Die Fernsehserie True Detective Aus Sozial- Und Kulturwissenschaftlichen Blickwinkeln Wiesbaden: Springer VS 2016, 287 S., ISBN 9783658135898, EUR 39,99
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580 MEDIENwissenschaft 04/2017 Mark Arenhövel, Anja Besand, Olaf Sanders (Hg.): Wissenssümpfe: Die Fernsehserie True Detective aus sozial- und kulturwissenschaftlichen Blickwinkeln Wiesbaden: Springer VS 2016, 287 S., ISBN 9783658135898, EUR 39,99 Die Fernsehserie True Detective eingeschrieben sind und die in ihrer (2014-) – vor allem die erste Staffel von narrativen Funktion zur Spannung, Nic Pizzolatto (Buch) und Cary Joji zur Komplexität und augenscheinlich Fukunaga (Regie) – wird im Fahrwas- auch zur ‚Anschlussfähigkeit‘ beitra- ser des ‚Qualitätsfernsehen‘-Diskurses gen: so zum Beispiel das Religiöse, das rezipiert. Darauf lassen nicht zuletzt ländliche Setting, der Symbolismus, die „eine Reihe wissenschaftsdiskurs- Neo-Noir-Inszenierung, das Mythische, legitimierender Indizien in Gestalt die Genre-Querverweise und die titel- zahlreicher wissenschaftlicher Publika- gebende Wahrheit. tionen“ (S.274) schließen, die nun um Dabei wird einerseits deutlich, wie den vorliegenden Sammelband Wissens- enggestrickt der erzählerische Kos- sümpfe ergänzt werden. Dabei gehört mos ist, den Pizzolatto und Fukunaga zu fast jeder dieser Veröffentlichungen erschaffen haben. Auf der anderen Seite noch immer die Selbstrechtfertigung, wird es umso spannender, in welchem sich wissenschaftlich mit Texten aus- Ausmaß die einzelnen Autor_innen einanderzusetzen, auf die man, wie der Auslassungen attestieren müssen. Verfasser des Beitrags „Warum fahren Christina Rogers zeigt dies überzeu- Profs auf Qualitätsserien ab?“ Thomas gend am Kriminalfall: „True Detec- Kühn formuliert, ‚abfahren‘ kann – tive betreibt mit einer Mordserie ein als schäme man sich des Spaßes, der Spiel mit leeren Zeichen: Sie bietet dem potenziellen Erkenntnisgewinn Zuschauer_innen einen Mörder und zugrunde liegt (vgl. S.285). Ungeachtet nicht die Auflösung des eigentlichen dessen ist wiederum Jan-Nicolai Kolorz Falles“ (S.198). Olaf Sanders spürt dankbar für die unterschiedlichen Les- hingegen der ‚Qualität‘ nach: „Durch arten: „Allein der Blick auf das interdis- eine irreduzible Vielperspektivität ziplinäre Autorenfeld des vorliegenden verhindern Qualitätsserien narra- Bandes schreibt der Serie eine enorme tive Schließungen“ (S.23). Und auch Anschlussfähigkeit zu“ (S.26). Mark Arenhövel hält fest: „Hier wird Die 15 Aufsätze, die sich vor allem das Sehen als zentrales Thema eta- auf die erste Staffel der Serie beziehen bliert: Man sieht etwas, ohne etwas zu und diese aus verschiedenen sozial- erkennen, oder aber auch, man sieht und kulturwissenschaftlichen Blick- mehr, als man sieht“ (S.261). Marcus winkeln beleuchten, rekurrieren meist Stiglegger nennt diesen Umstand das auf Textteile, die der Serie mit ihrer „Bibliotheksphänomen“ (S.93), nach eklektischen Erzählweise tatsächlich dem jeder Hinweis in weitergehende Hörfunk und Fernsehen 581 Recherche mündet, die ihrerseits wieder gleichsserien wie Justified [2010-2015] einen Bedeutungskosmos eröffnet. Man und True Blood [2008-2014], die eben- könnte es auch Polysemie nennen, wenn falls auf Konventionen des Südstaaten- die Versatzstücke und ihre semantische Narrativs rekurrieren, jedoch mithilfe Bedeutung ein ebenso popkulturelles eines ironischen Humors operieren, wie postmodernes Mosaik ergeben, der den vermeintlichen Hinterwäldlern das nicht nach Roland Barthes die wenigstens noch ein Maß an Komplexi- Antworten per se bereithalten soll, son- tät und Intelligenz zuordnet“ (S.111). dern nur nach Konsultation des Autors Der vorliegende Band steht Schulter entflochten werden kann – nur so ist an Schulter mit weiteren Veröffentli- wohl zu erklären, dass im vorliegenden chungen zur Serie und ihren vielfäl- Band immer wieder Nic Pizzolatto tigen Aspekten, vor allem wohl True selbst mit Interviewaussagen herhalten Detective: Critical Essays on the HBO muss, die hier gleichberechtigt neben Series (London: Lexington Books, wissenschaftlichen Quellen zitiert wer- 2017), herausgegeben von Scott F. den (vgl. zum ‚toten Autor‘ Fiske, John: Stoddart und Michael Samuel, die das „Television: Polysemy and Popularity.“ Feld der Interpretation nicht alleine den In: Critical Studies in Mass Communica- Medienwissenschaften überlassen. Sie tion 3 [4], 1986, S.391-408). ergänzen vielmehr stimmig und ergie- Für ein ganz anderes Thema inte- big die Summe der möglichen Blick- ressieren sich Brigitte Georgi-Findlay winkel – und das zeigt der vorliegende und Stefanie Hellner in ihrem Bei- Band nicht zuletzt aufgrund des ausge- trag „Warum gerade Louisiana?“. Sie wählten Untersuchungsgegenstands –, arbeiten die mangelnde Diversität der auch wenn sie für sich gesehen manch- Figuren, die klischierten Frauenbilder mal nur die obersten Schichten bearbei- und den elitären Dünkel heraus, mit ten. Für einen erweiternden film- oder denen sich der Duktus der Serie über besser fernsehwissenschaftlichen Dis- Andersdenkende, die Provinz oder kurs reicht es allemal. soziale (Unter-)Schichten erhebt: „Dies unterscheidet True Detective von Ver- Heiko Martens (Potsdam).