Ukraine- Analysen
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NR. 184 10.05.2017 ukraine- analysen www.laender-analysen.de/ukraine FOLGEN DER DONBAS-BLOCKADE OLIGARCHEN IM FORBES-RATING 2017 EU-VISAFREIHEIT ■■ ANALYSE Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel Post-Minsk-Realität: die Folgen der und dem russischen Präsidenten Putin Donbas-Blockade durch ukrainische in Sotschi 16 Rechtsradikale und der »Nationalisierung« von Unternehmen durch die »Volksrepubliken« 2 ■■ STATISTIK Von Katerina Bosko, Bremen Oligarchen im Forbes-Rating 2017 18 ■■ TABELLEN UND GRAFIKEN ZUM TEXT Vermögensverluste der reichsten Ukrainer: die Unterstützung der wirtschaftlichen Isolierung Jahre 2016 und 2013 im Vergleich 19 der »Volksrepubliken« durch die Ukrainer 7 ■■ Marktübersicht: wem gehören Kohlebergwerke, DOKUMENTATION Wärmekraftwerke, Kokereien und Stahlwerke EU-Parlament stimmt Visafreiheit in der Ukraine 8 für die Ukraine zu 21 ■■ UMFRAGE ■■ STATISTIK Die ukrainische Kohle- und Stahlproduktion in Haltung der Ukrainer zur Visafreiheit aktuellen Zahlen 12 mit der EU 21 ■■ STATISTIK ■■ DOKUMENTATION Erklärung der Oppositionsfraktion Selbsthilfe Erteilte Schengen-Visa für Ukrainer 23 über das »Blutgeschäft« im Donbas 14 ■■ CHRONIK Präsident Poroschenko über die 24. April – 7. Mai 2017 25 Donbas-Blockade und die Entscheidung des Nationalen Sicherheitsrates 14 Pressemitteilungen der Gruppe SCM Rinat Achmetows zum Konflikt um die »Nationalisierung« ihrer Unternehmen 15 ► Deutsche Gesellschaft Forschungsstelle Osteuropa für Osteuropakunde e.V. an der Universität Bremen UKRAINE-ANALYSEN NR. 184, 10.05.2017 2 ANALYSE Post-Minsk-Realität: die Folgen der Donbas-Blockade durch ukrainische Rechtsradikale und der »Nationalisierung« von Unternehmen durch die »Volksrepubliken« Von Katerina Bosko, Bremen Zusammenfassung: Ende Dezember 2016 haben ukrainische Rechtsradikale den Beginn der Donbas-Blockade angekündigt. Nach einem Monat der Vorbereitungen haben sie die Schienen in die ATO-Zone blockiert, was die Waren- lieferungen über die Kontaktlinie in beide Richtungen stoppte. Als Reaktion darauf haben die Anführer der »Volksrepubliken« die Unternehmen auf ihren Gebieten »verstaatlicht«, was wiederum die ukrainische Regie- rung dazu veranlasste, den Handel mit den »Volksrepubliken« vorübergehend einzustellen. Diese jüngsten Entwicklungen haben nicht nur schwere Wirtschaftsfolgen für die Ukraine. Sie haben auch die Machtver- hältnisse in der Ostukraine neu strukturiert. Blockaden als Druckmittel der Donbas-Blockade sind aber viel weitreichender als die Die Organisation der Donbas-Blockade erinnert stark der Krim-Blockade, denn sie betreffen nicht nur die Wirt- an die Krim-Blockade vor eineinhalb Jahren (s. Ukraine- schaftsentwicklung der Ukraine, sondern auch die Konstel- Analysen 158). Damals haben Aktivisten der rechten lation der Hauptakteure im Konflikt um die Ostukraine. Szene zusammen mit Krimtataren die Durchfahrt in die Krim gesperrt. Diesmal wurden alle wichtigen Bahn- Das »Geschäft« mit den »Volksrepubliken« strecken zwischen der Ukraine und den »Volksrepubli- Die ukrainischen Oligarchen haben aus der Krim-Blo- ken« blockiert (s. Ukraine-Analysen 181). Dieselben ckade ihre Lehren gezogen. Eine bloße Nichtzahlung Akteure – Vertreter der Bataillone Aidar und Donbas, von Steuern konnte man ihnen nicht mehr vorwerfen. der Maidan-Selbstverteidigung und anderer rechter Während die ukrainischen Firmen auf der Krim sich Gruppierungen – haben ähnliche Forderungen gestellt. nach den russischen Gesetzen im Jahr 2015 ummelden Bei der Krim-Blockade ging es um eine Abschaffung der mussten, so dass ihre Firmen russische Adressen haben, freien Wirtschaftszone Krim, wodurch nach Ansicht der hat die Ukraine auf den ukrainischen Geschäftsadres- Aktivisten das »Besatzungsregime« auf der Krim finan- sen der Firmen in den separatistischen Regionen bestan- ziert und Superprofite erwirtschaftet werden konnten. den. Das hatte zur Folge, dass diese Unternehmen ihre Die Donbas-Blockade rechtfertigten deren Initiatoren Steuern weiterhin ans ukrainische Staatsbudget zahl- mit der Unzulässigkeit des Handels mit dem Feind. Sie ten – ein Argument, das die Regierung immer wieder setzten solchen Handel mit einer »Finanzierung des Ter- gegen die Blockade ins Feld führte. rorismus« gleich und verlangten, das »Blutgeschäft« zu Auch über die ukrainische Meldeadresse hinaus stoppen. Unterstützt wurden die Rechtsradikalen von haben die ukrainischen Oligarchen bis vor kurzem die den Oppositionsfraktionen Selbsthilfe und Vaterland, Kontrolle über ihre Unternehmen im Donbas behalten. die die Verabschiedung eines Gesetzes forderten, das die Die Separatisten haben dieses Modell der Geschäftsbe- »besetzten« Territorien im Donbas bis zur Wiederherstel- ziehungen mit der Ukraine wahrscheinlich deswegen lung der vollständigen Kontrolle durch die ukrainische zugelassen, weil es zum Überleben der »Volkrepubli- Regierung isolieren sollte. Ein paar Abgeordnete haben ken« beitrug. So haben die Unternehmen das Gehalt sogar persönlich an den Barrikaden teilgenommen und für tausende Mitarbeiter in den »Volksrepubliken« wei- in der Öffentlichkeit aktiv für die Blockade geworben. tergezahlt, was die soziale Lage dort mindestens teil- Die Nutzung derselben Taktik zur Beeinflussung der weise entspannte. Des Weiteren gibt es im seit 2016 Entscheidungsfindung zeigt, dass Blockaden in der Ukraine geltenden »Steuerrecht« sowohl der »DNR« als auch bereits zum Verhaltensmuster geworden sind. Der Haupt- der »LNR« eine – identische – Regelung über die Ent- grund dafür ist der Erfolg der Blockade auf der Krim: Nach richtung von »Gebühren« für die Nutzung der Boden- drei Monaten hat die ukrainische Regierung den Handel schätze und die Ausfuhr von Kohle und Altmetallen. mit der Krim per Erlass teilweise eingeschränkt. Auch in Unklar ist, ob die Unternehmen diese »Gebühren« tat- diesem Jahr konnten die Rechtsradikalen ihre Ziele errei- sächlich gezahlt haben. Der im Besitz des Oligarchen chen: Der Handel mit den »Volksrepubliken« wurde nach Ihor Kolomojskij befindliche Sender »1+1« hat in die- einer Entscheidung des Nationalen Sicherheitsrates vom sem Zusammenhang über Manipulationen mit doppel- 15. März 2017 komplett eingestellt. Die Konsequenzen ter Registrierung berichtet. UKRAINE-ANALYSEN NR. 184, 10.05.2017 3 Ebenso wie auf der Krim sind in der Grauzone des Produktion von Kernenergie wurde erhöht, an Wär- Donbas-Konflikts zahlreiche Korruptionsschemen ent- mekraftwerken wurden Sparmaßnahmen eingeführt. standen, etwa mit Altmetall, Holz oder Kohle aus ille- Dementsprechend hat sich der Strommix des Landes galen Gruben (auf Ukrainisch: kopanki). Regelmäßig in kurzer Zeit wesentlich verändert – der Anteil der berichten OSZE-Beobachter über die illegale Ausfuhr Kernenergie stieg von 50 % zu Beginn der Blockade auf von Kohle aus den »Volksrepubliken« nach Russland. 63 % im Februar 2017 an, während der Anteil der Wär- Außerdem gibt es in der Ukraine seit letztem Jahr ein mekraftwerke im gleichen Zeitraum von 38 auf 26 % Defizit an Metallschrott, der auch als Rohstoff in der fiel. Aufgrund des Kohlemangels wurde inzwischen die Stahlproduktion verwendet wird. Um die Schrottex- Arbeit der fünf mit Anthrazit-Kohle betriebenen Wär- porte einzudämmen, haben die Metallurgie-Magnaten mekraftwerke eingestellt, was fast die Hälfte der instal- (vor allem Rinat Achmetow) im Juli 2016 ein Gesetz lierten Leistung aller Wärmekraftwerke in der Ukraine zur vorübergehenden Erhöhung der Zölle für dieses ausmacht (s. Tabelle 2 auf S. 9). Produkt durchgesetzt. Neben den Stromproduzenten haben in der Ukraine Im Juni 2015 wurde der offizielle Geschäftsver- auch die Metallurgen durch die Blockade der Produk- kehr in der Ukraine per Erlass des Sicherheitsdienstes tionsketten gelitten. Blockiert wurden nicht nur Liefe- der Ukraine (SBU) reguliert. Seitdem durften Güter- rungen von Anthrazit-Kohle in die Ukraine, sondern wagen aus den nichtkontrollierten Gebieten die Kon- auch Lieferungen von Eisenerz aus der Ukraine an die taktlinie nur an den zugelassenen Kontrollpunkten Stahlwerke in den nichtkontrollierten Gebieten. Nach passieren, was die Donbas-Blockade im Winter 2017 einem Monat der Blockade haben deswegen drei Stahl- natürlich wesentlich erleichtert hat. Nach Angaben der werke ihre Produktion eingestellt. Zwei weitere Stahl- Blockade-Aktivisten hat der SBU bis zum Jahresende werke außerhalb der ATO-Zone waren vom Lieferstopp 2016 65.000 Genehmigungen für Warenlieferungen der Kokskohle aus den »Volksrepubliken« betroffen. aus der Ukraine in die »Volksrepubliken« und 32.000 in umgekehrter Richtung erteilt. Für die Ukraine war Reaktion der ukrainischen Regierung dieses neue Modell der Beziehungen auch deswegen Der Vorwurf der Doppelmoral seitens der Blockade- wichtig, weil es eine Fortsetzung der Produktion rein Aktivisten war also berechtigt. Die ukrainische Regie- rechtlich gerade noch zuließ. Obwohl diese Territorien rung hat den Handel mit den »Volksrepubliken«, vor nicht unter ukrainischer Kontrolle standen, unterlagen allem mit Kohle, auch gar nicht geleugnet. Der politi- sie formal gesehen ukrainischen Gesetzen, was Exporte schen Logik der Aktivisten wurde aber eine wirtschaft- ins Ausland ermöglichte. liche Logik gegenübergestellt. So hat Ministerpräsident Wolodymyr Hrojsman die Blockade mehrfach öffentlich Wirtschaftliche Folgen während der kritisiert und dabei stets die verheerenden wirtschaftli- Donbas-Blockade chen Folgen für die ganze Ukraine betont. Auch Präsi- Die Blockade hat die Abhängigkeit der Ukraine vor dent Poroschenko hat sich gegen die Blockade gestellt. allem von Anthrazit-Kohle