Zum Widerstand gezwungen? Die Kärntner Partisanen zwischen Märtyrertum und ideologischem Fanatismus

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Thomas STRIEDNIG

am Institut für Geschichte Begutachter: O.Univ.-Prof. Dr.phil. Karl Kaser

Graz, 2015

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher weder in gleicher noch ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Thomas Striednig Graz, 2015

Danksagung

Meiner Familie, auf deren Rückhalt und Unterstützung ich mich zu jeder Zeit verlassen kann, gilt mein Dank. Ihr Beistand hat mir mein Studium überhaupt erst ermöglicht.

Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Freunden, die mich die letzten Jahre begleitet haben und mit denen ich eine unvergessliche Studienzeit durchleben durfte.

Letztlich gilt mein Dank meinem Betreuer Herrn O.Univ.-Prof. Dr.phil. Karl Kaser, der mir mit Rat und Tat zur Seite stand und zu jeder Zeit einen zügigen und reibungslosen Ablauf der Arbeit ermöglichte.

Danke.

Inhaltsverzeichnis

Seite Einleitung……………………………………………………………………….1 1.) Der aufkommende Nationalismus vor 1938……………………….....……7 1.1. Die Anfänge…………………………………………………….……7 1.2. Abwehrkampf und Volksabstimmung………………………………11 1.3. Erste Republik und Ständestaat…………………….……………….17 2.) Die ersten Jahre nach der „Heimkehr“ ins Reich……………...………..26 2.1. Der Anschluss und die frühe NS-Politik…………………...……….26 2.2. Die frühen Formen des Widerstands………………………………..35 2.3. Die Auslöschung der Karawankengrenze………………...………...47 3.) Die Blütezeit des Widerstands……….…………..………………………..52 3.1. Deportationen…………………………………………...…………..52 3.2. Die Entstehung der OF und ihre Ausbreitung……………...…….…59 3.3. Die Hochphase der OF in Kärnten…………………………..….…..67 3.4. Jenseits der kämpfenden Einheiten………………………...……….77 4.) Das letzte Kriegsjahr………………………………………………..……..84 4.1. Die Aktionen der OF-Partisanen……………………………...…….84 4.2. Die österreichischen Verbände der OF……………………………..94 4.3. Weitere Widerstandsorganisationen in Kärnten…………………….95 4.4. Der NS-Apparat zur „Bandenbekämpfung“.....……………….…….99 5.) Das Kriegsende als Neuanfang?...... 103 5.1. Das Kriegsende………………………………………………...…..103 5.2. Der Neuanfang………………………………………………...…..109 Resümee……………………………………………………………………....115 Quellen- und Literaturverzeichnis……………………………………..…...120 Abkürzungsverzeichnis…………………………………………………..….127

Einleitung

Der historische Umgang mit dem Nationalsozialismus ist in Österreich nicht immer ein leichter, da das Schuldbewusstsein einen starken Einfluss auf die wissenschaftliche Erarbei- tung jener Zeit hat. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erschienen Publikationen, die sich nicht nur mit den TäterInnen, sondern auch mit den Opfern der faschistischen Diktatur befassen. Eine besondere Rolle nimmt hierbei die Erforschung des Widerstandes ein, da sie, wie kaum eine andere sonst, aufzuzeigen vermag, dass die damalige Gesellschaft nicht nur aus BefürworterInnen und MitläuferInnen bestand. Sie zeigt, dass es auch Menschen gab, die sich im Dritten Reich gegen die unterdrückende Politik stellten und Ungerechtigkeit nicht hinnehmen wollten. Der Widerstand der Einzelpersonen oder Gruppen richtete sich entweder gegen die NSDAP als Ganzes oder gegen einzelne Verbrechen, die im Rahmen der national- sozialistischen Herrschaft begangen wurden.1

Nicht selten kommt es in der Widerstandsforschung zu einer übertriebenen Darstellung der Bedeutung einer untersuchten Person oder Gruppe um die Existenz des Widerstandes in Österreich noch stärker hervorzuheben. Im österreichischen Bundesland Kärnten hat es diese Überhöhung des Widerstandes nicht gegeben, denn obwohl hier die bewaffnete Gegenwehr zahlenmäßig so groß war wie in keinem anderen Bundesland, wird sie oft von allgemeinen Widerstandsforschungen übersehen. Selbst sogenannte Standardwerke zum Widerstand blenden die Widerstandsbewegung im Südkärntner Raum gerne aus.2 Dabei ist es auf den ersten Blick ohnehin verwunderlich genug, dass es in Kärnten überhaupt zu einer Wider- standsbewegung gekommen ist, waren doch große Teile der Kärntner Gesellschaft überaus empfänglich für nationalsozialistische Ideen, wie die überproportional hohen Mitgliedszahlen der KärntnerInnen in der NSDAP und SS beweisen.3 Die Untersuchung der Gründe für die Entwicklung des Widerstandes in Kärnten wird eines der Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit sein. Dabei geht es nicht nur um die Frage, warum sich die häufigste Form des bewaff- neten Widerstandes in Österreich, der zwischenzeitlichen Ostmark des Deutschen Reiches, gerade hier entwickelt hat, sondern es geht auch um eine Untersuchung der Gründe, die ausschlaggebend dafür waren, dass einzelne Personen und Gruppen in den Widerstand gegen

1 Möller Lenelotte, Widerstand gegen den Nationalsozialismus . Von 1923 bis 1945. Wiesbaden, Marixverlag: 2013, S. 13. 2 Vgl. Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? Kärntner Slowenen und Sloweninnen als Opfer der NS-Verfolgung. , verlag: 2014, S. 18. 3 Vgl. zu den Mitgliedszahlen der KärntnerInnen in der NSDAP bzw. SS: Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Innsbruck, Haymon: 2011, S. 34. und S. 70. 1 den Nationalsozialismus gingen. Um diese zwei Fragen, jene nach der geographischen Veror- tung des Widerstands und jene nach den expliziten Gründen für das Aufkommen des Wider- stands unter bestimmten Bevölkerungsgruppen oder Einzelpersonen, zu beantworten, muss die Analyse über den zeitlichen Rahmen des herrschenden NS-Regimes hinausgehen. Die Grundbedingungen für das Entstehen des Widerstandes lassen sich nämlich nicht erst in der Zeit zwischen 1938 und 1945, sondern bereits in den Jahrzehnten zuvor finden, als es durch das Aufkommen des Nationalismus zu einer tiefen Spaltung der Kärntner Gesellschaft kam.

Das zu beobachtende geringe Interesse an der Widerstandsforschung innerhalb der Kärntner Historiographie ergibt sich durch die politische und ideologische Dimension, die dem Wider- stand in Kärnten immer wieder unterstellt wird. Die größte Widerstandsbewegung im süd- lichsten Bundesland Österreichs war nämlich keine autonome Bewegung, sondern unterstand der Führung der jugoslawischen Volksbefreiungsbewegung, der Osvobodilna Fronta (OF). Die Führungspersönlichkeiten der OF entstammten überwiegend der kommunistischen Bewegung um Josip Broz Tito, die sich zum Ziel gesetzt hatte, alle SlowenInnen, somit auch jene in Kärnten, in einem Herrschaftsgebiet zu vereinen. Die Widerstandsbewegung wird dadurch oft nicht als solche gewertet, sondern lediglich als ein versuchter feindlicher Griff über die südösterreichische Grenze gedeutet, die zwischen 1941 und 1945 nicht existierte. Ingomar Pust, ein ehemaliger Journalist, beschreibt in seinem Buch Titostern über Kärnten, welches vom Kärntner Abwehrkämpferbund herausgegeben wurde, die Partisanenbewegung folgendermaßen: „Sie kämpften für Tito, für Jugoslawien und für ein Groß-Slowenien unter Einschluss eines großen Teiles von Kärnten.“4 Diese Einschätzung ist aber längst keine alleinstehende, sondern wurde bis in die Gegenwart von der großen Masse der Bevölkerung geteilt. Der ehemalige Landeshauptmann Jörg Haider bezeichnete die Kärntner PartisanInnen selbst als „Feinde der Integrität und der Einheit Österreichs.“5 Zieht man allerdings autobio- graphische Werke der früheren PartisanInnen heran, so wird recht schnell deutlich, dass das Bild der kommunistischen, jugoslawischen Bewegung ins Wanken gerät, denn die PartisanIn- nen verstanden sich definitiv nicht als solche Bewegung. Nun könnte man die Einschätzungen der WiderstandskämpferInnen als persönlichen Irrglauben abtun und der Meinung der Mehr- heitsbevölkerung folgen, doch gibt es noch weitere Indizien, die der Theorie der kommunisti- schen gesamtjugoslawischen Bewegung widersprechen. Meine These vor Beginn der Arbeit

4 Pust Ingomar, Titostern über Kärnten 1942 – 1945. Totgeschwiegene Tragödien. 2. Auflage. Klagenfurt, Kärntner Abwehrkämpferbund: 1984, S. 11. 5 In einer Rede aus dem Jahr 1981, zitiert nach: Gstettner Peter, Erinnern an das Vergessen. Gedenkstättenpäda- gogik und Bildungspolitik. Klagenfurt, Kitab Verlag: 2012, S. 102. 2 lautete daher, dass die Widerstandsbewegung in Kärnten trotz Schirmherrschaft der jugosla- wischen Osvobodilna Fronta keine kommunistische und zum Zwecke des Anschlusses von Südkärnten an Jugoslawien ausgerichtete war, sondern eine rein antifaschistische Bewegung. Damit hängt die resultierende dritte Forschungsfrage, jene nach der Existenz eines kommunis- tischen Einflusses der jugoslawischen OF auf die Kärntner PartisanInnen, mit der vorherigen zusammen, die nach den Gründen für das Entstehen des Widerstandes fragt.

Die Beantwortung der Fragen durch die Arbeit ist auch aus dem Grunde spannend, weil die politische Ausrichtung des Widerstandes in Kärnten noch äußerst selten hinterfragt wurde. Grundsätzlich ist aber ohnehin ein Desinteresse im deutschen Sprachraum am Widerstand in Südkärnten festzuhalten, denn die Mehrheit der Publikationen über den kärntnerischen Wider- stand entstammt aus dem kärntnerslowenischen Umfeld oder aus dem ehemaligen Jugoslawi- en. Einige von ihnen wurden allerdings später in die deutsche Sprache übersetzt und so jenen ÖsterreicherInnen zugänglich gemacht, die des Slowenischen nicht mächtig sind. Das aktu- ellste und bisher ausführlichste Werk zu diesem Thema, mit dem Titel Die Kärntner Partisa- nen von dem slowenischen Historiker Marjan Linasi ist ein Beispiel dafür.6 Neben der deut- schen oder slowenischen Originalsprache können die zum Thema erschienen Publikationen aber noch in Erinnerungsliteratur und Wissenschaftsliteratur unterschieden werden. Die slowenische Wissenschaftsliteratur, in diesem Fall sehr ähnlich der deutschsprachigen, hinter- fragt die kommunistische Prägung des Widerstandes recht selten, setzt aber eine stärkere Betonung auf antifaschistische Merkmale. Erinnerungsliteratur, egal ob als Autobiographie, Tagebuch oder sonstiger Form, ist nur in begrenzter Menge in deutscher Version verfügbar. Die von mir für diese Arbeit hinzugezogenen Werke konnten daher keiner selektiven Aus- wahl unterzogen werden, sondern bilden bereits die Mehrheit der überhaupt im deutschen Sprachraum verfügbaren Publikationen. Sie formen aber eine wesentliche Ergänzung und in manchen Fällen auch einen wichtigen Kontrast zur wissenschaftlichen Literatur, die die Basis der vorliegenden Arbeit bildet.

Zur bestmöglichen Erarbeitung des Themenfelds habe ich eine chronologische Vorgehens- weise gewählt, die jedoch manchmal synchron durchkreuzt wird, wenn eine Betrachtung verschiedener Aspekte vorgenommen wird. So werden auch andere Widerstandsgruppierun- gen, die bei der Betrachtung des Widerstandes in Kärnten oft vernachlässigt werden, im Laufe

6 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen. Der antifaschistische Widerstand im zweisprachigen Kärnten unter Berücksichtigung des slowenischen und jugoslawischen Widerstandes. Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 2013. 3 der Arbeit besprochen. Um eine kohärente Betrachtung zu ermöglichen, werden diese Grup- pen nicht parallel zur OF betrachtet, sondern in eigens ihnen gewidmeten Unterkapiteln. Außerdem gab es bereits in den Jahren vor Entstehung der OF offenen Widerstand gegen das Regime in Kärnten. Auch wenn sich dieser in seiner Größe mit der von der Osvobodilna Fronta geführten Befreiungsbewegung nur schwer vergleichen lässt, wird er analysiert und in der abschließenden Beurteilung seine Berücksichtigung finden.

Das erste Kapitel der vorliegenden Arbeit befasst sich mit der Zeit vor dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich. Der Umfang, in dem ich mich dieser Zeit widme, ist deshalb so groß angelegt, weil die Gründe für den Ausbruch des bewaffneten Widerstandes in Kärnten nicht nur in der Zeit ab 1938 zu finden sind, sondern in großem Ausmaß bereits in den letzten Jahren der Monarchie und der Zwischenkriegszeit, die in Kärnten keinesfalls friedlich verlau- fen sind. Im zweiten Kapitel widme ich mich der Zeit zwischen dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich und dem Einmarsch der Wehrmacht in Jugoslawien im Jahr 1941, der, wie unten noch ersichtlich werden wird, eine große Zäsur für die Widerstandsforschung in Kärnten bedeutete. Das dritte und vierte Kapitel befassen sich dann mit der Blütezeit des Widerstandes, dem letzten Kriegsjahr und den Widerstandsgruppen, die zu dieser Zeit in Kärnten tätig waren. Das fünfte Kapitel befasst sich mit dem Kriegsende und einer kurzen Darstellung der Nachkriegszeit, die in Kärnten nicht frei von Kontroversen verlief. Im Resü- mee werden die gesammelten Ergebnisse noch einmal in Kurzform präsentiert, und zur Beantwortung der in der Einleitung gestellten Forschungsfragen genutzt.

Die Basis der Arbeit bildet die bis zum jetzigen Zeitpunkt veröffentlichte Wissenschaftslitera- tur, unter Berücksichtigung der Erinnerungsliteratur, aber auch einiger publizierter Interviews, die mit ehemaligen Personen aus dem Widerstand geführt wurden. Dabei sollte durchaus bewusst sein, dass Erinnerungsliteratur und die Methode der Oral History, die den Interviews zu Grunde liegt, nicht mit Wissenschaftsliteratur gleichgesetzt werden können, da sie in einem hohen Maße der Subjektivität unterworfen sind. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit erfolgt dabei nämlich nicht nur auf persönliche Art, sondern auch, mit Aus- nahme der zeitlich nah verfassten Tagebücher oder Briefe, „durch eine bestimmte zeitliche Distanz und ist gekennzeichnet durch die Reflexion über das Geschehene und die Neubewer- tung des Erlebten.“7 Durch sowohl persönliche Beteiligung als auch zeitliche Distanz, können

7 Goetz Judith, Bücher gegen das Vergessen. Kärntnerslowenische Literatur über Widerstand und Verfolgung. Klagenfurt: Kitab Verlag: 2012, S. 150. 4

Erinnerungen an Geschehnisse bestimmten, manchmal unbewusst durchgeführten Modifikati- onen des menschlichen Erinnerungsvermögens unterworfen sein. „Dabei handelt es sich um gedächtnisbedingte Verzerrungen, […] die sich zu Fehlstellen ausweiten können.“8 Diese Modifikationen oder Fehlstellen sind genauso zu berücksichtigen wie die Tatsache, dass in Erinnerungen oft das Ungewöhnliche interessiert und hervorgehoben wird, während das Gewöhnliche, eben weil es als gewöhnlich empfunden wurde, vergessen wird.9 Zudem nimmt Erinnerungsliteratur oft nicht nur die Funktion der Erinnerung ein, sondern dient auch der Verarbeitung. In dieser Folge kann es im Nachhinein nicht nur zur erwähnten erstmaligen Reflexion kommen, sondern zu einer neuen geänderten Bewertung eines Vorfalls.10 Diese Neubewertung kann neben Autobiographien auch bei Interviews vorkommen, die in zeitlicher Distanz zum erfragten Zeitpunkt stattfinden, und hat einen direkten Einfluss auf das Mitgeteil- te oder eben bewusst Verschwiegene. Um diese speziellen Anforderungen an die Erinne- rungsliteratur und an die Oral History zu berücksichtigen, habe ich mich entschlossen, subjek- tive Quellen vor allem dann heranzuziehen, wenn Vorkommnisse durch die Wissenschaftslite- ratur oder zeitnahe Quellen bestätigt sind. Eine weitere Strategie, derer ich mich in der Arbeit bediene, ist jene der Sichtung einer quantitativ hohen Anzahl an verfügbaren Quellen. Dass ich mich einer möglichst großen Auswahl an zum Thema passender Erinnerungsliteratur bediene, wurde bereits erwähnt. Die verwendeten Interviewauszüge stammen zwar nur aus zwei Quellen, in beiden sind jedoch Interviewauszüge mit einer Vielzahl von Personen zu finden, die alle in Betracht gezogen wurden.11

Zu Beginn sollte auch noch der Widerstandsbegriff geklärt werden, dessen ich mich in meiner Arbeit bediene. Unter Widerstand ist nicht die Zurückhaltung zu verstehen, mit der sicherlich viele Menschen der Politik der NSDAP gegenüberstanden, sondern das Setzen von aktiven Handlungen, die auf den Zusammenbruch oder zumindest eine Schädigung des Regimes abzielten.12 In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der Widerstand in Kärnten, genau- so wie im restlichen Österreich, eine Ausnahmeerscheinung war. Die Mehrheit passte sich an oder befürwortete die nationalsozialistische Politik von vornherein. Nur wenige hatten den

8 Henning Eckart, Selbstzeugnisse. Quellenwert und Quellenkritik. Berlin, BibSpider: 2012, S. 10. 9 Henning Eckart, Selbstzeugnisse (2012), S. 12. 10 Goetz Judith, Bücher gegen das Vergessen (2012), S. 151. 11 Bei den beschriebenen Quellen handelt es sich um die Begleit-DVD zum Werk: Logar Ernst, das Ende der Erinnerung - Kärntner PartisanInnen. Klagenfurt, Drava Verlag: 2011, und um das Werk: Pittler Andreas et al. (Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowe- nen. Herausgegeben vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Wien, Österreichischer Bundesverlag: 1990. Beide sind im Quellenverzeichnis angeführt. 12 Vgl. Möller Lenelotte, Widerstand gegen den Nationalsozialismus (2013), S. 15. 5

Mut oder waren durch die Unterdrückung verzweifelt genug, um sich zu widersetzen.13 Das Widersetzen fand dabei auf drei verschiedene Arten statt: zivil, politisch, und militärisch. Der zivile Widerstand war der private Widerstand, zu dem das Verstecken von verfolgten Perso- nen oder das bewusste Widersetzen von Anordnungen und Gesetzen gehörte. Zum politischen Widerstand, der im Gegensatz zum privaten bereits für die damalige Bevölkerung öffentlich wahrnehmbar war, zählen unter anderem das aktive Vorgehen gegen die NS-Führung in der Öffentlichkeit durch das Verteilen von Flugblättern, das Beschmieren von Häuserwänden mit politischen Botschaften oder das Abhalten von Demonstrationen. Zum militärischen oder bewaffneten Widerstand zählt das aktive Widersetzen mit Hilfe jeglicher Art von Waffenge- walt. Diese Unterscheidung ist zwar zu einer Kategorisierung des Widerstandes notwendig, jedoch sollte sie nicht einer Hierarchisierung dienen.14 Die Bestimmung ist deshalb notwen- dig, weil die Begriffe in der folgenden Arbeit immer wieder auftauchen und beim schnellen Zu- und Einordnen der Widerstandsgruppen und Aktionen helfen sollen.

Zu guter Letzt möchte ich darauf hinweisen, dass die vorliegende Arbeit in einer Formulie- rung verfasst ist, die beide Geschlechter gleichberechtigt miteinbezieht. In manchen Fällen wird bei der Beschreibung von Widerstands- oder Personengruppen, wie den Kurieren im Verbund der OF, den widerständischen Eisenbahnern oder den befreiten russischen Zwangs- arbeitern, jedoch nur die männliche Form verwendet, da diese Gruppen ausschließlich aus Männern geformt wurden. Eine Sonderstellung nimmt die OF-Partisanenbewegung in Kärn- ten ein. Diese bestand bis zum Beitritt der ersten Frauen im Jahr 1943 ebenfalls nur aus Männern.15 In diesem Zusammenhang ist bei der Beschreibung der Gruppe bis zum Beitritt der ersten Frau, auf die im Text noch genauer hingewiesen wird, von Partisanen die Rede, im Anschluss daran wird die geschlechtsgerechte Bezeichnung PartisanInnen verwendet.

13 Luza Radomir, Der Widerstand in Österreich 1938-1945. Wien, Österreichischer Bundesverlag: 1985, S. 26. 14 Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten. In: Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus im Alpen-Adria-Raum, Brigitte Entner et al. (Hrsg). Klagenfurt, Drava Verlag: 2011. S. 51- 64, hier: S. 52. 15 Entner Brigitte, "Komm, miß dich mit uns, in die Wälder dich trau!" Kärntner Sloweninnen im Widerstand. In: Krieg, Widerstand, Befreiung. Ihr Nachhall in den Kulturen und Literaturen des Alpen-Adria-Raums, Fabjan Hafner und Johann Strutz (Hrsg). Klagenfurt -Wien, Drava: 2013. S. 31-48, hier: S. 33. 6

1.) Der aufkommende Nationalismus vor 1938

Der Kärntner Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg ist untrennbar mit der Volksgruppe der Kärntner SlowenInnen verbunden, und in seiner Beschaffenheit, seiner Organisation, aber auch in der bloßen Anzahl der WiderstandskämpferInnen öster- reichweit einzigartig gewesen. Die Voraussetzungen für das Entstehen des Widerstands und die Gründe warum dieser gerade in Kärnten entstehen konnte, ergaben sich aus der geogra- phischen Lage des Landes, und aus seiner Geschichte vor dem 20. Jahrhundert.

1.1.Die Anfänge

Der Alpen-Adria-Raum umfasst neben dem heutigen Bundesland Kärnten, Slowenien und der Region Friaul Julisch-Venetien bei großzügiger Auffassung auch die Südsteiermark und Kroatien. In diesem Raum kam es seit Jahrhunderten immer wieder zum Aufeinandertreffen von VertreterInnen der slawischen, romanischen und germanischen Sprachgruppen.16 Wäh- rend ab dem 15. Jahrhundert die Bevölkerung im Norden Kärntens überwiegend Deutsch sprach, war in den südlichen Landesteilen die slowenische Sprache die am häufigsten genutz- te.17 Trotz der vorhandenen Sprachgrenze war das Zusammenleben der zwei Volks- und Sprachgruppen in Kärnten durchaus friedlicher Natur, da Nation oder Sprache, im Gegensatz zum Grundbesitz, noch nicht als dominantes Unterscheidungsmerkmal angesehen wurden. Die Habsburgermonarchie, zu der Kärnten gehörte, hatte mit einem modernen Nationalstaat noch recht wenig gemein und erlaubte eine Bindung an die Monarchie über mögliche Sprach- grenzen hinweg. Janez Urank, ein Kärntner Slowene, erinnerte sich in einem verschriftlichten Interview an ein Ereignis, welches zeigt, dass sich slowenischsprachige KärntnerInnen mit einem deutschsprachigen Kaiser verbunden fühlen konnten:18

Da gab es einmal eine Geschichte, die passierte schon früher mit meinem Großvater, vor 1900, da konnte in der Gemeinde noch niemand deutsch. Die Schule war gerade erst aufgekommen, und zuerst wurde im Wesentlichen slo- wenisch unterrichtet. Da reiste einmal der alte Kaiser durch seine Kronlande,

16 Moritsch Andreas, Nationale Ideologien in Kärnten. In: Kärntner Slovenen Koroski Slovenci 1900-2000, Andreas Moritsch (Hrsg). Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 2000. S. 9-28, hier: S. 10. 17 Prilasnig Fabian, Die slowenische Minderheit in Kärnten - Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Seminarar- beit am Institut für Slawistik, Karl-Franzens-Universität Graz. Norderstedt, GRIN Verlag: 2007, S. 7. 18 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen. Herausgegeben vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Wien, Österreichischer Bundesverlag: 1990, S. 40. 7

und die Bauern fuhren alle mit den Wägen herein nach Klagenfurt, den Kaiser schauen, das ist ja klar. Der Kaiser sprach dort auch zu seinem Volk, und da gab es eine Mordsbegeisterung. Am Abend kamen die Leute aber zu uns und sagten zu meinem Großvater auf Slowenisch: „Jetz sag` einmal Kauch, was haben denn der Herr Kaiser gesagt? Weil du kannst ja Deutsch.“

Die Textstelle zeigt, dass ein großer Teil der Bevölkerung Kärntens eben des Deutschen nicht mächtig war, und sich dennoch als Teil Österreichs, oder zumindest als Teil der Habsburger- monarchie fühlen konnte.

Der aufkommende Nationalismus, der nicht selten mit dem Jahr 1848 in Verbindung gebracht wird, machte dem friedlichen Zusammenleben der Völker in der Monarchie langsam ein Ende. Nationalistische Ideen fanden in Kärnten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowohl auf deutsch- als auch auf slowenischsprachiger Seite großen Anklang. Die deutsche Bevölkerungsgruppe fühlte sich durch das Aufkommen des slowenischen Nationalbewusst- seins, den Österreichisch-Ungarischen Ausgleich und das Staatsgrundgesetz von 1867, wel- ches den Kärntner SlowenInnen und anderen Volksgruppen in der Monarchie nun annähernd die gleichen Rechte bescherte, wie sie deutschsprachige BürgerInnen bereits genossen hatten, bedroht.19 Als die AnhängerInnen der in den 1870er Jahren aufkommenden Taborbewegung nicht nur trialistische Ideen20 befürworteten, sondern auch die Vereinigung aller SlowenInnen in einem gemeinsamen Herrschaftsgebiet forderten, wurde dieses Gefühl der Bedrohung noch stärker.21 Das geforderte Herrschaftsgebiet sollte zwar weiterhin von den Habsburgern geführt werden und Teil der Monarchie sein, die Grundbedingung allein, alle SlowenInnen zu verei- nen, würde jedoch zwangsläufig zu einer geographischen Teilung Kärntens führen. Die deutsche Seite, die eine mögliche Teilung fürchtete, versuchte als Gegenmaßnahme Kärnten möglichst deutsch erscheinen zu lassen.22 Neben der Sprache auf öffentlichen Ämtern und Ortsanschriften, wo bis zu diesem Zeitpunkt Zweisprachigkeit vorgeherrscht hatte, betraf dies vor allem das Schulsystem in Kärnten.

1872 war in Kärnten die utraquistische Volksschule eingeführt worden, und der gleichzeitige Ausbau des Schulsystems führte dazu, dass ab dem Jahrhundertwechsel jedes in Kärnten

19 Moritsch Andreas, Nationale Ideologien in Kärnten (2000), S.16. 20 Der Trialismus bezeichnet Bemühungen einen dritten Reichsteil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zu erschaffen. Die Slawen waren die AntreiberInnen dieser Bemühungen, und versuchten einen ähnlichen Aus- gleich zu erlangen, wie er den Ungarn 1867 gewährt wurde. 21 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 21. 22 Moritsch Andreas, Nationale Ideologien in Kärnten (2000), S.17. 8 ansässige Kind Zugang zu einer Elementarschule hatte.23 Die utraquistischen Volksschulen hatten nicht nur die allgemeine Bildung der Bevölkerung im Sinne, sondern sie sollten die Kärntner SlowenInnen bereits im frühen Kindesalter an die deutsche Sprache heranführen. Dies wird auch in folgendem Auszug von Franc Resman deutlich, der im Werk Eine sloweni- sche Chronik aus Kärnten sein eigenes Leben autobiographisch darstellt:24

Der Unterricht war in der ersten Klasse slowenisch-deutsch. Wir sprachen aber alle nur slowenisch. Schon in der zweiten Klasse war der Unterricht, bis auf Religion, nur auf Deutsch; Religion unterrichtete der sehr geehrte Herr Pfarrer aus Latschach. Der Lehrer der zweiten Klasse war damals Herr Beer, der bei Maria Saal zu Hause war. Seine Mutter konnte noch Slowenisch, er selber aber nicht mehr. Er war groß gewachsen und die Kinder hatten Respekt vor ihm. Er war ein sehr guter Lehrer, der auch von der Rute keinen Gebrauch machte. Dieser erzählte uns einst: „Im Grunde seid ihr Slawen, wir aber erziehen euch zu Deutschen.“

Das Schulsystem zeigte seine Wirkung vor allem bei jenen Kärntner SlowenInnen, die in städtischer Umgebung aufwuchsen. Bei Bevölkerungsteilen, die ländliche Gebiete bewohnten, war der „Erfolg“ nur teilweise gegeben, da hier die Kommunikation abseits der Schule oft ausschließlich auf Slowenisch stattfand.

Wie groß der Anteil der ländlichen Bevölkerung zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter den Kärntner SlowenInnen war, verrät ein Blick in die Statistik des Jahres 1910. Demnach waren 70,6% der Kärntner SlowenInnen im primären Sektor tätig, 12% in der Industrie, 2,9% im Handel, 10% waren berufslos und 3,7% entfielen auf öffentlichen Dienst und Militär.25 Franc Resman beschreibt die Situation ähnlich: „Aus unserem Tal zog selten jemand weg. Die Burschen dienten als Knechte, die Mädchen aber als Mägde und das ganze Dorf war eine Gemeinschaft.“26 Für die deutsche Bevölkerungsgruppe ergaben sich im Jahre 1900 deutlich andere Zahlen: Von 1000 EinwohnerInnen waren „335 in der Landwirtschaft, 517 in Industrie und Handel und 148 im öffentlichen Dienst“ beschäftigt.27 Bei der Volkszählung im Jahre

23 Domej Theodor, Das Schulwesen für die Bevölkerung Südostkärntens. In: Kärntner Slovenen Koroski Slovenci 1900-2000, Andreas Moritsch (Hrsg). Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 2000. S.29-66, hier: S.30. 24 Resman Franc, Eine slowenische Chronik aus Kärnten 1914-1945. Klagenfurt, Kitab Verlag: 2014, S.15. 25 Statistik entnommen aus: Malle Augustin, Die wirtschaftlichen Aspekte der Kärntner Slowenen. In: Kärntner Slovenen Koroski Slovenci 1900-2000, Andreas Moritsch (Hrsg). Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 2000. S. 171- 212, hier: S. 175. 26 Resman Franc, Eine slowenische Chronik aus Kärnten 1914-1945 (2014), S.11. 27 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 23. Die geringe Zahl der Arbeitslosen findet in dieser Statistik keine Berücksichtigung. 9

1910 gaben 82.000 Personen an, mit slowenischer Muttersprache aufgewachsen zu sein, die meisten von ihnen eben im ländlichen Gebiet.28

Um die ländlichen Gebiete besser an Städte anzubinden und um generell eine bessere Vernet- zung zu ermöglichen, kam es im Südkärntner Gebiet am Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer Modernisierungswelle des Verkehrsnetzes.29 Franc Resman berichtet über das Jahr 1907 wie folgt:30

[…]Im gleichen Jahr begann auch die Bahn zu fahren. Als der erste herausge- putzte Zug mit Ministern und Ehrengästen von Villach nach Triest fuhr, weh- ten in allen Dörfern, von der Gailbrücke in Müllnern bis nach Rosenbach, die slowenischen Fahnen, die in Klagenfurt verteilt worden waren, und nur hie und da war auch eine in den Kärntner Farben oder eine „Frankfurter“ [heutige deut- sche Flagge, Anm. d. Verf.] zu sehen.

Dieser Auszug zeigt auch, dass sich die ländliche Bevölkerung in den südlichen Gebieten Kärntens mehrheitlich als slowenisch empfand. Zu diesem Zeitpunkt spielte dies aber noch keine Rolle, da sowohl SlowenInnen als auch Deutsche, oder ÖsterreicherInnen, nach wie vor in der Monarchie zusammenlebten. Ein Jahrzehnt später sollte die Situation eine andere sein.

Eine verbesserte Stellung der Kärntner SlowenInnen in der Kärntner Gesellschaft ergab sich auch während des Ersten Weltkriegs nicht, obwohl viele slowenischsprachige Kärntner in den Reihen der Armee für den Kaiser ihr Leben ließen. In gewisser Weise kam es sogar zu einer Verschlechterung des Ansehens der Minderheit in Kärnten, denn jene Kärntner SlowenInnen, die sich politisch für ein vereinigtes Herrschaftsgebiet aller SlowenInnen engagierten, wurden verfolgt und nicht selten ohne Verhandlung inhaftiert.31 Trotz Maideklaration des Jahres 1917, welche ein gemeinsames Herrschaftsgebiet für alle JugoslawInnen forderte, blieben jedoch ohnehin die meisten Kärntner SlowenInnen der Monarchie, selbst nach dem Tod des Kaisers Franz Josef, eng verbunden.

Mit Kriegsende verlor Kärnten einen Teil seiner Gebiete. Die Gemeinde Seeland und das Mießtal gingen an den neu gegründeten Nachfolgestaat Jugoslawien, und das Kanaltal an

28 Bianchi Regina, Der Widerstand der slowenischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg in Kärnten. Seminararbeit am Institut für Geschichte, Universität Salzburg. Norderstedt, GRIN Verlag: 2006, S. 7. 29 Malle Augustin, Die wirtschaftlichen Aspekte der Kärntner Slowenen (2000), S. 172. 30 Resman Franc, Eine slowenische Chronik aus Kärnten 1914-1945 (2014), S.39. 31 Goetz Judith, Bücher gegen das Vergessen (2012), S. 30. 10

Italien. Der slowenische Nationalrat in Ljubljana forderte jedoch noch mehr. Entweder das ganze Kärnten, da es vom neuen Landesverweser Arthur Lemisch, als unteilbar proklariert worden war, oder zumindest das gemischtsprachige Gebiet im Süden des Landes.32 Der Nationalrat war der Auffassung, dass die Kärntner SlowenInnen, welche im Süden Kärntens die Mehrheit der Bevölkerung stellten, nicht nur tatsächlich SlowenInnen waren, sondern auch bis zum Untergang der Monarchie mit der „kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklung des slowenischen Volkes“ eng verbunden waren.33 Bereits unmittelbar nachdem diese Forderung bekannt wurde, fand sie auf Seiten der Kärntner SlowenInnen sowohl Befür- worterInnen als auch GegnerInnen. Zu den Kärntner SlowenInnen, die sich öffentlich gegen eine Eingliederung in den SHS-Staat aussprachen, zählten namhafte Politiker wie Anton Falle oder Valentin Podgorc.34

Die Kärntner SlowenInnen und die deutschsprachigen KärntnerInnen, die sich trotz Sprach- barriere lange Zeit als ein gemeinsames Volk verstanden oder sich zumindest nicht über Unterschiede definierten, wurden durch den Gesellschaftswandel und das Aufkommen des Nationalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts tief gespalten. Diese Spaltung hatte enorme Auswirkungen auf die Situation nach dem Ersten Weltkrieg, und sollte vor Beginn des Zweiten Weltkriegs auch dem Nationalsozialismus als Nährboden dienen.

1.2.Abwehrkampf und Volksabstimmung

In den zwei Jahren nach Ende des Weltkriegs kam es in Kärnten zu radikalen Auseinanderset- zungen zwischen den Volksgruppen. Diese radikalen Auseinandersetzungen, die in Form des sogenannten Abwehrkampfes ihren Höhepunkt fanden, hätten zwar durch die demokratische Volksabstimmung beendet werden sollen, die Realität sah aber anders aus. Die Feindseligkei- ten, die in Folge des Abwehrkampfes und des entgleisenden Nationalismus entstanden, prägten die Kärntner Gesellschaft für Jahrzehnte und sollten der Verbreitung des Nationalso- zialismus und dessen rassenfeindlicher Politik dienen. Der Abwehrkampf war einer der wichtigsten Gründe für den raschen Aufstieg der NSDAP im Kärnten der 1. Republik.

32 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 10. 33 Malle Augustin, Die wirtschaftlichen Aspekte der Kärntner Slowenen (2000), S. 176. 34 Vospernik Reginald, Zweimal aus der Heimat vertrieben. Die Kärntner Slowenen zwischen 1919 und 1945. Eine Familiensaga. Klagenfurt, Kitab Verlag: 2011, S. 29. 11

Am 1. Dezember 1918 kam es zur offiziellen Gründung des SHS-Staates, des „Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen.“35 Die einzelnen Nationalregierungen, wie zum Beispiel jene in Ljubljana, waren bis zu diesem Tag für etwaige Gebietsforderungen an die Sieger- mächte der Entente zuständig gewesen. So ergab es sich, dass bereits vor der Staatsgründung des SHS-Staates, die Regierung in Slowenien, genauso wie jene in Wien, den Anschluss Kärntens an ihr zukünftiges Staatsgebiet reklamierte. Von entscheidender Bedeutung war hier, dass gemeinsam mit dem Waffenstillstand, und der damit verbundenen Beendigung des Weltkriegs, auch eine Übereinstimmung erzielt wurde, die es Truppen der Entente erlaubte, sich auf österreichischem Boden frei zu bewegen.36 Dieses Übereinkommen war vor allem Italien ein Anliegen gewesen, nicht nur weil es ohnehin das Kanaltal als zukünftiges Staats- gebiet zugesprochen bekommen sollte, sondern auch um die Bahnverbindung von Villach nach Udine kontrollieren zu können. Auch Serbien wollte, als Verbündeter der Entente, dieses Übereinkommen nützen um militärische Truppen legal nach Kärnten zu bewegen. Die Natio- nalregierung in Ljubljana, beschloss aber bereits im November, also vor offizieller Gründung des SHS-Staates und somit auch ohne rechtlichen Schutz, Truppen nach Südkärnten zu schicken. Der ehemalige k.u.k. Hauptmann Alfred Lavric überquerte mit einigen Bataillons sowohl den Seebergsattel als auch den Loiblpass und rückte bis zum 19.11.1918 bis nördlich von Ferlach vor.37 In Klagenfurt wurde in der Zwischenzeit nicht nur der Beitritt Kärntens zum Staat Deutsch-Österreich beschlossen, sondern auch der deutschfreiheitliche Politiker Arthur Lemisch von der Landesversammlung zum Landesverweser gewählt. Dieser machte Oberstleutnant Ludwig Hülgerth zum Oberkommandeur über die neu zusammengestellte Volkswehr in Kärnten, die als Wehrmacht der Republik dienen sollte. Die Anwerbungen begannen bereits kurz nach Heimkehr der ehemaligen habsburgischen Truppen, so beschrieb dies auch Franc Resman, der bis 1918 beim Militär war:38

Der Oberleutnant wollte mich abhalten zu gehen, und überreden, mich bei der neu gegründeten Volkswehr zu melden. „Es gibt dort eine bessere Bezahlung und ein besseres Essen, und du kannst auch weiterkommen. Vor allem aber wird es wahrscheinlich noch notwendig sein, die Heimat zu verteidigen – und die Stadt Klagenfurt“, fügte er hinzu.

35 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 11. 36 Fräss-Ehrfeld Claudia, Geschichte Kärntens. Kärnten 1918-1920, Abwehrkampf -Volksabstimmung Identi- tätssuche. Klagenfurt, Johannes Heyn Verlag: 2000, S. 42. 37 Fräss-Ehrfeld Claudia, Geschichte Kärntens. Kärnten 1918-1920.. Abwehrkampf-Volksabstimmung Identi- tätssuche (2000), S. 67. 38 Resman Franc, Eine slowenische Chronik aus Kärnten 1914-1945 (2014), S.115. 12

Kurze Zeit nachdem Lavric Ferlach okkupiert hatte, zogen sich die Kärntner Sicherungstrup- pen von den Bereichen südlich der Drau zurück, um einen aufkeimenden Konflikt zu verhin- dern. Lemisch protestierte daraufhin in Wien gegen die Besatzung von Teilen Kärntens durch SHS-Truppen. Da die Regierung in Wien nicht einschreiten konnte, beschloss Lemisch den bewaffneten Widerstand der Volkswehr gegen alle Truppen, die sich ohne Auftrag eines Entente-Kommandos in Kärnten befanden. Auf Grundlage dieses Beschlusses kam es 15. Dezember 1918 zum ersten bewaffneten Widerstand der Volkswehr gegen südslawische Truppen in der Nähe von Grafenstein, die zwar einen Auftrag der Regierung in Laibach vorweisen konnten, jedoch keinen von einem Kommando der Entente.39 Dieser Widerstand geschah ohne Rückendeckung durch die Regierung in Wien, die sich als Führung eines Verliererstaates, der nur wenige Wochen zuvor die Kapitulation unterzeichnet hatte, in der Zwickmühle befand.

Im Jänner 1919 kam es zu neuen Verhandlungen zwischen Deutsch-Österreich und dem SHS- Staat über den Grenzverlauf in den gemischtsprachigen Gebieten. Als diese wegen der Lage in Kärnten zu scheitern drohten, wandte sich der neutrale amerikanische Beobachter Oberst- leutnant Sherman Miles an die Teilnehmer der Verhandlungen. Er bot an, mit einer unabhän- gigen Kommission die Gemeinden in Südkärnten zu bereisen, um sich so ein objektives Bild der Lage vor Ort zu machen, welches dann als Grundlage für weitere Verhandlungen heran- gezogen werden sollte.40 Auf seiner mehrwöchigen Mission kam Miles zu dem Entschluss, dass nur die Karawanken als Grenze sinnvoll wären, da die Wirtschaftskraft der Region an ihre Unteilbarkeit gebunden sei und da selbst unter den Kärntner SlowenInnen eine pro- österreichische Haltung zu erkennen wäre.41 Miles teilte seinen Entschluss vorerst jedoch nur der amerikanischen Kommission unter Leitung Woodrow Wilsons mit. Janez Weiss, der den Entscheid des Plebiszits 1920 als Niederlage empfinden sollte, beschreibt die Lage in Südkärnten wie folgt: „Damals war die Lage ja schwierig. Jugoslawien war gerade erst entstanden und mancher bei uns in Kärnten, auch von den bewussten Slowenen, wusste nicht, was daraus wird.“42

Jugoslawien war zu diesem Zeitpunkt für die Verwaltung in Kärnten südlich der Drau zustän- dig, und die Gebietsforderungen hatten sich von ursprünglich ganz Kärnten, also knapp

39 Fräss-Ehrfeld Claudia, Geschichte Kärntens (2000), S. 85. 40 Fräss-Ehrfeld Claudia, Geschichte Kärntens (2000) , S. 91. 41 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 12. 42 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 52. 13

10.300 Quadratkilometer, auf einen kleineren Bereich reduziert. Dieser kleine Bereich, bestehend aus 3.382 Quadratkilometer, enthielt aber immer noch die Städte Klagenfurt, Villach und Völkermarkt, und somit mehr als die Hälfte der Einwohner Kärntens.43 Da man in Belgrad von der Tendenz der Amerikaner erfuhr, versuchte man nach Gefechten mit wechsel- seitigem Erfolg, einen Großangriff auf Klagenfurt, um die eigene Verhandlungsposition zu verbessern. Am 6. Juni okkupierte die jugoslawische Armee, verstärkt durch neue Kampf- truppen, die Stadt Klagenfurt, musste sie nach Aufforderung der Entente jedoch wieder räumen. Die Entente hatte, basierend auf den Berichten Miles beschlossen, eine Volksab- stimmung im umstrittenen Gebiet Südkärnten durchzuführen.44 Man einigte sich hierbei auf eine 2-Zonen Lösung.45 Zone A inkludierte die südlichsten Gebiete Kärntens bis zur Drau, und somit auch Völkermarkt. Hier überwog der Anteil der slowenischsprachigen Einwohne- rInnen recht deutlich. Sollte diese Zone, wie es erwartet werden konnte, mehrheitlich für einen „Anschluss“ an Jugoslawien stimmen, würde auch in Zone B, jener Zone die die Stadt Klagenfurt, den Wörthersee und Velden enthielt, abgestimmt werden. Sollte Zone A überra- schenderweise für einen Verbleib bei Österreich stimmen, so würden beide Zonen automa- tisch bei Österreich bleiben. Bis zur Abstimmung am 10. Oktober 1920 oblag Jugoslawien weiterhin die Verwaltung Südkärntens, gleichbedeutend mit der Zone A, und Deutsch- Österreich hatte die Kontrolle über den Rest Kärntens. Die vorerst nur zeitweilige Spaltung des Landes brachte für die SüdkärntnerInnen einschneidende Konsequenzen mit sich. Mehr als 30 Bürgermeister verschiedenster Gemeinden wurden ausgewechselt, es gab Probleme beim Verkehr, und während es in Städten wie Bad Eisenkappel und Bleiburg zu Versorgungs- engpässen bei Petroleum und Lebensmittel kam, blieben ProduzentInnen agrarischer Erzeug- nisse in anderen Landesteilen auf ihren Produkten sitzen, da sie diese nicht mehr im großen Absatzmarkt Klagenfurt verkaufen konnten.46

Nachdem die Teilung des Landes wenige Wochen vor der Volksabstimmung wieder aufgeho- ben war, um einen Wahlkampf zu ermöglichen, rechnete man in Jugoslawien zwar noch immer mit einem deutlichen Votum für den „Anschluss“ von Zone A, die Situation vor Ort zeigte aber bereits ein anderes Bild. Dies wird auch in folgendem Auszug deutlich, der einem

43 Fräss-Ehrfeld Claudia, Geschichte Kärntens (2000), S. 115. 44 Fräss-Ehrfeld Claudia, Geschichte Kärntens (2000), S. 116. 45 Prilasnig Fabian, Die slowenische Minderheit in Kärnten (2007), S.16. 46 Fräss-Ehrfeld Claudia, Geschichte Kärntens (2000), S. 171ff. 14

Brief entnommen ist, den Barabara Vospernik an ihren Gatten Janez, einen Kärntner Slowe- nen der sich vorübergehend in Ljubljana befand, sandte:47

Alle sagen, dass Kärnten vereint und die Karawanken die Grenze bleiben. Das ganze Volk ist dafür, auch jene, die bewusste Slowenen waren, weil niemand die Serben mag, noch weniger die Krainer. Jeder sagt, dass ihm der Deutsche noch lieber sei als diese Leute.

Für den österreichischen Wahlkampf war der kurz zuvor gegründete Kärntner Heimatdienst (KHD), eine Institution gebildet aus VertreterInnen aller Parteien, zuständig.48 Dieser war verantwortlich für die Konzeption von Broschüren und Flugblättern, die alle Kärnten- bezie- hungsweiße Österreich-patriotisch und in vielen Fällen explizit feindlich und abwertend gegenüber Jugoslawien formuliert waren. Gedruckt wurden diese in der hauseigenen Drucke- rei. In sehr aktiver Rolle für den Wahlkampf tätig war der stellvertretende Geschäftsführer des KHD, ein gewisser Alois Maier-Kaibitsch.49 Dieser war bekannt für seine verachtende Haltung gegenüber allen Slawen und wurde ein Jahr nach der Volksabstimmung zum Ge- schäftsführer des Kärntner Heimatdienstes ernannt. Maier-Kaibitsch blieb beinahe eineinhalb Jahrzehnte in dieser Funktion, und bestimmte die Ansichten des KHD maßgebend mit. Als die sozialistischen VertreterInnen 1924 aus der Institution aussteigen sollten, und der Heimat- dienst zum Kärntner Heimatbund (KHB) umbenannt wurde, konnte Maier-Kaibitsch seinen Einfluss sogar noch erweitern. Wenige Jahre später wurde er eines der ersten illegalen Mit- glieder der NSDAP in Österreich und übernahm 1942 eine tragende Rolle bei der Deportation von Kärntner SlowenInnen.50

Die Wahlbeteiligung am 10.10.1920, dem Tag als die Wahl in der Zone A abgehalten wurde, betrug über 95% und endete mit einem klaren Sieg für die ungeteilte Landeseinheit Kärntens. 22.025 Stimmen oder 59,04% waren für Österreich abgegeben worden, 15.279 Stimmen oder 40,96% waren für Jugoslawien abgegeben worden.51 Das Ergebnis der Volksabstimmung bedeutete, dass sich mehr als 40% der Kärntner SlowenInnen, die abstimmungsberechtigt waren, für einen Verbleib bei Österreich ausgesprochen hatten. Die Gründe für das Abstim- mungsverhalten der slowenischsprachigen KärntnerInnen dürften aber nur bedingt im Patrio- tismus liegen, sondern vielmehr wirtschaftlich und kulturell inspiriert gewesen sein. Die

47 Entnommen aus: Vospernik Reginald, Zweimal aus der Heimat vertrieben (2011), S. 74. 48 Fräss-Ehrfeld Claudia, Geschichte Kärntens (2000), S. 178. 49 Elste Alfred, Kärntens braune Elite. Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 1997, S. 113. 50 Elste Alfred, Kärntens braune Elite (1997), S. 119. 51 Domej Theodor, Das Schulwesen für die Bevölkerung Südostkärntens (2000), S.33. 15

Germanisierung war in Südkärnten bereits seit einigen Jahrzehnten vorangetrieben worden, und ein Anschluss Südkärntens an Jugoslawien wäre für die mehrheitliche Landbevölkerung im Gebiet mit dem Wegfall des größten Absatzmarktes in Klagenfurt einhergegangen. Zu- gleich wäre eine, im Winter fast unüberwindbare natürliche Abgrenzung in Form des Kara- wankenmassivs zu den Zentren der möglichen jugoslawischen Provinz entstanden. Dafür sprechen auch diese Auszüge aus einem Interview mit Janko Tolmajer, der darin die Lage im Jahr 1920 beschrieb:52

Wie werden wir ohne Klagenfurt leben? Klagenfurt war damals das einzige Zentrum wo verkauft wurde. […] Wohin sollst du denn gehen, über den Loibl nach Ljubljana, deine Ware verkaufen? Die hatten davon selber genug. […] Und das war dann das Atout in den Händen Österreichs: „Wählt Österreich, denn ohne Klagenfurt kann das ländliche Umfeld nicht leben.“

Zudem lockte der Landesverweser wenige Tage vor der Wahl mit dem Versprechen, die Sprache und Kultur der Kärntner SlowenInnen zu bewahren und Sorge für ihren kulturellen und wirtschaftlichen Wohlstand zu tragen. Ein Versprechen, dass sich nur wenige Monate später in seinem Wortlaut gehörig gewandelt haben sollte, als er von „Verführten“ sprach, die „zum Kärntnertum zurückgeführt werden“ müssten.53

Große Teile der „geistigen Elite“ der slowenischsprachigen Bewohner Südkärntens, unter ihnen zahlreiche Priester, emigrierten nach dem, für sie offenbar verlorenen Plebiszit, nach Jugoslawien.54 Franc Resman, der in Südkärnten bis zur Abstimmung für die Bahn gearbeitet hatte, beschreibt dieses Phänomen: „Mit dem Abgang der slowenischen Verwaltung ging auch fast unsere ganze weltliche Intelligenz nach Slowenien.“55 Manche gingen nicht freiwil- lig, sondern wurden bewusst von ihren Ämtern enthoben, da sie aufgrund ihrer offen gezeig- ten Sympathien Jugoslawien gegenüber für die Kärntner Landesregierung schlichtweg als nicht tragbar galten. Viele der Abgewanderten, sowohl jene die freiwillig gingen, als auch jene, bei denen von österreichischer Seite aus Druck ausgeübt worden war, sollten später als Teil der Osvobodilna Fronta im Zweiten Weltkrieg nach Kärnten zurückkehren. Einige von ihnen sogar als Führungskräfte der Kommunistischen Partei Sloweniens, welche die politische

52 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 34. 53 Vospernik Reginald, Zweimal aus der Heimat vertrieben (2011), S. 123. 54 Till Josef, Die Kärntner Slowenen und die Diözese Gurk-Klagenfurt. In: Kärntner Slovenen Koroski Slovenci 1900-2000, Andreas Moritsch (Hrsg). Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 2000. S. 67-170, hier: S. 89. 55 Resman Franc, Eine slowenische Chronik aus Kärnten 1914-1945 (2014), S. 146. 16

Führung der OF innehatte. Die Kärntner SlowenInnen, die in Österreich verblieben, mussten sich in der neuen Republik und im Nationalsozialismus gegen feindliche Anschauungen und die Unterdrückung ihrer Volksgruppe erwehren, die häufig auf die Auseinandersetzungen im Abwehrkampf zurückgingen.

1.3.Erste Republik und Ständestaat

Trotz der zahlreichen Versprechungen, die den Kärntner SlowenInnen vor der Volksabstim- mung gemacht worden waren, wurde nach dem Oktober 1920 rasch deutlich, dass sich der österreichische Staat als ein deutscher Staat verstand. In einem national ausgerichteten Staat ist für Minderheiten ohnehin kein Platz vorgesehen. Zusätzlich erschwerend für die Lage der Minderheit zeigte sich, dass die Abstimmungs-Propaganda des KHD, die sich gegen alles Slawische gerichtet hatte, noch immer sehr präsent in den Köpfen der deutschsprachigen BürgerInnen war. Zunächst galt es von deutscher Seite aus eine Erklärung für jene zu finden, die weder Deutsch noch Slowenisch waren, da sie bei der Volksabstimmung trotz sloweni- scher Muttersprache für Österreich gestimmt hatten. Aus diesem Grunde wurde die Theorie des „windischen“ Volks reaktiviert, die schon im mittelalterlichen Herzogtum Kärnten präsent war.56 Als „Windische“ galten jene Personen, die die eigenen Elemente der slowenischen Sprache und Kultur mit fremden Einflüssen der deutschen Sprache und Kultur vereinten. Nach strenger nationaler Diktion gehörte diese Gruppe zur slowenischen Volksgruppe, aber durch ihr Abstimmungsverhalten und ihr Naheverhältnis zur deutschen Volksgruppe, waren die „Windischen“ zu einer eigenen Volksgruppe gewachsen, welche zwischen den bisherigen existierte.57

Die neuformierte Volksgruppe erlaubte nun die Sichtweise, dass die „Windischen“ nicht gegen ihre Nation gestimmt hatten, sondern, da sie keine SlowenInnen mehr waren, sich frei für den Deutsch-Österreichischen Staat entschieden hatten. Dieser Standpunkt ließ sich nun in die nationalen Vorstellungen der deutschsprachigen KärntnerInnen zu Beginn des 20. Jahr- hunderts integrieren. Die „Windischen“ konnten nach Sicht der deutschnationalen Politik in Kärnten geduldet werden, da sie sich assimilierungswillig zeigten. Anders stellte sich die Situation für die nationalbewussten SlowenInnen, die bei der Volksabstimmung für Jugosla-

56 Tollefson James, "The Maintenance of Slovenians in : A Yugoslav-Austrian Dispute." In: Canadian Slavonic Papers / Revue Canadienne des Slavistes, Vol. 23, No. 3 (September 1981). Canadian Association of Slavists. S. 302-314, hier: S. 303. 57 Moritsch Andreas, Nationale Ideologien in Kärnten (2000), S. 23. 17 wien votiert hatten, dar: Ihnen gegenüber waren die Kärntner Bevölkerung und Politik wenig wohl gesinnt. Die nationalbewussten SlowenInnen hatten wiederum ein anderes Erklärungs- muster für die „Windischen“ gefunden, galten diese in ihren Augen doch einfach als zum Deutschtum verführte Personen, oder kurz „nemcurji“.58 Die nationalen Spannungen, die sich durch den Abwehrkampf und die Volksabstimmung ergeben hatten, ebbten auch in den folgenden Jahren nicht ab und erreichten unter der NS-Herrschaft ihren traurigen Höhepunkt. Viele der ehemaligen Abwehrkämpfer sahen ihre Forderungen aus dem Abwehrkampf in der Politik der deutschnationalen Parteien am ehesten vertreten, und auch die Wehrverbände und Paramilitärs die entstanden, übten auf viele einen großen Anreiz aus.59 Waffen waren in Österreich nach dem Krieg im Überfluss vorhanden und die Wehrverbände dienten als dan- kende Abnehmer dieses Überschusses, der ohnehin keiner anderen Verwendung zugeführt werden konnte.60

Betrachtet man die politische Parteienlandschaft in Kärnten, so war diese immer etwas anders aufgebaut als im Rest Österreichs. Trotz der ländlichen und agrarischen Prägung des Landes hatte die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschösterreichs (SDAP), Vorgängerpartei der SPÖ, in den Gebieten nördlich der Drau großen Rückhalt. Das Ergebnis der Wahlen von 1919, als die SDAP mit 49% die absolute Mehrheit nur knapp verfehlte, war daher nicht ganz so überraschend, wie vermutet werden könnte.61 Auch vier Jahre später konnte bei den Land- tagswahlen ein Sieg der Sozialdemokraten nur dadurch verhindert werden, dass sich alle konservativen, bürgerlichen und deutschnationalen Parteien zu einer Einheitsliste zusammen- schlossen. In den folgenden Jahren sollten sich in Kärnten vor anstehenden Wahlen immer wieder Parteien, welche rechts der Mitte angesiedelt waren, kurzzeitig zusammenschließen, um gegen die SDAP zu bestehen.

Die Kärntner SlowenInnen griffen durch die Tumulte in den Jahren 1919 und 1920 erst mit Verspätung in die politische Bühne Kärntens ein. Der politische und wirtschaftliche „Verein für die Slowenen in Kärnten“ gründete die Kärntner slowenische Partei/ Koroška slovenska Stranka (KSS). Schon in ihren Gründungssätzen, wurde die Ausrichtung der Partei als religi- ös-konservativ deutlich, indem unter anderem vom „katholischen Glauben als lebensnotwen- diger Bedingung für das Bestehen der Kärntner Slowenen“, oder auch von der „Ablehnung

58 Moritsch Andreas, Nationale Ideologien in Kärnten (2000), S. 26. 59 Elste Alfred, Kärntens braune Elite (1997), S. 11. 60 Scheuch Hanno, 1918-55: "From the First to the Second Republic." In: The Historical Journal, Vol. 32, Nr. 1 (March 1989). Cambridge University Press, S. 177-199, hier: S. 182. 61 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 28. 18 jeglichen Klassenkampfes“ die Rede war.62 In der Folge sollte die KSS bis zum Jahre 1934 im Landtag mit ein bis drei Abgeordneten vertreten sein. Der Grund dafür, dass es nicht mehr werden sollten, lag schlichtweg darin, dass die Kärntner SlowenInnen hinsichtlich ihrer politischen Ausrichtung sehr geteilt waren. Während ungefähr knapp ein Drittel von ihnen die KSS befürwortete, gab es sogar einige, vornehmlich „Windische“, deren Assimilation offen- bar schon weit fortgeschritten war, die deutschliberale und deutschnationale Parteien wie den Landbund wählten. Grundsätzlich verteilten sich jedoch jene Wählerstimmen der Kärntner SlowenInnen, die nicht der KSS zukamen, recht gleichmäßig auf sowohl die Sozialdemokrati- sche Arbeiterpartei als auch die Christlich Soziale Partei (CS).63 Die Christlich Soziale Partei und die KSS standen sich in ihrer religiösen und ideologischen Ausrichtung sehr nahe und so stimmten jene Kärntner SlowenInnen, die mit der Minderheitenpolitik der KSS nicht einver- standen waren oder sich schlichtweg als „Windische“ verstanden, oft für die CS. Für die SDAP stimmten vor allem jene Kärntner SlowenInnen in den städtischen Zentren der Region, die Arbeiter, oder jener Teil, dem der katholische Glaube als nicht mehr so bedeutend er- schien.64 Dies war aber zugleich ein herber Kritikpunkt der übrigen Kärntner SlowenInnen. Obwohl viele glaubten, dass man von der SDAP ein Entgegenkommen bei Minderheitenfra- gen eher erwarten könne, als von konservativen oder deutschliberalen Parteien, und obwohl ihre Politik speziell arme BürgerInnen ansprach, von denen es unter den Kärntner SlowenIn- nen einige gab, war die Tatsache, dass die Sozialisten scheinbar die Religion zurückdrängen wollten, ein schwerwiegender Grund die SDAP nicht zu wählen.65 Während sich auf Gemein- de und Landtagsebene die KSS mit der SDAP und der CS um Wählerstimmen stritt, kam es bei bundesweiten Wahlen von vornherein zu einer Wahlempfehlung für die Christlich Soziale Partei, weil die KSS wusste, dass auf Bundesebene wenig zu holen war.

Auf die kommunistische Partei traf die von den Kärntner SlowenInnen befürchtete Zurück- drängung der Religion ebenfalls zu, aber es sprachen auch noch andere Gründe gegen das Erstarken der kommunistischen Partei in Südkärnten. Die Kärntner SlowenInnen fürchteten unter anderem, dass ein kommunistisches System Verhältnisse wie in Sowjet-Russland erschaffen würde. Der Verlust von Land für Bauern, die Zerschlagung der Familien und die

62 Bahovec Tina, Die Kärntner Slovenen 1930 - 1941. In: Kärntner Slovenen Koroski Slovenci 1900-2000, Andreas Moritsch (Hrsg). Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 2000. S. 235-262, hier: S. 238. 63 Smolle Karel, Die Kärntner Slowenen und die österreichischen politischen Parteien. In: Kärntner Slovenen Koroski Slovenci 1900-2000, Andreas Moritsch (Hrsg). Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 2000. S. 213-234, hier S. 214. 64 Smolle Karel, Die Kärntner Slowenen und die österreichischen politischen Parteien (2000), S. 220. 65 Bahovec Tina, Die Kärntner Slovenen 1930-1941 (2000), S. 241. 19 mögliche Schließung von Kirchen wurden mit der KPÖ assoziiert. Sogar der Koroški Slo- venec, die offizielle Zeitung des „Vereines der Kärntner Slowenen“, die sich innerhalb der Volksgruppe einer großen Leserschaft erfreute, warnte regelmäßig vor dem Kommunismus.66 All dies macht verständlich warum das Ergebnis der Nationalratswahl von 1927, mit einem Stimmenanteil von 1,02 % für die KPÖ deren positiven Rekord in der Zwischenkriegszeit in Kärnten markierte.67 Stellenweise gelang es den KommunistInnen zwar einige Stützpunkte in Kärnten zu errichten, bei denen auch einige Kärntner SlowenInnen als Funktionäre tätig waren, eine Verankerung des Kommunismus unter der breiten Bevölkerung war jedoch zu keiner Zeit gegeben. Dies ist bereits die erste Tatsache, die gegen die weit verbreitete These spricht, dass der Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime während des 2. Welt- kriegs in Kärnten durch die Ideologienähe der Bevölkerung zum Kommunismus getragen wurde. Zu stark war die religiöse und konservative Prägung der Mehrheit der slowenischspra- chigen Bevölkerung in Südkärnten, als dass sie innerhalb von 15 Jahren komplett zum Kom- munismus umschlagen hätte können.

In den 1920er stand, basierend auf den Versprechungen die vor der Volksabstimmung ge- macht worden waren, immer wieder die Forderung der Kärntner SlowenInnen nach einer Kulturautonomie im Raume. Von besonderer Bedeutung war hierbei die Frage nach der Unterrichtsprache der Elementarschulen. Im Artikel 8 der österreichischen Verfassung von 1920 war Deutsch als Staatssprache festgelegt worden, und bereits ein Jahr zuvor, noch vor Lösung der Grenzfrage in Kärnten, war im Staatsvertrag von St.Germain festgelegt worden, dass der Pflichtunterricht ebenfalls überall in deutscher Sprache abgehalten werden könne.68 Diese Regelung wollten die Kärntner SlowenInnen für die 84 in Kärnten befindlichen Schulen ändern, um ihren Kindern wenigstens den Grundschulunterricht in der Muttersprache zu ermöglichen.69 Viele dieser Kinder konnten zum Zeitpunkt ihrer Einschulung ohnehin noch kein Deutsch. Obwohl dadurch dringend eine Adaptierung des vorhandenen Schulsystems im zweisprachigen Kärnten nötig gewesen wäre, galt grundsätzlich, dass ab der zweiten bis spätestens dritten Schulstufe der Unterricht meist ausschließlich in deutscher Sprache abge- halten wurde. Ab 1925 wurden schließlich konkrete Verhandlungen betreffend der Kulturau- tonomie geführt. Ein Grund dafür, dass anfänglich alle Parteien zumindest den Verhandlun- gen zustimmten, war die Idee, wonach sich eine mögliche Kulturautonomie in Kärnten positiv

66 Bahovec Tina, Die Kärntner Slovenen 1930-1941 (2000), S. 242. 67 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 37. 68 Domej Theodor, Das Schulwesen für die Bevölkerung Südostkärntens (2000), S.31f. 69 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 26. 20 auf die Lage der deutschsprachigen Minderheiten in Jugoslawien und Italien auswirken könnte.70 Auf die Bevölkerung wirkte es jedoch so, als würden die Verhandlungen nicht wirklich beherzt geführt werden. Diesen Eindruck hatte auch Tomaz Kupper, der in einem Brief aus dem Jahre 1927, adressiert an seine Halbschwester Barbara Vospernik, folgendes niederschrieb:71

Es interessiert dich, ob ich jetzt eine Beschäftigung als Lehrer finden werde, wo man über die Kulturautonomie der Kärntner Slowenen spricht. Aus diesem Mehl wird kein Brot gebacken. Diese Freundschaft unserer deutschen Lands- leute bzw. jener, die sich diese Autonomie ausgedacht haben, ist nicht ehrlich gemeint.

Nachdem sich die Verhandlungen über Jahre hingezogen hatten, scheiterten sie schlussendlich 1930 am ungelösten Problem der Schulaufsicht, welche sowohl die deutsche als auch die slowenische Seite für sich beanspruchte. Resultierend blieb das Vermitteln der deutschen Sprache und Kultur ein wesentlicher Bestandteil der offiziellen Bildungsaufgabe der Elemen- tarschulen.72 Dies gab auch Anton Schlapper im Interview zu Protokoll:73

Ich kam 1930 in die Schule. Es war eine vierklassige Volksschule, die erste Klasse mit zwei Abteilungen, in denen noch Slowenisch gesprochen wurde, damit die Schüler, die eben keine Deutschkenntnisse hatten, langsam den Ge- brauch der deutschen Sprache erlernten. Ab der zweiten gab es weder eine slowenische Stunde, noch wurde Slowenisch gesprochen, überhaupt nichts. In der zweiten Klasse war der Lehrer ein Deutsch-Kärntner, der sich auch als sol- cher gebärdete, und der konnte kein Wort slowenisch. Wir mussten vom ersten Tag an mit ihm deutsch reden, und es wurde auch nur deutsch vorgetragen, deutsch gefragt und deutsch geantwortet.

Die Problematik für die SchülerInnen ergab sich aber nicht nur beim Erlernen einer neuen Sprache, sondern auch beim Erlernen einer neuen Schriftart. Während das Slowenische in lateinischen Lettern geschrieben wurde, waren deutsche Aufsätze und Bücher in kurrenter

70 Smolle Karel, Die Kärntner Slowenen und die österreichischen politischen Parteien (2000), S. 216ff. 71 Der Inhalt des Briefes wurde entnommen aus: Vospernik Reginald, Zweimal aus der Heimat vertrieben (2011), S. 126. 72 Thorpe Julie, "Austrofascism: Revisiting the 'Authoritarian State' 40 Years On." In: Journal of Contemporary History, Vol. 45, No. 2 (April 2010). Sage Publications, S. 315-343, hier: S. 330. 73 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 68. 21

Schrift geschrieben. Milena Gröblacher-Vanda gab darauf in der Interviewpassage über ihre Schulzeit zu Protokoll: „Dort mussten wir von heute auf morgen kurrent schreiben lernen.“74

Der Kärntner Heimatbund mit seinem Geschäftsführer Alois Maier-Kaibitsch, der sich seit dem Austritt der SozialistInnen immer mehr als Betreiber einer antislowenischen Politik herauskristallisierte, hatte ebenfalls versucht verzögernd auf die Verhandlungen über die Kulturautonomie einzuwirken. Die angesprochene antislowenische Politik kann durch einen Blick auf die Tätigkeit der sogenannten Bodenvermittlungsstelle bestätigt werden. Die Bo- denvermittlungsstelle hatte den Auftrag, KäuferInnen beziehungsweise PächterInnen für neu erschlossenen oder aufgegebenen Landbesitz in Kärnten zu finden. Die Vermittlungsstelle war gegen Mitte der 1920er Jahre in den KHB eingegliedert worden und bis 1933 hatte es Maier-Kaibitsch geschafft, den ehemaligen Besitz von 196 slowenischsprachigen Betreibern, insgesamt 4500 ha, in „deutsche Hände“ zu vermitteln.75 Anscheinend war die Landesregie- rung mit seiner Arbeit so zufrieden, dass ihn der Kärntner Landeshauptmann Dr. Arnold Sucher 1936, obwohl Maier-Kaibitsch zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren Mitglied der illegalen NSDAP war, in den Beirat der Landesführung der Vaterländischen Front, der Nachfolgeorganisation der Christlich Sozialen Partei, berief.76

1933 kam es in Wien zur „Selbstausschaltung“ des Parlaments, dessen Neuformierung durch Bundeskanzler Dollfuß jedoch bewusst blockiert wurde, und resultierend daraus, zur Ausru- fung des Ständestaates.77 Trotz der starken sozialdemokratischen Prägung der nördlichen Teile Kärntens verliefen die Februaraufstände im Jahre 1934 weitgehend sehr ruhig, da etwa führende Sozialdemokraten in Klagenfurt oder Völkermarkt nicht zu Aufständen aufriefen. In einigen Orten, kam es dennoch zu kleineren Unruhen. So beschrieb Helena Kuchar die Ge- schehnisse in einem später verschriftlichten Interview wie folgt:78

Eines Nachts im 34-er Jahr hörten wir vom Schloss her Gewehrsalven krachen. Am nächsten Tag erfuhren wir, was los war: Die Heimwehr hatte den Sieg über den Februaraufstand der österreichischen Arbeiter gefeiert. Die Partei wurde aufgelöst, überall suchte die Polizei nach Schriften und nach Waffen. Einige

74 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 82. 75 Elste Alfred, Kärntens braune Elite (1997), S. 115. 76 Elste Alfred, Kärntens braune Elite (1997), S. 117. 77 Scheuch Hanno, Austria 1918-55: From the First to the Second Republic (1989), S. 184. 78 Busch Thomas und Windhab Brigitte, Jelka. Aus dem Leben einer Kärntner Partisanin. Verfasst von Thomas Busch und Brigitte Windhab nach den Tonbandaufzeichnungen von Helena Kuchar. Klagenfurt, Drava Verlag: 1984. Ausgabe von 2009, S. 17. 22

kommunistische Burschen aber arbeiteten illegal weiter. Einer von ihnen war Karel Prušnik, ein Freund von meinem Mann.

Sämtliche Parteien, darunter auch die kommunistische mit ihren wenigen AnhängerInnen in Kärnten, wurden nach 1934 verboten. Viele der AnhängerInnen arbeiteten aber illegal weiter, unter ihnen der von Helena Kuchar erwähnte Karel Prušnik, einer der späteren Anführer der Kärntner PartisanInnen, der versuchte den Kommunismus sowohl vor, während, als auch nach dem Krieg zu verbreiten.

Die Kärntner SlowenInnen waren zwar keine fanatischen Anhänger des Ständestaates, jedoch standen sie Dollfuß nicht negativ gegenüber. Der Grundtenor war ein positiver, da Dollfuß in religiösen Ansichten vielen Kärntner SlowenInnen recht ähnlich war und da er, ähnlich wie sie selbst, gegen die aufkommende nationalsozialistische Partei war.79 Sie engagierten sich auch durchwegs in der entstehenden Vaterländischen Front, sogar einige KärntnerInnen die national slowenisch ausgerichtet waren, waren bereit zur Mitarbeit.80 Dies wiederum erhitzte die Gemüter vieler national eingestimmter deutschsprachiger Anhänger der Vaterländischen Front. Zunächst empfanden sie es als äußerst entfremdlich mit ihren einstigen Gegnern aus dem Abstimmungskampf in den gleichen Reihen zu stehen. Schließlich arrangierten sie sich allerdings mit dem Gedanken, solange sie zumindest die Führung behalten konnten. Lange Zeit blieb ihnen ohnehin nicht, sich dagegen aufzulehnen, denn der Putsch der Nationalsozia- listen und die Ermordung Dollfuß sorgten für einen Stimmungswechsel. Waren die Februa- raufstände in Kärnten im Vergleich zum Rest Österreichs eher ruhig abgelaufen, so waren die Tumulte im Juli 1934 größer als in anderen Bundesländern. 6000 Mann mussten gegen die Putschisten in Kärnten eingesetzt werden und es zeigte sich, dass unter eben jenen Putschis- ten, die mit der NSDAP sympathisierten, viele deutschsprachige Kärntner waren, die kurze Zeit zuvor noch in der Vaterländischen Front tätig gewesen waren.81 Die Kärntner Slowenen in den Reihen der VF verhielten sich hingegen durchwegs loyal dem Regime gegenüber.

Als Schuschnigg dem Ermordeten Dollfuß als Kanzler nachfolgte, herrschte bei den Kärntner SlowenInnen kurzfristig Hoffnung auf eine Besserung in der Minderheitenfrage, hatte doch Schuschniggs Großvater selbst Slowenisch gesprochen.82 Diese Hoffnung sollte sich jedoch nicht erfüllen. Die Bilanz für die Kärntner SlowenInnen im Ständestaat war eine negative und

79 Smolle Karel, Die Kärntner Slowenen und die österreichischen politischen Parteien (2000), S. 220. 80 Bahovec Tina, Die Kärntner Slovenen 1930-1941 (2000), S. 249. 81 Bahovec Tina, Die Kärntner Slovenen 1930-1941 (2000), S. 251. 82 Thorpe Julie, Austrofascism: Revisiting the Authoritarian State 40 Years On (2010), S. 335. 23 trotz der ideologischen oder zumindest religiösen Nähe zum Regime konnte nicht wirklich eine Vertrauensbasis aufgebaut werden. Dies zeigt auch der trockene Kommentar von Janko Messner zur Ermordung Dollfuß im Jahre 1934:83

Wir wussten zwar, dass es jetzt einen Schuschnigg gab, weil sie einen Dollfuß abgeknallt hatten, und dass der viel auf den Herrgott gab. Das war aber auch schon alles. Der politische Horizont unsereins war auf Fragen des wirtschaftli- chen Überlebens eingeschränkt.

Dennoch hielten viele der Kärntner SlowenInnen aus Mangel an Alternativen dem Regime bis zum März 1938 die Treue. Der „Anschluss“, und die mit ihm verbundene Politik, sollte nicht komplett überraschend für die Kärntner SlowenInnen erscheinen, hatte sich die Hinwendung der deutschsprachigen Bevölkerung zum Nationalsozialismus in den letzten Jahren doch abgezeichnet. Bereits im Jahre 1923 hatte der erste Nationalsozialist in Kärnten den Einzug in den Kärntner Landtag geschafft und bei den Wahlen 1930 erhielt die NSDAP in Kärnten 5,5%, was eine deutliche Steigerung gegenüber ihrem österreichweiten Durchschnitt von 2,7% markierte.84 Begünstigend für die nationalsozialistische Politik in Kärnten dürfte neben der geographischen Grenzlage und den nationalen Konflikten auch die wirtschaftliche Krise gewirkt haben. Um nämlich der allgemeinen Wirtschaftskrise ab 1929 entgegenzuwirken, versuchte man in Kärnten den Tourismus auszubauen. Wenig verwunderlich ist es dabei, dass die „1000-Mark-Sperre“ die das Deutsche Reich gegenüber Österreich erlies, sich gerade auf den Tourismus negativ auswirkte. Somit steckte ganz Kärnten in einer Krise, wie dies auch Franc Resman in seiner Autobiografie beschreibt:85

Kaum hatten wir die Straße fertig, folgte eine allgemeine Wirtschaftskrise, es mangelte an allen Ecken und Enden. Eine Folge davon war eine hohe Arbeits- losigkeit, welche auch bei uns die Hitler-Sympathisanten dazu benutzten, Deutschland über alles zu loben, vor allem nachdem Hitler in Deutschland die Macht übernommen hatte.

Die Tatsache, dass Deutschland anscheinend unter Hitler die Wirtschaftskrise deutlich besser meisterte als Österreich, lies die Sympathiewerte des deutschen Führers auch in Kärnten nach oben steigen. In weiterer Folge sympathisierten große Teile der Heimwehr und der später

83 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 60. 84 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 33. 85 Resman Franc, Eine slowenische Chronik aus Kärnten 1914-1945 (2014), S.157. 24 entstandenen Vaterländischen Front mit den Nationalsozialisten, wie der Juliputsch 1934 gezeigt hatte.86 Als Dollfuß im Februar 1938 nach Berchtesgaden aufbrach, schien der „An- schluss“ von deutscher Seite aus bereits beschlossene Sache.87 Die mit dem Jahreswechsel noch stärker werdende Propaganda in Österreich, die auch Franz Najemnik beschrieb, deutete ebenfalls daraufhin, dass Österreich bald im Deutschen Reich aufgehen könnte:88

Die nationalsozialistische Propaganda schwoll jetzt in unserem Land ungeheu- er an und gewann verständlicherweise viele Sympathien, vor allem bei Intel- lektuellen, bei Studenten, beim Gewerbe und sogar bei den Arbeitern, denen es immer gleichgültiger wurde, wer es war, der ihnen aus der Misere helfen konn- te.

Die NS-Propaganda war aber in Kärnten nicht erst in den letzten Monaten vor dem „An- schluss“ erfolgreich, sondern bereits in den Jahren zuvor. Das Bundesland Kärnten hatte vor 1938 den höchsten Anteil an illegalen NSDAP-Mitgliedern. Dieser war doppelt so hoch wie es dem Bevölkerungsanteil in Österreich entsprochen hätte, und bei den Mitgliedszahlen der NSDAP in Österreich lagen die Bezirke Klagenfurt beziehungsweise Spittal an der Drau an erster und dritter Stelle der Reihung.89 Beinahe alles deutete darauf hin, dass der „Anschluss“ in Kärnten so gut aufgenommen werden würde wie in keinem anderen Bundesland. Die Voraussetzungen dafür waren durch Abwehrkampf und Minderheitenstreitigkeiten außeror- dentlich gut. Der deutschsprachige Teil Kärntens bettelte quasi um den Anschluss an das Deutsche Reich, während die südlichen Landesteile in bitterer Vorahnung auf Schuschniggs geplante Abstimmung am 13.März 1938 blickten, zu der es nicht mehr kommen sollte.

86 Thorpe Julie, Austrofascism: Revisiting the Authoritarian State 40 Years On (2010), S. 325. 87 Scheuch Hanno, Austria 1918-55: From the First to the Second Republic (1989), S. 190. 88 Najemnik Franz, Erinnerungen an den Widerstand gegen das NS-Regime in Kärnten. Gestapohaft, Partisanen- tätigkeit und Untergrundarbeit. Klagenfurt, Kitab Verlag: 2012, S. 14. 89 Vgl. Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 34. 25

2.) Die ersten Jahre nach der „Heimkehr“ ins Reich

Die nationalsozialistische Partei stieß bei ihrer Machtübernahme in Österreich auf fast keine Gegenwehr, eher das Gegenteil war zu beobachten Die Rolle Österreichs als erstes Opfer der Expansionspolitik des Dritten Reichs, die in den ersten Jahren nach dem Krieg gerne betont wurde, lässt sich heute deshalb zu Recht nicht mehr aufrechterhalten. In der frühen Phase der NS-Herrschaft gab es dennoch einige Personen, die dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüber standen und sogar versuchten, ihn zu bekämpfen. Auch in Kärnten waren diese Personen vorhanden, hatten aber bis 1942 wenig erfolgreiche Widerstandsaktionen zu ver- zeichnen. Trotz zahlreicher Rückschläge gaben sie nicht auf und fungierten als Wegbereiter für nachfolgende WiderstandskämpferInnen die teilweise bereits in dieser frühen Phase in die Illegalität abtauchten und über die Reichsgrenzen verschwanden, ehe sie zur Rückkehr ge- zwungen wurden.

2.1. Der „Anschluss“ und die frühe NS-Politik

Um der von Kanzler Dr. Kurt Schuschnigg geplanten Abstimmung über die Souveränität Österreichs zuvorzukommen, marschierte Hitlers Armee bereits vor dem geplanten Termin der Abstimmung in Österreich ein. Kärnten galt nach dem „Anschluss“ als erster Gau auf dem Gebiet des okkupierten Österreichs, da man hier bereits in den Morgenstunden des 13. März den „Anschluss“ als vollzogen melden konnte.90 Grund für diese unrühmliche Vorreiterrolle Kärntens war der 11. März gewesen, an dem es zu großräumig angelegten Demonstrationen zu Gunsten der NSDAP kam. Da der „Anschluss“ zu diesem Zeitpunkt ohnehin nur mehr eine Frage von Stunden war, beugten sich die Kärntner PolitikerInnen dem Druck von außen, und alle wichtigen Institutionen wurden in den Abendstunden jenes Tages in die Hände der SA und SS gelegt.91 Auch der frühere Landeshauptmann Dr. Arnold Sucher trat von seinem Amt zurück. Erst in den folgenden Stunden, sollte in Wien der Bundespräsident zum Schritt gezwungen werden, das Amt des Bundeskanzlers an Arthur Seyß-Inquart zu übertragen. Am 12. März war die deutsche Wehrmacht in Österreich einmarschiert, und einen Tag später war das Aufgehen Österreichs im Deutschen Reich bereits besiegelt.

90 Hellwig Valentin, Am Rande des Bürgerkrieges. Der Kärntner Ortstafel Konflikt 1972 und der Sturz Hans Simas. Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 2013, S. 20. 91 Gitschtaler Bernhard und Jamritsch Daniel, Das Gailtal unterm Hakenkreuz. Über Elemente nationalsozialisti- scher Herrschaft im Gailtal. Klagenfurt, Kitab Verlag: 2013, S. 52. 26

In der Nacht vom 12. auf den 13. März hatte in Kärnten schon die Umgestaltung des öffentli- chen Lebens mit Hilfe der teilweise fanatischen Bevölkerung begonnen. Österreichische Fahnen wurden blitzartig entfernt und gegen jene mit dem Hakenkreuz ausgetauscht. Franc Resman beschrieb die Nacht folgendermaßen:92

Über Nacht wurde alles verrückt. Die bis dahin illegale SA kam in ihrer brau- nen Uniform, und wer von den Nazis noch keine hatte, erschien mit einer Ha- kenkreuzbinde und weißen Kniestrümpfen. Tag und Nacht hörte man die Rufe „Sieg Heil“ und „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ und noch einige mehr. An allen öffentlichen Gebäuden und auch an vielen Privathäusern flatterten nun die roten Fahnen mit dem weißen Mal und dem Hakenkreuz.

Der Auszug zeigt die fanatische Einstellung der Bevölkerung zum Nationalsozialismus. In der NSDAP wurde jedoch statt zu feiern, keine Zeit verschwendet und umgehend mit der Um- strukturierung der öffentlichen Ordnung begonnen. Die Polizei wurde Heinrich Himmler, Reichsführer SS, unterstellt und damit in den deutschen Apparat übernommen. In weiterer Folge teilte der Kopf der österreichischen SS, Ernst Kaltenbrunner, die hier ansässige Polizei in zwei Teile. Die Ordnungspolizei, die aus regulären Truppen bestand, und die Sicherheits- polizei, welche unter anderem die Gestapo und die Kripo inkludierte.93 Auch der Landtag wurde bereits kurz nach dem „Anschluss“ aufgelöst.

Der „Anschluss“ Österreichs an Deutschland sollte aber noch durch eine (scheindemokrati- sche) Volksabstimmung legitimiert werden, die für den 10.April angesetzt wurde. Da der Führer sich neben einer möglichst hohen Wahlbeteiligung auch eine möglichst hohe Befür- wortung des „Anschlusses“ wünschte, setzte er die Propaganda in Bewegung. Am 16. März traf eine Autokolonne, bestehend aus 40 Tonfilmwagen, in Klagenfurt ein, die die Aufgabe hatte, der Bevölkerung Kärntens in den kommenden Wochen die Erfolge der nationalsozialis- tischen Politik in Deutschland vor Augen zu führen.94 Doch mit dem bloßen Vorführen von Filmen, die den Führer rühmten, sollte es noch nicht getan sein. Adolf Hitler begab sich in den folgenden Tagen persönlich auf Wahlkampftour durch Österreich. Am 4. und 5. April machte er dabei in Klagenfurt Station und sprach auf dem nach ihm benannten Platz, der in der Zeit nach 1945 wieder den Titel Neuer Platz bekommen sollte, zu den Massen, die mit

92 Resman Franc, Eine slowenische Chronik aus Kärnten 1914-1945 (2014), S.159. 93 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945. Wien, Steinbauer: 2014, S. 29. 94 Wadl Wilhelm, Die "Volksabstimmung" vom April 1938 in Kärnten. In: März 1938 in Kärnten. Fallstudien und Dokumente zum Weg in den „Anschluss“, Helmut Rumpler (Hrsg). Klagenfurt, Kärntner Druck- und Verlagsgesellschaft: 1989. S 171-180, hier: S. 173. 27 speziell für diese Tage eingerichteten Eisenbahn- und Buslinien auch aus den entferntesten Winkeln des Gaus herangekarrt wurden. Die nationalsozialistische Propaganda sprach von knapp 200.000 Anwesenden, etwas glaubwürdigere Quellen nannten immerhin noch eine Zahl von 60.000 begeisterten ZuhörerInnen.95 Sämtliche Reden und Filme, die von den Nationalsozialisten vor der Volksabstimmung gezeigt wurden, hatten eine zentrale Mitteilung an die Bevölkerung: Der Führer werde für Frieden und Wohlstand aller sorgen.96 Mancherorts blieb es nicht nur bei Mitteilungen und kleineren Geschenken, die von der NSDAP verteilt wurden, besonders in Gegenden, wo man sich der Zustimmung der Bevölkerung nicht ganz so sicher war, ging die Partei noch einen Schritt weiter. Dies ist auch im folgenden Auszug des Interviews mit Lopjzka Boštjančič ersichtlich, einer Kärntner Slowenin aus dem Südkärntner Raum:97

Im März waren viele Leute sehr begeistert. So sehr, dass man sich fragte, was jetzt wohl kommen würde. Wir wussten es auch nicht. Doch auch wir dachten, jetzt müsse eine bessere Zeit kommen, und es werde lustiger sein. Vor den Wahlen am 10. April, die Älteren werden sich vielleicht noch erinnern, bekam man Pakete, in denen waren alle möglichen Lebensmittel – Zucker, Kaffee und ähnliches. Wir dachten, das ist aber fein, jetzt werden wir gut leben.

Die Propaganda zeigte ihre Wirkung, auch einige SkeptikerInnen liesen sich von der vorge- täuschten Großzügigkeit überzeugen. So lagen die Ergebnisse der Volksabstimmung über den Anschluss sowohl bei der Wahlbeteiligung, als auch bei der Befürwortung für den „An- schluss“ bei über 99%, und das österreichweit. In Kärnten wagten weniger als 0,2% gegen den „Anschluss“ zu stimmen und auch die Wahlbeteiligung war überdurchschnittlich hoch.98 Gemeinden mit hundert prozentiger Wahlbeteiligung und hundert prozentiger Zustimmung erhielten den Titel Führergemeinden.

Gleichzeitig zeigte die Partei während der Volksabstimmung öffentlich ihr zweites Gesicht. Eine sogenannte Fliegende Kommission war in allen Wahlbezirken vorhanden.99 Diese ermöglichte mit Hilfe eines vorher abgefassten Wählerverzeichnisses die Erfassung und Kontrolle der gesamten Menge an WählerInnen. Kleinere Truppen der SA konnten dann am

95 Wadl Wilhelm, Die „Volksabstimmung“ vom April 1938 in Kärnten (1989), S. 174. 96 Danglmaier Nadja und Stromberger Helge, Tat-Orte. Schau-Plätze. Erinnerungsarbeit an den Stätten national- sozialistischer Gewalt in Klagenfurt. Klagenfurt, Drava Verlag: 2009, S.26. 97 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 114. 98 Gitschtaler Bernhard und Jamritsch Daniel, Das Gailtal unterm Hakenkreuz (2013), S. 61. 99 Wadl Wilhelm, Die „Volksabstimmung“ vom April 1938 in Kärnten (1989), S. 176. 28

Nachmittag jene Personen besuchen, die noch nicht ihre Stimme abgegeben hatten, und diese mit Hilfe von Androhungen an ihre „Pflicht“ erinnern. Zusätzlich waren die Wahlkabinen in den meisten Wahllokalen nur als Dekoration gedacht, denn wer nichts zu verstecken hatte, machte sein Kreuz öffentlich. So konnten auch jene leichter erfasst werden, die gegen den Anschluss stimmten. Mit diesen wurde dann auf unterschiedlichste Weise umgegangen. In Würmlach, einem kleinen Dorf nahe Kötschach-Mauthen in Oberkärnten, wurde beispiels- weiße am Haus einer Familie, die verdächtigt wurde, mit „Nein“ gestimmt zu haben, die Aufschrift „Verräter-Schuft“ angebracht.100 In den darauffolgenden Wochen wurden die ersten Einschnitte im öffentlichen Leben sichtbar. Anton Haderlap, der Onkel der bekannten Schriftstellerin Maja Haderlap, erinnerte sich folgendermaßen an die ersten Tage unter deut- scher Herrschaft: „Als Österreich 1938 von Deutschland okkupiert wurde, verbot er [der Lehrer, Anm. d. Verf.] zuerst das Beten des Vaterunsers. Dann entfernte er die Österreich Karte von der Wand und stellte das Singen der österreichischen Nationalhymne ein.“101 Ab Mai wurde der frühere Gauleiter der illegalen NSDAP in Kärnten von 1934 bis 1938, Hubert Klausner, an die Spitze des Reichsgaues Kärnten gesetzt.102 Eines der Ämter, die für Klausner von großer Wichtigkeit waren, war jenes für Volkstumsfragen. Zum Leiter dieses Gauhaupt- amtes ernannte er den früheren Geschäftsführer des Kärntner Heimatdienstes Alois Maier- Kaibitsch.103

Die Jahre 1938 bis 1940 waren von einer großen Identifikation seitens der Bevölkerung mit dem herrschenden System gekennzeichnet, und als Gründe dafür nennt der österreichische Historiker Wolfgang Neugebauer unter anderem „das Überwinden der Arbeitslosigkeit, und die Erfolge des Blitzkriegs“.104 In der Tat wurde die Arbeitslosigkeit nicht nur überwunden, es kam sogar zu einem Mangel an verfügbaren Arbeitskräften, der durch die Anforderungen der Rüstungsindustrie, die durch die Kriegsvorbereitungen des Deutschen Reiches auf Hochtou- ren lief, bedingt war.105 Zusätzlich fördernd für den Rückhalt des Systems in der Bevölkerung wirkten sich Hilfsmaßnahmen für Mütter, die eine hohe Zahl an Kindern vorweisen konnten und somit das Reich mit potenziellen zukünftigen Soldaten versorgten, aus. Peter Kuchar, ein

100 Gitschtaler Bernhard und Jamritsch Daniel, Das Gailtal unterm Hakenkreuz (2013), S. 61. 101 Haderlap Anton, Graparji. So haben wir gelebt. Erinnerungen eines Kärntner Slowenen an Frieden und Krieg. Klagenfurt, Drava Verlag: 2011, S. 60. 102 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 68. 103 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 22. 104 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 24. Der Begriff Blitzkrieg bezeichnet eine Art der Kriegsführung, die durch überraschendes operatives Handeln einen schnellen Sieg auf dem Schlachtfeld anstrebt. 105 Prilasnig Fabian, Die slowenische Volksgruppe in Kärnten zur Zeit des Nationalsozialismus. Seminararbeit am Institut für Geschichte, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Norderstedt, GRIN Verlag: 2013, S. 6. 29 späterer Partisan, erinnerte sich folgendermaßen an die ersten Jahre im Nationalsozialis- mus:106

Ich bin Sohn eines Zimmermannes und dieser Zimmermann war oft ohne Ar- beit. Er hat wenig, wenig verdient und wir haben sehr, sehr schwer gelebt. Wir mussten eigentlich viele Tage ohne Brot auskommen. Es war eine Krise und als der Hitler gekommen ist, gab es auf einmal Arbeit und das Winterhilfswerk. Die vielen Frauen, die viele Kinder gehabt haben, bekamen Unterstützung. Es war ja eigentlich interessant, bis wir erfahren haben, was der Hitler mit uns vorhat.

Maßnahmen wie diese, sicherten Hitler in den ersten Jahren die Zustimmung der Mehrheit der deutsch- und slowenischsprachigen Bevölkerung Kärntens. Die Führung der katholischen Kirche im ehemaligen Österreich hatte sich ebenfalls wiederholt positiv zum Nationalsozia- lismus geäußert. Ihre Meinung hatte für die traditionell katholisch und konservativ orientier- ten Kärntner SlowenInnen großes Gewicht, weshalb die Zustimmung zum Nationalsozialis- mus weiter anwuchs.107

Die positive Haltung der katholischen Kirche in Österreich zum Nationalsozialismus ist am deutlichsten an der Erklärung vom 18. März 1938 ersichtlich, als die Bischöfe rund um Kardinal Theodor Innitzer eine vom späteren Wiener Gauleiter Bürckel verfasste Erklärung unterschrieben, die deren Zustimmung zum Nationalsozialismus signalisierte.108 Die Maier- klärung, unter diesem Namen wurde die Erklärung bekannt, passierte zwar erst auf erhebli- chen Druck seitens der NSDAP, was aber zur damaligen Zeit entweder nicht bekannt, oder schlichtweg nachrangig war. Zusätzlich zum Wahlaufruf aus Wien zeigte der Fürstbischof der Diözese Gurk, ein gewisser Adam Hefter, sein Wohlwollen dem „Anschluss“ Österreichs an Deutschland und in weiter Folge der Politik des NS-Regimes gegenüber.109 Die in der kirchli- chen Hierarchie weiter untenstehenden Gemeindepfarrer in Kärnten waren sich bezüglich ihrer Haltung zum Nationalsozialismus nicht einig. Während viele ihn befürworteten, gab es auch einige die ihn von vornherein ablehnten. Richtungsweisend für diese Ablehnung war der 21. März, als der Sicherheitsdirektor der Gestapostelle Klagenfurt das fürstbischöfliche

106 In: Logar Ernst, Das Ende der Erinnerung - Kärntner PartisanInnen. Klagenfurt, Drava Verlag: 2011, S. 63. 107 Vgl. Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten (2011), S. 57. Diese traditionell katholische und konservative Orientierung der Kärntner SlowenInnen rührt bis in die Zeit der Gegenreformation zurück, als sowohl der katholische Glaube als auch die Bindung zum Kaiser im Mittelpunkt der Bemühungen der Missionare stand. 108 Till Josef, Die Kärntner Slowenen und die Diözese Gurk-Klagenfurt (2000), S. 101. 109 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt. NS-Justiz und Widerstand in Kärnten. Klagenfurt, Kitab Verlag: 2012, S. 82. 30

Ordinariat aufforderte, zahlreiche Geistliche so schnell wie möglich, also auf jeden Fall noch vor der Volksabstimmung, zu versetzen.110 Die Kirche hatte keine andere Wahl, als dieser Anordnung Folge zu leisten, und versetzte die Pfarrer in andere Gemeinden, die teilweise in anderen Gauen lagen.111 Ein großer Teil der von dieser Versetzungswelle betroffenen Pfarrer stammte aus der zweisprachigen Gegend in Kärnten.

In den folgenden Monaten kam es zwar zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der Beziehungen zwischen Kirche und politischer Führung, aber der Anschluss war ohnehin bereits vollzogen, und die Volksabstimmung bereits bestritten, so dass der Propagandaapparat der NSDAP sich bereits vollkommen entfaltet hatte und auf andere Hilfsmittel als auf die katholische Kirche zurückgreifen konnte, um die Massen zu einer positiven Haltung zum Nationalsozialismus zu bewegen. Die Nationalsozialsten hatten sich von vornherein das Ziel gesetzt, die Macht der Kirche zu schmälern, und mit der Umsetzung dieses Ziels konnten sie nach der Volksabstimmung beginnen. Nach mehreren Begebenheiten, die die Verschlechte- rung der Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den nationalsozialistischen Machthabern andeuteten, kam es im September 1938 zum endgültigen Bruch, als die Bischöfe eine Denkschrift an Hitler verfassten, die eine Beschwerde über die Einschränkung der kirchlichen Arbeit seitens der politischen Führung inkludierte.112 In den folgenden Jahren bis zum Kriegsende wurden in ganz Österreich 724 Priester verhaftet, 15 zum Tode verurteilt, und weiteren 1500 ein Verbot zum Predigen und Lehren auferlegt.113

Die Beziehung zwischen NS-Politik und der slowenischen Minderheit in Kärnten war in den ersten Jahren bis zum Einmarsch in Jugoslawien eine ähnlich zwiespältige wie jene zwischen den Machthabern und der katholischen Kirche. Die NSDAP brauchte die Kärntner SlowenIn- nen nicht nur für ein gutes Ergebnis bei der Volksabstimmung, sondern auch in den Jahren danach war die Behandlung der Minderheit ausschlaggebend für die Qualität der Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und dem SHS-Staat. Andererseits hatte die Kärntner NSDAP

110 Tropper Peter, Bemerkungen zum Weg der katholischen Kirche Kärntens vom März bis September 1938. In: März 1938 in Kärnten. Fallstudien und Dokumente zum Weg in den „Anschluss“, Helmut Rumpler (Hrsg). Klagenfurt, Kärntner Druck- und Verlagsgesellschaft: 1989. S 119-151, hier: S. 148. 111 Tropper Peter, Bemerkungen zum Weg der katholischen Kirche Kärntens vom März bis September 1938 (1989), S. 148f. 112 Till Josef, Die Kärntner Slowenen und die Diözese Gurk-Klagenfurt (2000), S. 99. 113 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 126. 31 bereits ab 1932 die Beseitigung „jedes slowenischen Erbes“ in Kärnten angekündigt.114 So kam es zu einem Spalt zwischen den eigentlichen Zielen der NSDAP und dem öffentlichen Verhalten gegenüber der Volksgruppe, zumindest solange Jugoslawien als Schutzpartner vorhanden war. Einige unterdrückende Maßnahmen wurden dennoch bereits von Beginn an gesetzt. So wurden in den wenigen Tagen nach dem Anschluss einige Intellektuelle und führende Persönlichkeiten der Kärntner SlowenInnen inhaftiert. Verhaftungen wie jene des Pfarrers Vinko Poljanec wurden teilweise als Festnahmen politischer Gegner getarnt, sollten jedoch gezielt die Kärntner SlowenInnen einschüchtern und gleichbedeutend damit ihre Assimilationsbereitschaft erhöhen.115 Die zwiespältige Beziehung war auch im ersten Treffen zwischen Joško Tišler und Franc Petek, den offiziellen Vertretern der slowenischen Minder- heit, mit dem Kärntner Landeshauptmann Wladimir Pawlowski und seinem Berater Alois Maier-Kaibitsch ersichtlich. Das Treffen fand am 17. März statt, und während Pawlowski immer wieder die wirtschaftlichen Vorteile betonte, die sich durch einen Anschluss Kärntens an das Deutsche Reich für die slowenische Minderheit ergeben würden, wies er die beiden Vertreter zugleich an, die Kontakte mit Jugoslawien zu unterbinden und diese in Zukunft der Führung des Landes zu überlassen.116

Der heimlich ausgeübte Druck der Nazis auf die Kärntner SlowenInnen sollte sich vor der Volksabstimmung noch weiter steigern. VertreterInnen, die versuchten, für vertriebene Geistliche oder inhaftierte SlowenInnen zu intervenieren, wurde deutlich gemacht, dass eine Rückkehr beziehungsweise Freilassung nicht vor der Volksabstimmung passiere und danach sei sie davon abhängig, wie sich die Kärntner SlowenInnen bei der Volksabstimmung ent- schieden hätten. Beim „Treffen der Vertrauensleute der slowenischen Organisationen“ am 24. März wurde daher einstimmig beschlossen, dass die Volksgruppe für den Anschluss stimmen würde.117 Einer dieser Vertrauensleute war Franc Resman, der die Situation vor der Wahl in seiner Autobiographie wie folgt beschreibt:118

Aber nach allem, was in den letzten Tagen geschehen war und geredet wurde, fühlten wir, dass die Nazis den ersten Schlag gegen uns Slowenen führen wer- den, deshalb hatten wir allen empfohlen, öffentlich mit „Ja“ zu stimmen, denn

114 Malle Augustin, Der Widerstand der Kärntner Slowenen im historischen Gedächtnis. In: Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus in Alpen-Adria-Raum, Entner Brigitte et al. (Hrsg). Klagenfurt, Drava Verlag: 2011. S. 65-83, hier: S. 67. 115 Danglmaier Nadja und Stromberger Helge, Tat-Orte. Schau-Plätze (2009), S.89. 116 Prilasnig Fabian, Die slowenische Volksgruppe in Kärnten zur Zeit des Nationalsozialismus (2013), S. 5. 117 Bahovec Tina, Die Kärntner Slovenen 1930-1941 (2000), S. 257. 118 Resman Franc, Eine slowenische Chronik aus Kärnten 1914-1945 (2014), S.160. 32

bei Gegenstimmen würden wir zuerst die Macht der neuen Herrscher zu spüren bekommen.

Bei der Wahl hatten die Kärntner SlowenInnen also zwischen drei Alternativen zu wählen. Sie konnten für den Anschluss stimmen, ungültig beziehungsweise mit „Nein“ stimmen oder der Wahl fern bleiben. Sie hatten aber zu befürchten, dass jede andere Option außer der Zustimmung zum „Anschluss“ mit unmittelbaren Konsequenzen verbunden war. Zusätzlich zu dieser Erpressung hatte der Landeshauptmann bei einer Kundgebung in St. Jakob im Rosental am 7. April versprochen, dass die „kulturelle Eigenart der Kärntner Slowenen“ im Dritten Reich besser geschützt werden würde, als dies im Ständestaat der Fall war.119 Neben- bei spielten aber auch die Aussichten auf eine mögliche Besserung der wirtschaftlichen Lage eine entscheidende Rolle. Viele Personen, die der Politik des Regimes zustimmten, taten dies nicht nur aus Angst vor Unterdrückung, sondern weil die Hoffnung auf ökonomische Besse- rung so groß war, dass sie in manchen Fällen sogar das Zugehörigkeitsgefühl zur Minderheit überstrahlte.120 Gemeinsam mit den leeren Versprechungen und den Erpressungen erklärt sich so die hohe Zustimmung zum Nationalsozialismus unter den Kärntner SlowenInnen, die nötig war um die über 99 prozentige Befürwortung des „Anschlusses“ in gesamten Gau Kärnten zu erreichen.121

Eines der ersten Felder, auf das die Nationalsozialisten nach der Volksabstimmung ihr Au- genmerk legten, war jenes der Erziehung und Ausbildung. Noch im selben Jahr verschwand durch den sogenannten Deutschzwang der slowenische Unterreicht, der bis zu diesem Zeit- punkt ohnehin nur mehr noch in den niedrigsten Schulstufen stattgefunden hatte, aus den Schulen.122 Diese Maßnahme ging der NSDAP aber noch nicht weit genug, und andere Ideen kamen auf, um die Germanisierung noch schneller voranzutreiben. Das Resultat dieser Ideen waren sogenannte Erntekindergärten, die durch ihre noch zeitigere Einführung der deutschen Sprache unter den slowenischsprachigen Kindern, den Eindeutschungsdruck noch verstärk- ten.123 Nachdem sich die ersten Maßnahmen im öffentlichen Bereich festgesetzt hatten, ging die Germanisierungspolitik in Kärnten dazu über, dass sie auch in den privaten Haushalt eindrang. Noch vor Kriegsbeginn wurden Schilder verteilt, die dies bewerkstelligen sollten. Anton Haderlap schrieb dazu: „Über unserer Haustüre mussten die Eltern ein Schild mit der

119 Bahovec Tina, Die Kärntner Slovenen 1930-1941 (2000), S. 256. 120 Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 - 1945. In: Kärntner Slovenen Koroski Slovenci 1900-2000, Andreas Moritsch (Hrsg). Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 2000. S. 263-280, hier: S. 273. 121 Gitschtaler Bernhard und Jamritsch Daniel, Das Gailtal unterm Hakenkreuz (2013), S. 61. 122 Gitschtaler Bernhard und Jamritsch Daniel, Das Gailtal unterm Hakenkreuz (2013), S. 65. 123 In: Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011), S. 9. 33

Aufschrift anbringen: Kärntner, sprich Deutsch. Die Sprache ist Ausdruck deiner Gesin- nung.“124 Dass dieses Zitat, das schon vor der Zeit des Nationalsozialismus geschaffen wurde, tatsächlich sehr präsent war, zeigt auch eine Textstelle bei Andrej Kokot: „[…] dass man die Sprache, die mir die Mutter in die Wiege gelegt hatte, verboten und den Leuten befohlen hatte: Kärntner, sprich deutsch!“125

Mancherorts blieb die Veränderung nicht nur auf die Außenseite des Hauses beschränkt, sondern fand auch in den Räumlichkeiten statt. Oft waren es jene Kärntner SlowenInnen, die als wenig zugetan der nationalsozialistischen Politik gegenüber galten, die unter regelmäßiger Kontrolle gezwungen wurden, ein Bild des Führers aufzuhängen. Helena Kuchar war eine dieser Personen und sie beschrieb die Veränderung in den eigenen vier Wänden recht nüch- tern: „Im Zimmer, dort wo früher das Kreuz war, hing jetzt ein Hitlerbild.“126 Offizielle Organisationen wie der slowenische Kulturverband oder die slowenischsprachige Zeitung wurden zwar mit Auflagen belegt, durften jedoch bis zum Jahr 1941 bestehen.

1939 fand ein Ereignis statt, welches für die Minderheitenpolitik der Nationalsozialisten gegenüber der slowenischen Minderheit in Kärnten vor allem für die Zeit nach 1942 große Bedeutung hatte. Eine Volkszählung wurde durchgeführt, bei der zusätzlich zur Mutterspra- che, neben der slowenischen und der deutschen stand auch erstmals die windische zur Aus- wahl, auch nach der Volkszugehörigkeit gefragt wurde.127 Das Ergebnis der Volkszählung offenbarte 21.701 Personen mit slowenischer, und 21.478 Personen mit windischer Mutter- sprache, aber nur knapp 8.000 Personen, die sich zur slowenischen Volkszugehörigkeit bekannt hatten.128 Damit wurde die Minderheit in Kärnten von der NSDAP gespalten, und zwar in jene 8.000, die als nationalbewusste Slowenen eingestuft wurden, und somit als nicht eindeutschungsfähig galten, und den Rest, der unter Umständen zur Assimilation gebracht werden konnte. Bei der Deportation von über 200 Familien im April 1942 waren die Ergeb- nisse der Volkszählung von entscheidendem Wert, da sie für die Auswahl der Auszusiedeln- den herangezogen wurden.

124 Haderlap Anton, Graparji (2011), S. 66. 125 Kokot Andrej, Das Kind, das ich war. Erinnerungen an die Vertreibung der Slowenen aus Kärnten. Kla- genfurt, Drava Verlag: 1999, S. 9. 126 In: Busch Thomas, Jelka (2009), S. 24. 127 Zupančič Jernej, "Socialgeographic Transformation and National Identity - the Case of the Slovene Minority in Carinthia (Austria)." In: GeoJournal, Vol. 30, Nr. 3 (Juli 1993). Springer. S. 231-234, hier: S. 232. Bei der Volkszugehörigkeit konnten die Personen im Gegensatz zur Muttersprachen nur zwischen Deutsch und Slowe- nisch wählen. 128 Moritsch Andreas, Nationale Ideologien in Kärnten (2000), S. 26. 34

Der SHS-Staat trat zwar öffentlich als Schutzmacht für die Kärntner SlowenInnen auf, tat- sächlich reagierte er aber bereits zu Beginn sehr zurückhaltend auf die politischen Gescheh- nisse in Österreich. Dem Ministerpräsidenten Stojadinović war durchaus bewusst, dass von Seiten Jugoslawiens kein Einspruch gegen den „Anschluss“ erhoben werden konnte, denn die Mehrheit der ÖsterreicherInnen gehörte der deutschen Volksgruppe an, und somit folgte der Anschluss nur „gemäß den Prinzipien der Nationalität, auf dem auch unser [das jugoslawi- sche, Anm. d. Verf.] Staatswesen fußt.“129 Weiters gab er zu bedenken, dass es nicht möglich wäre ein Plebiszit über den Anschluss der Kärntner SlowenInnen zum Königreich zu verlan- gen, da sonst die Deutschen ähnliches für ihre Minderheit in Jugoslawien verlangen könnten. Seine Haltung repräsentierte aber nicht die sämtlicher JugoslawInnen. In Slowenien wurde gegen den Anschluss demonstriert, auch weil man fürchtete, dass dies nur der erste Schritt der deutschen Annexionsbewegungen sei, und die nördliche Adriaregion das nächste Ziel der Expansionspolitik des Deutschen Reiches werden könnte.130 Dass diese Vermutung nicht unbedingt falsch war, sollte sich wenige Jahre später zeigen.

2.2. Die frühen Formen des Widerstands

Die slowenische Volksgruppe in Kärnten hoffte anfänglich von den neuen nationalsozialisti- schen Machthabern akzeptiert oder zumindest toleriert zu werden. Zusätzlich führte die scheinbare Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zu einer hohen Identifikation der Bevölke- rung mit dem Regime. Trotz dieser Voraussetzungen erkannten einige Menschen das Übel des Nationalsozialismus und begannen sich den Machthabern zu widersetzen. Der Widerstand basierte in dieser frühen Phase im Wesentlichen auf Gruppen zweier Kategorien. Die erste Kategorie formten jene Organisationen, egal ob religiös oder politisch motiviert, die in grund- sätzlicher Opposition zum Nationalsozialismus oder rechter Politik standen. Die zweite Gruppe bestand hauptsächlich aus Einzelpersonen, die sich aufgrund ihrer persönlichen Überzeugung gegen den Nationalsozialismus stellten, oder erst durch die von den Nationalso- zialisten verübten Verbrechen eine Abneigung gegen das politische System entwickelten. AkteurInnen beider Gruppen betrieben in diesen ersten Jahren sowohl zivilen, als auch politi- schen Widerstand. Zur Form des bewaffneten Widerstandes kam es in dieser Phase nur in sehr seltenen Fällen.

129 Der jugoslawische Ministerpräsident zitiert in: Suppan Arnold, Die Haltung des Königreiches Jugoslawien zum "Anschluss". In: März 1938 in Kärnten. Fallstudien und Dokumente zum Weg in den „Anschluss“, Helmut Rumpler (Hrsg). Klagenfurt, Kärntner Druck- und Verlagsgesellschaft: 1989. S. 97-118, hier: S. 113. 130 Suppan Arnold, Die Haltung des Königreiches Jugoslawien zum „Anschluss“ (1989), S. 115. 35

Der vermutlich wichtigste Akteur der ersten Kategorie, jener der Organisationen, war die KPÖ, die am 12.März 1938 in der ersten Erklärung zum „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Österreichs forderte.131 Diese Forderung wurde aus dem Prager Exil gestellt. Die KPÖ war bekanntermaßen in Kärnten keine starke politische Kraft, ihre geringen Wahlerfolge wurden bereits in Kapitel 1 darge- stellt, dennoch ist diese passive Aufforderung zum Widerstand, wie die Erklärung von einigen verstanden wurde, nicht zu unterschätzen. Die KPÖ beziehungsweise ihre Anhängerschaft war nämlich bereits zur Zeit des Ständestaates gewachsen, da sie aktiver als sozialistische Bewegungen im Widerstand vertreten war. Viele, die bis 1934 sozialdemokratische oder sozialistische Tendenzen vertreten hatten, schwenkten nun zwar nicht gänzlich auf kommu- nistische um, jedoch unterstützten sie den kommunistischen Widerstand, da es in manchen Fällen oft die einzige Art von Widerstand war.132 Zusätzlich hatte die KPÖ in den vergange- nen Jahren gerade im Umfeld der städtischen ArbeiterInnen versucht, ihre Anhängerschaft zu vergrößern. Dies ging zwar nur sehr schleppend voran, in manchen Fällen, wie zum Beispiel in jenem der Eisenbahngesellschaft, konnten jedoch AnhängerInnen gefunden werden. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass einer der ersten Widerstandskämpfer, die vom Verfassungsgerichthof zum Tode verurteilt wurden, der Klagenfurter Kommunist Kilian Schauss war. Er hatte 1939 versucht, KP-Zellen und Kontakte in der späteren Landeshaupt- stadt auszubauen.133 Auch in Gerichtsbezirken wie Bleiburg und Bad Eisenkappel, die bei der Volksabstimmung einen „signifikant hohen Anteil an Nein-Stimmen“ zu verzeichnen hatten, dürften kommunistische Organisationen mit ihren wenigen AnhängerInnen in diesem Gebiet, ihre Ablehnung des Systems zum Ausdruck gebracht haben.134

Offene Demonstrationen gegen den Nationalsozialismus fanden nicht statt oder wurden unterdrückt. Einzige Ausnahme bildete hier die Industriegemeinde Dellach im Drautal. Nach dem Anschluss am 12. und 13. März wurden offene politische GegnerInnen des Nationalsozi- alismus nicht selten verhaftet und weggesperrt. Der lokale Vertrauensmann der Holzstofffab-

131 Neugebauer Wolfgang, Der Österreichsiche Widerstand 1938-1945. In: Opferschicksale. Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus, Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (Hrsg). Wien: DÖW, 2013, S. 243. 132 Vgl. Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 200. 133 Pirker Peter, Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens. In: Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus in Alpen-Adria-Raum, Entner Brigitte et al. (Hrsg). Klagenfurt, Drava Verlag: 2011. S. 97-116, hier: S. 105. 134 Vgl. Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 – 1945 (2000), S. 273. Der sogenannte signifikant hohe Anteil, von dem hier gesprochen wird, muss in die Relation des Gesamtergebnisses der Volksabstimmung von 1938 eingebettet werden. Während bei heutigen Wahlen, speziell bei jenen, die tatsächlich als demokratische Wahlen abgehalten werden, ein Anteil von knapp 2% der abgegebenen Stimmen sicherlich kein signifikant hoher Anteil ist, so war er es 1938 und unter den gegebenen Voraussetzungen sehr wohl. 36 riken, Johann Türk, war bekannt für seine positive Haltung gegenüber der ehemaligen christ- lich-sozialen Partei und einige Wortgefechte, die er sich bereits vor dem „Anschluss“ mit den damals noch illegalen NationalsozialistInnen geliefert hatte. Als er kurz vor der Volksab- stimmung über den „Anschluss“ eingesperrt wurde, demonstrierten die ArbeiterInnen der Holzstofffabriken und des Schotterwerks für seine Freilassung, die auch tatsächlich erwirkt wurde.135 Bei diesem Beispiel handelt es sich zwar nicht direkt um einen Widerstand gegen den Nationalsozialismus an sich, aber dennoch um Widerstand gegen eine politische Hand- lung der Nationalsozialisten, nämlich die Verhaftung Johann Türks.

Mehrere Fälle von Widerstand konnten in dieser frühen Phase jedoch von Einzelpersonen ermessen werden, und ein beliebtes Betätigungsfeld für sowohl aktiven als auch passiven Widerstand war das Heer. Als am 14.3.1938 die Vereidigung auf die neuen Machthaber von statten ging, wurden antinazistisch eingestellte Offiziere entfernt.136 Einige wenige Soldaten verweigerten aber von sich aus die Übernahme in die Reichswehr. Von Kärntner Seite aus als prominentes Beispiel in diesem Zusammenhang ist Franz Najemnik anzuführen, der den Eid auf Adolf Hitler verweigerte und daraufhin entlassen wurde. Er selbst erinnert sich an den Tag, an dem die Soldaten seiner Einheit in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen wurden, um ihre Zustimmung zur Übernahme abzugeben, wie folgt:137

Und jetzt das N, Najemnik, und mir war, als riefe nicht ich selbst, sondern ein anderer in mir NEIN, und sogleich war es vollkommen still im Saal. So still kann es wohl nur auf dem Mond sein. Darauf der Sprecher laut: „Noch einmal: Najemnik!“ und ich: „NEIN“.

Nach seiner Entlassung in Klagenfurt wurde Najemnik in Villach bei der staatlichen Eisen- bahn aufgenommen und sollte sich bis zum Kriegsende immer wieder an widerständischen Aktionen gegen das Regime beteiligen.

Die Ablehnung der Übernahme war aber nicht die einzige Form des Widerstandes unter den Soldaten. Einige, bei denen sich die ursprüngliche Zustimmung erst im Laufe der nächsten Monate in Ablehnung verwandeln sollte, oder die erst nach dem Anschluss ihren Einberu- fungsbefehl erhielten, desertierten einfach. Alleine die Wehrpflichtigen aus den Ortschaften Zell Pfarre, Ebriach und Bad Eisenkappel, die im Laufe der folgenden Jahre zu kleineren

135 Pirker Peter, Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens (2011), S. 98. 136 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 55. 137 Najemnik Franz, Erinnerungen an den Widerstand gegen das NS-Regime in Kärnten (2012), S. 20. 37

Zentren des bewaffneten Widerstandes anwachsen sollten, waren in den Jahren 1938 und 1939 für die Zahl von über 200 Deserteuren verantwortlich.138 Die Zahl 200 ist nicht nur deshalb erstaunlich, weil die Orte zusammengenommen ohnehin nur wenige tausend Einwoh- nerInnen hatten, sondern auch wegen der bekannten Härte mit der gegen Deserteure vorge- gangen wurde. Bis zum Kriegsende sollten die Nazis nämlich bis zu 1400 Deserteure auf dem Gebiet des ehemaligen Österreichs hinrichten.139 Die genannten Ortschaften befinden sich alle im gemischtsprachigen Gebiet Kärntens nahe der Grenze zum ehemaligen Jugoslawien. Diese Lage nutzten die Deserteure aus und flüchteten in großer Zahl über die sogenannte grüne Grenze. Als das Dritte Reich im April 1941 auch Jugoslawien besetzten sollte, kamen die Deserteure durch die Wälder wieder zurück nach Kärnten und liesen sich dort von ihren Verwandten und Bekannten heimlich mit dem Nötigsten versorgen. Einige der Deserteure entschlossen sich aber dazu, dem beginnenden kommunistischen Widerstand in Jugoslawien beizutreten, und sollten erst in den Jahren 1942 und 1943 nach Kärnten zurückkehren, und dies teilweise in führenden Positionen innerhalb der Volksbefreiungsarmee, der Osvobodilna Fronta.

Außerhalb des zweisprachigen Gebietes war die Zahl der Deserteure deutlich geringer und daher auch die Formen des Widerstandes andere. Der Auslandsgeheimdienst der Briten schätzte um 1940, dass circa ein Drittel der österreichischen Bevölkerung von den nationalso- zialistischen Ideen restlos überzeugt war, während sich die restlichen zwei Drittel aus Perso- nen die zumindest Teilaspekte der Politik mitvertraten, Personen die die Politik tolerierten, und jenen die ideell opponierten, zusammensetzten.140 Dem Auslandsgeheimdienst war jedoch bewusst, dass das Regime mit Hilfe des einen zustimmenden Drittels der Bevölkerung in Kombination mit dem Polizeiapparat die anderen Teile der Bevölkerung ohnehin in Passi- vität halten konnte. Diese Einschätzung erwies sich auch größtenteils als korrekt. Im Gailtal, wo die Bevölkerung als dominant ländlich und katholisch beschrieben werden kann, be- schränkte sich der Protest der Bevölkerung, sofern er überhaupt vorhanden war, auf passiven Ungehorsam und Zurückhaltung.141 Die Ausnahme bildeten auch hier fast ausschließlich Einzelpersonen, die aber aufgrund der fehlenden städtischen Strukturen in diesem Raum nicht aus dem kommunistischen, sondern aus dem christlich-konservativen Lager kamen. Ein

138 Baum Wilhelm (Hrsg), Wie ein im Käfig eingesperrter Vogel. Das Tagebuch des Thomas Paul. Klagenfurt, Kitab Verlag: 2013 , S. 94. 139 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 207. 140 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“. Sabotage und transnationaler Widerstand in Österreich und Slowenien 1938 - 1941. Klagenfurt, Kitab Verlag: 2010, S. 82. 141 Gitschtaler Bernhard und Jamritsch Daniel, Das Gailtal unterm Hakenkreuz (2013), S. 25. 38

Beispiel dafür ist der katholische Priester Anton Kutej. Kutej bekannte sich offen zu seiner slowenischen Identität, und gab unter der Kategorie Fremdsprachenkenntnisse in offiziellen Dokumenten wie dem Wehrpass, den er nicht unterzeichnen wollte, Deutsch an.142 Erzürnte seine Haltung bezüglich seiner slowenischen Identität einige Gemüter, so war es seine Weige- rung in den Wehrdienst einzutreten, die schlussendlich zu seiner Verhaftung führte. Er hatte nämlich angegeben, dass er aus religiösen Gründen nicht der Wehrmacht beitreten könne.143 Nach seiner Verhaftung wurde er 1940 ins Konzentrationslager in Dachau verlegt, wo er 1941 verstarb.

Als weiteres Beispiel für den Widerstand von christlich-konservativer Seite dient Dr. Otto Schuster, ebenfalls ein katholischer Pfarrer, der bereits im Jahr 1939 versuchte, die Bevölke- rung bezüglich der Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes aufzuklären. Er tat dies im Rahmen seiner Predigten, was ihm schlussendlich zum Verhängnis wurde, denn der Paragraph 130 des NS-Strafrechts verbot Geistlichen aller Religionen eine Stellungnahme zu politischen Angelegenheiten während sie ihr Amt ausübten, weshalb Schuster im September 1939 verhaftet werden konnte.144

Auch Intellektuelle wie Walter Tollinger, ein Künstler und Fotograf, waren unter den frühen Widerständigen zu finden. Tollinger hatte nach dem Kriegsbeginn erklärt, dass der Überfall auf Polen von deutscher Seite aus eine „Schweinerei“ sei, und dass Hitler ein „Lump und Verbrecher“ ist.145 Nachdem er dies aber nicht im privaten Rahmen verkündet hatte, sondern in einer Klagenfurter Bar, wurde er von der Gestapo verhaftet. Er kam zwar wieder auf freien Fuß, sollte im Laufe des Krieges aber noch mehrere Male verhaftet, und schlussendlich 1944 sogar hingerichtet werden. Unter der restlichen Bevölkerung hatte der Kriegsbeginn keinen breiten Widerstand zur Folge. Franz Najemnik schrieb über den Angriff auf Polen:146

Wir haben selbst gesehen, wie es gemacht wurde, und der Angreifer hat es auch gar nicht geleugnet, sondern bejubelt. Ein bei den Haaren herbeigezoge- ner, fadenscheiniger Vorwand war zwar inszeniert an der polnischen Grenze, aber nicht nötig gewesen. Man marschierte einfach ein. Fertig. Basta! Den Vorwand, die Argumente dafür, die hatten ebenso eindeutig die Sieger des 1.Weltkriegs geliefert mit ihrer maß- und verständnislosen Beutegier.

142 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 133. 143 Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten (2011), S. 60. 144 Gitschtaler Bernhard und Jamritsch Daniel, Das Gailtal unterm Hakenkreuz (2013), S. 128. 145 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 136. 146 Najemnik Franz, Erinnerungen an den Widerstand gegen das NS-Regime in Kärnten (2012), S. 61. 39

Der Zufall sollte es so wollen, dass Najemnik, nachdem er als Soldat entlassen wurde, gerade bei der Eisenbahndirektion Villach eine Stelle fand und damit in direktem Kontakt mit den kommunistisch orientierten Eisenbahnern stand, die Ende des Jahres 1939 zum aktiven Widerstand schritten.

Einige Eisenbahner, die im Zuständigkeitsbereich der Reichsbahndirektion Villach arbeiteten, hatten sich bereits von Anfang an in der sogenannten Roten Hilfe engagiert. Die rote Hilfe war eine, zur Zeit des Nationalsozialismus verbotene Hilfsorganisation, die versuchte, mit Hilfe von Spendengeldern in Not geratene Familien, hauptsächlich jene die aus politischen Gründen vom Regime verfolgt wurden, zu unterstützen.147 Diese Form des zivilen Widerstan- des betrachteten die Villacher Eisenbahner jedoch als nicht ausreichend, zumal sie nicht darauf abzielte, die Nationalsozialisten zu schwächen. Deshalb beschlossen sie in jenem Bereich Widerstand zu leisten, der für sie am leichtesten zugänglich war nämlich beim Eisen- bahnverkehr. Sie versuchten gezielt Güterwagons zu manipulieren. Dies taten sie anfänglich durch Sabotageakte, die nicht leicht zu entdecken waren, sondern auch als natürliche Abnüt- zungserscheinungen der Züge interpretiert werden konnten. So wurden Kopplungsgelenke falsch oder schlecht geschmiert, Güterwagons wurden angebohrt, so dass sie ihre Ladung kontinuierlich auf der Zugstrecke verteilten, oder Schmierkapseln wurden platziert, welche erst nach Stunden oder Tagen ihre zerstörerische Wirkung entfalteten.148 Im Sommer 1940 stellte das Reichssicherheitshauptamt, nachdem es die zahlreichen Unfälle untersucht hatte, dennoch mehrere Fälle von „Sabotage von rollendem Material“ fest.149

Die Eisenbahner begnügten sich nicht mit der Sabotage von Frachtlieferungen sondern ver- suchten, kommunistische Ideen zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu verbrei- ten. Über private Personen wurden Flugzettel gedruckt, die in Villach verteilt wurden. Josef Peskoller, einer jener Angestellten die hauptverantwortlich für die Erstellung und Verbreitung dieser Flugschriften waren, hatte sich bereits vor 1938 in der kommunistischen Partei enga- giert und war Ideen zum widerständischem Verhalten gegenüber, von welcher Stelle sie auch immer an ihn herangetragen wurden, nicht abgeneigt. Allerdings war er auch einer der ersten Aktivisten, die verhaftet wurden, und so inkludierten die Vorwürfe seitens des NS- Justizsystems nach seiner ersten Verhaftung im Juni 1940 eine Anklage wegen „Vorbereitung

147 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 40. 148 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 151f. 149 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 180. 40 hochverräterischer Unternehmen“ und „Beeinflussung der Massen“.150 Aufgrund seiner zeitlich frühen Verhaftung entging er jedoch der groß angelegten Untersuchung gegen die Villacher Eisenbahner, die wenige Monate später zu härteren Verurteilungen für die Ange- klagten führte. Peskoller blieb aber im Fokus der Strafverfolgung, und so wurde er nach Absitzen seiner ersten Haftstrafe von knapp zwei Jahren noch mehrere Male verhaftet. Im Gegensatz zu seiner Frau, erlebte er das Kriegsende aber.

Die Eisenbahner hatten, bevor sie aufflogen, die Möglichkeit mit einer antifaschistischen Gruppe aus Italien, der TIGR (ein Synonym für die Orte Trst, Istra, Gorica, Rijeka) zusam- menzuarbeiten, lehnten dies aber ab.151 Unter anderem auch deshalb, weil die TIGR eher als konservative denn als kommunistische Gruppe galt. Über die Mittelsmänner Gregor Gabriel und Karl Lepuschitz hatten sie allerdings Kontakt zu jugoslawischen Eisenbahnern. Wie weit diese Kontakte reichten, ist nicht vollständig bekannt.152

Die TIGR sollte inzwischen dennoch ihren Weg nach Österreich finden. Die in den 1920er Jahren gegründete Organisation führte einen Kampf gegen die Italienisierungspolitik des faschistischen Italien auf dem Gebiet der ehemaligen österreichischen Küstenlandschaft, welches zwar an Italien gefallen war, ähnlich wie Südkärnten aber eine große Minderheit an slowenischsprachigen BürgerInnen hatte.153 Aufgrund ihrer Mitglieder, welche eben durch- wegs Slowenisch sprachen, hatte die Organisation seit ihrer Entstehung immer über Kontakte nach Jugoslawien verfügt. Auch Kontakte zu jugoslawischen KommunistInnen existierten, blieben jedoch auf einem sehr oberflächlichen Niveau, da sich die TIGR nicht als kommunis- tische Gruppe definierte. Dennoch erlaubten diese Kontakte, dass sich ehemalige Mitglieder, der zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelösten TIGR Organisation, 1941 den Partisanen um Tito anschlossen. Ihre ersten Kontakte nach Österreich knüpften sie über dieselben Personen, über die die Villacher Eisenbahner Kontakt zu ihren jugoslawischen Kollegen gesucht hatten: Karl Lepuschitz und Gregor Gabriel.154 Beide waren Bauern aus dem Raum Rosenbach, einem Ort an der Grenze zu Jugoslawien mit dazugehörigem Grenzbahnhof. Einige Deserteure, die nach Jugoslawien geflüchtet waren, hatten vermutlich in unmittelbarer Nähe zur Ortschaft die Grenze überquert, und dürften dabei auch in Kontakt mit den zwei Bauern gekommen sein,

150 Baum Wilhelm (Hrsg.), Auf Wiedersehen über den Sternen! Briefe aus Widerstand und Verfolgung unter dem NS-Regime in Kärnten. Klagenfurt, Kitab Verlag: 2012, S. 41. 151 Pirker Peter, Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens (2011), S. 104. 152 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 30f. 153 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 200. 154 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 76. 41 die widerständischem Verhalten gegenüber nicht abgeneigt gewesen waren. Dies zeigt sowohl ihre Vermittlerrolle bei den Eisenbahnern, als auch ihre Rolle im Fall eines gewissen Alois Knes, den sie an die TIGR vermittelten.

Alois Knes, der Deutsch und Slowenisch sprach, wurde in Maria Gail geboren. Als er im Jahre 1939 zur Wehrmacht einberufen wurde, entschloss er sich, zu desertieren.155 Um sich der Strafverfolgung zu entziehen, flüchtete er nahe dem bereits angesprochenen Bahnhof nach Jugoslawien. Er versteckte sich dort allerdings nicht einfach nur, sondern fungierte als eine Art Kontaktmann zwischen Jugoslawien und Kärnten, denn er kehrte immer wieder kurzzeitig nach Kärnten zurück und brachte Nachrichten von den Geschehnissen und anderen Deserteu- ren aus Jugoslawien. Als er dann in Kontakt mit der TIGR Organisation kam, wollte er deren Sabotageaktivitäten auf Kärnten ausweiten und suchte aus diesem Grund erneut Kontakt zu seinem familiären Umfeld und weiteren Personen in Maria Gail.156 Die Maria Gailer Gruppe, die sehr eng mit der TIGR zusammenarbeitete, war geboren. Im April und Juni 1940 brachte Knes mehrmals Sprengstoff von Slowenien nach Kärnten. Den Sprengstoff hatte die TIGR auch dem britischen Auslandsgeheimdienst SIS zu verdanken, der mit antifaschistischen Widerstandsgruppen in den faschistisch geführten Ländern in Kontakt trat und so versuchte, den Widerstand zu mobilisieren.157

Die TIGR hatte für die Operationen in Kärnten ein ganz bestimmtes Ziel vor Augen, nämlich die Sabotage der Südbahnstrecke. Auf dieser Verbindung, die von Judenburg über Villach nach Trieste verlief und der Reichsbahndirektion Villach unterstellt war, wurde deutsche Kohle nach Italien geliefert. Diese Lieferungen versuchte die TIGR nun zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen.158 Deshalb wurden im Frühsommer 1940 insgesamt vier Sabota- geaktionen an der Südbahnstrecke durchgeführt. Es handelte sich dabei um drei Sprengungen der Strecke kurz vor Judenburg und eine Sabotageaktion in der Nähe von Tarvisio.159 Weitere Anschläge wurden geplant, konnten aber nicht mehr durchgeführt werden. Die Maria Gailer Gruppe und ihre Kontakte zur TIGR waren zwar zahlenmäßig in kurzer Zeit relativ stark gewachsen, und beinhalteten sowohl deutsch- als auch slowenischsprachige Personen aus verschiedenen Teilen Kärntens, allerdings ermöglichte diese Ausdehnung das Einschleusen eines Gestapo-Spitzels. Der Abwehrstelle in Klagenfurt war es gelungen, den Verbindungs-

155 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 31. 156 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 16. 157 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 164. 158 Pirker Peter, Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens (2011), S. 104. 159 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 76. 42 mann Alexander Herbst in der Verbindung unterzubringen.160 Die damit verbundene Aufde- ckung zerstörte nicht nur die Maria Gailer Truppe vollständig, sondern bedeutete gleichzeitig den Anfang vom Ende für die TIGR Organisation, denn insgesamt 37 Personen wurden im Zusammenhang mit den Anschlägen von Judenburg verdächtigt und schlussendlich ange- klagt.161 Da die Eisenbahn als kriegswichtig eingestuft wurde, landeten 14 der Angeklagten nicht vor dem Volksgerichtshof, sondern sogar vor dem noch höher gestellten Reichskriegs- gericht. Damit war es bis zu diesem Zeitpunkt im Juni 1941 der größte Reichskriegsgerichts- prozess im ehemaligen Österreich. Sechs der 14 Angeklagten wurden vom Senatspräsident Karl Schmauser zum Tode verurteilt und hingerichtet.162

Alois Knes hatte sich der Verhaftung mit Glück entziehen können, sein Vater, seine Mutter und seine Schwester, die alle Teil der Maria Gailer Gruppe waren, hatten jedoch nicht so viel Glück. Sein Vater Franz Knes, der seit 1920 Mitglied der sozialistischen Partei gewesen war, war einer der sechs, die vor dem RKG zum Tode verurteilt wurden. Ihm wurde zur Last geworfen, dass er nicht nur Informationsmaterial verbreitet hatte, sondern dass er „von seinem Sohn Sprengstoff übernommen, und dies nicht gemeldet hatte.“163 Kurz bevor er am 4. No- vember 1941 hingerichtet wurde, schrieb er in seinem Abschiedsbrief an die Familie: „Ich bitte Euch zum letzten Mal, bitte vergesst mich nicht und wofür ich sterben musste, wir sehen uns wieder in Gottes Reich.“164 Auch Alois Schwester Ana wurde der aktiven Teilnahme an der Vorbereitung zum Hochverrat beschuldigt. Ihr Urteil fiel allerdings milder aus, da der Richter der Ansicht war, dass die junge Frau unter „starkem Einfluss ihres gewalttätigen Bruders“ gestanden sei, der sie zu den Taten verführt hätte.165

Die restlichen 23 Personen, die nicht vom RKG verurteilt wurden, wurden vom Volksge- richtshof und dem Oberlandesgerichtshof in Wien angeklagt, wo sie Strafen unterschiedlichen Ausmaßes erhielten.166 Immer wieder wurden sie im Laufe der Prozesse als KommunistInnen denunziert. Die Kommunisten waren generell bevorzugte Verfolgungsopfer des NS- Justizsystems, allerdings begann mit diesem Fall ein kleiner Trend in Österreich und speziell in Kärnten, durch den die NS-Propaganda jede Form von widerständischem Verhalten als

160 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 176. 161 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 34. 162 Pirker Peter, Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens (2011), S. 105. 163 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 77. 164 Eine deutsche Version des Abschiedsbriefes ist zu finden in: Baum Wilhelm (Hrsg.), Auf Wiedersehen über den Sternen! (2012), S. 34. 165 Entner Brigitte, „Komm, miß dich mit uns, in die Wälder dich trau!“ (2013), S. 35. 166 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 226. 43 kommunistisch inspiriert darstellte, egal aus welcher politischen Richtung es kam. Dieser Trend entstand aus der allgemeinen Kriegslage, denn der Überfall auf die Sowjetunion hatte bereits begonnen, und die Propaganda des Nationalsozialismus stellte den Kommunismus als den neuen Erzfeind dar. Da kam eine offensichtliche Bedrohung der „Heimatfront“ durch kommunistische Attentäter gerade recht.

Ob Alois Knes von der Hinrichtung seines Vaters noch vor Kriegsende erfahren hatte, ist ungewiss. Er flüchtete nach Jugoslawien und von dort mit britischer Hilfe weiter nach Ägyp- ten, wo er zum Agenten des britischen Auslandsgeheimdienstes SIS ausgebildet wurde.167 Er kehrte 1944 als Fallschirmspringer im Dienst des SIS nach Slowenien zurück, und wurde durch ein Missverständnis von der geheimen Polizei Titos gefangen genommen, konnte jedoch flüchten, und ging nach Kärnten in die Nähe Maria Gails zurück, wo er bis Kriegsende als Teil einer Partisanengruppe kämpfte. Seine Biographie ist sehr außergewöhnlich, aber zu einem großen Teil noch weitgehend unerforscht. Dennoch gibt sie, in den Zeiträumen als Knes Teil der TIGR war, durchaus preis, dass der britische Auslandsgeheimdienst nicht ganz unbeteiligt an einigen Widerstandsaktionen in Kärnten und Italien war.

Ursprünglich hatte sich der SIS in den Jahren vor dem „Anschluss“, oder zumindest bis 1936 mehr auf die Sowjetunion denn auf Deutschland fokussiert, doch nach 1936 änderte sich dies recht rasch. Dennoch hatte man zur Zeit des „Anschlusses“ noch kein passendes Konzept, wie der Geheimdienst nun auf die neue Lage reagieren sollte und wie der Widerstand in den faschistischen Ländern gefördert werden konnte. Die Hoffnung auf einen geeinten Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Österreich setzte der SIS, ähnlich wie andere Geheimdiens- te und Regierungen Westeuropas, zunächst auf den ehemaligen habsburgischen Thronfolger Otto Habsburg und sein näheres Umfeld.168 Diese Hoffnung auf monarchistische Bewegungen sollte sich allerdings bald zerschlagen, denn die Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten (AVÖS) hatte kein Interesse an der Zusammenarbeit mit den MonarchistInnen und einer möglichen Neuerrichtung der Monarchie in Österreich. Erschwerend kam hinzu, dass viele SozialistInnen vor Kriegsbeginn zunächst nicht an einer Wiederherstellung eines unab- hängigen Österreichs interessiert waren, sondern nur den Nationalsozialismus als Feindbild sahen. Auch mit den kommunistischen Auslandsorganisationen wie dem Austria Center konnte kaum Einigung erzielt werden, weil diese zunächst jegliche Unterstützung der westli-

167 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 200. 168 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 53. 44 chen Demokraten ablehnten.169 So ergab sich die Situation, dass sämtliche österreichischen Widerstandsorganisationen außerhalb des Deutschen Reiches getrennt voneinander operier- ten. Durch ihren Unwillen zu kooperieren, blieben die Organisationen wie das Austria Center der KommunistInnen, die AVÖS der SozialistInnen, oder die monarchistische Austrian League und die bürgerliche Democratic Union von Julius Meinl III in der Frühphase eher uneffektiv.

Um direkteren Kontakt zu den Widerständigen, nicht nur in Österreich sondern in ganz Europa herzustellen, wurde vom SIS die D-Section erschaffen, wobei das D für destruction, also Zerstörung stand. Ihr Leiter war Major Lawrence Grand, und zu ihren Aufgaben zählte neben der Vermittlung zwischen antifaschistischen Organisationen besetzter Länder auch die Versorgung von Partisanengruppen mit Waffen und Sprengstoff.170 Das Konzept, bewusst Verkehrswege durch Sabotage zu attackieren, entwickelte die geheime Abteilung zu Beginn des Jahres 1939. Der Plan war, dass die D-Section die passende Anleitung verfasste, die Anschläge selbst sollten dann von lokalen Gruppen durchgeführt werden. In Österreich fasste sie, ähnlich wie die TIGR und die Maria Gailer Truppe die Südbahn als Ziel für Sabotage ins Auge. Daher lag die Kooperation des Geheimdienstes mit den beiden Gruppen auf der Hand, und die Anschläge, die schlussendlich zur Verhaftung von 37 Personen führten, wurden mit Sprengstoff verübt, den der britische Auslandsgeheimdienst mit Hilfe von Alois Knes nach Österreich geschmuggelt hatte. Nach einer Restrukturierung im Juli 1940, zur selben Zeit als das Sabotagenetzwerk in Kärnten von den nationalsozialistischen Behörden aufgedeckt wurde, ging die D-Section in der neu gegründeten Special Operations Executive (SOE) auf.171 Die SOE sollte in den folgenden Jahren, nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Jugoslawien, zum wichtigsten westeuropäischen Unterstützer der Partisanenbewegung um Tito werden und die kämpfenden Einheiten, auch jene die im Gebiet Kärntens operierten, immer wieder mit Waffen- und Hilfslieferungen unterstützen.

An den nächsten widerständischen Aktionen in Kärnten war die SOE jedoch nur marginal beteiligt, denn diese entstammten, wie schon einige zuvor, wieder aus dem Eisenbahnermi- lieu. Betroffen war zwar wieder die Reichsbahndirektion in Villach, da sie die Verwaltung der Gleisstrecken und Züge im betroffenen Gebiet über hatte, das Zentrum der widerständischen Eisenbahner lag aber nun nicht mehr in Villach, sondern in St.Veit an der Glan. Die Gruppe,

169 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 58. 170 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 36f. 171 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 193. 45 die mindestens zehn bis 15 Mann umfasste, bestand aus Eisenbahnern aus Kärnten und der Steiermark, die ihren Dienst hauptsächlich auf den Strecken zwischen St.Veit und Judenburg antraten. Wann genau sie mit den Sabotageakten begannen, ist ungewiss, fest steht allerdings, dass die Gestapo spätestens seit Juni 1941 vermehrt Züge kontrollierte, welche aus scheinba- ren Verschleißgründen ihre Ziele nicht mehr, oder nur mit Verspätung erreichten. Dabei wurde bemerkt, dass Kupplungsschläuche durchgeschnitten wurden, Sand in die Achsenlager der Waggons gestreut wurde, und dass die Schmierbüchsen der Lokomotiven verstopft wurden.172 Auch das Entfernen oder Anschneiden von Bremsdruckluftschläuchen wurde registriert. In den nächsten Monaten hielten die Sabotageakte weiter an, wodurch die Gestapo im Zuständigkeitsbereich der Reichsbahndirektion Villach schlussendlich mehrere hundert Fälle von Beschädigungen feststellte.173 Gegen Ende des Jahres 1941 wurde die Gruppe schrittweise von den Behörden aufgedeckt und verhaftet.

Die Anleitungen zu ihren Sabotageaktionen hatten sie, wie sich im Verlauf der Prozesse herausstellte, den britischen Radiosendern Sender der Europäischen Revolution und Gustav 1, die sie illegal empfingen, entnommen.174 Dadurch, dass viele Sabotageaktionen so aussahen, als wäre der Ursprung auf natürlichen Verschleiß oder einen Unfall zurückzuführen, konnten sie recht lange unentdeckt bleiben. Die Prozesse gegen die Widerständischen wurden vom Reichskriegsgericht geführt, da, gleich wie bei den Verhandlungen gegen die TIGR und die Maria Gailer Gruppe, die Eisenbahn als kriegswichtig galt. Das RKG verurteilte 10 der gefassten Eisenbahner zum Tode. In dieser Härte war das Urteil nicht erwartet worden, jedoch wurde es ausgesprochen, weil die Richter hofften, dass es eine abschreckende Wirkung haben würde, und potentielle Widerständige einschüchtern könne.175 Ob diese Strategie erfolgreich war, lässt sich schwer beurteilen. Fest steht allerdings, dass die Angestellten der Eisenbahnbe- triebe bis Kriegsende weiterhin eine der aktivsten Personengruppen im Widerstand auf dem Gebiet der Ostmark im Dritten Reich waren.176 Allerdings waren diese Sabotageaktionen mit Ursprung in St.Veit an der Glan im Sommer 1941 eine der letzten Aktionen, die typisch für den frühen Widerstand gegen das NS-Regime in Österreich waren, denn bereits im April 1941 hatte sich etwas ereignet, dass die Situation des Widerstandes in Kärnten radikal ändern sollte, der Einmarsch der Achsenmächte am Balkan. Der Widerstand, den die verschiedenen Grup- pen gegen den Nationalsozialismus bis 1941 leisteten, mag im Nachhinein betrachtet viel-

172 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 41. 173 Prilasnig Fabian, Die slowenische Volksgruppe in Kärnten zur Zeit des Nationalsozialismus (2013), S. 33. 174 Pirker Peter, Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens (2011), S. 108. 175 Pirker Peter, Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens (2011), S. 107. 176 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 60. 46 leicht nicht sehr effektiv oder zumindest nicht entscheidend für die Entwicklung der politi- schen Lage in Österreich gewesen sein, er zeigt aber „den kämpferischen Geist jener, die Europa nicht kampflos den Nationalsozialisten überlassen wollten“.177

2.3. Die Auslöschung der Karawankengrenze

Die politische Beziehung zwischen dem Königreich Jugoslawien, regiert vom Prinzregenten Paul in Vertretung seines Neffen Peter, und des Ministerpräsidenten Stojadinović, bezie- hungsweise ab 1939 seines Nachfolgers Cvetković, und dem nationalsozialistischen Deutsch- land war durchwegs positiv. Für Spannungen sorgten zwischenzeitlich höchstens die Minder- heitenfragen der jeweiligen Länder, weshalb beide Regierungen stets versuchten, etwaige Probleme in dieser Hinsicht in Diskretion zu lösen. In Kärnten beinhaltete diese Diskretion ein möglichst lückenloses Abriegeln der Grenze. Dies wurde vor allem ab den Wintermonaten 1939 nach Kriegsbeginn umgesetzt, um zukünftigen Deserteuren, anders als in der Vergan- genheit, den Weg über die Grenze zu versperren. Anton Haderlap erinnerte sich: „Vor dem Überfall auf Jugoslawien, in den Jahren 1939/40, wurde die jugoslawische Grenze von Deut- schen stark bewacht. Niemand durfte es wagen, die Grenze zu überschreiten.“178 Wirtschaftli- che Verbindungen waren durchaus vorhanden und wurden zu Kriegsbeginn sogar noch verstärkt. Jugoslawien versuchte mit Hilfe Deutschlands aus seiner schwierigen wirtschaftli- chen Lage zu kommen und für die deutsche Kriegsindustrie waren die Kupfer und Bauxitlie- ferungen aus den jugoslawischen Minen von großer Bedeutung.179 Trotz der Annäherung an Deutschland versuchte sich Jugoslawien zunächst als neutral darzustellen, eine Strategie die erst 1941 platzte, als Hitler im Geheimen bereits den Angriff auf die Sowjetunion plante und eine eindeutigere Haltung Jugoslawiens forderte. Diese Forderung wurde ihm erfüllt, als die Belgrader Regierung am 25. März in Wien beschloss, den Beitritt zum Pakt der Achsenmäch- te zu unterzeichnen. Nach dieser Unterzeichnung regte sich in Belgrad der Widerstand, vor allem in den Reihen des Militärs.180 Der Widerstand war so groß, dass es zu einem vom Militär gelenkten Staatsstreich kam, in dessen Folge der Prinzregent zu Gunsten seines minderjährigen Neffen abgesetzt, und die Regierung um den Ministerpräsidenten ausgewech- selt wurde. Die SOE dürfte in den Putsch des serbischen Militärs ebenfalls involviert gewesen

177 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 19. 178 Haderlap Anton, Graparji (2011), S. 81. 179 Hehn Paul, Serbia, Croatia and Germany 1941-1945: Civil War and Revolution in the . In: Canadian Slavonic Papers / Revue Canadienne des Slavistes, Vol. 13, No. 4 (Winter, 1971). Canadian Association of Slavists, S.344-373, hier: S. 345. 180 Piekalkiewicz, Krieg auf dem Balkan: 1940 - 1945. München, Südwest-Verlag: 1984, S. 65. 47 sein. Sie unterstütze ihn, ob sie allerdings an der Planung direkt beteiligt war, ist unklar.181 In Berlin wurde der Putsch als feindliche Handlung interpretiert, auch wenn die neue Regierung in Belgrad versicherte, dass sie an der Rückkehr zu neutralen Beziehungen interessiert sei. Hitler hatte seine Pläne zum Überfall jedoch schon geschmiedet. Die jugoslawische Regie- rung wandte sich Hilfe suchend an andere Staaten und unterzeichnete schlussendlich ein Freundschaftsabkommen mit der Sowjetunion. Dieser Freundschaftspakt lieferte nun dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten, allen voran Italien, den endgültigen Grund zum Angriff auf den Balkanstaat am 6.4.1941, zur annähernd gleichen Zeit, als auch Operation Barbarossa und der Angriff auf die Sowjetunion starten hätte sollen.182 Die zeitliche Ver- schiebung des Angriffs auf die Sowjetunion, die aus dem Angriff auf Jugoslawien resultierte, sollte für den weiteren Kriegsverlauf noch ungeahnte Folgen nach sich ziehen, denn dadurch blieb der deutsche Vormarsch im kalten Winter Russlands stecken. In seinem Buch Titostern über Kärnten, welches einen sehr umstrittenen Blick auf die Geschichte der jugoslawischen Freiheitsbewegung in Kärnten wirft, meint Ingomar Pust: „Jugoslawien, oder besser gesagt die Putschisten, die 1941 die Paktregierung stürzten, haben unter britischem Einfluss und dem Drängen der Sowjetunion den deutschen Angriff provoziert.“183 Mit dieser Analyse verdreht Pust die Tatsachen zwar um seine subjektive Meinung zu stützen, es zeigt aber wie komplex die Lage Anfang April 1941 war. Lojze Kraut, ein Kärntner Slowene, der 1939 kurz nach Kriegsbeginn nach Jugoslawien geflüchtet war um einer möglichen Einberufung in die Armee zu entgehen, hatte den für ihn sehr überraschenden Angriff des Dritten Reichs auf Jugoslawi- en folgendermaßen in Erinnerung:184

Am Abend des Palmsonntag 1941 hätte es eine Theateraufführung geben sol- len, da sagte einer: „Mir scheint, da wird irgendwo bombardiert.“ Wir rannten hinaus, da kamen Flugzeuge und bombardierten den Bahnhof. So erfuhren wir, dass der Krieg da war.

Karel Prušnik, der sich im April 1941 in Ljubljana aufhielt, war ebenfalls vom Überfall überrascht: „Es war der Palmsonntag 1941, als die ersten Hitlerflugzeuge über Ljubljana kreisten. Wir beschlossen, die Stadt sogleich zu verlassen.“185 Die Wehrmacht führte den

181 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 118. 182 Piekalkiewicz, Krieg auf dem Balkan: 1940-1945 (1984), S. 67. 183 Pust Ingomar, Titostern über Kärnten (1984), S. 235. 184 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 141. 185 Prušnik Karel – Gašper, Gemsen auf der Lawine. Der Kärntner Partisanenkampf. 1. deutschsprachige Ausgabe des slowenischsprachigen Werks „Gamsi na plazu“ (1958). Klagenfurt, Drava Verlag: 1980, S. 34. 48

Angriff nicht allein durch, sondern mit Hilfe der Armeen aus den verbündeten Ländern Italien, Ungarn und Bulgarien. Allen Verbündeten versprach Hitler territoriale Anteile an Jugoslawien und Griechenland, welches sich zuvor schon im Krieg mit Italien befunden hatte, und von der Wehrmacht mit angegriffen wurde. Die Miteinbeziehung der Verbündeten war weniger durch die erwartete Gegenwehr bedingt, sondern sollte verhindern, dass die Wehr- macht kurz vor dem Schlag gegen die Sowjetunion zu viele Truppen als Besatzer in Jugosla- wien opfern müsste. Als Jugoslawien am 17.4.1941 kapitulierte, war die Aufteilung des Königreiches bereits beschlossen. Auf dem Gebiet des späteren Kroatiens und Bosnien, und einigen weiteren kleinen Gebieten wurde der Unabhängige Staat Kroatien unter Führung des Ustaša-Regimes gegründet. Unabhängig war dieser faschistische Staat in Wirklichkeit jedoch nicht, denn er kam nur durch die Anweisung der beiden Diktatoren aus Berlin und Rom zu Stande, die bis zur Niederlage ihres jeweiligen Landes an seiner Verwaltung beteiligt waren. Serbien wurde von den Nationalsozialisten okkupiert, anders als die nördlichen Teile des späteren Sloweniens, jedoch kein formeller Teil des Reiches. Nordslowenien mit der Stadt ging an das Deutsche Reich, die südlichen Teile mit der Stadt Ljubljana an Italien. Oberkrain sowie das Mießtal wurden im Zuge dieser Aufteilung an Kärnten angeschlossen.186 Die Karawankengrenze, bis vor wenigen Tagen noch Südgrenze des Reiches, war nun nicht einmal mehr eine Gaugrenze.

Der Überfall auf Jugoslawien hatte aber noch andere Folgen für die Bevölkerung Kärntens, als nur eine territoriale Vergrößerung des Gaugebiets. Die Leidtragenden waren dabei erneut die Kärntner SlowenInnen. Durch den Überfall auf Jugoslawien musste das Deutsche Reich nun keine Rücksicht mehr auf die Minderheit im Süden des Landes vorspielen, sondern konnte mit der kompletten Germanisierung beginnen.187 Nahezu zeitgleich mit dem Überfall begann in Südkärnten eine groß angelegte Verhaftungswelle, die sich auf die intellektuelle Elite (RedakteurInnen, FunktionärInnen, Priester, politische VertreterInnen) der Kärntner SlowenInnen bezog. Die Verhaftungswelle sollte von vornherein jegliche kritische öffentliche Meinung unterbinden.188 Die slowenische Sprache wurde auch in Kirchen komplett verboten, und bereits am 6.4.1941 wurden im Rahmen der Verhaftungswelle fast 50 Priester mit slowe- nischer Muttersprache verhaftet.189 Die Verhafteten, gleichgültig ob Priester oder VertreterIn- nen von wirtschaftlichen und kulturellen Organisationen, wurden entweder in den folgenden

186 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 68. 187 Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 – 1945 (2000), S. 266. 188 Entner Brigitte, „Komm, miß dich mit uns, in die Wälder dich trau!“ (2013), S. 37. 189 Till Josef, Die Kärntner Slowenen und die Diözese Gurk-Klagenfurt (2000), S. 118. 49

Tagen mittels Gauverweis aus dem Gebiet der Minderheit entfernt oder in ein Konzentrations- lager überstellt.190 Die slowenische Wochenzeitung, der Koroški Slovenec, wurde ebenso verboten wie sämtliche slowenische Vereine und das gesamte slowenische Genossenschafts- wesen.191 Doch das Verbot slowenischer Vereine war noch nicht genug. Der gesamte Beam- tenapparat in Kärnten, die Post, Gendarmerie sowie Finanz- und Steuerbehörden wurden ausschließlich deutsch. Slowenische Beamte wurden entweder entlassen, oder zum Austritt aus slowenischen Organisationen und zum kompletten Ablegen ihrer slowenischen Sprache und Identität in der Öffentlichkeit gezwungen.192 Anna Jug beschreibt die Tage nach dem Einfall in Jugoslawien folgendermaßen:193

Seit dem 6. April, nach Hitlers Überfall auf Jugoslawien, begannen wir in her- ber Bitternis zu ahnen, was uns erwartete. Plötzlich durften wir in der Schule, im Dorf und auf der Straße nicht mehr slowenisch sprechen. In der Kirche ver- schwanden die slowenischen Aufschriften von den Bannern und Kreuzwegbil- dern. Predigt, Gesang und Gebet war nur noch Deutsch.

Die Einschränkungen und Unterdrückungen waren in jedem Bereich des Lebens zu finden. Die Deserteure, die sich seit 1938 ihrem Einberufungsbefehl entzogen hatten und nach Süden geflüchtet waren, kehrten nach dem Überfall des Dritten Reichs auf Jugoslawien in großer Zahl in ihre Heimat zurück. Sie bildeten nun mit jenen Deserteuren, die ohnehin in den Wäldern nahe ihrer heimatlichen Dörfer und Städte geblieben waren, die sogenannten Grünen Kader. Die grünen Kader waren nach Deserteuren der Österreichisch-Ungarischen Armee aus dem Ersten Weltkrieg benannt.194 Aktiven Widerstand leisteten sie nur in den seltensten Fällen, denn sie wollten sich lediglich dem Zugriff der Deutschen entziehen.195 Pavla Kelich beschrieb die grünen Kader in ihrem Interview:196

In Zell war es bei den jungen Männern so üblich, dass sie eher über die Grenze abhauten – nach Jugoslawien, über die Koschuta -, bevor sie hätten einrücken

190 Domej Theodor, Das Schulwesen für die Bevölkerung Südostkärntens (2000), S.35. 191 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 23. 192 Bahovec Tina, Die Kärntner Slovenen 1930-1941 (2000), S. 258. 193 Jug Anna, Ich war Nr. 20.373 in Ravensburg. Erinnerungen einer slowenischen Widerstandskämpferin. Klagenfurt, Kitab-Verlag: 2012, S. 40. 194 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 202. 195 Amann Klaus, Siegreicher Verlierer. Der bewaffnete Widerstand der Kärntner Slowenen gegen das national- sozialistische Regime. In: Krieg, Widerstand, Befreiung. Ihr Nachhall in den Kulturen und Literaturen des Alpen-Adria-Raums, Fabjan Hafner und Johann Strutz (Hrsg). Klagenfurt -Wien, Drava: 2013. S 9-30, hier S. 15. 196 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 270. 50

müssen. da gab es ziemlich viele davon, und als Hitler in Jugoslawien eingefal- len war, da konnten diese Leute nirgends mehr hin und sind zurückgekommen. Sie haben sich hier versteckt.

Die grünen Kader, die sich somit fast ausschließlich aus Deserteuren der deutschen Wehr- macht formten, hielten sich meist in einfachen Bunkern nahe ihrer Heimathäuser versteckt, da sie auf die Unterstützung in Form von Lebensmittel und Informationen durch ihre Angehöri- gen angewiesen waren.197 Die Angehörigen brachten sich durch die Unterstützung der ver- steckten Personen selbst in große Gefahr, die Treue innerhalb der Familie war jedoch größer als die Furcht vor Verfolgung und die Treue gegenüber einem Staat, den viele von ihnen ohnehin nicht wollten.

Die Kärntner SlowenInnen mussten mit den Maßnahmen und der neuen Situation in Kärnten nach dem Überfall auf Jugoslawien die zweite Stufe der Germanisierungspolitik der National- sozialisten über sich ergehen lassen.198 Die nun abgeschlossene erste Stufe, hatte sich gegen alles Slowenische im öffentlichen Bereich gerichtet. Der Deutschzwang in den Schulen und die Erntekindergärten können hier als Beispiel angeführt werden. Zusätzlich war es in dieser Phase zu Behinderungen und Diskriminierungen im nichtstaatlichen Bereich gekommen. So durfte unter anderem die slowenische Zeitung, der Koroški Slovenec, noch bis 1941 existie- ren, war aber mit gewissen Einschränkungen verbunden. Einzelne Verhaftungen führender SlowenInnen kamen noch hinzu. Auf der zweiten Stufe, die mit dem Überfall begonnen hatte, sahen sich die Kärntner SlowenInnen mit Maßnahmen gegen alles Slowenische im privaten Bereich konfrontiert. Sämtliche Vereine wurden eingestellt und das kulturelle Leben, wie das Erscheinen der eben erwähnten Zeitung, wurde komplett gestoppt. Die Verfolgung der intel- lektuellen Elite erreichte im April 1941 mit der Verhaftung von 50 Personen an einem Tag ebenfalls einen neuen fürchterlichen Höhepunkt. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die ersten Personen im Widerstand bereits engagiert. Durch die geringe Größe der Gruppen, oder die kleine Anzahl an einzeln Handelnden, die zu drastischeren Maßnahmen bereit waren, konnten diese aber recht bald von den NS-Polizeitruppen aufgespürt und gestoppt werden. Die dritte und drastischste Stufe der Unterdrückungsmaßnahmen, die auch in einer neuen Form des Widerstands resultierte, sollte erst mit April 1942 folgen.

197 Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten (2011), S. 59. 198 Vgl. Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 – 1945 (2000), S. 266f. 51

3. Die Blütezeit des Widerstands

Der frühe Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Kärnten wurde von Einzelpersonen und kleinen Gruppen getragen. Zur Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten sollte es erst ab 1942 kommen. Ausgelöst wurde diese Beteiligung durch die rigorosen Unterdrückungs- maßnahmen des NS-Regimes, die im Frühjahr 1942 in Form von Massendeportationen von Kärntner SlowenInnen ihren Höhepunkt erreichten. Der dadurch entstandenen Furcht weiter Teile der Bevölkerung folgte aber eine erstarkte Bereitschaft zum Widerstand. Diese Bereit- schaft sollte es ermöglichen, dass sich eine Befreiungsbewegung, die aus südlicheren Teilen des Kontinents nach Kärnten getragen wurde, in Kärnten festsetzen konnte. Sie konnte sich nicht nur festsetzen, sondern die Unterstützung, die ihr von den Kärntner SlowenInnen trotz einer vorhandenen Ideologieferne zu Teil wurde, sollte anfängliche Erwartungen bald über- steigen.

3.1. Deportationen

Adolf Hitlers Parole „Heim ins Reich“ richtete sich nicht nur an Staaten, in die er die Wehr- macht einfallen ließ, sie richtete sich auch an deutsche Volksgruppen außerhalb des Reiches wie die SüdtirolerInnen und KanaltalerInnen in Italien, die volksdeutsche Gruppe in Gott- schee nahe Ljubljana, und an Bevölkerungsteile im Osten des Kontinents.199 Speziell die deutschsprachige Bevölkerung in Italien weckte früh das Interesse der Nationalsozialisten, da diese nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich auch ausgesprochen nahe an der Grenze wohnten. Überlegungen wie dem Duce in Italien eine Umsiedlungsaktion vorgeschla- gen werden könne, begannen vermutlich bereits im Jahr 1938. Im Oktober 1939 fanden sie dann in zwei Verträgen über die Umsiedlung der angesprochenen Bevölkerung in Südtirol und im Kanaltal ihre Vollendung.200 Die dafür in Frage kommenden Personen konnten sich entscheiden, ob sie entweder in das Gebiet des Deutschen Reiches umziehen wollten, oder als ItalienerInnen in Italien bleiben wollten. Abschreckend für eine Umsiedlung dürfte dabei gewirkt haben, dass die mehrheitliche Landbevölkerung im Falle eines Umzugs Hof und Gut zu Gunsten Italiens verloren hätte. Um die Bereitschaft zum Umzug zu erhöhen, wurde den Betroffenen nicht nur ein vergleichbarer Hof im Reich in Aussicht gestellt, sondern auch die

199 Danglmaier Nadja und Stromberger Helge, Tat-Orte. Schau-Plätze (2009), S.88. 200 Stuhlpfarrer Karl, Umsiedlung und Deportationen während des zweiten Weltkriegs. In: Die Vertreibung der Kärntner Slowenen. 2. und erweiterte Ausgabe, Brigitte Entner und Augustin Malle (Hrsg). Klagenfurt, Drava Verlag: 2012. S. 127-140, hier: S. 130. 52

Möglichkeit in einem geschlossenen Siedlungsgebiet unterzukommen, und so nicht komplett von den anderen Umzugsberechtigten, oder Optionsberechtigten, wie sie genannt wurden, getrennt zu werden. Die Mehrheit der Optionsberechtigten hatte sich daraufhin für eine Umsiedlung entschlossen.

Bis 1940 hatte die NS-Führung noch immer keine passende Region für das versprochene, geschlossene Siedlungsgebiet der Personen aus Südtirol und dem Kanaltal gefunden. Unter diesen Umständen kam zum ersten Mal die Idee auf, zumindest die Landbevölkerung aus dem nahe gelegenen Kanaltal in Südkärnten unterzubringen, vorzugsweise auf den Höfen jener Kärntner SlowenInnen, die bei der Volksabstimmung von 1939 eine slowenische Volkszuge- hörigkeit angegeben hatten.201 Diesem Plan stand allerdings noch eines im Wege: die Bezie- hung zu Jugoslawien, die es nicht erlaubte die slowenische Minderheit in Kärnten zu enteig- nen. Nach dem Einfall in Jugoslawien hatte sich dieses Problem jedoch erledigt, und auch der Auftrag der zentralen NS-Führung an die Behörden in Kärnten, „Macht dieses Land Deutsch!“, war die passende Voraussetzung für die kommenden Pläne. Simultan wurde sowohl über die Aussiedlung der Kärntner SlowenInnen, als auch über die Ansiedlung der KanaltalerInnen debattiert. Manche WissenschaftlerInnen, unter ihnen der Kärntner Historiker Valentin Hellwig, gehen im Nachhinein sogar von einer geplanten Aussiedlung von 50.000 Kärntner SlowenInnen aus.202 Belege für diese große Zahl gibt es zwar keine, allerdings ist in den Anordnungen der NS-Führung von deutlich mehr Personen als jenen 1000, die im Jahr 1942 ausgesiedelt wurden, die Rede.

Der Reichsführer-SS Heinrich Himmler schickte im August 1941 eine Anordnung nach Kärnten, die den Beginn der konkreten Vorbereitung zur Umsiedlung der SlowenInnen beziehungsweise der KanaltalerInnen markierte. Er schrieb:203

„Das doppelsprachige Gebiet des Reichsgaues Kärnten (ehemaliges Abstim- mungsgebiet) ist zur Bereinigung der volkspolitischen Lage für die Ansetzung der Kanaltaler besonders heranzuziehen. Die Betriebe der etwa 200 sloweni- schen Familien dieses Gebiets, die als volks- und staatsfeindlich bekannt sind,

201 Stuhlpfarrer Karl, Umsiedlung und Deportationen während des zweiten Weltkrieg (2012), S. 133. 202 Hellwig Valentin, Am Rande des Bürgerkriegs (2013), S. 20. 203 Auszug aus der Anordnung Nr. 46/I vom 25. August 1941 durch Heinrich Himmler, zitiert nach: Koschat Michael, Die Deportation slowenischer Familien im April 1942: Vorgeschichte - Verlauf - Erinnerung. In: Als Kärnten seine eigenen Kinder deportierte. Die Vertreibung der Kärntner Slowenen 1942-1945. 2. und erweiterte Auflage, Johannes Schaschl (Hrsg). Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 2012. S. 25-48, hier: S. 35. 53

sind zur Besetzung mit Kanaltalern heranzuziehen, auch wenn diese staats- feindlichen Slowenen z.Zt. die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen[…]“

Basierend auf dieser Anordnung erarbeiteten Teile der Kärntner NS-Führung um Alois Maier- Kaibitsch die Durchführung der Umsiedlung und bestimmten die Familien, die ausgesiedelt werden sollten.204 Zugleich legten sie sich auf eine Bezeichnung für diese Aussiedlung fest, die fortan als K-Aktion bezeichnet wurde.205 Vor der Durchführung, die für den 14. und 15. April 1942 angesetzt wurde, wurden Listen mit den zu deportierenden Menschen an die Bürgermeister, Ortsbauernführer und Ortsgruppenleiter der betroffenen Orte geschickt.206 Diese wurden somit über die bevorstehenden Deportationen informiert und mussten die Auswahl der Personen billigen. Allein dadurch ergibt sich die Tatsache, dass in Kärnten einige Personen von den zu diesem Zeitpunkt unmittelbar bevorstehenden Deportationen wussten. Gegenwehr im Vorhinein gab es kaum.

Mit der Ausführung der Deportationen wäre die vorhandene Polizei zum einen zahlenmäßig überfordert gewesen, zum anderen befürchtete die Führung, dass die mangelnde Erfahrung der Einheiten zu Komplikationen führen könnte. Zum Zwecke der Durchführung der Deporta- tionen wurde das Reservepolizeibataillon 171 nach Kärnten verlegt.207 Dieses Bataillon hatte schon in der Untersteiermark, also auf ehemals jugoslawischem Gebiet, welches nach dem Überfall an den Gau Steiermark angeschlossen worden war, mit Deportationen zu tun gehabt. Im Laufe der nächsten zwei Jahre sollten noch weitere SlowenInnen aus diesem Gebiet umgesiedelt werden. Zusätzlich zum Personal musste auch in der Infrastruktur um Aushilfe gebeten werden, um die Aussiedlung der Kärntner SlowenInnen so schnell wie möglich abwickeln zu können. Zu diesem Zwecke wurden Busse und LKWs aus Salzburg nach Kärn- ten geschafft, die die Familien in den Ortschaften abholen und im Anschluss nach Ebenthal bei Klagenfurt bringen sollten.208

Die Aussiedlung begann in den ersten Höfen am 14. April pünktlich um fünf Uhr früh, und sollte im Laufe von zwei Tagen beendet sein, damit die Aufregung innerhalb der übrigen

204 Koschat Michael, Die Deportation slowenischer Familien im April 1942: Vorgeschichte – Verlauf – Erinne- rung (2012), S. 36. 205 Malle Augustin, Der Widerstand der Kärntner Slowenen im historischen Gedächtnis (2011), S. 72. 206 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 23. 207 Koschat Michael, Die Deportation slowenischer Familien im April 1942: Vorgeschichte – Verlauf – Erinne- rung (2012), S. 38. 208 Entner Brigitte, Deportation. In: Die Vertreibung der Kärntner Slowenen. 2. und erweiterte Ausgabe, Brigitte Entner und Augustin Malle (Hrsg). Klagenfurt, Drava Verlag: 2012. S. 181-204, hier: S. 181. 54

Bevölkerung nicht zu groß werden konnte. Die Auszusiedelnden wurden, um nicht flüchten zu können, im Vorhinein nicht informiert und daher von den Geschehnissen überrascht. Das berichtet auch Franc Resman, als am 14.April plötzlich ein Polizist in seinem Haus stand:209

„Auf auf, Sie sind verhaftet“. Diese Worte rissen mich natürlich aus dem Bett und ich fragte ihn, wo er den Haftbefehl habe. Er erwiderte mir nur, er sei von der Gestapo und brauche keinen Haftbefehl. Er sagte auch noch, dass mit mir meine ganze Familie ausgesiedelt wird. „Das ist ja noch schöner“, entgegnete ich.

Dass dieses Überraschen in den frühen Morgenstunden kein Einzelfall war, sondern auch andere BürgerInnen ereilte zeigt der folgende Ausschnitt von Elise Morak in ihrem Bericht über die Deportationen:210

Ohne jede Ahnung von unserer Seite kamen am frühen Morgen des 14.April 1942, es war ein Dienstagmorgen, bewaffnete Polizisten zu uns und forderten uns auf, binnen einer halben Stunde Haus und Hof zu verlassen. Wir alle be- fanden uns emsig bei der Früharbeit im Stall und Haus, und die Kleinsten schlummerten noch im Bette im süßen Schlaf, dann war dieser furchtbare Be- fehl für uns wie ein Blitz von heiterem Himmel. Wir wussten nicht, was das heißen sollte und konnten nicht glauben, und auch nicht begreifen, dass alles dies Wahrheit sein sollte. Doch die Polizeisoldaten gaben nicht nach und drängten uns immer zur Eile.

Nachdem die Familien das Nötigste gepackt hatten, wurden sie von den begleitenden Soldaten oder Polizisten zum nächsten Sammelplatz gebracht, von wo aus sie gemeinsam mit anderen Familien mit Hilfe der Autobusse und LKWs in ein Übergangslager nach Ebenthal abtrans- portiert wurden.

In Ebenthal stand bereits seit geraumer Zeit ein Lager des Reichsarbeitsdienstes, das mit den dazugehörigen Betten Platz für 200 Personen bot. Dieses Lager wurde in der Woche vor Beginn der K-Aktion zweckentfremdet und für den 14. April adaptiert. Die Adaptierung sah unter anderem vor, dass sämtliche Betten entfernt wurden und die Baracken mit Stroh ausge- legt wurden.211 Durch diese Anpassung wurde die Anzahl der Schlafgelegenheiten von 200 erhöht, sodass die Betreiber insgesamt 1075 Menschen in das Lager quetschen konnten. Die

209 Resman Franc, Eine slowenische Chronik aus Kärnten 1914-1945 (2014), S.170. 210 In: Baum Wilhelm (Hrsg.), Auf Wiedersehen über den Sternen! (2012), S. 202. 211 Entner Brigitte, Deportation (2012), S. 181. 55

Vorgangsweise, mit der die ankommenden Menschen aufgenommen wurden, war immer die gleiche. Zuerst wurden sie registriert, um sicherzustellen, dass sämtliche Personen, die für die Deportation bestimmt waren, auch tatsächlich anwesend waren. Anschließend wurden sie mit einer Nummer, der sogenannten Herdnummer versehen, und fotografiert.212 Im Anschluss wurde von den Behörden das Verfahren des Vermögensentzugs begonnen. Sämtliches Ver- mögen, das die Familien besaßen, ging nämlich auf die Deutsche Aussiedlungsgesellschaft (DAG) über und war zur „Festigung des deutschen Volkstums“ bestimmt.213 Zu diesem Zwecke wurden die Familienoberhäupter sämtlicher anwesender Familien anhand ihrer Nummern vor die Schreibtische der MitarbeiterInnen der DAG zitiert. Mittels eines Über- nahmeprotokolls wurde sämtlicher Besitz notiert und die anschließende Unterschrift besiegel- te die Übergabe an die DAG.214 Der Vermögensentzug sollte einige wenige Tage dauern, und während dieser Zeit waren die betroffenen Kärntner SlowenInnen im Lager Ebenthal inhaf- tiert. Die Bedingungen dort waren menschenunwürdig, wie eine weitere Stelle im Bericht Elise Moraks zeigt:215

Die Kinder weinten von Hunger und Kälte, es war ein außerordentlich kalter Frühlingstag. Die Baracken waren vollgestopft mit Menschen, und die Nacht verbrachten wir gelehnt an unsere Bündel ohne Schlaf, nur die Kinder schlummerten ermüdet vom Weinen, um in furchtbaren Träumen wieder schreiend aufzuwachen.

So furchtbar diese Tage des Wartens auch waren, sie gaben den Angehörigen außerhalb des Lagers Zeit für ihre Verwandten zu intervenieren. Speziell wenn irgendwelche Verbindungen zu höhergestellten Personen innerhalb NSDAP vorhanden waren, waren manche dieser Interventionen durchaus von Erfolg gekrönt. 158 Personen wurden aus dem Lager entlassen und konnten an ihre heimatlichen Höfe zurückkehren.216 Schlussendlich blieben 917 unglück- liche Personen über, die zur Deportation in Lager der Volksdeutschen Mittelstelle außerhalb des Gaus Kärnten bestimmt waren. Von ihnen wurden in den folgenden Tagen 322 nach Hesselberg, 89 nach Hagenbüchach, 96 nach Schwarzach, 199 nach Frauenaurach und 211 nach Rehnitz per Bahn verschickt.217

212 Entner Brigitte, Deportation (2012), S. 182. 213 Bianchi Regina, Der Widerstand der slowenischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg in Kärnten (2006), S. 14. 214 Entner Brigitte, Deportation (2012), S. 183. 215 In: Baum Wilhelm (Hrsg.), Auf Wiedersehen über den Sternen! (2012), S. 208. 216 Entner Brigitte, Deportation (2012), S. 184. 217 Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 – 1945 (2000), S. 268. 56

In den jeweiligen Lagern wurden die fähigen Männer und Frauen zur Zwangsarbeit rekrutiert. Solche die als nicht geeignet empfunden wurden, hauptsächlich ältere Personen und Kinder, verbrachten die nächsten 3 Jahre hinter Stacheldraht in den Lagern. Selbstverständlich war dort auch jeglicher Gebrauch der slowenischen Sprache verboten.218 Hin und wieder war es ihnen aber gestattet, je nach Wohlwollen des entsprechenden Lagerführers, entweder Pakete von Verwandten oder sogar Besuch zu empfangen. Andrej Kokot erinnert sich in seinem Buch über einen Besuch einer Bekannten im Lager Rastatt, wohin er mit seinen Eltern nach dem Aufenthalt im Lager Rehnitz verlegt worden war:219

Wenn unsere Männer im Lager über den Krieg sprachen, wurde auch immer bewusst, dass „die Unseren“ jene waren, die gegen Hitler kämpften. Die Män- ner interessierten sich vor allem für den Verlauf an der Ostfront. In einem sol- chen heimlichen Gespräch erzählte Francka, dass der englische Sender auch über den Widerstand in Jugoslawien berichtet habe. Partisanen kämpften gegen die deutschen Besatzer. Ihr Anführer heiße Tito.

Kokot war aber nicht der einzige, der im Lager Gespräche über die Partisanen, die sich über Jugoslawien ausbreiteten, führte. Auch Katja Sturm-Schnabl, die im Lager Eichstätt unterge- bracht worden war, beschrieb die aufhellende Wirkung, die die Partisanen für die Kärntner SlowenInnen in den Lagern hatten: „Aber es gab auch Lichtblicke, vor allem dann, wenn die Leute über die Partisanen redeten, über Tito, über den Krieg in Jugoslawien, und darüber, dass die Deutschen nicht weiter vorrücken können, weil es immer mehr Partisanen gab.“220 Als die Partisanenbewegung auch in Kärnten erstarkte, blieb dies vor den weit entfernten Deportierten nicht verborgen und das Aufkommen des Widerstands schenkte neue Hoffnung. Die Aussiedlungsaktion im April sollte zwar nicht die letzte bleiben, aber bei weitem die größte. 1944 wurden rund 50 Personen aus dem Raum Petzen, zu diesem Zeitpunkt bereits als „Bandenkampfgebiet“ bekannt, deportiert.221

Die Höfe, die durch die Räumungsaktion im April 1942 frei wurden, gingen zu einem großen Teil an SiedlerInnen aus dem Kanaltal, einige wurden aber auch an ParteigenossInnen ver- schenkt. Die KanaltalerInnen übernahmen die Höfe teils als PächterInnen, teils als Eigentü-

218 Kokot Andrej, Das Kind, das ich war (1999), S. 31. 219 Kokot Andrej, Das Kind, das ich war (1999), S. 97. 220 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 157. 221 Danglmaier Nadja und Stromberger Helge, Tat-Orte. Schau-Plätze (2009), S.157. 57 merInnen.222 Widerstand gegen die Vertreibungsaktion gab es außerhalb des Verwandtenum- kreises nur recht selten. Am ehesten äußerten sich noch einige Priester negativ über die Aktion. Der Rest der Bevölkerung stand zu sehr unter Schock und war verängstigt. Dies beschreibt auch Anton Haderlap: „Ältere Leute, die des Deutschen nur schlecht mächtig waren, trauten sich außerhalb ihrer vier Wände nicht mehr zu sprechen: Sie gingen nicht mehr ins Gasthaus, nicht einmal mehr zur Kirche. Die Angst, deportiert zu werden, war groß.“223 Die Angst ging sogar soweit, dass der Bürgermeister in Vorderberg, einem Ort mit recht hohem Anteil an slowenischsprachiger Bevölkerung, an seine BürgerInnen Flugzettel verteil- te, die zum Gebrauch der deutschen Sprache ermahnten. Der Bürgermeister hoffte, dass man durch den ausschließlichen Gebrauch der deutschen Sprache die „deutsche Haltung“ des Ortes zeigen könnte, und außerdem könnte man die deutschen „Volksgenossen“ so überzeugen, dass „die windische Sprache für uns keinen Wert mehr hat.“224

In den folgenden Monaten sollte sich die Lage jedoch wieder beruhigen, und es kam sogar zu einer Gegenreaktion die von der NSDAP in Kärnten nicht erwartet worden war. Im Juli 1942 sprach Alois Maier-Kaibitsch in einer Meldung nach Berlin vom „wieder abnehmenden Gebrauch der deutschen Sprache und von einem zunehmenden Widerstand bei den zurückge- bliebenen Slowenen.“225 Auch einige Teile der deutschsprachigen Bevölkerung dürften Mitleid mit den vertriebenen Kärntner SlowenInnen entwickelt haben. Die Deportationen, die als Germanisierungswerkzeug für Einschüchterung unter der slowenischsprachigen Bevölke- rung in Kärnten sorgen sollten, hatten ihren Zweck nur kurzzeitig erfüllt. Nach der Phase des Schocks und des Bedauerns kam es unübersehbar zu einem Erstarken des Widerstandsgedan- ken innerhalb der Südkärntner Bevölkerung. Die Deportationen hatten endgültig gezeigt, dass die Nationalsozialisten in ihrem Reich keinen Platz für Minderheiten hatten, und waren somit indirekt verantwortlich für die breite Unterstützung und das Zunehmen des Widerstands innerhalb der Bevölkerung. Die Osvobodilna Fronta, die sich erst vor knapp einem Jahr im ehemaligen Jugoslawien gegründet hatte, fand nun auch in Südkärnten die Bedingungen vor, die ihr ein Expandieren in diesen Raum ermöglichten.

222 Koschat Michael, Die Deportation slowenischer Familien im April 1942: Vorgeschichte – Verlauf – Erinne- rung (2012), S. 38. 223 Haderlap Anton, Graparji (2011), S. 79. 224 Eine Abschrift des Flugzettels befindet sich in: Gitschtaler Bernhard und Jamritsch Daniel, Das Gailtal unterm Hakenkreuz (2013), S. 102. 225 Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 – 1945 (2000), S. 269. 58

3.2. Die Entstehung der OF und ihre Ausbreitung

Gegründet wurde die die Osvobodilna Fronta in Laibach am 26.4.1941 ursprünglich unter dem Namen Anti-imperialistische Front.226 Diese Anti-imperialistische Front machte später den größten Teil der OF aus, obwohl auch andere Widerstandsbewegungen, die sich im selben Zeitraum gegründet hatten, der Bewegung beitraten. Nach dem Start des Unternehmen Barba- rossas, dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion, folgte eine Umbenennung der Anti- imperialistischen Front in die Osvobodilna Fronta, zu Deutsch etwa gleichbedeutend mit dem Wort Befreiungsfront. Gängige Übersetzung sind aber auch die Wörter Volksbefreiungs- bewegung oder Volksbefreiungsfront. Die Ziele der OF, die in ihren Gründungsrichtlinien niedergeschrieben wurden, waren unter anderem die „Befreiung Jugoslawiens von der Besat- zung der fremden Okkupatoren“ und die „Vereinigung aller Slowenen in einem Staat.“227 Dazu zählten auch jene SlowenInnen, die in Italien lebten, und jene, die in Kärnten vor dem Krieg als Minderheit im österreichischen Staat gelebt hatten. Obwohl die OF eine Bewegung war, die viele Parteien und politische Richtungen inkludierte, übernahmen bald die Kommu- nisten, nicht zuletzt dank ihrer Erfahrung im Bereich illegaler Arbeit, die Führungsrolle. Zur Gründung der ersten offensiv ausgerichteten Kampfeinheit dauerte es aber noch einige Mona- te.

Die OF war in dieser frühen Zeit nicht die größte Widerstandsbewegung im ehemaligen Jugoslawien, denn diese hatte sich um den früheren General der jugoslawischen Armee, Dragoljub Mihailović, gegründet. Beide Bewegungen versuchten zunächst im Westen Ser- biens Fuß zu fassen, da dieses Gebiet als größtmögliche Hoffnung für das Aufkommen eines aktiven Widerstandes gesehen wurde. Obwohl die Widerstandsgruppe um Mihailović, die sogenannten Tschetniks, in ihrer Auffassung als bürgerlich-monarchistische Widerstands- gruppe antikommunistisch eingestellt waren, kam es kurzzeitig zu einem gemeinsamen Widerstandskampf der Gruppen.228 Die Verbrüderung sollte aber nicht von langer Dauer sein und bald in gegenseitigen Hass umschlagen. Als der Druck der deutschen Armee in Westser- bien zu groß wurde, begaben sich beide Gruppen in das Gebiet des östlichen Bosniens und Montenegro. Hier erreichten die Auseinandersetzungen der Gruppen mit unterschiedlichen ideologischen Weltanschauungen endgültig einen neuen Höhepunkt, und nach einem ersten militärischen Aufeinandertreffen entbrannte sich in Folge ein regelrechter Bürgerkrieg zwi-

226 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 69. 227 Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten (2011), S. 61. 228 Hehn Paul, Serbia, Croatia and Germany 1941-45: Civil War and Revolution in the Balkans (1971), S. 353. 59 schen den AnhängerInnen der Befreiungsbewegungen.229 Die Tschetniks behielten, nicht zuletzt dank ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit, in der Frühphase zunächst die Oberhand.

Allmählich entwickelte sich aus diesem bürgerkriegsähnlichen Zustand allerdings eine multi- nationale Volksbefreiungsbewegung, die die OF zu ihrem Vorteil ausnutzen konnte. Ab dem November 1942 nannten sich die kämpfenden Truppen der OF offiziell Volksbefreiungsar- mee, und ihre Größe wuchs von zwei kämpfenden Einheiten im Mai, auf über 20 kämpfende Einheiten mit jeweils 500 bis 600 kämpfenden Mann im Dezember des Jahres 1942 an.230 Diese Stärke erlaubte ihnen in den folgenden Monaten eine Ausbreitung auf andere Gebiete Jugoslawiens, so standen bald die Gebiete des späteren Kroatiens und Sloweniens in ihrem Blickfeld. Um die Besatzer, speziell jene im slowenischen Gebiet, zu schwächen, legten sie ihren Fokus auch auf bekannte und häufig genützte Verkehrswege. Aus diesem Grund zeigten sie schon früh Interesse an der Straße Nr. 333.231 Diese Straße über den Loiblpass, der sich südlich von Klagenfurt befindet, bietet auch heute noch die kürzeste Verbindung zwischen der Landeshauptstadt Kärntens und der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Die Wehrmacht nutzte diese Straße zum Transport von Truppen und Material. Die nationalsozialistischen Befehlshaber waren am Ausbau der Straße so sehr interessiert, dass sie in weiterer Folge sogar Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen dorthin verlegten, um den Ausbau so schnell wie möglich voranzutreiben.232 Um Kontrolle über die Straße zu erlangen, aber auch um generell die Befreiungsbewegung im Süden Kärntens zu etablieren, begab sich im Som- mer 1942 ein kleiner Trupp der Volksbefreiungsarmee nach Kärnten. Es war der erste, der konstant in Kärnten bleiben sollte.

Begünstigend für die ersten OF-Partisanen in Kärnten war sicher die Tatsache, dass die meisten von ihnen, die nun den Kontakt zur Bevölkerung herzustellen versuchten, ehemalige Deserteure aus Kärnten waren, die nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien nicht zu- rückgekehrt, sondern in Krain geblieben waren, um sich der aufkommenden Befreiungsbewe- gung anschließen zu können.233 Der Führer dieser ersten Truppen, die hauptsächlich den Kontakt zur Bevölkerung herstellen sollten, war der Kärntner Slowene Ivan Ţupanc-Johan.234

229 Hehn Paul, Serbia, Croatia and Germany 1941-45: Civil War and Revolution in the Balkans (1971), S. 356. 230 Schmider Klaus, Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941 - 1944. Hamburg, Mittler: 2002, S. 185. 231 Bianchi Regina, Der Widerstand der slowenischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg in Kärnten (2006), S. 18. 232 Zausnig Josef, Der Loibl-Tunnel. Das vergessene KZ an der Südgrenze Österreichs. Klagenfurt, Drava Verlag: 1995, S. 29. 233 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 25. 234 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 43. Der letzte Teil des Namens, in diesem Fall: -Johan steht nicht für einen Doppelnamen, sondern für den Partisanennamen der den KämpferInnen verliehen wurde. 60

Ţupanc-Johan aus Ebriach war ein Deserteur der Wehrmacht und der erste namentlich be- kannte Kärntner Slowene, der sich im August 1941 den Partisanen angeschlossen hatte. Unterstützt bei der Führungsarbeit wurde er ab dem frühen Herbst vom „erfahrenen Aktivis- ten“ Stane Mrhar.235 Mrhar wurde von der Führung Richtung Kärnten nachgeschickt, weil die Bewegung mehr Anklang unter der Bevölkerung erfahren hatte, als zuerst vermutet worden war. Die beiden und ihre Gefolgsleute begannen daraufhin mit dem Aufbau eines konspirati- ven Netzwerks zwischen den Ortschaften Zell Pfarre und Bad Eisenkappel. Sie versuchten auch den Kontakt mit grünen Kadern herzustellen, ihre wichtigste Aufgabe war jedoch der Aufbau von Komitees und Ortsauschüssen in den ländlichen Gemeinden.236 Die Komitees und Ausschüsse waren nicht in erster Linie für das Verbreiten von kommunistischen Ideen zuständig, sondern sollten die Bevölkerung zur Unterstützung der Widerstandstruppen mobi- lisieren.237 Die Herausforderung für die Mitglieder der Ausschüsse bestand darin, dass sie für die Unterstützung der kämpfenden Einheiten werben sollten, ohne dabei von den Nationalso- zialisten entdeckt zu werden. Hätten sie sich direkt den kämpfenden Einheiten angeschlossen, hätten sie selbst den Kontakt mit der Bevölkerung verloren und ein Werben für den Wider- stand wäre nicht mehr möglich gewesen. Dies sollte vor allem dann mitbedacht werden, wenn es um die quantitativen Ausmaße der OF in Kärnten geht, die zu jeder Zeit größer sein muss- ten, als nur die Anzahl der kämpfenden Einheiten allein. Da die UnterstützerInnen jedoch aus dem Geheimen heraus operieren mussten, lässt sich ihre Anzahl nicht genau ermitteln.

Die Unterstützung, für die die Ausschüsse warben, belief sich auf mehr als nur moralischen Beistand. Es handelte sich um Lebensmittel, Kleidung und in manchen Fällen auch Unter- kunft, auf die die Partisanen angewiesen waren. Stane Mrhar versuchte den Kommunismus in Südkärnten zu etablieren, hatte aber wenig Erfolg. Ţupanc-Johan meldete in Berichten an die Führung, dass die Bevölkerung zwar mit den Partisanen sympathisierte, weil sie auf Befrei- ung vom Nationalsozialismus hoffte, zugleich betrachtete sie den Kommunismus aber mehr als „skeptisch“.238 Eine der ersten und anfänglich wichtigsten Partisanenzellen, die von der ansässigen Kärntner Bevölkerung gegründet wurde, war jene in Lobnig, nahe der Ortschaft Bad Eisenkappel, gegründet von Juri Pasterk. Ihr schloss sich auch der spätere Partisanenfüh- rer und Vorkriegskommunist Karel Prušnik, der aus dem Lobniggraben stammte, an.239 Der beschrieb die Situation vor seinem Eintritt in den Widerstand folgendermaßen: „Wenn mich

235 Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 – 1945 (2000), S. 275. 236 Vgl. Luza Radomir, Der Widerstand in Österreich 1938-1945 (1985), S. 221. 237 Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten (2011), S. 57. 238 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 43. 239 Baum Wilhelm (Hrsg.), Auf Wiedersehen über den Sternen! (2012), S. 93. 61 die Nazis fragten, was ich tue, antwortete ich, ich suche eine neue Beschäftigung. Das tat ich auch. Aber ich suchte nicht eine Stelle. Ich suchte eine Antwort.“240

Zu kleineren Auseinandersetzungen mit der Polizei kam es 1942 immer wieder, das erste und für lange Zeit größte Gefecht, lieferten sich die Partisanen am 25.August mit einer SS-Einheit nahe Abtei südlich der Drau.241 Die kämpfenden Einheiten auf den Seiten der Partisanen waren dabei aber nicht die Gefolgsleute der Gruppe von Ţupanc-Johan, sondern Einheiten aus Slowenien, die an der ehemaligen Grenze operierten, und nach Verfolgung durch nationalso- zialistische Einheiten in die Gegend rund um Zell Pfarre flüchteten.242 Beim Aufeinanderpral- len der SS-Einheit und der Partisanen wurden die SS-Truppen überrascht und mussten nach einigen Verlusten den Rückzug antreten. Als die restlichen Partisanen in Kärnten vom sieg- reichen Gefecht ihrer Kameraden erfuhren, sorgte die Nachricht für eine positive Stimmung. Allerdings war sie auch ein Weckruf an die NS-Behörden in Klagenfurt, dass die Partisanen- bewegung nun endgültig Kärnten erreicht hatte. Trotzdem hielt der Zulauf zu den Partisanen an, und in den wenigen Wochen bis November 1942 hatten sich bereits an die 200 Personen aus dem gemischtsprachigen Gebiet den Partisanen angeschlossen.243 Einige der grünen Kader, so auch die Gruppe von Deserteuren um Thomas Olip und Janez Malle, die ebenfalls 1941 aus Jugoslawien zurückgekehrt waren, entschlossen sich jedoch der OF nicht beizutre- ten.244 Abschreckend dürften hier vor allem die kommunistische Führung der Befreiungsbe- wegung gewirkt haben, der sie sich als gläubige Menschen nicht unterordnen wollten. Gele- gentlich kooperierten sie mit den anderen Partisanen, und das Verhältnis war auch ein recht freundliches, ihre Eigenständigkeit zu Gunsten der Einordnung in die Struktur der OF gaben sie aber nicht auf.

Im Spätherbst und Winter 1942 musste die Partisanenbewegung in Kärnten einen schweren Rückschlag hinnehmen. Verantwortlich dafür war eine Kombination mehrerer Elemente. Die Nationalsozialisten hatten nach dem Gefecht bei Abtei ihre Präsenz südlich der Drau erhöht. Erste Erfolge zeigten sich bald, auch wenn sie auf zufälliger Natur beruhten. Die SS hatte, als sie offensichtlich auf der Spur des geheimen Netzwerks waren, am 15. September eine Tasche erbeutet, die in Besitz eines Partisans gewesen war.245 Durch den Inhalt der Tasche erfuhren

240 Prušnik Karel, Gemsen auf der Lawine (1980), S. 41. 241 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 202. 242 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 35. 243 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 44. 244 Baum Wilhelm, Wie ein im Käfig eingesperrter Vogel (2013), S. 126. 245 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 67. 62 die Ermittler von den Bewegungen der Partisanen und vom Vorgehen eines gewissen Johan, gemeint war Ţupanc. Die Tasche war jedoch nicht der einzige Hinweis den die Behörden finden konnten. Kurze Zeit später war es gelungen einen Untergrundkämpfer gefangen zu nehmen, den sie daraufhin zwangen, sie nahe der Ortschaft Ebriach, wo er operiert hatte, herumzuführen, und ihnen die Bauernhöfe zu zeigen, welche die Partisanen unterstützten.246 So gerieten auch Bauern und Bäuerinnen ins Fadenkreuz der Ermittlungen, welche zwar nicht der OF beigetreten waren, aber die Kämpfer mit Nahrung und Kleidung versorgt hatten. Zusätzlich gelang es den Behörden einige Spitzel ins geheime Netzwerk der OF einzuschleu- sen. Diese hatten einfach nur gegenüber Mitgliedern der Ortsauschüsse erwähnen müssen, dass sie interessiert daran seien, die Befreiungsbewegung zu unterstützen. Die Verhaftungs- welle begann Ende November, weil die Behörden noch auf ein großangelegtes Treffen der Vertrauenslaute der OF gewartet hatten, welches sie dann auffliegen lassen konnten. Helena Kuchar die ebenfalls von der Versammlung Bescheid wusste, aber nicht anwesend war, erinnerte sich folgendermaßen an die Vorgänge:247

Als die Deutschen draufkamen, dass immer mehr von unseren Leuten mit den Partisanen Verbindung bekamen, lockten sie sie mithilfe von zwei Gesta- pospitzeln in eine Falle: Während einer illegalen Versammlung in Ebriach um- stellte die Polizei das Haus. Viele wurden dort und in den Tagen danach ver- haftet.

Etwa zur selben Zeit, als die Verhaftungen beim Treffen in Ebriach eingesetzt hatten, began- nen auch Verhaftungen von Bauern und Bäuerinnen, welche mit dem Widerstand in Kontakt standen, und durch Erpressung verraten worden waren, oder anhand der Unterlagen ermittelt werden konnten. Anna Jug, zum damaligen Zeitpunkt noch Anna Olip, war Teil der verhafte- ten Personengruppe:248

Am 23.November 1942 wurde unsere ganze Familie arretiert und auf die Ge- stapo nach Klagenfurt gebracht. Es wurde verraten, dass unser Vater ein Jahr lang acht junge Männer, Deserteure, versteckt hielt und sie mit Nahrung ver- sorgte. Deswegen wurde mein Vater am 22.Juli 1943 zu fünf Jähren strenger Haft in der Strafanstalt Stein an der Donau verurteilt.

246 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 47. 247 In: Busch Thomas, Jelka (2009), S. 27. 248 Jug Anna, Ich war Nr. 20.373 in Ravensburg (2012), S. 17. 63

Unter den acht jungen Männern, von denen in diesem Auszug die Rede ist, waren auch Annas Brüder gewesen. Die Verhaftungswelle ging in den folgenden Tagen weiter. Dank der Infor- mationen aus der erbeuteten Aktentasche konnte am 1. Dezember ein Bunker ausgehoben werden, in dem sich die Gruppe grüner Kader um Thomas Olip versteckt gehalten hatte. Olip wurde gefangen genommen und im Bunker sein Tagebuch gefunden. Das Tagebuch enthielt die Namen oder zumindest Abkürzungen der Namen von weiteren Widerstandskämpfern und UnterstützerInnen, deren Beteiligung am Widerstand daraufhin nachgewiesen werden konnte. Einige Aussagen, die das Tagebuch enthielt, sollten später bei der Verhandlung gegen Thomas Olip als Beleg für seine feindliche Einstellung gegenüber dem Deutschtum dienen. So schrieb er am 6. Juni 1942 zum Beispiel: „Oh wann wird das Ende des Germanismus.“249 Allerdings ist das Tagebuch, oder die Übersetzung, die davon noch vorhanden ist, bei genaue- rer Durchsicht ein Beleg für die österreichisch-patriotische Einstellung einiger dieser grünen Kader. Am 11. Juli 1942 schrieb Olip etwa: „Waren alle sehr begeistert für die Freiheit des Vaterlandes, haben viel gesprochen“.250 Im Kontext wird ersichtlich, dass es sich hierbei um das Vaterland Österreich handelt, was wiederum gegen einen möglichen Anschluss Südkärn- tens an Jugoslawien nach dem Krieg spricht. Dieser Eindruck wird sogar noch verstärkt, als er im Verhörprotokoll nach seiner Verhaftung angibt: „Ich habe immer daran gedacht, dass Österreich wiederauferstehen und dass ich dann die Freiheit erlangen werde.“251 Dadurch zeigt sich, dass einige der Widerstandskämpfer, wie eben auch Thomas Olip, nach wie vor ihre Hoffnungen für die Zeit nach dem Krieg nicht auf Jugoslawien, sondern auf ein wiederer- richtetes unabhängiges Österreich setzten.

Als die Verhaftungswelle im Dezember 1942 endete, waren um die 200 Personen in Zusam- menhang mit widerständischem Verhalten verhaftet worden. Je nach Schwere des ihnen vorgeworfenen Verbrechens wurden sie dann an die verschiedenen Instanzen vermittelt. 36 Personen landeten vorm Volksgerichtshof, 43 Personen vorm Oberlandesgerichtshof in Wien, und 28 wurden ohne ein Verfahren in ein KZ überstellt.252 Der Rest wurde entweder nach der Verhaftung wieder frei gelassen, oder landete vor den kleineren Landesgerichten. Anna Jug, die sich wenig geständig bei den Verhören zeigte, gehörte am Ende zu den 28 Personen,

249 Eine Fassung des Tagebuchs, welches aus slowenischer in die deutsche Sprache übersetzt wurde, befindet sich als Abdruck in: Baum Wilhelm, Wie ein im Käfig eingesperrter Vogel (2013). Die slowenische Originalfas- sung ist mittlerweile verschollen, nur die deutsche Version ist noch verfügbar. Das angesprochene Zitat befindet sich im Buch des Herausgebers Wilhelm Baum auf Seite 20. 250 In: Baum Wilhelm, Wie ein im Käfig eingesperrter Vogel (2013), S. 30. 251 Baum Wilhelm, Wie ein im Käfig eingesperrter Vogel (2013), S. 150. 252 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 24. 64 welche direkt in ein Konzentrationslager, in ihrem Fall jenes in Ravensbrück, geschickt wurden: „Es waren ihnen alle Bunker bekannt, in denen sich Deserteure versteckt gehalten hatten. Ich fühlte, dass ich blass und blasser wurde. Aber ich leugnete weiter und wurde wohl deshalb in das KZ Ravensbrück geschickt“, schreibt sie.253 Die ins Konzentrationslager geschickten Personen erhielten in den Augen der Behörden eine geringere Strafe als jene, die vor dem Volksgerichtshof (VGH) landeten.

Der Volksgerichtshof mit dem Präsident Roland Freisler war, mit Ausnahme des Reichs- kriegsgerichtshofes, der höchstgestellte Gerichtshof und behandelte jene Fälle, die mit Lan- desverrat, Hochverrat oder Wehrkraftzersetzung zu tun hatten. Zieht man die Gesamtstatistik für die Prozesse wegen Widerstandsdelikten im Dritten Reich auf dem Gebiet des späteren Österreichs heran, so gab es, Volksgerichtshof und Oberlandesgerichtshof zusammengenom- men, rund 6300 Anklagen.254 Den größten Anteil daran hatten Verstöße, die von Personen oder Organisationen aus kommunistischem Umfeld, und regional gesehen, Verstöße die in Wien und der Steiermark begangen wurden. Kärntens Rolle im Widerstand wird aber deut- lich, wenn man einen genaueren Blick auf die Statistik der vor dem VGH zum Tode verurteil- ten Personen wirft. So kamen von den gesamtösterreichischen 814 hingerichteten Personen mehr als 100 aus Kärnten.255 Dies ergibt für Kärnten einen Anteil an über 12%, der weit über dem Bevölkerungsanteil Kärntens in Österreich lag. Nicht in dieser Statistik berücksichtigt sind allerdings Personen, wie die widerständischen Eisenbahner aus St. Veit, die Angehörigen der TIGR Gruppe, oder etwaige Deserteure, die vorm Reichskriegsgerichtshof verurteilt wurden. Auch die Zahl der in Folge der Kampfhandlungen oder in Konzentrationslager getöteten widerständischen Personen ist hierbei noch nicht inkludiert, welche die Gesamtzahl der durch das NS-Regime getöteten Personen in Kärnten auf 643 erhöht.256

Als Freisler die politische Brisanz des Falles, der sich um den Jahreswechsel 1942/43 ergeben hatte, erkannte, zog er den Fall an sich. Die Verhandlung des VGHs fand im Landgericht von Klagenfurt statt und stellte somit Freislers erste Dienstreise nach Klagenfurt dar.257 Es handel- te sich schlussendlich um einen politischen Schauprozess, denn die Kärntner NS-Stellen hofften, dass der Prozess ein Exempel statuieren würde, und somit die Moral der Südkärntner Bevölkerung, welche als potenzielle Unterstützer des Widerstands gefürchtet wurden, unter-

253 Jug Anna, Ich war Nr. 20.373 in Ravensburg (2012), S. 54. 254 Neugebauer Wolfgang, Der Österreichische Widerstand 1938-1945 (2013), S. 236. 255 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 10. 256 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 56. 257 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 71. 65 graben sollte. Dementsprechend hart waren auch die Verhöre und Verhandlungen im Vorfeld gewesen. Immer wieder beschwerten sich einige Angeklagte, dass Aussagen die vor Gericht zu ihrer Belastung vorgelegt wurden, nur durch Erpressungen und Misshandlungen zu Stande gekommen seien. Die Urteile, die Anfang 1943 von Roland Freisler ausgesprochen wurden, waren im Wesentlichen bereits vorher bekannt. Juri Pasterk, der die Partisanenzelle in Lobnig gegründet hatte, war einer derjenigen, die zum Tode verurteilt wurden. Seine Frau Katharina, ebenfalls eine der über 30 Angeklagten vor dem Volksgerichtshof, erlebte den Urteilsspruch wie folgt:258

Sie jagten uns in den Saal, dann kamen die Richter, wie schlimm das war, alle in diesen roten Mänteln, wie die Teufel kamen sie herein. 36 Angeklagte waren wir. Die, die sie zum Tod verurteilten, saßen in der ersten Reihe. Mein Mann saß vor mir. Ich weiß nicht mehr, wie es dort zuging, ich kann mich nicht mehr erinnern. Zum Schluss wurde das Urteil verlesen: ich bekam zuerst fünf Jahre, später wurde das auf drei Jahre reduziert. Der Jurij wurde zum Tode verurteilt. Ein Wächter im Arrest, der war noch so gut, dass er uns zusammenließ, ich saß dort, wie mein Mann aus der Zelle kam, in Ketten gelegt. Wir brachten beide nichts heraus. Das war unser letztes Treffen, vermutlich im April.

Insgesamt wurden 13 Todesurteile von den Richtern um Roland Freisler ausgesprochen und in den folgenden Monaten vollstreckt. Es war das erwartet harte Urteil, auf dass die NS- Behörden gewartet hatten, denn kurz nach Verkündung des Urteils begann die Propaganda- maschine auf Hochtouren zu laufen. Tausend leuchtend rote Plakate wurden im gemischtspra- chigen Gebiet verteilt und aufgehängt, die die Urteile gegen die widerständigen Personen verkündeten.259 Sie dienten zur Abschreckung der Bevölkerung, der klar gemacht werden sollte, was Personen erwartete die den Widerstand unterstützten. Auch die Zeitungen widme- ten den Urteilen große Aufmerksamkeit. Die Angeklagten wurden immer wieder als „Kom- munisten und Banditen“ diffamiert, in der Ausgabe der Kärntner Zeitung vom 12.4.1943 war sogar zu lesen, dass sie „Plünderungen und Mordanschläge verübten und vergewaltigten.“260 Der Zweck dieser Diffamierungen war eindeutig. Durch das Beschreiben der angeblichen Mordanschläge, Plünderungen und Vergewaltigungen sollten die Partisanen als Verbrecher und Banditen dargestellt werden, die den Freiheitskampf als Vorwand verwendeten, um die Bevölkerung zu terrorisieren. Durch die Verbindung zum Kommunismus, die durch die von

258 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 256f. 259 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 24. 260 Zitiert nach: Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 25. 66

Tito geführte OF in Jugoslawien auf der Hand lag, in Wirklichkeit aber in Kärnten eine äußerst kleine Rolle spielte, konnte man sich auch der grundlegenden Abneigung gegenüber dem Kommunismus in Kärnten bedienen. So konnte das Feindbild auch zu einem ideologi- schen Kriegsgegner gemacht werden.

Die Einschüchterungsversuche hatten kurzzeitigen Erfolg, nicht nur bei der deutschsprachi- gen, auch bei der slowenischsprachigen Bevölkerung. Sobald die Partisanen trotz der anfäng- lichen Furcht die Kontakte zur Bevölkerung wiederherstellen konnten, verschwand die Furcht schnell wieder und die Unterstützung wurde noch intensiver. Speziell die Kärntner SlowenIn- nen erkannten in immer größerer Zahl, dass die OF die einzige Möglichkeit bot, sich effektiv gegen die Unterdrückung der NS-Herrschaft zur Wehr zu setzen. Sowohl die Deportationen als auch die Urteile im Freisler-Prozess waren seitens der NS-Führung als Repressionsmaß- nahmen gedacht, führten aber nach einer kurzen Phase des Schocks zum Gegenteil, zu einer regelrechten Mobilisierung des Widerstandes, wie das nächste Unterkapitel zeigt.

3.3. Die Hochphase der OF in Kärnten

Der Wideraufbau des Netzwerkes der Osvobodilna Fronta in Kärnten begann noch bevor die Urteile im Freisler-Prozess bekannt waren. Zum Jahreswechsel des Jahres 1942 auf 1943 wurde im Mießtal, in der Untersteiermark, eine Partisanengruppe von der SS verfolgt. Um sich der Verfolgung zu entziehen, beschloss diese Gruppe, die aus ungefähr einem Dutzend Kärntner Slowenen bestand, über die alte Grenze nach Kärnten zu fliehen und sich dort zu verstecken.261 Als Zielort wählten sie das Gebiet rund um die Petzen nahe Bleiburg und kamen in den ersten Wochen immer wieder in Kontakt mit der dort lebenden Landbevölke- rung. Es gelang ihnen nicht nur für Nahrungsnachschub zu sorgen, sondern auch einige junge Bauern zu rekrutieren, die sich ihnen anschlossen. Als die kleine Gruppe zu Beginn des Jahres 1943 die Verbindungen zur Führungsebene der OF wiederherstellen konnte, erkannte diese, dass trotz der harten Repressionsmaßnahmen gegen die Südkärntner Bevölkerung ein Ausbau des Widerstandes möglich wäre. Im März wurden daraufhin Partisaneneinheiten aus Oberkra- in und der Untersteiermark nach Kärnten geschickt, um die erwähnte Gruppe der Kärntner Slowenen zu unterstützen. Da gleichzeitig beschlossen wurde, dass die neu formierte Gruppe in Kärnten bleiben sollte, wurde diese am 28.März zum ersten Kärntner Bataillon der OF

261 Luza Radomir, Der Widerstand in Österreich 1938-1945 (1985), S. 221. 67 ernannt.262 Das Bataillon bestand bei seiner Gründung aus 66 Partisanen und galt daher als Halbbataillon, man hoffte aber, dass es sich mit Hilfe der ansässigen Bevölkerung bald vergrößern könnte.

Zum Kommandanten des ersten Kärntner Bataillons wurde der Kärntner Slowene Franc Pasterk-Lenart bestellt. Dieser war erst im Juli 1942 während eines Fronturlaubs aus der deutschen Wehrmacht desertiert. Zuvor war er als Gebirgsjäger in Narvik im Einsatz gewe- sen, wo er, wie auch bei den Partisanen, sein militärisches Geschick, welches ausschlagge- bend für seinen schnellen Aufstieg in der Untergrundbewegung gewesen sein durfte, unter Beweis stellen konnte.263 In den Erinnerungen von Karel Prušnik findet sich ein Beispiel für das Vorgehen des ehemaligen Gebirgsjägers: „Irgendwo in Gorenjska drang er einmal, als deutscher Offizier verkleidet, in einen Gendarmeriestützpunkt ein, entwaffnete alle fünfzehn Gendarmen und beschlagnahmte so viel Waffen und Munition, dass man damit die ganze Partisaneneinheit ausrüsten konnte.“264 Unglücklicherweise sollte er das Amt des Bataillons- kommandanten nicht lange ausüben, denn im April wurde er bei einer Auseinandersetzung mit bewaffneten nationalsozialistischen Einheiten angeschossen, und verstarb kurze Zeit später an den Folgeerscheinungen seiner Wunde.265 Trotz seiner kurzen Zeit als Kommandant sollte seine Rolle im Widerstand aber nicht unterschätzt werden, denn er bestimmte mit seinem taktischen Plan auch das Vorgehen der Partisanen in den Monaten nach seinem Tode und bereits in den Wochen bevor er zum Kommandanten bestellt wurde, hatte die Präsenz des angesehenen Soldaten dazu beigetragen, dass sich weitere Personen dem Widerstand an- schlossen. Prušnik beschrieb den Tod des Kommandanten mit folgenden Worten: „Lenarts Tod war ein schwerer Schlag für die Befreiungsbewegung in Kärnten.“266 Zu seinem Nach- folger wurde Tomaţ Slapar ernannt, der im Mai nach dem Bekanntwerden der Urteile aus dem Volksgerichtshofprozess allerdings Schwierigkeiten hatte, die Bewegung zu vergrö- ßern.267 Aus diesem Grund musste er um Nachschub kämpfender Einheiten von jenseits der Karawanken bitten. Dieser Bitte wurde seitens der Führung nachgegeben, was ein rasantes Anwachsen des Kärntner Bataillons nach sich zog, aber auch die Tatsache, dass die Kärntner Slowenen im Bataillon gegenüber den Oberkrainer Slowenen in der Unterzahl waren. Störend wirkte sich dies aber in keiner Weise auf den Widerstand aus. Im August des Jahres 1943

262 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 153. 263 Pust Ingomar, Titostern über Kärnten (1984), S. 20. 264 Prušnik Karel, Gemsen auf der Lawine (1980), S. 84f. 265 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 204. 266 Prušnik Karel, Gemsen auf der Lawine (1980), S. 88. 267 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 154. 68 zählte das Kärntner Bataillon insgesamt 320 Partisanen, von denen allerdings einige unbe- waffnet waren.268 Etwa zur gleichen Zeit ließ der Schock unter der Bevölkerung über die Urteile aus dem Freisler-Prozess nach und die Rekrutierung nahm wieder Fahrt auf. In der zweiten Hälfte des Jahres 1943 schlossen sich auch einige wenige deutschsprachige Kärntner, fast ausnahmslos Deserteure der Wehrmacht, den Widerstandsgruppen unter der Leitung der OF an.

Erste Zwangsrekrutierungen wurden ebenfalls vorgenommen, speziell wenn es zu Auseinan- dersetzungen mit kleineren Einheiten des Polizeiapparates kam.269 Die Partisanen konnten, da sie im Untergrund operierten, keine Gefangenen machen. Aus diesem Grund gab es verschie- dene Arten wie mit Soldaten oder Polizisten umgegangen wurde, welche sich im Kampf ergeben hatten. Eine Möglichkeit war die Entwaffnung und anschließende Freilassung der gegnerischen Einheiten. Die Waffen wurden ohnehin dringend benötigt. Die zweite Art wurde bei Personen angewandt, die den Untergrundkämpfern bereits bekannt waren, oder als beson- ders gefährlich erachtet wurden: Diese wurden liquidiert.270 Die dritte und vermutlich kleinste Gruppe bildeten jene, die sich aus Furcht vor einer angedrohten Exekution den Partisanen- gruppen anschlossen. Unter der zivilen Bevölkerung waren tatsächliche Zwangsrekrutierun- gen äußerst selten, man bediente sich aber oft der Methode der scheinbaren Zwangsrekrutie- rung. Der zukünftige Partisan suchte selbstständig Kontakt mit den AktivistInnen oder Grup- pen der Osvobodilna Fronta. Um Kinder und Ehefrauen zu schützen, welche logischerweise nicht zu den kämpfenden Einheiten mitkommen konnten, wurde eine Vereinbarung getroffen. Für Außenstehende müsste es so aussehen, als wäre der zukünftige Partisan zum Beitritt zu den OF-Einheiten gezwungen worden. Nachts kamen die Einheiten unter möglichst großer Lärmbelästigung auf den Hof des Anzuwerbenden, um die Neugier der Nachbarn zu wecken. Eine vorgetäuschte Zwangsrekrutierung wurde vorgenommen, und am nächsten Tag konnte die Ehefrau, die zu meist über die tatsächlichen Hintergründe Bescheid wusste, oder auch Nachbarn bei der nächsten Polizeistelle vermelden, dass der Mitgenommene nicht freiwillig zu den Partisanen gegangen sei. Anton Haderlap beschrieb die scheinbare Zwangsrekrutie- rung seines Vaters folgendermaßen: „Für Außenstehende müsste der Eindruck entstehen, als hätte er keine Möglichkeit zur Flucht gehabt. Dadurch, so hoffte er, wäre seine Familie vor

268 Rausch Josef, Der Partisanenkrieg in Kärnten - abseits von Verklärung und Verteufelung. In: Die Vertreibung der Kärntner Slowenen. 2. und erweiterte Ausgabe, Brigitte Entner und Augustin Malle (Hrsg). Klagenfurt, Drava Verlag: 2012. S. 256-268, hier: S. 258. 269 Vgl. Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 419f. 270 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 302. 69

Repressalien der Polizei geschützt.“271 Mit zunehmender Zahl von gemeldeten Zwangsrekru- tierungen wurden die Polizeistellen skeptischer, und die Untersuchungsmethoden härter. Auch Anton Haderlaps Bruder wurde im Rahmen der Befragung zur Zwangsrekrutierung seines Vaters von den Behörden misshandelt.272

In der Propaganda der Nationalsozialisten war immer wieder die Rede davon, dass die Parti- sanen für den Kommunismus kämpfen würden, und auch der Anschluss Südkärntens an ein nach dem Krieg wieder errichtetes Jugoslawien wurde als eines ihrer Ziele ausgegeben. Betrachtet man dabei den Gründungsgedanken und die Pläne der Führungsebene der Os- vobodilna Fronta aus dem früheren Jugoslawien, so traf dies zweifelsohne zu. Betrachtet man allerdings die Motivationsgründe der kämpfenden Kärntner innerhalb der Einheiten, so ist dies falsch. Dass der Kommunismus speziell für Kärntner SlowenInnen eher abschreckend war, wurde an einer früheren Stelle bereits dargestellt, und auch ein möglicher Anschluss an Jugoslawien nach dem Krieg fand gemischten Anklang. Eine wissenschaftliche Untersu- chung, die feststellen könnte, wie viele der Kärntner Partisanen auf einen Anschluss Südkärn- tens an ein wiedererrichtetes Jugoslawien hofften, oder sich gar aus dieser Hoffnung allein dem Widerstand anschlossen, hat es bis heute nicht gegeben. Einige Auszüge aus Interviews schaffen es aber doch, etwas Licht auf die Sache zu werfen. So gibt Marko Wieser an, dass seine Motivation, dem Widerstand beizutreten, „Leben zu retten und den Hitler hin zuma- chen“ war.273 Er ergänzt wenig später auf die Frage nach einem möglichen Anschluss Südkärntens an Jugoslawien: „Das Ideologische [der Kommunismus, Anm. d. Verf.] war uns fremd, aber da [gemeint ist Österreich, Anm. d. Verf.] waren wir halt immer unterdrückt.“ Auch Ana Zablatnik rechtfertigt einen möglichen Anschlussgedanken mit der Tatsache, dass die Kärntner SlowenInnen in Österreich bzw. dem Dritten Reich unter der Unterdrückung zu leiden hatten: „Wir waren ja für den Anschluss zuerst, du kannst ja nur dort leben wo du leben darfst.“274 Einige der Kärntner SlowenInnen hofften aber immer noch auf ein unabhängiges Österreich nach dem Krieg, so meint Peter Dovjak über einen möglichen Anschluss nach dem Krieg: „Das wollten wir im Grunde nicht, das wollten mehr die Jugoslawen.“275

271 Haderlap Anton, Graparji (2011), S. 88. 272 Haderlap Anton, Graparji (2011), S. 89f. 273 Ausschnitt eines narrativen Interviews mit ehemaligen Kärntner PartisanInnen, welche vom Historiker Ernst Logar aufgezeichnet wurden. Die Interviews befinden sich gesammelt auf einer beigelegten DVD zum Werk: Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011). Die genannte Stelle ist nach 3h 36 min 55 sec (3:36:55) Laufzeit zu finden. 274 Begleit-DVD zum Werk: Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011), nach 4:06:10. 275 Begleit-DVD zum Werk: Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011)., nach 0:37:00. 70

Die Spaltung der slowenischsprachigen Bevölkerung hinsichtlich ihrer Nachkriegshoffnungen registrierte, zu ihrem Missfallen, auch die politische Führung der OF im ehemaligen Jugosla- wien. Die Tatsache, dass der Widerstand in Kärnten weder jugoslawisch, noch kommunistisch sondern antifaschistisch inspiriert war, lässt sich auch bei den Anwerbungen neuer Partisanen belegen. Apollonia Schellander erinnert sich, als sie wenige Monate vor Kriegsende von einer Gruppe Partisanen um Hilfe gebeten wurde, weder an kommunistische noch an gesamtslawi- sche Ideen unter den kämpfenden Einheiten sondern lediglich: „Die haben uns zugeredet, wir sollen ihnen helfen, dass wir den Hitler vertreiben.“276 Bei den (Zwangs-)Rekrutierungen, die an ehemaligen Soldaten vorgenommen wurden, wurde von den Kärntner Slowenen in den Einheiten sogar explizit für ein freies Österreich nach dem Krieg geworben. Janez Wutte gab in seinem Interview mit MitarbeiterInnen des DÖWs die Vorgehensweise bei Zwangsrekru- tierungen und die Auswahlmöglichkeiten für freiwillig und unfreiwillig aus der Wehrmacht desertierte Personen wieder:277

Wir fordern alle Soldaten auf, dass sie sich überlegen, ob sie weiter für Hitler und gegen die Freiheit Österreichs kämpfen wollen, oder sich einsetzen für die Freiheit Österreichs. […] Du hast zwei Möglichkeiten, entweder du entschei- dest dich für uns und kämpfst mit für ein freies Österreich, oder wir müssen dich hier auf der Stelle liquidieren, bevor du gegen uns kämpfst.

Nicht nur bei den Rekrutierungen, sondern auch bei der Betrachtung ihrer eigenen Tätigkeit geben ehemalige Partisanen an, für die Freiheit oder auch für Österreich gekämpft zu haben. Johann Petschnig meint: „Niemand kann behaupten, dass ich nicht für Österreich gekämpft habe. […] Das war ja nicht die Frage ob für Österreich, ob für Jugoslawien. Der Kampf ging gegen den Faschismus, darum, Hitler zu vernichten.“278 Ähnlich beschreibt Florian Smrtnik, der sich wegen seines jungen Alters nicht den Partisanen anschließen konnte, die Untergrund- kämpfer: „Bei uns waren Partisanen heimische Leute, die Nachbarn. Das waren keine Tito- Partisanen. Das war ein Abwehrkampf, jeder hat sich retten wollen. Bevor er in den Krieg für den Hitler gegangen ist, ist er zu den Partisanen, automatisch.“279

276 Begleit-DVD zum Werk: Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011), nach 1:54:40. 277 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 433. 278 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 446. 279 Begleit-DVD zum Werk: Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011), nach 2:39:50. 71

Unabhängig der Motivationsgründe, sich den OF-Partisanen anzuschließen, kann für die zweite Jahreshälfte des Jahres 1943 festgestellt werden, dass der Widerstand nicht nur in der Anzahl der beteiligten Personen wuchs, sondern auch die Anzahl der verübten Aktionen anstieg. Verkehrswege, Kommunikationswege, Zugverbindungen, Patrouillen und kleinere Basen der Polizei und SS wurden angegriffen.280 Zusätzlich gerieten immer öfter Fabriken und Produktionsstätten ins Visier der Partisanen, die hofften, dadurch die Kriegsmaschinerie des Dritten Reiches zu verlangsamen. Versorgungswerke wie das Elektrizitätswerk in Ebriach wurden ebenfalls angegriffen, um die Stromversorgung für kriegswichtige Fabriken zu stö- ren.281 Die Lage südlich der Drau wurde für die nationalsozialistische Führung so bedenklich, dass eine Urlaubssperre für diese Gebiete verhängt wurde.282

Im Herbst 1943 führte die veränderte Kriegssituation durch den Waffenstillstand, den Italien mit den Alliierten unterzeichnete, paradoxerweise zu einer Schwächung des bewaffneten Widerstandes in Kärnten.283 Der Grund dafür lag darin, dass jene Gebiete des Unabhängigen Staates Kroatien und des späteren Slowenien, die von den Italienern verwaltet worden waren, nun stärker unter die Kontrolle der Ustaše oder der Nationalsozialisten fielen. Tito glaubte, dass das Regime der Ustaša mit der zusätzlichen Kontrolle überfordert sein könnte. Dies wiederum sollte den Weg für eine Stärkung des Widerstandes ebnen, und deshalb sollten möglichst viele Partisanen auf dem Gebiet des späteren Kroatiens eingesetzt werden. In Kärnten kam es daher immer wieder zu einer Restrukturierung des Kärntner Bataillons, bis es im Dezember auf zwei Bataillone aufgespalten wurde.284 Das erste, weit größere Bataillon, das beinahe sämtliche Oberkrainer Partisanen beinhaltete, die im Frühsommer nach Kärnten gekommen waren, wurde nach Süden geordert, und das zweite, 80 Mann starke Bataillon, wurde in drei Kompanien gespalten, die weiterhin im Südosten Kärntens operieren sollten. Gleichzeitig kam es auch zu einer stärkeren Spaltung zwischen militärischen und politischen Aufgaben innerhalb der OF in Kärnten. Während bis zu diesem Zeitpunkt die Devise galt, dass Partisanen auch als Aktivisten tätig sein sollten, und Unterstützung in der Bevölkerung sichern mussten, war das neuformierte Bataillon nur mehr für den bewaffneten Widerstand zuständig. Um die Unterstützung in der Bevölkerung und das Gründen und Etablieren von Ausschüssen kümmerten sich nun rein die AktivistInnen, die nicht zum Bataillon zählten.

280 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 203. 281 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 156. 282 Prilasnig Fabian, Die slowenische Minderheit in Kärnten (2007), S.23. 283 Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 – 1945 (2000), S. 277. 284 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 160. 72

Noch vor der quantitativen Verkleinerung der Einheiten kam es im Jahre 1943 zur flächenmä- ßigen Ausbreitung des Widerstands. Bis zu diesem Zeitpunkt beschränkte sich das Aktions- gebiet der Partisanen auf den Südosten Kärntens, begrenzt durch die Drau im Norden und die Loiblstraße zum Pass im Westen. In das Gebiet westlich dieser Straße wurde im Frühsommer 1943 der Aktivist Matija Verdnik-Tomaz geschickt, der zwar bereits im Jahr zuvor hier gewesen war, allerdings beim Werben für den Widerstand wenig erfolgreich war.285 Kurzzei- tig saß er sogar in Haft, kam aber im Februar 1942 aus Mangel an Beweisen gegen ihn wieder frei.286 1943 gelang es ihm nun Kontakte zu Kärntner SlowenInnen und zu deutschsprachigen AntifaschistInnen, zumeist KommunistInnen, zu knüpfen. Einige Partisanen folgten ihm dann in den folgenden Wochen nach Kärnten. Ihre Aufgabe im Gebiet beschränkte sich aber auf politische Aufgaben wie das Anwerben von widerständigen Ansässigen und das Werben für Unterstützung der zukünftig in diesem Gebiet operierenden OF-Einheiten. Eine Ausnahme bildete dabei die Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1943. Verdnik hatte bei seinen Streifzügen im Rosental, wo er auch in Feistritz vorbeikam, bemerkt, dass die Präsenz der bewaffneten nationalsozialistischen Einheiten hier sehr gering war. Er empfahl daraufhin bei seinem nächsten Besuch des Stabes in Oberkrain einen Angriff auf Fabriken und Produktionsstätten in der Stadt.287

Das Kommando kam dieser Empfehlung nach und schickte ungefähr 70 bewaffnete Kämpfer aus Oberkrain, unter ihnen auch einige Kärntner Slowenen, über das Bärental nach Ferlach. Dort angekommen brannten sie das Sägewerk Götz nieder, beschädigten sowohl ein Elektrizi- tätswerk, als auch die Akkumulatorenfabrik Jungfer, und befreiten insgesamt 41 russische Zwangsarbeiter, von denen sich einige den Partisanen anschlossen und der Rest später wieder von NS-Truppen eingefangen wurde.288 Es war eine der größten und erfolgreichsten Aktionen der Partisanen während des gesamten Krieges in Kärnten, denn aufgrund des Überraschungs- momentes hatten die Partisanen keine Verluste zu beklagen. Nach der Aktion kehrten die kämpfenden Einheiten wieder über den Karawankenkamm in den Süden zurück. Als Antwort auf die Vorgänge erhöhten die Nationalsozialisten im Westen Kärntens ihre Präsenz, nicht wissend, dass die Partisanen für die nächsten Monate hier keine weiteren Aktionen geplant hatten. Die einzige Gruppe, die hier operierte, war, wie vor dem Angriff, jene um Matija Verdnik-Tomaz, die sich von militärischen Operationen fernhielt und nur politisch aktiv war.

285 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 410. 286 Prušnik Karel, Gemsen auf der Lawine (1980), S. 37. 287 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 57. 288 Rausch Josef, Der Partisanenkrieg in Kärnten – abseits von Verklärung und Verteufelung (2012), S. 258. 73

Wie erwähnt änderte sich die Lage für die Partisanen mit der Kapitulation Italiens. Wenige Wochen bevor hunderte Kämpfer aus dem Osten Kärntens abgezogen werden sollten, wurde in Čerkno jedoch die Bildung eines Westkärntner Verbandes beschlossen, der sich daraufhin, aus 17 Partisanen bestehend, ins Rosental begab.289 Der Plan war, ähnlich jenem für das Kärntner Bataillon im Osten des Landes, dass die kleine Gruppe zuerst die Unterstützung der Bevölkerung suchen sollte, dadurch im Laufe der Zeit anwachsen würde, und im Falle von größeren Operationen Unterstützung aus Oberkrain erhalten sollte. Probleme ergaben sich allerdings durch die Tatsache, dass, im Gegensatz zum Osten Kärntens, die Bevölkerung nicht in solch großem Ausmaß hinter der Partisanenbewegung stand. Deswegen musste die Füh- rung der Osvobodilna Fronta reagieren, und trotz des Plans möglichst viele verfügbare Partisanen zum Widerstand gegen das Ustaša-Regime in Kroatien heranzuziehen, Oberkrainer Partisanen im Frühjahr 1944 nach Kärnten schicken. Diese stellten im Westkärntner Verband, der ähnlich wie das Bataillon im Osten auf drei Kompanien aufgeteilt wurde, nun eine deutliche Mehrheit. Allerdings waren auch Kärntner Slowenen, einige wenige deutschspra- chige Kärntner, und einige befreite russische Kriegsgefangene, die sich den Partisanen ange- schlossen hatten, unter den Kämpfern zu finden.290 Einige Gruppen des Verbandes weiteten ihr Aktionsgebiet zu Beginn des Jahres 1944 auf das Gailtal aus.

Im Osten des Landes wurde im Februar das Kärntner Bataillon, das in wenigen Monaten durch Zuwachs aus der ansässigen Bevölkerung von 80 auf 140 Mitglieder angewachsen war, erneut umstrukturiert und zum Ostkärntner Verband umbenannt.291 Gegen Ende des Jahres 1943 hatte sich mit Ivana Sadolšek-Zala auch die erste Frau den bewaffneten Einheiten angeschlossen.292 In den folgenden Monaten sollten sich noch weitere Frauen anschließen, und die Kärntner Partisanen somit ab Beginn des Jahres 1944 zu den Kärntner PartisanInnen machen. Wenige Tage nach der Umstrukturierung zum Ostkärntner Verband kam es auch zur Bildung der Kärntner Verbändegruppe, der sowohl der Ostkärntner als auch der Westkärntner Verband angehörten, und die durch Koordination und Absprachen ein besseres Zusammenar- beiten der Kompanien und einzelnen Gruppen aus beiden Verbänden ermöglichte. Von der Führung der Verbändegruppe beschlossen wurde unter anderem der Angriff auf die SS- Luftabwehreinheit am Hochobir.293 Der Hochobir lag genau unterhalb der Flugroute, die alliierte Piloten von Italien aus einschlugen, wenn sie deutsche Städte angriffen, und war

289 Rausch Josef, Der Partisanenkrieg in Kärnten – abseits von Verklärung und Verteufelung (2012), S. 258. 290 Luza Radomir, Der Widerstand in Österreich 1938-1945 (1985), S. 222. 291 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 165f. 292 Entner Brigitte, „Komm, miß dich mit uns, in die Wälder dich trau!“ (2013), S. 33. 293 Der Hochobir ist mit über 2100m der höchste Berg der nördlichen Karawankenkette. 74 dadurch bedingt Standort einer der größten und wichtigsten Luftabwehreinheiten der Natio- nalsozialisten in Kärnten.294 Ungefähr 40 Soldaten der Wehrmacht waren in der Nähe des Gipfels stationiert und standen Ende Mai 1944 einer ähnlich großen Gruppe von Kärntner PartisanInnen gegenüber, die, nachdem sie eine Versorgungskolonne überraschten und stopp- ten, den Versorgungsweg zur Station abschnitten und die NS-Truppen somit zur Räumung des Stützpunktes zwangen.

Eines der großen Ziele der Verbändegruppe war zweifelsohne die räumliche Ausbreitung des Widerstandes auf die Gebiete nördlich der Drau und somit auf Gebiete in denen nur mehr wenige Kärntner SlowenInnen anzufinden waren. Im Westen des Landes, wo die Drau leich- ter zu überwinden ist, kam es bereits im Frühjahr zu einzelnen Überquerungen durch Kampf- truppen, allerdings konnten sich diese nicht festsetzen, da es an Unterstützung mangelte. Im Osten breitete sich die OF im Juni 1944 über die Drau aus.295 Zwei Gruppen des Ostkärntner Verbandes überquerten den Fluss mit Hilfe von Schlauchbooten und versuchten, zu Beginn unabhängig voneinander, die Bevölkerung zum Widerstand zu aktivieren. Zusätzlich versuch- ten sie mit Deserteuren, die sich in den Wäldern versteckten, Kontakt aufzunehmen. Die Operationen im Norden, die bis nach Wolfsberg und St.Veit an der Glan reichten, waren jedoch erwartungsgemäß schwieriger als jene im Süden des Landes. Immer wieder kam es zu Rückschlägen, dennoch konnten sich die PartisanInnen in einigen Gebieten festsetzen und UnterstützerInnen finden.296

Die Kärntner Verbändegruppe war zu dieser Zeit im Südosten des Landes am stärksten vertreten, jedoch auch im Westen und Norden langsam im Wachsen begriffen. Im Spätsom- mer 1944 waren bis zu 1000 KämpferInnen in Kärnten stationiert, mindestens 700 davon dauerhaft. Etwas weniger als die Hälfte dieser 700 PartisanInnen waren Kärntner SlowenIn- nen, den Rest bildeten Einheiten aus Oberkrain, der Untersteiermark, einige deutschsprachige Österreicher, und einige ehemalige Kriegsgefangene, hauptsächlich Russen aber auch Franzo- sen, Polen und Tschechen.297 Das erfolgreiche Anwachsen des Widerstandes brachte Proble- me mit sich, denn war die Bewaffnung der kleinen Truppen zu Beginn noch ausreichend gesichert, so war die Situation nun eine andere. Der Westkärntner Verband verfügte im Juni über 11 Maschinengewehre, 28 Maschinenpistolen und 91 Gewehre, der Ostkärntner Verband

294 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 167. 295 Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 – 1945 (2000), S. 276. 296 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 203. 297 Amann Klaus, Siegreiche Verlierer (2013), S. 18. 75 zur gleichen Zeit über 15 Maschinengewehre, ebenfalls 28 Maschinenpistolen und 160 Gewehre.298 Helena Kuchar, zu diesem Zeitpunkt geheime Aktivistin der OF, erinnert sich an das Eintreffen einer neu formierten Partisanengruppe zwischen Zell Pfarre und Eisenkappel: „In dieser Zeit kam ein ganzes Partisanenbataillon in unsere Nähe. Mehr als fünfzig Mann. Viele junge Burschen hatten sich den Partisanen angeschlossen, aber es fehlte an allem, manche hatten noch nicht einmal eine Waffe.“299 Um für eine bessere Bewaffnung zu sorgen, wurden gezielt Landwachteinheiten überfallen und entwaffnet, dennoch war im September 1944 noch ein großer Teil der sogenannten bewaffneten Einheiten unbewaffnet. Da kam die Hilfe der alliierten Partner sehr gelegen.

Bereits ab 1941 hatte die britische SOE, die Special Operations Executive, welche die TIGR Gruppe um Alois Knes unterstützt hatte, erkannt, das eine Widererrichtung eines unabhängi- gen Österreichs das beste strategische Mittel zum Brechen der deutschen Hegemonie in Mitteleuropa wäre.300 Das Aufkommen des Widerstandes in Kärnten lieferte nun die passende Möglichkeit an der Erreichung dieses Ziels mitzuwirken. Begünstigt wurde das auch noch dadurch, dass sich die KommunistInnen in Jugoslawien als die effektivste Widerstandsgruppe herausgestellt hatten, was ihnen die Unterstützung von Seiten der Alliierten, die 1943 voll- ends von den Tschetniks auf die PartisanInnen umgesprungen waren, einbrachte.301 Auf der Konferenz von Teheran im November und Dezember 1943 hatten die Alliierten nicht nur beschlossen, den Einfluss auf Jugoslawien zwischen der Sowjetunion und Großbritannien gerecht aufzuteilen, sondern auch, dass die PartisanInnen mit Waffen versorgt werden wür- den, und dass die Osvobodilna Fronta als kriegsführender Partner anerkannt wurde.302 Somit galten auch die Kärntner SlowenInnen, die Führungspositionen innerhalb der OF innehatten, als offizielle Verbündete der Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Die Moskauer Deklaration, die Österreichs eigenen Beitrag zur Befreiung vom Nationalsozialismus forderte, sollte dadurch nach dem Kriegs als erfüllt angesehen werden.

Die Waffenlieferungen der Alliierten, hauptsächlich der Briten, auf Kärntner Boden begannen in der ersten Hälfte des Jahres 1944. Auch Ausrüstungsgegenstände und Medikamente oder Verbandszeug wurden aus den Flugzeugen mit Hilfe von Fallschirmen abgeworfen.303 Die

298 Rausch Josef, Der Partisanenkrieg in Kärnten – abseits von Verklärung und Verteufelung (2012), S. 260. 299 Busch Thomas, Jelka (2009), S. 51. 300 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 69. 301 Hehn Paul, Serbia, Croatia and Germany 1941-45: Civil War and Revolution in the Balkans, 1971, S. 357. 302 Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011), S. 11. 303 Amann Klaus, Siegreiche Verlierer (2013), S. 19. 76

SOE forderte aber mehr als nur den Abwurf von Material und Waffen, sie wollte direkt an der Unterstützung beteiligt sein, auch im Hinblick auf den zukünftigen Machtkampf zwischen dem Westen und dem Osten, der sich für die Zeit nach dem Krieg abzeichnete. Bereits in den Wintermonaten nach der Konferenz von Teheran im November 1943 wurden 39 Fallschirm- springer mit dem Auftrag sich nach Kärnten zu begeben, über Slowenien abgelassen.304 Einer von ihnen war der Kärntner Alois Knes, der zum SOE-Agenten ausgebildet worden war. Er sollte nicht der letzte (österreichische) SOE-Agent bleiben, der mit dem Fallschirm absprang. Die Briten wollten mit Hilfe der PartisanInnen gezielt deutschsprachige Widerstandsgruppen in Kärnten formieren und diese dann ausbilden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem die Mission Clowder, geführt von Major Peter Wilkinson, die es tatsächlich schaffte einen ihrer Mitarbeiter, Major Alfgar Hesketh Prichard, mit Hilfe der Kärntner PartisanInnen in das nördliche Kärnten zu schleusen.305 Die Mission endete aber, da Prichard aus bis heute ungeklärten Gründen auf Befehl des Sekretärs der KPS, Franc Leskosek, von einem Oberkra- iner Slowenen ermordet wurde.306

Nachdem die Bewaffnung der Partisaneneinheiten in Kärnten wieder weitestgehend gesichert war, kam es im September 1944 ohne Vorwarnung zur Auflösung der Kärntner Verbände- gruppe. In Jugoslawien, vor allem im Bereich des späteren Serbien, ging die Befreiung vom Nationalsozialismus zügig voran, und Tito beschloss so viele Truppen wie möglich zur Unterstützung der Roten Armee, welche sich kontinuierlich Richtung Belgrad vorbewegte, zu entsenden. Die rund 680 kämpfenden PartisanInnen, unter ihnen ungefähr ein Dutzend Frau- en, die in Kärnten zurückblieben, bildeten 5 Bataillone.307 Diese Bataillone formten den mit 29. September 1944 neu gegründeten Kärntner Verband, der bis Kriegsende bestehen sollte und in dem nun Kärntner SlowenInnen die deutliche Mehrheit stellten.

3.4. Jenseits der kämpfenden Einheiten

Die kämpfenden Einheiten der Osvobodilna Fronta waren in Kärnten, gleich wie im ehemali- gen Jugoslawien, sehr stark von der Unterstützung durch die Landbevölkerung und von zivilen MitarbeiterInnen der OF abhängig, ohne die sie wohl nicht überleben hätten können. Während anfänglich noch viele Partisanen eine Doppelfunktion innehatten und sowohl als

304 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 196. 305 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 193. 306 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 204. 307 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 211. 77 sogenannte politische Aktivisten, als auch als kämpfende Einheiten im Einsatz gewesen waren, änderte sich dies mit der Zeit. Spätestens durch das Anwachsen der kämpfenden Einheiten auf Kompanie oder gar Bataillonsgröße, kam es zu einer Aufteilung des Wider- stands in jene Personen, die sich den kämpfenden Einheiten anschlossen, und jene, die sich im Untergrund um die Versorgung dieser Einheiten und um politische Angelegenheiten kümmer- ten.

Die politischen AktivistInnen in Kärnten standen in ständigem Kontakt mit den AktivistInnen aus dem Oberkrainer Gebiet. Sie versuchten dennoch bereits früh den Widerstand in Öster- reich auszubreiten, und suchten Kontakte zu anderen widerständischen Gruppierungen, wie den illegalen VertreterInnen der KPÖ. Gebietsmäßig war die Arbeit der Kärntner AktivistIn- nen in drei Kreise unterteilt. Die AktivistInnen eines Kreises, manche von ihnen lebten im Untergrund, andere waren noch scheinbarer Teil der gewöhnlichen Bevölkerung, versuchten konstant den Kontakt zu anderen AktivistInnen innerhalb des Kreises aufrecht zu halten. Die Kreise nannten sich der Jauntaler, der Klagenfurter oder Rosentaler, bzw. der Villacher oder Gailtaler Kreis.308 Der Zuspruch der Bevölkerung war sicherlich zu Beginn im Jauntaler Kreis, der den größten Teil des gemischtsprachigen Gebietes umfasste, am größten. Einer der dort stationierten Aktivisten war Ivan Ţupanc-Johan, der bereits bei der Ausbreitung des Widerstandes auf Kärnten eine tragende Rolle eingenommen hatte. In einem Bericht an die OF-Führung in Oberkrain im Oktober 1943 berichtete er, dass obwohl die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung den Nationalsozialismus in seinem Gebiet nicht mehr unterstütze, und die PartisanInnen ausgezeichneten Rückhalt in der Bevölkerung zu verzeichnen hätten, die Bevölkerung dem Kommunismus gegenüber noch immer äußerst ablehnend eingestellt wäre.309

Im Laufe des Jahres 1944, als sich der Widerstand ausbreiten konnte, folgte eine Umstruktu- rierung der Gebietseinteilung der AktivistInnen in Kärnten unter dem neuen Sekretär des Gebietsausschusses der OF für Kärnten, dem Kärntner Slowenen Karel Prušnik-Gašper. Gegen Ende des Jahres war Kärnten in fünf Bezirke aufgeteilt: Völkermarkt, Bleiburg, Kla- genfurt, Villach, und Arnoldstein mit sämtlichen Gebieten des westlichen Gailtales. Allein der Bezirk Klagenfurt, der gleich der anderen Bezirke noch in Unterbezirke unterteilt wurde,

308 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 75, S. 97, und S. 116. 309 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 77. 78 hatte über 200 politische AktivistInnen vorzuweisen und war von der Menge der AktivistIn- nen her, der größte Bezirk.310

Die Arbeit der politischen AktivistInnen war eine sehr vielfältige. Sie warben für den Wider- stand, organisierten Ausschüsse, versuchten Verbindungen zu anderen AktivistInnen aufrecht zu erhalten, sammelten Sanitätsmaterial, verteilten Flugblätter, gewährten verletzten oder frierenden PartisanInnen Unterkunft und sammelten in ihren Dörfern Lebensmittel für die kämpfenden Einheiten.311 Jene AktivistInnen, die bei ihren Nachbarn und in der näheren Umgebung Lebensmittel aufzutreiben versuchten, erhielten sogar einen speziellen Sammel- namen, und waren als Schnorrpatrouille bekannt.312 Während es innerhalb der kämpfenden Einheiten nur wenige Frauen gab, gab es unter den AktivistInnen mehr weibliche als männli- che Personen.313 Viele von ihnen hatten sich der Befreiungsbewegung angeschlossen, weil sie so die Möglichkeit hatten, ihre Männer, die „in den Wald gegangen waren“, zu unterstüt- zen.314 Brigitte Entner beschreibt die Bedeutung der Frauen für den Widerstand folgenderma- ßen: „Denn sie waren es, die – in der Legalität lebend – wesentlich dazu beigetragen hatten, dass die Infrastruktur für die kämpfenden Einheiten aufrecht erhalten werden konnte.“315 Jedoch waren nicht nur die kämpfenden Einheiten auf die AktivistInnen angewiesen. Fami- lien, die in wirtschaftliche Not gerieten da sich ihre Ernährer den PartisanInnen angeschlossen hatten, wurden in manchen Fällen sogar mit finanziellen Mitteln, die in der Gemeinde ge- sammelt wurden, unterstützt. Das Fragen nach Unterstützung glich oft einer Sisyphusarbeit, denn die Bevölkerung war selbst strengen Einschränkungen und Kontrolle seitens des natio- nalsozialistischen Apparates unterworfen. So durfte pro Jahr von den Bauern nur eine be- stimmte Menge an Schweinen geschlachtet werden und diese Menge reichte oft für die Familien selbst kaum aus. Helena Kuchar, eine Aktivistin die bis zum Jahr 1944 ebenfalls versuchte Nahrungsmittel für die PartisanInnen zu sammeln, erinnerte sich an die Antworten die sie von einigen Bauern bekam: „Alles haben wir schon für die Partisanen hergegeben, und noch immer ist kein Ende. Was sitzt ihr noch immer in unseren Bergen herum, statt ins Tal hinunter zu gehen, die Schwaben verjagen?“316 Im Allgemeinen jedoch war die Unterstützung der Bevölkerung sehr großzügig. Wie viele Menschen die Befreiungsbewegung auf diese

310 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 138. 311 Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 – 1945 (2000), S. 278. 312 Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 349. 313 Entner Brigitte, „Komm, miß dich mit uns, in die Wälder dich trau!“ (2013), S. 43f. 314 Entner Brigitte, „Komm, miß dich mit uns, in die Wälder dich trau!“ (2013), S. 43. 315 Entner Brigitte, „Komm, miß dich mit uns, in die Wälder dich trau!“ (2013), S. 34. 316 Busch Thomas, Jelka (2009), S. 88. 79

Weise tatsächlich unterstützten, ist aufgrund der Geheimhaltung, die dafür notwendig war, schwer einzuschätzen, es waren jedoch mit Sicherheit einige Hunderte. In seltenen Fällen wurden konkrete Zahlen bekannt, so konnte die Gruppe der lokalen Aktivistin Magdalena Opitz, die neun Mitglieder umfasste, sich auf mindestens 25 geheime UnterstützerInnen verlassen.317

Die Zahl der großen UnterstützerInnen, die nicht zur offiziellen Gesamtzahl der OF- PartisanInnen in Kärnten gezählt werden, ist auch deshalb so beeindruckend, weil mit Fortbe- stand des Widerstands die Repressionsmaßnahmen gegen eben diese UnterstützerInnen der Befreiungsbewegung immer härter wurden. Seit Beginn des Jahres 1944 reichte der bloße Verdacht eines Kontakts mit der OF-Bewegung aus, um wegen Hochverrats angeklagt oder direkt in ein KZ verschleppt zu werden. Heutige Schätzungen gehen davon aus, dass mindes- tens 420 Personen von diesem Schicksal betroffen waren und wegen Unterstützung des Widerstandes in ein Konzentrationslager geschickt wurden.318 Die Repressionsmaßnahmen des Machtapparates endeten aber nicht bei widerständigen Personen. Um noch größere Abschreckung zu erzielen, wurden auch Angehörige dieser Personen zur Rechenschaft gezo- gen. Ab 1944 wurden „Angehörige von vermeintlichen, gefallenen, gefangen genommenen oder hingerichteten Widerstandsaktivisten ebenfalls entschädigungslos enteignet und in spezielle Lager nach Bayern verbracht.“319 Diese Maßnahme wirkte sich aber nur mehr bedingt auf den Rückhalt des Widerstandes in der Südkärntner Bevölkerung aus, denn seit dem August des Jahres 1944 konnte die OF in Kärnten verstärkt eigene Propaganda einsetzen. Das Landeskomitee für Kärnten hatte es geschafft, in einem Bunker in der Nähe von Feistritz eine illegale Druckerei einzurichten. In ihr wurden bis zum Ende des Jahres sowohl slowe- nisch- als auch deutschsprachige Zeitungen wie der Slovenski porocevalec und Die Einheit gedruckt.320 Für die Verteilung dieser Zeitungen waren ebenfalls die AktivistInnen zuständig. Neben Zeitungen wurden weiterhin Flugblätter produziert und verteilt. Die Flugblätter ent- hielten Mitteilungen über die Verbrechen der Nationalsozialisten, das bevorstehende Kriegs- ende, die Befreiung Österreichs oder aktuelle Nachrichten über den Kriegsverlauf.

Die Tätigkeit der AktivistInnen erstreckte sich also in der Tat auf viele Aufgabenbereiche, einer jedoch wurde, entgegen ihrer Bezeichnung als politische AktivistInnen, vernachlässigt.

317 Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten (2011), S. 54. 318 Amann Klaus, Siegreiche Verlierer (2013), S. 20. 319 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 25. 320 Luza Radomir, Der Widerstand in Österreich 1938-1945 (1985), S. 223. 80

Die AktivistInnen, speziell jene wie Karel Prušnik, die Ausbildungszwecken zu Folge immer wieder Zeit in Oberkrain verbracht hatten, waren dem Kommunismus und einem möglichen Anschluss Südkärntens an Jugoslawien nach dem Krieg gegenüber positiver eingestellt als die KämpferInnen in den Partisaneneinheiten und die restliche Bevölkerung des Landes. Prušnik schrieb etwa in seinen Erinnerungen von der Notwendigkeit für eine „wirtschaftliche, kultu- relle und politische Selbständigkeit“ der Kärntner SlowenInnen.321 Auf die Arbeit der Aktivis- tInnen hatten Ideen wie diese jedoch wenig Einfluss, da sie zu wenig Anklang in der Bevölke- rung fanden. Der Aktivist Janez Pečnik-Krištof schätzte, dass nur rund ein Drittel der slowe- nischsprachigen Bevölkerung in Kärnten einem möglichen Anschluss Südkärntens an Jugo- slawien positiv gegenüber stand.322 Obwohl man in den Führungsetagen der OF zunächst hoffte, dass sich die Zuneigung gegenüber dem Kommunismus in Südkärnten erhöhen wurde, musste man bald erkennen, dass eine Forcierung des kommunistischen Elements oder der nationalen Frage sich kontraproduktiv auf eine Unterstützung des Widerstandes in Kärnten auswirken könnte. In einer Weisung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Slowe- niens, welche die Führungsrolle im Oberkrainer und Kärntner Operationsgebiet innehatte, wurden die AktivistInnen angewiesen nicht nationale oder ideologische Überlegungen, sondern rein antifaschistische Punkte zu vertreten. Außerdem sollten sie unter keinen Um- ständen eine „Diskussion über die Zugehörigkeit des zweisprachigen Kärnten nach dem Krieg beginnen.“323 Diese Weisung, die komplett konträr zu den Gründungsforderungen der OF und der politischen Linie der kommunistischen Partei in Slowenien und Gesamtjugoslawien war, zeigt eindeutig, dass sich der Widerstand in Kärnten vom Widerstand in Jugoslawien unter- schied, und dass die Ziele der OF-Führung nicht gleichbedeutend mit den Zielen der Kärntner PartisanInnen und Widerständigen war.

Im Winter 1943/44 kam es in Kärnten noch zur Herausbildung einer dritten Gruppe neben AktivistInnen und bewaffneten Einheiten innerhalb des OF-Widerstandes, den Kurieren. Die Kuriere waren von großer Wichtigkeit für das Netz des Widerstandes, da es der OF in der schwer zugänglichen bergigen Region Kärntens weitgehend unmöglich war, auf eine Vernet- zung mit Hilfe von Funkgeräten zurückzugreifen. Die Kuriere beförderten Post für Aktivis- tInnen und die Bataillone, sie beförderten aber auch einzelne Personen, wie FunktionärInnen, PartisanInnen und befreite Kriegsgefangene entlang geheimer Wege. Ebenso wurden von

321 Prušnik Karel, Gemsen auf der Lawine (1980), S. 199. 322 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 77. 323 Anleitung des ZK der KPS an das Gebietskomitee der KPS für Kärnten vom 5.2.1944. Eine deutsche Über- setzung findet sich in Auszügen in: Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 374ff. 81 ihnen abgeschossene alliierte Piloten, denen es gelungen war, rechtzeitig abzuspringen, über die Berge nach Slowenien und Italien und somit zurück zu ihren Armeen geschleust. Um diese Aufgaben zu bewältigen, war eine große Anzahl an Kurieren notwendig. Ab dem Frühjahr 1944 gab es in Kärnten 12 Kurierstationen, die mit jeweils ungefähr zehn Mann und einem eigenen Kommandanten besetzt waren.324 Die Kurierstationen bestanden zumeist aus einem in die Erde eingelassenen Bunker, dessen Standort nicht einmal den Kurieren anderer Stationen bekannt war. Anton Haderlap, der als Jugendlicher kurze Zeit bei den Kurieren verbrachte, beschrieb den Bunker in seinem Werk folgendermaßen: „Niemand durfte ihn betreten, außer denjenigen, die dort lebten. Wo der Bunker sich befand, wie man zum Bunker kam, wer darin lebte, wer hineindurfte und wer nicht – das alles unterlag strengster Geheim- haltung.“325

Die Verbindungen, die die Kuriere zurücklegen mussten, verliefen entlang geheimer Wege, um nicht von den Polizeieinheiten entdeckt zu werden. Es gab zwischen den Kurieren der Stationen vereinbarte Übergabeplätze, wie sie dorthin gelangten, durften sie aber nicht einmal ihrem Gegenüber verraten, weil dieser bei einer Verhaftung wichtige Standorte verraten könnte. Verbindungen die in der Nähe von großen Städten verliefen, wurden aus Sicherheits- gründen zumeist nachts absolviert. Um unter keinen Umständen entdeckt zu werden, agierten sie mit großer Vorsicht, wie folgende Textstelle bei Anton Haderlap über das Beschaffen von Brennholz zeigt:326

Wir fällten nur Dürrlinge, die nicht zu stark waren. Wir arbeiteten nicht mit der lauten Axt, sondern mit der Säge. Der Baum durfte auch nicht zu Boden kra- chen, man hätte es gehört, und wir wären in Gefahr geraten, entdeckt zu wer- den. Nach dem Fällen der Bäume musste ich die Wurzelstöcke mit Moos bede- cken. Das Sägemehl musste zusammengekratzt und vergraben werden. Die Äs- te, die wir von den Stämmen abgehakt hatten, räumten wir weg. Die Stämme mussten getragen werden. Man durfte sie nicht schleifen, sie hätten Spuren hin- terlassen, durch die unsere Verfolger den Weg zum Erdbunker hätten finden können.

Wegen ihrer wichtigen Rolle für den Widerstand und der Tatsache, dass sie bei einer mögli- chen Verhaftung den Standort eines Bunkers oder einer Gruppe von PartisanInnen hätten verraten können, war es ihnen untersagt, an Kämpfen teilzunehmen. Eine Ausnahme bildete

324 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 278. 325 Haderlap Anton, Graparji (2011), S. 120. 326 Haderlap Anton, Graparji (2011), S. 60. 82 hier nur die passive Verteidigung gegen Angreifer. Sicherer war das Leben der Kuriere dennoch nicht, da sie gezielt von den Nationalsozialisten gesucht wurden und oft auf sich allein gestellt den Kampf mit der Natur aufnehmen mussten. So verstarb der Kurier Anton Zufer beispielsweiße auf der Suche nach einem sicheren Verbindungsweg, als er von einer Lawine verschüttet wurde.327

Durch die vorhandenen AktivistInnen, PartisanInnen und Kuriere erreichte die Widerstands- bewegung der OF im Spätsommer 1944 ihre zahlenmäßig größte Ausformung. Über den Zeitraum von etwas mehr als zwei Jahren, beginnend mit den Deportationen der Kärntner SlowenInnen im Frühling 1942, hatte sich die Bewegung in Südkärnten festgesetzt und war auf beachtliche Ausmaße angewachsen. Mit der Umwandlung der Kärntner Verbändegruppe zum Kärntner Verband und dem damit verbundenen Abzug von Oberkrainer Einheiten aus Kärnten im September 1944 ging diese Blütezeit des Widerstands zu Ende.

327 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 47. 83

4. Das letzte Kriegsjahr

Nach der Restrukturierung und genaueren Aufteilung der OF in politische und militärische Einheiten im September 1944 war die Partisanenbewegung durch den Abzug einiger Oberkra- iner Partisanen zahlenmäßig geschrumpft, dennoch war sie nicht bedeutend weniger effektiv als zuvor. Der neu gegründete Kärntner Verband änderte nämlich seine Vorgehensweise passend zu den veränderten Voraussetzungen. 1944 sollten aber auch noch andere Wider- standsbewegungen in Erscheinung treten, die gemeinsam mit der OF dafür sorgten, dass die NS-Truppen ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Widerstand weiterhin nicht lockern konnten. Tausende Soldaten und Polizisten mussten eingesetzt werden und dennoch konnte der tapfer geführte Widerstand nicht unterbunden werden.

4.1. Die Aktionen der OF-Partisanen

Die Aufteilung der OF in militärische und politische Stränge in Kärnten machte es möglich, dass die PartisanInnen, die bewaffneten Widerstand leisteten, keinen ideologischen Krieg führen mussten, sondern sich rein auf den Widerstand gegen den Faschismus konzentrieren konnten. Welch kleine Rolle der Kommunismus für die Überlegungen, sich dem Widerstand anzuschließen, spielte, kann gleich aus mehreren unabhängig voneinander entstanden Inter- viewauszügen belegt werden. Kararina Andrejcič ist öfter in direktem Kontakt mit verschie- denen Gruppen von PartisanInnen gestanden, denen sie Unterschlupf und Verpflegung ge- währte, und im Laufe der Zeit selbst zur Widerstandskämpferin geworden. Sie meint im Interview:328

Es heißt: Die Partisanen sind Kommunisten. Ja hört einmal, wir haben doch nicht gefragt: „Was bist du und was bist du?“ Überhaupt nicht, wir haben nur darauf geschaut wer gegen den Hitler war. Hätte sich jemand anderer gemeldet, wir hätten den unterstützt. […] Aber ich sage immer, wir haben nicht gefragt, was einer ist, wir haben nur dafür gekämpft und geholfen, dass der Hitler ein Ende hat.

Diese Stelle spiegelt eindeutig die Situation des Widerstands in Kärnten wider. Die Kärntner SlowenInnen und auch die wenigen deutschsprachigen KärntnerInnen, die sich der Wider-

328 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 394. 84 standsbewegung anschlossen, taten dies nicht um für den Kommunismus oder gar für Jugo- slawien einzutreten, sondern weil sie durch die Repressionsmaßnahmen im Dritten Reich zum Widerstand gezwungen wurden. Die OF, die sich von Jugoslawien aus ausgebreitet hatte, bot die einzige Möglichkeit, effektiven Widerstand gegen das Regime zu leisten. Andere Wider- standsbewegungen in Kärnten waren einfach zu klein, um eine entscheidende Rolle im Wi- derstand einzunehmen, oder formierten sich erst deutlich später als die Osvobodilna Fronta. Auch Peter Kuchar betont im Interview mit Ernst Logar den Grundgedanken seiner Wider- standsbemühungen:329

In erster Linie muss man die Schlange vernichten, den Hitler und dann wird man sehen, entweder wird Österreich besser ausschauen, oder sonst Jugoslawi- en. Aber das Ziel war einfach nur den Faschismus zu erledigen. In unseren Reihen waren ja auch Polen, Tschechen, Russen, wir haben auch deutsche Ba- taillone gehabt. Nur der Drang nach Freiheit war da.

Der Auszug verdeutlicht nochmals eine der Kernaussagen des vorigen Kapitels, dass die Kärntner SlowenInnen hinsichtlich eines Anschlusswunsches an Jugoslawien nach dem Krieg gespalten waren. Zusätzlich traten viele von ihnen dem Kommunismus mit Abneigung ge- genüber. Dort wo keine Abneigung herrschte, war oft Unkenntnis vorzufinden, und da der Kommunismus innerhalb der kämpfenden Einheiten nur äußerst selten Gesprächsthema war, blieb die Unkenntnis trotz Mitgliedschaft in einer kommunistisch geführten Bewegung bestehen. Dies spricht Danilo Kupper, ehemaliges Mitglied der bewaffneten Einheiten an: „Obwohl der größte Teil vom Kommunismus keine Ahnung hatte, galten wir als Edelkom- munisten.“330 Die gleiche Unkenntnis betont auch Lipej Kolenik im Interview: „Wir waren junge Leute, und vom Kommunismus hat keiner noch was gehört.“331 Diese Interviewstellen, und noch zahlreiche weitere Indizien, die im Laufe dieser Arbeit bereits thematisiert wurden, sprechen gegen die von Pust aufgestellte These, nach der die Motivation für den Widerstand in Kärnten daraus resultierte, dass die PartisanInnen versuchten „an Stelle der deutschen NS- Herrschaft in Kärnten, die Herrschaft der jugoslawischen KP zu setzen“.332 Viel eher zutref- fend dürfte es Brigitte Entner erkannt haben, die schreibt, dass die Ziele der OF-Führung für

329 Begleit-DVD zum Werk: Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011), nach 1:20:20. 330 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 275. 331 Begleit-DVD zum Werk: Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011), nach 0:48:40. 332 Pust Ingomar, Titostern über Kärnten (1984), S. 12. 85 die PartisanInnen in Kärnten nachrangig waren, da es um die Unterstützung von Angehörigen ging, die sich gegen die Unterdrückungsmaßnahmen zur Wehr setzten.333

Für die PartisanInnen, die nach der Umstrukturierung und der damit verbundenen Gründung des Kärntner Verbandes im September 1944 in Kärnten verblieben waren, ging es zunächst wieder um grundlegende Guerillataktiken.334 Dazu zählten Überfälle auf kleine Transporte und Truppen, um zusätzliche Waffen und Verpflegung zu besorgen. Die nach Jugoslawien abgezogenen Truppen hatten einen großen Teil der Bewaffnung mit sich genommen und so ergab sich die Situation, dass im Oktober rund die Hälfte aller PartisanInnen in Kärnten unbewaffnet war.335 Schlecht wirkte sich dabei auch aus, dass der in diesem Jahr recht früh einsetzende Winter Waffenlieferungen der Alliierten per Flugzeug verhinderte. Das Interesse der Briten an den von der OF geführten PartisanInnen schwand gegen Ende des Jahres aber ohnehin, da klar wurde, dass durch den Einmarsch der Roten Armee in Belgrad Jugoslawien in den sowjetischen Einflussbereich fallen würde.336 Dies bedeutete, dass die PartisanInnen die Leidtragenden der zunehmenden politischen Distanz zwischen Tito und den westlichen Alliierten waren, da die Unterstützung nicht mehr in solchem Ausmaß vorhanden war, wie noch wenige Monate zuvor.

Aufgrund der schlechten Bewaffnung war zunächst an größere Aktionen seitens der Partisa- nInnen nicht zu denken. Sie konzentrierten sich stattdessen auf Überfälle von Versorgungs- wegen und kleineren NS-Truppen. Ebenso wurden Strafmaßnahmen gegen Einzelne vollzo- gen. Über die gesamte Dauer des Krieges liquidierten die PartisanInnen knapp über 120 Personen, die Linasi in seinem Werk über die Kärntner PartisanInnen in insgesamt fünf Gruppen einteilt.337 Die mit Abstand größte Gruppe umfasst hierbei die Liquidierungen von NS-KollaborateurInnen. Die zweite Gruppe besteht aus zufälligen Tötungen, die sich im Rahmen der Auseinandersetzungen mit uniformierten Truppen ergaben. Die dritte Gruppe umfasst jene der desertierenden PartisanInnen, denn auf Desertation stand, sofern die Deser- teure aufgespürt werden konnten, die Todesstrafe. Gruppe vier wurde von direkten Angehöri- gen der NS-Formationen geformt und in die kleinste Gruppe fünf fielen Sonderfälle. Zur

333 Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten (2011), S. 62. 334 Rausch Josef, Der Partisanenkrieg in Kärnten – abseits von Verklärung und Verteufelung (2012), S. 262. Jene Partisanen, die abgezogen worden waren, wurden Richtung Süden beordert, weil Tito hoffte, sie könnten so bei der Befreiung Jugoslawiens eine entscheidende Rolle spielen. 335 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 212. 336 Hehn Paul, Serbia, Croatia and Germany 1941-45: Civil War and Revolution in the Balkans, 1971, S. 370. 337 Vgl. Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 302f. 86 letzten Gruppe zählte unter anderem die Ermordung des Major Alfgar Hesketh Prichard, welche in Kapitel drei bereits kurz geschildert wurde. Während die Gruppen zwei bis vier in diesem Zusammenhang relativ wenig Raum für Spekulationen lassen, so ist die größte der Gruppen, die die KollaborateurInnen umfasste, durchaus nicht so klar abgesteckt, da nirgends definiert wurde, welche Kriterien erfüllt werden mussten, um als KollaborateurIn des Nazire- gimes zur Rechenschaft gezogen zu werden. Naturgemäß ergeben sich hier auch die meisten Kontroversen bei nachträglicher Analyse der durchgeführten Liquidierungen. Bestes Beispiel ist der Bauer Valentin Lausegger, dessen Fall in der nationalsozialistischen Presse, aber auch bei einigen jüngeren Autoren als Beweis für die Gräueltaten der Partisanen galt. Bei Pust wird Lausegger als Mann „der niemandem etwas getan hatte“ und dennoch in seinem eigenen Heim überfallen und ermordet wurde, dargestellt.338 Feliks Wieser, der als Partisan in Kontakt mit Lausegger stand, bevor dieser liquidiert wurde, erinnert sich naturgemäß etwas anders an die Liquidierung:339

Einmal war ich dabei, da haben wir ihn beim Podner [der Name eines Hofes im Operationsgebiet der Partisanen, Anm. d. Verf.] erwischt, er hat sogar etwas gegessen und getrunken mit uns und wir haben zu ihm gesagt: „Hör zu, du ar- beitest für die Deutschen. Pass auf, es ist Krieg, lass uns in Ruhe, verrate uns nicht sonst geht`s um deinen Kopf.“ Wir haben ihm gedroht, aber es hat nichts genützt, so ein begeisterter Nazi war er. Als er dann das Bataillon verraten hat und es zweiundzwanzig Opfer gab, da kam der Befehl, ihn zu verhaften und zu erschießen.

Vorgänge wie dieser liegen mittlerweile zu weit zurück, um restlos aufgeklärt werden zu können. Die PartisanInnen können allerdings nicht von jeglicher Schuld freigesprochen werden, denn obwohl Dusan Pirjevec-Ahac, Anfang 1944 Sekretär des KPS-Gebietskomitees für Kärnten, die Weisung ausgab, dass „kein Kollaborateur“ ohne „Ermittlung des Sachver- haltes und Schuldnachweis“ getötet werden sollte, kam es zu Liquidierungen, die von nicht dafür vorgesehenen Einheiten durchgeführt wurden.340 Dadurch lassen sich persönliche Gründe für manche Tötungsaktionen seitens der PartisanInnen nicht ausschließen. Ein maßlo- ses Morden durch PartisanInnen zu vermuten wäre jedoch unsinnig, da der Erfolg des Wider- standes von der Unterstützung durch die Bevölkerung abhing, und willkürliche Liquidierun- gen zu einer Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Widerstandsbewegung und Zivil-

338 Pust Ingomar, Titostern über Kärnten (1984), S. 95. 339 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 420. 340 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 301. 87 bevölkerung geführt hätten. Helena Kuchar sprach im Interview mit Thomas Busch über die Wichtigkeit dieses Verhältnisses: „Die Nazis haben ein Land nach dem anderen unterworfen, aber wir müssen nur die Herzen der Bauern und Arbeiter erobern.“341

Neben den Überfällen auf kleinere Gruppen und Transportwege und Maßnahmen gegen Einzelpersonen, richtete das erste Bataillon des Kärntner Verbandes zu Beginn seiner Tätig- keit im September 1944 seine Aufmerksamkeit auf die beiden Außenlager des Konzentrati- onslagers Mauthausen am Loiblpass. Als die Nationalsozialisten im April 1941 Jugoslawien eingenommen hatten, waren sie an einer schnellen Verbindung von Klagenfurt nach Krain interessiert. Die einzig bereits vorhandene Straße, sofern diese so genannt werden konnte, führte über den Loiblpass und war im Winter nicht passierbar. Aus diesem Grund plante die NS-Führung nicht nur den Ausbau der Straße, sondern auch einen Tunnel, der unterhalb des Berggrats über die alte Grenze führen sollte. Durch den Bau eines Tunnels hätte nämlich das steilste Stück der Straße entfernt werden können. Im Juli 1942 waren die ersten Handwerker bereits verpflichtet, und es wurde mit der Planung und Terrasierung auf der Kärntner Seite des Passes begonnen.342 In den Wintermonaten kam es zum Stillstand der Bauarbeiten und im Frühling 1943 entschloss sich die staatliche Bauleitung zu einer Zusammenarbeit mit dem Unternehmer Universale Hoch- und Tiefbau AG, weil man sich so eine schnellere Fertigstel- lung des Projekts erhoffte.343 Im Vertrag wurde festgesetzt, dass neben zivilen Arbeitern von Baufirmen auch Häftlinge aus Konzentrationslagern oder anderen Internierungslagern für den Bau des Tunnels herangezogen werden sollten.344 Da der Pass so abgelegen vom nächsten Dorf lag, und im Winter kaum zu überqueren war, entschloss man sich zur Errichtung von Außenlagern des KZs Mauthausen auf beiden Seiten des Berggrats. Die ersten Häftlinge, die nicht nur am Tunnel zu arbeiten begannen, sondern auch an der finalen Bauphase beider Lager beteiligt waren, wurden im Juni 1943 auf den Loibl gebracht.345 Das Lager für die zivilen Arbeiter, die sich zwar nicht aus KZ-Häftlingen, aber dennoch zu einem großen Teil aus Zwangsarbeitern formten, befand sich auf der Südseite des Passes. Zunächst herrschte eine strikte Trennung zwischen den zivilen Arbeitern und den Häftlingen, um die Gruppen nicht in Kontakt miteinander treten zu lassen. In den Wintermonaten, als die Zahl der Inhaf-

341 Busch Thomas, Jelka (2009), S. 35. 342 Zausnig Josef, Der Loibl-Tunnel (1995), S. 29. 343 Gstettner Peter, Erinnern an das Vergessen (2010), S. 236. 344 Tišler Janko und Tessier Christian, Das Loibl-KZ. Die Geschichte des Mauthausen-Außenlagers am Loibl- pass. Wien, Bundesministerium für Inneres: 2007, S. 77. 345 Zausnig Josef, Der Loibl-Tunnel (1995), S. 46. 88 tierten bereits angestiegen war, kam es aber dann doch zu einer Überlappung der Arbeitsbe- reiche beider Gruppen, und damit zu sozialem Kontakt zwischen den Gruppen.346

Die Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen am Loibl, deren Verwaltung koordi- niert war, erwarben sich bald einen Ruf als außerordentlich grausame Lager. Mitverantwort- lich für diesen zweifelhaften Ruf war der Lagerarzt Dr. Sigbert Ramsauer, der für die Behand- lung der Häftlinge beider Lager zuständig war. Der 1943 noch recht unerfahrene Arzt betrach- tete die Insassen als Möglichkeiten, sein medizinisches Wissen zu erweitern und zu experi- mentieren. Er tötete nicht nur ausgewählte Häftlinge durch Herzinjektionen, sondern auch jene Insassen, die bereits länger als eine Woche wegen schweren Verletzungen oder Krank- heiten nicht zum Tunnelbau eingesetzt werden konnten.347 Doch nicht nur seine durchgeführ- ten Hinrichtungen waren gefürchtet, auch seine allgemeinen Behandlungsmethoden waren an Unmenschlichkeit kaum zu übertreffen. So führte er zu Versuchszwecken bei einem Lagerin- sassen eine Amputation mit einer gewöhnlichen Tischlersäge, einem sogenannten Fuchs- schwanz, durch.348 Die Lagerinsassen, die zu Tode kamen, wurden unter freiem Himmel auf einem Metallrost verbrannt. Die Nachbildung dieses Freiluftkrematoriums ist heute im südli- chen Lager, welches sich auf slowenischem Gebiet befindet, noch zu sehen, während vom nördlichen Lager auf der österreichischen Seite kaum noch etwas zu bemerken ist.

Da sich die Lager am Loibl von Beginn an in der Operationszone der PartisanInnen befanden, ergab sich die Möglichkeit, dass Zivilarbeiter und entflohene Flüchtlinge von den Wider- standskämpferInnen aufgenommen werden konnten. Zu diesem Zwecke wurden unter den zivilen Arbeitern früh heimliche Kontaktmänner durch die WiderstandskämpferInnen ange- worben, über die sie Kontakt zu den Häftlingen herstellen konnten.349 Einer dieser Kontakt- männer war Janko Tišler, der ebenfalls als ziviler Arbeiter am Tunnelbau beschäftigt gewesen war.350 Tišler hatte bereits bei der ersten Flucht eines Russen, der im Sommer 1943 aus dem Konzentrationslager zu den Partisanen entkam, seine Hände im Spiel und konnte bis zu seiner Aufdeckung, durch die er am 30.6.1944 selbst fliehen musste, erfolgreich den Kontakt zu einigen weiteren Häftlingen herstellen, die sich daraufhin zur Flucht entschlossen.351 Außer-

346 Tišler Janko und Tessier Christian, Das Loibl-KZ (2007), S. 218. 347 Rettl Lisa und Pirker Peter, „Ich war mit Freuden dabei.“ Der KZ Arzt Sigbert Ramsauer. Eine österreichi- sche Geschichte. Wien, Milena Verlag: 2010, S. 158. 348 Rettl Lisa und Pirker Peter, „Ich war mit Freuden dabei“ (2010), S. 185. 349 Gstettner Peter, Erinnern an das Vergessen (2010), S. 239. 350 Zausnig Josef, Der Loibl-Tunnel (1995), S. 33. 351 Tišler Janko und Tessier Christian, Das Loibl-KZ (2007), S. 352. 89 dem konnte er immer wieder unter den zivilen Zwangsarbeitern erfolgreich für eine Unter- stützung der OF werben, einige von ihnen schlossen sich den WiderstandskämpferInnen sogar an. Die höchste Zahl an vorhandenen Häftlingen gab es für die Außenlager im Herbst 1944, als rund 1300 Häftlinge am Tunnelbau mitwirken mussten.352 Insgesamt wurden im Zeitraum zwischen der Errichtung der Lager und Kriegsende 1636 Häftlinge auf den Loiblpass depor- tiert, von denen mindestens 39 durch die SS oder den Lagerarzt getötet wurden.353 In die Zeit des Herbstes 1944, als die Lager die meisten Häftlinge fassten, fielen auch die meisten Fluchtversuche. Bis Kriegsende gab es 21 erfolgreiche Fluchtversuche durch Einzelpersonen oder kleinere Gruppen aus den Lagern nördlich und südlich des Loibls.354 Maßgeblich ent- scheidend dafür waren die PartisanInnen, welche die geflüchteten Häftlinge in ihre Reihen einbanden, oder über die alte Grenze nach Jugoslawien und von dort weiter Richtung Italien brachten. Die PartisanInnen waren auch an der frühzeitigen Schließung des Lagers beteiligt, als sie im April 1945 Polizeistationen und Militärposten in der Nähe angriffen, und so den Abzug erzwangen.355

Ein weiteres Ziel, dass sich der Kärntner Verband der OF für den Herbst 1944 gesteckt hatte, war die noch stärkere Ausbreitung des Widerstandes nördlich der Drau. Zu diesem Zwecke wurde, als der Kärntner Verband am 29. September 1944 im Zuge der Restrukturierung gegründet worden war, das sogenannte Nordbataillon gebildet, welches 70 ehemalige Deser- teure der Deutschen Wehrmacht umfasste.356 Der Aktivist Karel Prušnik, der sich ebenfalls über die Drau begab, vermerkte später zur besonderen Situation des Widerstands im Norden: „Jenseits der Drau werden wir noch mehr darauf achten müssen, nicht national unduldsam zu werden.“357 Dieses Zitat zeigt einmal mehr wie bemüht die politischen AktivistInnen der OF waren, die nationale Nachkriegssituation und etwaige Grenzveränderungen nicht in den Vordergrund des Widerstands zu stellen, sondern nur die antifaschistische Seite zu betonen. Als das Nordbataillon im Oktober die Drau überquerte, war dessen erste Aufgabe, die Grup- pen und Kompanien der OF zu kontaktieren, die bereits zu früheren Zeitpunkten in die Gebie- te nördlich der Drau aufgebrochen waren. Alle rund 100 betroffenen WiderstandskämpferIn- nen sammelten sich daraufhin im Gebiet nahe der Saualm und machten dieses Gebiet zu einem ihrer zwei Hauptoperationsgebiete nördlich der Drau. Die zahlenmäßige Stärke der

352 Tišler Janko und Tessier Christian, Das Loibl-KZ (2007), S. 114. 353 Rettl Lisa und Pirker Peter, „Ich war mit Freuden dabei“ (2010), S. 151. 354 Tišler Janko und Tessier Christian, Das Loibl-KZ (2007), S. 271. 355 Gstettner Peter, Erinnern an das Vergessen (2010), S. 240. 356 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 301. 357 Prušnik Karel, Gemsen auf der Lawine (1980), S. 196. 90

PartisanInnen in diesem Gebiet war auch den alliierten Piloten bekannt, die, sofern sie mit Problemen und beschädigten Flugzeugen zu kämpfen hatten, versuchten in der Nähe der Saualm abzuspringen, und hofften auf Gruppen der PartisanInnen zu treffen. Janez Pečnik- Krištof, der zuerst als politischer Aktivist tätig war, später aber hauptsächlich in führender Position mit den kämpfenden Einheiten unterwegs war, erinnert sich an die mit Fallschirmen abspringenden amerikanischen Piloten:358

Die Amerikaner wussten genau, dass hier Partisanen waren, wenn ihre Flug- zeuge, die die Steiermark, Wien, Wiener Neustadt bombardiert haben, beschä- digt wurden, entweder durch die Flak oder sonst wie, und sie wussten, dass sie nicht mehr zurückkommen, dann bemühten sie sich wenigstens, bis Kärnten auf die Saualm zu kommen, um dort abzuspringen, wo sie auf Partisanen tref- fen würden. Gegen Ende des Krieges war es schon so, dass ich mehr Amerika- ner bei mir hatte als Heimische. Wie oft sahen wir sie herunterkommen, immer tiefer und tiefer, und dann sprangen sie ab. Dann suchten wir sie, sie suchten uns, alle hast du ja nicht auf einmal entdeckt. manchmal liefen sie auch alleine ein paar Tage herum, aber früher oder später fanden wir jeden.

Durch die Ausbreitung im Norden erstreckte sich der Tätigkeitsbereich der OF nun südlich der Drau von Lavamünd bis ins untere Gailtal, im Norden setzten sie sich neben der Saualm auch noch im Rosental auf der Sattnitz südlich von Klagenfurt dauerhaft fest.359 Dies zeigt welch großes Gebiet die PartisanInnen der Befreiungsfront bearbeiteten.

Die große Ausbreitung sollte ihnen aber noch zum Verhängnis werden, denn wegen der zahlenmäßigen Stärke der Widerständigen sahen sich die NationalsozialistInnen in den Monaten vor Kriegsende zu rigorosen Maßnahmen gezwungen. Zur Jahreswende 1944/45 glaubten wohl nur mehr noch die wenigsten, die sich an den Nationalsozialismus klammerten, an einen Sieg des Dritten Reichs. Zu rasch häuften sich die Niederlagen der NS-Truppen an den Kriegsschauplätzen auf beiden Seiten des Kontinents. Als ersichtlich wurde, dass sich die deutsche Wehrmacht aus dem Süden und Osten Europas zurückziehen musste, verlief die Rückzugsroute der auf dem Balkan stationierten Truppenteile durch Kärnten. Damit die fliehenden Truppen aber nicht den wartenden PartisanInnen in die Hände liefen, startete dass SS-Polizeiregiment 13, welches als Hauptakteur bei der „Bandenbekämpfung“ im Süden des Landes fungierte, gemeinsam mit anderen Verbänden nach der Jahreswende eine Großoffen-

358 In: Pittler Andreas et al.(Hrsg.), Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Band 4: Die Kärntner Slowenen (1990), S. 443. 359 Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 – 1945 (2000), S. 278. 91 sive gegen die PartisanInnen.360 Die WiderstandskämpferInnen, die oft in kleinen Gruppen- verbänden operierten, hatten kaum Chancen gegen die zahlenmäßig überlegenen NS- Verbände, und sammelten sich im Süden des Landes und teilweise auch hinter der ehemaligen Grenze zu größeren Truppen. Selbst manche AktivistInnen, unter ihnen Helena Kuchar, mussten fliehen und traten den Kampfverbänden bei. Sie erinnerte sich wiefolgt an den Rückzug der PartisanInnen:361

In der Nacht zogen wir los. Über 200 Männer und Frauen. Wir marschierten wortlos, einer zehn Schritte hinter dem anderen, durch den hohen Schnee. Mit dem Sack um den Fuß gewickelt konnte ich nur schwer mithalten und fiel bald ans Ende der Kolonne zurück. Unterdessen gelangte die Spitze mit den Kampf- truppen zum Fluss und begann, durch das reißende Wasser zu waten. Als ein Großteil schon drüben auf der anderen Seite war, durchbrach das Feuer von Maschinengewehren und Minenwerfern die Stille. Von oben sah ich, wie die Partisanen sich auf den Boden warfen und zurückfeuerten. Wer konnte, rettete sich im Kugelhagel ans andere Ufer. Aber viele blieben in ihrem Blut liegen.

Aufgrund der größeren Dichte der PartisanInnen südlich der Drau waren hier die Widerstän- dischen öfter in Bedrängnis der deutschen Truppen als jene Verbände, die nördlich der Drau verblieben waren. Karel Prušnik schreibt dazu in seinem Buch: „Glücklich waren jene, die den Schnee und die Offensiven überstanden und sich bis zur Befreiung auf der Saualpe aufhielten.“362 Eine Besserung der Lage zeigte sich erst in den letzten Wochen vor Kriegsen- de, als die Alliierten bereits sehr nahe gerückt waren und die NationalsozialistInnen ihre letzten Reserven zur Verteidigung mobilisierten. Als die Lage immer aussichtsloser wurde, versuchten viele Soldaten noch die Seite zu wechseln, um das Kriegsende für sie noch erfreu- lich zu gestalten. Eine Nachrichtenkompanie der Wehrmacht aus Klagenfurt hatte als eine der ersten die Zeichen der Zeit erkannt, und war bereits 1944 mit den WiderstandskämpferInnen in Kontakt getreten. Ihre Kooperation verlief heimlich. Während die Kompanie Salz, Schreibmaterialien und Papier für den Druck von Flugblättern lieferte, lieferten die Partisa- nInnen Fleisch und das Zugeständnis, die Kompanie niemals anzugreifen, ab.363 Andere Einheiten, wie die 12. Kompanie des 18.Grenzabschnittes, traten ab März in Kontakt mit den PartisanInnen und lieferten den KämpferInnen neben Waffen und Munition kurz vor Kriegs-

360 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 24. 361 Busch Thomas, Jelka. Aus dem Leben einer Kärntner Partisanin (2009), S. 75. 362 Prušnik Karel, Gemsen auf der Lawine (1980), S. 235. 363 Luza Radomir, Der Widerstand in Österreich 1938-1945 (1985), S. 221. 92 ende auch noch 14 Deserteure.364 Als das Kriegsende im April bereits sehr nahe schien, kam es noch zu einem Zwischenfall, der bis heute für Kontroversen sorgt.

Das 3. Bataillon des Kärntner Verbandes hatte sich beinahe in voller Stärke in der Nähe des Peršmanhofs bei Koprein nahe Bad Eisenkappel eingefunden. Kurz zuvor hatten sie einen Anschlag auf eine Zugverbindung in der Nähe verübt und am Hof des NS-Bürgermeisters von Feistritz ob Bleiburg Vieh zur Verpflegung gestohlen.365 Weil dieser wusste, wer für den Diebstahl verantwortlich war, erstatte er am 24.April Anzeige gegen die PartisanInnen. Da die Polizei über die Stärke der in der Nähe stationierten Gruppe von Widerständigen ungefähr Bescheid wusste, wurden mehrere Polizisten zur Klärung des Vorfalls losgeschickt. Die gesamte 4. Kompanie des SS-Polizeiregiments 13, bestehend aus ungefähr 70 Mann, machte sich auf ins Gebiet, in dem die PartisanInnen vermutet wurden.366 Die PartisanInnen waren zuvor bereits wiederholt in der Nähe des Peršmanhofs gesichtet worden, und weil sie kurz vor Kriegsende keine Übergriffe mehr fürchteten, verwischten sie ihre Spuren nicht mehr so gründlich wie noch in den Monaten zuvor. Das Bataillon der PartisanInnen war von der am 25. April aufgetauchten Polizeieinheit so überrascht, dass es sich unter einsetzendem Kugel- hagel in den Wald zurückziehen musste. Die ansässige Bauernfamilie des Peršmanhofs, bestehend aus 14 Personen, beschloss am Hof zu bleiben, da sie keine Strafmaßnahmen durch die Polizei fürchteten. In den folgenden Stunden wurde, von bis jetzt noch immer unbekann- ten Polizisten ein Massaker verübt, bei dem 11 der HofbewohnerInnen erschossen wurden.367 Im Anschluss brach ein Brand am Hof aus, durch welchen sechs der Leichen bis zur Unkennt- lichkeit verbrannten.368 Um dieses Feuer herrscht bis heute Verwirrung, denn während Ein- heimische und PartisanInnen meinten, die Polizisten hätten den Brand gelegt, um ihre Tat zu vertuschen, heißt es von der Gegenseite, dass das Feuer durch Leuchtmunition verursacht worden sei, welche während des Kampfes mit den PartisanInnen verwendet wurde, die nach ihrer überstürzten Flucht zurückkehrten. Als sich das Polizeiregiment am nächsten Tag vom Nachbarhof zurückzog, entdeckten die PartisanInnen, dass drei Kinder, die die Vollstrecker nicht umbringen konnten, das Massaker überlebt hatten. Sie konnten im Nachhinein die Vollstrecker nicht identifizieren, das Einzige, das sie erkannt hatten, waren „die grünen Hosen

364 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 265. 365 Baum Wilhelm, Peršmanhof 1945. Protokolle eines NS-Kriegsverbrechen. Klagenfurt, Kitab Verlag: 2013, S. 122. 366 Rettl Lisa und Blohberger Gudrun (Hrsg.) Peršman. Göttingen, Wallstein Verlag: 2014, S. 35. 367 Gstettner Peter, Erinnern an das Vergessen (2010), S. 54f. 368 Rettl Lisa und Blohberger Gudrun (Hrsg.) Peršman (2014), S. 36. 93 der Polizeiuniform“ gewesen.369 Nach dem Krieg tauchten Vorwürfe auf, dass die Parti- sanInnen selbst die Familie erschossen hätten, und auch wenn sich diese als völlig haltlos erwiesen, ist bis heute nicht klar, warum die PartisanInnen, die sich nur unweit vom Hof zurückgezogen hatten, nicht eher einschritten, als das Unglück seinen Lauf nahm. Die Kampfhandlungen gegen das Polizeiregiment war in Südkärnten eines der letzten größeren Gefechte gegen eine NS-Formation.

4.2. Die österreichischen Verbände der OF

Die KärntnerInnen innerhalb des Kärntner Verbandes waren nicht die einzigen späteren ÖsterreicherInnen, die in den Reihen der Osvobodilna Fronta für die Befreiung vom Natio- nalsozialismus kämpften. Das Zentralkomitee der KPÖ, welches sich in der Zwischenzeit im Exil in Moskau befand, war durchaus bemüht, einen eigenen explizit österreichischen Wider- stand zu formieren. Die Versuche auf österreichischem Gebiet waren allerdings wenig erfolg- reich verlaufen, weshalb das Zentralkomitee seine Aufmerksamkeit im Sommer 1944 den neuen Begebenheiten auf dem Gebiet des späteren Sloweniens zuwandte.370 Bei den Verhand- lungen zwischen der KPÖ und der KPJ im Verbund der Osvobodilna Fronta konzentrierten sich beide Parteien nur auf den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Pläne für mögli- che Grenzziehungen nach dem Krieg im zweisprachigen Kärnten wurden nicht diskutiert.371 Als eine Übereinkunft erzielt wurde, begab sich Franz Honner, zukünftiger KPÖ- Innenminister Österreichs, nach Slowenien. Honner wusste, dass eine Widerstandsgruppe, die rein kommunistische Werte vertrat, im Süden Österreichs nicht den notwendigen Rückhalt der Bevölkerung erhalten würde. Aus diesem Grund nahm er Kontakt mit Erwin Scharf, einem Sozialisten, der sich auf der Flucht vor den Behörden ebenfalls nach Slowenien auf- machte, und Dr. Tschubar, einem katholischen Rechtsanwalt aus Völkermarkt, auf.372 Scharf wurde daraufhin zum politischen Instruktor der kurze Zeit später gegründeten österreichi- schen Bataillone, die im Verbund der OF kämpfen sollten, ernannt. Die fünf österreichischen Bataillone, die in den Kampf geschickt werden sollten, wurden aus ehemaligen Kämpfern des spanischen Bürgerkriegs und Deserteuren der Wehrmacht, die sich im Laufe des Krieges der Roten Armee ergeben hatten, gebildet.373 Zum tatsächlichen Einsatz kamen allerdings nur zwei Bataillone, die zuvor in Moskau ausgebildet worden waren. Zunächst kämpften sie auf

369 Baum Wilhelm, Peršmanhof 1945 (2013), S. 75. 370 Pirker Peter, Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens (2011), S. 110. 371 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 37. 372 Luza Radomir, Der Widerstand in Österreich 1938-1945 (1985), S. 226. 373 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 201. 94 dem Gebiet des späteren Sloweniens und kamen erst in den letzten Wochen vor Kriegsende nach Österreich.

Die Ausnahme bildete die Gruppe Avantgarde. Auch sie wurde nach ihrer Ausbildung in Moskau auf slowenischem Gebiet abgesetzt.374 Die Gruppe, die aus 17 Österreichern, drei Russen, 2 Italienern, und 2 Spaniern bestand und vom Grazer Ferdinand Kropf angeführt wurde, begab sich bereits kurz nach ihrer Landung im Herbst nach Südkärnten und in weiterer Folge, mit Hilfe des damals noch existenten Ostkärntner Verbandes, am 7.9.1944 über die Drau.375 Im Winter kämpften die Mitglieder der Gruppe immer wieder gemeinsam mit dem Nordbataillon des Kärntner Verbandes gegen deutsche Einheiten. Außerdem führten sie Sabotageakte und Anschläge auf Transportwege durch, ehe sie sich zum Jahreswechsel Richtung Koralm in das kärntnerisch-steirische Grenzgebiet begaben, und dort noch einige Zeit lang operierten. Aufgrund ihres Operationsgebietes war die Gruppe Avantgarde, auch unter dem Namen Koralmpartisanen bekannt. Immer wieder spaltete sie sich in kleinere Gruppen auf, was vor allem in den letzten Monaten vor Kriegsende durch Verstärkungen aus der Bevölkerung, durch deutsche Deserteure und befreite russische Zwangsarbeiter möglich war. Wenige Wochen vor Kriegsende hatte sich die Gruppe in die Steiermark begeben und in die Steirische Kampfgruppe umbenannt. Bei Kriegsende war die ehemals aus 25 Personen zusammengesetzte Gruppe auf rund 500 Personen angewachsen und bildete drei eigenständi- ge Bataillone, wobei eines aus Österreichern, eines aus sowjetischen Fremdarbeitern und eines aus Soldaten verschiedenster Nationen bestand.376 Sie zogen in den letzten Tagen des Kriegs Richtung Graz, und befreiten auf dem Weg dorthin einige Dörfer und Städte.

4.3. Weitere Widerstandsorganisationen in Kärnten

Die WiderstandskämpferInnen im Verbund der Befreiungsbewegung OF machten den mit Abstand größten Teil des Widerstands in Kärnten aus und sie waren die einzige Gruppe, die über einen längeren Zeitraum effektiven, bewaffneten Widerstand gegen den Nationalsozia- lismus leistete. Dennoch gab es auch noch andere Gruppen in Kärnten, die sich zum Wider- stand entschlossen. Die zeitlich am frühesten in Erscheinung tretende dieser Gruppen war die katholisch-konservativ geführte Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreich (AFÖ) aus Klagenfurt. Zum bewaffneten Widerstand schritten ihre Mitglieder nicht, sie praktizierten

374 Neugebauer Wolfgang, Der Österreichische Widerstand 1938-1945 (2013), S. 254. 375 Linasi Marjan, Die Kärntner Partisanen (2013), S. 234. 376 Luza Radomir, Der Widerstand in Österreich 1938-1945 (1985), S. 227. 95 aber politischen Widerstand. Im Mittelpunkt der Bewegung standen der Priester Dr. Anton Granig, der ehemalige Landtagsabgeordnete Karl Krumpl und der in Klagenfurt tätige Soldat Eduard Pumpernig.377 Obwohl die Gruppe bereits im Laufe des Jahres 1941 zusammentraf, begann sie mit den widerständischen Aktionen erst im Jahr darauf. Im Laufe des Jahres 1942 trat auch Franz Najemnik, der ehemalige Soldat und damalige Villacher Eisenbahner, der wachsenden Widerstandsbewegung bei. Als Grund für sein Eintreten in den Widerstand gibt er an: „Es war ja ein Krieg der Nazi und nicht meiner, ich habe ihn ja nicht wollen und war als Österreicher an den Bestrebungen Deutschlands nicht interessiert.“378 Najemnik selbst war zwar Anhänger einer sozialdemokratischen Politik, dennoch störte er sich nicht an der kon- servativen Ausrichtung der AFÖ: „Die Initiative müsste von einer Seite ausgehen, und die war, wie ich jetzt bestätigt erhielt, die monarchistische Seite, die Kaiser-Anhänger. Ideell hatte ich damit nichts zu tun, doch in dem Bestreben, dem Faschismus Widerstand zu leisten, waren wir uns alle ziemlich einig.“379 Die Gruppe beschmierte Hausmauern in Klagenfurt, und verteilte im Frühjahr 1942 die ersten Flugblätter, auf denen geschrieben stand:380

Kärntner, unsere Heimat ist in Not! Braune Verbrecher haben unsere Heimat verraten. Unsere Söhne bluten und fallen an den Fronten für ein braunes Ver- brechertum. Die braunen Volksverräter sind daheim in warmen Ämtern und beuten das Volk aus. Kärntner, auf zur Tat! Hinaus mit den braunen Bonzen an die Front! Kärnten und unser Österreich müssen wieder frei werden vom preu- ßischen Joch. Alle einig gegen die braunen Verbrecher! Es lebe Kärnten!

Innerhalb der nächsten Monate gelang der AFÖ die Ausbreitung bis nach Wien. Unglückli- cherweise konnte durch die Vergrößerung der Gruppe in Wien ein Spitzel der Gestapo einge- schleust werden, wodurch zunächst die Wiener Kontakte um den Anwalt Karl Wanner An- fang 1943 und in weiterer Folge auch die Hauptorganisatoren in Klagenfurt aufgedeckt werden konnten.381 Die Hauptangeklagten wie Krumpl und Granig wurden daraufhin zum Tode verurteilt und Mitwissern wie Franz Najemnik wurden Haftstrafen auferlegt.

Najemnik ist zugleich die Verbindung zur nächsten Widerstandgruppe, die sich in Villach formierte. Bei der Gruppe, die später als die Treffner Bande bekannt wurde, handelte es sich

377 Baum Wilhelm (Hrsg.), Auf Wiedersehen über den Sternen! (2012), S. 289. 378 Najemnik Franz, Erinnerungen an den Widerstand gegen das NS-Regime in Kärnten (2012), S. 66. 379 Najemnik Franz, Erinnerungen an den Widerstand gegen das NS-Regime in Kärnten (2012), S. 83. 380 Eine Abschrift des Flugblattes ist nachzulesen in: Baum Wilhelm (Hrsg.), Auf Wiedersehen über den Sternen! (2012), S. 291. 381 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 100. 96 um eine der bewaffneten Widerstandsgruppen, die ab 1942 zumeist von KommunistInnen gebildet wurden.382 Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis im Herbst 1944 verlor Najem- nik seinen Arbeitsplatz bei der Reichsbahn, stand aber über Bekannte in Kontakt mit Maria Peskoller, der Frau Josef Peskollers, der, wie in Kapitel 2 ausgeführt, bereits 1940 das erste Mal wegen Verbreitens kommunistischer Flugschriften verhaftet worden war. Maria Peskoller hatte bereits vor dem Herbst 1944 mitgeholfen Deserteure und Wehrdienstverweigerer in den Wald zu schleusen, und diese Möglichkeit nutzte Najemnik um sich einer gerade im Entste- hen befindlichen Widerstandsgruppe anzuschließen. Über seinen Aufbruch zur Treffner Bande im Oktober 1944 schreibt er:383

Ich habe auch keine Waffe. Noch nicht. Aber einen Rucksack habe ich mit al- lem, was ein Waldläufer brauchen kann. dazu einen dicken Pullover, Wollso- cken, feste Schuhe, und ein paar Fäustlinge aus warmer Schafwolle, über die Frau Peskoller herzlich gelacht hatte, als ich sie in ihrer Gegenwart einpackte. Sie war nämlich diejenige, die unsere Gruppe zusammengebracht hatte.

Die Gruppe führte in den nächsten Wochen, zum Zwecke der Nahrungsmittelbeschaffung, einige Überfälle auf Bauernhöfe bekannter NS-UnterstützerInnen durch. Nachdem eines der Bandenmitglieder, Erich Ranacher, während eines geplanten Überfalls angeschossen und am folgenden Tag festgenommen wurde, erfuhr die Polizei durch sein Tagebuch unter anderem den Namen der heimlichen Unterstützerin aus Villach, was Maria Peskoller und anderen Mitgliedern der Treffner Bande den Tod einbrachte.384 Der einzige der der Verfolgung entging, war Franz Najemnik, da er sich kurz vor Zugriff durch die Polizei von der Gruppe entfernt hatte, um Hilfe für den Verwundeten Kameraden zu suchen. Mit Maria Peskollers Tod riss auch die Verbindung, die die OF über sie als Kontaktperson zur damals einzig bekannten bewaffneten Widerstandsgruppe außerhalb Kärntens gehalten hatte, ab.385

Die erwähnte Gruppe war eine Partisanengruppe aus Leoben Donawitz, die sich aus rund Dutzend Personen geformt hatte, und 1944 mehrere Anschläge auf Bahnlinien durchführte.386 Die Gruppe nannte sich selbst Österreichische Freiheitsfront (ÖFF), ein Name, den sie mit anderen Widerstandsgruppen teilte, und ihre Mitglieder waren hauptsächlich österreichische

382 Neugebauer Wolfgang, Der Österreichische Widerstand 1938-1945 (2013), S. 244. 383 Najemnik Franz, Erinnerungen an den Widerstand gegen das NS-Regime in Kärnten (2012), S. 138. 384 Baum Wilhelm, Zum Tode verurteilt (2012), S. 145f. 385 Baum Wilhelm (Hrsg.), Auf Wiedersehen über den Sternen! (2012), S. 41f. 386 Neugebauer Wolfgang, Der Österreichische Widerstand 1938-1945 (2013), S. 253. 97

Kommunisten.387 Nachdem die SS die Fährte der ÖFF aufgenommen hatte, zerstörte sie sie in der zweiten Hälfte des Jahres fast vollständig. Zur Reformierung der Gruppe durch die Über- lebenden kam es erst kurz vor Kriegsende wieder. Einer der Namensvetter der obersteirischen Gruppe war die ÖFF, Gruppe Karawanken, unter der Führung des späteren sozialdemokrati- schen Bürgermeisters von Ferlach, Hans Richter.388 In der Gruppe waren sowohl slowenisch- als auch deutschsprachige PartisanInnen vertreten, bis auf dieses Detail ist von der nur wenige Mitglieder umfassenden Partisanengruppe aus dem Südkärntner Raum allerdings so gut wie nichts bekannt.

Neben den lokalen Gruppen versuchte auch die britische SOE in Kärnten den Widerstand zu fördern. Dabei verließ sie sich nicht nur auf die Operationen, die im Verbund der OF durchge- führt wurden, sondern setzte auch auf andere Mittel. Eines dieser Mittel waren mit Hilfe von Fallschirmen abgesetzte ehemalige österreichische Flüchtlinge, die bereits ab Ende 1940 von der SOE rekrutiert, und anschließend zu Agenten ausgebildet worden waren.389 Auf diesem Weg war bereits das ehemalige Mitglied der TIGR, Alois Knes über den Umweg Slowenien wieder in das Gebiet des späteren Österreichs gekommen. Ein weiterer dieser Agenten war der Sozialist Hubert Mayr, der in der Nähe von Dellach im Drautal landete.390 Der Grund für seinen Absprung in diesem Gebiet war der Villacher Georg Dereatti, der zu den PartisanInnen desertiert war, und in Oberkärnten ein Netz aus Anlaufstellen für Kuriere und SOE-Agenten aufgebaut hatte.391 Mayr versuchte diese Anlaufstellen auszunutzen um eine Widerstands- gruppe zu organisieren, die Waffenlieferungen für in den Bergen versteckte Deserteure entgegennehmen sollte. Da das Netzwerk aber an NS-Stellen verraten worden war, musste es bald aufgelöst werden.

Die zeitlich letzte bewaffnete Widerstandsgruppe, die sich in Kärnten formierte, waren die sogenannten Schüttpartisanen. Ihren Namen erhielt die Gruppe von der Stelle in einem Felssturzgebiet, in der sie ihren Bunker angelegt hatte. Gegründet wurden die Schüttpartisa- nen von zwei Mitgliedern der illegalen KP aus Arnoldstein, die sich durch Flucht auf eine Alm der Verfolgung durch NS-Behörden entziehen wollten.392 Die Gruppe wuchs durch Arbeiter, die sich dem Einberufungsbefehl entziehen wollten, und drei geflüchtete Frauen, auf

387 Luza Radomir, Der Widerstand in Österreich 1938-1945 (1985), S. 228. 388 Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten (2011), S. 62. 389 Pirker Peter, Gegen das „Dritte Reich“ (2010), S. 98. 390 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 71. 391 Pirker Peter, Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens (2011), S. 112. 392 Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten (2011), S. 63. 98 insgesamt 26 Mitglieder an und hatte mit Hans Katholnig und Klement Schaschl sowohl einen Kommandanten als auch einen politischen Leiter in ihren Reihen.393 Die Mitglieder, die sich ebenfalls aus slowenisch- und deutschsprachigen KärntnerInnen zusammensetzten, hatten zwar öfters Kontakt zu den westlichen Einheiten des Kärntner Verbandes, gaben ihre Eigen- ständigkeit aber nie auf. Immer wieder kam es im letzten Winter des Krieges zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen dem Volkssturm und den Schüttpartisanen, die ihren Höhe- punkt darin fanden, als der Bunker der PartisanInnen wenige Wochen vor Kriegsende verraten worden war.394 Der Volkssturm unterschätzte aber anscheinend die Größe der Gruppe, konnte bei dem Überfall zwar drei Partisanen töten, musste aber nach der erfolgreichen Gegenwehr flüchten. Die restlichen PartisanInnen erlebten die Befreiung durch das Kriegsende unbescha- det.

Die Widerstandsgruppen, die sich neben der Osvobodilna Fronta gebildet haben, zeigen, dass der Widerstand in Kärnten nicht nur auf den Schultern der OF-PartisanInnen ruhte, sondern dass auch andere Menschen die Ungerechtigkeit und Unterdrückung, die im nationalsozialisti- schen System herrschten, nicht länger erdulden wollten.

4.4. Der NS-Apparat zur „Bandenbekämpfung“

Der bewaffnete Widerstand in Kärnten war für das Österreich nach dem Krieg wichtig, weil er das beste Argument für Österreichs eigenen Beitrag zur Befreiung vom Nationalsozialis- mus war. Er war aber nicht nur für die Position Österreichs nach dem Krieg wichtig, sondern beeinflusste auch den Verlauf des Krieges. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die Befreiung Österreichs den alliierten Truppen zu verdanken ist und ohne diese nicht möglich gewesen wäre. Die PartisanInnen und AktivistInnen konnten aber ihren Beitrag leisten, indem sie NS-Truppen in Divisionsstärke zum Zwecke der „Bandenbekämpfung“ in Kärnten binden konnten.395

Als der bewaffnete Widerstand in Kärnten in Form der TIGR Gruppe und den frühen Formen der Osvobodilna Fronta in Kärnten auftrat, war die Bekämpfung dieser Gruppen Aufgabe der Gendarmerie, der Ordnungspolizei, der Gestapo und auch des Sicherheitsdienstes gewesen. Als der Widerstand sich im Jahr 1942 in Kärnten und Krain verbreitete, und plötzlich eine

393 Gitschtaler Bernhard und Jamritsch Daniel, Das Gailtal unterm Hakenkreuz (2013), S. 123. 394 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 466. 395 Hellwig Valentin, Am Rande des Bürgerkriegs (2013), S. 21. 99 größere Anhängerschaft vorzuweisen hatte, wurde zur Sicherung der „Heimatfront“ die Landwacht aufgestellt.396 Die Landwacht formierte sich aus Männern jeglichen Alters, die nicht zur Wehrmacht eingezogen worden waren. Sie erfreute sich zunächst großem Zulauf, da sie ein Mittel bot, sich einer möglichen späteren Einberufung zur Wehrmacht zu entziehen und somit den Krieg innerhalb der Kärntner Gaugrenzen zu verbringen.

Neben der Landwacht, die zur offiziellen Bekämpfung der kämpfenden Einheiten herangezo- gen wurde, versuchte die nationalsozialistische Führung in Kärnten auch den Aufbau eines geheimen Netzwerks an Verbindungsleuten, welche in den Widerstand geschleust wurden um Informationen über die Pläne und Bewegungen der PartisanInnen zu erfassen. Die Verhaftun- gen gegen Ende des Jahres 1942, die zu den Freisler-Prozessen führten, waren unter anderem auf dieses Netzwerk zurückzuführen. Die Gestapo, aus deren Organisation das geheime Netzwerk hervorging, richtete ihren Fokus dabei auf das Umfeld der UnterstützerInnen und SympathisantInnen der OF, denn sie wusste, dass die Bewegung ohne den Rückhalt in der Bevölkerung chancenlos wäre.397 Zu diesem Zwecke wurden immer wieder Hausdurchsu- chungen bei Personen durchgeführt, bei denen eine Verbindung zur OF vermutet wurde. Anton Haderlap, dessen Vater von einer Gruppe Partisanen zum Schein zwangsrekrutiert worden war, und der Monate später selbst zu den PartisanInnen ging, war Zeuge einer solchen Durchsuchung: „Die Polizisten fielen in das Haus ein, stürmten in die Stube, schwärmten über die Treppen aus, und begannen alles zu durchwühlen. Sie zerschlugen die Schränke, zerbra- chen die Laden, zertraten ihren Inhalt.“398

Die Einschüchterung durch die Polizei ging aber noch weiter als bis zur bloßen Sachbeschä- digung. In der Nähe von Ferlach wurden im Jahr 1944 drei Bauern, die dem Widerstand beigetreten waren, auf offenem Feld erschossen.399Auf diese Weise sollte der Bevölkerung klargemacht werden, was sie erwarten könnte, wenn sie weiterhin mit der OF sympathisieren würde. In der Regel mordete die Gestapo aber nicht selbst, sondern überlies dies den Exekuto- ren in den Konzentrationslagern, in die die UnterstützerInnen des Widerstands geschickt wurden. Hatte ein Gestapo-Offizier besonderes Interesse daran, eine arretierte Person nicht wieder zu sehen, so wurde die Person gemeinsam mit einer einfachen Nachricht ins Konzent-

396 Gitschtaler Bernhard und Jamritsch Daniel, Das Gailtal unterm Hakenkreuz (2013), S. 122. 397 Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011), S. 10. 398 Haderlap Anton, Graparji (2011), S. 97. 399 Pirker Peter, Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens (2011), S. 110. 100 rationslager geschickt: „Rückkehr unerwünscht.“400 Die Bedeutung dieser Nachricht muss vermutlich nicht erklärt werden. Trotz der Repressionsmaßnahmen wuchs der Widerstand, und als Antwort auf die ersten Überfälle auf Fabriken und Industrieanlagen in Südkärnten wurden 1943 Teile der 438. deutschen Division dorthin geschickt, um kriegswichtige Anlagen zu schützen.401 Ausgelöst wurde diese Maßnahme nicht zuletzt durch den Überfall der Parti- sanen auf das Elektrizitätswerk, das Sägewerk und die Akkumulatorenfabrik bei Ferlach im Mai desselben Jahres.

Die schärfste Maßnahme des Versuchs, die Widerstandsbewegung einzudämmen, war die Verlegung des SS-Polizeiregiments 13 im April 1944 von der Ostfront nach Kärnten.402 Das Haupteinsatzgebiet, das dem Regiment dabei zugeteilt wurde, befand sich zwischen den Karawanken und der Drau, und umfasste somit das komplette gemischtsprachige Gebiet. Trotz anfänglicher Erfolge erklärte Heinrich Himmler Kärnten und Slowenien im August 1944 zum „Bandenkampfgebiet“. Am 8. August, bei der Strukturierung des Gebiets, wurde Kärnten in fünf Sicherungsabschnitte eingeteilt. Die Leiter der jeweiligen Abschnitte waren dem Kommandeur des SS-Polizeiregiments 13, Oberstleutnant Flecker, unterstellt, der die Leitung des gesamten „Bandenkampfgebietes“ zugeteilt bekam.403 Somit war er auch Be- fehlshaber über die Truppen der Gebirgsjäger, die ab Sommer 1944 ebenfalls zur „Bandenbe- kämpfung“ in Kärnten zum Einsatz kamen. Die Gebirgsjäger waren aber nicht die letzte Einheit, die dieser Aufgabe zugeteilt wurden. Auch der Volkssturm, in gewisser Weise eine Nachfolgeorganisation der Landwacht, der in Kärnten sämtliche Männer zwischen 16 und 60 Jahren erfasste, die nicht an der Front standen, wurde hinzugezogen.404 Insgesamt wurden in Kärnten 161 Stützpunkte gegründet, die nur der „Bandenbekämpfung“ dienten.405 Neben Polizeiregiment 13 und den Gebirgsjägern waren Einheiten der Gendarmerie, der Schutzpoli- zei, der Gestapo, des SD, der SA, der Wehrmacht und des Volkssturms im Einsatz gegen die Widerstandsgruppen. Schätzungen sprechen in diesem Zusammenhang von 10.000 Soldaten, die durch die „Bandenbekämpfung“ in Kärnten gebunden waren, und somit an anderen Kriegsschauplätzen fehlten.406

400 Neugebauer Wolfgang, The Austrian Resistance 1938-1945 (2014), S. 39. 401 Luza Radomir, Der Widerstand in Österreich 1938-1945 (1985), S. 222. 402 Rettl Lisa und Blohberger Gudrun (Hrsg.) Peršman (2014), S. 138. 403 Rausch Josef, Der Partisanenkrieg in Kärnten – abseits von Verklärung und Verteufelung (2012), S. 261. 404 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 83. 405 Amann Klaus, Siegreiche Verlierer (2013), S. 20. 406 Vgl. Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten (2011), S. 65. 101

Durch die Aktionen der PartisanInnen, die sich in den Monaten vor Kriegsende gegen kleine- re bewaffnete Einheiten, Stützpunkte und die Außenlager des Konzentrationslagers Mauthau- sen am Loiblpass richteten, gelang es sämtlichen in Kärnten befindlichen PartisanInnen NS- Truppen von erheblicher Größe im Gau zu binden und somit von anderen Kriegsschauplätzen fernzuhalten. Den größten Anteil daran hatten zwar definitiv die PartisanInnen im Verbund der OF, aber andere Gruppen sollten bei dieser Betrachtung nicht außer Acht gelassen wer- den. Auch der explizit österreichische Widerstand, der sich in Form der österreichischen Bataillone und der Gruppe Avantgarde innerhalb der OF gebildet hatte, trug maßgeblich zum Widerstand und zur Bindung der NS-Truppen in Kärnten bei.

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5. Das Kriegsende als Neuanfang?

Das näherrückende Kriegsende brachte für die kleineren Partisanengruppen in Kärnten eine Entspannung der Lage mit sich. Es war absehbar, dass die Engländer, die aus Italien vorrück- ten, Kärnten bald erreichen, und somit die Befreiung vom Nationalsozialismus mit sich bringen würden. Paradoxerweise bedeutete das Kriegsende in Kärnten aber nicht das Ende sämtlicher kriegerischer Handlungen, wie auf den folgenden Seiten gezeigt werden wird. Für viele der PartisanInnen war das Ende des Krieges nicht gleichbedeutend mit dem Beginn eines neuen glücklicheren Lebens und auch die Spannungen innerhalb der Kärntner Gesell- schaft sollten nicht verschwinden.

5.1. Die Endkämpfe

Als Adolf Hitler am 30. April in seinem Bunker in Berlin Selbstmord beging, war der Krieg schon längst entschieden, und seine Beendigung auf den Schlachtfeldern Europas nur mehr noch eine Frage von Tagen. Najemnik schreibt in seinen Erinnerungen über den Selbstmord des Führers:407

Er, der Führer, der keine Gelegenheit ausgelassen hatte, um von der Verant- wortung gegenüber der Geschichte und dem Volk zu reden, hat sich einfach gedrückt. Wie ein prahlerischer Raufbold, der Angst bekommt, wenn man ihm den Revolver wegnimmt, war er in Wirklichkeit keine Größe gewesen, nur ein Popanz. Ein gefährlicher allerdings.

Auf Grund der aussichtslosen Lage würde man erwarten, dass eine gewisse Kriegsmüdigkeit zu Tage trat, doch viele Anhänger des Reiches blendeten diese aus. Der Kärntner Gauleiter Friedrich Rainer forderte noch am 4. Mai 1945 über das Radio die Aufrechterhaltung des Kampfgeistes.408 Diejenigen, gegen die sich dieser Kampfgeist richten sollte, waren nun aber nicht mehr die westlichen Alliierten, die über Italien nach Österreich drängten, sondern die ehemaligen jugoslawischen PartisanInnen, die sich, im zu diesem Zeitpunkt bereits überwie- gend befreiten Jugoslawien, zur Jugoslawischen Volksarmee umgewandelt hatten. In Jugo- slawien, wo die Führung der Osvobodilna Fronta unter Tito ihre politische Linie im Gegen- satz zu Kärnten klar verfolgen konnte, war der Befreiungskampf zu einem regelrechten

407 Najemnik Franz, Erinnerungen an den Widerstand gegen das NS-Regime in Kärnten (2012), S. 211. 408 Gstettner Peter, Erinnern an das Vergessen (2010), S. 192. 103

Bürgerkrieg ausgeartet. Die Volksarmee kämpfte dabei nicht nur gegen die KollaborateurIn- nen der Wehrmacht und SS, wie die kroatischen Ustaše oder die slowenische Landwehr, die sich nach der Kapitulation Italiens gegründet hatte, sondern auch gegen ehemalige widerstän- dische Organisationen wie die Tschetniks. Diese hatten sich, als die Übermacht der Partisa- nInnen in Jugoslawien deutlicher wurde, auf eine teilweise Kooperation mit den faschisti- schen Besatzern eingelassen, weil sie hofften, dadurch das vor dem Krieg bestehende König- reich Jugoslawien wiederherstellen zu können. Mit näherrückendem Kriegsende wurde deutlich, dass dieser Bürgerkrieg zu Gunsten der KommunistInnen entschieden war. In der Hoffnung der Rache ihrer militärischen Gegner in Jugoslawien entgehen zu können, flüchte- ten viele KollaborateurInnen der ehemaligen nationalsozialistischen Besatzer in Form riesiger Menschenmengen Richtung Kärnten, um die zukünftige britische Besatzungszone zu errei- chen. Die nationalsozialistischen Einheiten, die noch auf eine Kriegswende hofften, warben einige dieser Gruppen für die eigenen Reihen an und versprachen ihnen, dass diese der SS gleichgestellt würden.409 Für die Gruppen der Ustaše, Landwehr und Kosaken, die diesen Anwerbungsversuchen nachkamen, bot sich so die Chance in einem stärkeren Verbund gegen ihre Gegner vorzugehen. Franz Najemnik schrieb über die Zustände am 5. Mai: „Auch von Frontmüdigkeit war keine Spur! Ich konnte es zuerst gar nicht fassen: Wie in einem Film sah ich hier ein klares Bild der Deutschen Wehrmacht.“410 An dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass diese fehlende Frontmüdigkeit keinesfalls auf sämtliche Verbände in der Wehr- macht zutraf, aber doch auf einige. Als am 7. Mai Gauleiter Rainer von seiner Position zu- rücktrat, und die Führung des Landes an eine selbst formierte Landesregierung übergab, passierte dies aus der Hoffnung, die Briten würden so mit der Landesregierung zusammenar- beiten, und das Eindringen der jugoslawischen Armee in Kärnten verhindern, die sich inzwi- schen auf die Fährte der flüchtenden KollaborateurInnen aus Kroatien und Slowenien ge- macht hatte.411 Kärnten war damit der einzige Gau in Österreich, in dem der Gauleiter noch vor dem Eintreffen der Alliierten zum Rücktritt bewegt wurde.412 Die Landesregierung belangte übrigens weder den ehemaligen Gauleiter, noch einen seiner Führungskräfte, und lies sie frei gewähren.

In Südkärnten hatten Bataillone des Kärntner Verbandes und eines der österreichischen Bataillone am 6. Mai verschiedene Orte wie Zell Pfarre, Feistritz und Ferlach unter ihre

409 Gstettner Peter, Erinnern an das Vergessen (2010), S. 199. 410 Najemnik Franz, Erinnerungen an den Widerstand gegen das NS-Regime in Kärnten (2012), S. 216. 411 Vgl. Pirker Peter, Widerstand und Volksgemeinschaft im deutschsprachigen Teil Kärntens (2011), S. 116. 412 Gitschtaler Bernhard und Jamritsch Daniel, Das Gailtal unterm Hakenkreuz (2013), S. 137. 104

Kontrolle gebracht. Als am Tag darauf die ersten Truppen der Volksarmee aus Jugoslawien eintrafen, besetzten sie gemeinsam mit ihnen die Draubrücke in der Nähe von Ferlach, die eine der wichtigsten Überquerungsmöglichkeiten über den Fluss darstellte.413 Als in den Morgenstunden des 8.5.1945 die Briten in Klagenfurt einmarschierten, die Kapitulation des Dritten Reiches war bereits am Tag zuvor unterzeichnet worden, war der Gau Kärnten end- gültig von der nationalsozialistischen Herrschaft befreit.414 Viele Menschen, die unter der Unterdrückung des Regimes gelitten hatten, brachen in Begeisterung aus und die britischen Truppen wurden von Menschenmengen in Klagenfurt begrüßt. Franz Najemnik, der sich weiter im Westen befand, schrieb später über diesen Augenblick:415

Dass der politische Druck von Seiten der NSDAP aufgehört hatte, und die Freiheit über Nacht mit einem Schlag da war, das war etwas so Großes, dass man es nicht gleich fassen konnte. Mir persönlich jedenfalls ist es so gegangen. Die erste Zeit begrüßte ich jeden neuen Tag mit andächtigen tiefen Atemzügen voll Dankbarkeit, das Leben wieder gewonnen zu haben.

Anton Haderlap, der als Kurier der PartisanInnen tätig war, sprach ebenfalls davon, dass es ihm schwer fiel die neue erfreuliche Situation zu begreifen: „Als die Kuriere am 7. Mai 1945 aus Eisenkappel zurückkamen, berichteten sie, der Krieg sei zu Ende. Sie waren in Kappl gewesen und hatten keinen einzigen Polizisten gesehen. Wir glaubten ihnen nicht, wir waren viel zu misstrauisch.“416 Wenige Tage später wurde er, gleich sämtlicher anderer Kuriere, vom Kommando entlassen und konnte endlich nach Hause zurückkehren. Für viele Kärntne- rInnen, die sich den kämpfenden Einheiten im Widerstand angeschlossen hatten, war der Krieg jedoch nicht vorbei. Sie wurden von der jugoslawischen Armee beauftragt, die über den Loiblpass aus Jugoslawien Richtung Ferlach geflüchteten Menschenmassen zu entwaffnen und die Gewehre einzusammeln. Die Route über den Loiblpass war einer von drei Fluchtwe- gen der jugoslawischen Verbände, die in ihren Reihen auch ZivilistInnen mitführten, und wurde hauptsächlich von der slowenischen Landwehr benutzt. Die anderen Fluchtwege verliefen durch das das Jauntal, beziehungsweise über das Mießtal Richtung Bleiburger Feld an der Staatsgrenze.417 Während an der ersten Route zwei Bataillone des Kärntner Verbandes und ein österreichisches Bataillon mit nachrückenden Einheiten der 4. jugoslawischen Armee

413 Rulitz Florian, Die Tragödie von Bleiburg und Viktring. Partisanengewalt in Kärnten am Beispiel der antikommunistischen Flüchtlinge im Mai 1945. Klagenfurt, Hermagoras Verlag: 2011, S. 86. 414 Baum Wilhelm, Peršmanhof 1945 (2013), S. 100. 415 Najemnik Franz, Erinnerungen an den Widerstand gegen das NS-Regime in Kärnten (2012), S. 229. 416 Haderlap Anton, Graparji (2011), S. 168. 417 Rulitz Florian, Die Tragödie von Bleiburg und Viktring (2011), S. 78. 105 stationiert waren, wurde die 3. jugoslawische Armee, die hauptsächlich aus Serben bestand, nach Bleiburg geschickt.418 In Ferlach kam es in den darauffolgenden Tagen zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den PartisanInnen und den geflüchteten Einheiten. Somit wurde ein Teil der Kärntner PartisanInnen und das österreichische Bataillon im Verbund der OF doch noch in den ideologischen Kampf der KommunistInnen aus Jugoslawien gezogen, und das während für viele ihrer KameradInnen der Krieg bereits ein Ende gefunden hatte.

Die PartisanInnen waren am 10. Mai noch immer damit beschäftigt, nachrückende Gruppen, die aus Landwehreinheiten, ehemaligen nationalsozialistischen Einheiten und ZivilistInnen aus Jugoslawien bestanden, zu entwaffnen. Als die Landwehreinheiten erfuhren, dass ihnen der Übertritt über die Drau von den Kärntner PartisanInnen und Einheiten der jugoslawischen Armee versperrt wurde, und sie in weiterer Folge nach Jugoslawien zurückgeschickt werden sollten, eröffneten sie gemeinsam mit einer deutschen Einheit das Feuer.419 In den folgenden blutigen Kämpfen hatten beide Seiten Verluste zu verzeichnen, die Flüchtlinge schafften es aber mit Hilfe von Artillerie die PartisanInnen aus dem Gebiet zu vertreiben und in weiterer Folge die Brücke, die in das britische Besatzungsgebiet führte, zu überqueren. Erst am 15. Mai riegelte die britische Armee die Brücke ab und erlaubte kein Überqueren von Süden her mehr.420 Der Konflikt in Ferlach war ein unnötiger gewesen und durch uneinsichtiges Verhal- ten beider Seiten zu Stande gekommen. Während auf der einen Seite Truppen zu Waffen griffen, deren Führung zuvor die Kapitulation unterzeichnet hatte, versuchten die PartisanIn- nen mit allen Mitteln die Gegner am Überqueren der Drau zu hindern, obwohl sie nicht als offizielle Truppen der alliierten Besatzer in Kärnten galten. Die Kämpfe bei Ferlach sollten aber nicht die blutigsten Auseinandersetzungen nach Kriegsende in Kärnten werden.

Kroatische Verbände hatten sich durch die Untersteiermark bis zum Bleiburger Feld, im späteren Grenzgebiet zwischen Österreich und Jugoslawien, begeben.421 Hier wurden sie am 13. Mai von Einheiten der jugoslawischen Armee gestellt. Auch die Briten forderten die Truppen zum Halten auf, woraufhin es zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen den Truppen der Armee Titos und den Verbänden des ehemaligen Ustaša-Regimes aus dem Unabhängigen Staat Kroatien kam. Bei Verhandlungen, die von den Briten geleitet wurden, einigte man sich auf die Kapitulation der kroatischen Verbände, die ihre Waffen an die

418 Rulitz Florian, Die Tragödie von Bleiburg und Viktring (2011), S. 80. 419 Pust Ingomar, Titostern über Kärnten (1984), S. 183. 420 Rulitz Florian, Die Tragödie von Bleiburg und Viktring (2011), S. 139. 421 Pust Ingomar, Titostern über Kärnten (1984), S. 137. 106 jugoslawische Volksarmee übergeben sollten.422 Während der Kapitulation dürfte es jedoch zu Unstimmigkeiten gekommen sein, denn die Soldaten der Volksarmee eröffneten das Feuer. Unter welchen Umständen dies geschah ist bis heute noch nicht genau nachvollziehbar, das Motiv der Rache für die im Unabhängigen Staat Kroatien verübten Verbrechen kann aber nicht ausgeschlossen werden. In wenigen Minuten verübten die Soldaten der Volksarmee ein Massaker auf beiden Seiten der Grenze, bei dem eine dreistellige, vielleicht vierstellige Zahl an Personen starb.423 Die Tatsache, dass es sich hierbei um ehemalige KollaborateurInnen der nationalsozialistischen Okkupatoren handelte, die selbst menschenunwürdige Verbrechen begangen hatten, kann nicht als Entschuldigungsgrund herangezogen werden, da diese bereit waren, zu kapitulieren. Unter den Hingerichteten befanden sich neben bewaffneten Einheiten auch ZivilistInnen. Dieses abscheuliche Verbrechen sollte einen langen Schatten auf die Kärntner Partisanenbewegung werfen, obwohl die Kärntner PartisanInnen am Massaker nicht beteiligt waren, sondern entweder vom Kommando bereits entlassen waren oder sich noch in der Nähe von Ferlach befanden.

Die Vorgänge in Bleiburg blieben nicht das einzige Ereignis, das den Ruf der Kärntner PartisanInnen schädigte. Am zweiten Ereignis dürften einige wenige von ihnen, im Gegensatz zu den Verbrechen bei Bleiburg, nicht unbeteiligt gewesen sein. Das angesprochene Ereignis, das laut Brigitte Entner in Kärnten noch immer „reflexartig“ mit den PartisanInnen verbunden wird, waren die sogenannten Verschleppungen im Mai 1945.424 In den Tagen vor dem Abzug der jugoslawischen Armee wurden 263 einheimische Personen aus Gebieten nördlich und südlich der Drau verschleppt. 163 von ihnen kamen innerhalb der nächsten Tage wieder frei, zwei Personen wurden in Österreich hingerichtet, zwei verstarben laut offiziellen Angaben in Jugoslawien, und 96 Personen gelten seit damals als vermisst.425 Veranlasst wurden diese Verschleppungen vom jugoslawischen Nachrichtendienst, doch warum gerade diese Personen ausgewählt und nach Jugoslawien verschleppt wurden, ist bis heute nicht geklärt. Einigen konnte ein Naheverhältnis oder eine Mitgliedschaft in verschiedenen nationalsozialistischen Einheiten nachgewiesen werden, allerdings dürfte dies wohl nicht auf alle 263 Personen zutreffen.426 Auch wenn sich die folgende Vermutung nun im Rahmen der Spekulation bewegt, so dürften einige der Verschleppungen durch Hinweise oder Anreize einzelner lokaler Partisanenführer oder AktivistInnen geschehen sein, denn sonst hätte der Geheim-

422 Rulitz Florian, Die Tragödie von Bleiburg und Viktring (2011), S. 124. 423 Rulitz Florian, Die Tragödie von Bleiburg und Viktring (2011), S. 132. 424 Vgl. Entner Brigitte, Verortung des slowenischen Widerstandes in Kärnten (2011), S. 51. 425 Amann Klaus, Siegreiche Verlierer (2013), S. 12. 426 Amann Klaus, Siegreiche Verlierer (2013), S. 12f. 107 dienst wohl keine ausreichenden Informationen über die Bevölkerung in Kärnten gehabt. Eine genaue Untersuchung oder vollständige Klärung der Ereignisse in diesem Zusammenhang steht aber immer noch aus.

Die jugoslawischen Truppen, die ursprünglich als Besatzer in Kärnten bleiben wollten, wurden am 16. Mai unter sowjetisches Kommando gestellt.427 In den darauffolgenden Tagen zogen sie sich auf Drängen der Engländer aus Kärnten zurück und am 23. Mai hatte der letzte Soldat der jugoslawischen Volksarmee Kärnten verlassen.428 Die Kärntner PartisanInnen, die zu diesem Zeitpunkt bereits alle vom Kommando entlassen worden waren, kehrten auf ihre Höfe und ihre Häuser zurück.429 Die Freude unter den ehemaligen PartisanInnen, dass nun auch für sie der Krieg zu Ende war, war groß. Lipej Kolenik erinnerte sich an das Kriegsende und die Rückkehr nach Hause:430

Die anderen Partisanen waren schon fort. Und ich schau und da ist der Bruder gekommen. „Lipej komm, der Krieg ist aus.“ Ich konnte es ja nicht glauben, dass er wirklich aus ist, dass wir wieder frei sein werden. Und dann hat er un- ten von einem Bauern ein Pferd und einen Wagen bekommen und hat mich aufgeladen auf den Wagen und heimgeführt. Also wie wir damals glücklich und selig waren, dass der Krieg aus ist. Und der Bruder hat mich dann von Bauer zu Bauer gefahren, überall waren Laute, die haben uns bedient und ge- sungen. von Bauer zu Bauer und alle waren froh, dass der Krieg aus war.

Selbstverständlich waren nicht nur die PartisanInnen über das Kriegsende froh, auch andere KärntnerInnen hofften auf eine erfreuliche Zukunft. Unter ihnen der Kärntner Slowene Andrej Kokot, der bei Kriegsende noch in einem Lager war: „Nun schauten wir einer neuen Zukunft entgegen, mit der festen Überzeugung, das Recht auf unserer Seite zu haben, dass man nie wieder zulassen wird, dass Leute, die einer anderen Nation oder Konfession angehören, zu Staatsfeinden erklärt und wie Verbrecher behandelt werden können.“431 Die Zeit nach dem Krieg konnte beginnen.

427 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 87. 428 Rulitz Florian, Die Tragödie von Bleiburg und Viktring (2011), S. 143. 429 Stieber Gabriela, Die Briten als Besatzungsmacht in Kärnten 1945-1955. Klagenfurt, Verlag des Kärntner Landesarchivs: 2005, S. 296. 430 In: Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011), S. 61. 431 Kokot Andrej, Das Kind, das ich war (1999), S. 150. 108

5.2. Der Neuanfang

Die Briten hatten in Kärnten für militärische und zivile Flüchtlinge aus dem Balkan Auffang- lager errichtet, in denen die Menschenmassen, die es über die Drau geschafft hatten, gesam- melt wurden. Es gab Auffanglager in Grafenstein, Krumpendorf und anderen Teilen des Landes. Das größte Lager befand sich in Viktring nahe Klagenfurt. Schätzungen gehen davon aus, dass hier über 30.000 Menschen untergebracht waren, 20.000 davon, unter ihnen sowohl ehemalige bewaffnete Einheiten als auch ZivilistInnen, kamen aus dem späteren Slowe- nien.432 Die Briten, die nicht mit derartigen Flüchtlingsmassen gerechnet hatten, beschlossen recht früh, dass die Angehörigen der militärischen Verbände an die jugoslawische Volksar- mee auszuliefern seien. So wurden Kosaken, slowenische, serbische und kroatische Personen der Armee Titos übergeben.433 Die Briten dachten, den ehemaligen KollaborateurInnen würde in Jugoslawien ein Prozess gemacht werden, doch die Soldaten der jugoslawischen Volksar- mee begannen noch innerhalb der österreichischen Staatsgrenzen mit den Hinrichtungen entlang der Repatriierungslinien. Bei den folgenden Gewaltmärschen starben weitere tausende Menschen, die von den Truppen einfach in Massengräbern verscharrt wurden.434 Die Zivilis- tInnen, die in Österreich verblieben, begaben sich entweder Monate später zurück in ihre Heimat oder migrierten in verschiedene Teile der Welt.

Im Juli 1945 erreichte der erste Transport mit 273 ehemals deportierten Kärntner SlowenIn- nen den Bahnhof in Villach.435 Aufgrund der Tatsache, dass die Amerikaner es verabsäumt hatten die Briten über die Ankunft der Deportierten zu informieren, kam es zu erheblichen Schwierigkeiten und Verzögerungen bei deren Heimkehr. Franc Resman, der sich im ersten Zug befand, schilderte die Situation: „Letztlich kam man überein, und alle wurden in die ehemalige Jesuitenkaserne nach Klagenfurt gebracht. Hier mussten einige fast drei Wochen warten, bis ihre Höfe wieder frei waren und sie nach Hause kommen konnten.“436 Generell wurden die Heimkehrer von der Politik eher als „lästige Eindringlinge empfunden“, da sie nun die Ordnung in Kärnten auf den Kopf stellten, und die Kanaltaler Familien, die viele der

432 Rulitz Florian, Die Tragödie von Bleiburg und Viktring (2011), S. 153. 433 Unbekannt, Völkermord der Tito-Partisanen 1944-1948. Herausgeber: Österreichischer Historiker- Arbeitsgemeinschaft für Kärnten und Steiermark, 2. korrigierte und erweiterte Ausgabe. Graz, Oswald Hartmann Verlag: 1993, S. 236. 434 Unbekannt, Völkermord der Tito-Partisanen 1944-1948 (1993), S. 275. 435 Entner Brigitte, Deportation (2012), S. 194. 436 Resman Franc, Eine slowenische Chronik aus Kärnten 1914-1945 (2014), S. 223. 109

Höfe in Südkärnten übernommen hatten, diese nun wieder verlassen mussten.437 Darüber berichtete auch Andrej Kokot, als er seine Rückkehr nach Köstenberg beschrieb: „Wir erwar- teten, dass man uns willkommen heißen würde. Aber nichts geschah, obwohl wir das Gefühl hatten, dass wir beobachtet wurden.“438 In manchen Fällen kam es bei der Rückkehr noch zu direkten Begegnungen zwischen den vorübergehenden BewohnerInnen und den Heimkehr- erInnen, wie bei Franc Resman, der schrieb: „Die Frau des Kanaltalers, der auf unserem Hofe war, brachte uns Milch und begrüßte uns.“439 Obwohl Resman seinen Hof wieder übernehmen konnte, sollte es noch fast drei Jahre dauern, bis er auch wieder als rechtlicher Eigentümer galt. In anderen Fällen, wie bei Andrej Kokot, standen die heimgekehrten Familien nun vor einem komplett leeren Haus: „Das Haus war leer, völlig leer. kein einziger Stuhl, keine Bank waren da, um uns darauf zu setzen zu können. In der Küche fehlte der Herd. In den Schlafstu- ben waren keine Betten. Auch die Fenster hatte man entwendet.“440

Die Briten hatten in der Zwischenzeit die noch vor ihrem Einmarsch selbsternannte Landesre- gierung aufgelöst. Das Konsultativkomitee, das sie gegenüber der Landesregierung in nur leicht veränderter Form gegründet hatten, diente ihnen in den ersten Monaten zu beratenden Zwecken.441 Die Kärntner SlowenInnen hatten mit Joško Tišler einen Repräsentanten im Konsultativkomitee, der sich für die Anliegen der Minderheit einsetzte. Tišler hatte von Anfang an drei Punkte, auf die er sich konzentrierte. Er forderte die unverzügliche Rückkehr der Deportierten, Schadensersatz für die Opfer des Nationalsozialismus und die Wiederein- führung und gesetzliche Regelung der zweisprachigen Schulen.442 In den Grundschulen wurde das System der Zweisprachigkeit mit Unterstützung der Briten auch rasch wieder zum Stan- dard im gemischtsprachigen Gebiet.443 Die Briten versuchten grundsätzlich die Interessen der Kärntner SlowenInnen zu wahren, und unter ihrer Führung erschien in Kärnten auch wieder die erste slowenischsprachige Zeitung, die Koroška Kronika.444 Die Besatzer waren auch von der deutschsprachigen Bevölkerung in Kärnten akzeptiert und toleriert. Franz Najemnik schreibt dazu: „Die Engländer waren zwar jetzt für die nächsten Jahre die Oberherren bei uns,

437 Koschat Michael, Die Deportation slowenischer Familien im April 1942: Vorgeschichte – Verlauf – Erinne- rung (2012), S. 36. 438 Kokot Andrej, Das Kind, das ich war (1999), S. 152. 439 Resman Franc, Eine slowenische Chronik aus Kärnten 1914-1945 (2014), S. 224. 440 Kokot Andrej, Das Kind, das ich war (1999), S. 153. 441 Stieber Gabriela, Die Briten als Besatzungsmacht in Kärnten 1945 – 1955 (2005), S. 298. 442 Smolle Karel, Die Kärntner Slowenen und die österreichischen politischen Parteien (2000), S. 222. 443 Domej Theodor, Das Schulwesen für die Bevölkerung Südostkärntens (2000), S.36. 444 Knight Robert, A no-win Situation? Gerald Sharp and the British policy towards the Carinthian Slovenes 1945-1960. In: Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus in Alpen-Adria-Raum, Entner Brigitte et al. (Hrsg). Klagenfurt, Drava Verlag: 2011. S. 84-96, hier: S. 88. 110 aber sie spielten sich nicht als solche auf und waren sichtlich bestrebt, uns bei der Errichtung einer demokratischen Ordnung zu helfen.“445

Aus Jugoslawien wurden trotz britischer Besatzung Gebietsansprüche auf den Südkärntner Raum gestellt.446 Obwohl diese nur von einem Teil der nationalbewussten SlowenInnen in Kärnten unterstützt wurden, blieben sie bis zum Bruch zwischen Stalin und Tito aufrecht.447 Um den Forderungen in Österreich größeren Nachdruck zu verleihen, wurde in Kärnten auf Anreiz der KPJ eine Partei gegründet, die sich, um so ihren Zuspruch in der zweisprachigen Bevölkerung möglichst groß zu halten, nach der ehemaligen Befreiungsbewegung, der Os- vobodilna Fronta, nannte. In der Partei waren vor allem die wenigen Vorkriegskommunisten wie Karel Prušnik und Franc Petek präsent, die schon vor 1938 einem möglichen Anschluss Südkärntens an Jugoslawien nicht abgeneigt gegenüber gestanden waren.448 Durch die starke kommunistische Prägung der Partei hatte diese von Beginn an in der Bevölkerung zu wenig Rückhalt, die Zugkraft des Namens allein war von den ParteifunktionärInnen überschätzt worden. Als Spitzenkandidat für die anstehenden Wahlen wurde ursprünglich der bereits im Konsultativkomitee vertretene Joško Tišler eingesetzt, der allerdings auf Drängen der Briten die Forderung nach einem Anschluss Südkärntens an Jugoslawien fallen ließ und daraufhin von den restlichen FunktionärInnen der OF-Partei seines Amtes enthoben wurde.449 Die OF musste in weiterer Folge ihre Kandidatur für die Landtagswahl im November komplett zurückziehen. Bei der Wahl wurde Hans Piesch, ein Sozialdemokrat mit nationalsozialisti- scher Vergangenheit, zum Landeshauptmann gewählt. Die KPÖ erreichte mit knappen 8 Prozent in Kärnten ein gutes Ergebnis, und konnte auch die Wählerstimmen einiger jugosla- wisch orientierten Wähler gewinnen, der überwiegende Teil der Kärntner SlowenInnen hatte aber die Stimmen auf ÖVP und SPÖ aufgeteilt.450 Gute Ergebnisse hatten die KommunistIn- nen auch in den ehemaligen deutschen Hochburgen des Widerstandes wie Villach erzielt. Dennoch hatte die Wahl im November gezeigt, dass die Angst die vor dem Kommunismus, nicht nur in Kärnten, sondern in ganz Österreich herrschte, eine unbegründete war.451 Betref- fend der Gebietsforderungen Jugoslawiens hatten die britischen Besatzer die Lage in Kärnten so eingeschätzt, dass falls eine Wahrung der Minderheitenrechte in Kärnten garantieren

445 Najemnik Franz, Erinnerungen an den Widerstand gegen das NS-Regime in Kärnten (2012), S. 230. 446 Unbekannt, Völkermord der Tito-Partisanen 1944-1948 (1993), S. 273. 447 Hellwig Valentin, Am Rande des Bürgerkriegs (2013), S. 23. 448 Stieber Gabriela, Die Briten als Besatzungsmacht in Kärnten 1945 – 1955 (2005), S. 314. 449 Malle Augustin, Der Widerstand der Kärntner Slowenen im historischen Gedächtnis (2011), S. 68. 450 Smolle Karel, Die Kärntner Slowenen und die österreichischen politischen Parteien (2000), S. 222. 451 Knight Robert, A no-win Situation? (2011), S. 85. 111 werden könne, die überwiegende Mehrheit der Kärntner SlowenInnen sich erneut für einen Verbleib bei Österreich entscheiden würde.452 Um ein Gegengewicht zur politischen Partei der OF herzustellen, wurde nach den Wahlen 1945 der Bund Österreichischer Slowenen gegründet. Dessen Mitglieder wiesen zwar immer wieder auf ihre slowenische Identität hin, allerdings erklärten sie unmissverständlich ihre Loyalität zum Staate Österreich.

Das Zusammenleben von Mehrheit und Minderheit hatte sich zwar definitiv zum Besseren gewandelt, dennoch gab es immer wieder Vorkommnisse, die zeigten, dass die Gräben inner- halb der Kärntner Gesellschaft, die sich mit dem Aufkommen des Nationalismus im 19. Jahrhundert aufgetan hatten, nicht verschwunden waren. Einige deutschsprachige KärntnerIn- nen sahen die slowenischsprachigen Familien nun als Stellvertreter der jugoslawischen Gebietsforderungen und traten ihnen ablehnend gegenüber. Andrej Kokot beschrieb einen Zwischenfall im Jahr 1946: „Warum beschimpfte man mich auf dem Weg zur Schule als 'Tschuschen' [abwertendes Schimpfwort für Personen in Österreich, die des Deutschen gar nicht oder nur schlecht mächtig sind, Anm. d. Verf.] oder Heimatverräter? So hatte ich mir das Zusammenleben nicht vorgestellt.“453 Florian Sienčnik erinnerte sich ebenfalls an ein ähnliche Begebenheit: „Mich haben sie im 46er Jahr in der Schule ausgezogen und einen Titostern gesucht.“454 Um die Interessen der Minderheit in Kärnten besser zu vertreten kam es im Jahr 1949 zur Gründung einer weiteren Minderheitenorganisation, dem Rat der Kärntner Slowenen, der bis heute besteht. Dieser trat mit einer eigenen konservativen Partei, der Christ- lichen Volkspartei, bei den nächsten Landtagswahlen 1949 an. Die Christliche Volkspartei war aber nicht die einzige Partei, die sich explizit an die Kärntner SlowenInnen wandte. Die ehemalige OF-Partei hatte erkannt, dass mit kommunistischer Politik in Kärnten allein kein Wahlerfolg zu erzielen wäre, und gründete eine neue Partei, die Demokratische Front des werktätigen Volkes. Diese gab sich bereits deutlich weniger kommunistisch als ihre Vorgän- gerorganisation, dennoch erreichte sie bei den Landtagswahlen nur knapp 2000 Stimmen.455 Unterdessen vereinte die konservative Christliche Volkspartei der Kärntner SlowenInnen etwas mehr als 4 600 Stimmen. Da sich der größte Anteil der gemischtsprachigen Bevölke- rung, ähnlich den Wahlen von 1945, dazu entschloss ÖVP und vor allem SPÖ zu unterstützen, zeigte die Wahl erneut, dass kommunistische oder jugoslawische Ideen in Kärnten nur gerin-

452 Stieber Gabriela, Die Briten als Besatzungsmacht in Kärnten 1945 – 1955 (2005), S. 297. 453 Kokot Andrej, Das Kind, das ich war (1999), S. 161. 454 Begleit-DVD zum Werk: Logar Ernst, das Ende der Erinnerung (2011), nach 2:24:20. 455 Stieber Gabriela, Die Briten als Besatzungsmacht in Kärnten 1945 – 1955 (2005), S. 319. 112 gen Anklang fanden.456 Bei der Volkszählung von 1951 wurden in Kärnten noch immer über 22.000 slowenischsprachige, und fast 20.000 windischsprachige BürgerInnen gezählt.457 Die Kategorie der Windischen war auch nach dem Krieg übernommen worden, deren Gruppe schrumpfte aber durch die fortschreitende Assimilierung bis zum heutigen Tage stetig.

Der Artikel 7 des Staatsvertrages von 1955, der sich mit den Rechten der slowenischen und kroatischen Minderheit in Österreich befasste, wurde von vielen ehemaligen PartisanInnen und AktivistInnen als Belohnung für ihre Unterstützung im Kampf um die Befreiung Öster- reichs und die damit verbundene Erfüllung der Moskauer Deklaration erachtet. Der Absatz 2 dieses Artikels regelte dabei auch den Anspruch der Minderheit in Kärnten auf Unterricht in ihrer Muttersprache.458 Während dieser Absatz zeitnah erfüllt wurde, mussten die Kärntner SlowenInnen auf die Einhaltung anderer Abschnitte des Artikels über 60 Jahre lang warten, bis ihnen auch hier Gleichberechtigung gewährt wurde. Die unter dem Schlagwort „Ortstafel- konflikt“ bekannte Auseinandersetzung um zweisprachige Ortsanschriften, die bis ins 21. Jahrhundert andauert(e), dient als Beispiel dafür.

Abschließend lässt sich nun festhalten, dass in den Tagen nach offiziellem Kriegsende in Europa, einige der Kärntner PartisanInnen doch noch in die ideologischen Auseinanderset- zungen Titos mit seinen politischen Gegnern hineingezogen wurden. Dies passierte aber nicht freiwillig, sondern auf Befehl ihres Kommandos. Dadurch kam es nicht nur zu unnötigem Blutvergießen, sondern auch zu einer enormen Schädigung des Ansehens der Partisanenbe- wegung in Kärnten, sollten doch KritikerInnen der Bewegung nach dem Krieg immer wieder auf die Kämpfe bei Ferlach hinweisen. Unterdessen hatten viele ihrer ehemaligen Kamera- dInnen die Kampfausrüstung schon abgelegt und waren in ein ziviles Leben zurückgekehrt. Zusätzlich zu den Kämpfen bei Ferlach wirkten sich das Massaker von Bleiburg, bei dem die Kärntner PartisanInnen allerdings nicht beteiligt waren, und die Gebietsforderungen Jugosla- wiens negativ auf die Reputation der Partisanenbewegung aus. Dass die Gebietsforderungen unter der zweisprachigen Bevölkerung Kärntens allerdings nur wenig Anklang fanden, wie die Wahlergebnisse von 1945 und 1949 zeigten, wird dabei oft vernachlässigt. Speziell das Jahr 1949, als auch ehemalige NationalsozialistInnen wieder wählen durften, markierte dabei einen Wendepunkt der Politik und des Ansehens der Freiheitsbewegung in Kärnten. Die englischen Besatzer versuchten zwar immer wieder ordnend einzugreifen und waren bemüht

456 Vgl. Stieber Gabriela, Die Briten als Besatzungsmacht in Kärnten 1945 – 1955 (2005), S. 319. 457 Moritsch Andreas, Nationale Ideologien in Kärnten (2000), S.27. 458 Domej Theodor, Das Schulwesen für die Bevölkerung Südostkärntens (2000), S.38. 113 die grundsätzliche Ordnung aufrecht zu erhalten, hatten aber keinen großen Einfluss auf die Situation.

114

Resümee

Betrachtet man nun die durchgeführten Untersuchungen abschließend, so kann man Antwor- ten auf die in der Einleitung gestellten Fragen finden. Zur Beantwortung der ersten Frage, warum sich der Widerstand gegen den Nationalsozialismus gerade in Kärnten so stark entwi- ckelte, ist zunächst festzuhalten, dass der bewaffnete Widerstand in Kärnten tatsächlich größere Ausmaße erreichte als in anderen österreichischen Bundesländern. Insgesamt kämpf- ten rund 3600 PartisanInnen im Gau Kärnten.459 Unter diesen 3600 sind allerdings auch jene PartisanInnen zu finden, die im Rahmen der OF nur kurzzeitig in Kärnten stationiert waren, vor verfolgenden Truppen hierher flüchteten, oder erst wenige Tage vor Ende der kriegeri- schen Handlungen nach Kärnten kamen. Die neueste Forschung geht davon aus, dass etwas mehr als 900 dieser WiderstandskämpferInnen der Gruppe der Kärntner SlowenInnen zuzu- ordnen sind, von denen rund 150 im Laufe der Kampfhandlungen ihr Leben geopfert ha- ben.460 Durch die deutschsprachigen Kärntner im Kärntner Verband und den österreichischen Bataillonen der OF und den anderen kleineren Widerstandsgruppen wie der Treffner Bande dürfte die Zahl der WiderstandskämpferInnen aus Kärnten wohl mindestens noch um weitere 150 anwachsen.461 Nicht zu dieser Zahl gezählt werden jene Personen, die sich nicht offiziell den kämpfenden Truppen anschlossen, aber durch ihre teils geheime Arbeit in der Bevölke- rung den Rückhalt der Truppen sicherten. Auch jener Bevölkerungsteil, der die Partisanen in Form von bereitgestellten Lebensmitteln, Unterkunft oder Informationen unterstützte, ist bei dieser Gruppe selbstverständlich noch nicht mitberechnet. Wie groß die Zahl der am Wider- stand beteiligten KärntnerInnen nun tatsächlich war, ist deshalb schwer einzuschätzen, weil viele der Aktionen geheim geschehen mussten, um die UnterstützerInnen vor einer möglichen Aufdeckung durch NS-Truppen zu schützen. Eine Andeutung welche Verbreitung der Wider- stand in Kärnten hatte, könnte aber die Zahl von 643 in Zusammenhang mit widerständischem Verhalten in Kärnten getöteten Personen geben, die in Kapitel 3 bereits vorgestellt wurde. Auch die Tatsache, dass die Rate an getöteten Menschen, die mit dem Widerstand in Kontakt standen, in Relation zur Einwohnerzahl der Bundesländer in Kärnten im Vergleich zu den anderen Ländern ungleich hoch war, wurde an gleicher Stelle gezeigt.

459 Sima Valentin, Gewalt und Widerstand 1941 – 1945 (2000), S. 277. 460 Nachwort Valentin Inzkos in: Baum Wilhelm, Wie ein im Käfig eingesperrter Vogel (2013), S. 149. 461 Eine genaue wissenschaftliche Ermittlung der Gesamtanzahl der deutschsprachigen WiderstandskämpferIn- nen aus Kärnten gibt es meines Wissens noch nicht. Meine Schätzung von 150 Widerständigen basiert auf den in dieser Arbeit vorgestellten Widerstandsgruppen. Bei einer großzügigeren Auslegung, die auch jene Wider- standskämpferInnen inkludiert, die sich erst in den letzten Tagen des Krieges dem Widerstand anschlossen, wäre diese Zahl jedoch definitiv zu tief angesetzt. 115

Warum dieser Widerstand gerade in Kärnten ausbrach, lässt sich ohne die Entwicklung des Landes vor dem Anschluss zum Deutschen Reich nicht erklären. Die Entwicklung, auf die im ersten Kapitel ausführlich eingegangen wurde, zeigt, dass der aufkommende Nationalismus, der durch die im Laufe der Zeit in Kärnten angesiedelten Sprach- und Kulturgruppen eine besondere Brisanz entwickelte, die Bevölkerung des Landes tief gespalten hatte. Nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie fand diese Spaltung im Abwehrkampf und der daraus resultierenden Volksabstimmung ihren Höhepunkt, auf den eine verstärkt einsetzende unter- drückende Germanisierung der südkärntnerischen Bevölkerung folgte. Die Unterdrückung konnte in weiterer Folge durch die VertreterInnen des Nationalsozialismus aufgegriffen und fortgesetzt werden. Dies war ein Mitgrund, warum der Nationalsozialismus in Kärnten nörd- lich der Drau so breite Zustimmung erfahren hatte. Die Zahl von über 13.000 Kärntnern, die der SS beigetreten waren, dient als trauriger Beweis für den Fanatismus.462 Die Kärntner SlowenInnen, die immer noch hofften vom Regime toleriert zu werden und bereits in der Monarchie als äußerst konservative und staatstreue Gruppe bekannt waren, trauten sich aber lange Zeit nicht, den Widerstand aufzunehmen. Erst durch so einschneidende Maßnahmen wie den eingeführten Deutschzwang in der Schule, das komplette Verbot ihrer Sprache, das Verbot der Existenz jeglicher kultureller Organisationen und die Deportationen und Verfol- gungen von RepräsentantInnen ihrer Volksgruppe, wurden sie zum Handeln gezwungen. Zunächst entschieden sich viele zur Flucht. Mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Jugoslawi- en fiel diese Möglichkeit weg. Der bewaffnete Widerstand bot für viele Verfolgte den letzten Ausweg.

Auch auf deutschsprachiger Seite war die Zugehörigkeit zu einer unterdrückten, meist politi- schen Gruppe ausschlaggebend dafür, sich dem Widerstand anzuschließen. Außerhalb des zweisprachigen Gebietes stützte sich der Widerstand in Kärnten vor allem auf zwei politische Gruppen. Die erste Gruppe bildeten jene der Konservativen, als Beispiel sind hier TIGR, die slowenische- und deutschsprachige Mitglieder vereinte, und die AFÖ zu nennen. Die zweite und größere Gruppe waren KPÖ-nahe Personen wie die widerständischen Eisenbahner aus Villach und St.Veit oder die Schüttpartisanen. Auch die deutschen Verbände innerhalb der OF, die jedoch ebenso VertreterInnen anderer politischer Richtungen miteinbezogen, gründe- ten sich auf Initiative kommunistischer Führungspersönlichkeiten. Es sollte an dieser Stelle auch nochmals erwähnt werden, dass viele als KommunistInnen bezeichnete Personen, vor 1934 Mitglieder von Organisationen waren, die der Sozialistischen Partei nahe standen und

462 Hellwig Valentin, Kärnten. Vom ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart (2011), S. 70. 116 erst während der Zeit des Ständestaates zum Kommunismus wechselten, weil dieser im illegalen Widerstand nach 1934 aktiver war. Auch die Frage nach den Gründen für das Aus- brechen des Widerstandes, kann mit dem Verweis auf die eben beschriebene Unterdrückung der Minderheit beziehungsweise der politischen Gruppen beantwortet werden. Die Unterdrü- ckung ging im Falle der Kärntner SlowenInnen so weit, dass sie auf die Vernichtung oder zumindest Vertreibung der Volksgruppe abzielte. Die einzige Möglichkeit dies zu verhindern, war das Aufgreifen des Widerstandes. Dieser wurde somit tatsächlich durch die Haltung und Handlungen der VertreterInnen der NSDAP erzwungen. Auch einige deutschsprachige KärntnerInnen, die die Verbrechen des Nationalsozialismus zwar nicht selbst über sich ergehen lassen mussten, aber Kenntnis von ihnen hatten, waren nicht bereit diese Verbrechen weiterhin tatenlos zu beobachten und schlossen sich dem Widerstand an.

Die abschließende Frage, die in der Einleitung gestellt wurde, war jene nach einer ideologi- schen Ausrichtung des Widerstandes in Kärnten. Ingomar Pust behauptete in seinem Buch, dass die PartisanInnen in Kärnten „zu keiner Stunde für Österreich gekämpft haben.“463 Andere AutorInnen und sogar PolitikerInnen haben sich der Meinung angeschlossen, dass der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Kärnten darauf ausgerichtet war, Südkärnten nach dem Krieg an ein von Tito geführtes kommunistisches Jugoslawien anzuschließen. Diese Annahme trifft nun auf zwei grundlegende Probleme. Das erste, und von vornherein offen- sichtliche Problem, ist jenes der Widerstandsgruppen außerhalb der Osvobodilna Fronta. Die Menge der Widerstandsgruppen, die in Kärnten aktiv waren, umfasst die TIGR, die Eisenbah- ner aus Villach und St. Veit, die AFÖ, die Treffner Bande, die Schüttpartisanen und andere. An dieser Stelle mag es zwar zutreffend sein, dass sich manche dieser Gruppen, egal ob sie politischen oder bewaffneten Widerstand praktizierten, auf Initiative von Personen mit kom- munistischem Hintergrund gründeten. Doch enthielten sie eine hohe, in einigen Fällen über- wiegende Anzahl von deutschsprachigen KärntnerInnen. Diese hatten sicherlich kein Interes- se daran, dass Kärnten jemals an Jugoslawien angeschlossen werden sollte, sondern griffen den Widerstand einzig und allein aus einem Grund auf: Sie wollten die Vertreibung des Nationalsozialismus aus Kärnten und Österreich bewirken. Auch die deutschsprachigen KärntnerInnen innerhalb der OF, seien es jetzt die PartisanInnen innerhalb der österreichi- schen Bataillone, der Gruppe Avantgarde oder in den Bataillonen des Kärntner Verbandes, hatten kein Interesse an einem an Jugoslawien angeschlossenen Südkärnten, sondern griffen aus Abneigung gegen den Faschismus zum Mittel des Widerstandes.

463 Pust Ingomar, Titostern über Kärnten (1984), S. 40. 117

Das zweite Problem, auf das die beschriebene Annahme trifft, ist eines, welches von der wissenschaftlichen Literatur bis jetzt selten als solches erkannt wurde: Die politisch- ideologische Ausrichtung der Kärntner SlowenInnen im Rahmen der OF. In Kärnten gab es zwar zur Zeit des „Anschlusses“ noch immer jene Gruppe von Kärntner SlowenInnen, die bei der Volksabstimmung 1920 für Jugoslawien gestimmt hatten. In diesem Zusammenhang sollte aber auch mitbedacht werden, dass diese Gruppe durch Emigration nach der verlorenen Volksabstimmung und durch den ausgeübten Germanisierungsdruck der Zwischenkriegszeit geschrumpft war. Außerdem bestand die angesprochene Gruppe hauptsächlich aus konserva- tiven nationalbewussten SlowenInnen, die für den Anschluss an ein Königreich gestimmt hatten. Der strenge Katholizismus, den sie sich mit vielen der ehemals für Österreich stim- menden Kärntner SlowenInnen teilten, war für eine natürliche Abneigung gegenüber dem Kommunismus verantwortlich. Die Menge an Kärntner SlowenInnen, die sowohl dem Kom- munismus gegenüber positiv eingestellt war, als auch einen Anschluss Südkärntens an Jugo- slawien forderte, war äußerst gering.

Am Wunsch der Führungsriege der OF, Kärnten nach dem Krieg an Jugoslawien, oder zu- mindest Slowenien anzuschließen und somit alle SlowenInnen innerhalb eines Herrschaftsge- bietes zu vereinen, kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Dieser Wunsch kann allerdings nicht auf die Kärntner PartisanInnen umgelegt werden. Nur eine Minderheit unter ihnen befürwortete einen möglichen Anschluss Südkärntens an Jugoslawien nach dem Krieg und die Zahl jener Kärntner SlowenInnen, die vom Kommunismus überzeugt waren, war äußerst gering. Diese Haltung spiegelt sich in zahlreichen Kommentaren von widerständischen Personen, die im Rahmen der Arbeit verwendet wurden. Die Führung der OF reagierte auf die spezifische Situation in Kärnten. Während in Jugoslawien der Befreiungskampf mit Näherrü- cken des Kriegsendes zu einem politisch-ideologischen Bürgerkrieg umgewandelt wurde, wurden die AktivistInnen in Kärnten angewiesen den Kommunismus nicht in den Vorder- grund des Widerstandes zu stellen und auch keinen Disput über die Zugehörigkeit Kärntens nach dem Krieg zu beginnen. Ehemalige kämpfende PartisanInnen und AktivistInnen beton- ten in verschiedenen Interviews und Autobiographien immer wieder, dass während des Befreiungskampfes weder der Kommunismus noch der Anschluss Südkärntens an Jugoslawi- en eine Rolle spielten, sondern allein der antifaschistische Kampf im Vordergrund stand. Erst die Kämpfe nach dem offiziellen Kriegsende in Ferlach, bei denen viele der Kärntner Partisa- nInnen gar nicht mehr beteiligt waren, und die Verschleppungen des jugoslawischen Geheim-

118 dienstes von über 260 Personen, warfen ein schlechtes Licht auf die Kärntner Partisanenbe- wegung und ihre UnterstützerInnen.

Die Ereignisse nach Kriegsende haben im Nachhinein dazu gedient, die Partisanenbewegung der Kärntner PartisanInnen in ein kommunistisches Umfeld zu rücken und den Befreiungs- kampf als zweiten feindlichen Übergriff der Jugoslawen nach 1919/20 abzustempeln. Dies ist vor allem dadurch bedingt, dass in Kärnten die Phase der Entnazifizierung nur kurz anhielt und NationalsozialistInnen ab 1949 wieder hohe Ämter bekleiden, und somit den politischen Diskurs im Land bestimmen konnten. Die folgende Abwertung der Partisanenbewegung diente nach 1955 immer wieder dazu Gesetze wie Artikel 7 des Staatsvertrags, die sich für die Gleichberechtigung der Minderheit aussprachen, nicht gänzlich umsetzen zu müssen. Bei genauer historischer Betrachtung wird allerdings klar, dass „der Partisanenkampf in Kärnten der einzige kontinuierliche, organisierte und bewaffnete Widerstand gegen das NS-Regime auf dem Gebiet des heutigen Österreichs war.“464 Was dessen politische Ausrichtung betrifft, kann ich mich nur der Meinung von Brigitte Entner anschließen, die schreibt: „Die Frage nach den politischen Zielen der OF blieb in vielen Fällen nachrangig: Es waren die Ehemänner, Söhne, Brüder, Angehörigen, Nachbarn oder Freunde, die - vielfach gejagt wie Tiere - Hilfe und Unterstützung brauchten.“465 Die meisten PartisanInnen und AktivistInnen traten der OF Bewegung nicht bei, weil sie für einen Anschluss Südkärntens an Jugoslawien oder für den Kommunismus kämpften. Sie traten der Bewegung trotz deren kommunistischer Ausrichtung bei, weil die Organisation der OF die einzige Möglichkeit bot, effektiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu leisten.

464 Hellwig Valentin, Am Rande des Bürgerkriegs (2013), S. 22. 465 Entner Brigitte, Wer war Klara aus Šentlipš/ St. Philippen? (2014), S. 25. 119

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

AFÖ Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreich Anm. d. Verf. Anmerkung des Verfassers AVÖS Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten CS Christlich Soziale Partei DAG Deutsche Aussiedlungsgesellschaft DÖW Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Gestapo Geheime Staatspolizei KHB Kärntner Heimatbund KHD Kärntner Heimatdienst KPJ Kommunistische Partei Jugoslawien KPS Kommunistische Partei Slowenien KPÖ Kommunistische Partei Österreich KSS Koroska Slovenska Stranka (dt.: Kärntner slowenische Partei) KZ Konzentrationslager NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ÖFF Österreichische Freiheitsfront ÖVP Österreichische Volkspartei OF Osvobodilna Fronta (dt.: Befreiungsfront, oder Volksbefreiungsfront) RKG Reichskriegsgerichtshof SA Sturmabteilung SD Sicherheitsdienst SDAPDÖ Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschösterreich SIS Secret Intelligence Service (britischer Auslandsgeheimdienst) SOE Special Operations Executive (Unterabteilung des SIS) SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreich SS Schutzstaffel TIGR Trst – Istra – Gorica – Rijeka (eine illegale Untergrundorganisation) VF Vaterländische Front VGH Volksgerichtshof ZK Zentralkomitee

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