Miike-Snow-Mitglieder Karlsson, Wyatt, Winnberg Rotstift Am Mischpult in Der Musikbranche Geht Die Ära Der Starproduzenten Zu Ende
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Miike-Snow-Mitglieder Karlsson, Wyatt, Winnberg Rotstift am Mischpult In der Musikbranche geht die Ära der Starproduzenten zu Ende. Dem Schweden Christian Karlsson macht das nichts aus – statt für Britney Spears entwickelt er die Hits nun für sein eigenes Projekt Miike Snow. VON CHRISTOPH DALLACH Als Madonna anrief, döste Christian Karlsson an einem an die Spitzen rauscht. Das weiß auch Christian Karlsson: abgelegenen asiatischen Strand in der Sonne. Aus seinem „Mit Miike Snow werden wir wohl nicht reich, aber die Mu- Handy kam ihre streng-zickige Stimme und fragte, ob sie ihn sikwelt ändert sich radikal. Und wir hatten auch das Bedürf- Bloodshy nennen solle oder ob er auch einen richtigen Namen nis, uns neu zu orientieren.“ habe. Dann fachsimpelten die Diva und der Schwede zwei Mit Änderungen meint er kollabierende Tonträgerumsätze, Stunden angeregt über Techno und Disco. „Schließlich gab illegale Downloads und ähnliche Turbulenzen, die am Ende Madonna zwei Stücke bei uns in Auftrag – dann bin ich wie- für die meisten Beteiligten weniger Geld auf dem Konto be- der eingeschlafen“, erzählt Karlsson, 34. deuten. Große Plattenfirmen müssen sparen, und auch bei In ihren Studios in Bangkok und Stockholm programmierten Produzenten haben sie den Rotstift angesetzt. Weil die Etats der Produzent und Musiker Karlsson und sein Partner Pon- für aufwendige Plattenaufnahmen radikal eingedampft wur- tus Winnberg, 34, alias „Bloodshy & Avant“ dann Beats und den, ist für teure Produzenten immer weniger zu tun. Die Melodien für zwei Lieder, die auf Madonnas Album „Confes- Vernischung der Popmusik ist einerseits gut für die Kreativität sions on a Dancefloor“ landeten. Keine Hits, aber doch ein und verhilft immer mehr exotischen Stilen und Musikern zu spannender Auftrag, der Spaß machte, wie Karlsson betont: einer Chance, aber diese Zersplitterung führt andererseits zu „Madonna wusste genau, was sie wollte, und wir haben zu dritt sinkenden Absatzzahlen und damit zu weniger Stars. Die Fol- gleichberechtigt daran gearbeitet.“ Es klingt schwärmerisch, ge: Das Zeitalter der großen Produzenten, die für Säcke voller wie der drahtige Skandinavier über die Teamarbeit erzählt, so, Dollar gute Songs zu Hits aufpolieren, ist vorbei. „Zu viele als berichtete er von vergangenen Abenteuern, die mit zeit- Produzenten prügeln sich um immer weniger lukrative Auf- lichem Abstand immer großartiger werden. träge“, sagt Karlsson. Gleichzeitig steigt die Zahl der Ama- Dabei sind prominente Klienten gar nichts so Besonderes für teurproduzenten, weil preiswerte Technik dafür gesorgt hat, Karlsson. Auch Britney Spears, Kylie Minogue, Jennifer Lopez dass in jedem Teenagerschlafzimmer eindrucksvolle Klänge und die Sugababes orderten Ideen und Beats bei Bloodshy & programmiert werden können. Dazu kommt, dass die Domi- Avant. Die Aufträge brachten den zwei Songlieferanten Ruhm nanz von Engländern und Amerikanern im Popuniversum und gepflegten Wohlstand. Trotzdem haben sie das Produ- längst Geschichte ist und dass hippe Nachwuchsproduzenten zieren bis auf weiteres eingestellt:„Seit gut einem Jahr nehmen heute so selbstverständlich aus Oslo wie aus Los Angeles kom- wir keine Aufträge mehr an“,sagt Karlsson. Stattdessen leisten men, was die Konkurrenz beträchtlich erweiterte. sich die beiden den Luxus, an eigenen Liedern zu basteln. Einige Stars der Branche sind deshalb bereits auf dem Rück- „Wir hatten einen Fundus an ungenutzten Ideen aus vielen zug. Brian Eno zum Beispiel, der schon Alben von U2 und Produktionen, den wollten wir endlich nutzen.“ Coldplay mitverantwortet hat, hat seinen Ausstieg aus dem Mit dem New Yorker Sänger und Songwriter Andrew Wyatt Produzentendasein angekündigt:„Es geht nur noch um Bilan- musizieren sie nun auf eigene Rechnung als Miike Snow. Das zen, das ist mir zu öde.“ Kollege Pharrell Williams machte zu- doppelte i in Miike ist ihre Verbeugung vor dem wüsten, auf letzt eher durch Mode und Kunstgeschäfte von sich reden als Blutbäder spezialisierten japanischen Regisseur Takashi Miike, durch Musik, und Timbaland oder Mark Ronson beschäftigen auf dessen Filme sich alle drei einigen können. Als Musiker sich zunehmend mit ihren eigenen Platten. gehen sie dennoch friedlich zur Sache. Für ihr Debütalbum Die beiden Schulfreunde von Bloodshy & Avant gehörten „Miike Snow“ programmierten sie zwölf elegant-geschmeidige auch zu den Globalisierungsgewinnern. Sie haben einst in ih- Elektro-Popsongs. rer Heimatstadt Göteborg begonnen, mit Beats zu experi- Ihr Werk ist gelungen, ein cooler Insidertipp, aber aller Vor- mentieren. Weil irgendwann immer mehr Anfragen von aussicht nach kein Bestseller, der in den Hitparaden der Welt außerhalb kamen, zogen sie nach Stockholm und richteten ein KulturSPIEGEL 11/2009 21 „Wir würden unsere Lieder auch umsonst hergeben.“ Studio ein. Ihr erster großer Coup war die Londoner Rapperin Eine Million Dollar wäre allerdings auch eine ziemliche Aus- Ms. Dynamite, an deren damals gefeiertem Debütalbum „A Little nahmesumme gewesen. Gewöhnlich stellen begehrte Produzen- Deeper“ sie 2002 mitwirkten. Für die Arbeit an Britney Spears’ ten maximal 80000 Euro in Rechnung. Oder sie lassen sich wie weltweitem Hit „Toxic“ kassierten die zwei Schweden einen der Altmeister Brian Eno auch mal prozentual an Tonträger- Grammy und gelten Insidern seitdem als Stars. umsätzen beteiligen. Aber mit der Neuordnung der Musik- Stars? Die Knöpfedreher am Mischpult? Tatsächlich gab es im- industrie neigt sich die goldene Ära der großen Produzenten mer schon Produzenten, die aus tollen Songs Superhits gemacht dem Ende zu. Weil Tonträger kommerziell immer unwichtiger haben – dass Michael Jackson den Erfolg von „Thriller“ auch werden, werden auch keine Vermögen mehr in ihre Entstehung Quincy Jones zu verdanken hat, ist die bekannteste Erfolgsstory investiert. Geld wird vor allem mit Live-Auftritten verdient. Da aus den achtziger Jahren. Branchenstars wie The Neptunes, Tim- ist es nur logisch, dass Madonna ihre neuen Lieder künftig bei baland, Rick Rubin oder Mark Ronson wurden in diesem Jahr- einem Konzertveranstalter veröffentlicht. tausend bekannter als manche ihrer Klienten, auf vielen Plat- Es nahen die Zeiten, in denen Musik vor allem als Online-Flatrate tenhüllen wurden ihre Namen groß gedruckt. konsumiert oder gleich verschenkt werden wird. Nicht alle hal- Aber irgendwann machte sich auch das Missverständnis breit, ten das für ein trauriges Schicksal: „Wir würden unsere Lieder dass jeder halbwegs gewitzte Mischpulttrickser mittelmäßige auch umsonst hergeben – was schon zu heftigen Debatten mit Lieder in die oberen Regionen der Charts zaubern könne – so wie unserer Plattenfirma geführt hat. Für uns ist klar, dass man Mu- bei den letzten Platten von Michael Jackson. Allein auf „Invin- sik verschenken und trotzdem noch verkaufen kann, und die Live-Auftritt von Miike Snow cible“, dem letzten Album des „King of Pop“, mühte sich ein junge Generation in der Musikindustrie hat das auch kapiert“, Großaufgebot teurer Strippenzieher wie Rodney Jerkins, Teddy sagt Karlsson. Riley, R. Kelly oder Babyface, die mittelprächtigen Songs des Alben und Konzerte allein reichen sowieso nicht mehr, um ein angeschlagenen Titanen aufzupolieren. komfortables Leben zu finanzieren. Heute ist Diversität der Ein- „Invincible“ soll sich zwar 13 Millionen Mal verkauft haben, kommensquellen gefragt. Miike Snow haben bereits Lieder für aber die Produktionskosten sollen so immens gewesen sein, dass US-TV-Serien („Gossip Girl“), iPhone-Applikationen, Video- sich die Sache für die Plattenfirma Sony nur bedingt auszahlte. spiele und Kinofilme lizenziert. Luxusproduktionen brauche für Mit geschätzten Kosten von 30 Millionen Euro gilt „Invincible“ so was leider keiner mehr, sagt Karlsson. als eine der teuersten Produktionen aller Zeiten. Mehrfach soll das Am zweiten Miike-Snow-Album wird schon gearbeitet, und vie- Werk neu aufgenommen worden sein. Ein Fest für Starprodu- le Konzerte zur Promotion des ersten Werks stehen auch an. Da- zenten, die für solche Einsätze angeblich astronomische Summen zwischen will Karlsson ein paar Urlaubstage einlegen: „Aber mit berechnen. Die Legende sagt, dass Rodney Jerkins einst bis zu Handy gehe ich nicht mehr an den Strand.“ einer Million Dollar pro Lied kassierte. Vor einigen Jahren wur- Wer weiß, ob es im neuen Zeitalter überhaupt noch klingelt. den auch Bloodshy & Avant gebeten, Jackson-Songs zu über- arbeiten. Sie lehnten ab.„Wir hatten zu viel Respekt, und zu viel Verantwortung war es uns auch“,sagt Karlsson. Klar, für eine Mil- CD: Miike Snow: „Miike Snow“ (Sony); Tournee: 16.11. München, lion Dollar kann man schon einen Mega-Hit erwarten. 17.11. Berlin, 18.11. Hamburg. Infos: www.meltbooking.com LANDMARKFOTOS: / INTERTOPICS 22 11/2009 KulturSPIEGEL.