Tsetse-Fliegen, Trypanosomen Und Schlafkrankheit - Die Tödlichste Parasitose 637-654 © Biologiezentrum Linz/Austria; Download Unter
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ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Denisia Jahr/Year: 2010 Band/Volume: 0030 Autor(en)/Author(s): Walochnik Julia, Aspöck Horst Artikel/Article: Tsetse-Fliegen, Trypanosomen und Schlafkrankheit - die tödlichste Parasitose 637-654 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Tsetse-Fliegen, Trypanosomen und Schlafkrankheit – die tödlichste Parasitose Julia WALOCHNIK & Horst ASPÖCK Abstract: Tsetse flies, trypanosomes and sleeping sickness – the most fatal parasitic infection. Sleeping sickness is caused by two subspecies of Trypanosoma brucei (Euglenozoa: Kinetoplastida) and occurs solely in Africa. It is transmitted by tsetse flies (Diptera: Glossinidae), which are diurnal insects restricted to sub-Saharan Africa and small parts of the Arabian peninsula. Ap- proximately 60 million people in 37 African countries are at risk of being infected. The highest infection rates are found in south- ern Sudan. Sleeping sickness, in the first stage of the disease, is a febrile illness with lymphadenopathy that progresses with the typical symptoms of meningoencephalitis. The second stage begins when the trypanosomes break through the blood-brain barri- er and invade the CNS (central nervous system). Sleeping sickness is a fatal disease – in the Eastern African form (T. b. rhode- siense) death usually occurs within several months, in the Western African form (T. b. gambiense) 1-2 years after initial symptoms. It is thus one of the very few infectious diseases with a mortality rate of 100 %. Since, even in endemic areas, only a small pro- portion of the tsetse population carries trypanosomes, one must remain in a risk area for a considerably long period of time to be- come infected. The fight against sleeping sickness still largely relies on vector control. A WHO program to guarantee the supply with therapeuticals in endemic areas gives new hope. Key words: Glossinidae, sleeping sickness, Trypanosoma brucei, T. b. gambiense, T. b. rhodesiense, tsetse fly. Inhaltsübersicht 1. Einleitung. 638 2. Historisches . 638 3. Die Überträger. 641 3.1. Verbreitung . 642 3.2. Systematik und Evolution . 642 3.3. Morphologie . 643 3.4. Lebenszyklus . 644 4. Trypanosoma brucei – Die Erreger . 645 4.1. Verbreitung . 646 4.2. Systematik und Evolution . 646 4.3. Morphologie . 647 4.4. Zellbiologie und Genetik . 647 4.5. Lebenszyklus . 648 5. Schlafkrankheit – Die Erkrankung . 649 5.1. Epidemiologie . 649 5.2. Symptomatik . 649 5.3. Immunbiologie. 650 5.4. Diagnostik . 651 5.5. Therapie und Prophylaxe . 651 6. Dank . 652 H. ASPÖCK (Hrsg.): Krank durch 7. Zusammenfassung . 652 Arthropoden, Denisia 30 (2010): 8. Literatur . 653 637–654 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at 1. Einleitung chen Herrschers von Mali (WINKLE 1988). Den Europä- ern war die Schlafkrankheit erst viel später ein Begriff. Die Tsetse-Fliegen1 (Diptera: Glossinidae) sind mit- Der englische Schiffsarzt John ATKINS schilderte in sei- telgroße, hellbraune Fliegen mit einer ganz charakteri- nem Buch „The Navy Surgeon“ (1734), dass er in den stischen zungenförmigen Flügelhaltung. Sie sind (nahe- frühen 1720er Jahren bei den von den Engländern ver- zu) ausschließlich in Afrika verbreitet und übertragen schifften Sklaven oft ein, wie er es nannte, „sleepy dis- Trypanosoma brucei gambiense und T. b. rhodesiense, die temper“ („Schläfrige Übellaune“) beobachtet habe, und Erreger der Schlafkrankheit des Menschen (Human Thomas WINTERBOTTOM verzeichnete 1803 in Sierra African Trypanosomosis = HAT), und T. b. brucei, den Leone eine fieberhafte Erkrankung mit einhergehender Erreger der Rinderseuche Nagana2 (Animal African Lymphadenopathie und Lethargie, bei der es sich Trypanosomosis = AAT). höchst wahrscheinlich um die Schlafkrankheit gehan- Etwa 60 Millionen Menschen in 37 afrikanischen delt hat, bemerkenswerterweise bezeichnete er sie als Ländern leben im Risikogebiet der Schlafkrankheit, „Fliegenkrankheit“. Die tatsächliche Erforschung der und 300.000-500.000 sind tatsächlich infiziert. Man un- Krankheit setzte mit der Blüte der Kolonialzeit und den terscheidet die chronisch verlaufende westafrikanische einhergehenden wirtschaftlichen Interessen an Afrika Form, welche in West- und Zentralafrika vorkommt, ein. Obwohl die zahlreichen Forschungsexpeditionen von der akut verlaufenden ostafrikanischen Form, wel- unglaublich viel zur Aufklärung und Bekämpfung der che in Ost- und Südafrika verbreitet ist. Beide Erkran- Schlafkrankheit beigetragen haben, darf nicht uner- kungen sind unbehandelt tödlich und fordern jährlich wähnt bleiben, dass die damit verbundene rege Reisetä- viele Tausend Menschenleben. Die Therapie ist nach tigkeit quer durch den afrikanischen Kontinent auch wie vor problematisch, immerhin aber konnte durch das ganz erheblich zur Ausbreitung der Schlafkrankheit bei- Engagement der WHO, zahlreicher Hilfsorganisatio- getragen hat. nen, aber auch der Industrie die kostenfreie Versorgung Lange bevor die Erreger der menschlichen Schlaf- der Patienten mit Therapeutika sichergestellt werden. krankheit identifiziert werden konnten, wurden ver- In den letzten Jahren ist die Zahl der neu diagnostizier- schiedene Trypanosomen im Blut von Fischen, Frö- ten Fälle deutlich zurückgegangen. schen und auch Säugetieren nachgewiesen, allerdings Neben dem Menschen kann auch eine Reihe von wurden sie nie mit irgendwelchen Krankheiten assozi- Tieren von den genannten und auch anderen Trypano- iert. Der erste Vertreter der Gattung, Trypanosoma san- somen befallen werden. Jedes Jahr sterben ungefähr 3 guinis, wurde 1843 vom ungarischen Arzt David GRUBY Millionen Rinder an Nagana, der durch diese Erkran- (1810-1898) im Blut eines Frosches entdeckt (GRUBY kung insgesamt verursachte landwirtschaftliche Scha- 1843). 1881 schließlich fand Griffith EVANS Trypanoso- den wird auf über 4 Milliarden US-Dollar pro Jahr ge- men im Blut von schwer erkrankten Pferden und Kame- schätzt. len und beschrieb sie als die Erreger der sogenannten Surra, sie wurden später ihm zu Ehren T. evansi genannt. 2. Historisches Die Tierseuchen Surra und Nagana haben in Afrika süd- lich der Sahara immer wieder ganze Tierherden dahin- Die Rinderseuche Nagana war bereits im alten gerafft. David LIVINGSTONE war davon überzeugt, dass Ägypten bekannt, eine recht genaue Beschreibung fin- die Tsetse-Fliegen für die Übertragung der Nagana ver- det sich beispielsweise in dem veterinärmedizinischen antwortlich sind und berichtete davon in seinen „Mis- Papyrus Kahun aus dem 2. Jahrtausend vor Christus. Ei- sionary Travels“ (1857). Auch hat er für dieses Buch ei- ne frühe Schilderung der Schlafkrankheit des Men- ne exakte Zeichnung einer Tsetse-Fliege, Glossina palpa- schen stammt aus der Feder des berühmten tunesischen lis, angefertigt. 1878 hat Timothy LEWIS postuliert, dass Historikers Abd al-Rahman IBN KHALDUN (1332-1406), Trypanosomen bei Säugetieren eine Infektion hervorru- er schreibt: „Und es traf ihn die Schlafsucht; das ist ei- fen können – dass sie die Erreger der Nagana sind, wur- ne Krankheit, welche die Bewohner dieser Gegend sehr de 1894 von David BRUCE gezeigt (siehe Kasten). häufig befällt,...“ – der Patient war ein Enkel von König Die Aufklärung der menschlichen Schlafkrankheit Mansa KANKAN MUSA (1280-1337)3, des legendär rei- erfolgte erst einige Jahre später. Sir Patrick MANSON nahm an, dass Filarien für diese Erkrankung verantwort- 1 Tsetse (Bantu: nsi-nsi) bedeutet Fliege, der Terminus Tsetse-Fliege ist also lich seien, da er bei drei verschiedenen Schlafkrank- eigentlich ein Pleonasmus, er dient aber zur Unterscheidung dieser Fliegen von anderen Fliegen und ist inzwischen ein Fachterminus der Parasitologie. heit-Patienten solche nachgewiesen hatte. Der erste Tsetse ist außerdem ein onomatopoetisches Wort, denn es ahmt das Ge- Nachweis von Trypanosomen in menschlichem Blut ge- räusch der Fliegen nach. lang Gustave NEPVEU im Jahre 1891, und 1901 be- 2 Nagana (Zulu: u-nakane) bedeutet soviel wie „niedergeschlagenen Geistes“. 3 Zum Geburtsdatum von KANKAN MUSA gibt es widersprüchliche Angaben. schrieb Joseph DUTTON gemeinsam mit seinem Kolle- 638 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at gen John TODD Trypanosomen als mögliche Erreger der Schlafkrankheit. Da der Patient, den sie untersucht hat- ten, ein Engländer, sich in Gambia infiziert hatte, nann- David LIVINGSTONE (1813-1873) te DUTTON den Erreger Trypanosoma gambiense (heute: David LIVINGSTONE, am 19. März 1813 in Blantyre bei Glas- T. brucei gambiense). Die Fallbeschreibung aus dem Jahr gow (Schottland) geboren, musste schon als Zehnjähri- 1902 enthält auch eine genaue Schilderung des klini- ger in einer Fabrik arbeiten, um zum Unterhalt seiner Fa- schen Verlaufs dieser inzwischen als Westafrikanische milie beizutragen. Unter Entbehrungen bildete er sich in Schlafkrankheit bekannten Form der Erkrankung. seiner Freizeit weiter und wurde schließlich Missionar. 1841 ging er für die Londoner Missionsgesellschaft nach Südafrika, wo er ei- Etwa zu derselben Zeit wurden an der Nordküste des ne Station gründete. Ab 1849 galt sein Hauptinteresse jedoch der Erfor- Viktoria-Sees auffallend viele Fälle einer tödlichen Er- schung des zum großen Teil noch unbekannten schwarzen Kontinents. Er entdeckte den Ngami- und den Njassasee und das heute seinen Namen tra- krankung beobachtet, die von den Kolonialherren be- gende Gebirge, durchquerte 1852-1856 ganz Südafrika von Ost nach West, zeichnenderweise