Die Militärischen Handlungsschemata Der Konfliktparteien Im Ehemaligen Jugoslawien 1995 Bis Zum Friedensvertrag Von Dayton
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Mag. Raphael Draschtak Die militärischen Handlungsschemata der Konfliktparteien im ehemaligen Jugoslawien 1995 bis zum Friedensvertrag von Dayton Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie aus der Studienrichtung Geschichte eingereicht an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien Universität Wien Wien, April 2002 Inhaltsverzeichnis: I. Vorbemerkungen S. 3 II. Die Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien 1991 - 1994 S. 5 III. Ein Waffenstillstand, der keiner ist - Wenig Ruhe vor dem Sturm (Dezember 1994 - Februar 1995) S. 21 IV. Ein Krieg geht in die letzte Runde - Vlasic und eine „RS“-Parlamentssitzung (März - April 1995) S. 31 V. Ein „Blitz“ als „Polizeiaktion“ - Der Eintagesfeldzug der HV in Westslawonien (April - Mai 1995) S. 69 VI. „Wir sind jetzt besser bewaffnet“ - Wie man ein Waffenembargo bricht S. 97 VII. Airstrikes - Geiselkrise - Schnelle Eingreiftruppe (Mai - August 1995) S. 119 VIII. Sarajevo - Ein „Befreiungsschlag“ endet blutig (Juni 1995) S. 161 IX. Die „Endgame-Strategy“ - US-Sicherheitsberater planen das Ende eines Krieges in Europa (Mai - August 1995) S. 199 X. Ein Massaker, das sich nutzen läßt III - Die VRS nimmt Srebrenica und Zepa (Juli 1995) S. 215 XI. Eine Offensive mit Erlaubnis und der Kehraus - Die HV holt sich die Krajina zurück (August 1995) S. 284 XII. Ein Massaker, das sich nutzen läßt IV - Die USA übernehmen den Schauplatz (August 1995) S. 343 XIII. Der Showdown - Luftschläge „as much as ist took“ (August - September 1995) S. 356 XIV. 51:49 und dann Stopp - Die moslemische und die kroatische Offensive in Bosnien (August - Oktober 1995) S. 395 XV. Ein Waffenstillstand, der erst einer wird (Oktober 1995) S. 424 XVI. Von Dayton/Ohio nach Paris - Eine Pax Americana (November - Dezember 1995) S. 433 XVII. Schlußbetrachtung S. 455 XVIII. Anhang - Gespräche S. 479 XIX. Quellenverzeichnis - Bibliographie S. 506 XX. Quellenverzeichnis - Agenturen, Periodika, Reden, Aufsätze, Berichte, Sonstiges S. 511 XXI. Quellenverzeichnis - Elektronische Medien S. 543 XXII. Danksagung S. 553 2 I. Vorbemerkungen Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den militärischen und politischen Aspekten der Auseinandersetzung im ehemaligen Jugoslawien im Jahr 1995. Damit soll diese Dissertation zeitlich und inhaltlich die Diplomarbeit des Autors „Militärische und politische Aspekte der Auseinandersetzung im ehemaligen Jugoslawien 1991- 1994“ fortsetzen und den Diskurs über die militärische Konfrontation in Bosnien und Kroatien im zeitlich und inhaltlich klar und konsistent zu steckenden Rahmen des Jahres 1995 abschließen. Aus klaren und naheliegenden inhaltlichen Gründen, dem Faktum nämlich, daß die Auseinandersetzung auf dem ex-jugoslawischen Kriegsschauplatz nach Ende des mehrmonatigen Waffenstillstandes zu Jahresbeginn 1995 aufgrund der militär-politischen Eskalation und Kulmination und der Intervention ausländischer Kräfte gegenüber den Kriegsjahren zuvor eine eindeutige Sonderstellung einnimmt, wird das Konfrontationsszenario dieses Jahres für die Bewertung im Rahmen einer Dissertation herausgegriffen und gegenüber den Kriegsjahren zuvor einer noch eingehenderen Untersuchung unterzogen. Forschungsziel der Arbeit ist, die nach eingehender Analyse klar zu Tage tretenden kausalen Zusammenhänge und Junktime, Entwicklungsstränge, Optionen, Interessen und Intentionen sowie die Instrumentalisierung eines Krieges zu extrapolieren und in den globalen Zusammenhang zu setzen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse lassen den Beobachter aus Sicht des Autors eindeutige Schlüsse und Ergebnisse betreffend den Beginn, den Verlauf und das Ende der militärischen Konfrontation im Jahr 1995 ziehen, wobei sich die reale Entwicklung der Auseinandersetzung nach intensiver Prüfung und Bewertung des bislang vorhandenen Forschungsmaterials in vielen Bereichen wesentlich anders darstellt, als dies kurz nach dem Ende des Krieges mit dem Vertrag von Dayton im November/Dezember 1995 der Fall gewesen wäre. Die verwendeten Forschungsmethoden erstrecken sich über alle Bereiche der heute zur Verfügung stehenden Ansätze der Informationsgewinnung zur Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit. Neben der „klassischen“ Recherche in Primär- und Sekundärliteratur sowie der aufgrund der zeitlichen Nähe der Ereignisse angebrachten Nutzung von Tages- und Wochenmedien sowie von einschlägigen Fachzeitschriften wird vom Autor intensiv auf neue Medien wie das Internet sowie unkonventionelle Ansätze wie die Videoanalyse ungeschnittenen und ungesendeten TV-Materials sowie in hohem Maß auf Oral History zurückgegriffen. Ziel ist, unter möglichster Ausschaltung und Negierung der bei diesem Konfliktmuster in hohem Maße vorherrschenden Stereotypen und Falschinformationen ein umfangreiches und erst damit klares Bild der Auseinandersetzung zu zeichnen und bislang verkürzt 3 wiedergegebene Fakten ins richtige Bild des Gesamtzusammenhanges zu rücken. Der Autor hofft, dies erreicht zu haben, stellt sich gelassen jedwedem inhaltlichen Diskurs und betrachtet dieses vorliegende Werk als Beitrag zur Wahrheitsannäherung, als Dokumentation und Informationsquelle für Interessierte und die Nachwelt sowie als fundierten wissenschaftlichen aber dennoch bisweilen mutigen Beitrag zur dringend erforderlichen Aufarbeitung der Auseinandersetzung im ehemaligen Jugoslawien. Einfach ist diese selbstgestellte Aufgabe nicht. Denn die Wahrheit ist keine gängige Kategorie im Balkankrieg. Der ehemalige stellvertretende Oberbefehlshaber der moslemisch dominierten Armee Bosnien-Herzegowinas, der Serbe Jovan Divjak, liefert dem Autor dafür den besten Beleg. Auf Frage nach Autorisierung von dessen Ausführungen ist Divjaks Antwort im persönlichen Gespräch klar: Eine Autorisierung sei nicht erforderlich. Warum? Er vertraue dem Autor und habe ohnehin nur die Wahrheit erzählt. Nachsatz - „Zumindest 70 Prozent.“1 Kombiniert man diese Aussage mit jener von Politologie-Professor und Balkan-Kenner Heinrich Schneider, er könne dem Autor wohl echte Insider des Balkan-Krieges nennen - „aber die werden ihnen sicher nichts erzählen“2 - kann man sich vorstellen, welche Herausforderung das Finden von „Wahrheit“ im Rahmen dieses Themas ist. Der Dank für die Fertigstellung dieser Dissertation gilt in erster Linie meinen Eltern Brigitta und Dr. Reinhard Draschtak, die mir die Möglichkeit des Beginns eines Universitätstudiums und damit die Chance der Erlangung eines Doktorgrades überhaupt eröffnet hatten. Weiters gilt der Dank zahlreichen anderen Personen im In- und Ausland, die den Autor mit Rat, Tat und manch aufmunterndem Wort immer wieder aufs Neue zu noch intensiverer Arbeit, Forschung und Sorgfalt angespornt sowie oft auf wichtige Ideen und Zusammenhänge gebracht haben. Eine Auflistung der zu bedankenden Personen, die aufgrund der Fülle der Hilfe keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, findet sich im Anschluß an diese Arbeit. Wien, im April 2002 1 Gespräch mit General a. D. Jovan Divjak. Sarajevo, 18. August 1997 2 Gespräch mit Prof. Heinrich Schneider. Wien, Dezember 1996 4 II. Die Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien 1991- 1994 Nachdem sich Osteuropa zwischen 1989 und 1991 weitgehend friedlich vom Kommunismus befreit hatte, steht auch die jugoslawische Führung vor dem politischen Dilemma, einem Systemwandel als nahezu unabwendbar ins Auge blicken zu müssen. Hatte sich doch auch der jahrzehntelang als den osteuropäischen Nachbarsystemen überlegen propagierte „eigene Weg“ Titos im sozialistischen Jugoslawien angesichts einer zunehmend prekären wirtschaftlichen Lage Ende der 80er Jahre für die meisten Bürger des Staates ebenfalls als gescheitert erwiesen. Die Führungen in den wirtschaftlich und politisch gewichtigsten jugoslawischen Teilrepubliken Serbien, Kroatien und Slowenien erkennen dies und setzen nunmehr eigennützig darauf, das sozialistische durch ein anderes Credo zu substituieren. Vor allem angesichts der wirtschaftlichen Zwangslage und der eklatanten ökonomischen Disparität zwischen dem reicheren Norden und dem weitgehend mittellosen Süden des Staates der Südslawen („Jugo“ bedeutet schlichtweg „Süd“) bietet sich für die politischen und militärischen Eliten in den Teilrepubliken die Gelegenheit, mit einem entfachten Nationalismus die Völkerschaften gegeneinander aufzubringen, sich damit gleichzeitig selbst als Heilsbringer an der Spitze der nationalistischen Bewegungen zu etablieren und damit die mit dem sozialistischen System schwindenden Privilegien und Einflußmöglichkeiten politischer wie militärischer Art für sich persönlich und das bestehende eigene oder militärisch zu schaffende zukünftige Staatswesen zu erhalten. In einer besonderen Situation befindet sich in diesem Transformationsprozess die Jugoslawische Armee (Jugoslovenska Narodna Armija - JNA), die sich jetzt in ihrer Rolle und ihrem Status gefährdet sieht. Diese Armee, Anfang der 90er Jahre nominell die viertstärkste in Europa, ist sowohl im Offizierskorps als - aufgrund der bevölkerungsmäßigen Dominanz im Staat - auch bei den Mannschaften weitgehend serbisch dominiert. Gleichzeitig trifft sich dieses serbische Übergewicht mit einer eindeutig kommunistisch-gesamtjugoslawischen Ausrichtung weiter Teile des JNA- Offizierskorps sowie deren persönlichen und wirtschaftlichen Interessen wie Zolleinnahmen an den Nordgrenzen. Diese Fakten lassen angesichts drohender zentrifugaler Tendenzen die Instrumentalisierung der Armee „als Einigerin der Völker Jugoslawiens“ und Garant für den stabilen Fortbestand des Staatswesens aus Sicht vor allem der serbischen Eliten nur logisch erscheinen. Dass