Kraft stehen können. Da- her wundert es wenig, dass der Film nach seiner Premiere in Boston tendenziell positiv aufgenom- men wurde, wohingegen die indische Rezeption den Film als herabwürdigend empfand [24]. Die Krankheit fungiert hier als ultimatives Übel, dessen Eindämmung die vermeintliche Überlegenheit des Christentums beweisen soll. Der medizinische Realismus wird aber niemals direkt durch (na- heliegende) Wunderheilungen o.Ä. gebrochen, denn der Priester hält zwar Messen und besucht die Krankenlager, die wirklichen „Heiler“ sind aber die Schwestern. Die Infektionswellen werden auch nicht als göttliche Strafe für Heidentum (vgl. die oben präsentierten Die Pest in Florenz oder Die Zehn Gebote), sondern als Folge des Konsums unhygienischen Trinkwassers präsentiert. Künstle- risch wie moralisch ein zweifelhafter Streifen, dennoch: Ein spannender Zeitzeuge, wenn auch mehr für den christlichen Missionarismus denn für die indische Perspektive auf eine endemische Seuche.

Konklusion

Von medizinischer Warte aus sind die Krankheiten, solange klar definiert, weitestgehend authen- tisch dargestellt. Interessant hingegen ist, dass fast alle Werke eine ähnliche Figurenkonstellation aufweisen und somit dramaturgisch ähnlich erscheinen: Die Konstellation bringt uns eine Helden- figur, meist als Arzt (oder dessen mystifizierte Version: den Wunderheiler) oder Wissenschaftler, das Opfer (entweder als unwissender, singulärer Patient oder als anonyme, infizierte Masse) und den klassischen Bösewicht bzw. Antagonisten. Doch wie definieren wir diesen? Symptome sind nur wahrnehmbare, körperliche Erscheinungen von Erkrankungen, und Erkrankungen sind eine Kategorie, keine Entität und somit schwerlich ein Antagonist. Daher bleibt nur der Erreger als Fi- gur, die eine bestimmte Funktion erfüllen kann und muss, um dieser Rolle zu entsprechen. Nun be- wegen wir uns vollends in Richtung auf eine Kunstfigur, in der die Eigenschaften des Keims auf ein nötiges Minimum reduziert werden, um die Peripetie effektiv zu erzeugen. Genauer: Der Erre- ger erfüllt nur den Zweck, in seiner schlimmsten symptomatischen Ausprägung Schrecken und Tod zu verbreiten. Aus Rezipienten-Sicht ist dies daher eine Figur oder ein Stilmittel, welches ge- nau genommen deontologisch oder teleologisch nur die Pflicht zu erfüllen bzw. das Ziel hat, das Leben, wie wir es kennen, grundlegend ins Wanken zu bringen. Denn Viren oder Bakterien, die nur einen harmlosen Schnupfen verursachen, haben keine dramaturgische Funktion und somit keinen Platz im frühen Kino. Selbst letale Keime ohne relevantes Epidemie- oder Seuchenrisiko – man denke z. B. an Meningitiden (Hirnhautentzündungen) oder die Hepatitiden (Leberentzündun- gen) – genügen nicht, um es auf die Leinwand zu schaffen. Wenn man sich die Diabolik des Ant- agonisten vergegenwärtigt, verwundert es wenig, dass der Protagonist als omnipotente Arztfigur nahezu apotheotisch zu interpretieren ist. Diese figurale Schwarzweißmalerei war den Filmema- chern ein exzeptionelles Mittel, womit dem Publikum die Gefahren von Infektionskrankheiten ins Bewusstsein gerückt wurden. Somit schafft dieses Korpus nicht nur einen Einblick in das Krankheits-, Ärzte-, und Patienten- bild seiner Zeit, es reflektiert auch den (zahlenden) Rezipienten, der schon damals den tiefen Fall des Heroen im Moment der Peripetie bevorzugte, um zur effektiven Katharsis zu gelangen – medi- zinische Prävention durch aristotelische Poetik. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 10

Anmerkungen

[1] Nichtfiktionale Lehrfilme, Wochenschauen akute Erkrankung therapiert. und Dokumentationsaufnahmen wurden ebenso [9] Vgl. Henkel 2020 [Anm. 4]. nicht berücksichtigt wie Lehrfilme, die keine öf- [10] Der Film war zugleich die erste Hollywood- fentliche Vorführung in Kinosälen erfuhren. Bei- produktion, die vollständig auf die Ressourcen spiele wären Lehrfilme für das Militär oder eben der US-Marine zurückgreifen konnte; vgl. Blake, Medizinkreise. Ein Beispiel hierfür wäre Magnus Michael F.: A Thousand Faces: Lon Chaney’s Hirschfelds Gesetz der Liebe (Deutschland 1927), Unique Artistry in Motion Pictures. Vestal, NY: der von der Zensur „...bestimmten Personenkrei- Vestal Press 1995, S. 185f. sen, und zwar vor Ärzten, Medizinbeflissenen und in Lehranstalten und wissenschaftlichen In- [11] Insofern bestätigt der Film auch die beson- stituten“ vorbehalten war. Das Werk wurde vom dere geschlechtsrollenspezifische Verteilung der Filmmuseum München online gestellt [URL] und Handlungsmacht in den Kriegsfilmen der 1920er: behandelt primär das Thema Homosexualität als Den Frauen obliegt die Hilfe und Pflege der fragliche Krankheit, „sexual transmitted diseases“ Kranken und Siechen, den Männern ihr Schutz; werden nur peripher behandelt. vgl. Clarke, Liz: Ladies last: Masculinization of the American War Film in the 1920s. In: Journal [2] Vgl. Henkel, Dennis: Tuberkulose im frühen of Popular Film and Television 43,4, 2015, S. 171– Kino: Existenz und Dasein im Schatten der 187. Schwindsucht. In: Cinematographica diversa, marginalia et curiosa: Beiträge zur Filmwissen- [13] Vgl. zu der berühmten Episode Thomsen, schaft und ihrer Grenzgebiete, 6, 2020, S. 48–54. Robert J.: How Leprosy Is Depicted in Ben-Hur. In: International Journal of Dermatology 30,11, [3] Vgl. dazu Henkel, Dennis: Antizipation einer 1991, S. 818–824. Zur Adaption von 1925, in der Jahrhundertpandemie. Prolegomena zur Spani- die Jesus-Figur als spirituelle, nicht als histori- schen Grippe am Beispiel von David W. Griffiths sche Figur gezeichnet ist, und zur Bedeutung der The Country Doctor (1909). In: Cinematographica Lepraheilung als Höhe- und Wendepunkt der Ge- diversa, marginalia et curiosa: Beiträge zur Film- samterzählung vgl. Lord-Kambitsch, Emily Clair: wissenschaft und ihrer Grenzgebiete, 6, 2020, S. Emotions in „Ben-Hur“: Dynamics of Emotion in 21–25. Texts, Reception Contexts, and Audience Responses [4] Das British Film Institute bestätigt ein landes- in the United States (1880–1931). Ph.D. thesis, weites, öffentliches Kinorelease des Films und London: University College London 2016, S. 212f; hat den Film zusammen mit einem kurzen Abris- zur visuellen Gestaltung der Szene ebd., S. 220. se über Pandemie im frühen Film online gestellt [14] Wenige Stummfilme aus der Tschechoslowa- [URL]. kei sind uns erhalten geblieben, daher ist es ein [5] Die wahrscheinlich ersten Aufnahmen von Glücksfall, dass dieser Film zur Sichtung vorlag. Mikroskopie der Erreger im Spielfilm findet man [15] Die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung res- in The Microscope Mystery (USA 1916, Paul Po- taurierte den Film, der im Oktober 2019 in well). restaurierter Form seine Premiere erlebte [URL]. [6] Auch heute wird bei Halsschmerzen das Gur- – Vgl. zum Film die Analyse von Keitz, Ursula geln mit Kalium Chloratum praktiziert, allerdings von: Üppige Sinnlichkeit und tödlicher Furor. Der mit fraglicher Evidenz und als rein symptomati- historische Sittenfilm Pest in Florenz (1919) und sche Therapie (man denke an die Schüßler-Salze) seine Ikonografie der Zeitenwende. In: Filmblatt und ohne Relevanz im klinischen Alltag. 17,50, Winter 2012/13, S. 21–33. [7] Soper, George A.: The Lessons of the Pan- [16] Der Film ist vom Yorkshire Filmarchive onli- demic. In: Science 49 [iss. 1274], 1919, S. 501–506. ne gestellt, das ebenfalls über den Titel verwirrt [8] Hier sei angemerkt, dass der Film nur mit dä- ist [URL]. nischen Zwischentiteln zur Sichtung vorlag. Die Es wäre ebenfalls denkbar, dass der Begriff laienhafte Übersetzung des Autors ist daher si- „smallpocks-panic“ um 1914 eine Art Synonym cherlich einer größeren Fehlerspannbreite unter- oder eine allgemein-vertraute Phrase für „große worfen. Dennoch suggeriert der Film eine Art Panik“ war, diese Hypothese lässt sich aber nicht Kombination von Impfung und Immuntherapie, verifizieren. die sowohl eine Immunität herstellt als auch die Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 11

[17] Zur Definition siehe die vom RKI getragene hausen & Neumann 2005 (Epistemata. Würzbur- Gesundheitsberichterstattungen des Bundes, ger wissenschaftliche Schriften. Reihe Literatur- kurz GBE-Bund [URL]. wissenschaft. 504.). [18] Das erstmalig sichere Auftreten der Syphilis [21] Vgl. Keller, Sarah: Jean Epstein’s Documen- im Abendland wurde im 16. Jahrhundert doku- tary Cinephilia. In: Studies in French Cinema 12,2, mentiert und erreichte durchaus das Ausmaß ei- 2012, S. 91–105, sowie Quintana, Ángel: En las ner Epidemie. Der Arzt Niccolò Leoniceno publi- fronteras del documental y la ficción: las pelícu- zierte 1497 die erste Abhandlung namens „De las bretonas de Jean Epstein. In: Archivos de la morbo gallico“, in der er nicht nur den epidemi- Filmoteca (Valencia), 63, Okt. 2009, S. 78–97, 164. schen Charakter der Seuche thematisiert, son- [22] Zu beiden Filmen vgl. Abel, Richard: French dern auch zum ersten Mal die Therapie mit Cinema: The First Wave, 1915–1929. Princeton, Quecksilber propagiert. Die historische Quelle N.J.: Princeton University Press 1984, S. 500–512. hier: [URL]. [23] Mehrere Autoren haben auf die Beziehungen [19] Medizinisch scheint dies eine seltenere Ma- der filmischen Gestaltung in Grémillons und v.a. nifestation der Spätsyphilis zu sein (die Neuro- Epsteins Filmen zur Programmatik des surrealis- lues, bei der eher der neurodegenerative Aspekt tischen Kinos hingewiesen, insbesondere das Be- im Sinne der Demenz im Vordergrund steht), und mühen, Traumerfahrung filmisch nachzunah- erinnert an eine manische Episode im Rahmen men; vgl. dazu etwa Flitterman-Lewis, Sandy: der Bipolaren Störung. Dennoch sind unter- Surrealist Cinema: Politics, History, and the Lan- schiedlichste psychiatrische Symptome möglich, guage of Dreams. In: American Imago 50,4, 1993, die auch punktuell in der Fachliteratur beschrie- S. 441–456, sowie Wall-Romana, Christophe: ben worden sind, siehe z. B. in: The Lancet [URL]. Cinepoetry. Imaginary Cinemas in French Poetry. [20] Zur Darstellung der Idealisierung von Sy- New York: Fordham University Press 2013, bes. S. philis in Manns Doktor Faustus siehe die Abhand- 113–135 („Jean Epstein’s Invention of Cinepo- lung von Helmut Koopmann, die im Goethe-Zeit- etry“). portal zugänglich ist [URL]. [24] Den Film und einige Hintergrundinforma- Zur allgemeinen Bedeutung der Syphilis für gan- tionen findet man online [URL] oder in: Chabria, ze Künstlergenerationen siehe Schonlau, Anja: Suresh (ed.): Light of Asia: Indian Silent Cinema Syphilis in der Literatur: Über Ästhetik, Moral, Ge- 1912–1934. Rev. & exp. ed. New Delhi: Niyogi nie und Medizin (1880–2000). Würzburg: Königs- Books 2013, S. 47f. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 12

punktuell auseinandersetzen. Besonders im frühen Film sehen wir aber auch eine regelhaft Instrumentalisierung von Seuchen zu religi- ösen Propagandazwecken, die im Laufe der 2. Der frühe Seuchenfilm. Filmgeschichte dem Siegeszug der Säkularisie- Eine kleine Filmographie zu rung genauso Rechnung tragen mussten wie Infektionskrankheiten der Rest der Gesellschaft. Die Liste dokumentiert alle Filme, die im Stummfilm, 1905–1931 nachgewiesen werden konnten. Auch ver- schollene Werke wurden, sofern die Handlung rekonstruiert werden konnte, in die Liste auf- Das folgende filmographische Verzeichnis, ver- genommen. Schauspieler wurden in Klammern sucht ausschließlich Spielfilme der Stummfilm- hinter den Rollennamen notiert, falls diese zu zeit zu dokumentiere. Es zeigt nicht nur, dass eruieren waren – was beim Überlieferungs- die Thematisierung von Seuchen und ihren Er- stand des frühen Kinos nicht immer der Fall regern, von Ärzten und Pflegepersonal, der ist. Maßnahmen vom Gesundheitssystem und von Jeder der Filme wird dreifach annotiert: öffentlichen Reaktionen bereits in vergange- mit einer Zeile, die seuchenunmittelbare Teil- nen Zeiten äußerst weit aufgespannt war, son- themen per Stichwort verzeichnet; mit einer dern zudem, dass sich auch die jeweiligen Ak- zweiten Kurzzeile, die die Genrezugehörigkeit zente historisch verändern. Es illustriert wei- benennt; und mit einer Inhaltsbeschreibung. Es ter, wie bestimmte Pathologien im Verlaufe der erfolgen zudem Hinweise auf die literarischen Filmhistorie an Aktualität zunahmen oder an Vorlagen der Geschichten, im Einzelfall auch gesellschaftlicher Relevanz verloren. Das auf- auf weitere Produktionen, Remakes und Se- fälligste Beispiel scheint hier die Tuberkulose quels u. ä. Nur im Sonderfall ist auch wissen- zu sein, die aus dem frühen Kino nicht wegzu- schaftliche Literatur zu Einzelfilmen vermerkt; denken ist, aber im Verlauf der Filmhistorie zu auf die Dokumentation von Rezensionen wur- einer Randerscheinung wurde und quantitativ de verzichtet. Die Inhaltsbeschreibungen nut- von Zombie-, Endzeit- und Outbreakfilmen zen die verfügbaren Quellen, ohne sie im Ein- weitestgehend ersetzt wurde. Doch auch Kon- zelfall auszuweisen; sie sind zum Teil durch stanten können eruiert werden. So ist die idea- Autopsie gesichert. Manchmal wurden nur die lisierte Arztfigur ein Motiv, dass sich bis in die Serial-Episoden annotiert, die für die Gesamt- heutige Filmkultur zieht. Die Quarantäne wird thematik von Belang sind. Insgesamt konnten besonders im Genre der (Liebes-)Komödie auf diesem Wege 146 Filme identifiziert wer- überproportional häufig als Chance für Lieben- den, von denen der Großteil zum derzeitigen de inszeniert, sich auf engstem Raum näherzu- Forschungsstand als verschollen gelten muss. kommen (oder andere zwischenmenschliche Konflikte zu lösen) – ein kinematographischer Euphemismus für eine freiheitsentziehende Maßnahme. Hinweise von Axel Karenberg, Frank Kessler und Hans J. Wulff sind in das Verzeichnis eingegangen, Die Liste zeigt weiter, dass die Filme nur ihnen gebührt Dank. selten über den generischen Zweck der Peripe- tie-Erzeugung oder der medizinischen Aufklä- rung hinausgehen und sich mit tiefensemanti- schen, allegorischen, philosophischen und theologischen Dimensionen der Seuche nur Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 13

Legende: <...>-Annotation: (...): – (1) freie Folge von , die zur Seu- – aka = Alternativbenennungen chen- Motivik gehören – originale Titelvarianten sowie wie deutsche – (2) freie Angabe von , auch unkon- Titel unabhängig von Kino-, TV-, Video- oder ventionelle Kombinationen DVD-Auswertung. – wenn nicht anders ausgewiesen, stehen die deutschen Verwertungstitel in Klammern.

1905 L’alcool engendre la tuberculose (Alkoho- lismus erzeugt Tuberkulose); Frankreich Ein feiner Herr wird von seiner Haushälte- 1905, Ferdinand Zecca. rin geweckt und gähnt ausgiebig. Das Gäh- nen wiederholt sich beim Verlassen des Hauses und nimmt epidemischen Charakter an, als die Personen, denen er begegnet, Ein alkoholkranker Mann heiratet und ebenfalls anfangen zu gähnen. zeugt Kinder mit seiner Gattin. Doch die Sucht holt der Vater ein: Seine Kinder wer- den mit Behinderungen geboren und er That Fatal Sneeze; Vereinigtes Königreich steckt sich mit Tuberkulose an. 1907, Lewin Fitzhamon. Seine Frau pflegt den kranken Ehemann bis Ein Onkel (Thurston Harris) ärgert seinen 1907 Neffen (Gertie Potter), indem er ihm mit Pfeffer zum Niesen bringt. Der Junge rächt Laughing Gas; USA 1907, Edwin S. Porter. sich aber, als sein Onkel schläft: er streut Pfeffer in dessen Taschentuch, in seine Klei- dung und auf seine Haarbürste. Als der On- kel am Morgen das Haus verlässt, wird das Niesen epidemisch und hält die ganze Stadt Eine Frau (Bertha Regustus) wird bei einem in Atem. Zahnarzt mit Lachgas betäubt, als ihr ein Zahn gezogen werden muss. Nach der Be- handlung hat die Patientin heftige Lachan- 1908 fälle. Als sie in den Bus nach Hause steigt, steckt Oh! What Lungs; USA 1908, Regie unbe- sie alle Mitreisenden mit ihrem Gelächter kannt; P: The Essanay Film Manufacturing an und es bricht heillose Hysterie aus. Company. Le bailleur (aka: The Yawner; aka: What a Yawn Did); Frankreich 1907; Segundo de Ein lungenkranker Mann (Ben Turpin) be- Chomón. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 14

sucht einen Arzt, dessen Praxisschild mit ei- Das unkontrollierte Grimassieren birgt Po- ner hochpotenten Sauerstofftherapie wirbt, tential für Missverständnisse und führt zu die seine Erkrankung heilen könne. Die ver- verärgerten Frauen und aufgebrachten sprochene Wirkung bleibt nicht aus: Der Männern. Zu allem Überfluss stellt sich das ehemals schindsüchtige Mann – nun mit ge- Leiden als ansteckend heraus und der junge schwollener Brust voll Tatendrang – kann Mann wird Ursache für eine Tic-Epidemie. durch Auspusten ganze Gebäude zum Ein- Der Film A Flirty Affliction (USA 1910, Gil- sturz bringen. bert M. “Broncho Billy” Anderson) ist ein Die Kraft nutzt er fortan, um Kinder zu ret- gender-reverses Remake des Films. ten, Autos durch die Luft zu wirbeln und Einbrüche zu verhindern. 1909 The Fresh-Air Fiend; or, How He Was Camille; Italien 1909, Ugo Falena. Cured; USA 1908, Regie unbekannt; P: The Vitagraph Company of America. Nach dem Roman Die Kameliendame von Alexandre Dumas dem Jüngeren. Ein wohlgekleideter Mann ist ein glühender Marguerite Gautier (Vittoria Lepanto), ein Verfechter frischer Luft. Bei einem Spazier- unschuldiges Mädchen vom Lande, trifft Ar- gang entfernt er ein Schild, das zum Tür- mand Duval (Alberto Nepoti) am Pariser schließen eines Gebäudes aufruft und in sei- Theater. Armand findet Gefallen an der nem Büro öffnet er hastig alle Türen und Schönheit und besucht sie in den folgenden Fenster, sodass der Durchzug seine Kollegen Tagen regelmäßig. Doch schon bald fällt stört. Nach der Arbeit zuhause angekom- ihm ein hartnäckiger Husten der Angebete- men, belehrt er auch seinen Diener über die ten auf, der sich als Symptom der gefürchte- Vorzüge der frischen Luft, weil dieser alle ten Tuberkulose herausstellt, mit der sich Türen geschlossen hat. Als der Mann seinen Marguerite bei ihrer Mutter angesteckt hat. Hut vermisst, und mit einem Polizisten den Die Schwindsüchtige muss in eine Kur, wo vermeintlichen Dieb verfolgt, der frierend sie den Duke de Linieres kennenlernt, des- und schniefend durch seine Kopfbedeckung sen Tochter ebenfalls an Tuberkulose er- nicht vor einer Infektion geschützt scheint. krankt und verstorben ist. Der Luftfanatiker kommt ins Grübeln, geht Die Freundschaft der Kurenden bringt Tur- nach Hause und macht ein Nickerchen. Er bulenzen in die Beziehung von Maruerite träumt, wie ein eiskalter Wind in sein Zim- und Armand, doch ihre flammende Liebe mer weht, sein Bett durch den Raum pustet trotzt fast allen Widrigkeiten – außer jener und ihn stark frieren lässt. Als er aufwacht, der Tuberkulose: Am Sterbebett findet Ar- ist die Frischluftmanie des Mannes ver- mand die Todgeweihte und steht seiner Ge- schwunden und er schläft mit geschlosse- liebten bei, als sie die Schwindsucht dahin nen Fenstern weiter. rafft. Anmerkung: Dieser Eintrag sei als reprä- Un tic nerveux contagieux (Ansteckendes sentativ für Adaptionen des Romans ver- Nervenzucken); Frankreich 1908, Max Lin- standen. Das Werk wurde in der Stumm- der. filmzeit ebenfalls in den Jahren 1915, 1917, 1921, 1924 und 1927 für die Leinwand adap- tiert. Ein junger Patient (Max Linder) leidet sehr The Country Doctor; USA 1909, David unter einer Tic-Störung, die sein Gesicht Wark Griffith. anfallsartig zucken und grimassieren lässt. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 15

Kraft dieser Fürbitte ist so durchschlagend, dass des Geizhalses Herz erweicht und er Im Dorf „Stillwater“ praktiziert und lebt der seiner Tochter aus der finanziellen Notsi- Landarzt Dr. Harcourt (Frank Powell) mit tuation hilft. Die Familie ist wieder vereint. seiner Frau und Tochter (Gladys Egan). Das ländliche Idyll wird schlagartig durchbro- chen, als ein Kind am anderen Ende des His Second Wife; USA 1910, Harry Solter. Dorfes schwer erkrankt. Der Arzt geht sei- ner Pflicht nach und sucht den kleinen Pati- enten zuhause auf. Dieser ist fiebernd, bett- In einer Dreiecksbeziehung zweier Frauen lägerig und beginnt im Beisein des Doktors mit einem jungen Mann gewinnt eine der luftnötig zu werden. Im gleichen Moment Damen die Oberhand und heiratet den Um- platzt die eilig gesandte Hausmagd (Rose schwärmten. Das Paar bekommt eine Toch- King) des Arztes ins Patientenzimmer, um ter und alles scheint traumhaft für die Fami- den Arzt zurück zur eigenen Tochter zu ho- lie, bis die Mutter an Tuberkulose erkrankt len, denn diese beginnt ebenfalls zu fiebern. und stirbt. Im Sterbebett wünscht sie sich, Der Arzt hadert mit sich, entscheidet sich ihre frühere Rivalin (Florence Lawrence) aber für seine Standespflicht und rettet das soll sich um die Tochter kümmern. Dies ge- kleine Mädchen mittels Luftröhrenschnitt. lingt vorerst, bis die Stiefmutter die Ähn- Der Patient überlebt das Prozedere und der lichkeit des Kindes zu der früheren Neben- Arzt eilt zur eigenen Tochter, deren Zustand buhlerin als unerträglich empfindet. Sie sich weiter verschlechtert. würgt in einem Anfall von Abneigung den Als der Medicus bei seinem Nachwuchs an- Nachwuchs, der danach von Zuhause weg- kommt, ist es zu spät: Seine Tochter ist ver- laufen will. Bevor die Tochter dies kann, storben und die Familie verfällt in tiefe bricht die Kleine aber geschwächt zusam- Agonie. men: sie hat eine Pockeninfektion. Die ge- fährliche Erkrankung des Kindes und ein Abschiedsbrief, den das Kind nach dem An- 1910 griff schrieb, lässt die Stiefmutter zur Besin- nung kommen. Sie macht es sich nun zur A Child's Faith; USA 1910, David Wark Aufgabe, das Stiefkind gesund zu pflegen, Griffith. auch wenn sie sich dabei infizieren könnte. Das Wagnis wird zum Erfolg und die Toch- ter geheilt. Eine Liebschaft (Gladys Egan) seiner Toch- Love in Quarantine (Liebe in Quarantäne); ter (Florence Barker) mit einem jungen USA 1910, Frank Powell. Mann lässt einen Vater – Mr. Paulton (Geor- und die Familie hat Jahre lang keinen Kon- takt. Jahre später erkrankt der Geliebte der Verstoßenen an einer Infektion, die tödlich Das Ehepaar Harold (Mack Sennett) und verläuft. Nun steht die frischgebackene Edith (Stephanie Longfellow) streiten sich Mutter allein da und gerät in die Arbeitslo- unaufhörlich, bis Edith ihren Ehemann ver- sigkeit. Als sich der Vater und seine Tochter lässt. Harold folgt seiner fortstürmenden zufällig wiedersehen, ist er Großvater und Gattin in ein Haus. Dort wird gerade eine zu einem verbitterten alten Mann gewor- Magd – aufgrund des Verdachtes einer an- den. steckenden Erkrankung – medizinisch un- tersucht. Das kleine Mädchen leidet stark unter der Armut der Mutter und greift als letzten Aus- Der Verdacht bestätigt sich, das Gebäude Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 16

wird unter Quarantäne gestellt und die Ehe- Moses (Pat Hartigan) bekniet den Pharao leute müssen sich impfen lassen. Nachdem (Charles Kent), sein Volk – die Hebräer – die Quarantäne aufgehoben wurde, fingiert aus der Sklaverei ziehen zu lassen. Auch ein Harold eine Erkrankung, um Mitleid bei zweiter Versuch des Überzeugens, diesmal Edith zu erregen. Als der Schwindel auf- mit Unterstützung seines Weggefährten fliegt, hat die unfreiwillige Nähe der Qua- Aaron (William Humphrey), ist vergebens. rantäne genug bewirkt: Das Paar versöhnt Der spätere Prophet bittet letztendlich in sich. seiner Verzweiflung Gott um Hilfe, und die- ser straft den Pharao und sein Volk mit zehn verheerenden Strafen und Plagen, die mit The Heroic Coward; USA 1910, Regie un- einer Pestepidemie einhergehen und am bekannt; P: Yankee Film Company [Wil- Ende im Mord aller Erstgeborenen kulmi- liam Steiner]. niert. Der Pharao sieht sich gegen den göttlichen Zorn machtlos, gibt letztendlich nach und John Hunt glaubt den gewalttätigen Ehe- lässt die Hebräer ziehen. Moses und Aron mann seiner Schwester in Nothilfe er- können nun als Führer ihr Volk aus der schlagen zu haben und flieht auf den Rat Knechtschaft der Pharaonen befreien und der Schwester aus seiner Stadt. Der Totge- der Exodus beginnt. glaubte überlebt, während John sich in sei- ner neuen Heimat – eine Kleinstadt – als The Red Cross Seal; USA 1910, J. Searle guter Mitbürger beliebt macht. Doch als es Dawley. eines Tages zu einer Handgreiflichkeit unter Männern kommt, weicht der Neuling der Schwächling. Als in der Region eine Pockenepidemie aus- Eine junge Frau aus einem New Yorker bricht und John bei der Impfung das Be- Slum kämpft tagtäglich um ihre Existenz wusstsein verliert, wird das Vorurteil ge- und hat den Traum, Kunst zu studieren. Ei- stärkt. Doch die Vergangenheit holt den nes Tages kann sie sich ihren Wunsch erfül- verkannten Helden ein: Seine Schwester len und besucht eine Hochschule für Kunst, gibt eine Suchanzeige in einer Zeitung auf, wo ihr zusätzlich ein Verständnis von sozia- und die Stadtbewohner erkennen den Mut ler Gerechtigkeit gelehrt wird. Hier weckt des Zugezogenen anhand seiner früheren die Studentin auch das romantische Interes- Taten. Letztlich wird die Pockeninfektion se eines wohlhabenden Herrn, der sich fort- überwunden und die Quarantäne aufgeho- an als Mittelloser verkleidet und das Leben ben – die Epidemie ist überstanden; auch der Mittellosen erforscht. So bewerkstelligt John findet endlich Anschluss in seinem er es, auch seiner Angebeteten nahe sein zu neuen Heim und bekommt am Ende sogar können. Doch was er zu sehen bekommt, ist einen Kuss. desillusionierend: Hunger, Armut und Krankheit dominieren das Leben in den Slums. Das Mädchen kämpft weiter um sei- The Plagues of Egypt and the Deliverance ne Existenz, gewinnt aber einen Designpreis of the Hebrew [The Life of Moses Part III]; für den Entwurf eines Roten-Kreuz-Symbols USA 1910, Charles Kent, J. Stuart Black- zum Weihnachtsfest, gibt ihren Erfolg aber ton. auf, um einer Nachbarin zu helfen, die an Tuberkulose erkrankt ist. Als der wohlha- Hingabe wird, gibt er sich zu erkennen und sichert der Aufopferungswilligen eine glo- Nach dem alttestamentlichen Exodus, 2. reiche Zukunft. Buch Moses des Alten Testaments. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 17

Thou Shalt Not; USA 1910, David Wark entgegen und fordert ihn zum Duell. Zum Griffith. Überraschen der versammelten Stadtbewoh- Helden der Stunde. Auch die Angebetete er- liegt dem neuentdeckten Heroismus und Harry erobert ihr Herz. Edgar Thurston (Henry B. Walthall) wünscht sich nichts mehr, als seine Geliebte (Marion Leonard) zu heiraten. Doch ihn 1911 quält ein hartnäckiger, verdächtiger Husten und der Arzt seines Vertrauens (George Ni- chols) stellt die niederschmetternde Diagno- The Awakening of John Bond (Die Be- se: Tuberkulose. Der Mediziner rät dem Er- kämpfung der Tuberkulose); USA 1911, krankten außerdem, seine Heirat abzusa- Oscar Apfel und Charles J. Brabin. gen, denn er würde die Seuche an seine Frau und seine noch ungeborenen Kinder Doch das Paar möchte dennoch heiraten, John Bond (Bigelow Cooper), ein wohlha- besonders die Dame zeigt sich entschlossen, bender Politiker und Besitzer von Eigen- mit ihm den Bund der Ehe einzugehen. Ed- tumswohnungen, ignoriert die Empfehlun- gar wird letztlich durch die ärztliche De- gen eines Gesundheitsinspektors und wei- monstration eines kongenital an Tuberkulo- gert sich, eine Spendenaktion gegen die se erkrankten Kindes zur Vernunft gebracht, TBC zu unterstützen. Eine seiner Mietpar- doch die Verlobte bleibt stur. Am Ende muss teien ist die Familie O’Brien, aus der alle sie durch einen Trick auf den rechten Weg mehr oder weniger schwer an der Schwind- gebracht werden: Der Arzt und sein Patient sucht erkrankt sind. Wie es der Zufall will, fingieren eine Nebenbuhlerin, wecken ihre ist der Jüngste der Familie (George O’Brien) Eifersucht und Enttäuschung und die Ge- als Hilfsarbeiter auf Bonds Jacht angestellt. liebte lassen den Erkrankten ziehen. Als sich der Zustand des jungen Manns auf hoher See verschlechtert, kümmert sich Mrs. Bond (Miriam Nesbitt) um den Er- Wild Bill’s Defeat; USA 1910, Regie unbe- krankten und steckt sich mit dem Siechtum kannt; P: Defender Film Company. an. Die Infektion der eigenen Ehefrau sowie schäfte zu führen, bringen den Politiker im- mer weiter ins Grübeln – bis er sich besinnt Harry Thornton, ein Stadtmensch, ist an Tu- und in den Kampf gegen die Tuberkulose berkulose erkrankt und muss deshalb in den einstimmt. Wilden Westen des nordamerikanischen Kontinents ziehen. In einer rauen Kleinstadt angekommen, trifft er den gefürchteten 1912 “Wild” Bill in einem Salon, der den Neuling vor den Stadtbewohnern vorführt und er- A Curable Disease; USA 1912, Regie unbe- niedrigt. Die Bardame des Etablissements kannt; P: Thomas A. Edison, Inc. entwickelt Mitleid und interveniert. Harry für die Bedienung, zunächst ohne Gegenlie- be der Dame. Niedergeschmettert will sich der Zurückgewiesene das Leben nehmen, Ein junger Arbeiter (Richard Neill), der für sieht in diesem Moment aber Wild Bill er- die New York Daily an einer Linotype-Setz- neut randalieren und fasst all seinen Mut maschine schuftet, verliebt sich in eine at- zusammen: Er stellt sich dem Bösewicht traktive junge Dame (Jessie McAllister). Er Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 18

schafft es, die Frau für sich zu gewinnen, Dr. Russell’s Lie; USA 1912, A.E. Coleby. und es folgen eine Verlobung sowie Vorbe- reitungen für die Hochzeit. Doch kurz nach dem großen Ereignis be- Eine Frau wird von zwei Männern um- kommt er die Diagnose – Tuberkulose. Die schwärmt. Einer der beiden ist Arzt, aber Krankheit wird zu einer Zerreißprobe für die Frau entscheidet sich gegen den Medizi- das junge Paar, bis der Erkrankte den Ver- ner. Der Doktor gibt sich aber nicht ge- such einer Heilung im Klima des Westens schlagen und missbraucht seine Machtposi- der Vereinigten Staaten versucht. Das dorti- tion, um den Nebenbuhler auszuschalten: Er ge Sanatorium erweist sich als Segen für versucht der begehrten Dame den Rivalen den jungen Mann, eine aufopfernde Kran- schlecht zu reden, indem er erzählt, er habe kenschwester (Laura Sawyer) schafft es, ihn die ansteckende Tuberkulose. zu körperlicher Fitness zu führen. Die Pfle- gerin erfährt durch Zufall von der weit ent- Literatur: Gifford, Denis: British Film Cata- fernten Liebe des Patienten, sendet dieser logue: Two Volume Set – The Fiction Film Vol- einen Brief und erreicht so, dass die Lieben- ume 1, 3rd Edition 2000, S. 111. den wieder vereint sind. Falling Leaves; USA 1912, Alice Guy. Bébé a la peste (Fritzchen hat die Pest); Basierend auf der Kurzgeschichte The Last von O. Henry. Fritzchen (René Dary) möchte dem Schul- Leaf unterricht fernbleiben und fingiert kurzer- Die Mutter (Blanche Cornwall) eines klei- hand die Symptome einer Pestinfektion, um nen Mädchens (Marian Swayne) ist an ei- krank zuhause bleiben zu können. nem quälenden Husten erkrankt. Als sich der Zustand der Frau verschlechtert und die Doch seine Mutter bemerkt den Schwindel Symptome unerträglich werden, ruft sie und verprügelt den kleinen Hochstapler zur einen Arzt. Doktor Headys (Mace Green- Strafe für seine Lügen. leaf) macht einen Hausbesuch und stellt die Diagnose der Schwindsucht samt Prognose Doctor Bridget; USA 1912, Frederick A. in metaphorischen Worten: Sie werde nicht Thomson. mehr leben, wenn die Blätter im Herbst vom Baum fallen. Die Tochter hört diese Worte mit und beginnt einen Versuch, ihre Mutter zu retten: Sie bindet die Blätter des Garten- Freddie ist der verwöhnte wie faule Sohn ei- baumes mit Fäden wieder an die Äste, als nes reichen Elternhauses. Als ihm seine täg- diese im Spätsommer von den Bäumen fal- lichen Verpflichtungen zu viel werden, si- len. muliert er eine Grippe, um im Bett faulen- Das kindliche Vorhaben scheint vergebens, zen zu können. Der schnell herbeigeorderte bis der Arzt mit einer neuartigen Wunder- Mediziner verschreibt eine wortwörtlich kur auftaucht und sich als Bakteriologe aus- bittere Medizin, wird jedoch schnell zu ei- weist. Die Mutter wird geheilt und ist nem Notfall gerufen. glücklich mit ihrem emsigen Nachwuchs Die Haushälterin übernimmt die Kranken- vereint. pflege und verdächtigt den vermeintlich Kranken der Vorspiegelung falscher Tatsa- chen. Sie lässt ihn nun umso mehr im Haus- Hope, a Red Cross Seal Story; USA 1912, halt schuften und der Taugenichts wird Charles Brabin. schlagartig wieder gesund. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 19

William V. Mong. Das Rote Kreuz ist auf Spendensuche im cher Bankmanager (George Lessey) zeigt sich resistent gegen die Bitten der Wohltä- Der Obstverkäufer John (Frank Weed) wird tigkeitsorganisation und lacht die Hilfesu- in einer Krankenhausapotheke auf Sympto- chenden aus. Er ist dem Irrglauben erlegen, me der Schwindsucht untersucht. Zu sei- die Tuberkulose sei nur ein Problem der är- nem Erschrecken ist das Ergebnis verdäch- meren Leute und in seinen gesellschaftli- tig, die gefürchtete Erkrankung wird dia- chen Sphären gebe es so etwas nicht. gnostiziert. Doch plötzlich verschwindet seine Ehefrau Fortan wird er zuhause von einer Kranken- (Gertrude McCoy) und der Verlassene findet schwester (Maud Cleveland) und ihrer Hel- einen Abschiedsbrief, in dem seine Gattin ferin (Kathlyn Williams), die zugleich auch ihre Tuberkulose-Erkrankung enthüllt. Ein Kundin des Verkäufers ist, besucht und ge- Durchbruch für den Bankier: Er ändert sei- pflegt. Es werden die unhygienischen Zu- ne Sichtweise auf die Schwindsucht und stände – wie die fehlende Lüftung der Woh- sucht seine verschollene Frau. Als er seine nung – angeprangert, auch dem Sohn des Partnerin findet, avanciert er zum Aushän- Mannes (Joe Koster) wird die Schwindsucht geschild im Kampf gegen die Seuche und diagnostiziert. Als sei dies nicht genug, be- baut auf eigene Kosten ein neues Sanatori- kommt nun auch die Helferin der Kranken- um, in dem auch seine Liebste Heilung er- schwester die Infektion. Die Ansteckungs- fährt. kette wird so illustriert. Am Ende des Films sieht der Zuschauer die Erkrankten in ei- L’Ennui de vivre (aka: The Sweetness of nem Freiluftsanatorium genesen. Life); Frankreich 1913, Regie unbekannt; P: Gaumont. Red Saunders’ Sacrifice; USA 1912 Francis Tod> Ein wohlhabender junger Mann, Viscout d’Elly (Jean Aymé), ist die Flüchtigkeit des Saunders (Edgar Jones), ein herzensguter, Daseins leid und sieht keinen Sinn mehr in aber rauhbeiniger Cowboy, muss nach ei- seiner Existenz. In einer Zeitung liest der nem Feuer in seinem Haus die kranke Mut- Lebensmüde aber über einen gewissen Dr. ter zu einem Arzt bringen. Erschwerend Parent (Mr Thierry), einen Mikrobiologen, kommt hinzu, dass er steckbrieflich gesucht der Probanden für einen gefährlichen Se- wird. Doch als die Mutter, scheinbar an ei- rumtest sucht – eine Chance etwas Sinnvol- ner respiratorischen Erkrankung leidend, les zu tun, aber er hadert mit sich und dem sich immer wieder qualvoll auf die Brust potenziell tödlichen Risiko; doch er geht schlägt, fiebert und das Bewusstsein ver- hin. D’Elly trifft in der Praxis des Medizi- liert, ist sie nicht mehr transportfähig. Den ners auf ein krankes Kind, dessen herzzer- Gefahren zum Trotz reitet der Sohn los. reißender Anblick den Ausschlag zur Ent- Er findet einen gewissen Dr. Cotter, der mit scheidung für den riskanten Test gibt. ihm zur erkrankten Mutter eilt. Doch als der Der Versuch ist ein Erfolg und Viscout fin- Medikus ankommt, ist es zu spät und die det durch die Heilung, welche er indirekt Patientin ist bereits verstorben. Der Sohn vielen Patienten ermöglicht, wieder einen aber wurde bei seiner waghalsigen Ret- Sinn in seinem Leben. tungsaktion erkannt und wird vom örtli- chen Sheriff verhaftet. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 20

1913 1914

The Price of Human Lives; USA 1913, Hearts of Oak; USA 1914, Wray Bartlett Richard Ridgely. Physioc. gie> Der Film basiert auf dem gleichnamigen Beth Cort (Sally Crute), eine wohlhabende Theaterstück von James Herne und David Dame der gehobenen Gesellschaft, beginnt Belasco. sich für soziale Arbeit in Armenvierteln zu Luke (Del De Lewis), ein alter Fischer aus interessieren. Besonderes Interesse weckt Maine, ist an Pocken erkrankt und nur zwei ein Pärchen, Nellie (Bliss Milford) und Ed- seiner Kollegen können sich um den kran- ward (Edwin Clarke), die in einem frühen ken Mann kümmern. Als er der Infektions- Stadium der Schwindsucht sind. Das Pär- krankheit erliegt, adoptiert einer der beiden, chen setzt seine Hoffnung auf eine erworbe- Terry (Ralph Stewart), seine Tochter Crystal ne Wunderkur namens “Concura”, die ihre (Violet Horner). Damit die Tochter kein Ein- Heilungsversprechen nicht einhalten kann. zelkind bleibt, adoptiert der Kollege noch Als die junge Frau den Hersteller des den Jungen Ned (Frederick Roland), und die Scheinmedikaments aufsucht und zur Rede beiden Kinder wachsen harmonisch auf. stellen möchte, entdeckt sie voller Schre- cken, dass die Produzenten ihr Vater (Frank Als Crystal zu einer Frau herangewachsen McGlynn Sr.) und ihr Liebhaber (Augustus ist, heiratet sie Terry aus Dankbarkeit, ob- Phillips) sind. Die aufgebrachte Frau kon- wohl sie eigentlich Ned liebt. Terry erfährt frontiert die beiden und es kommt zu einer von der Selbstlosigkeit seiner Adoptivtoch- heftigen Szene. ter und ringt Ned das Versprechen ab, er werde Crystal zur Frau nehmen, falls Terry Die Konsequenz des Disputes sehen wir etwas passieren sollte. Jahre später an einem Weihnachtsabend, den die gesamte Familie – von der Tochter Als Terry von einer Seefahrt nicht zurück- überzeugt – in Harmonie verbringt. kehrt, werden die beiden vermählt. Viele Jahre später wird ein alter Mann an Land gespült, der sich als der vermisste Ehemann The Return of Tony; USA 1913, King und Stiefvater herausstellt. Das Paar nimmt Baggot. den Mann in ihr Heim auf und im Sterbe- bett gibt dieser Crystal und Ned seinen Se- gen. Tony (King Baggot) ist ein aufopferungsvoll liebender Vater zweier Kinder, Little Tony The Fresh Air Cure; USA 1914, Doty Ho- (Willie Gibbons) und Rosa (Katherine Lee), bart. die zum Schrecken des Vaters an Diphterie erkranken. Die Folgen sind erschütternd: Der behandelnde Arzt (Howard Crampton) verhängt eine häusliche Quarantäne über Tony (Vincente DePascale) leidet an einer den Nachwuchs und Tony Senior leidet un- schlimmen Erkältung und bekommt von ei- erträglich unter der Separation. Der Vater nem Freiluftenthusiasten (Royal Byron) den kann dem Drang, seine Kinder in den Ar- Rat, an der frischen Lust zu nächtigen. Be- men zu halten und beizustehen, nicht wi- vor er sein luftiges Nachtlager aufschlägt, derstehen und versucht letztendlich in das untersagt er seiner Tochter (Eva Bell) jegli- abgeriegelte Heim einzubrechen… chen Kontakt zu ihrem Liebhaber und ver- ordnet rigorosen Hausarrest. Danach stellt Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 21

er sein Bett auf die Straße und versucht dort sche Zustände, die das gehäufte Auftreten zu schlafen, aber die durch ihr Fenster ent- von Tuberkulose im Betrieb verursachen. wischte Tochter stört seine nächtliche Ruhe Der zunächst ignorante Besitzer schert sich unter freiem Himmel. Die Ausreißerin flieht wenig um die Erkrankungen seiner Ange- und der Film geht in eine Slapstick-typi- stellten, bis ein familiärer Schicksalsschlag sche, turbulente Verfolgungsjagd über, wäh- die Perspektive des Fabrikbesitzers grundle- rend der nicht nur Tonys Freiluftbett von ei- gend ändert: auch seine Frau (Bessie Learn) nem PKW erfasst wird, sondern er sich erkrankt an der Schwindsucht. Dies ist der auch noch mit der Grippe ansteckt. Grund für einen Gesinnungswandel und er Die Schlussszene zeigt den gebeutelten Va- macht endlich sein „property clean“. Das ter bei der Hochzeit seiner Schwester, die er Werk lehrt den Zuschauer die Bedeutung mit laufender Nase verfolgt. der TBC: Diese sei seit 1904 „major death course“ und die Letalität sei bei „unskilled labourers“ siebenmal höher als bei der Ge- The Good-for-Nothing; USA 1914, Gilbert samtbevölkerung. Als das Hygieneproblem M. “Broncho Billy” Anderson. das erste Mal festgestellt wird, identifiziert ein Arzt, der das Werk besichtigt, „Sputum“ als Übeltäter. Er verbietet daraufhin den Ar- beitern, die Trinkgläser miteinander zu tei- Gilbert Sterling (Gilbert M. “Broncho Billy” len, trocken Staub zu wischen oder die Anderson) ist ein verwöhnter und verzoge- Fenster geschlossen zu halten. ner junger Mann, der sich weniger um das Ein anderer Mediziner namens Dr. Jordan Unternehmen seines Vaters (Carl Stockdale) (Harold Vosburgh) empfiehlt der erkrankten als um die Freuden des liederlichen Lebens Ehefrau ausgiebige Ruhe und frische Luft – kümmert. Als der eines Morgens erneut mit diese Maßnahmen heilen die Kranke. einem Alkoholkater in der Firma des Vaters auftaucht, wirft dieser ihn endgültig raus. Der Entlassene zieht in den Westen und The Toll of Mammon; USA 1914, Harry sein Bruder (Lee Willard) übernimmt seine Handworth. Aufgaben im familiären Betrieb. Diesen Sohn nicht zufriedenstellend nach, schlim- mer: er ruiniert seinen Vater durch zwie- Dr. John Wright (Gordon De Main) ist ein lichtiges Verhalten. aufstrebender, junger Mediziner mit großen Gilbert freundet sich unterdessen westwärts Ambitionen aber kleinem Vermögen. Seine mit einem an Pocken erkranktem Indianer Gemahlin (Octavia Handworth) ist mit dem an, der eine Mine an Sterling vererbt, als er moderaten Gehalt alles andere als zufrieden. an der Seuche verstirbt. Der verstoßene Als die beiden auf einen Tanzball gehen, Sohn kommt so zu Reichtum und rettet verliert die Ehefrau eine wertvolle, geborgte nicht nur seine im Armenhaus gelandeten Kette, die dem Arzt 5000$ Schulden einbrin- Eltern, sondern auch den Bruder, der eigent- gen und ihn ins Elend stürzen. Kurz darauf lich für die Misere verantwortlich war. wird er durch eine bahnbrechende chirurgi- sche Entdeckung berühmt, ohne dass sein The Temple of Moloch; USA 1914, Lang- Verdienst ansteigt. don West. Mit dem Ruhm kommen auch die Raffkes, schäft um ein Scheinmedikament namens “Alligator Serum” zu nutzen. Auf Drängen der luxusaffinen Ehefrau willigt der Arzt In einer Töpferei des Industriellen Mr. Pratt ein, wird aber schnell von seinem Gewissen (Warren Cook) herrschen desolate hygieni- eingeholt: Er will die Verbrecher enttarnen, Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 22

doch diese nehmen ihn in Gefangenschaft, informiert seinen Sohn über den vermeintli- aus der er entfliehen kann. Doch unterdes- chen Fehltritt. Als ihn die Nachricht er- sen ist seine Tochter an der Schwindsucht reicht, ist er fassungslos. Im Schock setzt er erkrankt und er wird wegen Betrugs von sich selbst fahrlässig der Infektionskrank- der Polizei gesucht. heit aus und muss Jahre in Quarantäne ver- Am Ende muss er eine Haftstrafe absitzen harren. und erkrankt selbst an der TBC, die er nach Die Schlusssequenz zeigt eine Gerichtsver- seiner Gefängnisstrafe in einem Freiluftsa- handlung, in der Jane des Mordes an Ho- natorium kuriert. ward angeklagt wird, aber von ihrem Sohn – nun Anwalt – erfolgreich vertreten wird.

Winky Causes a Smallpox Panic; Vereinig- tes Königreich 1914, Cecil Birch. Beulah; USA 1915, Bertram Bracken. Winky (Reginald Switz) verkleidet sich mit Der Film basiert auf dem gleichnamigen Ro- einem verblüffend echt erscheinenden Bä- man von Augusta Jane Evans Wilson. renkostüm und geht auf die Straße. Dort Die Geschichte dreht sich um den Arzt Dr. macht er sich einen Spaß daraus, seine Mit- Guy Hartwell (Henry B. Walthall) und sei- bürger zu erschrecken, die in heillose Panik ner – aus dem Waisenhaus stammenden – ausbrechen. Doch Winky hat noch einen Bediensteten namens Beulah (Joyce Moore). weiteren Einfall: Er stürmt verkleidet in Hartwell kommt aus einer Ehe, die ihn eine gut besuchte Bar, wo er ebenfalls eine durch wiederholte Untreue seiner Frau ver- panikartige Flucht auslöst. Die Getränke der bitterte. Als Beilahs Schwester verstirbt, ad- frenetisch Geflohenen lässt der Witzbold optiert der Arzt die nun Vereinsamte. sich daraufhin kostenlos schmecken, denn Es dauert nicht lange und er verliebt sich in auch der Wirt ist geflüchtet. die ehemalige Bedienstete, doch wird vor- erst zurückgewiesen – die Adoptivtochter liebt noch immer ihren Jugendschwarm Eu- 1915 gene. Hartwell zieht daraufhin in den Nor- den und Beulah wird eine Schullehrerin. Als A Woman’s Past; USA 1915, Frank Powell. der Mediziner von einer verheerenden Epi- demie in seiner Heimatstadt liest, eilt er zu- rück und findet die Geliebte aufopferungs- voll die Seuchenopfer pflegend vor. Sie be- Der Film basiert auf dem gleichnamigen ginnen zusammenzuarbeiten und retten vie- Theaterstück von Captain John King. le Leben, bis Beulah ihre Liebe für den Arzt Die angehende Autorin Jane Hawley (Nance entdeckt und die beiden ein Paar werden. O’Neil) erliegt den romantischen Verfüh- rungen ihres Editors Howard (Alfred Hick- man), bereut den Fehltritt aber schnell und Forbidden Fruit (aka: Who’s to Blame?); heiratet Captain Wilson Stanley (Clifford USA 1915, Ivan Abramson. Bruce). Die beiden bekommen einen Sohn, Harrison (ebenfalls Alfred Hickman), doch der Vater Ruth Ancaster (Paula Shay) löst die Verlo- wird auf die Philippinen berufen, um eine bung mit dem “stockbroker” Edward He- Leprakolonie zu betreuen. In seiner Abwe- mingway (James Cooley) auf, als sie von senheit versucht Howard erneut, Jane zu seinen andauernden Affären erfährt. Sie verführen, was von Wilsons Vater argwöh- heiratet daraufhin Henry Stuart (Everett nisch beobachtet wird. Dieser wirft die Butterfield), der zwar treu ist, aber in fi- Schwiegertochter sofort aus dem Haus und Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 23

nanzieller Not steckt. Diese führt dazu, dass glücklich und zufrieden als Krankenschwes- Henry sich mit Edward einlässt, woraufhin ter. eine Gerichtsverhandlung folgt, in der Ed- ward Henry verklagt. Der Kläger gewinnt Ruth zurück, indem er sie erpresst. Was er The Italian; USA 1915, Reginald Barker. für das Fallenlassen der Klage bekommt, Jahre später erliegt Edward den Folgen ei- ner Tuberkuloseinfektion, deren Symptome Beppo (George Beban), ein verliebter aber ebenfalls bei dem in der Zwischenzeit gebo- mittelloser italienischer Mann, bekommt ein renen Sohn Walter (Walter Gould) auftre- Jahr Zeit, um sich in der großen Stadt New ten. Henry, der bis dahin im Glauben gelebt York eine Existenz aufzubauen. Er soll hat, Walter sei sein Nachkomme, erfährt beweisen, dass er seiner großen Liebe nun, wie seine Frau es geschafft hat, ihn aus Annette (Clara Williams) ein Zuhause dem Strafvollzug zu befreien. Es folgt eine bieten kann. Die Frau seiner Träume wartet hitzige Auseinandersetzung und die beiden währenddessen im kleinen Heimatdorf auf sind lange Jahre getrennt – doch am Ende ihn. vergibt Henry seiner Frau die Untreue. Beppo schafft es und lässt Annette nachkommen. Das Paar bekommt ein Kind und alles scheint wie die Erfüllung ihrer His Wife; USA 1915, George Foster Platt. Träume zu sein, bis ihr Baby – wahrscheinlich nach Konsum verdorbener Milch – während einer Hitzewelle krank Basierend auf dem gleichnamigen Roman wird. Als der Vater eine ärztlich von May Agnes Fleming, unter dem Pseud- verschriebene, pasteurisierte Milch kaufen onym Bertha M. Clay verfasst. will, wird er seines letzten Geldes beraubt. Er erkennt die Räuber nach der Tat wieder Edith (Lorraine Huling) wird von zwei Brü- und greift diese an, wird deshalb aber dern, John (Holmes Herbert) und Harry verhaftet. Man schenkt ihm keinen Glauben (Theodore von Eltz), hartnäckig umworben. und er wird zu einer (relativ kurzen) Als John eines Tages seinen Militärdienst in Gefängnisstrafe verurteilt. Er bittet seinen Indien absolvieren muss, heiratet sie Harry, Arbeitgeber um Hilfe, aber dieser lehnt der aber vor Kreditgebern nach Australien desinteressiert ab. fliehen muss und die Ehefrau allein lässt. John kommt unterdessen von seinem Ein- Als Beppo aus dem Gefängnis entlassen satz zurück, wird aber von Edith zu seinem wird, ist sein Kind gestorben. Kurze Zeit Verwundern ohne Erklärung zurückgewie- später erfährt er, dass auch der Nachwuchs sen. seines wenig hilfsbereiten Chefs erkrankt ist. Beppo sinnt nach Rache und bricht ins Er zieht in ein Dorf, wo der die junge Heim des Arbeitgebers ein, um das Kind zu Schönheit Nora (Geraldine O’Brien) ken- ermorden. Doch der Anblick des nenlernt. Als Edith John dort aufsucht, um unschuldigen Kindes bringt Beppo zur ihm die Wahrheit zu beichten, wird Nora Vernunft und er verschont den Jungen. tobend eifersüchtig und versucht, sich im Meer zu ertränken. Sie überlebt und beginnt ein neues Leben als Helferin in einer austra- The Lone Game; USA 1915, Edward. C. lischen Leprakolonie, wo sie Bestätigung Taylor. und Seelenheil als Helfer von Kranken er- Als die Missverständnisse doch noch aufge- klärt werden, gibt Nora den Angebeteten letztendlich auf und lebt ihr neues Leben Ein Geschwisterpaar, Grace (Bessie Learn) und Phil (Wilfred Young), sucht verzweifelt Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 24

Arbeit. Eine vermeintlich verschleppte Er- Erfüllung der Gebete ist und sieht sich fort- kältung lässt die Schwester bei der Arbeits- an als Agent Gottes. Er wirft seine Misan- suche kollabieren. Auch der Bruder zeigt re- thropie ab und vereint sich mit seiner Ge- spiratorische Symptome und wird nach ei- liebten (Marguerite Snow). Am Ende kann ner Auslandsreise mit „quinien“ bei Mala- ein Hals-Nasen-Ohrenarzt sogar seine Hör- riaverdacht behandelt, nachdem er auch fähigkeit wiederherstellen. einen Zusammenbruch bei einem Vorstel- lungsgespräch erleidet. Er wird sogleich in das „Hill Sanatorium“ gebracht und mit der The Unfaithful Wife; USA 1915, J. Gordon Diagnose der Tuberkulose konfrontiert. Edwards. Doch das Sanatorium ist zu kostspielig für die Mittellosen und der Bruder wird mit dem Rat, nach Westen zu ziehen, entlassen. Der Graf Fabiano Romani (Robert B. Man- Grace wird die gleiche Diagnose gestellt, tell) erkrankt während einer Choleraepide- doch sie findet einen anderen Weg zur Hei- mie in Italien schwer an der Seuche und lung: Sie geht in eine neues, kostenloses sieht sich zu alledem auch noch einem Freiluftsanatorium. Beide Wege führen zur durchtriebenen Komplott gegenüber. Seine Genesung und das Geschwisterpaar schließt Frau Gräfin Juliet (Genevieve Hamper) und sich dem Kampf gegen die Schwindsucht ihr Liebhaber Arturo (Stuart Holmes) versu- an, indem sie auf den Straßen Spenden sam- chen, den Kranken lebendig zu begraben, meln. doch Fabiano kann aus dem Grab entfliehen – und schwört Rache. The Silent Voice; USA 1915, William J. Er verkleidet sich als wohlhabender Freund Bowman. der Familie und kann Juliet so weit bezir- zen, dass er ihr ein Heiratsversprechen ab- ringt. Nun rast Arturo vor Eifersucht, for- dert den Rivalen zum Duell und stirbt durch die Hand des Grafen. Die Rache wird kom- Der Film basiert auf dem gleichnamigen plettiert, als der Duellsieger seine untreue Theaterstück von Jules Eckert Goodman. Frau in eine Höhle führt, ihr seine Identität Der Musiker Franklyn Starr (Francis X. Bus- enthüllt und sie dort einkerkert. Er will sie hman) wird nach dem Tod seiner Mutter so sterben lassen, wie sie ihn töten wollte. nicht nur ein hoffnungsloser Misanthrop, sondern er verliert auch noch seinen Gehör- sinn. Mit seinem Diener Spring (Frank Ba- The White Terror (aka: Every Town); USA con) reist er in die Berge, wo er in eine Lie- 1915, Stuart Paton. belei gerät, die für den Ertaubten mit Ver- dächtigungen der Untreue und letztendlich Enttäuschungen endet. Emerson Boyd (Howard Crampton) leitet Franklyn verrennt sich wieder in seinen nicht nur eine Fabrik, deren hygienische Menschenhass, der befeuert wird, als er Tu- Zustände desolat sind, er nutzt auch Kinder- berkulosekranke in einem Park mittels arbeit, um den Gewinn zu maximieren. Fernrohr observiert. Er sieht, wie die Dazu ist er noch Inhaber eines Pharmaun- Schwindsüchtigen vergebens zu Gott beten, ternehmens, welches schädliche Medika- er möge ihnen Geld geben, damit sie in ein mente vertreibt. Sein General-Manager Da- der Krankheit günstiger geneigtes Klima vid Duncan (William Welsh) verheimlicht verreisen können. Starr spottet dem hand- dem “selfmade-man” die Umstände seines lungslosen Gott und gibt den Kranken selbst Unternehmens. das Geld, welches der Schöpfer ihnen nicht Boyds Tochter Eleanor (Frances Nelson) zu geben scheint. wird unterdessen von dem wohlhabenden Doch ihm wird bewusst, dass er selbst die Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 25

Taugenichts Matthew (Hobart Henley) um- begeistert und angezogen. Der brave Sher- garnt. Dieser bekommt von ihr die Bedin- riff Jim (Roy Stewart) erweckt höchstens pe- gung, sich für Soziales zu arrangieren, bevor ripher das Interesse der rassigen Schönheit. eine Heirat in Frage kommt. Er kauft kur- Als Carlos eines Tages einen Händler kalt- zerhand eine Zeitschrift und beginnt eine blütig erschießt, zwingt er Nita, mit ihm vor Initiative für den Bau eines Tuberkulosesa- dem Gesetz zu fliehen. Der Sheriff nimmt natoriums, als plötzlich Eleanor an der die Verfolgung auf und holt die Flüchtigen Schwindsucht erkrankt. in einer kleinen Stadt an der Grenze ein, wo Nach einigen Irrungen und Wirrungen eine tödliche Epidemie tobt. Die Seuche be- stirbt Duncan bei dem Versuch, die enthül- fällt Carlos, der trotz der aufopfernden Pfle- lende Zeitung in die Luft zu sprengen. Boyd ge Nitas verstirbt. Jim rettet Nita vor der lässt sich daraufhin endlich überzeugen, sei- Seuche und versucht sie so, für sich zu ge- ne zwielichtigen Unternehmen zu reformie- winnen... ren. Am Ende wird Eleanor in einem Sanatorium The Beggar of Cawnpore; USA 1916, geheilt und heiratet Matthew. Charles Swickard. 1916 Der britische Arzt Dr. Robert Lowndes (H.B. Charity (aka: Charity?); USA 1916, Frank Warner) kämpft in einem indischen Fort ge- Powell. gen eine verheerende Choleraepidemie. Als der Mediziner selbst zu fiebern beginnt, nimmt er ein Morphinpräparat, um die Kranken weiter behandeln zu können. Mary Flemming (Linda Arvidson) steht als Der Medikamentenabusus führt auf Dauer Angeklagte vor Gericht, weil sie in Verdacht zu einer schweren Abhängigkeit, die ein ge- steht, ihr an Tuberkulose erkranktes und wisser Capitain Douglas (Wyndham Stan- gestorbenes Kind ermordet zu haben. In der ding) nutzen will, um Lowndes die Ehefrau Anhörung erzählt sie, wie sie und ihr Bru- (Lola May) auszuspannen. Dies gelingt dem der Jimmie (Creighton Hale) eine schwere Bösewicht und der durch Sucht und Zu- Kindheit in einem brutal geführten Waisen- rückweisung erniedrigte Arzt wird zum Ob- haus durchlebt haben. Die Geschwister dachlosen. Doch kurz bevor ein Aufstand konnten fliehen, wurden aber schließlich indischer Soldaten (Sepoy Rebellion) das getrennt und haben sich aus den Augen ver- Land ins Chaos stürzt, realisiert die Frau ih- loren. ren Fehler: Sie nimmt den nun drogenabsti- Der Film endet mit einem überraschenden nenten Ehemann wieder zurück. Auftritt des verschollenen Bruders vor Ge- richt, der sein Jurastudium abgeschlossen hat und nun als Anwalt seine Schwester The Cycle of Fate; USA 1916, Marshall Nei- verteidigt. Er beweist, dass das Kind an Tu- lan. berkulose verstorben ist, und bewirkt die Freisprechung Marys. Die Zwillinge Maybelle (Linda Arvidson) Mixed Blood, USA 1916, Charles Swickard. und Joe (Creighton Hale) wurden als Kinder getrennt und führen als Erwachsene voll- kommen unterschiedliche Leben. Joe ist ein Krimineller geworden, wohingegen seine Nita Valyez (Claire McDowell) ist vom Cow- Schwester ihren Lebensunterhalt als Lehre- boy Carlos (George Beranger) – wegen des- rin in einem kleinen Dorf verdient. sen Gefährlichkeit und Gewalttätigkeit – Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 26

Einer von Joes Bandenmitgliedern – Sid Diese erfährt kurz vor ihrer Heirat, dass ihr (Lew Cody) – hegt die Absicht, Maybelle Verlobter Harry (Roy Stewart) ein Alkoholi- mit Drogen zu betäuben und in den Skla- ker ist. Der Arzt gibt sein bestes für das venhandel zu verkaufen. Doch Joe bemerkt Paar und heilt den Trunksüchtigen von sei- an ihrer Hand ein Geburtsmal und erkennt nem Leiden. so seine Zwillingschwester wieder. Joe tötet Doch nun entwickelt auch Myra romanti- Sid und bringt seine Schwester in ärztliche sche Gefühle für den Mediziner. Dieser will Behandlung. Doch auch Joes Geliebte Mame die Ehe des Paares nicht zerstören und mel- (Marion Warner) benötigt ärztliche Hilfe: det sich freiwillig für eine Position in einer Sie ist an Tuberkulose erkrankt und muss in Leprakolonie. den Westen ziehen. Joe schwört, von nun an Als Harry viele Jahre später stirbt, versucht gesetzestreu zu leben, und begleitet seine die Witwe den Arzt in den Heimatort zu- Partnerin in das heilende Klima des Wes- rückzuholen. Hin und her gerissen zwi- tens. schen seiner Liebe für Myra und der Liebe Seine Schwester verliebt sich unterdessen in zu seinem Beruf macht der Doktor eine fa- ihren behandelnden Arzt und die beiden tale Entdeckung: Er hat sich selbst mit der heiraten. Seuche infiziert und muss für immer in der Kolonie bleiben. The Eternal Grind; USA 1916, John B. O’Brien. The Isle of Life; USA 1916, Burton George. Die Brüder Owen (John Bowers) und Ernest Der Film basiert auf dem Roman The Isle of (Robert Cain) verlieben sich in zwei Ange- Life: A Romance von Stephen French Whit- stellte ihres Vaters. Owen zeigt Interesse an man. Mary () und sein Bruder be- Sebastian Maure (Frank Whitson) ist ein Re- gehrt Amy (Loretta Blake). bell, der sich in die schöne Ghirlaine (Ro- Doch als Marys Schwester Jane (Dorothy berta Wilson) verliebt. Diese ist zwar mit West) an Tuberkulose erkrankt, lehnt James einen gewissen Vincent liiert (Hayward egomanisch jegliche finanzielle Hilfe ab. Er- Mack), was den Nonkonformisten Sebastian nest zeigt sich da großzügiger, doch nur un- aber wenig stört: Er bringt die Frau weit ter der dreisten Bedingung, dass auch Mary weg von ihrem Liebhaber auf eine kleine, seine Liebhaberin wird. Diese lehnt empört abgelegene Insel. Doch Ghirlaine ist nicht ab und droht ihm, er müsse Amy wie ge- zufrieden, sie verlangt von Sebastian, ein plant heiraten, sonst verrate sie seine Intri- besserer Mensch zu werden. Dieser packt gen und werde ihn ruinieren. die Gelegenheit beim Schopfe und ver- Am Ende heiratet Owen Mary und auch schreibt sich der Gesundung der Inselbe- sein Bruder wird durch die mehr oder weni- wohner, die mit einer verheerenden Cho- ger freiwillige Heirat zu einem aufopfe- lera-Epidemie zu kämpfen haben – mit Er- rungsvollen Gatten für Amy. folg. Doch Vincent kann die Insel ausfindig machen und nimmt seine Geliebte wieder mit aufs Festland. The Inner Struggle; USA 1916, Edward Slo- Sebastian und seine Aufopferung gehen der man. Frau aber nicht aus dem Kopf und sie wird sich ihrer Liebe zu dem Rauhbein bewusst. Sie kehrt zurück, die beiden heiraten auf der Der Arzt Dr. Stephen Grant (Franklin Rit- Insel und finden ihr gemeinsames Glück. chie) verliebt sich Hals über Kopf in die ver- lobte Frau Myra (Winifred Greenwood). Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 27

The Invisible Enemy; USA 1916, William dank mikroskopischen Beweisen den Hypo- Stoermer. chonder vom Verdacht des Mordes befreien: Er findet den Tuberkuloseerreger an der Mordwaffe und beweist damit, dass der Tä- ter ein Schwindsüchtiger gewesen sein Der Gouverneurssohn Jack Webster (Jack muss. Cummings) besucht ein Mietshaus des Ver- Literatur: Wlaschin, Ken: Silent Mystery and mieters James Haggerty (William Parsons), Detective Movies: A Comprehensive Filmog- der gleichzeitig auch sein Vater ist. Was er raphy. Jefferson, NC: McFarland 2009, S. sieht, lässt ihn erschrecken und entzücken 138. zugleich: Die hygienischen Zustände sind desaströs, aber er erblickt auch die tuberku- losekranke Faith (Lucille Young) und ver- The Struggle; USA 1916, John Ince. liebt sich. Jack schafft es, die Geliebte für den Willen des Vaters. Auf den Rat des Tuberkuloseexperten Dr. James Carewe (Frank Sheridan) ist Chirurg De La Roche (Leon De La Mothe) reist sie bei der US-Armee und verliebt sich in die auf eine Farm, um an der frischen Luft ge- deutlich jüngere Marjorie (Ethel Grey Ter- nesen zu können. Der Gouverneur ist er- ry). Der Altersunterschied macht eine Be- zürnt und enterbt seinen Sohn, doch dieser ziehung der beiden unmöglich und die schlägt mit aufsehenerregenden Zeitungsar- Dame heiratet den chirurgischen Kollegen tikeln über die desolaten Zustande in den Leonard (Arthur Ashley). Mietswohnungen zurück. Auch James hat eine Affäre mit einer Witwe Die Publikationen bringen den Politiker zur (Elaine Evans) begonnen, als die beiden Räson und er beteiligt sich fortan am Kampf Chirurgen (mit Marjorie) plötzlich zu einer gegen die Schwindsucht. Schiffsreise beordert werden. Das Schiff aber strandet nach Turbulenzen The Microscope Mystery; USA 1916, Paul vor einer einsamen Insel, wo die Gestrande- Powell. ten ausharren, bis sie von einem Schiff ge- wird vom Meer zu einer Leprakolonie ge- schwemmt. Der Film basiert auf der Kurzgeschichte Carewe spürt den Vermissten auf und hilft Bugs von George Randolph Chester. ihm, durch einen chirurgischen Eingriff sein Ein wohlhabender Hypochonder (F.A. Tur- Gedächtnis wiederzuerlangen. Obwohl der ner) ist unzufrieden mit den Behandlungs- Eingriff ein Erfolg ist, erkennt Leonard, dass methoden des Stadtarztes Dr. Arnold (Wil- er sich mit der Lepra infiziert hat und be- fred Lucas) und holt sich eine Zweitmei- geht Selbstmord. nung ein. Der konsultierte Arzt Dr. Bell (Po- meroy Cannon) entpuppt sich aber als The Unattainable; USA 1916, Lloyd B. Quacksalber, der den Patienten um eine Carleton. stattliche Summe Geld betrügt. Als die Tochter des Betrogenen versucht den Hochstapler aufzusuchen, findet sie den Mann mit einer Schusswunde in der Brust Die New Yorker Theaterprimadonna Bessie tot auf. Gale (Dorothy Davenport) lässt die Avancen des wohlhabenden Faulpelzes Harry Morton Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung (Richard Morris) abblitzen und nimmt eine und der zuvor verpönte Dr. Arnold kann Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 28

neue Stelle an einem Theater im Westen an. The Woman in Politics; USA 1916, Eugene Dort verliebt sie sich in Robert Goodman, Moore. der ein Heilmittel gegen die Schafspest ge- funden haben will. Bessie reist zu einem großen Pharmaunter- Dr. Beatrice Barlow (Mignon Anderson) nehmen, um das Medikament vorzustellen prangert die unhygienischen Wohnbedin- und begegnet unerwartet Harry. Als Good- gungen der Mietshäuser des Bürgermeisters man nachreist und die beiden auf einer Par- Glynn (Arthur Bauer) an und wird wegen ty beobachtet, kommt es zu einer heftigen dieser Bekanntmachung gefeuert. Die Ärz- Auseinandersetzung. Als Folge verliert Mor- tin ersucht den Gouverneur (Ernest Ho- ton derart viel Blut, dass er eine Bluttrans- ward) ihr eine Anhörung zu gewähren und fusion benötigt. Als sei dies nicht genug, bekommt die erhoffte Zusage. finden die Ärzte heraus, dass der Blutarme die Tuberkulose hat. Bessie hat Mitleid mit Zur gleichen Zeit fallen der Medizinerin in dem vom Schicksal Gebeutelten und spen- den Mietswohnungen erste Fälle einer Po- det ihr Blut, um Harry zu retten. ckeninfektions-Welle auf, doch es gelingt ihr nicht die verseuchten Wohnstätten unter Quarantäne zu setzen. Als die desaströsen The Wasted Years; USA 1916, Robert Wohnungen auch noch in Flammen aufge- Broadwell. hen, wird Dr. Barlow in letzter Sekunde aus dem Feuer gerettet. Die Rettung ist aber von kurzer Dauer, denn darauf wird sie gegen ihren Willen in einem Sanatorium festge- Harry (Crane Wilbur) geht ins Theater und halten. erkennt auf der Bühne, dass scheinbar sein Am Ende wird sie vom Privatsekretär des eigenes Leben adaptiert wurde. Gouverneurs (George Marlo) befreit und der Das Stück zeigt sein jüngeres – mit der Bürgermeister bekommt seine gerechte schönen, aber braven June (Mae Gaston) Strafe. verlobtes – Ich (George Harris). Als dieses von einer stattlichen Erbschaft erfährt, hei- ratet er Hals über Kopf die verruchte Bilie 1917 (Jessie Burnett), welche ihn aber verlässt und verschwindet, als sie schwanger wird. Money Magic; USA 1917, William Wolbert. Der Verlassene wendet nun seine gesamte Erbschaft auf, um seine Frau und sein Kind (Thelma Salter) zu finden. Als ihm dies ge- lingt, erfährt er, dass Bilie gestorben ist und Bertha (Edith Storey) heiratet Marshall sein Nachwuchs in einem schäbigen Miets- (William Duncan), einen wohlhabenden, haus untergekommen ist. aber unsittlichen Minenbesitzer, der ge- Als alleinerziehender Vater macht Harry schworen ihr hat, seine Spielsucht in den sich auf, um zu June zurückzukehren. Zu Griff zu bekommen. Doch bevor er sein Ver- seinem Erschüttern erfährt er bei seiner An- sprechen einlösen kann, wird er von einem kunft nicht nur von einer Heirat Junes, son- Spielerkollegen, der ihm Geld schuldet, an- dern auch, dass seine Tochter an Tuberkulo- geschossen. Marshall überlebt, ist zeitlebens se erkrankt ist. Die Kleine überlebt nicht aber schwer verkrüppelt. und der Vater endet als vagabundierender Das Paar reist nach dem Vorfall gen Osten Obdachloser. und trifft dabei auf Ben (Antonio Moreno) Zurück in der Gegenwart sehen wir Harry und seine tuberkulosekranke Frau Alice regungslos im Theatersessel sitzen, als der (Florence Dye). Auf der Zugreise kommen Vorhang fällt – er ist tot. sich Ben und Bertha näher. Im Osten ange- kommen, wird die Zuneigung der beiden so Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 29

offensichtlich, dass Marshall die Liebelei be- Bill, der sonst nur flüchtigen Zeitvertreib merkt. mit seinem schwindsüchtigen Freund Sam- Doch als Bertha an der Schwindsucht my (John Gough) sucht, nimmt die hilflose verstirbt, besinnen sich die Beiden und Nora in Schutz. Doch diese sinnt nach Ra- Marshall schwört, Bertha zu ehren und che für ihre Mutter. Sie schießt auf Foyle, posthumes Glück zu verschaffen: Er klettert der die Mutter übers Ohr gehauen hat, trifft trotz seiner Herzschwäche auf einen Berg, aber Enoch mit einem Streifschuss. Bill um die Leiche auf der Bergspitze abzulegen nutzt die Ereignisse in seinem Sinne und – doch sein Herz macht die Tortur nicht mit überredet Nora, ihn zu heiraten, denn nur und er folgt ihr in den Tod. so sei ihr Ruf und Name geschützt. Doch schon bald findet er seine Ehefrau mit Foyle in dessen Hütte vor und hegt fortan Miss- Princess of the Dark; USA 1917, Charles trauen. Miller. Unterdessen wird Sammy immer sympto- ken in die Wüste. Dort lässt er sein Leben, nicht ohne Bill zuvor zu bitten, Noras Erklä- James Thornon (Gayne Whitman) ist an Tu- rung anzuhören. Er erfüllt seinem Freund berkulose erkrankt. Deshalb ist er mit sei- diesen Wunsch und findet heraus, dass Nora ner blind geborenen Tochter Fay (Enid Ben- Folye überwachen lässt und gewinnt sein nett) nach West Virginia gezogen – in der Vertrauen in sie zurück. Hoffnung, die Bergluft verlängere das Leben des Schwindsüchtigen. The Bottle Imp; USA 1917, Marshall Nei- Als eines Tages John (Gayne Whitman), lan. Sohn eines Besitzers lokaler Minen, zur In- spektion in der Gegend ist, verzaubern ihn Fays Charme und Idealismus. Er beginnt Fays Interesse zu wecken und verdrängt so Der Film basiert auf der gleichnamigen langsam Fays guten Freund Crip (John Gil- Kurzgeschichte von Robert Louis Stevenson. bert), der heimlich ebenfalls in Fay verliebt Der mittellose hawaiianische Fischer Lopa- ist. ka () muss die Federn ei- John findet einen Chirurgen, der dafür be- nes sagenumwobenen Vogels beschaffen, kannt ist, erfolgreich Blindheit zu behan- um die adlige Kokua (Lehua Waipahu) hei- deln. Er kann seine Kunstfertigkeit bei Fay raten zu dürfen. Während seiner Suche be- unter Beweis stellen und heilt sie. gegnet er einem sterbenden Priester (James Die Reaktion, die Fay beim ersten Anblick Neill), der ihm eine magische Flasche ver- des buckeligen Crip von sich gibt, bricht kauft. In dieser lebt Kono, der Gott der Vul- ihm das Herz und er nimmt sich das Leben. kane. Er verspricht dem Besitzer Reichtum und Wohlstand. Der Sterbende gibt aber noch einen wichtigen Hinweis: Schafft man Sands of Sacrifice; USA 1917, Edward Slo- es nicht, die Flasche vor seinem Tode güns- man. tiger zu verkaufen als man sie erstanden hat, wird schreckliches Leid über einen kommen. Big Bill (William Russell) und sein Agent Die Flasche macht Lopaka wie versprochen Emoch Foyle (George Periolat) verlegen un- zu einem reichen Mann, doch als er sich mit gefragt ein großes Trinkgelage in das Haus Lepra infiziert, muss er Kono samt Gefäß der attraktiven Nora (Francelia Billington). loswerden. Zuerst will sich seine Frau Ko- Schnell wird die Frau von den Trunkenbol- kua “opfern” und die Flasche erstehen, doch den belästigt. glücklicherweise taucht ein Seemann auf, der das verhängnisvolle Behältnis zum rich- Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 30

tigen Preis ankauft. kann.

The Courage of Silence; USA 1917, Willi- 1918 am P. S. Earle. Buchanan’s Wife; USA 1918, Charles Bra- bin. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Ro- man von Milton Nobles. Bradley (Harry T. Morey) lernt auf einer Ge- Der Film basiert auf dem gleichnamigen Ro- schäftsreise die attraktive Mercedes (Alice man von Justus Miles Forman. Joyce) kennen und verliebt sich in die Spa- nierin, obwohl er vermählt ist. Als er er- Beatrix (Virginia Pearson) heiratet Herbert fährt, dass Mercedes von ihrem Ehemann (Marc McDermott) in einem hypnotischen misshandelt wird, rettet und bringt er sie Trancezustand, obwohl sie eigentlich Harry nach Amerika. Auf der Reise enthüllt er, (Victor Sutherland) liebt. Harry erfährt dies dass er ein glücklich verheirateter Mann ist. und verschwindet zusammen mit dem zwie- Mercedes flieht bei erster Gelegenheit in ein lichtigen Vagabunden Kansas (Ned Finley). Kloster. Beatrix identifiziert unterdessen eine Leiche Unfähig sie zu finden, unternimmt Bradley fälschlicherweise als die ihres Ehemanns, eine Expedition nach Afrika und seine Fa- um wieder heiraten zu können. Als Harry milie reist nach Übersee, wo das Schicksal aber eines Tages vor ihrer Tür steht und das seinen Lauf nimmt: Es tobt eine Epidemie Paar konfrontiert, beichtet sie den Schwin- im fernen Kontinent und seine Kinder er- del. Kansas will das Paar fortan erpressen, kranken an der Seuche. Mercedes – nun doch Herbert, der seine Tuberkulose- eine Krankenschwester – wird zur Epidemie Erkrankung bisher verheimlichen konnte, gerufen, kann die Kinder aber nicht retten. schafft es auf seinem Totenbett, Kansas von Sie erkennt die Ehefrau aber und lässt nach den Erpressungsplänen abzubringen. Bradley senden. Sie bringt das Paar wieder zusammen, dessen Beziehung sie unwillent- Cupid in Quarantine; USA 1918, Scott lich auf Distanz gebracht hat. Sidney. Unto the End; USA 1917, Harrish Ingra- ham. Ein Paar wird durch die Ablehnung des Schwiegervaters an der Zusammenkunft ge- hindert, nutzt aber die Pockenerkrankung Der Pechvogel Jim O’Neill (Crane Wilbur) eines Nachbarn, um die Pathologie bei sich ist an einem Freitag, dem 13., geboren. Die- selbst zu fingieren und gemeinsam in Qua- ser omenhafte Umstand erfüllt seine rantäne zu kommen. schlechten Verheißungen, als die Eltern sei- Die aufgemalten Pocken bringen den Lie- ner Geliebten ihn missbilligen und eine ge- benden den erhofften Erfolg, am Ende kann meinsame Zukunft verbieten. der erkrankte Nachbar – seinerseits zufällig Als wäre dies nicht genug, erkrankt seine Pfarrer – die beiden auch noch trauen. Doch Angebetete auch noch an Lepra und wird in als sich herausstellt, dass der Geistliche eine Kolonie verschifft. Jim erkennt in dem wirklich die Pocken hat, bricht Chaos aus Schicksalsschlag die Chance, bei seiner Her- und der Film endet turbulent. zensdame zu sein und begleitet sie trotz al- ler Gefahren in die Leprakolonie, wo er ihr bei der Heilung aufopfernd zur Seite stehen Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 31

Danger Within; USA 1918, Rae Berger. beiden werden ein Paar. Her Body in Bond (aka: The Morals of an Actress); USA 1918, Robert Z. Leonard. Der herzlose Millionär Matthew Wedgesto- ne (Charles Hill Mailes) findet zu seiner Verwunderung ein Quarantäne-Schild mit der Aufschrift “danger within!” an seiner Das Cabaret-Tänzerpaar Peggy (Mae Mur- Haustüre. Als er das Missverständnis auf- ray) und Joe (Kenneth Harlan) werden ge- klären will, bemerkt er, dass sein gesamtes trennt, weil Joe Tuberkulose diagnostiziert Grundstück von einer Garde abgeriegelt bekommt und zur Genesung in den Westen wurde. Mit seiner Haushälterin Dolly (Zoe reisen muss. Joe sendet seiner Frau in den Rae) schmiedet er Fluchtpläne. Er kommt zu folgenden Wochen immer wieder Briefe, die der Erkenntnis, dass ein gewisser Dr. Te- unverhältnismäßig viel Geld fordern, was wick (Zoe Rae) und einer von seinen Mana- seine Frau an den Rande des Ruins treibt. gern (True Boardman) planen, den Mann Peggy ahnt nicht, dass die Briefe ihres Man- durch die fingierte Pockenerkrankung zu nes von einem heimtückischen Millionär ruinieren. (Alan Roscoe) abgefangen und in manipula- Dolly schafft es letztendlich aus der Quaran- tiver Art verändert werden, um Peggy von täne zu entwischen und kann für die Ver- ihrem Mann zu entfremden. haftung der Betrüger sorgen. Der Schwindel fliegt allerdings auf, als Joe genesen zurückkehrt und den Betrüger vor seiner Haustüre erwischt. Es kommt zu ei- Fields of Honor; USA 1918, Ralph Ince. ner Auseinandersetzung mit einem dramati- schen Faustkampf. Die Polizei eilt zur Hilfe, der Bösewicht Der Film basiert auf der gleichnamigen wird verhaftet und das Paar kann in eine Kurzgeschichte von Irvin S. Cobb. gesunde und glückliche Zukunft blicken. Marie (Mae Marsh) und ihre Geschwister Helene (Marguerite Marsh) und Paul (Geor- I Love You; USA 1918, Walter Edwards. ge Cooper) emigrieren mit Helenes Liebha- ber Hans (John Wessel) nach Amerika. Doch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zwingt Hans und Paul, an die Front zu rei- Der Film kam im Jahre 1923 mit demselben sen. Titel als Re-release in die Kinos. Marie lernt unterdessen Robert (Vernon Die wunderschöne Felice (Alma Rubens) Steele) kennen. Die beiden verlieben sich, verliebt sich in den Maler Jules (Francis Mc- aber Robert nimmt Abstand, als er von ei- Donald), für den sie Modell steht. Doch als nem Marie diffamierenden Gerücht hört. das Bild fertig gemalt ist, verschwindet der Marie wird schnell von ihrem Verlust abge- Maler nach Paris, wo ihm sich Ruhm und lenkt: Sie sucht verzweifelt nach der Adres- Reichtum zuteil werden. Das Gemälde se einer Schwindsuchtklinik, denn Helene macht aber den Millionär Armand (Wheeler hat sich mit Tuberkulose infiziert. Doch die Oakman) auf Felice aufmerksam und er Suche kommt zu spät: Marie erfährt, dass spürt sie auf – die Heirat folgt. nicht nur Paul und Hans an der Front gefal- Die beiden bekommen einen Sohn (Peaches len sind, auch die kranke Helene hat durch Jackson) und leben ein glückliches Leben, Suizid ihr Leben beendet. bis Armand einen berühmten Maler zum Robert, der den Gerüchten keinen Glauben Anfertigen eines Familienportraits in ihr mehr schenkt, hält Marie in letzter Sekunde Haus ordert – es ist Jules. Erneut versucht von der Rückreise nach Europa ab und die der Künstler Felice zu verführen. Armand Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 32

wird eifersüchtig und – als wäre dies nicht schwärmt davon bei Ivan (Walter Deming). genug – es erkrankt der Sohn der Familie an Dieser ist in einer Fabrik angestellt, deren der Pest. Die Eifersucht des Ehemanns geht egoistischer Besitzer Andrew (Courtenay so weit, dass er seine Frau endgültig ver- Foote) den geringen Lohn weiter kürzt. Als lässt. Folge muss Ivan Sonias Violine versetzen. Desillusioniert sieht die Verlassene nur Andrew kauft das Instrument und es dauert einen Ausweg: Sie küsst ihren Sohn und nicht lange, bis Julia vor seiner Tür steht geht mit den Erregern der unheilbaren und ihr Streichinstrument einfordert. Als Krankheit an den Lippen zu Jules, den sie Andrew sie spielen hört, bietet er ihr ver- innig küsst... zaubert die Finanzierung ihrer musikali- schen Ausbildung an, doch Sonia zer- schmettert wütend das Instrument. Sie hilft Lægen; Dänemark 1918, Fritz Magnussen. lieber in der Fabrik als Krankenschwester, denn eine Epidemie hat sich unter den Mit- arbeitern ausgebreitet. Ihre Aufopferung rettet nicht nur die Arbei- Es ist eine Epidemie ausgebrochen, welche ter, sondern auch Andrew, den ein massen- die Gesellschaft, wie wir sie kennen, zu ver- haftes Sterben unter den Arbeitern ruiniert nichten droht. Doktor Letter (Olaf Fønss) hätte. Dies führt zu einem Gesinnungswan- hat ein Antigenserum entwickelt, welches del des Fabrikbesitzers und er verbessert die Erkrankten heilen soll. Als die Seuche Löhne wie Arbeitsbedingungen, womit er unmittelbar vor seiner Stadt angekommen letztendlich Sonia für sich gewinnen kann. ist, wird eilig ein Medizinrat einberufen. Letter erzählt von seiner Entdeckung. Die ersten Opfer der Seuche, Frauen, beginnen Pay Day; USA 1918, Mrs. Sidney Drew, Sid- die Stadt in Panik zu versetzen. Einen dieser ney Drew. Indexfälle nimmt der Arzt als Versuchskan- didaten und hat Erfolg mit dem heilenden Serum. Ein anderes Mitglied des Rates (William Be- Der Film basiert auf dem gleichnamigen wer) – neidisch auf den Arzt und ein Auge Theaterstück von Oliver D. Bailey. auf sein Herzblatt geworfen habend – bricht Die Komödianten Mr. and Mrs. Sidney Drew bei dem Mediziner ein und verunreinigt die (die Regisseure verkörpern sich selbst) dre- Proben des Gegenmittels. Als diese in einem hen einen Film namens “Pay Day”, dessen Krankenlager eingesetzt werden, kommt es Plot den Bösewicht Kirk im Zentrum hat. zu einem Massensterben, das zum Genstand Kirk (Sidney Drew) nutzt die junge Frau eines Skandals wird. Doris (Mrs. Sidney Drew) aus, die für ihn Doch als auch Dr. Letter erkrankt und zu stehlen muss und dafür ins Gefängnis sterben droht, will ein Kollege (Robert kommt. Der Gewissenlose heiratet unter- Schmidt) den Versuch mit dem vermeintlich dessen eine andere Frau (Linda Farley). tödlichen Medikament wagen: er mischt es Als Doris aus der Haft entfliehen kann und neu an, da er die letzte vergiftete Probe zer- Kirk zur Rede stellt, kommt es zu einem brochen hat. Diesmal wirkt das Arzneimittel Kuss. Als sie aber enthüllt, dass sie an Lepra wieder und der Held kann die Welt retten. erkrankt ist, besiegelt dies das Schicksal des Paares: Sie verbringen den Rest ihres Le- bens in einer Leprakolonie. Love’s Law; USA 1918, Francis J. Grandon. Zurück in der Realität des Komiker-Duos wird der Film ein Kassenschlager. Sonia (Gail Kane) träumt davon, eine welt- Paying His Debt; USA 1918, Clifford berühmte Violinistin zu werden und Smith. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 33

fektion mit einer sexuell übertragbaren Er- krankung, an der Santa stirbt. Der tuberkulosekranke Frank (Roy Stewart) muss aufgrund der besseren Luftverhältnis- The Fly God; USA 1918, Clifford Smith. se zur Genesung in den Westen reisen. Auf der Reise kollabiert der durch die von der Krankheit stark Geschwächte. Der zwielich- tige Morton (Roy Stewart) findet Frank und Um Dank der reinen Luft des Westens von hilft ihm auf die Beine. seiner Tuberkulose-Erkrankung zu genesen, Morton erkennt die verblüffende Ähnlich- reist Bob (Edward Peil Sr.) mit seiner Frau keit zwischen ihm und dem Erkrankten und (Claire Anderson) nach Arizona. Dort ange- kommt auf die Idee, Franks Namen zu miss- kommen, freunden sie sich mit William brauchen: Er begeht in dessen Namen Ver- (Roy Stewart) an, der durch seine Beziehun- brechen. Doch der Ganove wird bei einem gen für Bob einen Job im Saloon vermittelt. seiner Delikte von der Polizei gefasst und Als eines Tages ein Bandit (Aaron Edward) Frank wird von den Anschuldigungen be- in den Saloon stürmt und mit einer Waffe freit. auszurauben versucht, wirft Bob einen Hammer und verwundet den Angreifer töd- lich – ohne zu ahnen, dass der Tote ein Bru- Pour résister à la tuberculose; Frankreich der des Sheriffs war. Der nach Rache trach- 1918, Marius O’Galop. tende Gesetzeshüter sperrt den Kranken so- fort hinter Gitter, doch William schafft es, den zu Unrecht Angeklagten frei zu bekom- Ein kachektischer, hustender alter Mann ar- men, und vereint ihn mit seiner Ehefrau. beitet an seinem Schreibtisch, als ein Skelett hinter ihm auftaucht, welches dem Mann The King of Diamonds; USA 1918; Paul mittels Blasebalg Tuberkuloseerreger entge- Scardon. genbläst. Der Film warnt, dass Menschen, die Medi- kamente nehmen, besonders anfällig für eine Infektion seien. Dann sieht man einen Lucille (Betty Blythe) betrügt ihren langwei- fitten Boxer, der vom gleichen Skelett be- ligen Ehemann Oliver (Harry T. Morey), der drängt wird, dieses aber ohne Mühe nieder- niemals einer Scheidung einwilligen würde, schlägt. Dann werden Sport und frische Luft mit Dr. Emilio Toranno (George Majeroni). als gute Maßnahmen zur Infektionsvorbeu- Dieser will auf anderem Wege eine Schei- gung gepriesen. dung herbeiführen: Er injiziert Oliver ein Gift, das ihn glauben lässt, er sei an Lepra erkrankt. Oliver ist niedergeschmettert und Santa; Mexico 1918, Luis Peredo. will sich im Meer ertränken, doch ihm fehlt Dort befreundet er sich mit dem wohlha- benden Arzt Sanderson, der plötzlich stirbt Nach dem gleichnamigen Roman von Fede- und ihm sein Vermögen vermacht. Oliver ist rico Gamboa. nun mit den nötigen finanziellen Mitteln Das unschuldige Mädchen Santa (Elena Sán- ausgestattet und sinnt nach Rache. Er reist chez Valenzuela) wird von seinem Ehemann zurück und überredet Sanderson zu einer betrogen und von der Familie verstoßen. Investition, die diesen finanziell ruiniert. Ohne Heim und Einkommen wird sie in die Danach überzeugt er Lucille davon, dass ihr Prostitution gedrängt. Mann untreu ist – aber das Komplott geht zu weit: Lucille erschießt sich aus Scham Ihr unaufhörlicher Abstieg führt einer In- Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 34

selbst und der Rachefeldzug endet in einer einer Pneumonie verstirbt, entwickelt Dr. Tragödie. Carlisle ein Heilmittel gegen Anthrax und kann Dr. Leslie überreden, sich willentlich zu infizieren, um das Heilmittel am Men- The Landloper; USA 1918, George Irving. schen zu testen. Kurz vor der Injektion Spritze aus der Hand. Dabei schneidet und infiziert er sich. Der Mediziner schafft es Der Film basiert auf dem gleichnamigen Ro- aber, ein neues Medikament zu mischen und man von Holman Francis Day. rettet den Infizierten in letzter Sekunde. Der wohlhabende junge Mann Walker (Ha- rold Lockwood) will beweisen, dass er als The Shuttle; 1918, Rollin S. Sturgeon. Landstreicher leben kann und springt ohne sein Hab und Gut auf den nächsten Zug. Auf der Reise trifft er Kate (Pauline Curley), die von Richard zu einer Heirat gezwungen Der Film basiert auf dem gleichnamigen Ro- wird, weil ihre Familie ihm 5000$ schuldet. man von Frances Hodgson Burnett. Walker hilft auch einem gewissen Etienne Bettina Vanderpoel (Constance Talmadge), (Bert Starkey), der gerade eine Selbstmörde- die charmante Tochter des New Yorker Mil- rin aus dem Wasser fischt. Der vermeintli- lionärs Reuben Vanderpoel (Edwin B. Til- che Hobo adoptiert daraufhin die Tochter ton), reist nach England, um ihre Schwester (Gertrude Maloney) der Suizidentin. Er lebt Rosalie (Edith Johnson) zu besuchen. Roda- glücklich mit der Adoptivtochter, bis eine – lie ist mit Sir Nigel Anstruthers (George A. durch verseuchtes Trinkwasser verursachte McDaniel), einem verarmten englischen Ad- – Typhus-Epidemie in der Stadt grassiert. ligen, verheiratet. Seine Tochter stirbt. Als Betty in ihrem heruntergekommenen Der wütende Stiefvater sucht einen Schuldi- Anwesen ankommt, stellt sie fest, dass Nigel gen – und, wie der Zufall es will, ist es Ri- nicht nur Rosalies Vermögen verschwendet chards Onkel, ein Politiker. Der falsche hat, sondern auch seine Frau und ihren klei- Hobo finanziert einen Wahlkampf, der den nen Sohn grausam behandelt. Bettina reno- Verursacher aus dem Amt befördert. Nun viert das Anwesen umgehend mit ihrem ei- enthüllt Walker seine Identität und heiratet genen Geld und stellt daraufhin ihre Kate. Schwester der englischen Gesellschaft vor. Dabei trifft sie Lord Mount Dunstan (Alan Roscoe), einen stolzen, aber mittellosen Ad- The Light Within; USA 1918, Laurence ligen. Obwohl Dunstan sich stark zu Betty Trimble. hingezogen fühlt, meidet er sie, um keinen Plötzlich bricht unter den Bauern eine Epi- demie aus, und als Betty hört, dass Lord Dr. Laurel Carlisle (Olga Petrova), eine Bak- Dunstan gestorben ist, flüchtet sie in Trauer teriologin, heiratet den wohlhabenden Fies- aus der Stadt. Aber Nigel findet sie in einer ling Clinton Durand (Lumsden Hare) nur, verlassenen Hütte und versucht, sie anzu- um ihre wissenschaftlichen Studien fi- greifen, aber Lord Dunstan rettet sie und nanzieren zu können. Die Doktorin forscht gesteht schließlich seine Liebe. nach einem Heilmittel gegen Milzbrand Bald darauf erleidet Sir Nigel einen Schlag- (Anthrax) und liebt eigentlich ihren Kolle- anfall und stirbt, wodurch Rosalie aus sei- gen, Dr. Leslie (Thomas Holding). nen Fängen befreit wird. Doch Donald stellt sich als brutaler Tyrann heraus, der Laurel und ihren Sohn Donald (Freddie Verdi) misshandelt. Als das Kind an Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 35

Women’s Weapons; 1918, Robert G. Vig- Bobby Bumps’ Pup Gets the Flea-enza; nola. USA 1919, Earl Hurd. Als Anne Elliots (Ethel Clayton) Kinder sich Bobby will seine Haustiere, einen Hunde- mit Scharlach anstecken, wird ihr Haus un- welpen und eine Katze, mittel chirurgi- ter Quarantäne gestellt und ihr ausgeschlos- schem Mund-Nase-Schutz vor der Influenza sener Ehemann Nicholas (Elliott Dexter) schützen. Doch die Katze stiehlt dem bellen- muss eine Unterkunft suchen. den Rivalen die Schutzmaske und er infi- In seiner Einsamkeit verliebt sich Nicholas ziert sich mit der Grippe. – Schriftsteller von Beruf – in seine Illustra- Als er wieder genesen aus seinem Schlaf- torin Esmee Hale (Vera Doria) und beginnt platz steigt, folgt ihm eine Armee Fliegen, eine Affäre mit ihr. Nicholas ist fortan ge- die der Kater für Erreger hält. Er bemerkt zwungen, Esmees Rechnungen zu bezahlen, seinen Irrtum, die Fliegen belästigen ihn und nähert sich dem Bankrott, während und er katapultiert den verursachenden Anne geschickt ihre Ersparnisse verdrei- Welpen zornig aus dem Fenster. facht. Sie erfährt von der Affäre ihres Man- nes und lädt Esmee ein, in ihrem Haus an Die Pest in Florenz; Deutschland 1919, Ot- Nicholas neuem Stück mitzuarbeiten. Anne to Rippert. täuscht geschickt eine immobilisierende Krankheit vor und die Affäre – nun ge- zwungen, den Haushalt zu führen – erweist sich als schlechte Ehe- und Hausfrau. Die Der Film basiert auf der Erzählung The Mas- Unfähigkeit Esmees treibt Nicholas letzt- que of the Red Death von Edgar Allan Poe. endlich zurück in die Arme seiner Ehefrau. Die Stadt Florenz verfällt dem zügellosen Hedonismus und wird mit göttlichem Zorn durch eine verheerende Pest gestraft. Die 1919 Seuche bricht erst in den umliegenden Ge- meinden aus, sodass Florenz noch in letzter A Man's Country; USA 1919, Henry Kol- Sekunde evakuieren werden kann. In der ker. Quarantäne frönen die Stadtbewohner aber weiter den Ausschweifungen der fleischli- chen Gelüste. Kate Carewe (Alma Rubens) ist eine be- Der Retter aus diesen zügellosen Umtrieben rühmte Cabaret-Tänzerin, die als liederliche ist ein religiöser Einsiedler, der kurzzeitig Frau aus dem Verkehr gezogen werden soll, selbst den Versuchungen der Weiblichkeit als der Minister Ralph Bowen (Alan Roscoe) erliegt, sich seiner Frömmigkeit aber wie- eines Tages die Stadt inspizieren soll. derbesinnen kann. Er schleppt dem quaran- tänisierten Moloch Florenz die Krankheit Doch so weit kommt es nicht, denn die absichtlich ein – über die italienische Me- Stadt stürzt plötzlich in heilloses Chaos, als tropole wird sofort ein Anathema verhängt dort die Pest ausbricht. Die Stadtleute flie- und das Eindringen der Seuche als Sieg hen panisch in die Berge, doch Kate bleibt Gottes gefeiert. aufopferungsvoll bei zwei erkrankten Kin- dern, die sie gesundpflegen will. Ihre Selbstlosigkeit bringt ihr die langer- Dr. Wise on Influenza; Vereinigtes König- sehnte Zuneigung Ralphs ein und die bei- reich 1919, Joseph Best. den werden – nach einem kurzen und sieg- reichen Handgemenge Ralphs mit einem Ri- valen (Lon Chaney) – ein glückliches Paar. Der Mediziner Dr. Wise tritt als Erzähler Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 36

auf, der seine Weisheiten zum Kampf gegen The Boomerang; USA 1919, Bertram Bra- die Influenza einem Patienten zum Besten cken. gibt. Er erzählt, wie ein Influenzakranker zinisch ungebildeten Patienten zum Ver- hängnis werden können: Er geht trotz ein- Der Film basiert auf dem gleichnamigen Ro- deutiger Symptome zur Arbeit und gefähr- man von William Hamilton Osborne. det seine Kollegen, er vernachlässigt in öf- fentlichen Verkehrsmitteln jegliche Ab- Der Millionär Peter Cameron (Melbourne stands- und Hygieneregeln, ignoriert seine MacDowell) initiiert ein Bündnis zwischen Symptome, bis sein Gesundheitszustand seiner Tochter Rose (Nina Byron) und Geor- kritisch wird und der unvorsichtige Patient ge Gray (Henry B. Walthall), dem Sohn des verstirbt. Konkurrenten Max Gray (Richard Norris), um die Lebensmittelindustrie unter seine Zurück bei Dr. Wise wird der Zuschauer in Kontrolle zu bringen. George – seinerseits Hygiene gemaßregelt und man erfährt, wie Anwalt– wird vom mächtigen Cameron rui- der Patient Genesung erlangte: Er gurgelte niert und bekommt nur noch Arbeit in einer eine Kaliumlösung. Mine. Als dort eine Infektionswelle unter den Ar- Malaria. Urlaub vom Tode; Deutschland beitern ausbricht, identifiziert George sofort 1919, Rochus Gliese. den Auslöser: verdorbenes Fleisch, das Ca- merons Firma geliefert hat. Dieser Skandal gibt George genug Zündstoff, um Cameron zu diskreditieren und seiner gerechten Stra- Das Ärzte-Duo Nawaschin (Martin Lübbert) fe zuzuführen. und Schuwalow (Ewald Bach) hoffen, ein Serum zur Heilung der Malaria entdeckt zu haben. Um es testen zu können, muss sich The Lady of Red Butte (aka: The Lady of einer der beiden mit der Krankheit infizie- Red Brute); USA 1919, Victor Schertzinger. ren. Die beiden losen aus und Nawaschin verliert. Doch zuvor will er noch ein Jahr in vollen Zügen genießen und das Leben aus- kosten. Der Theologiestudent Webster Smith (Tho- mas Holding) verliert seinen Verstand und In dieser Zeit lernt er die verführerische pilgert im Glauben, er sei ein göttlicher Er- Tänzerin Tatjana kennen (Lyda Salmonova) retter der Menschheit, durch die Wüste. In und heiratet sie. Sie erfährt von der Abma- einer kleinen Stadt angekommen, lernt er chung der beiden Ärzte, als die Ein-Jahres- die hinreißende Saloon-Besitzerin Faro (Do- frist um ist, und geht heimlich zu Schuwa- rothy Dalton) kennen, die den Sonderling low. Sie bittet ihn, das Experiment an Nawa- aber zunächst ablehnt. schins Stelle durchzuführen, dieser lehnt aber ab. Als Webster beginnt, eine Kirche zu bauen, pflegt Faro – die als Krankenschwester aus- Nawaschin hat die beiden beobachtet und hilft – den Fiesling Ed (Tully Marshall), der hält Tatjana für untreu. Um ihm ihre Liebe aber ein ansteckendes Fieber über die Stadt zu beweisen, schleicht sie sich in sein Labor bringt. Panik bricht aus und Saloon-Besitzer und infiziert sich mit der Malaria. brennen mit Whiskey ihre Tresen nieder, Das eilig verabreichte Gegengift verfehlt um diese so zu desinfizieren. seine Wirkung nicht, Tatjana ist gerettet Das Feuer schlägt auf das neu errichtete und eine der schlimmsten Seuchen der Gotteshaus über und Webster bekommt Menschheitsgeschichte besiegt. einen Schlag an den Kopf. Er erlangt seine Besinnung aber zurück und erschießt in ei- ner tragischen Verwechselung Faro, die er Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 37

für den infektiösen Bösewicht Ed hält. wane und stecken sich mit der Seuche an. Doch trotz vieler Abenteuer und Wirrungen überleben die beiden die Infektion und ler- The Man Beneath; USA 1919, William nen sogar eine attraktive Perserin kennen… Worthington. Dinty; USA 1920, John McDermott, Mar- shall Neilan. Der Film basiert auf dem Roman Only a Nigger von Edmund Mitchell. Der indische Arzt Dr. Chindi Ashutor (Ses- sue Hayakawa) lebt in den USA, reist aber Doreens (Colleen Moore) Ehemann stirbt in sein Heimatland, um eine dort wütende, bei einem Unfall und die Mutter muss sich unbekannte Seuche zu bekämpfen. Sein Stu- fortan allein um ihren Sohn Dinty (Wesley dienfreund James (John Gilbert), arbeitslos Barry) kümmern. und in Probleme mit der Geheimgesellschaft Als dieser alt genug ist, verdient er Geld als Black Hands geraten, flüchtet zu seinem Zeitungsjunge. Doch die Mutter erkrankt an Freund nach Indien. Tuberkulose und die bescheidenen Ein- Die Black Hands folgen ihm, aber Dr. Ashu- künfte reichen nicht mehr aus. Um mehr tor schafft es durch ein Scheintotmedika- Geld zu beschaffen, lässt er sich mit einer ment die Bande glauben zu lassen, der ge- chinesischen Schmugglerbande ein, die er jagte Freund sei ein Opfer der Seuche. Sein im Verlauf aber an die Polizei ausliefern Freund ist gerettet, aber die Seuche bringt kann. Gleichzeitig hat er damit auch die weiter Verderben in seine Heimat. So steht entführte Tochter (Marjorie Daw) eines ho- der Arzt vor einer schweren Entscheidung: hen Richters (J. Barney Sherry) gerettet, der Widmet er sein Leben der Bekämpfung der den Jungen aus Dankbarkeit adoptiert. Krankheiten oder gibt er seiner Geliebten Kate (Helen Jerome Eddy) nach, die ihn Isobel; or, The Trail’s End; USA 1920, Ed- nach Hause in die USA und an ihre Seite win Carewe. holen will? Er entscheidet sich für seine Profession. Der Film basiert auf dem Roman Isobel: A 1920 Romance of the Northern Trail von . Die Todeskarawane (aka: Auf den Trüm- Scottie Dean (Edward Peil Sr.) glaubt, in ei- mern des Paradieses); Deutschland 1920, nem Eifersuchtsanfall den Kapitän (Dick La Joseph Stein. Reno) des Schiffes, auf dem er reiste, getötet zu haben und flieht in die Northwoods. Ser- gant William (House Peters) soll den Mann aufspüren, trifft aber auf seine Frau Isobel Nach dem Roman Von Bagdad nach Stambul (Jane Novak), deren Charme ihn so verzau- von Karl May. bert, dass er dem Paar hilft. Jedes Jahr pilgert eine endlose Schlange Ein anderer Gesetzeshüter, MacVeigh, be- Gläubiger zum heiligen Wallfahrtsort der kommt die Suche aufgetragen und findet die Mohammedaner, der plötzlich von grauen- Flüchtigen. Im Verlauf stirbt Dean. Isobel vollen Seuchen heimgesucht wird. Die Sär- erleidet eine Meningitis (“brain fever”), die ge der Leichen werden in den sogenannten sie fälschlicher Weise glauben lässt, Mac- Todeskarawanen abtransportiert. Veigh sei der Mörder ihres Mannes. Dieser Ein Weltenbummler (Carl de Vogt) und sein hat sich mittlerweile in die Witwe verliebt Diener geraten in die verhängnisvolle Kara- und – als er hört, sie sei verstorben – geht Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 38

er auf die Suche nach ihrer Tochter. Doch er seiner Geliebten und seine Rückkehr vereint findet die Geliebte zu seiner Überraschung das Paar. gesund und munter und die beiden werden ein glückliches Paar. Stronger Than Death; USA 1920, Herbert Blaché, Charles Bryant, Robert Z. Leon- Madame Peacock; USA 1920, Ray C. Small- ard. wood. Der Film basiert auf dem Roman The Hermit Der Film basiert auf der gleichnamigen Doctor of Gaya von Ida Alexa Ross Wylie. Kurzgeschichte von Rita Weiman. Aufgrund einer Herzerkrankung wird der Janes (Alla Nazimova) Ambitionen als weltberühmten Tänzerin Sigrid (Alla Nazi- Schauspielerin sind so groß, dass sie ihre mova) verboten, jemals wieder auf der Büh- Familie immer mehr vernachlässigt. Als sie ne zu steigen. eines Tages nach einem Auftritt nach Hause Sie reist nach Indien und lernt dort Major kommt, findet sie Ihren Mann sowie ihre Tristan (Charles Bryant) kennen und lieben, kleine Tochter einen quälenden Husten dessen Aufgabe es ist, die Bevölkerung des durchleidend vor, der die beiden in ein Sa- indischen Dorfes vor der Cholera zu schüt- natorium nach Colorado zwingt. zen. Als Tristan wegen einem Handgemen- Die Familie verliert für Jahre den Kontakt, ge vor Gericht kommt, lässt sich Sigrid auf doch als Jane eines Abends von einer einen zwielichtigen Handel ein, der den Ge- Schauspiel-Rivalin an die Wand gespielt liebten befreit, aber sie zur Ehefrau des Wi- wird, stellt sich diese als ihre Tochter Gloria derlings James (Herbert Prior) macht. (ebenfalls Alla Nazimova) heraus. Die Mut- Als eine Rebellion ausbricht, schafft Sigrid ter erfährt nun Reue und kehrt demütig in es, den Aufstand durch ihre Tanzkunst so den Schoß ihrer Familie zurück. lange aufzuhalten, bis nach Hilfe gesendet werden kann. Am Ende bricht die Tänzerin erschöpft zusammen – und erwacht in den Man and His Woman (aka: Body and Soul; Armen ihres geliebten Tristan. aka: The Soul Spinners); USA 1920, J. Stu- art Blackton. The Girl of My Heart; USA 1920, Edward LeSaint. Dr. John Worthing (Herbert Rawlinson) ver- um ein Medikament gegen die Pest zu erfor- schen. Seine Partnerin, im Glauben, er sei Der Film basiert auf dem Roman Joan of tot, wird erfolgreich von Hugh (Warren Rainbow Springs von Frances Marian Mit- Chandler) umgarnt, der liederlicher Weise chell. auch die Krankenschwester Eva (May McA- Joan (Shirley Mason) muss aus dem Waisen- voy) umwirbt. haus, wo sie misshandelt wird, fliehen. Sie Als Claire dies herausfindet, treibt sie die findet Unterschlupf bei einer Familie, deren niederschmetternde Missverständnis in die Oberhaupt der tuberkulosekranke Rodney Opiumsucht. Sie kommt auf die Krankensta- (Raymond McKee) ist. Joan kann ihn gerade tion von Eva, deren aufopfernde Pflege noch davon abhalten, sich das Leben zu Claire genesen lässt und ihr neuen Lebens- nehmen, und überzeugt den Lebensmüden, mut spendet. mit ihr in den Westen zu gehen. Die Krankenschwester informiert danach Dort treffen die beiden auf den Bürgermeis- den totgeglaubten Arzt über den Zustand ter Philips (Al Fremont), der illegal an die Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 39

Indianer der Gegend Alkohol verkauft. Die- Forschungsarbeit der beiden wird zum Er- ser fühlt sich bedroht durch die neugierigen folg, er bekommt eine Prämie von 100.000 Neuankömmlinge und heuert den Gesetzlo- Dollar und die beiden werden ein Paar. sen Chawa (Hooper Toler) an, um das Paar zu eliminieren. Doch Rodney wird nur ver- letzt und erfährt von dem zur Rettung geeil- Das indische Grabmal zweiter Teil – Der ten Arzt, dass er die Schwindsucht über- Tiger von Eschnapur; Deutschland 1921, standen hat. Joe May. Joan wurde unterdessen von Chawa ent- führt, aber der nun Genesene kann die Dame seines Herzens befreien. Der Film basiert auf dem Roman Das Indi- sche Grabmal von Thea von Harbou. Two Kinds of Love; USA 1920, B. Reeves Rowland (Olaf Fönss) ist verflucht worden. Eason. Der Fluch hat ihm die Pest und das Dasein als Aussätzigen beschert. Er kann aber durch Yoghi (Bernhard Goetzke) von Wun- derhand geheilt werden. Fred Watson (Ted Brooks) ist an Tuberkulo- Es folgt eine abenteuerliche Flucht aus den se erkrankt und sucht Heilung im ländli- Fängen des Maharadschas (Lewis Brody), chen Dorf “Dead Man’s Gulch”. Dort lernen die von Tierkämpfen, Schlangenangriffen sie Bill Dorgan (B. Reeves Eason) kennen, und wilden Verfolgungsjagden geprägt ist. der sich in Freds Frau Kate (Jimsy Maye) Am Ende hat der Maharadscha das Nachse- verliebt und mit den beiden auf Goldsuche hen und bricht in Büßergewand auf dem ti- geht. telgebenden Grabmal zusammen. Es folgt ein Abenteuer zusammen mit dem charmanten Mason (George A. McDaniel), der nach einigen Turbulenzen nicht nur das Körkarlen (Der Fuhrmann des Todes); gesuchte Gold findet, sondern auch Kate für Schweden 1921, Victor Sjöström. sich gewinnt. Fred überlebt die Goldsuche Der Film basiert auf der gleichnamigen No- 1921 velle der schwedischen Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf. A Giant of His Race; USA 1921, Regie un- David Holm (Victor Sjöström) ist ein an Tu- bekannt; P: North State Film Corporation. berkulose erkrankter Alkoholiker, Pessimist vesterabend betrinkt er sich mit zweien sei- ner Kumpane und erzählt die Geschichte Covington, Afroamerikaner und Sohn eines seines Freundes Georges (Tore Svennberg). Sklaven, hat gerade sein Medizinstudium Dieser sei fest davon überzeugt, dass man abgeschlossen und engagiert sich im Kampf zum Fuhrmann des Todes werde, falls einen gegen Rassismus. Doch eine Seuche namens der Tod am Silvesterabend als Letzten ereile. “Yellow Plague” dezimiert die farbige Bevöl- David wird von einem hinzutretenden Bo- kerung der Region und die Hoffnung ruht ten auf Edith (Astrid Holm) angesprochen, einzig auf dem jungen Arzt. eine junge Frau, die sich während ihrer eh- renamtlichen Tätigkeit für ihn mit Tuberku- Covington arbeitet fieberhaft in seinem La- lose angesteckt hat und nun im Sterben bor an einem Gegenmittel, bis eine junge liegt. Lehrerin sich als Versuchsperson für medi- kamentöse Tests zur Verfügung stellt. Die David war ihr erster Gast, als sie ein Ob- Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 40

dachlosenheim eröffnete. Nun äußerte Edith liebten zum Verwechseln ähnlich sieht… ihren letzten Wunsch: Sie möchte ihren ers- ten Heimbesucher noch einmal sehen. Aus der Erzählung am Silvesterabend entwickelt The Man from Lost River; USA 1921, Frank sich eine Handgreiflichkeit und David wird Lloyd. tödlich verwundet – der Fuhrmann kommt. Er nimmt den kürzlich Verstorbenen mit auf eine Reise in dessen Vergangenheit. Fosdick (Allan Forrest) arbeitet mit einer In einer Rückblende wird gezeigt, wie er Gruppe von Holzfällern zusammen, dessen seine Frau (Hilda Borgström) heiratete, Kin- Vorarbeiter Jim Barnes (House Peters) den der mit ihr bekam und dem Alkohol verfiel, New Yorker Lebemann nicht ausstehen der ihn ins Gefängnis brachte. Nach Verbü- kann. ßung der Strafe entdeckte er, dass seine Fosdick lernt Marcia (Fritzi Brunette) ken- Frau ihn verlassen hatte und verfiel in seine nen, auf die auch Jim ein Auge geworfen alten Lebensmuster: Er trank weiter und hat, und gewinnt sie für sich. Er verliert verlor jeden Glauben an die Menschheit. aber schnell das Interesse an seiner frisch- Georges übergibt dem Reumütigen nun sein gebackenen Ehefrau und verlässt sie. Amt. Zusammen mit Georges besuchen sie Unterdessen schafft es Barnes, sich Marcia den ersten Sterbenden des neuen Jahres: Es anzunähern.Als unverhofft auf ihrem Land ist Edith. Der neue Fuhrmann bittet Edith Öl entdeckt wird, steht auch Fosdick wieder um Vergebung, sie gewährt ihm den vor der Tür. Gleichzeitig bricht aber in der Wunsch und kann nun endlich in Frieden Region eine Seuche aus und Marcia infiziert sterben. sich. Fosdick bleibt seinem Charakter treu und lässt seine Frau erneut zurück; diese er- Příchozí z temnot (Der Ankömmling aus holt sich aber und findet ihr Glück mit Jim. der Finsternis); Tschechoslowakei 1921, Fosdick hingegen bemerkt auf seiner Flucht Jan S. Kolár. das auch er Symptome hat. Ihm ist nicht das gleiche Glück vergönnt wie Marcia – er stirbt. Landbesitzer Drazicky (Theodor Pistek) be- kommt ein uraltes Buch überreicht, in dem Without Benefit of Clergy; USA 1921, er Erstaunliches liest: Ein Alchemist misch- James Young. te zu Zeiten Rudolfs II. von Habsburg ein Getränk, das vermochte, den Trinkenden in eine Art unbegrenzten Schlaf zu versetzen. Der Film basiert auf der gleichnamigen Der Konsument konnte dann mit einem be- Kurzgeschichte von Rudyard Kipling. stimmten Ritual aus dem Schlaf geweckt werden, ohne auch nur eine Sekunde zu al- Der britische Ingenieur John Holden (Tho- tern. mas Holding) rettet die bezaubernde Amee- ra (Virginia Brown Faire) vor mehreren be- Als die Pest in der mittelalterlichen Stadt ängstigend aufdringlichen Nebenbuhlern. ausbrach, steckt sich auch die Geliebte Gleich danach bietet er der Familie eine be- (Anny Onra) eines seiner Vorfahren (Karel merkenswerte Mitgift, um die Frau für sich Lamac) am Siechtum an und verstirbt. Der zu gewinnen. Das Paar heiratet und be- trauernde Vorfahre trank das einschläfernde kommt einen Sohn, der aber früh verstirbt. Gebräu, um seinem Schmerz zu entfliehen. Danach muss Holden für ein Bauprojekt Wieder in der Rahmenhandlung beschließt verreisen und seine trauernde Frau bleibt al- Drazicky seinen Vorfahren zu wecken, dem lein zurück. sofort auffällt, dass Drazickys Frau (eben- Doch als eine Cholera-Epidemie ausbricht, falls Anny Ondra) seiner verstorbenen Ge- eilt John zurück zu seiner Frau – zu spät, sie Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 41

hat sich bereits mit der Seuche infiziert und ten Bruder an der Börse zu ruinieren, kann überlebt die Erkrankung nicht. sich am Ende aber von Ethel umstimmen lassen und versöhnt sich mit seinem Bruder.

1922 Your Best Friend; USA 1922, William Nigh. Crusade of the Innocent; USA 1922, Regie unbekannt; P: Popular Film Company. Die wohlhabende Mutter und Witwe Mrs. Esther Meyers (Vera Gordon) hat zwei Söh- ne, Robert (Harry Benham) und Harry Die Handlung soll von Lepra oder Syphilis (Stanley Price). Als Robert eines Tages mit gehandelt haben, die den Protagonisten eine Aida (Belle Bennett), einem frivolen Mäd- Entführung, Mord und Grausamkeiten ein- chen mit über-ambitionierter Mutter (Beth brachte. Am Ende erfahren die Figuren aber Mason), eine Liaison eingeht, verstößt die Erlösung, mit Jesus als Erlöser (Aus dem Mutter den Sohn. englischen zit. n. New York State license re- cords, AFI). Mrs. Meyers zieht daraufhin in ein pracht- volles, kostspieliges Anwesen in New York, dessen Finanzierung Harry nötigt, Geld von Danse Macabre; USA 1922, Dudley Mur- einer Bank zu veruntreuen. Um weitere Pro- phy. bleme zu verhindern, versetzt Esther ihren wertvollen Schmuck, zahlt die Schulden und zieht wieder in ihr bescheidenes Haus. Als Robert und die geächtete Aida eines Ta- Nach der sinfonischen Dichtung Danse Ma- ges zu Besuch sind, können sie das Haus von Camille Saint-Saëns. cabre nicht mehr verlassen, da sie wegen eines Hier wird die Pest als figurative Teufelsme- Pockenausbruches unter Quarantäne ge- tapher entworfen und dirigiert als dämoni- stellt werden. Die Familie kann so unfrei- scher Geiger oder personifizierter Tod (Olin willig viel Zeit miteinander verbringen und Howland) die Pest in einem makabren Kon- die Wogen der Feindschaft werden geglättet. zert. Die Seuchenopfer, Love (Ruth Page) und Youth (Adolph Blom), bieten ihre Er- krankung und deren Symptome als choreo- La mort du soleil; Frankreich 1922, Ger- graphiertes Ballett dar. maine Dulac. For His Sake; USA 1922, John S. Lawrence. Die junge Ärztin (Denis Lorys) ist die Assis- tentin eines weltberühmten Tuberkuloses- pezialisten und verausgabt sich bei ihren Ethels Mutter (Mrs. Coller) ist an Tuberku- beruflichen Aufgaben so stark, dass sie ihr lose erkrankt. Als sie an der Schwindsucht Privatleben zunehmend vernachlässigt. Als stirbt, ist die Tochter (Hilda Nord) vollkom- ihr Ehemann von diesen Zuständen genug men auf sich gestellt – ein Waisenkind. Zu- hat, muss sich die Wissenschaftlerin ent- sammen mit ihrem guten Freund Jimmy scheiden: Gibt sie ihren häuslichen Ver- (Charles Jackson) macht sie sich auf die Su- pflichtungen den Vorrang oder steckt sie che nach Sidney (John Dillon), dem wohlha- ihre Kraft in die Karriere? benden Onkel des Kindes. Die beiden finden den reichen Verwandten, der die Heimatlo- sen aufnimmt. Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens; Sidney plant unterdessen, seinen verfeinde- Deutschland 1922, Friedrich Wilhelm Murnau. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 42

berühmten Familie ist… Der Film basiert auf dem Roman Dracula vom Bram Stoker. 1923 Thomas Hutter (Gustav von Wangenheim) geht auf eine Dienstreise nach Transsylva- The Catechist of Kil-Arni; Indien 1923, nien. Dort soll er mit einem gewissen Gra- Thomas Gavin Duffy, R.S. Prakash. fen Orlok (Max Schreck) über den Kauf ei- nes Hauses verhandeln. Allen Warnungen zuwider lässt er sich vom Grafen in dessen Ein in Indien arbeitender Missionar und Schloss bewirten. Als er am nächsten Mor- Priester (Thomas Gavin Duffy) sieht sich ei- gen aufwacht, entdeckt er verdächtige, klei- ner schweren Cholera-Epidemie gegenüber. ne rote Male an seinem Hals und ahnt, dass Mit Hilfe katholischer Schwestern kann er etwas nicht stimmt. In der folgenden Nacht sich um die Erkrankten in christlichen wird der Besucher sogar vom Hausherren Krankenlagern kümmern, hält aufbauende überfallen. Orlok reist am kommenden Mor- Messen und ist so maßgeblich an der Ein- gen aber auf einem Schiff zu seinem neu er- dämmung einer Choleraepidemie beteiligt standenen Domizil. Als das Schiff am Ziel ist. anlegt, ist es ein Geisterschiff. Die Pest hat die gesamte Crew dahingerafft; überlebt hat Nach diesem Erfolg kann der Geistliche Ein- nur Orlok und seine zahlreichen Lakaien: heimische konvertieren und als Katechisten die Pestratten. Mit Eintreffen des Vampirs anwerben. Doch gerade als in der Region und seinen pestverseuchten Nagern ver- Ruhe einzukehren scheint, wird der Missio- sinkt die Stadt im Pestchaos. Nur Ellen nar mit den Worten „Get the priest and (Greta Schröder), die sich waghalsig und come at once!“ zu einem zweiten Ausbruch aufopferungsvoll dem Vampir hinzugeben des tödlichen „Gallenflusses“ gerufen… scheint, kann den Blutsauger überlisten und setzt ihn den morgendlichen Sonnenstrah- Day by Day in Every Way (aka: The Fable len aus, die das Monster nicht überlebt. of Day by Day in Every Way; aka: Aesop’s Film Fables: “Day by Day in Every Way”); On the High Seas; USA 1922, Irvin Willat. USA 1923, Regie unbekannt [Paul Terry]; P: Fable Pictures, Inc. Als ihr Schiff untergeht, sind Leone (Doro- thy Dalton) und die beiden Schiffsme- Ein schwarzer Kater schlendert über eine chaniker Jim (Jack Holt) und Joe (Mitchell Farm und lehrt die anderen Tiere ein zeitge- Lewis) Schiffsbrüchige auf offener See. nössisches, überstrapaziertes Mantra: “Eve- ry day in every way, I’m getting better and Nach drei Tagen des ziellosen Umhertrei- better”. Er heilt alle Leiden und Probleme bens findet das Trio ein Schiffswrack, das der anderen Vierbeiner. ein Pestausbruch zum Geisterschiff hat wer- den lassen. Dort kommt es zu einer Ausein- Doch als er mit seiner couéistischen Maxi- andersetzung zwischen den Mechanikern, me auch den Farmer von seiner quälenden die zu Joes Tod führt. Grippe heilen will, stellt sich dieser als re- sistent gegen das vermeintlich heilende Leone bekennt ihre Liebe zu Jim, der sie Credo heraus. verteidigt hat, doch als die beiden von dem verseuchten Wrack gerettet werden, ver- lässt sie Jim für den wohlhabenden Harold Youthful Cheaters; USA 1923, Frank Tut- (Michael Dark). Jim entführt die Angebetete tle. und enthüllt, dass er ein reicher Sohn einer Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 43

während Jimmie zu Bekanntheit durchs Lie- Gegen den Willen seines Vaters Edmund derschreiben gelangt. Diese Berühmtheit (William Calhoun) lässt sich Ted (Glenn versucht er auszunutzen, um Sarah wieder Hunter) auf die junge Lois (Martha Mans- für sich zu gewinnen, doch wird harsch von field) ein, deren Lebensstil in der Gesell- ihr zurückgewiesen. Sarah kehrt zu Harry schaft als unmoralisch gilt. zurück und das Paar lebt in glücklicher Zweisamkeit. Ted vernachlässigt daraufhin – den klaren Anweisungen seines Vaters zum Trotz – die Opfer einer Cholera-Epidemie, die das Land The Ten Commandments (Die zehn Gebo- geißelt. Doch als der Vater entrüstet zu dem te); USA 1923, Cecil B. DeMille. Paar nach Hause kommt, kann er sie von der humanitären Aufgabe überzeugen und beide setzen sich fortan im Kampf gegen die Cholera ein. Die erste Hälfte der Handlung erzählt in ei- ner Rückblende Teile der alttestamentari- schen Geschichte (Exodus) Moses (Theodore The Message of Hope; USA 1923, Regie un- Roberts). Der zweite Teil des Plots– nun in bekannt; P: Genevieve M. Murphy. der Gegenwart angesiedelt – handelt von den beiden Brüdern John () und Dan (Rod La Rocque), die unterschiedlicher kaum sein könnten: John ist Schreiner und Ethel ist eine junge, engagierte Sozialarbei- wie die Mutter (Edythe Chapman) fromm terin, die sich für bessere Bedingung in Ar- und bibeltreu, Dan dagegen ist ein raffgieri- menvierteln einsetzt. Ein besonderes Pro- ger Bauherr, der den satanischen Versu- blem ist dort die Tuberkulose, weshalb chungen seiner Umwelt nicht widerstehen Ethels oberstes Ziel der Bau eines Tuberku- kann. Im Verlauf der Handlung infiziert eine losesanatoriums ist. Sie lehnt sogar den Hei- leprakranke Einwanderin (Nita Naldi) nicht ratsantrag eines Kollegen ab, solange das nur den Abtrünnigen der Brüder, der die In- Krankenhaus nicht gebaut ist. fektionsquelle erschießt (und selbst beim Doch als – über die Beziehungen zu einem Fluchtversuch auf hoher See umkommt), Banker – das Projekt finanziell gesichert ist, sondern indirekt auch dessen unschuldige sagt sie dem heiratswilligen Kollegen zu Partnerin Mary. Am Ende liest der gottes- und das Ärzte-Paar kann den Weg der Ehe fürchtige John Mary (Leatrice Joy) aber eine einschlagen. Szene aus dem neuen Testament vor und er- reicht so die rasche Gesundung der Infizier- ten. The Nth Commandment; USA 1923, Frank Borzage. 1924 Der Film basiert auf der gleichnamigen Young Ideas; USA 1924, Robert F. Hill. Kurzgeschichte von Fannie Hurst. Sarah (Colleen Moore) verlässt ihren Ge- liebten Jimmie (Eddie Phillips) für den Lebe- Der Film basiert auf der Kurzgeschichte mann Harry (James Morrison), denn der Re- von Sophie Kerr. Verlassene hat große Angst vor Nähe zu sei- lative Values ner Geliebten. Diese Distanz ist einer Tu- Octavia (Laura La Plante) muss ihre gesam- berkuloseinfektion Jimmies geschuldet, die te Familie finanziell unterstützen, da diese ihn im Verlauf der Handlung zwingt, in ein vom aktiven Arbeitsleben nicht viel halten. milderes Klima zu reisen. Ihr Geliebter Pritchett (T. Roy Barnes) hat aber einen Plan, um die faule Sippschaft Sarah und Harry heiraten unterdessen, Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 44

zum Arbeiten zu bewegen: Er steckt Octavia im Sterben liegt, nimmt er sie bei sich auf in eine fingierte Quarantäne, die ihm nicht und berichtet seinem Chef, er habe sie nicht nur Zeit zur Zweisamkeit verschafft, son- auffinden können. dern die parasitären Familienmitglieder zum Jeff stürzt sich auf eine weitere journalisti- Geld verdienen zwingt. sche Recherche um einen Medikamenten- schmuggler-Ring, dessen Anführer ein alter Bekannter (Charles Byer) und Bruder seiner The Last Man on Earth; USA 1924, John G. lang vergessenen Flamme Eleanor (Edna Blystone. Murphy) ist. Er versucht verzweifelt, in letz- ter Sekunde die Veröffentlichung des Arti- kels zu stoppen, aber es ist zu spät: Der Bei- Der Film basiert auf dem Roman The Last trag wird veröffentlicht und Mops stirbt. Man von Merry Shelley. Als Jeff den Zeitungsinhaber konfrontiert, In der Zukunft hat eine Plage namens Mas- wird er gefeuert – bekommt aber von der kulitis nahezu alle Männer der Schöpfung Stahlfirma eine großzügige Abfindung und dahingerafft. Zwar entwickelt die brillante heiratet Eleanor. Wissenschaftlerin Dr. Prodwel (Clarissa Sel- wynnel) ein potentes Gegenmittel, doch alle Beauty and the Bad Man; USA 1925, Herren der Schöpfung sind schon totge- William Worthington. glaubt – bis ein überlebender Mann, Elmer (Earle Foxe), auftaucht, der die Frauenwelt auf den Kopf stellt. Er wird sogleich an die Regierung für zehn Der Film basiert auf der Kurzgeschichte Millionen Dollar versteigert. Doch damit Cornflower Cassie’s Concert von Peter B. nicht genug: Zwei Gouvernanten können Kyne. sich nicht einigen und müssen um den Cassie (Mabel Ballin) verlässt ihren Ehe- Mann in einem Boxring gegeneinander an- mann Bell (George Beranger), da sie seinen treten. Charakter für fragwürdig hält. Auf sich al- Doch Elmer erwählt eine der Zuschauerin- lein gestellt, nimmt sie einen Job als Tänze- nen, Hattie (Derelys Perdue), und die beiden rin im Cabaret an, wo sie einen gewissen können das Fortbestehen der menschlichen Madoc (Forrest Stanley) derart begeistert, Spezies sichern. dass er ihr die Gesangsausbildung in Über- see finanziert. Cassie wird eine berühmte Operndiva, die 1925 in Russland gefeiert wird. Wieder zurück in Amerika begegnet sie Bell, der schwer an A Man Must Live; USA 1925, Paul Sloane. Tuberkulose erkrankt ist. Sie pflegt ihn ge- sund, aber als er von Cassies Gefühlen für Medoc erfährt, versucht er den Nebenbuhler zu töten. In einem Kampf kommt Bill aber Der Film basiert auf dem Roman Jungle Law selbst um und Cassie heiratet Madoc. von Ida Alexa Ross Wylie. Während Jeff (Richard Dix) einen Stahlpro- duzenten auf Abfindung verklagt, muss er Ben-Hur: A Tale of the Christ (Ben Hur); einen Job bei einer Boulevardzeitung an- USA 1925, Fred Niblo, Charles Brabin, Fer- nehmen. Dort wird er beauftragt, ein unvor- dinand P. Earle. teilhaftes Portrait einer Tänzerin namens Mops (Jacqueline Logan) zu schreiben. Doch als er herausfindet, dass die Artistin Der Film basiert auf dem Roman Ben Hur eine schwere Tuberkuloseinfektion hat und von Lew Wallace. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 45

Die Freunde aus Kindestagen Judah Ben- Der Film basiert auf dem Theaterstück Qua- Hur (Ramon Novarro) und Messala (Francis rantine von F. Tennyson Jesse. X. Bushman) treffen sich als Erwachsene Pamela (Eden Gray) ist es leid, auf ihren wieder, nun aber als Rivalen: Judah ist Israe- Verlobten Anthony (Harrison Ford), der lit und Messala römischer Offizier, was zu schon lange auf einer Expedition in Afrika unüberwindbaren Spannungen führt. ist, zu warten, und verlobt sich kurzerhand Judah wird nach einem Unfall auf einer rö- mit Mackintosh (Alfred Lunt). mischen Parade von seinem ehemaligen Als Anthony plötzlich vom schwarzen Kon- Freund als Sklave auf die Galeeren verkauft. tinent zurückkehrt, reist er mit Pamela und Doch er überlebt die Torturen der Sklaverei Mackintosh auf die Bermudainseln. Dort und kehrt Jahre später nach Rom zurück. Er schafft Anthony es, seinen Nebenbuhler mit findet seine Familie verarmt, mit Lepra infi- der Hilfe der Mitreisenden Diana (Bebe Da- ziert und als Aussätzige in eine Kolonie ver- niels) hinters Licht zu führen, aber diese stoßen. Nach der waghalsigen Befreiung verliebt sich in Mackintosh. kann die Familie aber von einem Propheten Die Wirrungen werden gelöst, als die Rei- namens Jesus von Nazareth geheilt werden senden auf einer Insel unter Quarantäne ge- und die Familie ist vereint. stellt werden – sie müssen in einer Woche Seine Rache nimmt der Israelit, indem er in Isolation ihre Konflikte beheben. seinen Widersacher in einem antiken Wa- genrennen tödlich verletzt und besiegt. Never the Twain Shall Meet; USA 1925, Maurice Tourneur. Counsel for the Defense; USA 1925, Bur- ton L. King. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Ro- man von Peter B. Kyne. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Ro- Tamea (Anita Stewart), die Tochter einer man von Leroy Scott. Südseeinsel-Königin, ist mit ihrem Vater auf Dr. West (Jay Hunt) ist ein Typhusspezialist Reisen durch Amerika. Als Tameas Vater und kämpft seit langer Zeit für die Sanie- plötzlich an Lepra erkrankt, soll Dan (Bert rung der städtischen Wasserversorgung. Lytell) ihn gesundpflegen. Doch das Schick- Blake (Rockliffe Fellowes), ein Unternehmer, sal ist zu viel für den Kranken und er nimmt will die Wasserversorgung aber in privater sich das Leben. Dan verliebt sich aber in Ta- Hand wissen und schafft es, den Arzt auszu- mea und folgt ihr – seine Frau Maisie (Justi- tricksen. ne Johnstone) zurücklassend – auf ihre Hei- Eine Klage des Mediziners ist vergeblich matinsel, wo die beiden heiraten. und die Tochter des Hintergangenen, Katha- Maisie spürt zusammen mit einem Reporter rine (Betty Compson), arbeitet mit dem Zei- (Huntley Gordon) ihren Ehemann auf und tungsmann Arnold (House Peters) zusam- er begleitet sie zurück in die USA. Der char- men, um den Skandal aufzudecken. Das ge- mante Reporter allerdings bleibt auf der In- lingt dem Duo kurz bevor eine verheerende sel und Tamea verliebt sich in ihn… Typhus-Epidemie ausbricht. West wird aus dem Gefängnis entlassen und das Paar hei- ratet. Ridin’ Wild (aka: Riding Wild); USA 1925, Leon De La Mothe. Lovers in Quarantine (Die Liebesinsel); USA 1925, Frank Tuttle. Jim Warren (Kit Carson) ist an Tuberkulose erkrankt und muss zur Genesung nach Ari- zona. Dort angekommen, stellt es sich für Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 46

den Infektiösen schwierig dar, ein Hotelzim- den von den letzten beiden Eintreffenden mer zu finden. Auf den Rat der Sheriffstoch- übers Ohr gehauen: Der eine ist als Geistli- ter Betty (Pauline Curley) geht er in die cher verkleidet, während der andere sich als Wüste. Dort trifft er auf den Anführer einer Scharlachpatient (Heinie Conklin, in den Gang, Jordan (Jack Richardson), der den Credits als Charles Conklin geführt) ausgibt Kranken aus Angst, er könne ihn verraten, und so eine Quarantäne über das Haus er- gefangen nimmt. Zusammen mit der Bande lassen wird. soll Jim nun einen Raubüberfall begehen, Die Isolation ist kontraproduktiv für die kann das Verbrechen aber heldenhaft verei- Absichten der Delinquenten und nach eini- teln und gewinnt die Anerkennung des She- gen Turbulenzen erfahren Molly und Jerry riffs (W. R. Maly). einen Gesinnungswandel: Sie stellen sich Bei der nächsten Arztkonsultation erfährt der Polizei, sitzen ihre Haftstrafe ab und Jim, was er erhofft: Er ist genesen. Nun werden zu Verbrecherjägern. kann er Betty heiraten und die beiden eröff- nen eine Rodeo-Show... Share and Share Alike; USA 1925, Whit- man Bennett. Seven Days; USA 1925, Scott Sidney. Sieben Geschäftsleute haben einen Bund ge- Der Film basiert auf dem gleichnamigen schlossen, der vierzig Jahre später eine hohe Theaterstück von Mary Roberts Rinehart. Summe in gleichen Anteilen an die dann Jim (Creighton Hale) und Bella (Lilyan Tas- noch Lebenden ausschütten soll. hman) lassen sich scheiden, ganz zum Als die Zeit gekommen ist, leben nur drei Schrecken der konservativen Tante Selina der Paktbrüder. Einer von ihnen (Mario Ma- (Rosa Gore). Die brenzlige Situation eska- jeroni) leidet an einer Typhus-Erkrankung, liert, als die drei durch eine Pockenepidemie ein anderer, Benjamin Maynard (Cortland gezwungen sind, mit anderen Familienmit- Van Deuse), wird entführt. Seine Tochter gliedern für längere Zeit zusammen im sel- Marcia (Jane Novak) geht mit dem ehemali- ben Haus zu bleiben. gen Flieger-As Sam (James Rennie) auf die Nach einigen chaotischen Begebenheiten Suche nach dem verschwundenen Vater. glätten sich aber alle Wogen, als die Qua- Das Duo kann den Vater retten und erfährt, rantäne nach sieben Tagen endlich aufgeho- dass der andere Anwärter an seiner Infekti- ben wird: Jim will Bella nun doch heiraten on verstorben ist. Der Dritte der Überleben- und die Tante verspricht dem Paar sogar den stellt sich daraufhin als Betrüger heraus eine stattliche Erbschaft. und Benjamin kann seiner Tochter, die Sam um Ehemann nehmen will, das Geld verer- ben. Seven Sinners; USA 1925, Lewis Milestone. Soul-Fire (aka: Soul Fire; Symphonie der Leidenschaften); USA 1925, John S. Ro- bertson. Als ein luxuriöses Anwesen für eine gewis- se Zeit ohne Wachmann ist, werden die Ga- noven der Stadt hellhörig. Es versuchen gleich sieben unterschiedliche Einbrecher – Der Film basiert auf dem Theaterstück Gre- zwei davon Molly (Marie Prevost) und Jerry at Music von Martin Brown. (Clive Brook) –, den unbewachten Safe zu Eric (Richard Barthelmess) ist ein erfolgrei- leeren. cher Musiker und Komponist. Als er eines Die in Wellen einbrechenden Ganoven wer- Tages in eine Schlägerei mit einem betrun- Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 47

kenen Seemann gerät, erschießt er den man) als Versuchsperson und Mephisto lässt Trinker und muss vor dem Gesetz fliehen. eine Pestepidemie ausbrechen, um so Faust Er segelt in die Südsee, wo er die bezau- zum diabolischen Handel zu überreden. bernde Teita (Bessie Love) kennenlernt. Es Faust geht auf den Deal ein und hat nun dauert nicht lange und die beiden werden Wunderheilungskräfte. Doch als das Volk ein Paar. Doch Eric macht eine erschrecken- ihn als einen im Teufelsbunde befindlichen de Entdeckung: Seine Geliebte hat Flecken Heiler identifiziert und verstößt, begnügt auf der Schulter, die den Musikus an die ge- sich Faust mit der ewigen Jugend als fürchtete Lepra denken lassen. Eilig sendet Tauschwert. er nach einem christlichen Arzt, der sich die Schnell verliebt Faust sich in das unschuldi- Läsion genauer ansieht. Er kann Entwar- ge Gretchen (Camilla Horn). Mit Hilfe von nung geben, die Befunde sind allesamt Mephisto kann Faust Gretchen letztendlich harmlos. Das Paar kann aufatmen und Eric verführen, doch die Zusammenkunft wird führt seine neue Komposition mit großem publik und macht Gretchen zu einer Aussät- Erfolg in London auf. zigen. Als sie ein Kind zur Welt bringt und dieses erfriert, wird sie zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Faust eilt zur Hin- 1926 richtung, bei der Gretchen brennen soll. Er umarmt seine Geliebte in den lodernden A Swell Affair; USA 1926, Slim Sum- Flammen und teilt ihr Schicksal. merville. Mephisto glaubt sein Ziel verwirklicht zu haben, doch der Engel Gabriel verwehrt dem Teufel diesen Triumph, da reine Liebe den Pakt nichtig macht. Arthur (Arthur Lake) und sein Kumpan Cuthbert begehren dieselbe Frau, die schöne Thelma. Als Cuthbert die Angebetete eines La Bohème (Mimi); USA 1926, King Vidor. Tages abholen will, füllt sie ihre Wangen mit Konfekt und tut so, als sei sie an Mumps erkrankt. Cuthbert eilt sofort ins nächstgelegene Der Film basiert auf der gleichnamigen Krankenhaus, um ein Medikament zu besor- Oper von Giacomo Puccini sowie auf dem gen, wird von dem Arzt aber hochkantig Roman Les scènes de la vie de bohème von rausgeworfen. Die Adresse der vermeintlich Henri Murger. Erkrankten erfragt der Mediziner aber an Im Pariser Künstlerviertel verliebt sich der Türschwelle, um über die Hochstaplerin Mimi (Lillian Gish) in den verarmten eine Quarantäne verhängen zu können… Schriftsteller Rudolphe (John Gilbert), der seinen Job verliert und vor dem existenziel- len Aus steht. Doch Mimi versucht den Ver- Faust: Eine deutsche Volkssage aka: Faust; lust seiner Arbeitsstelle zu verheimlichen Deutschland 1926, Friedrich Wilhelm und arbeitet nachts, um ihrem Geliebten Murnau. weiter sein Gehalt zahlen zu können. Mimi versucht ebenfalls, das neue Stück des Ge- liebten an Paul zu verkaufen, doch der Au- tor missinterpretiert die Zusammenkunft Basierend auf Motiven der Volkslegende so- und wird eifersüchtig. In ihrer Aufopferung wie den Dramatisierungen des Fauststoffes erkrankt Mimi an Tuberkulose und stirbt im von Christopher Marlowe und J.W. Goethe. Pariser Armenviertel. Rudolphe ist fortan – Mephisto (Emil Jannings) wettet mit dem obwohl sein Stück ein großer Erfolg wird – Erzengel Gabriel (Werner Fuetterer), er kön- am Boden zerstört und muss sein weiteres ne jeden Menschen von Gottes Weg abbrin- Leben in Einsamkeit fristen. gen. Man einigt sich auf Faust (Gösta Ek- Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 48

Anmerkung: Dieser Eintrag sei als reprä- heldenhafte Taten vollbringen. Sie gehen sentativ für Adaptionen des Romans bzw. siegreich aus dem Aufstand hervor und der Oper verstanden. Das Werk wurde in Skeet lässt sich auf einer Farm nieder – mit der Stummfilmzeit ebenfalls in den Jahren Norma, die von O’Hara dem jungen Freund 1912 (zweimal), 1916, 1917, und 1923 für die selbstlos überlassen wird. Leinwand adaptiert.

The Blonde Saint; USA 1926, Svend Gade. Nana; Frankreich 1926, Jean Renoir. Der Film basiert auf dem Roman The Isle of Der Film basiert auf dem gleichnamigen Ro- Life: A Romance von Stephen French Whit- man von Émile Zola. man. Nanas (Catherine Hessling) größter Traum Der Autor Sebastian () verliebt ist es, am Pariser Theater Ruhm und Reich- sich in die idealistische Ghirlaine (Doris Ke- tum zu erlangen. Als ihr schauspielerisches nyon), die ihm bei einer Dinner-Party ge- Talent nicht ausreicht, nutzt sie ihren Char- steht, dass sie schon mit Vincent (Malcolm me und ihr gutes Aussehen, um als Kurtisa- Denny) verlobt ist und am nächsten Morgen ne das zu werden, was sie auf der Bühne mit ihm verreisen werde. Sebastian aber nicht vermocht hat. schafft es, sie zu einem Treffen auf einem Die Herren der Schöpfung erliegen der Boot zu überreden und springt mit ihr über kaufbaren Schönheit reihenweise und sie ist Bord. das Sternchen am Himmel der Liebesdiens- Die beiden werden von einem Schiff aufge- te. Doch Nanas Kunden werden so zahl- lesen und landen auf einer kleinen Insel, wo reich, dass es zu Komplikationen kommen die Annäherungsversuche Sebastians dazu muss. Die Schlimmste wird der liederlichen führen, das Ghirlaine droht, sich umzubrin- Dame von einem Mediziner (Gorieux) prä- gen. Doch es bricht eine Cholera-Epidemie sentiert: Sie ist durch die vielen intimen auf der Insel aus und die beiden kommen Kontakte zu Männern an den Pocken er- sich in der verhängten Quarantäne näher. krankt und diese werden ihr Schicksal – Als Ghirlaines Verlobter sie aufspürt, ist es Nana stirbt. zu spät: sie hat sich in Sebastian verliebt und gesteht diesem ihre Liebe. Tell It to the Marines (Brand im Osten); USA 1926, George W. Hill. The Rainmaker; USA 1926, Clarence G. Badger. Sergeant O’Hara (Lon Chaney) hat sich den jungen, aber draufgängerischen Rekruten Der Film basiert auf der Kurzgeschichte Skeet (William Haines) als Schützling aus- Heavenbent von Gerald Beaumont. gesucht, der den erfahrenen Marineoffizier Bobby (William Collier Jr.) kann das Wetter O’Hara als seinen Mentor ansieht. mit Gebeten beeinflussen und macht sich Als Skeet sich in die heimliche Liebe mit diesem außergewöhnlichen Talent auf O’Haras verliebt – die Krankenschwester der Rennbahn, wo er für Trockenheit sor- Norma (Eleanor Boardman) – bricht eine gen kann, beliebt. Als er sich bei einem der Epidemie in China aus und Nora wird samt Rennen als Zuschauer verletzt, sorgt sich ihrer beiden Verehrer in das Krisengebiet die Krankenschwester Nell um ihn, in die er beordert. Dort angekommen, werden die sich sofort verliebt. Kranken gepflegt, aber es komm zu einer Aus dem Krankenhaus entlassen, sucht er Banditeninvasion, in der O’Hara und Skeet seine geliebte Pflegerin in einem Saloon auf, Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 49

als plötzlich – aufgrund der anhaltenden Pitfalls of Passion (aka: Blind Youth); USA Dürre – eine Plage die Gegend befällt. Bob- 1927, Leonard Livingstone. by nutzt seine übernatürlichen Fähigkeiten und betet für eine Regenschauer, der wie bestellt vom Himmel prasselt. Jimmy (Larry O’Dell) ist mit seiner Gelieb- Die Seuche verschwindet durch die himmli- ten May (Prudence Sutton) von der heimi- schen Wassertropfen und der Held nimmt schen Farm in die Stadt entflohen. Doch Nell zu seiner Ehefrau. schnell gehen Jimmy nicht nur die finanziel- len Mittel aus, auch seine Leidenschaft für May verblasst. Er gerät in die Fänge von 1927 Louie, einem Zuhälter, der ihm seine lästige Geliebte abkauft. Children of Fate; USA 1927, Roy Calnek. Jimmy verstrickt sich weiter in die verbre- cherischen Tätigkeiten und verschwindet, bis er eines Tages verwundet und flüchtig in Ross Hampton ist ein berüchtigter Spieler, ein Krankenhaus platzt. Dort sieht er May, der sich mit der Tuberkulose ansteckt. Als die wegen einer sexuell übertragbaren Er- er sein Zuhause verlassen muss, um in eine krankung in Behandlung ist. der Genesung zuträglicheren Umgebung Unterdessen wird Jimmy wegen Mords an seine Krankheit zu heilen, findet er durch seiner neuen Geliebten auf der Flucht ver- Zufall seinen Schwarm aus Kindheitstagen haftet und May letztendlich von ihrer Er- wieder. Mit ihrer Unterstützung gelingt krankung geheilt. Ross die Genesung.

Quarantined Rivals; USA 1927, Archie One Woman to Another; USA 1927, Frank Mayo. Tuttle. Elsie (Kathleen Collins) liebt den Sportler Der Film basiert auf dem Theaterstück The Bruce (Robert Agnew), was zwar auf Zu- Ruined Lady von Frances Nordstrom. stimmung bei ihrem Vater (George Pearce) John (Florence Vidor) und Rita (Theodore stößt, doch ihre Mutter (Clarissa Selwynne) Von Eltz) schaffen es einfach nicht zu heira- bevorzugt Bob (Ray Hallor) als Ehemann für ten. Der nächste anvisierte Termin wird tor- ihre Tochter. pediert, als Ritas Bruder (Roy Stewart) uner- Sie intrigiert folglich gegen Bruce, der eifer- wartet vor der Tür steht und seine Nichte süchtig wird, als er Elise mit Bob bei einem (Joyce Coad) in des Paares Obhut gibt, wäh- American Footballspiel sieht – alles von der rend er in den Orient reist. Mutter arrangiert. Er folgt ihnen in seinem Das Kind erkrankt unter Johns Fürsorge an Auto nach Hause, doch gerade als die Mut- Scharlach und wird in Quarantäne gesteckt. ter den ungebetenen Gast vor die Tür setzen Unterdessen macht eine gewisse Miss Cha- will, bricht eine Pockenepidemie aus und pin John Avancen, die Rita dazu bringen, die das Haus wird unter Quarantäne gestellt. Heirat ohne weitere Verzögerung vollziehen Bruce erkennt seine Chance und schafft es, zu wollen. Elise während der Isolation zur Frau zu neh- men. Trotz einiger Widrigkeiten schaffen es Rita und John zu heiraten und die Nichte wird wieder gesund. Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 50

wut übernimmt die Kontrolle über Yvon und bei einer Rangelei mit seinem Vater 1929 stürzt der Sohn aus einem Turmfester – ein Sturz, den er nicht überlebt. Finis Terræ (Finis Terrae); Frankreich 1929, Jean Epstein. The Devil’s Apple Tree; USA 1929, Elmer Clifton. An der bretonischen Steilküste verrichten drei Fischer auf einer verlassenen Insel ihre Arbeit. Als einer, der junge Ambroise, sich Dorothy (Dorothy Sebastian) gibt sich als durch eine Glasscherbe an der Hand verletzt die wohlhabende und schwer an Pocken er- und ins Fiebern verfällt, muss er schnellst- krankte Jane (Ruth Clifford) aus. Sie ver- möglich zum nächsten Arzt auf die nahgele- sucht so Cooper (George Cooper) zu einer genste Insel geschafft werden. Doch die Heirat zu bewegen, mit dem sie Urlaub auf stürmische Witterung macht die Seereise zu einer Insel macht. Doch Dorothy lässt den einem gefährlichen Unterfangen. Geliebten wegen einem anderen Mann, John (Larry Kent), links liegen, sobald das Paar Einer seiner Kollegen erklärt sich bereit, mit auf der Insel ankommt. dem Ruderboot der turbulenten See zu trot- zen. Alarmiert durch das ausbleibende Si- Als die echte Jane aber überraschend gene- gnalfeuer starten zudem die Bewohner der sen ist, kann sie die Quarantäne verlassen Nachbarinsel eine Rettungsaktion. Am Ende und entlarvt Dorothy als Betrügerin. Diese schafft es der Arzt in sprichwörtlich letzter wandert daraufhin ziellos durch den Sekunde, den Patienten erfolgreich zu be- Dschungel, wo sie von Eingeborenen gefan- handeln. gengenommen wird. Diese planen, die Ge- fangene lebendig zu verbrennen. Cooper rettet sie heldenhaft vor diesem Schicksal, Gardiens de phare (Leuchtturmwächter); wird aber in einem Kampf von John getötet Frankreich 1929, Jean Grémillon). – John und Dorothy werden ein Paar. 1930 Der Film basiert auf dem Theaterstück Les Gardiens de Phare von Paul Autier. Any Evening After Work; Vereinigtes Zwei Leuchtturmwärter, der Vater Pére Königreich 1930, Mary Field. Bréhan (Paul Fromet) und sein Sohn Yvon (Geymond Vital), müssen einen Monat lang in einem abgelegenen Leuchtturm ihrer Ar- beit nachgehen. Brehan ist noch auf dem Ein Mann mittleren Alters befürchtet, er Festland von einem rasenden Hund gebis- habe sich eine Geschlechtskrankheit zuge- sen worden, der ihn auf einer Wiese ohne zogen, zögert jedoch aus Scham, einen Arzt Vorwarnung angefallen hat. aufzusuchen. Als die Beschwerden uner- Schon nach einigen Tagen bemerkt der Va- träglich werden, besucht er ein öffentliches ter, dass mit seinem Sohn etwas nicht Seminar, in dem fünf Beispiele individueller stimmt: Er verhält sich seltsam, möchte kein Schicksale angeführt werden, die keine Wasser mehr trinken oder berühren und medizinische Behandlung gesucht oder die- wirkt allgemein sehr kränklich. Doch das se nicht abgeschlossen haben: Wetter ist derart stürmisch, dass die nötige (1) Das eines Seemanns, der sich selbst, sei- Seereise zum nächsten Arzt zu gefährlich ne Frau und sein Kind mittels eines konta- ist. minierten Handtuchs ansteckt und sich mit Das Schicksal nimmt seinen Lauf: Die Toll- den moralischen Konsequenzen seiner Epidemiefilm I (1905–1931) // Medienwissenschaft, 194, 2020 /// 51

Nachlässigkeit konfrontiert sieht. zugänglich [URL]. (2) Das eines Farmers, der nach einer Go- norrhoe eine Entzündung im Knie erleidet. Er verliert seine Arbeit und wird in eine 1931 existentielle Krise gestürzt. (3) Das eines LKW-Fahrers, welcher nach How to Tell; Vereinigtes Königreich 1931, einer Syphilisinfektion mit „locomotor Regie unbekannt; P: British Instructional ataxia“ (Störungen der Bewegungskoordina- Films. tion, in diesem Fall seiner Beine) zu kämp- fen hat. Er verliert seinen Job. (4) Das eines ambitionierten „city clerks“, Ein Vater berichtet dem unerfahrenen Sohn der an „general paralysis of the insane“ lei- über die Gefahren frühzeitigen und unge- det. Die Familie verarmt und muss zu allem schützten Geschlechtsverkehres. Er erklärt Übel noch zusehen, wie der Sohn als Folge ihm die biologischen Grundlagen, Anste- der „congenital syphilis“ sein Augenlicht ckungswege, Symptome und Spätfolgen der verliert. Syphilis. Der Sohn fühlt sich informiert und (5) Das eines „steel workers“, der seine Sy- für das Erwachsenenleben vorbereitet. philisbehandlung frühzeitig abgebrochen hat. Als folglich bei seiner Arbeit eine „sy- phillis heart desease“ symptomatisch wird, stürzt er von einem Gerüst und stirbt an 3. Quellen den Folgen des Traumas. Der Mann ist überzeugt und beginnt seine Benutzt wurden unter anderem folgende Archive, Therapie. Kataloge und Datenbanken: ● Der Katalog des Deutschen Bundesarchivs (https:// www.bundesarchiv.de/). La famille Charbonnois (Die Familie ● Der Katalog der Library of Congress (https://www.loc. Charbonnois); Schweiz 1930, Jean Brocher gov/). (?) für Ligue Vaudoise contre la Tuberculo- ● Der Katalog des American Film Institute (https://afica- talog.afi.com/). se/Waadtlander Liga gegen Tuberkulose. ● Der Katalog des Britisch Film Institute (http://collecti- ons-search.bfi.org.uk/web). ● Die Internet Movie Database (IMDB.com) (http://ww- Das jüngste Kind der Familie Charbonnois w.imdb.com). ist an einer Tuberkulose-Hirnhautentzün- ● Die Silent Era Homepage von Carl Bennett and the Si- lent Era Company (www.silentera.com). dung erkrankt und stirbt. Schnell stellt sich ● Der Katalog der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung heraus, dass auch die Mutter wie die ande- (https://www.murnau-stiftung.de). ren Kinder der Familie infiziert sind. ● Die stumfilm-Seiten von Det Danske Filminstitut Die Erkrankten werden getrennt und in un- (http://stumfilm.dk/). terschiedlichen Einrichtungen einer Thera- ● Die Seiten der amerikanischen National Film Preserva- pie unterzogen. Als sich alle Familienmit- tion Foundation (https://www.filmpreservation.org). glieder genesen wieder in ihrem Zuhause ● Der Katalog der Lobster Collection/collection Lobster zusammenfinden können, sind sie in Hygie- (https://www.lobsterfilms.com). ne und Prävention derart umfassend ge- ● Das Lost Films-Portal der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen (https://www.lost- schult, dass eine erneute Infektion als un- films.eu/). wahrscheinlich präsentiert wird. – Zum ● The German Early Cinema Database der Universität Film vgl. auch: Buache, Freddy: Le cinéma Köln (http://earlycinema.dch.phil-fak.uni-koeln.de/). suisse: 1898–1998. Lausanne: Editions L’Age ● Der Katalog des Eye Filmmuseum Amsterdam (http:// d’Homme 1998, S. 459. – Der Film ist online catalogue.eyefilm.nl/ce/).