Natur Und Gesellschaft
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mweltgeschichte hat sich zu einem bedeutenden Themenfeld historischer For- Uschung entwickelt. Die Betrachtung vergangener Mensch-Umwelt-Interaktionen Graduiertenkolleg Interdisziplinäre Umweltgeschichte kann zum Verständnis heutiger Wechselwirkungen beitragen und Orientierungs- wissen für aktuelle gesellschaftliche und politische Umwelt-Debatten bereitstellen. Manfred Jakubowski-Tiessen, Die Einrichtung des DFG-Graduiertenkollegs 1024 „Interdisziplinäre Umwelt- Jana Sprenger (Hg.) geschichte. Naturale Umwelt und gesellschaftliches Handeln in Mitteleuropa“ an der Georg-August-Universität Göttingen 2004 war ein wichtiger Schritt zur Etablierung der Umweltgeschichte in der deutschen Forschungslandschaft. Kennzeichnend für die Göttinger Forschungen war stets der interdisziplinäre Ansatz, welcher natur- wissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Forschungsmethoden und For- schungsfragen zu verbinden versucht. Natur und Gesellschaft Nach neunjähriger Förderzeit beendete das Kolleg im Jahr 2013 seine Arbeit. Der vorliegende Band enthält Beiträge des Abschlussworkshops. Unter den Themen- komplexen „Die Umwelt erfassen“, „Die Umwelt planen“ und „Der Umwelt wider- Perspektiven der interdisziplinären stehen“ geben die Autoren anhand ausgewählter Fallstudien Einblicke in einige der Umweltgeschichte erreichten Forschungsergebnisse des Graduiertenkollegs. Manfred Jakubowski-Tiessen, Jana Sprenger (Hg.) Natur und Gesellschaft ISBN: 978-3-86395-152-8 Universitätsverlag Göttingen Universitätsverlag Göttingen cover_140715_Pa_ly.indd 1 16.07.2014 13:33:34 Manfred Jakubowski-Tiessen, Jana Sprenger (Hg.) Natur und Gesellschaft Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz. erschienen im Universitätsverlag Göttingen 2014 Manfred Jakubowski-Tiessen, Jana Sprenger (Hg.) Natur und Gesellschaft Perspektiven der interdisziplinären Umweltgeschichte Universitätsverlag Göttingen 2014 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Anschrift der Herausgeber Graduiertenkolleg 1024 Interdisziplinäre Umweltgeschichte Naturale Umwelt und gesellschaftliches Handeln in Mitteleuropa Bürgerstraße 50 37073 Göttingen URL http://www.anthro.uni-goettingen.de/gk/ Dieses Buch ist auch als freie Onlineversion über die Homepage des Verlags sowie über den Göttinger Universitätskatalog (GUK) (http://www.sub.uni-goettingen.de) erreichbar. Es gelten die Lizenzbestimmungen der Onlineversion. Satz und Layout: Arne Ulrich, Martin Wiegand Umschlaggestaltung: Petra Lepschy Titelabbildung: Titelbild unter freundlich genehmigter Verwendung einer Abbildung aus MS 12322 Bibliothèque Nationale Paris, Section des Manuscriptes Occidentaux. Verlag und Herausgeber weisen darauf hin, dass die Verantwortung für die Nutzung von Bildmaterial bei den Beitragsautoren liegt. Wo nicht ohnehin das Recht am Bildzitat in Anspruch genommen werden kann, sind etwaige Schutzverletzungen unbeabsichtigt oder irrtümlich. © 2014 Universitätsverlag Göttingen http://univerlag.uni-goettingen.de ISBN: 978-3-86395-152-8 Inhaltsverzeichnis Einleitende Bemerkungen (Manfred Jakubowski-Tiessen)............................................................................................1 Einführung Einige umwelthistorische Kalenderblätter und Kalendergeschichten (Bernd Herrmann)...............................................................................................................7 Die Umwelt erfassen Suppliken als umwelthistorische Quellen (Thore Lassen & Peter Reinkemeier).............................................................................. 59 Die moralische Herausforderung des Anthropozän. Ein umweltgeschichtlicher Problemaufriss (Peter Reinkemeier)........................................................................................................... 83 Die Umwelt planen Natur ohne Wald? Oder warum „naturnaher Waldbau“ und „Naturschutz“ nicht zusammenfanden – Ein Essay (Richard Hölzl)................................................................................................................ 103 Medizinische Topographien und stadthygienische Entwicklungen von 1750–1850, dargestellt an den Städten Berlin und Hamburg (Tanja Zwingelberg) ....................................................................................................... 115 Inhaltsverzeichnis Alltagsrelevante Vorstellungen über die Natur in der Frühen Neuzeit, untersucht an agrarökonomischer Ratgeberliteratur (Ulrike Kruse) .................................................................................................................. 141 Orientierungswissen für Hochwasserrisikomanagement und „Renaturierung“. Zur aktuellen Relevanz umwelthistorischer Studien am Beispiel des Fließgewässers Schwarze Elster (Manuela Armenat) ........................................................................................................ 157 Der Umwelt widerstehen Umweltgeschichte kulturhistorisch: Tierseuchen in den Lebenswelten des 18. Jahrhunderts (Dominik Hünniger)...................................................................................................... 173 Von Raupen und Heuschrecken. Der Umgang mit schädlichen Tieren im vorindustriellen Brandenburg (Jana Sprenger)................................................................................................................. 191 „The all-absorbing horror of the day“ Wahrnehmung und Deutung der Kartoffelkrankheit in Westeuropa 1845–1847 (Ansgar Schanbacher) ..................................................................................................... 219 Autoren............................................................................................................................. 243 Einleitende Bemerkungen Manfred Jakubowski-Tiessen Die historische Umweltforschung mache, wie der Kultur- und Umweltsoziologe Jens Jetzkowitz in einem Aufsatz aus dem Jahr 2006 betont, den Eindruck, „als sei sie eine Art Beutegemeinschaft, die sich wieder auflösen wird, wenn die Jagd vor- bei und die Beute geteilt ist.“1 Diese pessimistische Prognose zur Entwicklung der historischen Umweltforschung spiegelt keineswegs die Genese und den gegenwär- tigen Stand der Umweltgeschichte wider. Vielmehr hat sich die Umweltgeschichte als neues Forschungsfeld einen festen Platz in der Geschichtswissenschaft erarbei- ten können; denn sie nimmt eine in der historischen Forschung bisher weitgehend unberücksichtigte essentielle Bedingung menschlicher Existenz erstmals verstärkt in den Blick: die Wechselbeziehungen zwischen Mensch bzw. Gesellschaft und Natur. Diese Wechselbeziehungen sind vielschichtig und komplex und einem ste- 1 Jetzkowitz J (2011) Welche Interpretation der Vergangenheit hat Zukunft? Zeitkonzept und For- schungsmethodologie der historischen Umweltforschung. In: Meier T, Tillesen P (Hrsg.) Über die Grenzen und zwischen den Disziplinen. Fächerübergreifende Zusammenarbeit im Forschungsfeld historischer Mensch-Umwelt-Beziehungen. Budapest, S. 143. Die von Jetzkowitz geäußerte Erkennt- nis, dass sich historische Forschungen und somit auch Forschungen über vergangene Natur- Gesellschafts- Beziehungen zum großen Teil aus gegenwärtigen Erkenntnisinteressen ableiten, ist nicht sonderlich neu und gehört zum theoretischen Basiswissen der Geschichtswissenschaften. Zur präziseren Erfassung der Natur-Gesellschafts-Beziehungen schlägt Jetzkowitz vor, statt des in seinen Augen abstrakten Begriffs der (historischen) Umweltforschung den aus der Biologie entlehnten Begriff der Ko-Evolution als neuen Leitbegriff, bzw. als neues Narrativ einzuführen, welches sich m.E. jedoch auch nicht besser zum begrifflichen Abstecken des neuen Forschungsfeldes eignet als der Begriff Umweltgeschichte. Inzwischen hat sich der Begriff Umweltgeschichte auch hinreichend etabliert, so dass es nicht zur Präzision sondern zur Verwirrung führen würde, mit einem neuen Begriff zu operieren. 2 Manfred Jakubowski-Tiessen ten Wandel unterworfen, weil sowohl Veränderungen in der Gesellschaft als auch Prozesse in der Natur Rückwirkungen auf das Mensch-Natur-Verhältnis haben können.2 Erst das Wissen, dass das Mensch-Natur -Verhältnis immer in politische und soziale Ordnungen sowie in ökonomische und kulturelle Strukturen eingebun- den ist, ermöglicht es, den Umgang des Menschen mit der Natur hinreichend zu erklären. Das Spezifische der Umweltgeschichte besteht gerade darin, dass sie an der Schnittstelle von Kultur und Natur angesiedelt ist. In der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft zeichnet sich ab, dass sich die Kategorie Umwelt neben Herrschaft, Wirtschaft und Gesellschaft als vierte Grundkategorie der Geschichte etablieren wird. Nach Wolfram Siemann und Nils Freytag gibt es vier Gründe, weshalb Umwelt als vierte geschichtswissenschaftliche Grundkategorie anzusehen ist: Zum einen ist es eine biologische Grundkonstante für den Menschen, auf die Natur angewiesen zu sein.3 Zum anderen sind Herr- schaft und naturale Umwelt auf vielfältige Weise miteinander verbunden. Zu den- ken wäre zum Beispiel an die Verfügungsmacht über die lebensnotwendigen Res- sourcen Wasser, Boden und Holz.4 Drittens sprechen die engen Wechselwirkun- gen mit der Grundkategorie Wirtschaft dafür, „der Umwelt den Rang einer histori- schen Grundkategorie beizumessen“.5 So ist beispielsweise auf die Notwendigkeit einer konstanten Energieversorgung hinzuweisen.