Das Grafische Meisterwerke von Klee bis Kandinsky

Das Bauhaus

Grafische Meisterwerke von Klee bis Kandinsky

SANDSTEIN Wir danken unseren großzügigen Förderern: Inhalt

Neues Leben 8 Roland Krischke

Ganzheitlich europäisch. Das frühe Bauhaus 10 in und die Neue Europäische Graphik Benjamin Rux

Die Druckerei am Staatlichen Bauhaus in Weimar – 18 eine Werkstatt für das Sammeln Thomas Matuszak

»Der europäische Geist« – Krisis einer transnationalen 30 Avantgarde in der Grafik 1919 – 1925 Toni Hildebrandt

Mappe I: Meister des Staatlichen Bauhauses in Weimar 38 Benjamin Rux Mappe II: Französische Künstler 58 Laura Rosengarten Mappe III: Deutsche Künstler 68 Benjamin Rux Mappe IV: Italienische und russische Künstler 88 Laura Rosengarten Mappe V: Deutsche Künstler 106 Sophie Thorak

Druckgrafische Mappenwerke von Bauhaus-Meistern 126 im Lindenau-Museum Altenburg Lyonel Feininger: Zwölf Holzschnitte 128 : Ypsilon – die kleine Satire 144 auf die Weltanschauung des Materialisten N. Gerhard Marcks: Das Wielandslied der aelteren Edda 158

Verzeichnis der ausgestellten Werke 173 Literatur 181 Autoren 182 Bildnachweis 183 Impressum 184 Lyonel Feininger Titelblätter der Mappen I, III, IV, V, 1921 – 1923 Federlithografien

6 Lyonel Feininger Zwölf Holzschnitte, Titelblatt, 192o Holzschnitt

Georg Muche Ypsilon, Mappendeckel, 1920 / 21 Gerhard Marcks Pinsel in Weiß auf rosa Seidenpapier Das Wielandslied, Titelblatt, 1923

7 Neues Leben Karl Villaret in Erfurt, Bahnhofsstr. 5 a, erworben wurden und dass daran die Verwaltung für Kunstangelegenheiten Ende 1951 oder Anfang 1952 erwarb der erst seit der Thüringer Landesregierung entscheidenden Anteil wenigen Monaten fest angestellte Direktor Hanns-Conon hatte. ( Die Bezirke der DDR wurden erst im Sommer 1952 von der Gabelentz (1892 – 1977) die vier unter dem Titel geschaffen und damit die Länderstruktur de facto aufgelöst.) Neue Europäische Graphik erschienenen Bauhaus-Mappen 1951 /52 war der in Altenburg geborene Kunsthistoriker für das Lindenau-Museum. Das war eine symbolische Tat, Erhard Frommhold (1928 – 2007) bei der Verwaltung knüpfte Gabelentz damit doch fast hundert Jahre nach für Kunstangelegenheiten tätig. Frommhold prägte später Bernhard August von Lindenaus Tod 1854 auf seine Weise als Cheflektor des VEB Verlag der Kunst in Dresden an dessen Sammelpolitik an. Lindenau hatte sich erfolg­- über Jahrzehnte maßgeblich die Verlagslandschaft der DDR. reich bemüht, einen umfassenden Querschnitt der Meister- Nach Kriegsgefangenschaft, Klempnerlehre und Studium werke abendländischer Kunst vom Altertum bis zum in Jena war Frommhold Anfang der 1950 er Jahre Ober­ Klassizismus zu erwerben. Er hatte Spitzenwerke wie die referent für Bildende Kunst und Museen im Ministerium 180 frühitalienischen Tafelgemälde gekauft, eine gediegene für Volksbildung des Landes Thüringen und anschließend Sammlung antiker Vasen zusammengetragen und ihnen persönlicher Referent des Leiters der Thüringer Ver­wal­tung Kopien jener Plastiken oder Gemälde von Weltrang für Kunstangelegenheiten. In dieser Funktion korrespon- an die Seite gestellt, die er nicht im Original nach Altenburg dierte er regelmäßig mit Hanns-Conon von der Gabelentz hatte holen können. und unterstützte ihn bei seinen Ankäufen. Gabelentz, der bereits seit November 1945 als ehren­ In einem offiziellen Schreiben an die Verwaltung für Kunst- amtlicher Leiter der in Altenburg befindlichen Sammlungen ­angelegenheiten, in dem es auch um Zuweisung der Mittel agierte, hatte es sich zum Ziel gesetzt, dem Lindenau-Museum für den Erwerb der Bauhaus-Mappen geht, formuliert neue Impulse zu geben. Indem er gezielt eine Grafische Hanns-Conon von der Gabelentz am 16. November 1951 Sammlung aufbaute, deutsche Plastik und Malerei des seinen Wunsch, ihm möglichst noch weitere Geldmittel späten 19. Jahrhunderts und der Klassischen Moderne erwarb, zukommen zu lassen, »um die Bestände des seit 1854 vor allem aber auch die zeitgenössische Kunst wertschätzte, ohne eigentliche Leitung bestehenden Lindenau-Museums gab er dem Museum einen weiteren Sammelschwerpunkt […] auffüllen zu können«. Seine Begründung lautete: und weckte es damit aus dem Dorn­röschenschlaf. »Das Lindenau-Museum ist das einzige reine Kunst-Museum Das Staatliche Bauhaus in Weimar plante 1921 eine Reihe Thüringens und enthält mit seinen Sammlungen Werte, von fünf Grafik-Mappen mit dem Titel Neue Europäische die weit über die DDR hinaus von Bedeutung sind; Graphik, die einen Querschnitt der zeitgenössischen ihre Ergänzung in entsprechendem Umfange ist daher europäischen Kunst geben sollten. Alle Künstler von Rang eine unbedingte Notwendigkeit.« sollten vertreten sein. und Lyonel Feininger, Nicht nur durch strategische Ankäufe gelang es Gabelentz, der Leiter der druckgrafischen Werkstatt, hatten die erste dem Lindenau-Museum einen neuen Stellenwert zu schaffen, Mappe für die Bauhaus-Meister bestimmt, die dritte auch die Bestandspflege, eine Vielzahl von Ausstellungen und fünfte Mappe waren deutschen Künstlern zugedacht, insbesondere zur zeitgenössischen Kunst und nicht zuletzt – die zweite Mappe vornehmlich französischen Künstlern als entscheidende Voraussetzung alles Weiteren – der Aufbau und die vierte Mappe Künstlern aus Italien und Russ­land. eines funktionierenden Museumsbetriebs mit entsprechen- Die Auflage betrug pro Mappe 110 Stück (Mappe V: dem Mitarbeiterstamm prägten sein Direktorat. 130 Stück). Nicht alles ließ sich bis 1924 so realisieren. Die vierte Mappe erschien mit weniger Blättern und die zweite Die Ausstellung »Das Bauhaus – Grafische Meister­­­werke Mappe kam gar nicht zustande. Dennoch war es ein von Klee bis Kandinsky« ist Altenburgs Beitrag zum Pro­jekt, das in wunder­barer Weise die Ziele des Bauhauses Bauhausjahr 2019. ver­körperte. Es nimmt wenig Wunder, dass die National­­ Neben allen Grafiken der vier Bauhaus-Mappen zeigen sozialisten in ihren »Säuberungsaktionen« gezielt ganze wir ergänzend drei weitere herausragende Produktionen Mappen zerstörten. Nur wenige sind heute noch voll­- der Druckwerkstatt am Staatlichen Bauhaus Weimar: stän­­dig erhalten, und umso bemerkenswerter ist es daher, Die Zwölf Holzschnitte von Lyonel Feininger, die zehn Holz­- dass vier vollständige Mappenwerke wenige Jahre nach schnitte umfassende Mappe Das Wielandslied der aelteren dem Zweiten Weltkrieg in das Lindenau-Museum gelangten. Edda von Gerhard Marcks und Georg Muches seltene Leider ist der Ankauf nicht vollständig aus den Archiv­ Radierfolge Ypsilon – die kleine Satire auf die Welt­anschauung akten nachvollziehbar. Immerhin ist klar, dass die Mappen des Materialisten N. Es handelt sich durchweg um Werke für jeweils 500 Mark bei der Buch- und Kunsthandlung aus eigenem Bestand.

8 Die Ausstellung wurde von Dr. Benjamin Rux und Laura Rosengarten kuratiert, die auch für die Redaktion des Katalogs verantwortlich zeichnen. Für ihre gediegenen Texte danken wir Dr. Toni Hildebrandt, Dr. Thomas Matuszak und Sophie Thorak. Für das umsichtige Lektorat gilt Martin Fruhstorfer unser Dank. Für die angenehme Zusammenarbeit und die einfühl­- same Gestaltung danken wir vielmals dem Sandstein Verlag in Dresden. Für die großzügige Förderung der Ausstellung und des umfänglichen Begleitprogramms danken wir sehr herzlich der Thüringer Staatskanzlei, der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und der Sparkasse Altenburger Land. Es ist vielen Freunden und Besuchern des Lindenau-Museums noch viel zu wenig bewusst, dass die im 20. Jahrhundert begründeten »neuen Sammlungen« einen weiteren bedeuten- den Schwerpunkt des Museums neben den Lindenau’schen Beständen bilden. Noch sind nicht alle Werke dieser Zeit inventarisiert, vor allem Zehntausende Blätter der Grafischen Sammlung harren noch der vollständigen Erfassung. Die Publikation in klassischen Bestandskatalogen und im Netz zu Dokumentations- und Forschungszwecken ist ein wichtiger­ Bestandteil unserer Museumsarbeit. Der vorliegende Katalog ist ein kleiner, aber wesentlicher Baustein im Rahmen dieser Bemühungen. Mit der künstlerischen Zeitreise zu den Anfängen des Bauhauses tauchen wir zugleich ein in die unruhigen Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, als die Thüringer Herzöge abdankten und sich neue Staaten bildeten. Am 13. November 1918 wurde in der Landeshauptstadt Altenburg der Frei­- ­staat Sachsen-Altenburg gegründet, der am 1. Mai 1920 im Land Thüringen aufging. Es ist eine historische Kurio­ sität, dass der leitende Staatsminister der bis zum 27. März 1919 amtierenden Übergangsregierung ein Politiker namens Wilhelm Tell (1871 – 1950) war. Ob dieser gern aus Schillers Drama über seinen Namensvetter zitierte, ist nicht überliefert. Ein Satz des Freiherrn von Attinghausen aus dem vierten Akt wäre immerhin angemessen gewesen: »Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, Und neues Leben blüht aus den Ruinen.«

Altenburg, im Januar 2019 Dr. Roland Krischke Direktor des Lindenau-Museums Altenburg

9 Ganzheitlich europäisch. Das frühe Bauhaus in Weimar und die Neue Europäische Graphik

Benjamin Rux Feuer des Neuanfangs der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker Um sich das Feuer des Neuanfangs zu vergegenwärtigen, einst gen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild eines das viele Künstler mit der Novemberrevolution 1918 ergriff, neuen kommenden Glaubens.« 5 Der Titelholzschnitt zum als es galt, nicht nur eine neue Kunst, sondern den »neuen Manifest von Lyonel Feininger zeigt eine Kathedrale als Bau Menschen« und eine neue Gesellschaft gleich mit zu der Zukunft, an der – wie in der mittelalterlichen Bauhütte – erschaffen, lohnt sich ein Blick in die Wirkungsstätte Harry viele Handwerker und Künstler unterschiedlicher Her­kunft Graf Kesslers (Abb. 1).1 In Weimar, wo Kessler aus dem und Klassen beteiligt sind (Abb. 2). Der Neuanfang am Geiste Friedrich Nietzsches einen Ort der internationalen Bauhaus war universell. Er beruhte auf den Leitideen der Moderne errichten und damit ein Gegengewicht zur Ganzheitlichkeit und der Transnationalität. Beide Prinzipien national definierten Kunstdoktrin unter Kaiser WilhelmII . kommen in der Neuen Europäischen Graphik besonders schaffen wollte,2 wurde im Vorfeld des Ersten Weltkriegs zum Tragen. an der von Kessler gegründeten »Cranach-Presse« der Satz Feiningers Holzschnitt Kathedrale fasst nicht nur die für 43 Holzschnitte des französischen Bildhauers Aristide künstlerischen Disziplinen Architektur, Skulptur und Malerei – Maillol gerichtet, die eine Prachtausgabe der Eklogen für jede Disziplin steht ein Turm – symbolisch zusammen. des römischen Dichters Vergil begleiten sollten. Diese deutsch- Die Analogie­ geht noch viel weiter. So, wie gotische französische Zusammenarbeit wurde Ende Juli 1914 Kathe­dralen hoch in den Himmel ragten und von weiter jäh unterbrochen, als sich Kessler in patriotischem Über­- Ferne aus sichtbar von einem Natur, Geist und weltliche schwang zu seinem Regiment begab, um als Rittmeister in Macht um­fassenden kosmischen Ganzen, das das Chaos Frankreich und Belgien, den Ländern seiner Freunde beherrscht, kündeten,6 so verstand sich auch das Bau­haus Maillol, Auguste Rodin und Henry van de Velde, zu kämpfen. als Ort ganzheitlichen Denkens und Handelns inmitten Traumatisiert von den Kriegserlebnissen wurde der nun- einer immer unübersichtlicher werdenden Zeit. Die Idee mehr als »Roter Graf« titulierte überzeugte Republikaner »Bauhaus« bezog ihre Anziehungskraft vor allem aus nach der Novemberrevolution zum Motor einer umso dem Versuch, der in der auf Zweck und Norm gerichteten entschiedeneren transnationalen Avantgarde, die allein den Nationalismus überwinden und die Zukunft des »neuen Menschen« bauen könne. Die Arbeit an den Eklogen, in der sich Arkadien als Europa zu erkennen geben sollte, nahmen Kessler und Maillol in den 1920 er Jahren wieder auf und brachten sie 1926 als Manifest einer deutsch-­ französischen Aussöhnung zum Abschluss.3 1 Auch das am 1. April 1919 von Walter Gropius gegrün-­ Zu einer Neubewertung dete Bauhaus war das Kind einer Zeit, die sich zu Höherem der Revolution und den Folgen bis zum Hitlerputsch 1923 vgl. berufen fühlte. Das Bauhaus war die Antwort einer Avant- Robert Gerwarth: Die größte aller garde auf den schrankenlosen Materialismus und ent­ Revolutionen. November 1918 hemmten Nationalismus, die das »lange 19. Jahr­hundert« und der Aufbruch in eine neue Zeit, beendeten und in den Ersten Weltkrieg mündeten. Es hatte München 2018. seine Wurzeln in der revolutionären Stimmung der Mo- 2 Vgl. Alexandre Kostka: »Darin nate nach der Novemberrevolution, als sich Künstler irrt Nietzsche. Der Große Stil und Intellektuelle im Geiste des Sozialismus politisierten nicht notwendig hart.« Harry Graf 4 und Visionen für eine bessere Zukunft entwarfen.4 In , Kessler, Friedrich Nietzsche und Zur historischen Situation dem neben wichtigsten Zentrum der Avantgarde, die Kunst in Weimar, in: Aufstieg der europäischen Avantgarden waren die frisch ins Leben gerufene »Novembergruppe«, und Fall der Moderne, Ausst.- vor dem Hintergrund des Endes Kat. Weimar 1999, S. 42 – 58. des Ersten Weltkriegs vgl. Ian aber auch Herwarth Waldens Sturm-Galerie und 3 Kershaw: Höllensturz. Europa Träger dieser neuen Bewegung. Ebenfalls in Berlin entwickelte­ Vgl. etwa das Exemplar im 1914 bis 1949, München 2016, Gropius seine Idee für das Bauhaus als Stätte einer Kupferstichkabinett Berlin, 1926, S. 237 – 254. von der Gesellschaft getragenen, allumfassenden Kunst, 32 × 23,2 × 2,2 cm. Weiterführend 5 als er Anfang 1919 noch als Vorsitzender des revolutionären dazu Markus Kersten: Arkadien Walter Gropius: Manifest oder Europa? Die Eklogen- und Programm des Staatlichen »Arbeitsrates für Kunst« wirkte. Im Bauhaus-Manifest Edition des Grafen Harry Kessler, Bauhauses in Weimar, Weimar umriss Gropius seine Utopie mit den Worten: »Wollen, erden- in: Antike und Abendland 63 im April 1919, Klassik Stiftung ken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, (2017), S. 169 – 194. Weimar, Bauhaus-Museum.

11 Dabei sahen sich vor allem Künstler als Propheten dieser neuen schöpferischen Zeit und Ordnung, die Mensch, Natur und Geist zusammenschloss. Diesem ganzheitlichen Aspekt des frühen Bauhauses steht das damit aufs Engste verbundene Konzept der Trans­- nationalität zur Seite. War die ganzheitliche Praxis am Bauhaus, wie sie etwa Johannes Itten in seinem berühmten Vorkurs lieferte, eine – sinnbildlich gesprochen – vertikale Öffnung zwischen Himmel und Erde, so kann die Trans­ nationalität auf horizontaler Achse als Ausdehnung im Raum aufgefasst werden, die dem Bauhaus eine entschieden europäische Identität verlieh und nach 1933 auch in Amerika und schließlich in Asien und Afrika Früchte trug. In Weimar lehrten neben den beiden Schweizern Johannes Itten und ein Amerikaner mit deutschen Wur­- zeln (Feininger), ein Russe () und ein Ungar (László Moholy-Nagy). Nicht wenige der etwa 1250 Schüler (Gesamtzahl 1919 – 1933) kamen aus dem Ausland. 9 Dabei war eine europäisch vernetzte Intelligenz auch in den frühen Jahren der Weimarer Republik keine Selbst- verständlichkeit – und Nationalismen bestimmten die Denkmuster mit. Thomas Mann gibt dafür im Zauberberg (1924) ein beredtes Beispiel, wo der junge Hans Castorp in den unheilvollen Strudel eines »clash of cultures« zwischen dem fortschrittsgläubigen italienischen Weltbürger Settembrini und dem reaktionären jüdischstämmigen Jesu-­ iten Naphta gerät – und unter dem Einfluss seiner Mentoren in den Ersten Weltkrieg taumelt und fällt.

Weimar

Die künstlerische Vision des Neuanfangs konnte nur eine kosmopolitische sein. Und Weimar, die ehemalige Residenz- stadt, bot den geeigneten Ort dazu. Goethes gedankliche Abb. 1 Edvard Munch, Harry Graf Kessler, 1906 Weite, die nicht nur Kunst und Natur und das »alte Europa« Öl auf Leinwand, 200 × 84 cm, Neue Nationalgalerie, Berlin mit Griechenland, Italien und Frankreich einschloss, sondern bis in den Nahen Osten, nach Asien und Amerika reichte, bot fast 90 Jahre nach dem Tod des Universalisten Kaiserzeit verlustig gegangenen Spiritualität als mensch­- einen noch immer lebendigen und keimfähigen Boden. lichem Grundbedürfnis wieder zu ihrem Recht zu verhelfen Das zeigen nicht zuletzt Künstler wie Feininger, Itten, und sie gleichwertig neben andere materielle Bedürfnisse Kandinsky und Klee, die Goethes Natur­wissenschaften am zu stellen. Die am Bauhaus angestrebte Vereinigung von Bauhaus weiterdachten und in ihrer Lehre vermittelten.10 Kunst und Handwerk war – anders gesagt – der Versuch Auch mit Schiller ließ sich am Bauhaus viel anfangen: einer Wiederannäherung von Geist und Materie, Metaphysik Dessen Briefe Über die ästhetische Erziehung des Menschen und Physik, die die künst­­lerisch enorm anschlussfähige wurden im Unterricht viel zitiert. Noch wichtiger war Lebensphilosophie Henri Bergsons, aber auch die Rationa- Schiller jedoch als Repräsentant einer aus der Aufklärung lismuskritik Wilhelm Diltheys bereits im Fin de Siècle gewachsenen kosmopolitischen Tradition,­ an die man – for­mu­liert hatten.7 Reform­pädagogik, Anthroposophie und vor allem mit Rekurs auf seinen zentralen Begriff der Freiheit Lebensreform-Bewegung trugen ihren Teil zum Programm – nach dem Ende des Kaiserreichs in Deutschland wieder der geistig-körperlichen Erneuerung des Menschen bei.8 anknüpfen konnte.

12 6 Die Literatur zur Architektur gotischer­ Kathedralen als Bedeutungs- ­träger ist umfangreich und kontrovers. An dieser Stelle soll der Hinweis genügen, dass scholastische Theologie und Philosophie wie etwa die Summa theologiae des Hl. Thomas von Aquin nicht ohne Einfluss auf die Architektur blie­ben, dazu am besten Dieter Kimpel und Robert Suckale: Die gotische Architektur in Frankreich 1130 – 1270, München 1985, v. a. S. 56 – 58 und zu den politischen Voraus­ setzungen S. 65 – 75. In der Romantik verklärte sich der Blick auf die gotischen Kathedralen und brachte besonders in Deutschland den Abb. 2 Wunsch nach einem Anbau von Lyonel Feininger, Kathedrale, 1919 Türmen an bestehenden gotischen 10 Holzschnitt, 31 × 19,1 cm, Kunstsammlungen Chemnitz Kirchenbauten hervor. Vgl. etwa Ulrike Bestgen: »Formung 7 ist Bewegung, ist Tat. Formung Bergsons Werke wie Materie ist Leben.« Paul Klee und Goethes und Gedächtnis oder Schöpferische Metamorphosenlehre, in: Ausst.- Doch das Feld in Weimar war vermint. Nationalis- Entwicklung erschienen in den Kat. Weimar 2009, S. 275 – 279; ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts Barbara Hentschel: Kandinsky und tische Kräfte übernahmen die Deutungshoheit über in deutscher Übersetzung zuerst Goethe. Über das Geistige in der das klassische Weimar mit seinen »Nationaldichtern« und im Diederichs Verlag in Jena, einem Kunst in der Tradition Goethescher führten sie gegen die avantgardistische Moderne ins Feld. 11 Zentrum der Moderne in unmittel­- Naturwissenschaft, Berlin 2000. Das offene, humanistische Menschenbild Goethes und barer Nachbarschaft zum Bauhaus 11 Schillers hatte im geschlossenen Denken zahlreicher Kunst­- Weimar. Vgl. Justus H. Ulbricht: 8 »Wir wün­­schen hier kein München- kritiker und Kulturpolitiker keinen Platz. Schon lange Zur »esoterischen« Ausrichtung Schwabing«. Das Staatliche Bau- vor 1933 bekamen Vertreter der Moderne diese aus Klassiker- des frühen Bauhauses vgl. haus im Spannungsfeld der poli- ­verehrung, Lokalpatriotismus und traditionalistischem Ausst.-Kat. Hamm/Würzburg 2006. tischen Kultur 1918 – 1925, Kunstverstand gespeiste Ablehnung alles Neuen und Un- 9 in: Ausst.-Kat. Weimar 1999, deutschen zu spüren. Schon als Harry Graf Kessler Béatrice Joyeux-Prunel: Les avant- S. 264 – 272. gardes artistiques 1918 – 1945, 12 als Kunstbeauftragter des letzten Weimarer Großherzogs Paris 2017, S. 193 – 207, hier Antje Neumann (Hrsg.): Harry Wilhelm Ernst und ehrenamtlicher Direktor des Mu­seums S. 193, nennt das Bauhaus zu Recht Graf Kessler – Henry van de Velde. für Kunst und Kunstgewerbe im Jahr 1903 den Belgier »un centre international«. Zur Der Briefwechsel, Köln / Weimar/ Henry van de Velde als zukünftigen Leiter der Kunst­ besonderen Beziehung des Bauhauses Wien 2015. Vgl. auch die ver­- gewerbeschule nach Weimar holte, hatte sich Wider­stand zu Frankreich vgl. Das Bauhaus sammelten Aufsätze in: Harry Graf und Frankreich. Le Bauhaus et Kessler. Porträt eines europäischen geregt.12 Dabei hatte dem Großherzog zunächst eine la France 1919 – 1940, hrsg. von Kulturvermittlers, hrsg. von ambitionierte und ausgesprochen liberale Kulturvision Isabelle Ewig, Thomas W. Gaehtgens Julia Drost und Alexandre Kostka, vorgeschwebt: Unter Anleitung Kesslers sollte in Weimar und Matthias Noell, Berlin 2002. Berlin 2015.

13 Abb. 3 Walter Gropius, Märzgefallenen-Denkmal, 1922

ein Ort der Moderne entstehen – als Gegenentwurf zur und des Judentums geworden. Ich lehnte um so ener­- repressiven Berliner Kulturszene. In nur drei Jahren gischer jede Stellungnahme gegen Gropius ab.«14 Vor dem präsentierte Kessler in etwa 40 Ausstellungen die Kunst Hintergrund des von vielen als Demütigung empfundenen der europäischen Moderne – ein für den Durchbruch Versailler Vertrags und der andauernden Besetzung moderner Kunst in Deutschland kaum zu unterschätzender des Rheinlands wurden auch in Weimar antifranzösische Faktor. Nach einem inszenierten Skandal um einige Stimmen stark. Gropius’ Entscheidung, die zweite Mappe Zeichnungen Auguste Rodins schied Kessler 1906 jedoch innerhalb der Neuen Europäischen Graphik schließlich aus seinem Amt aus. französischen Künstlern zu widmen, kann dabei nicht nur Auch das Bauhaus stieß von Anfang an in Weimar als künstlerisches, sondern – wie Kesslers Zusammen­arbeit auf Ablehnung. Seine transnationale Ausrichtung, die mit Maillol an den Eklogen – auch als politisches State­- antibürgerliche Haltung vieler Schülerinnen und Schüler ment verstanden werden. Auch zu anderen Anlässen bezog und deren offen zur Schau getragene Sympathien für das Bauhaus gegen militaristisches und nationalistisches sozia­listische, anarchistische, feministische und spirituelle Denken in Weimar Stellung: Als der Kapp-Putsch im März Bewegungen machten die Schule von Beginn an zur Angriffs- 1920 in Weimar zu Demonstrationen führte, die vom fläche einer konservativen bis offensiv nationalistischen Militär blutig niedergeschlagen wurden, fanden sich zur Mehrheit in der Weimarer Bevölkerung. Der Weimarer Beisetzung der Toten auf dem Hauptfriedhof viele Bau­ Medi­ziner Hanns Kahle publizierte im Mai 1919 einen häusler ein, wo 1922 schließlich das von Gropius entworfene­ Aufsatz unter dem Titel »Expressionismus, Bolschewismus expressionistische Denkmal für die Märzgefallenen und Geisteskrankheit« und polemisierte gegen das Bauhaus.13 auf­gestellt wurde (Abb. 3). Als das Bauhaus schon längst Bereits wenige Wochen nach Gründung des Bauhauses nach Dessau, dann nach Berlin und schließlich als Idee notierte der besorgte Harry Graf Kessler in Berlin: »Die in die Welt weitergezogen war, wurde das Denkmal 1936 Kunstschule sei unter Gropius ein Heerd des Spartakismus von den Nationalsozialisten zerstört.15

14 Die Neue Europäische Graphik oder Druckgrafik als Demonstration

Nur wenige Projekte spiegeln das auf Ganzheitlichkeit und Transnationalität ausgerichtete Selbstverständnis des frühen Bauhauses so eindrücklich wie die auf fünf Mappen an­gelegte Serie der Neuen Europäischen Graphik.16 Mehr noch: Als Gropius und Feininger, der der druck­ grafischen Werk­statt am Bauhaus vorstand, im Herbst 1921 die Idee einer Nationen und Stilrichtungen übergreifenden Edition der Öffentlichkeit präsentierten, starteten sie aus heutiger Perspektive eines der wichtigsten transnatio­ nalen Kunst­projekte nach dem Ersten Weltkrieg. Die künst­ lerische Avant­garde Europas war dazu eingeladen, je eine Arbeit zu einer fünf Mappen umfassenden Werkschau aktueller Grafik beizusteuern. Dem national ausgerichteten Kultur­begriff sollte – was schon im Titel deutlich wird – die Idee eines kosmopolitischen Künstlerbundes entgegen­ gehalten werden. Dabei entstanden bis 1924 die Mappen I, III, IV und V mit Druckgrafiken deutscher, italienischer und russischer Künstler. Mappe II mit Arbeiten franzö­ sischer Künstler blieb wie erwähnt Fragment.17 Gropius lud die Künstler persönlich mit einem Brief zur Teilnahme ein. Am 25. Oktober 1921 schrieb er an : »Im Namen der Meister am Staat­lichen

Bauhaus in Weimar erlaube ich mir, eine große Bitte Abb. 4 an Sie zu richten. […] Da der kleine Staat Thüringen nicht Paul Klee, Hoffmanneske Szene, 1921 die grossen Summen aufbringen kann, die wir zur Verwirk- Aquarell, 40,3 × 32,1 cm, Metropolitan Museum of Art, New York. lichung unserer Pläne notwendig haben müssen, so wollen Die Arbeit steht in Verbindung zu Klees Beitrag für die Neue Europäische Graphik, Abb. S. 49. wir versuchen, diese auf privatem Wege zu beschaffen. Diesem Gedanken ist folgender Plan entsprungen: Wir senden an 60 bedeutende Künstler Deutschlands, Russlands, Frankreichs, Italiens, die Träger des neuen Geistes sind und von denen wir annehmen, dass sie unsere Arbeit, die wir 13 16 begonnen haben, achten und mit Interesse verfolgen, die Bitte, Hanns Kahle: Einiges über Die grundlegende Literatur dazu uns eine noch nicht veröffentlichte graphische Original­ Expressionismus, Bolschewismus liefern Peters 1957, Wingler 1965 arbeit: Holzschnitt, Radierung, Steindruck (evtl. auf Um­- und Geisteskrankheit, in: Weima- und Weber 1999, S. 22 – 79. druck­papier) zur Verfügung zu stellen.«18 Ähnliche Aufrufe rische Zeitung Deutschland, Vgl. die Zusammenstellung auch 20. Mai 1919. in Matuszak 2000, S. 516 – 524 und gingen an insgesamt 75 Künstler bzw. deren Nachlass­ 14 Ausst.-Kat. Stuttgart 2014, S. 56 – 66. verwalter, wobei die Mehrzahl auf die von Gropius gewünsch-­ Tagebucheintrag vom 29. August 17 te Über­lassung je einer Arbeit ein­ging und dabei groß­­- 1919 von Harry Graf Kessler: Vgl. hierzu den Beitrag von Laura zügig auf ein Honorar verzichtete.19 Unter den von Gropius Das Tagebuch 1880 – 1937, Bd. 7 Rosengarten in diesem Katalog, eingeladenen Künstlern befanden sich neben den Lehrern (1919 – 1923), hrsg. von Angela S. 59 – 61. Reinthal, Stuttgart 2007, S. 268. 18 am Bauhaus – Feininger, Itten, Klee (Abb. 4), Marcks, 15 Ausführlich zitiert bei Weber Muche, Schlemmer, Schreyer und der 1922 dazustoßende Im Jahr 1946 wurde es nahezu 1999, S. 22. Kandinsky (als László Moholy-Nagy 1923 ans Bauhaus kam, originalgetreu rekonstruiert 19 war die Edition bereits inhaltlich abgeschlossen) – auch und wieder auf dem Hauptfriedhof Zu den wirtschaftlichen Aspekten die Hauptvertreter der 1913 aufgelösten Künstlergruppe aufgestellt. Vgl. zum Streit um und generell zur Edition der Mappen das Denkmal Hans-Jürgen Winkler: vgl. den Beitrag von Thomas »Die Brücke« (Heckel, Kirchner, Mueller, Pechstein und Das Märzgefallenen-Denkmal Matu­szak in diesem Katalog, Schmidt-Rottluff) sowie mit Campendonk, Jawlensky, Kubin, in Weimar, Weimar 2004, v. a. S. 18 – 29, v. a. S. 27 – 29 und Weber Macke und Marc ehemalige Künstler des »Blauen Reiter«. S. 34 – 70. 1999, S. 30 – 31.

15 Abb. 5 Fernand Léger, Le déjeuner, 1921 / 22 Öl auf Leinwand, 183,5 × 251,5 cm, Museum of Modern Art, New York. Die Arbeit steht in Verbindung zu Légers Beitrag für die Neue Europäische Graphik, Abb. S. 67.

Mit Boccioni, Carrà, Prampolini, Severini und Soffici verwundert.20 Dagegen lässt sich die Abstinenz der hol­län­ rief Gropius die führenden Köpfe des Futurismus zur Mit- dischen Moderne – vor allem verbunden mit den Namen ­arbeit auf, und mit Braque, Léger (Abb. 5) und Picasso Mondrian und van Doesburg – mit den Spannungen die wichtigsten Vertreter des Kubismus. Unter den Franzosen zwischen dem Bauhaus und den konkurrierenden Aktivitäten waren mit Delaunay, Derain, Gris und Matisse weitere der Künstlervereinigung »« in Weimar erklären. heute nicht wegzudenkende Vertreter der internationalen Blickt man aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts Avantgarde eingeladen. Die Resonanz unter den genannten auf das Projekt, so erscheint die Neue Europäische Graphik franzö­sischen Künstlern (zu denen auch Picasso gerech­- als eine ins Medium der Druckgrafik übertragene visuelle net wurde) blieb offenbar dürftig, lediglich Léger übersandte Demon­stration des avantgardistischen europäischen Geistes eine Arbeit, während Delaunay zumindest eine Druck­- nach dem Epochenbruch des Ersten Weltkriegs. Zieht grafik zusagte, die aber nie in Weimar eintraf. Beiträge aus man die Leerstellen einiger wichtiger fehlender Künstler – Russland erhoffte man sich am Bauhaus nicht etwa und vor allem von Künstlerinnen! – als Geburtsfehler ab, von den Protagonisten des Konstruktivismus und Supre­ findet man eine noch immer beeindruckende Zusammen- matismus – Lissitzky und Malewitsch –, sondern von den kunft unterschiedlichster Künstler, die sich dem Geist einer Emigranten Archipenko, Chagall (Abb. 6), Gontscharowa neuen Zeit verpflichtet fühlten und ein Zeichen des Auf- und anderen. Die skandinavische Moderne sollte allein bruchs setzen wollten. Ein vergleichbares transnationales mit dem Norweger Munch vertreten sein. Auch die ost­ Kunstprojekt hat es in der Zeit nicht gegeben. Und doch europäische Avantgarde weist in der ursprünglichen Kon­­- muss der schleichende Pragmatismus in Anschlag gebracht zeption Lücken auf: Neben dem Polen Marcoussis finden werden, der den vom »Feuer des Neubeginns« genähr­ten sich nur die drei tschechischen Künstler Beneš, Coubine Idealismus zunehmend unterhöhlte und die Planer und Filla. Zu Recht zeigte sich Weber über das Fehlen der Mappenfolge zu Konzessionen zwang – am klarsten der am Bauhaus stark vertretenen ungarischen Avantgarde fassbar in der Fragment gebliebenen zweiten Mappe

16 Abb. 6 , Der Spaziergang, 1918 Öl auf Leinwand, 170 × 163,5 cm, Staatliches Russisches Museum, St. Petersburg. Die Arbeit steht in Verbindung zu Chagalls Beitrag für die Neue Europäische Graphik, Abb. S. 97.

der fran­zö­sischen Künstler. In den frühen 1920 er Jahren wich das 1918/19 zu verzeichnende Pathos eines geis- tigen und poli­­tischen Aufbruchs genauso wie die Utopie einer Neu­fundierung des europäischen Geistes langsam einer all­­gemeinen Depression. In wirtschaftlicher Not, Inflation und wiederaufflammendem Nationalismus kündigte sich das Grauen der Jahre nach 1933 an. Die mit dem Anspruch auf Ganzheitlichkeit und Transnationalität angetretene Neue Europäische Graphik ist im Resultat eine späte Demonstration des neuen Geistes nach der November­­revolution, aber in ihrem letztlichen Scheitern auch eine Prophezeiung des unheilvoll Kommenden. 20 Vgl. Weber 1999, S. 25.

17 Die Druckerei am Staatlichen Bauhaus in Weimar – eine Werkstatt für das Sammeln

Thomas Matuszak

Das Sammeln geht der Wissenschaft immer voraus; Der alte Herr vermutet, der Händler wolle ihm etwas das ist nicht merkwürdig; denn das Sammeln muß ja vor verkaufen; doch er könne keine Blätter mehr erwerben, der Wissenschaft sein; aber das ist merkwürdig, daß er sei froh, »wenn wir unser Stück Brot auf dem Tische der Drang des Sammelns in die Geister kömmt, wenn eine haben. Wir können nicht mehr mittun bei den irrsinnigen Wissenschaft erscheinen soll, wenn sie auch noch nicht Preisen […], unsereins ist ausgeschaltet für immer.« wissen, was diese Wissenschaft enthalten wird. Das Missverständnis wird sogleich aufgeklärt, indem der Adalbert Stifter Reisende bekundet, er sei gekommen, »ihm als vieljährigem Kunden unseres Hauses und einem der größten Sammler Sammeln als Leidenschaft Deutschlands meine Aufwartung zu machen«. Derart geschmeichelt, möchte der alte Connaisseur seine Schätze Der Schriftsteller Stefan Zweig (1881 – 1942), in seiner zeigen: »das sind nicht drei oder fünf Stücke, das sind Salzburger Zeit von 1919 bis zu seiner Emigration 1934 siebenundzwanzig Mappen, jede für einen anderen Meister, selbst dem Sammeln intensiv zugetan, hat mit seiner Novelle und keine davon halb leer.« Die unsichtbare Sammlung. Eine Episode aus der deutschen Man verabredet sich für den frühen Nachmittag, Inflation 1 aus dem Jahr 1927 eine der anrührendsten und nach dem Essen und der Mittagsruhe. Von der Ehefrau zugleich traurigsten Geschichten über einen erblindeten erfährt der Antiquar den Vornamen des alten Herrn: Sammler und dessen grafische Kostbarkeiten verfasst. Sie Herwarth – dies dürfte von Stefan Zweig als eine Anspie- sei hier zu Beginn – unter ausgiebiger Hinzu­ ziehung­ des lung auf Herwarth Walden, den Gründer und Leiter Novellentextes – eingehender nacherzählt. der legendären Berliner Sturm-Galerie (gegründet 1912), Herr R. …, »einer der angesehensten Kunstantiquare gemeint sein. «, steigt »zwei Stationen hinter Dresden« in einen Zug Bevor der Kunsthändler das Haus verlässt, um im Ort und erzählt seinem Abteilnachbarn eine der sonderbarsten zu Mittag zu essen, begleitet ihn die Tochter des Ehepaars, Episoden, die er in seiner Tätigkeit als Händler erlebt habe. Annemarie, zur Tür und gesteht ihm dort die Wahrheit: Er hatte sich in die Provinz aufgemacht, »um einstige Kun­- »Vater ist nach dem Ausbruch des Krieges vollkommen den aufzustöbern, denen ich vielleicht ein paar Dubletten erblindet. Schon vorher war seine Sehkraft öfters gestört, wieder abluchsen könnte«. Bei der Durchsicht der Geschäfts­ die Aufregung hat ihn dann gänzlich des Lichtes beraubt post und der alten Kundenliste »stieß ich plötzlich auf […].« Unter Verweis auf die Krisensituation nach dem ein ganzes Bündel Briefe von unserem wohl ältesten Kunden, Krieg und die grassierende Inflation bekennt sie aufgeregt: der mir nur darum aus dem Gedächtnis gekommen war, »[...] Vater versteht nichts mehr von den Preisen und weil er seit Anbruch des Weltkrieges, seit 1914, sich nie mehr von der Zeit … er weiß nicht, daß wir alles verloren haben mit irgendeiner Bestellung oder Anfrage an uns gewandt und daß man von seiner Pension nicht mehr zwei Tage hatte«. Er stellt sich ihn als sonderbaren, alt­väte­rischen, im Monat leben kann …«. In dieser Not entschieden sich skurrilen Sonderling vor, den »als Sammler alter Graphiken Mutter und Tochter, Blätter aus der Grafiksammlung eine ganz ungewöhnliche Klugheit, vor­zügliche Kenntnis zu verkaufen: »[...] wir hofften, damit auf Jahre versorgt und feinsten Geschmack« auszeichnet. Folglich begibt sich zu sein. Aber Sie wissen ja, wie das Geld einschmilzt […], der Berliner Händler »in eine der unmöglichsten Provinz- und der Händler sandte das Geld immer so spät, daß es städte, die es in Sachsen gibt«, um jenen Herren aufzusuchen, schon entwertet war. […] So ist allmählich das Beste seiner in dessen Besitz sich »die herr­­lichsten Blätter Rembrandts Sammlung […] weggewandert, nur um das nackte, kärg- neben Stichen Dürers und Mantegnas in tadelloser Voll­­ lichste Leben zu fristen, und Vater ahnt nichts davon.« ständigkeit« befinden. Er macht im Ort die Adresse des Sammlers ausfindig und begibt sich auf den Weg; schließlich wird ihm die Wohnungstür von der Ehe­­frau des Grafik­ liebhabers geöffnet und er wird ihm vor­gestellt: »ein alter, aber noch markiger Mann, mit buschigem Schnurrbart in verschnürtem, halb militärischem Hausrock«, der ihn herz­lich begrüßt. Jedoch: »Er kam mir nicht einen Schritt 1 entgegen, und ich mußte […] bis an ihn heran, um seine Stefan Zweig: Die unsichtbare Hand zu fassen. Doch als ich sie fassen wollte, merkte ich Sammlung. Erzählungen, Berlin 2016, S. 7 – 22. Um der an der waagerecht unbeweglichen Haltung dieser Hände, besseren Lesbarkeit willen wird daß sie die meinen nicht suchten, sondern erwarteten. Im im Folgenden auf den Nachweis nächsten Augenblick wußte ich alles: Dieser Mann war blind.« der einzelnen Zitate verzichtet.

19 Um diesen Verlust nicht offenkundig werden zu lassen, Druckgrafik am Bauhaus verfallen Mutter und Tochter auf eine List: Sie haben dem betagten Kunstkenner »nämlich in die alten Passe­ Dieser »reinen Begeisterung« stand eine soziale Wirklich- partouts, deren jedes er beim Anfühlen kennt, Nachdrucke keit gegenüber, die nach dem Ende des Ersten Weltkriegs oder ähnliche Blätter statt der verkauften eingelegt, sodaß in Deutschland durch Arbeitslosigkeit, Kriegsversehrte, er nichts merkt, wenn er sie antastet. Und wenn er sie Inflation, Hunger, Krankheit, Tod – allein die Pandemie nur antasten und nachzählen kann (er hat die Reihenfolge der Spanischen Grippe forderte in den Jahren 1918 genau in Erinnerung), so hat er genau dieselbe Freude, bis 1920 weltweit mindestens 25 Millionen Todesopfer 2 –, wie wenn er sie früher mit seinen offenen Augen sah.« Straßenkämpfe sowie politische Morde bestimmt war. Abschließend bittet Annemarie den Gast: »[…] zerstören Die deutsche Wirtschaft sah sich durch Reparationsleistungen, Sie ihm nicht diese letzte Illusion, helfen Sie uns, ihn Produktionsverluste und Kriegstote mit erheblichen glauben zu machen, daß alle diese Blätter […] noch vor­- Schwierigkeiten konfrontiert – nach einem globalen Krieg, handen sind … er würde es nicht überleben, wenn er es in dem rund 17 Millionen Menschen (10 Millionen Soldaten­­ nur mutmaßte.« und etwa 7 Millionen Zivilisten) ihr Leben verloren hatten. Am frühen Nachmittag kehrt der Antiquar zurück und Trotz oder vielleicht auch wegen dieser gesellschaft- die beiden – Sammler und Händler – nehmen Blatt für Blatt lichen Bedingungen und Gefährdungen setzte nach der die Kollektion in Augenschein: »Und nun entnahm er Novemberrevolution und mit Beginn der Weimarer Republik mit jener zärtlichen Vorsicht, wie man sonst etwas Zerbrech­ eine regelrechte Grafikwelle ein. Friedemann Berger liches berührt, mit ganz behutsam anfassenden schonenden ver­wendete in seinem einleitenden Kommentar zu der Fingerspitzen der Mappe ein Passepartout, in dem ein leeres von Paul Westheim im Weimarer Gustav Kiepenheuer Verlag vergilbtes Papierblatt eingerahmt lag, und hielt den wert­ herausgegebenen Zeitschrift in Mappenform mit Original­ losen Wisch begeistert vor sich hin.« grafiken Die Schaf­­fenden den in diesem Kontext un­ Zwei Stunden lang vertiefen sie ihre schauenden Blicke gewohnten Begriff »Epidemie« (Abb. 1): »Die Beschäf­tigung in »die unsichtbare Sammlung, die längst in alle Winde mit der Gegenwartskunst und vor allem das Sam­meln zerstreut sein mußte, sie war für […] diesen rührend betro- ­genen Menschen noch unverstellt da […].« Am Ende, bevor der Händler wieder zu seiner Rück­reise aufbricht, entscheidet sich der alte Kunstkenner, seinen testamentarischen Verfügungen noch eine Klausel hinzu­ zufügen, nach der seine Sammlung im Hause des Antiquars zur Auktion kommen soll: »Versprechen Sie mir nur, einen schönen Katalog zu machen: Er soll mein Grabstein sein, ich brauche keinen besseren.« Die beiden Herren ver­abschieden sich, der alte Sammler winkt dem Händler noch freudig aus dem Fenster nach. Seinem Gegenüber im Eisenbahnabteil bekennt der Rei­- sende aus Berlin: »Da war ich wie der Engel des Märchens in eine Armeleutestube getreten, hatte einen Blinden sehend gemacht für eine Stunde nur dadurch, daß ich einem frommen Betrug Helferdienst bot und unverschämt log […]. Was ich aber mitnahm, war mehr: Ich hatte wieder einmal reine Begeisterung lebendig spüren dürfen in dumpfer, freudloser Zeit, eine Art geistig durchleuchteter, ganz auf die Kunst gewandter Ekstase, wie sie unsere Menschen längst verlernt zu haben scheinen.«

Abb. 1 Die Schaffenden. Eine Zeitschrift in Mappenform, 4. Mappe, 2. Jahrgang 1920

20 von Graphik und der Druck von Mappenwerken und illus­- Durch einen stetigen Anreiz, durch immer wiederholtes trierten Büchern verbreiteten sich wie eine Epidemie. Der Darbieten soll Verständnis und Liebe zur Kunst wachsen. Anwalt Heinrich Stinnes, der über seinen Kunsthändler ein Durch eine sehr vielseitige Auswahl soll Duldsamkeit Abonnement auf jedes erste Exemplar eines in Deutschland gegen das Andere, gegen das noch nicht Verstandene er- vervielfältigten Blattes eingegangen war, brachte so inner- reicht werden.«5 halb weniger Jahre eine Sammlung von über hunderttausend Das Sammeln in diesem Sinne ist verstanden als Aus- Blatt Original­graphik zusammen.«3 druck eines enzyklopädischen Denkens im Sinne der In den Jahren 1919 bis 1923 erfuhr die Herausgabe Aufklärung – nicht unbedingt auf Vollständigkeit angelegt, von druckgrafischen Editionen – Einzelblätter, Mappenwerke vielmehr begriffen als eine Möglichkeit, das eigene Kunst- sowie bibliophil gestaltete Bücher mit Originalgrafiken – verständnis im Akt des Sehens zu schulen, zu steigern. einen quantitativen Höhepunkt. Dies ist implizit auch am Damit verbunden ist letztlich ein ethischer Anspruch, Beispiel der Grafischen Sammlung des Lindenau-Museums durch das Sammeln schöpferischer, vervielfältigter Arbeiten abzulesen; das Museum konnte in den Jahren 1994 /95 den Kosmos des Wissens einem individuellen Urteil zu­ mit dem Ankauf der Sammlung Hoh, seinen ursprünglichen gänglich zu machen. Damit berühren wir die Aspekte der Bestand aus dieser Zeit erheblich erweitern: Der Anteil Wissenschaft wie (auch) des Sammelns. Gotthold Ephraim der Mappenwerke an den insgesamt in jenen Jahren Lessing folgerte in seiner unverkennbar zeitverhafteten, erfassten Veröffentlichungen (Stand: 2000) umfasst: 1919: 1766 publizierten Schrift Laokoon oder über die Grenzen 23 Map­pen; 1920: 35 Mappen; 1921: 33 Mappen; der Malerei und Poesie: »[…] denn der Endzweck der 1922: 28 Mappen; 1923: 27 Mappen.4 Es bleibt ein auf­- Wissenschaften ist Wahrheit. Wahrheit ist der Seele not- schluss­reicher Sach­verhalt, dass in den wenigen Jahren wendig; und es wird Tyrannei, ihr in Befriedigung dieses der wirt­­schaftlichen Konsolidierung in Deutschland wesentlichen Bedürfnisses den geringsten Zwang anzutun. Mitte der 1920 er Jahre die Herstellung und Verbreitung Der Endzweck der Künste hingegen ist Vergnügen; und von originalgrafischen Mappenwerken spürbar zurückging. das Vergnügen ist entbehrlich.«6 Mit expressionistischem Pathos ließe sich postulieren: Not schreit nach Kunst! ( Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhang bleiben, dass viele der Pressen und Verlage eine lediglich kurze Daseinsdauer erlebten; Geld- und Papiermangel sowie häufig wechseln­de Herausgeber waren 2 ständige Begleiterscheinungen. Außerdem gibt es kaum Andere Schätzungen geben noch verlässliche Auskünfte darüber, wie viele Auflagen tatsäch- höhere Todeszahlen an. lich komplett verkauft werden konnten.) Es folgte noch 3 einmal ein weniger qualitativ denn quan­­ti­­tativer Anstieg Friedemann Berger: Einführung, der Mappeneditionen im Zuge der Welt­wirtschafts­krise in: Die Schaffenden. Eine Auswahl der Jahrgänge I bis III und Katalog gegen Ende des Jahrzehnts, ehe mit der tota­litären Macht­ des Mappenwerkes, Leipzig und übernahme der National­sozialisten diesen verlegerischen Weimar 1984, S. 5 – 33, hier S. 26. Unternehmungen ein Ende gesetzt wurde. 4 Dem Sammeln von Druckgrafik – mithin von verviel-­ Vgl. Matuszak 2000, S. 13 fäl­tigter Kunst – wohnt ein egalitärer Aspekt inne: Sie ist im (dort Anm. 17). 5 Vergleich zu Gemälden oder Handzeichnungen in der Regel Harald Rüggeberg: Johannes erschwinglich. Verwiesen sei in diesem Kontext auf die Böse über die Griffelkunst – Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e. V., die – gegründet 1925 heute gelesen, in: Verzeichnis im Geiste Alfred Lichtwarks durch Johannes Böse – druck- der Editionen 1976 – 2000, Bd. 1 grafische Blätter und Editionen bis heute ihren Mitgliedern 1976 – 1988, hrsg. von der Griffelkunst-Vereinigung Hamburg zu einem günstigen jährlichen Preis anbietet – allerdings e. V., Hamburg 2002, S. 9 – 11, mit dem Nachteil, dass die Auflagenhöhe­ der signierten oder hier S. 10. aber posthum autorisierten Arbeiten nicht angegeben wird. 6 Im Grundsatz ist die Vereinigung der expressionistischen Gotthold Ephraim Lessing: Idee des »neuen Menschen« verpflichtet. Johannes Böse formu-­ Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. Mit lierte das Ziel des Wirkens so: »Die Arbeit der Griffelkunst beiläufigen Erläuterungen ver­- ist eine psychologisch-pädagogische. Es gilt die Erziehung schiedener Punkte der alten Kunst­- zur Kunst und durch Kunst zu einem edleren Menschtum. geschichte, Stuttgart 1994, S. 15.

21 Abb. 2 Abb. 3 Walter Gropius, 1919 Lyonel Feininger, 1928

Die Druckwerkstatt am Bauhaus im Frühjahr 1919 den Holzschnitt Kathedrale schuf – gleichsam als architektonisches Symbol für die Einheit Der Architekt Walter Gropius (1883 – 1969) hatte als aller Künste in den mittelalterlichen Bauhütten. Grün­der mit dem Programm des Staatlichen Bauhauses zu Darüber hinaus ist das Werk als aufstrebendes Sinnbild Weimar vom April 1919 etwas gänzlich Anderes im Sinn für die zu gestal­tende Zukunft zu verstehen (Abb. S. 13). (Abb. 2). Der erste Satz des Manifests lautet kategorisch: Feininger übernahm die künstlerische Leitung der »Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau«, um Drucke­­rei am Bauhaus; im Herbst 1919 wurde ihm mit sodann zweckdienlich zu fordern: »Architekten, Bildhauer, Carl Zaubitzer ein anerkannter und unermüdlich tätiger Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück.«7 Handwerksmeister als Werkstattleiter an die Seite gestellt In dieser Aufzählung fehlen – die Grafiker, allen voran (Abb. 5): »Die künstlerische Ausbildung war streng die Druckgrafiker! Auch wenn die druckgrafische Werkstatt an die handwerkliche gebunden; in der Weimarer Zeit eigentlich nicht in das Konzept des Staatlichen Bauhauses, unterstanden die Werkstätten […] jeweils einem ›Meister das dem Primat der Architektur und der funktionalen Einheit der Form‹ und einem ›Meister des Handwerks‹ zugleich, von Kunst und Form verpflichtet war, passte, so war und die Studierenden waren verpflichtet, sich nach die Abteilung Druckgrafik von Anfang an in der Institution den Regeln des Handwerks einer Gesellen- und Meister­- gegenwärtig. Nach der Zusammenlegung der ehemaligen prüfung zu unterziehn.«8 Weimarer Kunstgewerbeschule unter Henry van de Velde Der Grafiker Walther Klemm (1883 – 1957) war seit (1863 – 1957) mit der Hochschule für Bildende Kunst berief 1913 Leiter der Hochschule für Bildende Kunst in Weimar; Walter Gropius mit Lyonel Feininger (1871 – 1956) als ab April 1919 gehörte er als Meister dem Lehrkörper ersten neuen Lehrer der Institution einen Künstler, der sich des Bauhauses an. In der Folgezeit kam es zu Diffe­- dem Verfahren des Hochdrucks, namentlich der Holzschnitt-­ renzen in der Frage der künstlerischen Ausrichtung sowie technik, mit großer Leidenschaft widmete (Abb. 3). der Stellung im gesellschaftlichen Prozess. Die inhaltlich Feininger war es, der für das Titelblatt des Bauhaus-Mani­fes­ts konser­vativ eingestellten Lehrer, der Maler und Grafiker

22 Abb. 4 Gebäude der Kunsthochschule Weimar, um 1911

Max Thedy (1858 – 1924) sowie der Bildhauer Richard Engelmann (1868 – 1966 ), verließen das Bauhaus; ihnen folgte wenig später auch Walther Klemm. Die Posi­tionen von Klemm und Engelmann wurden daraufhin mit Paul Klee und Oskar Schlemmer neu besetzt. Seit April 7 Zit. nach Weber 1999, S. 11. 1921 gab es in Weimar zwei eigenständige Institutionen Der vorzüglich recherchierte unter einem Dach: das Staatliche Bauhaus sowie die erneut Text von Klaus Weber bildet die installierte Staatliche Hochschule für Bildende Kunst, Grundlage des hier vorgelegten diese wiede­rum mit einem akademisch ausgerichteten Beitrags. Webers Untersuchung Lehrbetrieb (Abb. 4). 9 wiederum basiert auf der frühen Publikation von Hans Maria Die Druckwerkstatt des Bauhauses war für die Verfahren­ Wingler – einem Referenzwerk des Hoch-, Tief- und Flachdrucks aus- und eingerichtet. zum Thema: Wingler 1965. Vgl. Für den Druckbetrieb standen dafür drei Handpressen zur ferner zum Thema: Elisabeth Verfügung, wie auf einem Foto der Werkstatträume Reissinger, Brigitte Reuter, aus dem Jahr 1923 zu sehen ist (Abb. 6 ). Untergebracht Michael Siebenbrodt: Druckerei- werkstatt, in: Bauhaus Weimar. war die Druckwerkstatt in drei Räumen der ehemaligen Entwürfe für die Zukunft, Kunstschulgebäude von Henry van de Velde; später kamen hrsg. von Michael Siebenbrodt, ein weiterer Arbeitsraum, eine neue Presse sowie diverse Ostfildern-Ruit 2000, S. 210 – 227. Werkzeuge für die Tätigkeiten des Druckens hinzu.10 8 Die verantwortlichen Leiter und Mitarbeiter der Drucke-­ Wingler 1965, S. 10. 9 rei fanden bei der Aufnahme ihrer Arbeit ein für die Vgl. Weber 1999, S. 15. Zeit­umstände erstaunlich reichhaltiges Papierlager vor – 10 darunter getönte Kartons, Kupferdruck- und Büttenpapiere Ebd., S. 12.

23 sonelle Besetzung der Werkstatt durch die Studierenden Ludwig Hirschfeld-Mack (1893 – 1965) und Rudolf Baschant (1897 – 1955); beide waren nach ihrer Gesellenprüfung aktiv an der weiteren Entwicklung der Druckerei beteiligt.13 Vor allem Hirschfeld-Mack tat sich dabei in praktischer und künstlerischer Hinsicht hervor. Als Institution, die druckgrafische Editionen, speziell Einzelblätter und Mappenwerke in hoher drucktechnischer Qualität herausbrachte, stand das Bauhaus in Weimar keineswegs allein da. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg gründete der deutsche Diplomat, Kunstsammler, Mäzen und Publizist Harry Graf Kessler (1868 – 1937) dort die »Cranach-­ Presse« als selbstständige private Druckwerkstatt nach englischem Vorbild; benannt nach der Cranach-Straße, in der sich Kesslers Wohnung befand. Er edierte bibliophil ausgestattete Werke vornehmlich der Weltliteratur mit originalgrafischen Illustrationen etwa von Aristide Maillol, Edward Gordon Craig, Eric Gill, Marcus Behmer oder George Grosz. Die international ambitionierten Intentionen von Kessler sind dabei offensichtlich. Die Bucheinbände für die Vorzugsausgaben wiederum fertigte Otto Dorfner (Abb. 8). Während der Zeit des Ersten Weltkriegs übertrug Kessler, der zum Kriegsdienst einberufen war, die Leitung der Presse seinem Freund Henry van de Velde. Der hohe

Abb. 5 Qualitätsstandard war auf diese Weise gesichert. Carl Zaubitzer, Ende der 1930 er Jahre Kessler verband mit den Expressionisten die utopische Erweckungsidee eines »neuen Menschen«. Nach der Novemberrevolution von 1918 knüpfte er seine Hoffnungen von unterschiedlicher Qualität, außerdem mehrere Sorten an die Errichtung eines »ästhetischen Staates«, dessen von kostbaren Japanpapieren. Klaus Weber konstatiert: Zielsetzungen durch diesen neuen Menschen zu verwirk­ »Der Wert dieses Papiervorrates überstieg nach Angabe lichen seien.14 In dem Bauhäusler Walter Gropius fand er der Inventare bei weitem den der technischen Einrichtung: in jenen Jahren einen in vielen Fragen überzeugten Standen die vier Pressen zusammen mit 797 Mark zu Buche, so belief sich der Gesamtwert des Papierbestandes 11 im Oktober 1924 auf 1666 Mark.« 11 Die Druckerei in Weimar bestand von 1919 bis zum Weber 1999, S. 13. Jahr 1925, als das Bauhaus sich aufgrund der politischen 12 Verhältnisse gezwungen sah, von Thüringen nach Dessau Um zusätzliche Einnahmen für das Bauhaus zu akquirieren, umzuziehen. wurden auch kommerzielle Die Druckwerkstatt war eine der ersten betriebsfähigen Aufträge angenommen, vgl. ebd. Einrichtungen in Weimar.12 Sie stand in ihrer Arbeit 13 in enger Verbindung zu der Buchbinderei von Otto Dorfner Vgl. Wingler 1965, S. 11. (1885 – 1955), die dem Bauhaus in den Jahren von 1919 14 Vgl. Angela Reinthal: »Es gibt bis 1922 als Lehrwerkstatt angegliedert war (Abb. 7 u. 8). wieder ein Europa!« Harry Graf Künstlerisch­ beratend war Paul Klee für sie tätig. Da Dorfner Kesslers diplomatisches und in der Tradition der klassischen Formvorstellungen stand – pazi­­­fis­tisches Engagement zu Beginn und damit im ästhetischen Widerspruch zu Paul Klee –, der Weimarer Republik (1919 – wurde das Vertragsverhältnis aufgelöst. Doch auch nach 1923), in: Harry Graf Kessler: Das Tage­buch 1880 – 1937, Bd. 7 dem Jahr 1922 übernahm Dorfner Auftrags­arbeiten für (1919 – 1923), hrsg. von Angela das Bauhaus und dessen Druckerei und führte die Zusammen­ Reinthal, Stuttgart 2007, S. 9 – 67, arbeit dergestalt weiter. Vervollständigt wurde die per­­ hier S. 13 u. 30 – 31.

24 Abb. 6 Die Druckwerkstatt am Bauhaus, 1923

25 Abb. 7 Otto Dorfner von Schülern umgeben, um 1930

­Gleichgesinnten, was die Verbindung von ästhetischer des Bauhauses als auch in den Mappen der Edition Verantwortung und gesellschaftlicher Utopie anbelangt. Die Schaffenden vertreten sind; in Auswahl seien hier Gleichfalls in Weimar gab Paul Westheim die bereits die Namen Archipenko, Baumeister, Burchartz, Campendonk, erwähnte Zeitschrift in Mappenform Die Schaffenden Feininger, Gleichmann, Grosz, Heckel, Klee, Kokoschka, heraus, deren erste Ausgabe mit Originalgrafiken in Kubin, Léger, Marcks, Mense, Pechstein, Rohlfs, Scharff einer Auflagenhöhe von 125 Exemplaren 1918 noch vor oder Schmidt-Rottluff erwähnt. In den Mappen des Kriegsende im Gustav Kiepenheuer Verlag herauskam. Bauhauses sind mit den Beiträgen von Natalja Gontscharowa Die Halbleinenmappe enthielt zehn druckgrafische Blätter (1881 – 1962) sowie Jacoba van Heemskerck (1876 – 1923) von acht Künstlern. Friedemann Berger bemerkte dazu: lediglich zwei Künstlerinnen vertreten, während die »Der Titel ›Die Schaffenden‹ entsprang dem Zeitgeist und Beteiligung von Frauen am Mappenwerk Die Schaffenden – dem Selbstverständnis der jungen Kunst. Er brachte so­wohl wenn auch nur unwesentlich – höher ausfällt. Das Bauhaus die Dialektik von Arbeit und Schöpfertum als auch die war (auch) eine Domäne der Männer mit Hut. Über­- Sehnsucht der Kunstschaffenden nach der Gemeinschaft, liefert ist – ohne die Benennung der Hintergründe – die nach ›dem Volk, das uns trägt‹ ( Paul Klee), zum Ausdruck Bemerkung von Zaubitzer in einem seiner Monatsberichte und ließ zugleich all das mit anklingen, was sich nach der Werkstätten-Graphische Druckerei, der zufolge es Kriegsende im Programm des Bauhauses formuliert fand »für die Zukunft besser [wäre], das weibliche Geschlecht und was Künstler wie Meidner, Campendonk, Schmidt- von der Druckerei fernzuhalten«.16 Rottluff, Feininger, Beckmann, Pechstein, Grosz, Dix u. a. Es erstaunt nicht, dass die Mehrheit der beteiligten 1919 mit der revolutionären Arbeiterschaft sympathi­- Künstler, deren Blätter in der Druckerei abgezogen wurden, sieren ließ.«15 dem Expressionismus zuzurechnen sind. Doch daneben Bei dieser programmatischen Ausrichtung überrascht fällt besonders in den Veröffentlichungen des Bauhauses es kaum, dass nicht wenige Künstler mit ihren Blättern auch die programmatische Hinwendung zur Abstraktion sowohl in dem Mappenwerk Neue Europäische Graphik und zu den Folgewirkungen des Kubismus auf. Ebenso

26 lassen sich Arbeiten finden, die dem Verismus oder der in Ganz-Kalbspergament handgebunden) 5000 Mark.19 Neuen Sachlichkeit zugeordnet werden müssen. Mit einer Für die Subskription aller fünf geplanten Mappen galten gewissen Irritation nimmt man jedoch zur Kenntnis, diese Vorzugspreise: Die einfache Ausgabe ( Nr. 11 – 110) dass im siebten Band der Tagebücher von Harry Graf Kessler, wurde für 10 000 Mark angeboten; die Vorzugsausgabe der die Zeitspanne von 1919 bis 1923 umfasst, im an­- ( Nr. 1 – 10) für 22 500 Mark.20 gefügten Namensregister, das sich insgesamt über 250 Seiten (!) Im Jahr 1921 war bereits zuvor die Mappe Zwölf erstreckt, der Name Paul Westheim keine einzige Erwäh- Holzschnitte von Lyonel Feininger in einer kleinen Auflage nung findet. Auch Gropius wird in dem Diarium lediglich von lediglich 50 Exemplaren als erste Publikation des dreimal Aufmerksamkeit zuteil; immerhin bezog Kessler Staatlichen Bauhauses erschienen; wiederum in Zusammen- für ihn eindeutige politische Stellung. Im Zuge des rechts- arbeit mit dem Buchbinder Otto Dorfner und zudem – nationalen Klimas in Weimar, das zunehmend die Institution im Gegensatz zu sämtlichen folgenden druckgrafischen Bauhaus und nament­lich die Person Walter Gropius Editionen – noch im Eigenverlag des Weimarer Instituts zum Ziel der politisch moti­vierten Angriffe machte, notierte veröffentlicht. er unter dem Datum des 29. 8. 1919: »Ich legte meinen Leider fehlen Hinweise darauf, ob sich in den Akten Standpunkt dahin fest, daß mir die Frage der weimarischen des Bauhaus-Archivs noch Listen mit den Namen der Sub­- ›Kompensationen‹ gleichgültig sei, Vandeveldes [sic!] skribenten befinden oder erhalten haben, zumindest Berufung mir zwar am Herzen liege, ich aber keinesfalls sind etwaige Unterlagen dazu nicht bekannt. Man hätte zu Gropius durch Vande­velde depossedieren lassen wolle. gern Hinweise auf eventuelle Käufer oder Abonnenten Dieses um so weniger, als unter den Gründen, die Baudert aus dem europäischen Ausland – was den übernationalen (den Sozialdemokraten) gegen Gropius einnehmen (nach Intentionen der Mappenreihe entsprechen würde. Für den Pochwaldt), dessen spartakistische Umtriebe sein sollen. angestrebten geistigen Austausch im Sinne eines »neuen Die Kunstschule sei unter Gropius ein Heerd [sic!] des Europa« ist diese Frage von nicht unerheblicher Bedeutung. Spartakismus und des Judentums geworden. Ich lehnte um Kehren wir noch einmal kurz in die Druckerei am Bau-­ so energischer jede Stellungnahme gegen Gropius ab.«17 haus zurück. Bedenkt man die Gesamtsituation jener Jahre – Inflation, Reparationsforderungen, Materialknappheit, politisch-diplomatische Spannungen vor allem mit Frankreich Neue Europäische Graphik aufgrund der Ruhrbesetzung –, dann treten technisch- logistische Probleme und Herausforderungen nahezu in Die Verantwortlichen am Bauhaus hatten mit der Editions- den Hintergrund. Hinsichtlich der Druckformen für die Holz- tätigkeit der eigenen Druckerei, insbesondere mit der und Linolschnitte wie für die Radierungen war das Ver­- Herausgabe des Mappenwerks Neue Europäische Graphik, fahren relativ einfach: Die Künstler sandten ihre Stöcke vor allem drei Ziele im Auge, die Klaus Weber so formuliert: und Platten an die Druckerei, diese wiederum schickte »Zum ersten sollte der Verkauf der Mappen dem finan­- die abgezogenen Blätter zum Signieren und Beschriften ziell von Anfang an notleidenden Institut dringend benötigte an die Urheber zurück, die sie dann erneut auf den Postweg Zusatzeinnahmen verschaffen. Tatsächlich versprachen nach Weimar brachten. Schwierigkeiten ergaben sich indes die unentgeltlich gelieferten Beiträge und die Ausführung bei den Platten, die im Verfahren der Kaltnadelradierung in den eigenen Werkstätten zu einer Zeit der Hochkonjunktur hergestellt worden waren, denn diese Metallplatten mussten für graphische Editionen einen profitablen Absatz bei für die Auflage (immerhin 110 Exemplare) verstählt werden, verhältnismäßig geringem Eigenrisiko. Zum zweiten war um eine gleichbleibend gute Druckqualität zu erzielen. die Edition zur Eigenwerbung, als Instrument offensiver In der Regel geschah dieser Prozess wohl in der Weimarer Öffentlichkeitsarbeit gedacht. […] Und endlich sollte […] Druckerei selbst.21 mit der ›Neuen Europäischen Graphik‹ demonstriert werden, ›wie die Künstlergeneration unserer Zeit an den Gedanken des Bauhauses teilnimmt und durch Hergabe 18 eigener Werke für uns Opfer bringt.‹« 18 Den Vertrieb der Mappen übernahm nach Vertrags­ Weber 1999, S. 23. unterzeichnung Ende Oktober 1921 der Verlag Müller & Co. 15 19 in Potsdam. Die Preise für die Einzelmappen waren wie Berger 1984, wie Anm. 3, S. 16. Wingler 1965, S. 21. 16 20 folgt festgelegt: Die Normalausgabe (auf »vorzüglichem Zit. nach Wingler 1965, S. 12. Vgl. ebd. deutschen Papier« in Halbpergament handgearbeitet) 17 21 kostete 2200 Mark; die Vorzugsausgabe (auf Japanpapier Kessler 2007, wie Anm. 14, S. 268. Weber 1999, S. 29.

27 Abb. 8 Auswahl von Klischees aus der Buchbinderei von Otto Dorfner, unten: Klischees zu zwei Bauhaus-Mappen

28 Geradezu unmöglich war die Versendung per Post bei Nicht zuletzt muss die Editionsreihe Neue Europäische den schweren und leicht zerbrechlichen Litho-Steinen. Graphik als zivilisatorische Tat verstanden werden, Die am Bauhaus tätigen Künstler konnten die künstlerische ein­gedenk dessen, was Jean Starobinski als schmalen Grat Bearbeitung der Steine am Ort selbst ausführen. Die zu bedenken gab: »Die verwirrende Überraschung besteht aus­wärtigen Künstler haben sich wohl des Verfahrens mit darin, zu entdecken, daß die Übergänge von der Barbarei lithografischem Umdruckpapier bedient. Die der Druckerei in die Zivilisation, von der Zivilisation in die Barbarei zugeschickten Umdruckpapiere mussten dann dort auf bei weitem nicht die den Historikern so teure lange Zeit- die Steine übertragen werden. Endgültige Klarheit besteht dauer benötigen, sondern manchmal mit einem Schritt in dieser Angelegenheit jedoch nicht. Klaus Weber zog geschehen. […] Der Gegensatz von Zivilisation und Barbarei deshalb als Fazit: »Ob […] bereits fertige Umdruckpapiere gleicht sich aus in einer fragenden Schwebehaltung. Das hat oder aber die Originalzeichnungen selbst zur weiteren nicht zur Folge, die Zivilisation zu leugnen, wohl aber zu Bearbeitung an das Bauhaus geschickt wurden, muß erkennen, daß sie von ihrer Kehrseite nicht zu trennen ist.« 28 offen bleiben.«22 Eine fotomechanische Übertragung auf die Steine war in der Druckerei am Bauhaus jedenfalls Nachnotiz (im Sinne von Ludwig Hohl): 29 nicht möglich; dafür musste eine Spezialfirma in Weimar, Stefan Zweig beendete seine Novelle Die unsichtbare die Kunstdruckerei Reineck & Klein, beauftragt werden.23 Sammlung mit der Einsicht: »Sammler sind glückliche Hans M. Wingler konstatierte dazu: »Letzte Klarheit Menschen.«30 wird in diesen Fragenkomplex nicht mehr zu bringen sein. Immerhin bleibt als entscheidendes Faktum bestehn, daß die Druckvorgänge im großen und ganzen innerhalb des Bauhauses stattgefunden haben, und daß die druck­ technischen Qualitätsunterschiede geringfügig sind. Die Mängel werden vollkommen belanglos, wenn man bedenkt, 22 welch heterogenes Material zusammengefaßt und in den Weber 1999, S. 30. 24 Mappen zur ideellen Einheit verschmolzen worden ist.« 23 Die mit dem Verkauf der Mappen angestrebte und Ebd. gewünschte finanzielle Unterstützung der Institution Bau­- 24 haus erfüllte sich – nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen­ Wingler 1965, S. 16. 25 Zeitumstände – nicht. »In finanzieller Hinsicht blieb der Weber 1999, S. 30. erhoffte Erfolg aus, da die aufwendig produzierten Mappen 26 zu Zeiten der Inflation kaum realistisch kalkulierbar, Wingler 1965, S. 13. Wingler geschweige denn mit Gewinn abzusetzen waren.«25 nennt Vergleichszahlen: Entsprach Die Edition Neue Europäische Graphik war denn auch ein 1 US Dollar im November 1921 noch 180 – 200 Papiermark, Verlustgeschäft.26 so waren es Ende November 1922 Als das Bauhaus auf politischen Druck hin seine Tätig- bereits 7 650 Mark; am 30. Juni keit in Weimar beenden musste und nach Dessau zog, 1923 betrug der Gegenwert gab eine Bestandsaufnahme vom 13. November 1925 dann 154 113 Mark, schließlich Aufschluss über noch nicht verkaufte Exemplare der Reihe Mitte November 1923 zum Höhepunkt der Inflation gar Neue Europäische Graphik. Demnach waren noch vor- 4 Billionen 200 Milliarden Mark; rätig: Mappe I: eine Vorzugsausgabe, 23 Normalausgaben; vgl. ebd. Mappe III: 40 Normalausgaben; Mappe IV: vier Vorzugs- 27 ausgaben, 57 Normalausgaben; Mappe V: vier Vorzugs­ Ebd., S. 27. ausgaben, 35 Normalausgaben. 27 28 Jean Starobinski: Das Rettende in der Gefahr. Kunstgriffe der Der Anfeindungen waren viele. Daher gilt die Hoch­- Aufklärung, Frankfurt a. M. 1992, achtung dem Idealismus, dem Durchhaltevermögen sowie S. 64. dem Mut zur Konfrontation der Einrichtung Bauhaus 29 in wirtschaftlich und politisch gefährdeter Situation. All Ludwig Hohl: Von den herein­ brechenden Rändern, Frankfurt die Wider­sprüche und Verheißungen jener Jahre finden sich a. M. 1986. in der Druckerei am Bauhaus in Weimar verinnerlicht: 30 eine staatliche Institution als Möglichkeitsraum. Zweig, wie Anm. 1, S. 22.

29 »Der europäische Geist« – Krisis einer transnationalen Avantgarde in der Grafik 1919 – 1925

Toni Hildebrandt Krisis des Geistes ein vielfältiges Bild der europäischen Avantgarde zu liefern, ohne jedoch einzelne Schulen oder Stile zu privilegieren. Von Oswald Spenglers Der Untergang des Abendlandes Mit dem neu konzipierten Projekt eines Kompendiums (1918/1922) bis zu Paul Valérys Abhandlungen Die Krise der avantgardistischen Grafik verfolgte das Bauhaus viel- des Geistes (1919) und Europäischer Geist (1922) stand mehr die Idee eines transnationalen Europas im Medium der Begriff der Krise im Zentrum der literarischen Reflexion der grafischen Künste. über Europa – sei dies im Jargon einer Verfalls- und Das Bauhaus konnte so in verschiedener Hinsicht die Schicksalsgeschichte oder beim optimistischen Plädoyer für eigenen Stärken ausspielen: Gropius agierte als »europäischer eine Revision des »Europäischen Geistes« (Abb. 1).1 Seit Kurator«, ohne namentlich im Mittelpunkt zu stehen; Hegel durchzog die geschichtsphilosophische Vorstellung das Bauhaus demonstrierte Kollektivität über die eigene von einem transversalen Geist alle Manifestationen und Werkstattpraxis und bekannte sich zur klassischen Druck- Errungen­schaften der Künste und Wissenschaften. Allein grafik und allgemein zu einem Primat des Handwerks. die Rede von der Krise ist in dieser Form neu und kenn- Darüber hinaus bot der Utopie-Entwurf selbst die wichtige zeichnend für das frühe 20. Jahrhundert. So fällt in Martin Gelegenheit, den genius loci in Weimar zu beschwören, Heideggers Hauptwerk Sein und Zeit (1923) gleich zu aber gleichsam über die Weimarer Klassik hinaus »euro­ Beginn die These, dass sich »das Niveau einer Wissenschaft« päischer« zu inszenieren. erst darin zeige, wie weit sie zu einer »Krise ihrer Grund­ »Die Idee der Kultur, der Intelligenz, des Meisterwerks«, begriffe« fähig sei.2 Noch Edmund Husserls allerletzte Vor- so Valérys Zweiter Brief (1919) in Die Krise des Geistes, träge zur Krisis der europäischen Wissenschaften, gehalten »steht für uns in einem Zusammenhang […] mit der Idee 1935 in Wien und Prag, zeugen von jener Grundüber­ Europa.«5 An diesen Zusammenhang versuchte das Bauhaus zeugung, in der Krise der Moderne zugleich ihren Neuanfang zu bestimmen.3 Während Heidegger und Husserl hierfür primär das Denken in den Blick nahmen, diagnostizierte der hellsichtige Blick von Paul Valéry (Abb. 2) die Krise 1 des europäischen Geistes früh­zeitig für die moderne Kunst, Oswald Spengler: Der Untergang bevor sie Walter Benjamin, weit pessimistischer, auf das des Abendlandes, Bd. 1: Gestalt Bild einer »letzte[n] Moment­aufnahme der europäischen und Wirklichkeit, Wien 1918; Ders.: Intelligenz«4 zuspitzen sollte. Der Untergang des Abendlandes, Bd. 2: Welthistorische Perspektiven, Der Jargon der Krise, wie er sich in den verschiedenen München 1922; Paul Valéry: Die Tonlagen durch nahezu alle Schriften, Kunstkritiken und Krise des Geistes, hrsg. von Herbert ästhetischen Entwürfe der frühen Moderne zieht, entstammt Steiner, Frankfurt a. M. 1956, den Erfahrungen einer unruhigen Zeit zwischen den Welt­- darin zwei Briefe über Die Krise kriegen. Anders als in Literatur und Philosophie konnte sich des Geistes [1919] und der Aufsatz Europäischer Geist [1922]. das kollektive Miteinander am Bauhaus indes nur mehr- 2 stimmig artikulieren. Die eine verbindliche, von allen geteilte Martin Heidegger: Sein und Zeit Konzeption des europäischen Geistes wird es nicht ge­ge­- [1927], Tübingen 2006, S. 9. ben haben, wohl aber den Wunsch nach einem gemeinsamen 3 Entwurf einer europäischen Utopie. Ein Resultat dieses Edmund Husserl: Die Krisis der euro­päischen Wissenschaften Wunsches war das Projekt der Neuen Europäischen Graphik. und die transzendentale Phänome- nologie [1935], Husserliana, Gesammelte Werke, Bd. 6, hrsg. Weimar als Zentrum des »europäischen Geistes« von Walter Biemel, Den Haag 1956. 4 Walter Benjamin: Der Sürrealismus. Im Herbst 1921 präsentierte Walter Gropius zusammen Die letzte Momentaufnahme mit Lyonel Feininger, dem damaligen Leiter der Druckgrafik­ der europäischen Intelligenz [1929], werkstatt am Bauhaus, das ambitionierte Zukunfts­­projekt. in: Ders.: Gesammelte Schriften, In Form eines achtseitigen Prospekts, in dem bereits Bd. 2.1, hrsg. von Rolf Tiedemann eine Namensliste der voraussichtlich beteiligten Künstler und Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a. M., S. 295 – 310. präsentiert wurde, gab das Staatliche Bauhaus in Weimar 5 einen ersten Vorgeschmack auf die Grafikedition. Das Valéry: Die Krise des Geistes, fünf Mappen umfassende Projekt hatte sich zum Ziel gesetzt, wie Anm. 1, S. 16.

31 Abb. 1 Abb. 2 Paul Valéry, La Crise de l’esprit (1919 /22), NRF, Juni 1919 Paul Valéry, um 1930

in anderen Worten anzuschließen: Die »Idee der Kultur« Kulturereignisse von epochaler Bedeutung gewesen: zeigte sich in der auf alle klassischen und handwerklichen Zunächst in der Zeit, als Goethe und Schiller, Anna Amalia Künste ausgedehnten Praxis in Lehre und Gestaltung (Abb. 3); und Marija Pawlowna in Weimar wirkten und es erstmals »Intelligenz« umfasste begrifflich sowohl das Handeln zu einem kulturellen Zentrum machten, als aber auch einer weltoffenen Avantgarde wie das Entwerfen einer Johann Gottfried Herder ein durchaus ambivalentes neuen Lebenswelt; aber auch an der von Valéry notierten Verhältnis zur Kultur und Sprache der Völker entwickelte.6 Funktion des »Meisterwerks« wollte das Bauhaus, trotz Der zweite, dezidiert kosmopolitische Entwurf, an die Idee der kollek­tiven Bemühungen, fraglos festhalten. Man denke eines europäischen Weimars anzuknüpfen, sollte sich hier nur an die Kategorie des »Meisters«, dessen druck­ dann in Figur und Wirken des ungarischen Komponisten grafische Werke wiederum in »Meistermappen« gesammelt Franz Liszt verkörpern, auch hier streitbar und in durch­aus wurden oder individuelle Kategorien, wie jene von Paul ambivalenter Weise.7 In dieser Tradition kann das Bau­- Klee eingeführte Werkunterscheidung in »Sonderklassen«. haus als dritter, wenn auch tragisch missglückter Versuch Dass der Zusammenhang mit der Idee Europas in der verstanden werden, Weimar zu einem kulturellen Zentrum repro­duzierbaren, gleichfalls aber an der Idee des Originals Europas zu machen. Dieser Versuch fiel bekanntlich auf und des Meisterwerks festhaltenden Druckgrafik am den Vorabend der nationalsozialistischen Diktatur und damit über­zeugendsten von allen Medien hergestellt werden konnte, in eine Zeit, wo ein freigeistiger, europäischer Gedanke wird so vielleicht nicht überraschen. Er bedarf dennoch auf heftigste Widersprüche stoßen musste. Für jene Idee, einer genaueren Erklärung. die moderne Kunst unter der künstlerischen Hegemonie Nennen wir es eine »idee fixe«: den Makrokosmos des Europas zu fassen, sollte es später keine weitere Gelegenheit europäischen Geistes im Mikrokosmos Weimar spiegeln mehr geben. Im Zuge einer zunehmenden Internatio­- oder korrespondieren zu lassen. Doch was waren die na­lisierung der Kunstszene mit einem neuen, hegemonialen historischen Sub- und Kontexte? Bekanntlich war Weimar Zentrum in New York, genauer gesagt dem Museum bereits vor dem Bauhaus zweimal Ort transnationaler of Modern Art, und nicht zuletzt der komplexen Emigrations-

32 ­bewegungen vor und während des Zweiten Weltkriegs intendiert oder nicht – zur Segmentierung der zeitgenössi- wurde der Gedanke einer europäischen Grafik, wie schen Kunst in Bewegungen beitragen. Expressionismus ihn Gropius 1921 proklamierte, späterhin nicht mehr mit (Pechstein, Schmidt-Rottluff, Heckel, Kirchner), Symbolismus derselben Emphase und Unschuld vorgetragen. (Campendonck, Macke, Marc), Futurismus (Boccioni, Prampolini), Klassizismus (de Chirico, Severini), Kubismus (Marcoussis, Survage), Karikatur/Neue Sachlichkeit (Grosz, Das transnationale Milieu am Weimarer Bauhaus Beckmann), fruher Konstruktivismus (Dexel, Larionow), Dada (Schwitters) und die traditionell figürliche Druckgrafik Ein wesentliches Charakteristikum des frühen Weimarer (Kubin, Mense): all jene mehr oder weniger bekannten Bau­hauses war sein internationales Lehrpersonal. Mit oder kunsthistorisch verankerten »Ismen« erweisen sich Lyonel Feininger, Johannes Itten, Wassily Kandinsky, Paul angesichts der individuellen Blätter doch oft als Konstrukte, Klee und László Moholy-Nagy wurden dezidiert Künstler denen ein Wunsch nach Orientierung vorausgeht. als Meister berufen, die aus dem Ausland kamen und in Kunstmetro­ polen­ wie Paris, München, Moskau oder New York über Jahre wichtige Erfahrungen gesammelt hatten. Mit den Künstlern der holländischen »De-Stijl«-Gruppe, vornehmlich in Person von , wurde zu-­ dem die direkte »Konkurrenz« aus den Niederlanden am Bauhaus durch­aus toleriert (Abb. 4).8 Noch 1922 fand der »Große Kongress der Konstruktivisten und Dadaisten« 6 in Weimar statt, auf dem europäische Utopien auf der Vgl. die grundlegende Studie Grundlage gemeinsamer Kunstbegriffe diskutiert wurden von Maurice Olender: Les langues und »De-Stijl« eine wichtige Rolle spielte (Abb. 5 u. 6 ). 9 du Paradis. Aryens et Sémites, un couple providentiel, mit einem Viele Studenten zog dieses euro­päische Milieu am und um Vorwort von Jean-Pierre Vernant, das Bauhaus an. Die Postkartenaktion­­ von 1923 als Paris 1989, in deutscher Über­ erste »Mail-Art«-Performance, die Kunstfeste, der experi- setzung unter: Die Sprachen des mentelle Theaterbetrieb oder die Ausstellungen machten Paradieses. Religion, Philologie und das Weimarer Bauhaus in kürzester­ Zeit nicht nur im deutsch­ Rassentheorie im 19. Jahrhundert, mit einem Vorwort von Jean-Pierre sprachigen Raum, sondern in Europa bekannt. Auch Vernant und einem Nachwort Komponisten der neuen Musik wie Béla Bartók, Arnold von Jean Starobinski, Frankfurt Schönberg, Igor Strawinsky oder Kurt Weill gastierten in a. M. 1995. Weimar und führten hier ihre neuesten Werke auf. Der Film 7 stand nicht im Mittelpunkt, war aber durchaus vertreten. Vgl. Hellmut Seemann (Hrsg.): Europa in Weimar. Visionen Besonders die moderne Architektur versuchte Gropius eines Kontinents (= Jahrbuch der in all ihrer Vielfalt in Weimar präsent zu halten, indem er Klassik Stiftung Weimar), beispielsweise 1923 den schweizerischen Modernisten Göttingen 2008; Detlef Altenburg zu einem Vortrag zur Stadtplanung am Bauhaus und Harriet Oelers (Hrsg.): gewinnen konnte. Transnational war das Bauhaus daher Liszt und Europa, Laaber 2008. 8 in dem präzisen Sinne, dass es sich nicht an eine Nation Auch für den Austausch mit gebunden fühlte, sondern lediglich das Podium einer staat­- den »De-Stijl«-Künstlern betonte ­lichen Institution zum Austausch nutzte. das Bauhaus die europäische Idee. So heißt es im Namen von van Doesburg in einer »Bilanz des Staatlichen Bauhauses Weimar«: Die Idee einer transnationalen Avantgarde »Van Doesburg kommt nach im Medium der Grafik Weimar und freut sich, daß die neue Gestaltung in der Malerei Neben den historischen und soziologischen Fragen zur (NEO-Plasticismus) schon einen Entstehungsgeschichte enthält die Mappenserie Neue Euro­- derartigen Einfluß auf die Kunst­- entwicklung Europas ausübt.« päische Graphik bislang ungeklärte hermeneutische 9 Probleme. Auffällig ist zunächst, wie die Mappen weniger Vgl. Ausst.-Kat. Düsseldorf/ eine Kanonisierung von Stilen und Schulen befördern, als – Halle 1992.

33 Abb. 3 Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar, 1919

34 Die Freiheit der Stile und Techniken, die Relation von Abstraktion, Figürlichkeit und Gegenständlichkeit kontras- tiert hingegen mit einem problematischen Anachronismus in der Konzeption: Von Beginn an scheint der Plan be- standen zu haben, die Mappenwerke nach den Ländern der »wichtigsten« Orte künstlerischer Produktionen und kunst­- historischer Tradition zu ordnen. »Künstler Deutschlands, Russlands, Frankreichs, Italiens«, so Gropius in einem Brief an Jawlensky, seien »die Träger des neuen Geistes«10. Klaus Weber kommentierte in seiner Studie zur Neuen Europäischen Graphik daher pointiert, dass sich Intention, Realisierung und Erscheinungsbild der Mappen in die­- ser Hinsicht quasi selbst widersprechen: »Angesichts einer durch internationalen Austausch eng verflochtenen, natio­- nale Barrieren bewußt ignorierenden Avantgarde – für die ja das Bauhaus selbst in der Zusammensetzung von Lehrern wie Schülern ein Spiegelbild bot –, erscheint eine tradi­ tionelle Aufteilung nach Nationalitäten im Grunde obsolet.«11 Die Utopie einer neuen Grafik erwies sich also gleichsam kontaminiert von der Idee eines »Alten Europas«, denn trotz aller Modernität und Experimentierfreude war das Bauhaus eine durchaus traditionsbewusste, ja traditions­ affine Hochschule, in der nicht zuletzt das Studium der »Alten Meister« zumindest bis zum Umzug nach Dessau intensiv gepflegt wurde. Aufschlussreich ist hierfür auch der metaphorische »Grundstein«12, den die früheste Konzeption der Mappen- werke noch im Titel führt. Analog zum Modell der gotischen Kathedrale wurde das »neue Europa« so an die christliche Abb. 4 Prägung seiner Vergangenheit gebunden. Auffallend viele Theo van Doesburg, Bilanz des Staatlichen Bilder der Mappenwerke arbeiten dann auch an einer Um­- Bauhauses Weimar, 1923 besetzung christologischer Motive, sei es in Form der Parodie oder Profanierung. So rufen Johannes Ittens und Georg Muches Beiträge Schlüsselbegriffe christlicher Ethik (Hand und Herz) auf. Auffallend auch der Kontrast, in dem esoterische Tendenzen neben »göttlichen Komödien«, modernen Pierrots und Akrobaten oder ernsten Versuchen zur Erneuerung christlicher Ikonografien (Carlo Mense, Die Stigmatisation des Hl. Franziskus, Abb. S. 120) stehen. Valéry hatte in dieser Unvereinbarkeit eine entscheidende Signatur der Moderne erkannt, die sich wie ein Kom-­­ men­tar unter die Positionsvielfalt der Neuen Europäischen Graphik setzen ließe: »Und in dieser Verwirrung, unter 10 Zit. nach Weber 1999, S. 22. dem Druck dieser Angst durchlebte das gebildete Europa 11 fieberhaft seine zahllosen Gedanken noch einmal: die Weber 1999, S. 25. ver­schiedenen Dogmen, Philosophien, Ideale; die dreihundert 12 Deutungen der Welt, die tausend Auffassungen des Christen­­ »Der Grundstein. Eine Sammlung tums, Dutzenden von Positivismen: das ganze Spektrum Europäischer Originalgraphik in fünf periodischen Mappenwerken des geistigen Lichts entfaltete seine unvereinbaren Farben herausgegeben vom Staatlichen und beleuchtete mit einem seltsam widerspruchsvollen­ Bauhaus/Weimar«, vgl. Weber 1999, Schein den Todeskampf der europäischen Seele. Indes die S. 23 – 24.

35 Erfinder fieberhaft in ihren Mappen […] nach Mitteln suchten, um die Stacheldrähte zu zerreißen, die Untersee­ bote zu überlisten oder den Flug der Luftschiffe zu lähmen, nahm die Seele gleichzeitig Zuflucht zu allen Zauber­ formeln, die sie nur wußte, erwog sie ernsthaft die seltsam-­ s­ten Prophezeiungen; im gesamten Register der Erinnerun- gen, der Taten von einst, der urväterlichen Riten suchte sie nach Schutz oder Wahrzeichen oder Trost.«13

Vom Scheitern einer Utopie

Mit der Einteilung in die kulturell dominierenden Länder wurde eine kunsthistorische Tradition und eine nationa­ listische Geschichtsschreibung fortgesetzt, an der den Protagonisten des Bauhauses eigentlich wenig hatte gelegen sein können. Viele Ziele der Neuen Europäischen Graphik wurden aber auch jenseits der ideellen Konzeption aus rein pragmatischen Gründen verfehlt. So wurde die Absicht, bereits frankierte Briefe an französische Künstler (Juan Gris, Marie Laurencin, André Lhote und Francis Picabia) zur Post zu geben, von der national-konservativen thü­­rin­ gischen Landesregierung durch eine Kündigung der An­- stellungsverträge der künstlerischen Lehrkräfte des Bauhauses durchkreuzt.14 Es scheint allerdings auch eine Zurück­ haltung seitens der französischen Künstler existiert zu haben. Abb. 5 Dass Picasso, Matisse und Braque auf die per­sönliche Theo van Doesburg, Chroniek-Mécano, 1922 Einladung von Gropius nicht eingingen, muss letztlich ebenso überraschen wie das Fehlen von Robert Delaunay, der doch in freundschaftlichem Kontakt zu seinem »Über- setzer« Paul Klee stand.15 Auch fällt für die Grafikmappen wie für alle anderen Aktivitäten des Bauhauses­ auf, wie eklatant unterrepräsentiert in jeder Hinsicht die Frauen weniger Nationen gebunden wurde. Die großen Vier waren. Das euphorische Urteil Hans Maria Winglers, der Neuen Europäischen Graphik waren als militärische der die Neue Europäische Graphik als »groß­artigstes druck- Mächte zwar fraglos bestimmend für die Außen- und ­graphisches Sammelwerk der ersten Nachkriegsepoche« Weltpolitik, aber konnten doch keinesfalls den Reichtum bezeichnete, lässt aus heutiger Perspektive daher durchaus europäischer Kultur erschöpfend repräsentieren. kritische Einwände und ein weit nüchterneres Urteil zu. Ein aufschlussreiches, ambivalentes Zeugnis der Zeit Neben der auffälligen Abwesenheit wichtiger europäischer ist die Neue Europäische Graphik daher nicht zuletzt Künstlerinnen betrifft dies nicht zuletzt das Fehlen der des­wegen, weil sich in ihrer Konzeption und Realisierung modernen Kunst in Ost- oder Südosteuropa, in Portugal neben den Möglichkeiten eines europäischen Utopie- oder den skandinavischen Ländern. Vieles, was hier Entwurfs auch die Grenzen eines solchen utopischen Denkens von mangelndem Bewusstsein zeugt, spiegelt sich auch in als keinesfalls von Zeit und Geschichte gelöst, sondern diesem Fall in Valérys Essays über den Europäischen Geist. als historisch bedingt begreifen lassen. Wollte man Winglers Während dort einzelne Passagen über den »ewig unbestän- emphatischen Worten eine andere Wendung geben, so digen Neger« oder den »in sich versunkenen Fakir«16 vielleicht in dem distanzierteren Urteil, dass es sich bei mehr als eindeutig den kolonialistischen Duktus dieses oft der Neuen Europäischen Graphik zweifellos um den doch so selbstreflexiven Denkers anzeigen, erstaunt aber ambitioniertesten­ druckgrafischen Versuch der ersten Nach-­ vielleicht sogar noch mehr die scheinbar unhinterfragte kriegs­­epoche handelt, dass aber die Utopie eines trans­- Selbst­verständlichkeit, mit der noch zu Anfang des 20. Jahr­ nationalen, euro­­pä­ischen Austauschs im Medium der Grafik hunderts eine europäische Idee an die Hegemonie einiger ein Wunsch blieb.

36 Abb. 6 Kongress der Konstruktivisten und Dadaisten in Weimar Wingler fühlte sich als Direktor am 25. /26. September 1922 auf der Freitreppe des Landesmuseums des Berliner Bauhaus-Archivs in Weimar (v. l. n. r.), obere Reihe: Max und Lotte Burchartz, lediglich zu einer systematischen Karl Peter Röhl, Hans Vogel, Lucia und László Moholy-Nagy, Dokumentation der Quellen Alfréd Kemény; mittlere Reihe: Alexa Röhl, El Lissitzky, zu den Mappenwerken veranlasst. Nelly und Theo van Doesburg, Bernhard Sturtzkopf; untere Reihe: Auch die schmale Publikation von Werner Graeff, Nini Smith, Harry Scheibe, Cornelis van Eesteren, Peters 1957 hat lediglich doku­ Hans Richter, Tristan Tzara, Hans Arp mentarischen Charakter und konnte zudem die Werke der zweiten Mappe noch nicht zur Kenntnis nehmen. Wichtiges Archivmaterial und Beiträge zum historischen Kontext liefert Weber 1999. 15 Delaunay sagte die Sendung einer Arbeit zu, vgl. Weber 1999, S. 27. 16 Valéry: Die Krise des Geistes, 13 wie Anm. 1, S. 19; vgl. auch Valéry: Die Krise des Geistes, die Valéry-Lektüren in: Jacques wie Anm. 1, S. 7 – 8. Derrida: Das andere Kap. Die 14 vertagte Demokratie. Zwei Essays Wingler 1965, S. 17 – 18. zu Europa, Frankfurt a. M. 1992.

37 Mappe I

Lyonel Feininger Johannes Itten Paul Klee Gerhard Marcks Georg Muche Oskar Schlemmer Lothar Schreyer Meister des Staatlichen Bauhauses in Weimar Formen. Um den Grad der Abstraktion seines von ihm selbst als »Prismaismus« bezeichneten Malstils weiter Die erste Mappe der Neuen Europäischen Graphik ver­ zu erhöhen, kam ihm der Holzschnitt mit seinen flächigen sammelt je zwei Arbeiten der Meister, die im Herbst 1921, und linearen­ Qualitäten entgegen. Der Holzschnitt eröffnete als Walter Gropius das Projekt initiierte, am Bauhaus Feininger auch Möglichkeiten, mystische und pantheistische lehrten. Wassily Kandinsky, der erst im Sommer 1922 nach Sinn­gehalte in der kristallinen Bildstruktur zu transpor­ Weimar kam, ist deshalb nicht hier, sondern in der vierten tieren. Dies wird besonders im Motiv der Kathedrale greifbar, Mappe vertreten. Die Mappe bot den Bauhaus-Meistern dem Titelblatt für das Manifest und Programm des Staat­- die Mög­lichkeit, als Gruppe vor ein breites, internationales lichen Bauhauses in Weimar aus dem Jahr 1919 (Abb. S. 13). Pub­likum zu treten und für die Idee des Bauhauses zu Auch im Holzschnitt Villa am Strand, der auf einige Zeich­- werben. Obwohl streng genommen nur Lyonel Feininger nungen am Ostseebad Heringsdorf mit der Villa Oppenheim ein leidenschaftlicher Druckgrafiker war, schlossen sich zurückgeht,4 ist ein klassisch aufgefasster Bau mit voran­ alle sieben Meister dem Anliegen an. Für Paul Klee standen gestellten Säulen in eine prismatisch gebrochene Land­- Malerei und Handzeichnung über der »reproduzierenden schaft eingewoben. Das vom Menschen errichtete Bauwerk Graphik«1, während Gerhard Marcks den Holzschnitt geht mittels der nach allen Seiten hin fluchtenden Linien erst am Bauhaus für sich entdeckte. Johannes Itten, Georg eine Synthese mit Natur und Kosmos ein. Muche, Oskar Schlemmer und Lothar Schreyer schufen jeweils nur ein schmales druckgrafisches Œuvre. Vielleicht besteht der Reiz dieser Mappe aber gerade in diesem Moment des Anfangs und dem offenen, experimentellen Umgang mit einem Medium, das für die Mehrzahl der Bauhaus-Meister noch zu entdecken war und produktiv mit den Errungenschaften auf anderen künstlerischen Gebieten wie der Zeichnung (Klee), der Plastik (Marcks) und der Bühne (Schlemmer, Schreyer) verknüpft wurde. Die Gesamtleitung des Mappenprojekts lag hier wie bei 1 allen anderen Mappen in den Händen von Feininger. Paul Klee in einem Brief Als künstlerischer Leiter der Druckerei gestaltete er außer­ an Emmy Galka Scheyer vom 5. Dezember 1934, zit. nach dem für alle Mappen der Reihe Druckvermerk, Titelblatt, Weber 1999, S. 87. Inhaltsverzeichnis und Impressum in einer expressiven 2 Versalienschrift. Feininger schuf auch den Holzstock für Der erste Holzschnitt entstand das Überzugspapier der Halbpergamentmappen (Nr. 11 – 110). 1918, vgl. Lyonel Feininger. Das Die Vorzugsausgaben (Nr. 1 – 10, darunter die im Besitz graphische Werk. Radierungen, Lithographien, Holzschnitte, des Lindenau-Museums Altenburg) waren Ganzpergament­ hrsg. von Leona E. Prasse, Berlin mappen. Die Arbeiten in dieser Vorzugsversion wurden 1972 und Björn Egging: Auf auf Japanpapier handgedruckt. Die Grafiken sind nach dem Weg zum Bauhaus-Künstler. Künstlernamen alphabetisch sortiert. Sie führen die schöp- Zu den Holzschnitten Lyonel ferische Vielfalt der künstlerischen Positionen vor Augen, Feiningers und ihrer Bedeutung als künstlerische Impulsgeber, wobei auffällt, dass rational-konstruktivistische Beiträge in: Ausst.-Kat. Quedlinburg 2013, in den Anfangsjahren des Bauhauses keineswegs über­- S. 24 – 36. wiegen, sondern Arbeiten, die der Intuition, dem Mystischen 3 oder gar der Esoterik ein weites Feld einräumen, in der Zit. nach Egging 2013, Überzahl sind. wie Anm. 2, S. 27. 4 Lyonel Feininger (1871 – 1956) schuf einen Großteil WVZ Prasse W 226. Feininger seines 320 Ar­bei­­ten umfassenden Holzschnitzwerks in den hielt sich seit 1908 wiederholt in Jahren 1918 bis 1920.2 Seine Berufung an das Bauhaus Heringsdorf auf, wo Skizzen durch Gropius im April 1919 fällt genau in jene Zeit, als er entstanden, vgl. Villa am Strande. »wie ein Rasender«3 täglich Druckstöcke schnitt. Seit er Heringsdorf, 1912, Bleistift, 16,5 × 20,1 cm, Moeller Fine Art, 1911 bei einer Ausstellungsbeteiligung in Paris den New York. Bereits 1918 entstanden Kubismus kennengelernt hatte, experimentierte Feininger Holzschnitte mit dem gleichen in seinen Ge­mälden mit geometrischen und prismatischen Motiv (WVZ Prasse W 2 u. 80).

39 Mit dem zweiten Blatt der Mappe, dem Holzschnitt wird. Der als »hortus conclusus« gekennzeichnete Ort Spaziergänger, wechselte Feininger ins Hochformat. 5 Rechts ist nach der rassistischen Lehre Ha’nishs nur jenen weißen lassen sich zwei die gesamte Höhe des Blattes ausfüllende Männern vorbehalten, die sich durch körperliche und Figuren ausmachen, die in weite Mäntel gehüllt sind geistige Übung zu höchster Erkenntnis vollenden.8 und auf den Betrachter zuschreiten. In der Bildmitte werden Als Paul Klee (1879 – 1940) im Oktober 1921 eine Vier- weitere Figuren sichtbar, darunter eine weitere Person zimmerwohnung in Weimar bezog, konnte er bereits auf mit hoch aufragendem Hut. Hinter dem Ensemble erhebt ein knappes Jahr Lehrerfahrung am Bauhaus zurückblicken. 9 sich ein Viadukt. Das Schwarz dieser Architektur ist Die Verbin­dung von analytischem Naturstudium und wie eine Schablone vor eine Stadtlandschaft aus sich gegen­- metaphysischer Bezugnahme stand im Mittelpunkt von seitig überlagernden Dächern gestellt. Im Ineinandergreifen Klees bildne­rischer Formlehre am Bauhaus. Mit dem Blatt pris­matischer Formen verharrt die Szene trotz der von Die Heilige vom innern Licht – Klees erster Farblitho­- Feininger festgelegten Größenverhältnisse in der Fläche und grafie überhaupt – wird dieser Bezug evident: Eine weib­ verbindet Mensch, Architektur und Landschaft. In Städten liche Figur steht als fleischfarbener Halbakt vor brau- oder an der Küste promenierende Figuren gehörten zum nem Grund. Auf einem starken Hals ruht ein mehrfach wiederkehrenden Repertoire Feiningers. Mit der spannungs- eckig gebrochener Kopf, der in einen Kreis eingeschrieben vollen Anordnung heller und dunkler Flächen nutzte ist, welcher als Heiligenschein gesehen werden kann. der Künstler die Möglichkeiten des Holzschnitts zum künst­- Die geschlossenen Augen deuten auf einen Akt verinner­- lerischen Ziel einer gleichwertigen Behandlung aller lichter Anschauung, Inspiration oder Vision, auf jenes Bild­elemente. »innere Licht«, das im Titel benannt wird. Die schlanke, Von dem Schweizer Maler und Kunstpädagogen leicht überdehnte Figur überwindet die Leiblichkeit Johannes Itten (1888 – 1967), der wie Feininger und Marcks zugunsten einer nach oben ausgerichteten Spiritualität, im April 1919 direkt nach der Gründung des Bauhauses wo einige Haare wie eine Flamme abstehen.10 nach Weimar berufen wurde, sind nur sehr wenige druck- Am 10. Dezember 1918 vermerkte Klee im Tagebuch grafische Arbeiten bekannt.6 Am Bauhaus entstanden die Fortsetzung seiner Lektüre von Werken E. T. A. Hoffmanns lediglich zwei Blätter, beide waren für die Bauhaus-Mappen (1776 – 1822) und anderer Bücher romantischer Dichter.11 vorgesehen. Das Spruch betitelte erste Blatt hebt sich Die Romantik zog Klee in ihren Bann, sodass er an durch die typo­grafische Gestaltung erheblich von den Arbeiten gleicher Stelle auch notierte: »Bei der Kunst ist das Sehen der anderen Künstler ab. Vor einer schematischen Herz- nicht so wesentlich wie das Sichtbarmachen.«12 Zeitgleich und Kreuzesform ist ein Spruch von Otoman Zar-Adusht entstand eine Zeichnung, die über ein Pausverfahren Ha’nish (vermutlich eigentlich Otto Hanisch, 1844 oder zur Vorlage für die FarblithografieHoffmanneske Märchen­ 1856 – 1936) zu lesen, dem Gründer der Mazdaznan-Lehre: scene wurde.13 Vor einem in zwei Druckvorgängen virtuos »Gruss und Heil den Herzen welche von dem Licht der auf­gebauten Grund aus sich überlagernden Violett- und Liebe erleuchtet­ und weder durch Hoffnungen auf einen Him­- Gelb­­tönen ist links unten eine Figur mit Zopf zu erkennen, mel noch durch Furcht vor einer Hölle irregeleitet werden«. von deren Nase eine Linie wie ein Telefonkabel gedreht Itten, der sich intensiv mit Goethe und dessen ­Farben­- zum Turm eines dreiteiligen Gebäudes läuft, zu dem auch lehre auseinandersetzte, steigerte den Sinngehalt der einzelnen eine Treppe führt. Ein Wetterhahn, Uhren, symbolhafte Worte durch Farben und Formen, etwa durch das gelbe Pflanzen und andere Dinge sind auszumachen. Ob es sich Herz hinter »Licht«, das diffuse Farbspiel hinter »Furcht« dabei – wie vermutet wurde 14 – um eine bestimmte Erzäh­ oder die roten Schwünge hinter dem kalli­grafisch mit lung Hoffmanns handelt, darf bezweifelt werden. Viel­- Bocksbeinen versehenen Wort »Hölle«. Itten fühlte sich der mehr zeigte Klee reges Interesse an den Erzählmustern zwischen Lebensreform, Mystik und Religion ausgerichteten des Schriftstellers und den wiederkehrenden Themen, etwa Mazdaznan-Bewegung eng verbunden und führte sie der Mechanisie­rung der Welt durch Uhrwerke und Auto­ am Bauhaus ein, was 1923 zu Differenzen mit Gropius und maten. Auf diese wurde er durch wiederholte Besuche zu Ittens Abschied vom Bauhaus führte.7 von Jacques Offenbachs Oper Hoffmanns Erzählungen auf- Auch das zweite Blatt Ittens, die Lithografie Haus des merksam.15 Klees Lithografie kann als kritischer Kom­ weißen Mannes, steht in Ver­bindung mit der Mazdaznan-­ mentar auf die Technisierung am Bauhaus und den Kon­ Bewegung: Ein aus zwei Würfeln zusammengesetztes struktivis­mus gelesen werden, dem der Künstler mit seinem Gebäude mit Aussparungen für Fenster und Türen, einem Œuvre Wege zu einer neuen Natürlichkeit entgegenhielt. Balkon, einem Schornstein und einem ebenerdigen Umgang Der Bildhauer Gerhard Marcks (1889 – 1981) wurde siedelte Itten auf einer Wiese an, die durch einen Zaun nach seiner Berufung an das Bauhaus im April 1919 – er und eine Reihe von Bäumen von der Außenwelt abgeschlossen übernahm die künstlerische Leitung der Keramikwerkstatt –

40 von Feininger in die Holzschnittkunst eingeführt. Die 5 körperlich for­dernde Arbeit am Holzstock entsprach Marcks’ WVZ Prasse W 113. Vorstellungen einer engen Verzahnung von Handwerk und 6 Das dreibändige, von Christoph Kunst. Die beiden Arbeiten für die Bauhaus-­Mappe zählen Wagner erarbeitete Werkverzeichnis zu seinen ersten Versuchen in diesem Metier. Schon früh zu Johannes Itten ist für 2019 an- beschäftigte sich der Künstler mit dem Motiv des Tieres – gekündigt, zur Druckgrafik vgl. Bd.3 . zunächst in Zeichnungen im Zoo, dann in der Nach­folge 7 August Gauls in der Plastik. Im vorliegenden Blatt Vgl. dazu Christoph Wagner: Zwischen Lebensreform und Eso- Die Katzen stellt Marcks zwei Katzen zueinander in Bezug: terik: Johannes Ittens Weg ans Die vordere gestreift und zufrieden eine Maus davon­ Bauhaus in Weimar, in: Das Bau- tragend, die hintere gefleckt und mit aufgesetztem Buckel haus und die Esoterik, Ausst.-Kat. einem Maikäfer hinterhersetzend und dann innehaltend, Hamm/Würzburg 2005, S. 65 – 77. um den Jagderfolg der anderen Katze neidisch zu beäugen.16 8 Vgl. Ulrich Linse: Die Mazdaznan- Die nicht näher aus­formulierte Kulisse mit Balken und Pädagogik des Bauhaus-Meisters Latten setzt Marcks zur Klärung der Tiefenräumlichkeit ein, Johannes Itten, www. bauhaus. de / sodass sich der Eindruck einstellt, die gefleckte Katze de/ bauhaus-archiv/2129_publi schneide der gestreiften gleich den Weg ab und mache ihr kationen /2132_bauhaus_vortraege , Susanne M. I. Kaufmann: Paul die Beute streitig. Auf die ineinandergelegten Schwänze zuletzt abgerufen am 29. November Klee als Druck­grafiker. Zwischen 2018. Inven­tion und Reproduktion, antwortet links unten der geschwungene Handlauf einer 9 München 2015 (Diss. 2013), zur nach oben führenden Treppe. Klee begann seine Lehrtätigkeit Farblithografie Hoffmanneske Der Holzschnitt Die Eule zeigt eine in einer Dach­­­kammer am 10. Januar 1921. Märchenscene S. 125. sitzende Frau im karierten Nachtmantel, auf die von 10 14 allen Seiten Vögel zufliegen.17 Vor ihren gekreuzten Beinen WVZ 2713 (1921,122), Vgl. Sabine Rewald: Paul Klee. vgl. auch die Bleistiftzeichnung The Berggruen Klee Collection leuchtet eine Kerze. Ihr kummervoll aufgestützter Kopf Die Heilige vom inneren Licht, in The Metropolitan Museum of Art, und die gehobenen Augen signalisieren Bereitschaft, 1921, 31,7 × 22,5 cm, WVZ 2749 New York 1988, S. 132 sieht in der Botschaft der Vögel zu lauschen. Die das ganze Blatt (1921,158), Privatsammlung. der Darstellung einen Bezug zu Hoff-­ konsti­tuierende spannungsvolle Dynamik klarer weißer 11 manns Novelle Der goldene Topf. und schwarzer Flächen wird bei den Vögeln besonders deut­- Vgl. Paul Klee. Tagebücher 15 1898 – 1918, hrsg. von Felix Klee, Klee notierte in seinen Tagebüchern lich: Einer ist vor schwarzem Grund ganz weiß, ein anderer Leipzig und Weimar 1980 mehrere Besuche dieser Oper, vor weißem Grund schwarz, die Mehrzahl aus weißen (Köln 1957), S. 354. Bereits im vgl. Tagebücher 1898 – 1918, S. 133, und schwarzen geschwungenen Formen zusammengesetzt Februar 1906 las er Hoffmanns 150 u. 165. Zu Klees Vorliebe dargestellt. Mit ausgebreiteten Flügeln schälen sie sich Phantasiestücke und Zinnober, für die Musik Offenbachs vgl. Jürgen aus den gestreiften Dachziegeln und den Dreiecksformen vgl. ebd., S. 172. Glaesemer: Paul Klee und Jacques 12 Offenbach, in: Klee und die Musik, am oberen Bildrand hervor. Ebd., S. 354. Ausst.-Kat. Schirn Kunsthalle, Für Georg Muche (1895 – 1987), dem jüngsten Lehrer 13 Frankfurt a. M. 1985/86, S. 217 – 227 am Bauhaus, bot die mit drei Pressen eingerichtete Zur Auseinandersetzung mit die- und Andrew Kagan: Paul Klee. Gra­­phi­sche Druckerei optimale Voraussetzungen, um sich sem Motiv vgl. Paul Klee: Catalogue Art / Music, Ithaca u. a. 1983, zur in einer für ihn noch gänzlich unbekannten Kunsttechnik raisonné, Bd. 2 (1913 – 1918) u. Hoffmannesken Märchenscene Bd. 3 (1919 – 1922), hrsg. von der S. 99 – 101. auszuprobieren.­ Die zu subtilen Nuancierungen befähigende Paul-Klee-Stiftung, Kunstmuseum 16 Radierung sprach dem Künstler, der in -Galerie Bern, Bern 1999/2000, die Vgl. Gerhard Marcks. Das druck­- Herwarth Waldens in Berlin auf sich aufmerksam gemacht Farblithografie unterWVZ 2714 graphische Werk, bearbeitet von hatte, besonders zu. Zunächst entstand der Zyklus Yp- (1921,123), die dazugehörige Kurt Lammek, WVZ H 27. Katzen silon (S. 144 – 156), anschließend die beiden kleinformatigen Zeichnung Hoffmanneskes Scherzo, sind ein wiederkehrendes Motiv 1918, Feder auf Papier auf Karton, in den frühen Holzschnitten von Blätter für die Bauhaus-Mappen.18 Rätselhaft schwebend 28,8 × 21,9 cm, WVZ 2029 Marcks, vgl. WVZ H 4, H 25, H 30, erscheint der im Werkverzeichnis auch als »Widder« (1918,182), Privatsammlung. Eine H 53 /54, H 62, H 74. bezeichnete Tierkopf, der in einem bewussten Gegensatz aquarellierte Fassung bewahrt 17 von geometrischen und organischen Linien und Flächen das Metropolitan Museum of Art, WVZ H 28. aufgebaut ist. Von den schraffierten Hörnern führt eine mit New York, Hoffmanneske 18 Geschichte, 1921, 31,1 × 24,1 cm, Vgl. Georg Muche. Das druck­ Widerhaken besetzte Linie nach oben und tangiert dabei WVZ 2609 (1921,18), vgl. Abb. graphische Werk, hrsg. von Peter einen über der Stirn angesiedelten Kreis, der wie ein S. 15 in diesem Katalog. Zu Klees H. Schiller, Darmstadt und Berlin »Drittes Auge« in Kontakt zu den höheren Sphären steht. druckgrafischem Werk vgl. auch 1970 (WVZ 12 u. 13).

41 Der für die Anthroposophie offene Muche mag hier »Die wenigen Jahre des Bauhauses in Weimar waren durch- auf eine Spekulation Rudolf Steiners verweisen, wonach glüht von einem Feuer der Hingabe an die Idee. […] Wir die Hörner eines Tieres als kos­mische Antennen zu vertrauten­ buchstäblich darauf, mitwirken zu dürfen am Bau ver­stehen seien.19 einer neuen Welt, im Bewußtsein einer tatsächlichen Welt­ Die Radierung Hand-Herz geht auf eine Zeichnung wende, in der, als in einer Schicksalsstunde der Geschichte, Muches aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Im Jahr 1917 – die schöpferischen Kräfte unmittelbar aus der Tiefe des so berichtet der Künstler – wurde er bei einem Granatfeuer Lebens ans Licht drängen«, erinnert sich der Künstler später.25 verschüttet. Wieder zur Besinnung kommend, ent­deckte Schreyer, der zwischen 1911 und 1921 in Hamburg zunächst er eine Standarte eines nordafrika­nischen Reiter­regiments für das Deutsche Schauspielhaus und anschließend für aus einem weit zurückliegenden Kampfgeschehen, die Kampfbühne als Dramaturg tätig gewesen war und auf der eine Hand abgebildet war. 20 Die hier hinter einem in Berlin die Sturm-Bühne leitete, entwickelte seine Druck­ beiseitege­zogenen Vorhang über einer Dünenland­schaft grafiken in enger Verbindung zu eigenen Theaterstücken. schwebende Fahne mit dunkel schraffierter Hand, zwei Die beiden handkolorierten Lithografien Farbform 6 Herzen und anderer Symbolik entzieht sich bewusst einer (Mutter) und Farbform 2 (Nacht) nehmen Bezug auf Schreyers eindeutigen Zuschreibung. expressionistisches Sturm-Bühnenspiel Kindsterben. Das kaum mehr als 20 Blätter umfassende druck­- Die Figur des ersten Blattes zeigt – schematisch verkürzt – grafische Werk Oskar Schlemmers (1888 – 1943) ist fast eine Frauenfigur in kubischem Kostüm mit symmetrischer ausschließlich am Bauhaus Weimar entstanden. 21 Wie roter und blauer Musterung. Die Arme stehen im rechten in seinen Gemälden, Plastiken, Zeichnungen und Bühnen­ Winkel vom Körper ab. Schreyer arbeitete in seinen entwürfen steht die menschliche Figur in ihrem Verhältnis Stücken mit Figurinen, die abstrakte Kostüme in leuchtenden zum Raum auch in der Druckgrafik im Mittelpunkt von Farben trugen. Das andere Blatt gibt eine abstrakte Bühnen- Schlemmers Interesse. Am Bauhaus, wo er erst die Leitung figur wieder, die ebenfalls für das Stück Kindsterben rea­- der Klasse für Wandmalerei, dann der Holz- und Stein­ lisiert werden sollte. »Der Offenbarung der verborgenen bildhauerwerkstatt und schließlich der Bauhaus-Bühne Seelenwelt inmitten der kosmischen Mächte suchte unsere übernahm,­ fasste er seine Erkenntnisse zu dieser Frage­- Bühnenwerkstatt zu dienen.«26 Nachdem um eines seiner stellung in der theore­tischen Schrift Mensch und Kunstfigur Stücke heftige Auseinandersetzungen entflammt waren, zusammen.22 ­Schlemmer forschte künstlerisch an einer ver­ließ Schreyer Weimar bereits 1923 wieder. Seine Position ganz­heitlichen Positions­bestimmung des Menschen als als Leiter der Bauhaus-Bühne übernahm Oskar Schlemmer. kosmisches Wesen in der Welt, was ihn schließlich zur Bühne und zum ­»Triadischen Ballett« führte. 23 Benjamin Rux Die LithografieFigur H 2 gibt einen gänzlich in der Fläche verharrenden Körper wieder, der an eine Gliederpuppe erinnert. Die einzelnen Körperteile scheinen mit Scharnieren 22 Vgl. dazu ausführlich Friederike miteinander verbunden zu sein. Rundungen werden Zimmermann: »Mensch und über­­betont, der rechte Winkel gibt den strengen Maßstab Kunstfigur«. Oskar Schlemmers der körperlichen Darstellung. Auch auf Schlemmers zweitem intermediale Programmatik, Blatt, Figurenplan K 1, das eine Gruppe von Figuren unter­ Freiburg 2007 (Diss. 2006). schiedlicher Größe zeigt, drängt sich durch das schema­ 23 Zu Schlemmers Kunstverständnis tische Aufschneiden der Körper der Eindruck mechanisierter vgl. Oskar Schlemmer. Visionen Puppen auf. Dieses für einen Mann der Bühne kaum 19 einer neuen Welt, hrsg. von Ina über­raschende Thema unterstreicht auf den ersten Blick Vgl. Rudolf Steiner: Geistes- Conzen, Ausst.-Kat. Staatsgalerie Schlemmers auf Naturgesetzlichkeit und Maß gerichtetes, wissenschaftliche Grundlagen zum Stuttgart, München 2014. antik inspiriertes Menschenbild, lässt im zweiten Blick Gedeihen der Landwirtschaft, 24 Dornach 1985. Über sein Verhältnis zu Gropius auf sein genreübergeifendes Schaffen aber viel weiter reichende 20 vgl. die Selbstzeugnisse von Lothar Fragen nach dem Verhältnis von Mensch und Kosmos, Vgl. Weber 1999, S. 86. Schreyer: Erinnerungen an Sturm Mechanik und Metaphysik aufscheinen. 21 und Bauhaus, München 1956, Als Lothar Schreyer (1886 – 1966) im Oktober 1921 Vgl. Oskar Schlemmer. Zeichnungen S. 124 – 130, zur Zeit am Bauhaus seine Stelle als Meister an der neu einzurichtenden Bühnen- und Graphik, Œuvre­katalog, S. 185 – 199. hrsg. von Tut Schlemmer und Dieter 25 abteilung des Bauhauses antrat, veröffentlichte Gropius Keller, Stuttgart 1965, die beiden Ebd., S. 185. gerade seinen Aufruf an die europäischen Avantgarden zur Lithografien sind unterWVZ GL 7 26 Beteiligung an der Neuen Europäischen Graphik.24 u. 8 verzeichnet. Ebd., S. 190.

42

Lyonel Feininger Villa am Strand, 1920 Holzschnitt

44 Lyonel Feininger Spaziergänger, 1918 Holzschnitt

45 Johannes Itten Spruch, 1921 Pinsel- und Federlithografie in fünf Farben, Spritztechnik, schabloniert

46 Johannes Itten Haus des weißen Mannes, 1920 / 22 Pinsel- und Kreidelithografie, gekratzt

47 Paul Klee Die Heilige vom innern Licht, 1921 Lithografie in drei Farben, Ölpause, Spritztechnik, schabloniert

48 Paul Klee Hoffmanneske Märchenscene, 1921 Lithografie in drei Farben, Ölpause, Spritztechnik, schabloniert

49 Gerhard Marcks Die Katzen, 1921 Holzschnitt

50 Gerhard Marcks Die Eule, 1921 Holzschnitt

51 Georg Muche Tierkopf, 1921 Ätzradierung

52 Georg Muche Hand-Herz, 1921 Ätzradierung

53 Oskar Schlemmer Figur H 2, 1921 Federlithografie

54 Oskar Schlemmer Figurenplan K 1, 1921 Lithografie

55 Lothar Schreyer Farbform 6 (Mutter) aus Bühnenwerk »Kindsterben«, 1921 Pinsel- und Federlithografie, handkoloriert

56 Lothar Schreyer Farbform 2 (Nacht) aus Bühnenwerk »Kindsterben«, 1921 Pinsel- und Federlithografie, handkoloriert

57 Mappe II

Othon Coubine Léopold Survage Fernand Léger Französische Künstler Marcoussis auch zu, nur Survage fällt aus diesem Erklärungs­ muster heraus. Für ihn lassen sich lediglich Teilnahmen Im Cicerone vom Juli 1922 kündigte der Kunsthistoriker an den Pariser Salons nachweisen.10 Womöglich war Erich Wiese voller Enthusiasmus und Zuversicht Grafik- die Nähe zu Metzinger und Gleizes über die »Section d’Or« sammlern an, in der fünfteiligen Mappenfolge Neue ausschlaggebend dafür, dass Survage gefragt wurde. Europäische Graphik würden zwei Mappen erscheinen, Schon im Herbst 1921 hatte Gropius aufgrund fehlen­der in denen »Künstler der romanischen und slavischen Länder«1 Einsendungen erwogen, das Konzept der zweiten Mappe Arbeiten präsentierten. Wiese merkte an, es werde nicht zu ändern.11 Aus einer romanischen und einer slawischen einfach sein, »die Blätter zusammenzubringen«, beschwor Mappe wurde eine mit französischen und eine mit italie­ aber die Einigkeit der zeitgenössischen Künstlerschaft nischen und russischen Künstlern, die 1924 erschien.12 »im Bewußtsein ihrer Sendung« und folgerte daraus, Die zweite Mappe mit französischen Künstlern blieb dagegen Bedenken im Hinblick auf die Realisierung des ambitionierten ein unveröffentlichtes Fragment.13 Projekts seien eigentlich überflüssig.2 Der Bauhaus-Direktor Walter Gropius hatte – einige Absagen einkalkulierend – 21 Künstler und Künstlerinnen der französischen Avantgarde gebeten, eine Grafik zur zweiten Mappe der Mappenfolge beizusteuern. Zu den Angefragten zählten Georges Braques, Othon Coubine (Otakar Kubín), Robert Delaunay, 8 André Derain, Roger de La Fresnaye, Henri Le Fauconnier, Unter dem Link , Juan Gris, Le Corbusier, Marie Laurencin, www. arthistoricum. net/ themen/ Fernand Léger, André Lhote, Jacques Lipchitz, Louis portale/ sturm/ ausstellungskataloge Marcoussis ( Ludwig Kasimir Ladislas Marcus), , ist eine vollständige Ausstellungs- Jean Metzinger, Amédée Ozenfant, Francis Picabia, Pablo chronik von Waldens Berliner Sturm- Galerie einsehbar, zuletzt abgerufen Picasso, Léopold Survage ( Leopold Friedrich Sturzwage) und am 13. Dezember 2018. 3 4 Tour Donas (). Mit zehn bis 14 Positionen 1 9 hätte die vollständige Mappe im Idealfall einen Überblick Erich Wiese: Der Graphiksammler. Vgl. Wingler 1965, S. 13 sowie über den Fauvismus, Kubismus, Orphismus, Purismus und Mappenwerke, in: Der Cicerone, Weber 1999, S. 27. ihre Einflüsse auf individuelle Ausprägungen geboten. Jg. 14/1922, Heft 4, S. 169. 10 2 Vgl. Leopold Survage: Gemälde, Zugesagt hatten unter anderem Delaunay, Gleizes, Ozenfant Vgl. ebd. Aquarelle (1903 – 1957). Ausstellung 5 und Le Corbusier, jedoch sandten lediglich Coubine, 3 im Kölnischen Kunstverein, Marcoussis, Survage und Léger ihre Grafiken tatsächlich ein.6 Vgl. Weber 1999, S. 26. Köln 1960. Picasso und Braque hatten vermutlich nie auf Gropius’ 4 11 Schreiben geantwortet. Was die beiden davon abhielt, Im Prospekt zu der Mappenfolge In der Meisterratssitzung vom Herbst 1921 wurde angekündigt: vom 31. Oktober 1921 kündigte einen Beitrag in Erwägung zu ziehen, ist nicht bekannt. »jede Mappe enthält 10 – 14 Ori­ginale, Gropius bereits an, es könne entgegen Allerdings ist durchaus vorstellbar, dass die vorhersehbare Holzschnitte, Radierungen, Stein­- der Konzeption dazu kommen, Zusammenschau einiger kubistischer Positionen ihnen drucke.« Ein Auszug aus dem dass eine Mappe vorgezogen werde, nicht behagte, da sie die Entwicklung des Kubismus und Prospekt findet sich bei Wingler sodass »z. B. Mappe 4 vor Mappe 2 die Vorstellungen einiger Kubisten kritisch sahen.7 Die 1965, S. 20 – 21. erscheinen würde.« Die Um- 5 sortierung von der romanischen und Ausstellungschronik von Herwarth Waldens Sturm-Galerie Vgl. ebd., S. 17 u. 24. slawischen zur französischen und zeigt jedoch, dass sich beide Künstler einer Gegenüber­ 6 italienisch-russischen Mappe stellung mit internationalen Positionen nicht verweigerten. In der Publikation von Wingler sprach Gropius zu diesem Zeitpunkt Braque wurde zwischen 1912 und 1924 sechsmal gemein- war das Blatt von Coubine noch nicht allerdings nicht an, vgl. Wahl sam mit anderen Künstlern gezeigt, während Picasso identifiziert, daher blieb die für 2001, S. 146. die Abbildung gedachte Seite leer, 12 insgesamt viermal in den Jahren 1912 und 1917 an Gruppen­ nur die Angaben zum Künstler Vgl. hierzu den Beitrag von Laura 8 ausstellungen in Waldens Galerie teilnahm. Mit dem und zum Werk standen bereits fest, Rosengarten in diesem Katalog, berühmten »Ersten Deutschen Herbstsalon« war die Sturm- vgl. ebd., Tafel 20. S. 89 – 92. Galerie zu einem wichtigen Zentrum der internationalen 7 13 Avantgarden avanciert. Hans Maria Wingler hat bereits : Vom Geheimnis in Vermutlich konnten die vier Blätter der Kunst. Gesammelte Schriften einmalig im Bauhaus-Archiv Berlin darauf hingewiesen, dass die Künstler der Mappenfolge und von Dora Vallier aufgezeichnete mit der entsprechenden Mappe zum Großteil in den 1910 er Jahren bei Walden ausgestellt Erinnerungen und Gespräche, zusammengeführt werden, vgl. hatten. 9 Diese Annahme trifft auf Léger, Coubine und Zürich 1958, S. 26. Weber 1999, S. 27.

59 Mit der Entscheidung, eine französische sowie eine misch und auf eine Art und Weise nuanciert wirken, die italienisch-russische Mappe zu veröffentlichen, schien unter­schiedliche Stofflichkeiten erkennen lässt. Die Reduk­­ das Mappenwerk nun die internationale Kunstszene nicht tion auf einige wenige gebogene Linien verleiht dem klassi- mehr in Sprachfamilien, sondern in Nationen zu unterteilen. schen Bildnis zudem eine modernistische Komponente. Allerdings wird beim Abgleich der Künstler und ihrer Louis Marcoussis’ (1878 – 1941) Weiblicher Kopf von 1912 Zugehörigkeit zu den einzelnen Mappen die Schwäche der hält und hält nicht, was der Titel verspricht. Zwar sieht Neuordnung deutlich. Denn die vier Vertreter der franzö­ der Betrachter einen bildfüllenden weiblichen Kopf vor sich, sischen Mappe lebten zwar in Frankreich, waren jedoch allerdings ergeben sich bei genauerer Betrachtung Brüche zum Teil polnischer, tschechischer und finnisch-russischer und Fehlstellen in der Darstellung. Die Radierung besteht Herkunft. Demnach bestimmte offenbar die Verkehrssprache aus Linien, Kreissegmenten und Schraffuren, die so kom­bi- der Akteure den Titel der zweiten Mappe. Bei der vierten niert und komponiert sind, dass sich der optische Eindruck Mappe war hingegen die Muttersprache maßgeblich, denn eines Gesichts einstellt. Im Detail stellt das Bild also weniger alle »russischen« Künstler lebten im Ausland.14 Diese die Rückbindung an den Gegenstand als seine Gemacht­- Unzulänglichkeiten mussten letztlich in Kauf genommen heit und Zweidimensionalität zur Schau. Eine doppelte Aus- werden, damit der Anspruch eines europäischen Projekts nahme stellen die Augen, denn während das linke im Vergleich nicht scheiterte. zum restlichen Bild geradezu sachlich und plastisch Anfang September 1924 unternahm Gropius einen wirkt, lässt sich das rechte gar nicht finden. Entlang einer weiteren Versuch, die noch für die zweite Mappe ausstehenden senkrechten Linie ist der Kopf in zwei gleichgroße­ Hälften Künstler für das Vorhaben zu gewinnen. Allerdings kam unterteilt. Verdeckt der Betrachter die rechte Seite, er nur noch dazu, ein Schreiben aufzusetzen, da die bürger- hat er den optischen Eindruck eines intakten, leicht kubis­- lich-völkische thüringische Landesregierung allen Bauhaus-­ tisch verfremdeten Gesichts. Wird jedoch die linke Seite Meistern am 18. September kündigte.15 Gropius blieben verdeckt, muss er sich Stück für Stück erschließen, dass es nunmehr keine personellen Kapazitäten, das Projekt weiter sich um die Darstellung eines Kopfes handelt – ganz zu verfolgen. Daher wurde die zweite Mappe Ende des Jahres abgesehen von einer nunmehr verstellten geschlechtlichen 1924 aufgegeben. Zuordnung. Mit der Gegenüberstellung zweier ungleicher Neben diesen Verweisen auf Ungereimtheiten und Gesichtshälften gelang Marcoussis ein Lehrstück des Ungewissheiten, die im Hinblick auf die französische Mappe analytischen Kubismus, indem er zeigte, wo die Grenze der nach wie vor bestehen, sollen die vorhandenen Ein­ Verfremdungsmöglichkeit verläuft. La Belle Martiniquaise, sendungen der zweiten Mappe jedoch nicht aus dem Blick »Die schöne Frau aus Martinique« – wie der Titelzusatz geraten, sondern vielmehr einer genauen Betrachtung lautet – ist also nur auf der linken Bildhälfte angelegt und unterzogen werden. bestimmt durch charakteristische Gesichtszüge den Gesamt­ Othon Coubines (1883 – 1969) Weibliche Halbfigur eindruck des Antlitzes. Die rechte Gesichtshälfte wirkt von 1923 zeigt eine weibliche Halbfigur, die ihren rechten eher wie eine Studie, die zwischen Porträt, Verfremdung Arm angewinkelt und über den Bauch gelegt hat. Das wellige, und Deformation changiert. Die Strukturierung des Bild­­- Stirn und Schläfen umschmeichelnde Haar ist mithilfe gegenstands durch auf geometrische Grundformen einer Schleife zum Zopf zusammengebunden. Die schweren zurückgehende Verhältnisse von Licht und Schatten ermög-­ Lider, die elegante Nase, der volle Mund und das sanfte licht eine gleichzeitige Darstellung von Ungleichzeitigem. Oval des Gesichts verleihen dem Antlitz eine überzeitliche Der Betrachter kann zum einen eine abstrakte Komposition Schönheit. Gekleidet ist die Figur in eine helle Bluse mit erkennen, die sowohl im Detail als auch im Ganzen ein rundem Halsausschnitt und kurzen Ärmeln. Der Faltenwurf ausgewogenes und dynamisches Zusammenspiel aus Gegen­ an den Schultern, an Brust und Bauch deutet auf einen sätzen wie hell und dunkel, rund und gerade sowie Fläche leichten Stoff und einen luftigen Schnitt hin. Um den Hals und Raum ergibt. Zum anderen wird durch die Rück-­ trägt die Figur eine dezente Perlenkette. Coubine stellte bindung an den konkreten Gegenstand – hier das Gesicht – mit diesem Blatt seine Hochachtung gegenüber tradierten erfahr­bar, wie das menschliche Auge darauf fixiert ist, aus Darstellungsweisen und Formverhältnissen unter Beweis. einzelnen Elementen ein Ganzes zu formulieren. Die Leer- In dieser Arbeit steht nicht die Reflexion des Mediums stelle des rechten Auges bedeutet zwar einen massiven oder die Sezierung einzelner Bildelemente im Vordergrund, Eingriff in die gängige Grundstruktur des Gesichts, jedoch sondern die Zeichnung als prima idea und Grundlage sorgt das Verbliebene dafür, dass die Optik die Bildelemente des Bildes. Dabei handelt es sich nicht um eine Zeichnung, zu einer allgemeinbekannten Struktur zusammenfügt – dass sondern um eine Kaltnadelradierung, wobei die wenigen, sie also gewissermaßen die Fehlstelle nach dem Vorbild des mit spitzer Nadel nebeneinander gesetzten Striche dyna- linken Auges füllt und so den Gesamteindruck harmonisiert.

60 In Léopold Survages (1879 – 1968) Komposition aus das Bildgeschehen der Lithografie in einen unbestimmten Baum- und Häuserformen lassen sich die einzelnen Bild­ Sinnzusammen­hang. Benennbar bleibt die Art und Weise elemente nicht ohne Weiteres zu einem Ganzen verbinden. der Darstellung, an der sich ablesen lässt, wie sich Der Holzschnitt setzt sich aus keilförmigen Bildfeldern vor Léger vom Kubismus kommend auf der Suche nach einer einem hochrechteckigen roten Untergrund zusammen. adäquaten, der Mechanisierung des frühen 20. Jahrhunderts Auf den einzelnen Keilen, die in der Bildmitte aufeinander- ent­sprechenden Bildsprache befand. In Paul Westheims treffen, sind Teile eines Baumes, eine Häuserschlucht, Künstler­bekenntnissen berichtete Léger, dass er schon 1912 ein Fenster mit Vorhängen sowie eine kleine Stadtlandschaft eine prägende Ent­deckung machte, als er noch angestellt aus Häusern, Baumwipfeln und bewölktem Himmel war, die Bilder im Pariser Herbstsalon zu hängen. Als er zu sehen. Das Bild wirkt, als seien Fragmente aus anderen einen Blick in den benachbarten Saal warf, in dem gerade Zusammenhängen neu angeordnet und aneinandergefügt eine Flugzeug­ausstellung aufgebaut wurde, entdeckte worden. Die Nachbarschaft roter und farbloser Flächen er die Schönheit der maschinell gefertigten, auf geometrische und die sich dadurch ergebenden scharfen Kanten verleihen Grundformen zurückgehenden Präzision.18 Außer für die der Darstellung eine Art plastischer Qualität. Die Fehlstelle Maschine hegte Léger eine Vorliebe für das Handwerk und am rechten Bildrand verstärkt diesen optischen Eindruck, plädierte für »eine enge Verbindung zwischen dem wahren ganz so, als ob auf der unteren Bildhälfte ein Tetraeder­ liege. Künstler und dem Handwerker«19. Diese Haltung prä­ Das rote segelförmige Trapez, auf dem Baumfragmente destinierte ihn dazu, das Weimarer Bauhaus bei dem ambi­- zu sehen sind, durchbricht jedoch die vermeintliche­ Plastizität tionierten Mappenwerk Neue Europäische Graphik und wirft das Auge zurück auf die Fläche. mit einer Arbeit zu unterstützen. Die Beiträge von Delaunay, Fernand Légers (1881 – 1955) Lithografie Le déjeuner 16 Gleizes, Le Corbusier, Ozenfant und einigen mehr blei­- (»Das Mittagessen«) von 1921 zeigt eine Komposition, ben dagegen Leerstellen. Aber was sich an der Fragment die wie bei Marcoussis aus Kreissegmenten, Linien und ge­bliebenen­ Mappe insgesamt nachvollziehen lässt, ist ­Schraffuren besteht. Stück für Stück lassen sich die Binnen­- einerseits, wie sehr die französische Avantgarde mit ihrem strukturen aus Kreissegmenten einzelnen Figuren zuordnen Zentrum Paris in den 1910 er und frühen 1920 er Jahren und die Linien einem Bildraum. Bevölkert wird die Dar­ vom Kubismus dominiert wurde und andererseits, welch stellung von drei Figuren, von denen zwei aus dem Bild hohe Ambitionen mit dem Konzept der Mappenfolge hinaus schauen und die dritte ihren Kopf gesenkt hält. verbunden waren. Der Titel erlaubt eine genauere Einordnung der Szene. Im Zentrum des Bildes steht ein Tisch, auf dem neben einer Laura Rosengarten Wasserkaraffe weitere Gegenstände zu erkennen sind. Dahinter steht eine Couch oder eine Bank. Die Rückwand des Zimmers ist mithilfe von Schraffuren angedeutet. Den Untergrund bildet ein schachbrettartig gemusterter Boden. In diesem Raum nimmt die rechts sitzende Person 17 aus einer kleinen Schale Tee zu sich und wirkt, als sei sie Léger beschäftigte sich 1921 in eine Lektüre vertieft. Die Liegende hat ihren Kopf intensiv mit der Komposition von aufgestützt. Hinter ihr steht eine bedeutend kleinere Figur. Le déjeuner sowie mit einzelnen Löst sich der Blick vom Detail, so wird deutlich, dass Bildelementen, vgl. Fernand Léger. Catalogue raisonné de l’œuvre die einzelnen Elemente des Bildraums so komponiert peint 1920 – 1924, erarbeitet und so ineinander verwoben sind, dass sie funktionalisiert von Georges Bauquier und Nelly und aufeinander abgestimmt wirken wie der Antrieb Maillard, Paris 1992, S. 170 – 203. einer Maschine. Sobald der Schalter umgelegt ist, läuft der 18 Mechanismus des Apparats ab, ähnlich wie die täglichen 14 Vgl. Fernand Léger 1911 – 1924. Weber 1999, S. 25 hat bereits Der Rhythmus des modernen Abläufe und Tätigkeiten ineinandergreifen und aufeinander­ auf die mitunter willkürlich anmu- Lebens, Ausst.-Kat. Kunstmuseum folgen, sobald der Wecker klingelt. In demselben Jahr tende Zuteilung der Künstler zu Wolfsburg /Kunstmuseum Basel, schuf Léger drei Gemälde mit den Titeln Le Grand déjeuner den einzelnen Mappen hingewiesen. hrsg. von Dorothy Kosinski, und Le Petit déjeuner, die auf einer beinahe deckungs-­ 15 München /New York 1994, S. 66. gleichen Komposition beruhen.17 Doch die Malereien legen Vgl. ebd., S. 27. 19 16 Fernand Léger: Ästhetik der eine ganz andere Deutung nahe. Auf den Werken ist kein Vgl. Lawrence Saphire: Fernand Maschine, in: Paul Westheim: Alltag dargestellt, sondern eine Szene mit drei weiblichen Léger. The complete graphic work, Künstlerbekenntnisse, Berlin 1925, Akten (Abb. S. 16). Vor diesem Hintergrund rückt auch New York 1978, S. 40 – 41. S. 334.

61

Othon Coubine Weibliche Halbfigur, um 1923 Kaltnadelradierung

64 Louis Marcoussis Weiblicher Kopf (La Belle Martiniquaise), 1912 Kaltnadelradierung

65 Léopold Survage Komposition aus Baum- und Häuserformen, um 1923 Farbholzschnitt

66 Fernand Léger Le déjeuner, 1921 Lithografie

67 Mappe III

Rudolf Bauer Willi Baumeister Walter Dexel Oskar Fischer Jacoba van Heemskerck Bernhard Hoetger Johannes Molzahn Arnold Topp William Wauer Deutsche Künstler Der Holzschnitt Heinrich Campendonks (1889 – 1957) zeigt einen weiblichen Akt vor einem Bauernhaus auf Da die Produktion der zweiten Mappe kaum voran­- einer Wiese.7 Rechts ist ein Rind, links die perspektivisch schritt, entschloss man sich am Bauhaus dazu, die Heraus- deut­lich kleiner dargestellte Figur des Bauern zu erken- gabe der dritten Mappe vorzuziehen. Sie erschien 1922 ­nen. Eine schwere schwarze Sonne senkt sich über die abend-­ mit den planmäßig für sie vorgesehenen 14 Blät­tern liche Szenerie. Der helle, von einer breiten Linie streng vornehmlich deutscher Künstler.1 Bei Heinrich Campen- konturierte Akt steht im markanten Gegensatz zu den dunk- donk, August Macke und Franz Marc handelt es sich len Flächen und Figuren, die ihn umgeben. Der Ein­druck um Schlüssel­figuren des deutschen Expressionismus. Die einer Idylle will sich trotz des bäuerlichen Ambientes Arbeiten von Macke und Marc wurden aus dem Nachlass durch die Ambivalenz des Schwarz-Weiß und die rätselhafte in die Mappe aufgenommen. Die meisten Künstler Symbolik der Akteure nicht einstellen. Campendonk war der dritten Mappe lernten sich im Umfeld von Herwarth Mitglied der Künstlergruppe »Der Blaue Reiter«, beteiligte Waldens Sturm-Galerie kennen und galten als Vorreiter sich 1913 am »Ersten Deutschen Herbst­salon« in Berlin einer »neuen Kunst«. Waldens Galerie war seit dem »Ersten und prägte den Rheinischen Expressionismus. Deutschen Herbstsalon« von 1913 eine der wichtigsten Plattformen nicht nur der deutschen, sondern der euro­ päischen Avantgarde, denn auch Künstler aus Frankreich,­ Italien, Russland und anderen Nationen stellten hier aus.2 Das Ausstellungsprogramm der Sturm-Galerie, aber auch die regelmäßig in der revolutionären Zeitschrift Der Sturm auftretenden Künstler boten Gropius den ge- eigneten Orientierungsrahmen für die Auswahl der Künstler der Bauhaus-Mappen. Zudem stellten alle Meister des Bauhauses regelmäßig bei Walden aus. Mit Georg Muche, der zuvor an Waldens Kunstschule lehrte, und Lothar Schreyer, dem Leiter der Sturmbühne, kamen zwei Künstler aus dem engsten Kreis des Sturm nach Weimar. 3 3 Rudolf Bauer (1889 – 1953) gehörte zum Kreis jener Vgl. auch Weber 1999, S. 27. 4 Künstler, die mit Waldens Sturm-Galerie in Berlin groß ge- Vgl. Rudolf Bauer 1889 – 1953, 4 worden sind. Schon 1917 präsentierte Walden in einer Ausst.-Kat. Museum Moderner Einzelausstellung über 100 Werke des Künstlers, die Kunst Wien und Staatliche Kunst-­ eine enge Auseinandersetzung mit Kandinsky und der kon-­ halle Berlin, hrsg. von Susanne struktiven Seite des Expressionismus verraten. Bauer Neuburger, Wien 1985. 5 zeich­nete auch für die Zeitschrift Der Sturm und lehrte Zu Baumeister als Druckgrafiker an Waldens Kunstschule. Mit seiner LithografieBantama und Zeichner vgl. Willi Baumeister. schuf Bauer ein Gewebe aus Linien und Schraf­furen, Der Zeichner, Ausst.- Kat. die auf dem Papier dynamische Kräfte entfalten. Von einem Kupfer­stichkabinett Berlin, hrsg. Kraft­­zentrum in der unteren Bildmitte schießen­ die Formen von Andreas Schalhorn, Köln 2017. 6 wie nach einer Explosion auseinander. Willi Baumeister: Das graphische Der in Stuttgart geborene Willi Baumeister (1889 – 1955) 1 Werk, hrsg. von Heinz Spielmann, erhielt seine künstlerische Prägung unter anderem auf Eine Ausnahme bildet die Hamburg 1972 (WVZ 75). mehreren Reisen nach Paris. 5 Als er im Jahr 1914 gemein- nieder­ländische Künstlerin Jacoba 7 sam mit Schlemmer in der französischen Hauptstadt war, van Heemskerck. Vgl. Heinrich Campendonk: 2 Das Graphische Werk, hrsg. von stu­­­dierte er die Bildwelten Paul Cézannes und der Kubisten, Zur Transnationalität des Sturm- Mathias T. Engels, neu bearbeitet die sein Werk bis in die späten 1920 er Jahre beeinflussen Kreises vgl. Anita Beloubek-Hammer: von Gerhart Söhn, Düsseldorf sollten. Die LithografieVisieren ( Sitzende Figur) bezieht – Der Sturm – Schauplatz der 1996, S. 70 (WVZ 51). Campendonk ähnlich wie in den Lithografien Schlemmers der ersten Mappe europäischen Avant­garde im zeit­- offenbart mit den immer wieder­ – geo­metrische Formen in die Konstruktion eines mensch­ genössischen Umfeld, zum 100. kehrenden Tiermotiven in seinen Jubi­läum der von Herwarth Walden Holz­schnitten eine Nähe zu Franz lichen Körpers ein, der dadurch maschinen­hafte Züge gegründeten Berliner Kunstgalerie, Marc. Unser Holzschnitt hat mit 6 annimmt. in: Jahrbuch der Berliner Museen 54 WVZ 37 (Weiblicher Akt mit Ziege (2012), S. 103 – 127. vor einem Haus) einen Vorläufer.

69 Der als Künstler, Designer und Kunsthistoriker wirkende Bernhard Hoetger (1874 – 1949) gehörte mit Paula Walter Dexel (1890 – 1973) entwickelte seinen Holzschnitt Modersohn-Becker, die er 1906 im Pariser Atelier von Auguste Abstrakte Komposition (Sternenbrücke) in Jena, einem Rodin kennenlernte, zum Kreis der Worpsweder Künstler. der wichtigsten Zentren der Kunst der 1920 er Jahre.8 Dexel, Bekannt wurde vor allem sein bildhauerisches Œuvre, der in München geboren wurde und nach dem Ersten das seine Gemälde und Grafiken in den Schatten stellt. Weltkrieg das Ausstellungs- und Sammlungsprogramm des Aus seiner LithografieFigürliche Komposition schälen sich Jenaer Kunstvereins prägte, war häufiger Gast im nahen nach längerer Betrachtung im dunklen Schleier des Voll- Weimar, wo er sich im Umfeld des Bauhauses aufhielt, sich monds einige menschliche Körper heraus. Die im Gegensatz aber auch mit Theo van Doesburg anfreundete, der dort zum Holzschnitt stärker ausgeprägten zeichne­rischen in zunehmender Konkurrenz zu Gropius im Geiste von Eigenschaften der Lithografie gaben Hoetger die Mög- »De Stijl« Kurse anbot und Dexel zu abstrakt-konstrukti- ­lich­keit zur Nuancierung des schwarzen, atmosphärisch vistischen Kompositionen anregte. Dexel fügte in seiner greifbaren Schleiers und zur Verrätselung der Szene.12 Arbeit für die Bauhaus-Mappe, die bereits 1919 in einer Die beiden Druckgrafiken von August Macke (1887 – Auflage von 25 Exemplaren entstanden war, mehrere Flächen 1914) und Franz Marc bilden innerhalb der Neuen Euro­ wie gebrochene Glasscheiben zusammen. 9 Im Juli 1922 päischen Graphik einen Sonderfall. Nachdem die Künstler fand im Landesmuseum Weimar eine Einzelausstellung mit im Ersten Weltkrieg gefallen waren, wurden zwei in Werken Dexels statt. der Zeit vor dem Krieg entstandene, aber bis dahin noch Die LithografieReitendes Paar von Oskar Fischer unveröffentlichte Arbeiten posthum von Gropius in (1892 – 1955) zeigt eine mustergültige Abstraktion vom die dritte Mappe aufgenommen. Aus dem Jahr 1912 datiert Gegenstand aus. Die Komposition gibt zunächst zwei der Linolschnitt Begrüßung von Macke, der in einem berittene Pferde preis, die in einer tänzerischen Bewegung amorphen schwarz umrissenen Feld drei weibliche Akte aufeinander bezogen sind. Fischer reduzierte das Gesehene freigibt, die von erhöhter Position aus einem reitenden so weit, dass wesentliche Elemente von Ross und Reiter Jüngling in der Ferne nachschauen.13 Ein Baum trennt in konstruierten Formen sichtbar bleiben. Die Tierleiber die Frauen von dem Reiter und verleiht ihnen eine eigene, erscheinen als gepunktete Flächen, der Schwanz als An- weltenthobene Sphäre, sodass sich rasch die aus der grie- sammlung paralleler Linien, der Oberkörper des vorderen chischen Mythologie bekannten Drei Grazien oder die Reiters offenbart sein Skelett. Die so fortschreitende bild­- drei Göttinnen aus dem Urteil des Paris in Erinnerung liche Reduktion führte nicht nur zur Eliminierung gewisser bringen – im letzten Falle würde es sich bei dem Jüngling Partien, sondern auch zur Verschmelzung von Mensch also um Paris handeln, der Aphrodite zur Schönsten kürt. und Tier zum Zentauren. Fischer, der zunächst in Karlsruhe Vom jähen Bruch innerhalb einer Künstlerbiografie – die Avantgarde prägte und in den frühen 1920 er Jahren oder von der Vertreibung aus dem Paradies – kündet im Umfeld der Sturm-Galerie in Berlin wirkte, war Mit- der Holzschnitt von Franz Marc (1880 – 1916). Es handelt glied der Kommunistischen Partei Deutschlands und fertigte sich bei der Arbeit um den letzten Holzstock, den Marc in den 1920 er Jahren für verschiedene links­­gerichtete be­arbeitete, bevor er, erfüllt von nationaler Begeisterung, Gruppierungen Gebrauchsgrafik. an die Front zog, von der er nicht wieder zurückkehrte. Unter den 49 an der Mappenedition Neue Euro­pä­ische Der ursprünglich als Bibelillustration vorgesehene Holz­- Graphik Beteiligten finden sich nur zwei Künst­­lerinnen.10 schnitt Schöpfungsgeschichte 1 zeigt die Genesis als Eine davon ist die Niederländerin Jacoba van Heems­- wirbelnd bewegtes Chaos.14 Mit organischen Schwüngen kerck (1876 – 1923). Als expressionistische Künstlerin grub Marc die Pflanzen und Tiere – darunter ein Vogel mit engen Verbindungen zum Sturm-Kreis wurde sie unter und ein Affe – gleichsam aus dem Holz heraus. Dabei über­- die deutschen Künstler der dritten Mappe auf­genommen. trug der Künstler hier das in seinen farbkräftigen Gemäl­- Inspiriert von , Wassily Kandinsky und der den entwickelte Prinzip sich überlagernder Farbflächen Anthroposophie Rudolf Steiners entwickelte Heemskerck in das Schwarz-Weiß des Holzschnitts. eine von der Abstraktion bestimmte Bildsprache. Das »Dieser Maler gehört zu den konsequentesten, geschlos- Querformat ihres Linolschnitts Komposition durch­fließen sensten und zugleich lebendigsten Persönlichkeiten unserer kräftige, organische Linien. Einen festen Blickfang gibt Generation.«15 Aus der Perspektive der frühen 1920 er es nicht, jede Fläche des Bildes scheint in ständigem Wandel Jahre verwundert dieses Urteil über den heute in Vergessen- begriffen zu sein. Figürliches verliert, Abstraktes gewinnt heit geratenen Johannes Molzahn (1892 – 1965) keines­- Form. Räumlichkeit scheint auf, wird aber durch die wegs. Gropius lernte den Künstler im Berliner »Arbeitsrat nächste Fläche wieder gebrochen.11 für Kunst« kennen und band ihn für einige Zeit an Weimar, ohne dass Molzahn dem Bauhaus angehörte. Im Sommer

70 1922 wurde am Landesmuseum Weimar Molzahns Werk ausführlich präsentiert. Der Holzschnitt Komposition zeigt wie die meisten Blätter der dritten Mappe ein expressio­ nistisches Arrangement abstrakter Formen, die auf ver­ schiedenen Ebenen plastisch übereinander zu schweben schei­­nen. Im Vokabular des Sturm-Kreises, zu dem sich Molzahn zählte, waren die konstruktiv zueinander in Bezug gesetz­­ten ungegenständlichen Formen mit der Idee des »neuen Menschen«­ und einer neuen Gesellschaft verbunden. Das Herz schlägt dem Herrn, der in wenigen Strichen im Profil dargestellt ist, bis zum Halse.16 An seiner Nase 12 klebt ein Ball. Ein Fenster durchlüftet seinen Hinter­- Bernhard Hoetger. Sein male­­- kopf, während eine Leiter über seinem verrutschten Auge r­­­isches und graphisches Œevre, hrsg. von Margarete Wempe, den Gedanken einen Notausgang bietet. Mit skurrilen Konstanz 2000. Einen umfassenden Bildern wie der LithografieKomposition mit Kopf im Profil Einstieg in Hoetgers Werk bietet stellte der in Hannover geborene Kurt Schwitters (1887 – Bernhard Hoetger. Skulptur, 1948) ästhetische Vorstellungen infrage. Das Blatt fällt Malerei, Design, Architektur, Ausst.- in ­Schwitters fruchtbare Phase dadaistischer Experimente Kat. Kunstsammlungen , Von der Heydt-Museum Wuppertal, in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, die in der Georg Kolbe Museum Berlin, Ent­wicklung von Merz mündete, einer dem Dadaismus Institut Mathildenhöhe Darmstadt, vergleichbaren Idee einer Neuschöpfung der Kunst aus hrsg. von Maria Anczykowski, dem Geiste der Nichtkunst. 8 Bremen 1998. Die dritte Mappe schließt mit drei Arbeiten deutscher Zum vielseitigen Werk des Künst­- 13 lers vgl. Walter Dexel, Ausst.-Kat. Der Linolschnitt erschien bereits Künstler, deren Namen heute nicht mehr zum Who’s who Städtisches Museum Braun­- in: Der Sturm, 3. Jg. (1912), der Klassischen Moderne zählen. Für Fritz Stuckenberg schweig, hrsg. von Cecilie Hollberg, S. 217. Zwei Zeichnungen Mackes (1881 – 1944) bedeutete die Beteiligung an der Neuen Dresden 2014 und den grundlegen- im Skizzenbuch Nr. 44 von 1912 Euro­päischen Graphik ein halbes Heimspiel, war er doch den Aufsatz von Werner Hofmann: bereiteten das Motiv der drei Akte von 1903 bis 1905 an der Kunstgewerbeschule in Weimar Der Maler Walter Dexel, in: Walter vor und fanden 1913 seiten­- Dexel. Werkverzeichnis, hrsg. vertauscht Eingang in ein Gemälde, eingeschrieben, bevor er nach München und Paris ging. von Ruth Wöbkemeier, Heidelberg vgl. August Macke. Gemälde. Angeregt von Fauvismus und Kubismus entwickelte Stucken­- 1995, S. 95 – 104. Werk­verzeichnis, hrsg. von Ursula berg dort seine expressive Handschrift. In der Lithografie 9 Heiderich, Ost­fildern 2008, S. 454– Straße mit Häusern verwandelte er Gebäude, Zäune, Vgl. Walter Dexel. Werkverzeichnis 455, WVZ 457. Straßen und Stromleitungen zu einer aus geraden der Druckgrafik 1915 bis 1973. 14 Holzschnitte, Lithografie, Vgl. Franz Marc. Katalog und ge­schwungenen Linien, die an manchen Stellen an Seri­­graphien, Multiples, hrsg. von der Werke, hrsg. von Klaus Lankheit, ein Noten­system erinnern. Der Klang einer ruhelosen Stadt Walter Vitt, Köln 1998, S. 24 – 25 Köln 1970 (WVZ 842). Drei weitere wird im Geflecht breiter bis filigraner Linien eingefangen. (WVZ 10). Holzschnitte waren gleichfalls Stucken­berg zog 1912 wie so viele Künstler seiner Gene- 10 für die Bibelillustration vorgesehen: ration nach Berlin, wo er von Herwarth Walden entdeckt Dieser Umstand entspricht Geburt der Pferde (WVZ 840), keineswegs dem realen Verhältnis Geburt der Wölfe (WVZ 841) und und in der Sturm-Galerie ausgestellt wurde. Ab 1919 von männlichen zu weiblichen Schöpfungs­geschichte II (WVZ 843). engagierte er sich im »Arbeitsrat für Kunst«, wo er Gropius Kunstschaffenden Anfang der 1920 er 15 kennenlernte. Jahre. Allein aus dem Berliner Erich Wiese: Der Graphiksammler. Eng mit Stuckenberg befreundet war der im Rheinland Sturm-Kreis müssten Gropius etwa Mappenwerke, in: Der Cicerone, geborene Arnold Topp (1887 – 1945 verschollen).17 auch die wiederholt in Waldens Jg. 14/1922, Heft 4, S. 169. Galerie ausstellenden Künstlerinnen 16 Seine Verbindung zum Sturm-Kreis und seine Ausstellungs­ Marianne von Werefkin, Gabriele Kurt Schwitters. Catalogue raisonné, beteiligungen an der dortigen Galerie sicherten dem Künst- Münter oder Hilla von Rebay hrsg. von Karin Orchard und ler ein Auskommen, nachdem er 1915 traumatisiert und bekannt gewesen sein. Isabel Schulz, Bd. I (1905 – 1922), ver­wundet von der Front zurückgekehrt war. Das kontrast­ 11 Ostfildern-Ruit 2000, S. 433 – 434 reiche Arrangement glühend farbiger Flächen in seinen Vgl. Jacoba van Heemskerck (WVZ 930). 1876 – 1923. Eine expressionistische 17 Gemälden übertrug Topp im Holzschnitt Abstrakte Kompo- Künstlerin, Ausst.-Kat. Gemeente- Rainer Enders: Arnold Topp. Ein sition in ein vehementes Zusammentreffen von Schwarz museum, Den Haag 1983, Lebensbild, Weimar 2007, dort auch und Weiß. Wie Eisschollen lagern sich die fragmentierten hier Kat. 72. das Werkverzeichnis, WVZ 20. Hs.15.

71 Teile des Bildes übereinander, auf deren Oberflächen sich – wie häufig bei Topp – Himmelskörper spiegeln. Topp gehörte zu den Gründungs­mitgliedern des »Arbeitsrats für Kunst«, wo dessen erster Vorsitzender, Walter Gropius, auf ihn aufmerksam wurde. Der bereits einer älteren Generation angehörende William Wauer (1866 – 1962) ist heute vor allem durch eine futu- ristische Porträtbüste in Erinnerung, die er 1917 von Herwarth Walden schuf.18 Als Bühnen- und Filmregisseur, Schriftsteller, Kunstkritiker, Bildhauer, Maler und Gra- ­fiker war Wauer eine weit über den Sturm-Kreis hinaus- ­ragende Figur im Berliner Kulturleben der 1910 er und 1920 er Jahre. Seine LithografieKomposition mit Ovalen basiert auf der Anordnung von vier sich schneidenden Linien, die das Blatt schräg durchlaufen. Im oberen Bereich sind zwei kürzere Linien zu erkennen. Eine Vielzahl an Ovalen unterschiedlicher Größen brechen an den Linien in helle und dunkle Partien auf. In streng nach rechts unten ausgerichteter Schraf­fur schuf Wauer ein rhythmisch pulsierendes Gewebe aus kreisenden und geraden Linien – ein Spiel aus statuarischer Form und dynamischer Bewegung.

Benjamin Rux

18 Zum plastischen Werk des Künst- lers vgl. William Wauer und der Berliner Kubismus, Ausst.-Kat. Georg-Kolbe-Museum Berlin, hrsg. von Marc Wellmann, Köln 2011.

72

Rudolf Bauer Bantama, um 1921 Kreide-, Pinsel- und Federlithografie, Spritztechnik, Materialdruck

74 Willi Baumeister Visieren (Sitzende Figur), 1921 / 22 Pinsel- und Federlithografie

75 Heinrich Campendonk Sitzender weiblicher Akt in Landschaft mit Bauernhaus, 1920 / 21 Holzschnitt

76 Walter Dexel Abstrakte Komposition (Sternenbrücke), 1919 Holzschnitt

77 Oskar Fischer Reitendes Paar, um 1921 Pinsel- und Federlithografie

78 Jacoba van Heemskerck Komposition, um 1921 Linolschnitt

79 Bernhard Hoetger Figürliche Komposition, 1921 Kreidelithografie

80 August Macke Begrüßung, 1912 Linolschnitt

81 Franz Marc Schöpfungsgeschichte 1, 1914 Holzschnitt

82 Johannes Molzahn Komposition, 1921 Holzschnitt

83 Kurt Schwitters Komposition mit Kopf im Profil, 1921 Kreidelithografie

84 Fritz Stuckenberg Straße mit Häusern, 1921 Kreidelithografie, gekratzt

85 Arnold Topp Abstrakte Komposition, 1921 Holzschnitt

86 William Wauer Komposition mit Ovalen, 1921 Kreidelithografie

87 Mappe IV

Alexander Archipenko Umberto Boccioni Carlo Carrà Marc Chagall Giorgio de Chirico Natalja Gontscharowa Alexej von Jawlensky Wassily Kandinsky Michail Larionow Enrico Prampolini Italienische und russische Künstler Vermutlich wurden Chagalls Druckvorlage sowie Carràs Zinkplatte nach Weimar geschickt. Für die Farblithografien Die vierte Mappe enthält in alphabetischer Reihenfolge von Gontscharowa, Kandinsky und Larionow musste Grafiken von , Umberto Boccioni, jede Farbe einzeln auf Umdruckpapier aufgebracht werden. 6 Carlo Carrà, Marc Chagall, Giorgio de Chirico, Natalja Um die Zeichnungen von Boccioni und de Chirico auf Gontscharowa, Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky, ein solches­ Papier zu übertragen, war sogar ein fotografisches Michail Larionow, Enrico Prampolini, Gino Severini Verfahren nötig.7 so­wie laut Inhaltsverzeichnis Ardengo Soffici, allerdings fehlt Der seit 1921 in Berlin ansässige Alexander Archipenko dessen Arbeit in allen ausgelieferten Mappen. Ernesto (1887 – 1964) präsentiert dem Betrachter mit der Kreide­ de Fiori wurde ebenfalls angeschrieben, Kasimir Malewitsch lithografie Zwei weibliche Akte sein bevorzugtes Thema: und El Lissitzky, die für den Suprematismus und Konstruk- den bewegten menschlichen Körper. Der Künstler arbeitete tivismus standen, wurden hingegen nicht berücksichtigt.1 in der Zeichnung und Druckgrafik vor allem mit vom Die Namensliste der vierten Mappe erweckt den Anschein, Kubis­mus inspirierten geraden und gebogenen Linien sowie neben dem Futurismus und Archipenkos an der Skulptur mit der Schraffur. Als Bildhauer interessierten ihn beson- orientierten Formgebung seien die Pittura metafisica, ders das Zusammenspiel aus Licht und Schatten sowie Fläche der Rayonismus sowie Kandinskys Abstraktion vertreten. und Körper. Die weiblichen Figuren, die gerade dem Bad Zum Teil trifft diese Annahme auch zu, allerdings hatten entstiegen zu sein scheinen, zeichnen sich durch einen sich einige der Künstler nach 1918 aufgrund ihrer Er­ fließenden, ondulierenden Kontur aus. Gleichzeitig haftet fahrungen im Ersten Weltkrieg neu orientiert, sodass sich ihnen eine räumlich-dynamische Dimension an, da ihre die Zusammenschau der Künstler noch heterogener Silhouetten mithilfe von Schatten wiederholt werden. Einen als vermutlich erwartet gestaltete. Während Carràs Ein­- reizvollen Kontrast stellen die wenigen geraden Linien dar, sendung einen ganz eigenen, archaisierenden Stil präsentierte, die die Schienbeine und Unterarme wie mit dem Lineal sorgten de Chiricos und Severinis neoklassiszistische gezogen definieren. Während die Figur im Vordergrund Grafiken in Weimar vermutlich für Erstaunen.2 Die Blätter die Freude an der Fülle und den Rundungen eines kräftigen von Gontscharowa und Prampolini hingegen zeigen eine Körpers verdeutlicht, fasziniert die hintere Figur durch Hinwendung zum Kubismus, der bereits die französische eine reduzierte, archaisch wirkende Formgebung. Mappe dominierte. Die Entscheidung, italienische und russische Künstler zu vereinen, beruhte auf dem Umstand, dass sich aufgrund ausstehender Einsendungen die Veröffentlichung der ursprünglich geplanten romanischen Mappe verzögerte. Schon in einem Brief vom Juli 1922 wies der für den Vertrieb zuständige Potsdamer Verlag Müller & Co. darauf hin, 4 Vgl. Weber 1999, S. 26. Erwähnt Kunden befürchteten bereits, die zweite Mappe werde sei, dass die Inflation dieser Jahre nicht publiziert. Daher drängte der Verleger darauf, wenigs- bzw. die damit einhergehende tens die vierte Mappe vorzu­ziehen und trotz der Bedenken Geldknappheit einen entscheidenden eine neue Ordnung festzulegen, nämlich italienische und Beitrag zu der angespannten russische Künstler zusammen­zubringen.3 Die Entscheidung, Situation leistete. Ausführlicher bei Wingler 1965, S. 24. die zur vierten Mappe führte, erfolgte also unter verlege­ 5 rischem Druck. Bis zur tatsäch­lichen Auslieferung vergingen Vgl. hierzu den Beitrag allerdings noch knapp zwei Jahre. Am 31. Januar 1924 von Thomas Matuszak in diesem schickte Gropius zwar eine Post­karte an Archipenko, Katalog, S. 27 – 29. die verkündete, die vierte Mappe erscheine nun, doch der 6 Vgl. Weber 1999, S. 29. Verlag mahnte noch Ende April desselben Jahres, dass 7 Kunden den sofortigen Versand der Mappe forderten, Vgl. Weber 1999, S. 30. Weber andern­falls würden sie das Bauhaus beim Börsenverein und hat zu Recht infrage gestellt, ob für dem Wucheramt anzeigen. 4 Entscheidende Gründe für 1 die letztgenannte Variante noch die Verzögerungen der vierten Mappe lagen auch in der tech­- Vgl. Weber 1999, S. 25. die Kategorie Originalgrafik greift, 2 oder ob nicht – vor allem im ni­schen und logistischen Heraus­forderung, Originalgrafik Vgl. ebd., S. 26. Fall der Zeichnung aus Boccionis in hoher Auflage an einem von den Künstlern weit entfernten 3 Nachlass – die Bezeichnung Ort zu drucken und im Anschluss signieren zu lassen. 5 Vgl. Wingler 1965, S. 24. »Original« hier zu weit gefasst ist.

89 Im Kontrast zu diesem Blatt steht Umberto Boccionis (1882 – 1916) um 1913 entstandene Komposition Fort­bewegung (Radfahrer). 8 Die Lithografie, die auf eine Zeichnung­ aus dem Nachlass des Futuristen zurückgeht, zeigt eine Bewegungsstudie, die nicht den Körper in einer gewissen Haltung eingefroren darstellt, sondern versucht, Dynamik bildnerisch wiederzugeben. Im Fokus steht weniger eine in Facetten zerlegte Figur, sondern die Überlagerung 10 mehrerer Ansichten einer fortschreitenden Bewegung. Ähnlich wie das franzö­sische Mithilfe von Kreissegmenten, Schraffuren und dem starken »les saltimbanques« eher dem Begriff Kontrast zwischen hellen und dunklen Flächen stellte 8 Gaukler entspricht, wird auch das Boccioni dar, wie das Rad von rechts nach links durch den 1913 begann Boccioni – vermut- italienische »i saltim­banchi« oft Bildraum saust. Besonders eindrucksvoll ist der mit lich unter Einfluss von Marcel in diesem Sinn verwendet. Die Figur Duchamps Nu descendant un escalier des Gauklers, ganz gleich ob aus kräf­tigen schwarzen Strichen angedeutete schwarze Raum (»Akt, eine Treppe herabsteigend«) dem Umfeld der Commedia dell’arte am linken Bildrand, den die Dynamik der Bewegung – von 1912 –, sich mit dem Körper oder dem Zirkus, übte auf zahl­- als heller Keil umgesetzt – zurückdrängt oder aufhebt. in Bewegung zu beschäftigen reiche Künstler des frühen 20. Jahr­- Auch Carlo Carrà (1881 – 1966) wurde vor dem Ersten (z. B. Muscoli in velocità), um sich hunderts eine große Anziehung Weltkrieg als Futurist bekannt, wandte sich jedoch nach dann intensiv den Themen Beschleu- aus. Mit der Figur verband sich nicht nigung und Dynamik zuzuwenden nur gesellschaftliche Randständig- einem Zusammentreffen mit de Chirico 1917 der Pittura (Dinamismo di un ciclista und keit, sondern auch die Vorstellung metafisica zu, wie sie von der ZeitschriftValori Plastici Dinamismo di un Foot-baller), von kindlicher Freiheit und propagiert wurde. Daraus entwickelte er einen individuellen, vgl. Maurizio Calvesi / Ester Coen: uneingeschränkter Kreativität. auf der geschlossenen Linie und archaischer Formgebung Boccioni. L’opera completa, 11 beruhenden Stil. Die FederlithografieI saltimbanchi Mailand 1983, S. 464 – 495. Die Die auf das gleichnamige Gemälde Zeichnung Dinamismo di un ciclista von 1917 (Abb. S. 17) zurückgehende (»Die Seiltänzer«) von 1922 führt den Betrachter in einen ist als Lithografie in die vierte Grafik entstand während eines Raum mit zwei versetzt stehenden Figuren und einem Bauhaus-Mappe eingegangenen, einjährigen Aufenthalts in Berlin. sitzenden Hund ein. Abgesehen von der Positionierung vgl. ebd., S. 490. Hier lernte Chagall durch Hermann der Figuren legen die reduktionistischen Elemente wie das 9 Struck die Radiertechnik kennen Rechteck im Hintergrund und der Strich auf Knöchel­- I Saltimbanchi variiert das Motiv und ver­wendete sie für die Arbeit der Zeichnung Intorno con donne an der Serie Ma Vie (»Mein Leben«), höhe der hinteren Figur nahe, dass die Szene vor einer Wand (»Häusliche Szene mit Frauen«) die 1923 von dem Berliner Gale­- mit Fenster spielt. Die Beziehung der Figuren lässt sich von 1919, wobei das frühere Blatt r­isten Paul Cassirer in Mappen- kaum definieren: Während die hintere ihre linke Hand auf deutlich erkennen lässt, dass sich ­form publizierte wurde, vgl. Marc dem Herzen liegen hat, schaut die vordere erwartungs-­ die Figuren in einem Innenraum Chagall. Mein Leben – Mein Traum. voll nach oben.9 Trotz der augenscheinlichen Unbestimmt­- befinden. Auch ist das Rechteck an Berlin und Paris 1922 – 1940, der Rückwand hier als gerahmtes Ausst.-Kat. Wilhelm-Hack-­Museum, heit nimmt I saltimbanchi deutlich Bezug auf Picasso, Bild identifizierbar, vgl.Carlo Carrà. Ludwigshafen, München 1990, sowohl auf sein berühmtes Gemälde Les Saltimbanques, Retrospektive, Ausst.-Kat. Staatliche S. 196. Der Spaziergang. II diente auf die gleichnamige Gouache von 1905 als auch auf Kunsthalle Baden-Baden, Mailand laut Hans Bollinger und Franz Meyer dessen um 1918 entstandenen klassizistischen Zeichnungen.10 1987, S. 251. La casa dell’amore als eines von sechs sogenannten Marc Chagalls (1887 – 1985) Kaltnadelradierung (»Das Haus der Liebe«) von 1922, Supplementblättern der Folge. eine Studie des gleich­namigen Ge- Der autobiografische Bezug zeigt Der Spaziergang. II von 1922 zeichnet sich zwar auch durch mäldes, greift eine ähnliche Situation sich nicht zuletzt in den Chagall eine rätselhafte Komponente aus, scheint jedoch auf auf, wenn auch mit nur einer porträtierenden Gesichts­zügen den ersten Blick leicht dechiffrierbar zu sein. Mit wenigen Figur und Hund. Auch hier ist der der männlichen Figur. Es ist an­zu­­­- geraden Linien entwarf der Künstler im Hintergrund Innen­raum eindeutig als solcher nehmen, dass das auf der Grafik die Ansicht eines Dorfes. Im Vordergrund ist ein Paar sowie zu erkennen. Das Recht­eck an dargestellte Dorf Chagalls der Rückwand stellt nun ein Fenster Geburtsort Witebsk und die weib­- in der rechten unteren Ecke ein kleines Stillleben zu sehen. dar, das den Blick auf ein Haus liche Figur seine Ehefrau Bella Während der stehende, lächelnde Mann einen scharf­ und einen Baum freigibt, vgl. ebd., Rosenfeld zeigt, vgl. Franz Meyer kantigen Umriss aufweist, ist die Silhouette der Frau S. 257. Im Abbildungs­verzeichnis in: Marc Chagall. Das graphische weicher dargestellt. Zwar halten sich die Figuren an den wird in Bezug auf I Saltimbanchi Werk, Frankfurt a. M. 1957, S. 8, Händen, allerdings gleicht das Geschehen weder einer angemerkt, eine vorbereitende Tafel 1. Weniger exakt denn Skizze desselben Jahres firmiere beschreibend ist der Titel Selbst­ akrobatischen Übung, noch einem Spaziergang. Vielmehr unter dem Titel Madre e figlia bildnis mit Frau anzusehen, der wirkt die Szene surreal, da die Gesetze der Schwerkraft (»Mutter und Tochter«), vgl. ebd., dem Blatt mitunter gegeben wird, außer Kraft gesetzt scheinen.11 S. 271 u. 287. vgl. Weber 1999, S. 62.

90 Eine magische Bildzugabe wurde wahrscheinlich auch bei Giorgio de Chiricos (1888 – 1978) Beitrag erwartet, jedoch zeigt die LithografieOreste e Pilade von 1921 eine dem Klassizismus verpflichtete Szene.12 Vor einer felsigen Landschaft geben sich zwei in Togen gewandete junge Männer die Hand. Die Art der Darstellung verweist auf klassische antike Skulpturen und die ihnen zugrundeliegenden Prinzipien von Bewegung und Ruhe. In der dargestellten Szene spricht Pylades vermutlich Orestes Mut zu, der sich auf dem Weg befindet, den Tod seines Vaters Agamemnon zu rächen. Unterwegs plagen ihn Gewissensbisse, da die Vergeltung den Mord an der eigenen Mutter Klytaimnestra bedeutet. Angesichts dieser Auseinandersetzung mit der 12 griechischen Antike in Form und Inhalt nimmt es kaum Laut Alfonso Ciranna handelt es Wunder, dass de Chirico in Westheims Künstlerbekenntnisse sich bei Oreste e Pilade um die erste den Futurismus vehemente ablehnt. Vielmehr forderte er, Lithografie in de Chiricos Œuvre, Maler müssten zum Handwerk, also zum akademischen vgl. Alfonso Ciranna: G. de Chirico. Zeichenstudium der Skulptur zurückkehren. In diesem Sinn Catalogo dell’opera grafica 1921 – 1969, Mailand / Rom 1969, S. 163. beendete de Chirico sein »Bekenntnis« mit der lateinischen 13 13 Formel: »Pictor classicus sum«. Giorgio de Chirico: Rückkehr Nach drei narrativen Bildern lässt sich mit Natalja zum Handwerk, in: Paul Westheim: Gontscharowas (1881 – 1962) Kreidelithografie Weibliche Künstlerbekenntnisse, Berlin 1925, Halbfigur anknüpfen an die Auseinandersetzung mit den S. 295 – 303. 14 Möglichkeiten der Darstellung und der Wirkung von Das Gemälde Vogel von 1922/23 Komposition, Form und Farbe. Die Künstlerin stellte eine folgt ähnlichen Erwägungen, auf geometrische Grundformen zurückgehende menschliche aller­dings ist der Kopf des Vogels Halbfigur dar, die aufgrund der Kreissegmente im Brust­ auf diesem Bild derart abstrahiert bereich als weiblich gelesen werden kann. Charakteristische dargestellt, dass der Betrachter ohne den Titel einige Schwierigkeiten Merkmale wie Augen, Mund und Nase sind durch geo­ hat, das Objekt zu dechiffrieren,­ 14 metrische Einbuchtungen im Haarschopf angelegt. vgl. Natalja Gontscharowa. Zwischen Das Zusammenspiel aus Gelb, Blau und Schwarz setzt die russischer Tradition und euro­ Figur und ihre Umgebung in Beziehung und dynamisiert päischer Moderne, Ausst.-Kat. die Komposition. Opelvillen Rüsselsheim, Kunsthalle St. Annen, Lübeck, Angermuseum Die Gesichtszüge, bei Gontscharowa lediglich angedeutet, Erfurt, hrsg. von Beate Kemfert dienten Alexej von Jawlensky (1846 – 1941) als Ausgangs- und Alla Chilova, Ostfildern 2009, punkt. Zur vierten Mappe steuerte er die aus geraden S. 30 u. 122. Linien und Kreissegmenten bestehende LithografieKopf 15 von 1921 bei, die sich durch Reduktion und Archaik Die Weimarer Grafik wird u. a. aufgeführt in Detlev Rosenbach: der einzelnen Elemente auszeichnet.15 Das in einen Rahmen Alexej von Jawlensky. Leben und eingefasste Gesicht besteht aus Senkrechten und Hori­- druckgraphisches Werk. Hannover zon­talen, die Mund, Nase und Augen ergeben. Die Kreis- 1985, S. 54 u. 118 – 119; Jawlensky segmente deuten das Oval des Kopfes, die Ohren, die Haare neu gesehen, Ausst.-Kat. Museum sowie ein Augenlid an und dienen dazu, die Strenge der Gunzenhauser, Chemnitz, hrsg. von Ingrid Mössinger und Thomas geraden Linien zu konterkarieren. In der Malerei und Grafik Bauer-Friedrich, Dresden 2013, beschäftigte sich der Künstler über Jahrzehnte mit dem S. 72 u. 184. menschlichen Antlitz und schuf zahlreiche Köpfe, die sich 16 mitunter nur durch geringe Variationen unterscheiden. »Ich arbeite für mich, nur für Der Kopf von 1921 gehört in die Phase der »Abstrakten« mich und meinen Gott.« Alexej von Jawlensky. Gemälde, Aquarelle, oder »Konstruktiven Köpfe«, die sich – den »Heilands­ Zeichnungen, Ausst.-Kat. Städtische gesichtern« ähnlich – an die Kreuzform, die Ikone und das Museen Jena, hrsg. von Erik Christusbildnis annähern.16 Stephan, Gera 2012, S. 170.

91 Wassily Kandinskys (1866 – 1944) Lithografie Komposition mit Kind in der jahrhundertealten Madonnen-Tradition, von 1922 besteht zwar ebenfalls aus geraden Linien und während Arlecchino und Pulcinella die ebenfalls weit Kreissegmenten, allerdings hatte sich der Künstler zu dieser zurückreichende Figuren- und Bildtradition der Commedia Zeit bereits vom Gegenstand gelöst und arbeitete an Werken, dell’arte zitieren. Allerdings nahm der Künstler nicht nur die ohne Bezug zu real existierenden Dingen auskommen.17 Bezug auf die nationalen Traditionen Italiens, sondern Dem Künstler ging es um das Zusammenspiel aus unter- bezog sich ähnlich wie Carrà mit I saltimbanchi auf beliebte schiedlichen Farben – hier die Grundfarben Blau, Rot, Gelb Figurengruppen der frühen französischen Avantgarde und sowie Grün –, Formen und Strukturen. Trotz seiner Abkehr ihrer Protagonisten Cézanne und Picasso. von der Figuration erzeugte Kandinsky in einer dichten Wenngleich die Zusammenstellung italienischer und Grafik den Eindruck von Zeit- und Räumlichkeit, ganz so, russischer Künstler sowie einzelne Blätter auf den ersten als käme der Maler über den Abschied von den Dingen zu Blick irritieren mögen, so gelang mit der vierten Mappe einer adäquaten Darstellung der Welt. dennoch ein aufschlussreicher Einblick in die Dynamik(en) Michail Larionows (1881 – 1964) Beitrag zur vierten Mappe der europäischen Avantgarden nach dem Ersten Weltkrieg. von 1923 gleicht nicht nur in Titel und Technik Kandinskys In jeder Grafik lässt sich ein anderes Detail eines viel­- Blatt, sondern zeigt ebenfalls eine abstrakte Komposition fältigen und verzweigten Diskurses aufspüren, der bereits aus rosa umrandeten und mit Rosa gefüllten Flächen sowie kurz nach der Jahrhundertwende dazu geführt hatte, braunen Konturen und Schraffuren. Es bestehen allerdings das Bild radikal neu zu denken. Nach dem Großen Krieg entscheidende Unterschiede zu Kandinskys Bildfindung, knüpften die Künstlerinnen und Künstler an die verschiedenen so steht beispielsweise die Farbe bei Larionow nicht für sich, Errungenschaften unter anderen Vorzeichen wieder an, sondern ist eingebunden in eine komplexere Struktur. erweiterten sie, aber sie reformierten sie auch und stellten Der Künstler verband in seiner Grafik die Abstraktion mit sie folgenreich infrage. Ein­flüssen des Kon­struktivismus und Rayonismus. Enrico Prampolinis (1895 – 1956) kubistisch beeinflusste Laura Rosengarten KreidelithografieFigürliches Motiv von 1923 knüpft bei den Überlegungen Gontscharowas an, setzt jedoch einen anderen Schwerpunkt. Mit Schraffuren und klar voneinander geschiedenen rechteckigen, keilförmigen und abgerundeten Flächen erzeugte der Maler ein kontrastreiches Gebilde, das hier und da einen menschlichen Körper aufscheinen lässt, dessen vollständige Rekonstruktion aber verweigert. Im Gegensatz zu Gontscharowa verzichtete Prampolini auf den Einsatz von Farbe und stellte keine Figur in einer räum- lichen Umgebung dar, sondern erzeugte eine fast hap­tisch anmutende, kompakte Komposition, die an eine Studie für eine Skulptur denken lässt. Gleichzeitig setzt sich der Künstler mit den Grundprinzipien der Zeichnung auseinander, indem die Figur zwischen Gegensätzen von Fläche und Tiefe, hell und dunkel sowie rund und eckig changiert. Kandinsky. Russische Zeit und Bauhaus-Jahre 1915 – 1933, Im Kontrast zu Prampolinis Grafik steht das letzte Blatt Ausst-Kat. Bauhaus-Archiv. der Mappe, Gino Severinis (1883 – 1966) Federlithografie Museum für Gestaltung Berlin, hrsg. Harlekin-Familie, die ähnlich wie de Chiricos Beitrag 17 von Peter Hahn, Berlin 1984, S. 225 dem Neoklassizismus verhaftet ist. Zu sehen sind vier Figuren, Erwähnung fand Kandinskys sowie bei: Hans Konrad Roethel: links eine stillende Mutter mit Säugling, rechts neben ihr Komposition neben den Publika­tio- Kandinsky. Das graphische Werk, nen zu der Mappenfolge Neue Köln 1970, S. 324 – 325 u. 451 – 453. ein junger Arlecchino und dahinter ein erwachsener Pulcinella. Europäische Graphik in: Kandinsky. Roethel bildete ein Blatt des zweiten Die Geste des Jungen, der mit seiner Rechten auf die Mutter Punkt und Linie zu Fläche. Kandinsky Zustands ab, während die Mappe hinweist, verbindet die Sphären der Stillenden und die am Bau­haus, Ausst.-Kat. Städtische Nr. 26, die sich im Lindenau-Museum der Narren. Unter Hinzunahme des Gemäldes La famiglia Museen Jena, hrsg. von Erik Stephan, Altenburg befindet, ein Blatt des del povero Pulcinella (»Die Familie des armen Pulcinella«) Jena 2009, S. 136 – 137; Kandinsky. ersten Zustands beinhaltet. Hier Das druckgraphische Werk, besteht die untere linke Kreisform von 1923 wird deutlich, dass es sich um eine mittellose Ausst.-Kat. München/Bonn, hrsg. aus den Farben Grün und Gelb Familie handelt, die ein Publikum zu bewegen sucht, ihnen von Helmut Friedel und Annegret und nicht – wie im zweiten Zustand – Geld zu geben. Kunsthistorisch betrachtet steht die Mutter Hoberg, Köln 2008, S. 71, 224 u. 280; lediglich aus Blau.

92

Alexander Archipenko Zwei weibliche Akte, 1921 / 22 Kreidelithografie

94 Umberto Boccioni Fortbewegung (Radfahrer), um 1913 Pinsel- und Federlithografie

95 Carlo Carrà I saltimbanchi, 1922 Federlithografie

96 Marc Chagall Der Spaziergang. II, 1922 Kaltnadelradierung

97 Giorgio de Chirico Oreste e Pilade, 1921 Federlithografie

98 Natalja Gontscharowa Weibliche Halbfigur, um 1922 Kreidelithografie in drei Farben

99 Alexej von Jawlensky Kopf, 1921 Kreidelithografie

100 Wassily Kandinsky Komposition, 1922 Pinsel- und Federlithografie in vier Farben

101 Michail Larionow Komposition, um 1922 Pinsel und Federlithografie in zwei Farben

102 Enrico Prampolini Figürliches Motiv, 1923 Kreidelithografie

103 Gino Severini Harlekin-Familie, um 1922 Federlithografie

104

Mappe V

Max Beckmann Max Burchartz Otto Gleichmann George Grosz Erich Heckel Ernst Ludwig Kirchner Alfred Kubin Carlo Mense Max Pechstein Christian Rohlfs Edwin Scharff Karl Schmidt-Rottluff Deutsche Künstler lässt ihn maskenhaft und gespenstisch wirken. Das Blatt entstand zu einer Zeit, als sich ein paradigmatischer Wandel­ Der Kunsthistoriker Erich Wiese rezensierte in der Ru- in Burchartz’ Schaffen vollzog. Nachdem er – angezogen brik Der Graphiksammler des Cicerone 1923 die gerade vom Bauhaus – 1920 nach Weimar umgesiedelt war, erschienene fünfte Mappe der Neuen Europäischen knüpfte Burchartz dort Kontakte zu Vertretern des Kon­ Gra­phik: »Mit Genugtuung darf man angesichts dieser struktivismus und der niederländischen »De-Stijl«-Bewegung. neuen Veröffentlichung feststellen, daß Qualität der Aus- In konsequenter Auseinandersetzung mit deren Idee, die stattung und des Inhaltes durchaus auf der Höhe der ersten neuen Gestaltungsprinzipien in den Lebensalltag einzubinden,­ zwei Mappen 1 stehen.« Die Arbeiten seien »durchweg wandte er sich von der freien Kunst ab und der angewand­ von bedeutender Qualität, von den Künstlern […] aus­ ten Kunst zu. 1924 gründete Burchartz eine Werbeagentur gezeichnet gewählt [...]«2. Wie schon die dritte wurde auch und etablierte sich erfolgreich als Werbe­grafiker. 5 diese Mappe mit »Deutsche Künstler« überschrieben, wo- bei zu den Beitragenden der Österreicher Oskar Kokoschka und der seit 1906 mit festem Wohnsitz in Österreich lebende Alfred Kubin zählen. Die 13 Druckgrafiken dieser Mappe konzentrieren sich ganz auf die Darstellung des Menschen. Er findet sich als Porträt, eingebettet in groß- städtische Milieus sowie in literarische und legendäre Stoffe oder als isolierte Figur ohne konkreten Bedeutungszu­ sammenhang. Mit Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff sind die wichtigs- ten Mitglieder der expressionistischen Dresdner Künstler- gruppe »Die Brücke« mit Werken vertreten. Den Auftakt bildet das Blatt Die Ringer von Max Beck­- mann (1884 – 1950), der einzigen Radierung der Mappe. 2 Thematisch knüpft die Arbeit nahtlos an Beckmanns kurz Erich Wiese: Bauhaus-Drucke. zuvor geschaffene zehnteilige Radierfolge Jahrmarkt 3 an. Neue Europäische Graphik. Fünfte Das Aufeinandertreffen der beiden übergroß dargestellten Mappe. Deutsche Künstler, in: Der Cicerone, Jg. 15/1923, Heft 13, Kämpfer schilderte er jedoch nicht etwa in einem Zelt S. 617. Im vorangegangenen mit abgegrenztem Ring, sondern auf einer beengten Theater- Jahrgang der Zeitschrift hatte er bühne, die sich die Ringer mit dem Ringrichter und drei bereits die erste und dritte Mappe an einem kleinen Cafétisch sitzenden Männern teilen. besprochen, vgl. Der Cicerone, Das Kampfgeschehen gerät zum inszenierten Kräftemessen, Jg. 14 /1922, Heft 4, S. 169 – 170. 3 das aus den links ins Bild ragenden Logen aufmerksam Vgl. Norbert Nobis und Ernest W. verfolgt wird. Der erhobene Stab des Dirigenten im Orchester­- Uthemann: Max Beckmann. Das graben deutet gar auf eine musikalische Untermalung graphische Werk aus der Sammlung des Geschehens hin. Dieses stellte Beckmann, der im des Kunstmuseum Hannover Impressionismus wurzelnd um 1916 eine expressive Hand­- mit Sammlung Sprengel. Verzeichnis 1 der Bestände, Hannover 1984, schrift ausprägte, in scharfkantiger Linienführung und Da sich die Herausgabe sowohl der S. 186 – 193. Die Mappe wird dort mit überzeichneten Figuren dar. zweiten als auch der vierten Mappe in einem kurzen Text besprochen, Das zweite Blatt der Mappe stammt von Max Burchartz aufgrund verschiedener Schwierig- alle Blätter sind mit technischen An- (1887 – 1961), dessen Schaffen nach 1918 zunächst von keiten verzögerte, war zunächst gaben abgebildet. einem gesteigerten Expressionismus bestimmt war, auf den die Veröffentlichung der dritten und 4 anschließend auch diejenige der Vgl. Gerda Breuer: Max Burchartz dann eine kurze Phase der neusachlichen Orientierung fünften Mappe vorgezogen worden, in Weimar. Im Dunstkreis von 4 folgte. In dieser Zeit entstand die in der Mappe enthaltene welche letztlich ab März 1923 Bauhaus und De Stijl, in: Gerda LithografieZwei Mädchenköpfe. Der vordere Kopf ist ­aus­geliefert wurde, vgl. den Beitrag Breuer (Hrsg.): Max Burchartz. dabei in klarer Konturierung voll ausgeformt und macht von Klaus Weber sowie die An- 1887 – 1961. Künstler, Typograf, mit der leichten Biegung des Mundes, den dunkel schattier- merkungen zu den einzelnen Mappen Pädagoge, Bergische Universität in dem sich anschließenden Werk­- Wuppertal, Berlin 2010, S. 53 – 70, ten Augen und gesenkten Brauen einen etwas sorgen­­- katalog: Weber 1999, S. 22 – 33, hier S. 54. vollen Eindruck. Der dahinter erscheinende zweite Kopf Werkkatalog S. 34 – 79, v. a. S. 26, 5 ist nur schemenhaft ausgeführt; die leere Augenhöhle 48, 60, 70. Vgl. ebd., S. 67.

107 Die erst infolge eines nachträglichen Meisterrats­ Der von Wiese überschwänglich als »Linienorganismus beschlusses 6 von Otto Gleichmann (1887 – 1963) eingereichte von unerhörter Lebensenergie«14 gelobte Holzschnitt Ernst LithografieTheaterloge schließt sich thematisch einigen Ludwig Kirchners (1880 – 1938) zeigt den Bauern David seiner Anfang der 1920 er Jahre entstandenen Arbeiten aus Müller im Porträt.15 Dieser besaß ein in der schweizerischen dem Motivkreis der urbanen Unterhaltungsmilieus an.7 Stafelalp bei Frauenkirch gelegenes Haus, in dem sich Aus leicht erhobener Sicht blickt man geradewegs in den Kirchner kurz vor Entstehung dieser Arbeit eingemietet flüchtig umrissenen Logenraum. Dort halten sich mehrere hatte.16 Nach mehreren Sanatoriumsaufenthalten infolge Personen auf, deren Körperformen und Konturen in eines gesundheitlichen Zusammenbruchs während des Gleichmanns expressiv-nervösem Strich an Festigkeit ver- Kriegsdienstes war Kirchner zuvor 1917 in das nahegelegene lieren. Sie wirken merkwürdig deformiert und ihre Gesichts- Davos übergesiedelt. züge buchstäblich verrückt, womit der an existenziellen Frage­stellungen orientierte Gleichmann sein Empfinden der Zeit zum Ausdruck brachte. Angesichts der noch 11 nach­wirkenden Schrecken des Ersten Weltkriegs bedeuteten Annemarie Dube und Wolf-Dieter für ihn »Theater, Varieté und Zirkus mit ihrem schnell Dube: Erich Heckel. Das graphische verblassenden Flitterglanz […] eine Scheinwelt, in der das, Werk. Bd. 1, Holzschnitte, 2. Aufl., worauf es nach seiner Meinung ankommt, offensichtlich New York 1974, S. 27, WVZ 309 II B. keinen Platz hat«.8 Bei der Auflage für die fünfte Mappe der Neuen Europäischen Die ausgeprägte gesellschaftskritische Haltung verband Graphik handelt es sich um einen Gleichmann mit dem Dada-Künstler George Grosz zweiten, leicht überarbeiteten (1893 – 1959), der diese in Bild und Wort jedoch bedeutend 6 Zustand des Holzstocks. Es exis­- scharfzüngiger kundgetan hat: »Ich zeichnete und malte Otto Gleichmanns Beitrag zur tieren zudem einige frühere Abzüge aus Widerspruch und versuchte durch meine Arbeiten Mappe ist in gewisser Weise des ersten Zustands. ein Sonderfall, da seine Beteiligung 12 die Welt zu überzeugen, daß diese Welt häßlich, krank und an der Edition ursprünglich Vgl. ebd., WVZ 276, 291, 293, 294, 9 10 verlogen ist.« In Grosz’ Lithografie Straßenszene türmen nicht vorgesehen war. Dagegen 295, 297, 299, 304. sich skurrile Großstadttypen und Architekturelemente protestierte Gleichmann brieflich 13 fragmenthaft übereinander. Gesichtszüge und Körperformen und wurde infolge eines Meister- Vgl. ebd., WVZ 276, 294. der Dargestellten sind dabei stark, fast schon karikaturesk, ratsbeschlusses im März 1922 14 nachträglich zur Lieferung einer Wiese 1923 (wie Anm. 2), S. 618. überzeichnet. Das Treiben auf den Straßen Berlins hat Druckgrafik aufgefordert, vgl. 15 Grosz vielfach auf diese unverwechselbare Weise festgehalten Weber 1999, S. 27. Annemarie Dube und Wolf-Dieter und Architektur, Reklameschriften, Verkehrsmittel und 7 Dube: E. L. Kirchner. Das graphische­ Passanten versatzstückartig zu einem turbulenten Gewimmel Hierzu zählen auch Titel wie Akro­- Werk. Bd. 1, Katalog, 3. Aufl., ein­gedampft. Grosz komponierte um 1920 eine ganze baten, Die Bühne, Musikkapelle, München 1991, S. 44, WVZ 409 II B. Varieté und Zirkus, vgl. das Ver- Bei der Auflage für die Neue Reihe ähnlicher »Straßenszenen«. zeichnis der Zeichnungen in Norbert Euro­päische Graphik handelt es 11 Den Holzschnitt Der Narr, gelegentlich auch als Nobis (Hrsg.): Otto Gleichmann. sich um den zweiten Zustand eines Der Kranke bezeichnet, schuf Erich Heckel (1883 – 1970) 1887 – 1963. Zum 100. Geburts- nach einer ersten unveröffentlichten noch während des Ersten Weltkriegs, als er von 1914 bis 1918 tag, Ausst.-Kat. Sprengel-Museum Auflage leicht überarbeiteten Holz­- in Flandern als Sanitäter tätig war. Den »Narren« stellte Hannover, Hannover 1987. schnitts. Markant ist die Hinzu­ 8 fügung des Künstlermonogramms er im Hüftbildnis leicht nach rechts gedreht dar, wodurch Rudolf Lange: Der Zeichner »ELK« im Schulterbereich des die deutliche Wölbung der Stirn und sein fliehendes Kinn Otto Gleichmann, in: Nobis 1987 Dargestellten. Kirchner hat diese besondere Betonung erfahren. Da Heckels männ­liche Bild­- (wie Anm. 7), S. 27 – 37, hier S. 34. Arbeit nicht handschriftlich signiert, nisse der Zeit vor allem verwundete Soldaten, Pfleger und 9 sondern rechts unter dem Druck Wärter zeigen,12 liegt auch bei dieser Darstellung die Ver­- George Grosz (1924), zit. nach einen Signatur-Stempel angebracht, George Grosz: Erinnerungsbillett den er in seltenen Fällen bei Auf­- ortung im Umfeld des Lazaretts nahe. Der vage gehaltene zu meinem Gehirnzirkus. Erinne­- lagen­drucken einsetzte. Hintergrund könnte mit dunkler unterer und hell struktu- rungen, Schriften, Briefe, hrsg. von 16 rierter oberer Fläche auf Boden und Wand eines Behandlungs- Renate Hartleb, Leipzig / Weimar Vgl. ebd., S. 10 – 11. saals verweisen. Trotz der stark vereinfachenden Wiedergabe­ 1988, S. 84 – 85. 17 seiner Kleidung ließe sich mutmaßen, dass es sich bei diesem 10 Vgl. Annemarie Dube und Alexander Dückers: George Grosz. Wolf-­Dieter Dube: E. L. Kirchner. »Narren« um einen Soldaten handelt, da Heckel in zwei Das druckgraphische Werk, Das graphische Werk. Bd. 2, vorher entstandenen Holzschnitten deren Uniform ähnlich Frankfurt a. M. [u. a.] 1979, S. 152, Abbildungen, 3. Aufl., München dargestellt hat – weiß mit großen schwarzen Knöpfen.13 WVZ E 60. 1991, S. 56 – 61.

108 Bezeichnend für sein Porträt ist die Strichführung. von einem vor ihm schwebenden Kruzifix ausgehende Unzählige, teils schraffurartig angelegte Linienbündel durch-­­ feine Strahlen treffen ihn dort, wo Christus seine Wundmale furchen die Bildfläche. Die energisch gesetzten Schnitte erhalten hat. Die steile, sich in unergründlicher Tiefe ver­- und die daraus resultierende Kleinteiligkeit der Darstellung lierende Raumflucht und die karge, auf Grundformen verleihen der Arbeit eine Nervosität, die charakteristisch reduzierte Architektur können als Reflexe einer Beschäftigung für Kirchners 1918 und 1919 entstandene Holzschnitte ist.17 mit der Pittura metafisica verstanden werden. Zu diesem etwas schroffen Porträt eines Bauern steht Max Pechstein (1881 – 1955) war 1908 als erstes »Brücke«-­ das darauffolgende Bildnis einer jungen Frau in deutlichem Mitglied nach Berlin gezogen, verbrachte aber vor und nach Kontrast. Der aus Wien stammende Oskar Kokoschka dem Ersten Weltkrieg mehrere Sommer zunächst im (1886 – 1980), der seit 1919 an der Dresdner Kunstakademie Fischerdorf Nidden auf der Kurischen Nehrung und wählte eine Professur bekleidete, hat diesen Mädchenkopf 18 1921 1921 das pommersche Ostseebad Leba zu seinem zweiten in Kreide lithografiert und ihm in der lockeren Behandlung Zuhause. Die dortige Landschaft und ihre Bewohner von Flächen und Umrissen einen fast schon malerischen prägten seine künstlerische Praxis seither nachhaltig, wovon Duktus verliehen. Den behutsam geneigten Kopf kennzeich- auch der Fischerkopf IX zeugt. Wie die römische Ziffer nen ein leicht geöffneter Mund und ein wacher Blick aus im Titel bereits impliziert, zählt dieses Blatt zu einer Reihe großen, dunklen Augen. Die offene Bogenform der Brauen unterstreicht den erwartungsvollen Gesichtsausdruck der Dargestellten. Das Werk fügt sich in eine ganze Reihe druckgrafischer weiblicher Bildnisse, die Kokoschka zwischen 1920 und 1922 geschaffen hat.19 Viele der Dar­- gestellten sind namentlich bekannt, andere bleiben – wie auch in diesem Fall – anonym. Das einzige Blatt der Mappe, dem eine konkrete litera­ 18 21 Friedrich Welz und Hans M. Ludovico Ariostos Versepos rische Vorlage zugrunde liegt, stammt von Alfred Kubin Wingler: Oskar Kokoschka. Das Orlando furioso, erschienen 1516, (1877 – 1959), der mit der ihm eigenen Fantastik und druck­graphische Werk, Salzburg lag unter dem Titel Der rasende Hinwendung zum Mythenhaft-Erzählerischen zu den Soli­- 1975, S. 137, WVZ 152. Roland in mehreren Übersetzungen tären des frühen 20. Jahrhunderts zählt. Seine Lithografie 19 vor. Ritter Roland 20 bezieht sich auf Ariosts Figur des »Rasen- Vgl. ebd., S. 127 – 141. 22 20 Wiese 1923 (wie Anm. 2), den Roland«21, den die Liebe zu einer chinesischen Prinzessin Die Lithografie variiert eine laut S. 617 – 618. Weitere »bescheidenere wortwörtlich den Verstand kostet, was Kubin auf schalk- Werkverzeichnis 1920 entstandene Talente« waren Wieses Ansicht hafte Weise in seine Darstellung übersetzt hat. Mit ent­ aquarellierte Federzeichnung, vgl. nach Max Burchartz und Otto rücktem Blick sitzt dort der Ritter in voller Rüstung mit Paul Raabe: Alfred Kubin. Leben. Gleichmann. überdimensioniertem Kopf und eimerförmigem Helm Werk. Wirkung, Hamburg 1957, 23 o. S. (als Tafel abgebildet zwischen Vgl. Klara Drenker-Nagels: Carlo auf einem viel zu kleinen Pferd und bläst in ein stattliches S. 112 und S. 113, aber nicht im Mense. Kunstentwicklung zwischen Horn, welches geradewegs in den Wald zurückschallt, Ver­zeichnis aufgelistet). Es gibt 1915 und 1919, in: Carlo Mense. den Ross und Reiter gerade verlassen. Bekannt geworden zudem mindestens noch eine weitere Der Fluss des Lebens, hrsg. ist Kubin zwar durch die seine Werke charakterisierende Federzeichnung in leicht abgewan- vom Verein August Macke Haus e. V., Faszination für Abseitiges und Schauriges, wie in diesem delter Form, deren genaues Ent­­- Bonn 2000, S. 89 – 121, hier S. 111. stehungsdatum jedoch nicht gesichert Auch in Hinblick auf sein druck- Fall hat er aber immer wieder auch humorvolle Komposi­ ist. Die Zeichnung wurde im grafisches Arbeiten ergab sich in tionen geschaffen. Rahmen einer Kubin-Ausstellung dieser Zeit ein Wandel: Hatte Mense Carlo Mense (1886 – 1965), den Wiese zu den »beschei­ der Shepherd W & K Galleries, zunächst primär im Holzschnitt deneren Talente [n] unter den Vertretenen«22 zählte, wählte New York, 2014/15 aus österrei­ gearbeitet, wurde dieser nun von der für seine Einreichung ebenfalls einen narrativen Ansatz. chischem Privatbesitz zum Verkauf Lithografie und der Radierung angeboten. Im begleitenden Kata­- abgelöst, vgl. Klara Drenker-Nagels: Von einem variantenreichen Expressionismus kubo-futuris- log ist sie seitenfüllend abgebildet Carlo Mense. Sein Leben und sein tischer Prägung ausgehend, fand Mense nach dem Ersten und wird in einem kurzen Text Werk von 1909 bis 1939, in: Weltkrieg in der Verfestigung seiner Formen und räum- besprochen. Die Entstehung der Ausst.-Kat.­ Kölnisches Stadtmuseum/ lichen Gefüge zu einer neuen Gegenständlichkeit,23 wie sie Zeichnung wird dort um 1920/25 Von der Heydt-Museum Wuppertal, auch die LithografieDie Stigmatisation des Hl. Franziskus 24 datiert, vgl. Peter Assmann: hrsg. von Werner Schäfke und Roland, in: Alfred Kubin, hrsg. von Sabine Fehlemann, Köln 1993, kennzeichnet. Mense verlegte das Ereignis, das traditio-­ Eberhard Kohlbacher und Alois S. 210 – 216. nell in einer Landschaft verortet ist, in ein kulissenhaftes Wienerroither, Wien 2014, 24 Interieur. Franziskus steht in einem schmalen Raum, S. 114 – 115. Ebd., S. 214, WVZ 543.

109 solcher im Holzschnitt ausgeführten Typenporträts von Den Druckstock zu dem Blatt Weiblicher Kopf 30 hatte Fischern ähnlichen Formats – insgesamt sind es elf –, die Schmidt-Rottluff schon 1915 geschaffen, als in eine Ausgabe jedoch nie geschlossen als Zyklus veröffentlicht wurden.25 der expressionistischen Zeitschrift Die Aktion 31 fünf etwa Die markanten, wettergegerbten Züge des Fischers hat gleich große Holzschnitte von ihm eingebunden wurden. Pechstein in kräftigen Schnitten und grober Behandlung Bei diesen Drucken handelt es sich ebenfalls um Frauen- ins Holz übertragen, wobei das Antlitz mit Augen, Tränen- Darstellungen, die stilistisch große Ähnlichkeit zu dem Blatt säcken, Nase und Bart auffällig von Dreiecksformen dieser Mappe besitzen. 32 Markant an diesem »Kopf« ist dominiert wird. die deutliche Gelängtheit der Formen, sowohl hinsichtlich Christian Rohlfs (1849 – 1938) stellt als Vertreter einer des schmalen, zylindrischen Halses, als auch des zum Kinn älteren, im 19. Jahrhundert wurzelnden Künstlergeneration spitz zulaufenden Gesichts, der schräg gestellten Augen eine Ausnahmeerscheinung innerhalb der Mappenedition und der übergroßen Nase. Auf die Dargestellte zulaufende, dar. Er etablierte sich zunächst als Impressionist, wandte parallel gesetzte Linien lassen an Lichtstrahlen denken. sich aber Anfang des 20. Jahrhunderts dem Expressionismus zu und positionierte sich mit seiner Druckgrafik klar als Sophie Thorak Vertreter einer neuen Kunstauffassung. Seine insgesamt relativ geringe druckgrafische Produktion, die er erst etwa 60-jährig aufnahm, beschränkt sich fast ausschließlich auf Holz- und Linolschnitte. Darstellungen von Tanzenden wie der zu dieser Mappe beigetragene Linolschnitt Tanzen- des Paar 26 sind bei ihm ein wiederkehrendes Thema.27 Die annähernd quadratische Komposition setzt sich im Wesentlichen aus den drei Konturen der beiden Tanzenden und des sie einfassenden Rahmens zusammen. Die vonei­- n­ander abgewandten Figuren befinden sich mit angewinkelten Armen und Beinen in großer Bewegung, die eine stark ver­- einfachende, organische Formensprache unterstreicht. In ähnlich archetypischer Weise, aber doch ganz anders widmete sich Edwin Scharff (1887 – 1955) der menschlichen 25 Vgl. Günter Krüger: Das druck­ Figur. Nach Anfängen in der Malerei und Grafik hatte graphische Werk Max Pechsteins, sich Scharff ab 1912 sukzessive der Bildhauerei zugewandt, hrsg. vom Max Pechstein-Archiv, die sein Schaffen anschließend bestimmte, war daneben Tökendorf 1988, S. 273 – 276. aber immer auch grafisch tätig. In der Isolation einer nur 26 29 grob angedeuteten räumlichen Umgebung hebt sich Scharffs Paul Vogt: Christian Rohlfs. Das In Scharffs grafisches und ver­- Graphische Werk, Recklinghausen einzelt auch malerisches Schaffen Lithografie einer Knienden Figur mit einer stark abstrahie- 1960, WVZ 70. flossen seit 1913 wiederholt renden, kantigen, fast technoid wirkenden Körperauffassung 27 gemäßigte kubistische und futu­ris­- deutlich von den übrigen Beiträgen der Mappe ab. Trotz Vgl. ebd. WVZ 3, 8, 14, 68, 72, 98. tische Stilelemente ein, auf seine der ruhenden Pose des Kniens wirkt die Figur sehr bewegt, 28 Plastik wirkten sich diese Expe- was zum einen durch energisch gesetzte Schraffuren, die Wirklich fundiert in sein Gesamt- ­rimente aber nur sehr bedingt aus, schaffen eingeordnet werden kann vgl. ebd., S. 89 – 90. der androgynen Figur eine ausgeprägte Plastizität verleihen, die Lithografie erst nach Erscheinen 30 und zum anderen durch die auffällige Schräglage der des bisher ausstehenden Werk­ Rosa Schapire: Karl Schmidt- breiten Schultern und den stark nach rechts gedrehten Kopf verzeichnisses von Scharffs umfassen- Rottluffs graphisches Werk bis 1923, bedingt ist.28 Scharffs Plastik der 1920 er Jahre steht in dem grafischen Œuvre. Laut Annette Berlin 1924, S. 38, WVZ 180. deutlichem Kontrast zu dieser geometrisierenden Form­ Blattmacher befinden sich allein 31 im Bestand des Edwin Scharff Die Aktion. Wochenschrift für auffassung, da sie eher weiche, gerundete Formen und ein Museums etwa 7000 Zeichnungen Politik, Literatur und Kunst, hrsg. 29 zunehmend klassizistisches Körperbild auszeichnen. und 400 Druckgrafiken, vgl. von Franz Pfemfert, Jg. 5/1915, Wie die anderen »Brücke«-Künstler schuf Karl Schmidt- Annette Blattmacher: Edwin Scharff Heft 13. Rottluff (1884 – 1976) ein umfangreiches druckgrafisches als Zeichner und Grafiker, in: 32 Werk, das vom Holzschnitt dominiert wird. Markant und Edwin Scharff. 1887 – 1955. »Form Es ist vorstellbar, dass der Weibliche muß alles werden«, Ausst.-Kat. Kopf in eben diesem Zusammen- ihnen allen zu einem gewissen Grad gemein ist dabei Edwin Scharff Museum Neu-Ulm, hang entstanden ist, letztlich aber eine vereinfachende und flächige Formauffassung, wobei hrsg. von Helga Gutbrod, Köln nicht in die Zeitschrift aufgenom- sich helle und dunkle Flächen dynamisch abwechseln. 2012, S. 82 – 97, hier S. 82. men wurde.

110

Max Beckmann Die Ringer, 1921 Kaltnadelradierung

112 Max Burchartz Zwei Mädchenköpfe, 1922 Kreidelithografie

113 Otto Gleichmann Theaterloge, 1922 Kreidelithografie

114 George Grosz Straßenszene, 1919 / 20 Pinsel- und Federlithografie

115 Erich Heckel Der Narr, 1917 Holzschnitt

116 Ernst Ludwig Kirchner David Müller, 1919 Holzschnitt

117 Oskar Kokoschka Mädchenkopf, 1922 Kreidelithografie

118 Alfred Kubin Ritter Roland, 1921 Federlithografie

119 Carlo Mense Stigmatisation des Hl. Franziskus, 1922 Kreidelithografie

120 Max Pechstein Fischerkopf IX, 1922 Holzschnitt

121 Christian Rohlfs Tanzendes Paar, um 1913 Linolschnitt

122 Edwin Scharff Figürliche Komposition, 1921 Kreidelithografie

123 Karl Schmidt-Rottluff Weiblicher Kopf, 1915 Holzschnitt

124

Druckgrafische Mappenwerke von Bauhaus-Meistern im Lindenau-Museum Altenburg

Einige Bauhaus-Meister beschäftigten sich während ihrer Zeit in Weimar intensiv mit der Druckgrafik. Sie stellten herausragende Serien zusammen, die in der Druckerei des Bauhauses gefertigt und in Mappen- form ediert wurden. In der Sammlung des Lindenau- Museums zeugen von dieser regen druckgrafischen Aktivität die Zyklen Zwölf Holzschnitte von Lyonel Feininger, Das Wielandslied der aelteren Edda von Gerhard Marcks und Ypsilon von Georg Muche. Während Feininger sich bereits bestens in der Druckgrafik auskannte, als er 1919 als erster Lehrer an das gerade gegründete Bauhaus kam, wendete sich Marcks erst in Weimar dem Holz­­- schnitt zu. Ähnlich verhält es sich mit Muche, der jedoch vor allem Radierungen schuf. Als Formmeister der Drucke­ rei kam Feininger die Aufgabe zu, sich um die Beschaffung der notwendigen Materialien zu kümmern.­ Dass ihm dabei die Auswahl der Papiere besonders am Herzen lag, offenbart sich anhand seiner Zwölf Holzschnitte, die auf erlesenem, hauchdünnem Japan­papier gedruckt wurden.

Sophie Thorak

127 Zwölf Holzschnitte

Lyonel Feininger Der US-Amerikaner Lyonel Feininger siedelte ursprüng- lich für ein Musikstudium von New York nach Deutschland über, nahm dann jedoch zunächst in Hamburg Zeichen­ unterricht und begann kurz darauf das Kunststudium an der Königlichen Akademie in Berlin. Anschließend verdiente Feininger seinen Lebensunterhalt als Illustrator und Karikaturist. Um die Jahrhundertwende zählte er zu den gefragtesten Karikaturisten Deutschlands, mit Auftrag­ gebern in den USA und in Frankreich. Feiningers intensive Auseinandersetzung mit dem Medium des Holzschnitts setzte erst 1918 ein, also kurz vor seiner Berufung ans Bauhaus. Innerhalb der folgenden zwei Jahre entstand der wesentliche Teil seiner in dieser druckgrafischen Technik geschaffenen Werke, für die Feininger heute zu den bedeutendsten Holzschneidern des 20. Jahrhunderts gezählt wird. Mit der Mappe Zwölf Holzschnitte erschien Ende 1920 die erste Veröffentlichung des Staatlichen Bauhauses in einer Auflage von 50 Exemplaren.1 Den wesentlichen Teil dieser zwölf Holzschnitte hat Feininger bereits vor seiner Tätigkeit am Bauhaus geschaffen. Vertreten sind alle Themen, die sein Schaffen beherrschten: Strand- und Hafen- szenen, Architekturdarstellungen, Eisenbahnen, Segelschiffe sowie die exotische Themen aufgreifenden Blätter Vulkan und Tahiti. Der neutrale Mappentitel verweist ganz bewusst auf das Fehlen eines übergeordneten Zusammen- hangs in dieser recht heterogenen Bildfolge. Im Gegensatz hierzu hatten alle in der Folge am Bauhaus geschaffenen grafischen Zyklen ein literarisches, formales oder auch technisches Thema.2

Sophie Thorak

1 Vgl. Matuszak 2000, S. 54. 2 Vgl. Weber 1999, S. 81.

129

Lyonel Feininger Regentag am Strande, 1918 Holzschnitt

132 Lyonel Feininger Vulkan, 1918 Holzschnitt

133 Lyonel Feininger Zug auf der Brücke, 1918 Holzschnitt

134 Lyonel Feininger Stadt mit Kirche in der Sonne, 1918 Holzschnitt

135 Lyonel Feininger Gelmeroda (mit Tanne), 1918 Holzschnitt

136 Lyonel Feininger Hafen, 1918 Holzschnitt

137 Lyonel Feininger Zur Ausfahrt bereit, 1919 Holzschnitt

138 Lyonel Feininger Kriegsflotte 1, 1919 Holzschnitt

139 Lyonel Feininger Angler (mit Sonne), 1919 Holzschnitt

140 Lyonel Feininger Waldkirche 2, 1920 Holzschnitt

141 Lyonel Feininger Die Architektur, 1920 Holzschnitt

142 Lyonel Feininger Tahiti, 1920 Holzschnitt

143 Ypsilon – die kleine Satire auf die Weltanschauung des Materialisten N.

Georg Muche Georg Muche beteiligte sich ab 1915 an den internatio- ­nalen Sturm-Ausstellungen. Mehrere Jahre lang war er als Herwarth Waldens Assistent und als Lehrer an dessen Kunst­schule tätig. Am Bauhaus leitete er einen Vorkurs sowie als Formmeister die Werkstätten für Holzbildhauerei und Weberei. Insbesondere zu Beginn seiner Weimarer Zeit hat Muche sich intensiv mit der Druckgrafik auseinandergesetzt und war auf diesem Gebiet deutlich produktiver als etwa in der Malerei oder der Zeichnung. Die Druckgrafik bestand für Muche gleichberechtigt neben diesen Gattungen. Von seinen Drucken wurden meist nur wenige Exem­plare hergestellt.1 Muches druckgrafische Folge mit dem rätselhaften Titel Ypsilon – die kleine Satire auf die Weltanschauung des Materialisten N. setzt sich aus neun kleinformatigen Radierungen zusammen. Hervorzuheben ist der aller Wahrscheinlichkeit nach vom Künstler handbeschriftete Mappendeckel.2 Die Darstellungen der Radierfolge bewegen sich im Grenzbereich von Figuration und Abstraktion. Sie zeigen sich frei im Raum bewegende Kreis- und ­Gitter- formen, die Muche zu Formationen mit teilweise maschi- nen- oder menschenähnlichen Zügen verband. Locker gesetzte Punkt- und Linienstrukturen fassen diese Gebilde in den Bildraum ein. Astrologische Zeichen eröffnen kosmische Kontexte und verweisen auf Muches Interesse für metaphysische Zusammenhänge. Die Folge wurde nie als solche veröffentlicht. Bekannt ist nur eine weitere Ausführung der Mappe, die im Bauhaus- Archiv in Berlin aufbewahrt wird. Diesem Exemplar liegt als zehntes Blatt ein Linolschnitt bei.3

Sophie Thorak

1 Vgl. Weber 1999, S. 85. 2 Vgl. Matuszak 2000, S. 324. 3 Vgl. Weber 1999, S. 85 – 86.

145

Georg Muche Ypsilon 4, 1920 Ätzradierung

148 Georg Muche Ypsilon 9, 1921 Ätzradierung

149 Georg Muche Ypsilon 3, 1920 Ätzradierung

150 Georg Muche Ypsilon 8 Das Märchen von der ersten Bewegung ein kosmisches Stilleben, 1921 Ätzradierung

151 Georg Muche Ypsilon 7 Die Erschaffung Evas beinah eine lustige Geschichte, 1920 / 21 Ätzradierung

152 Georg Muche Ypsilon 1, 1920 Ätzradierung

153 Georg Muche Ypsilon 5 Er wird es nie begreifen, 1920 Ätzradierung

154 Georg Muche Ypsilon 2, 1920 Ätzradierung

155 Georg Muche Ypsilon 6, 1920 Ätzradierung

156

Das Wielandslied der aelteren Edda

Gerhard Marcks Der 1889 in Berlin geborene Gerhard Marcks war dort als autodidaktischer Bildhauer und Grafiker tätig. Schon früh fand er zu einer vereinfachenden Formensprache und erschloss sich Holz und Ton als Arbeitsmaterialien. Über seinen Bruder lernte Marcks Walter Gropius kennen, der ihn 1919 an das Staatliche Bauhaus berief. Dort kam Marcks die Aufgabe zu, in dem östlich von Weimar gelegenen Dornburg eine Keramikwerkstatt aufzubauen. Angeregt durch die Kunst des Mittelalters und seinen Kollegen Lyonel Feininger entdeckte Marcks am Bauhaus die Technik des Holzschnitts und setzte sich intensiv mit den Möglichkeiten des Mediums auseinander. Seine Motive bezog er aus der ländlichen Umgebung Dornburgs. In einem fast archaisch anmutenden, formvereinfachen- den Stil schuf er idyllische Szenerien mit Bauern, Schäfern und Tieren. Der hier ausgestellte, 1923 fertiggestellte Zyklus zu Karl Simrocks Übersetzung des Wielandslieds der aelteren Edda stellt insofern eine Ausnahme in Marcks Œuvre dar, da das Lied die grausige Rache des gedemütigten Schmieds Wieland behandelt. Mit seiner Darlegung des germa­- ni­schen Sagenstoffs brachte Marcks seinen Unmut über die Neuausrichtung­ des Bauhauses unter dem Motto »Kunst und Technik. Eine neue Einheit« zum Ausdruck.1 Hierzu distan­zierte er sich bewusst mit seinem fast klassisch-­illustrativen Gestaltungsansatz. So wie Wieland entflog, nachdem er sich an seinen Feinden gerächt hatte, wechselte auch Marcks 1925 mit dem Umzug des Bau- hauses nach Dessau als Professor an die Kunstgewerbeschule auf Burg Giebichenstein in Halle an der Saale.

Sophie Thorak

1 Vgl. Weber 1999, S. 83.

159

Gerhard Marcks Die drei Walküren 1, 1923 Holzschnitt

162 Gerhard Marcks Die drei Brüder, 1923 Holzschnitt

163 Gerhard Marcks Wieland, 1923 Holzschnitt

164 Gerhard Marcks Nidurds Reiter 1, 1923 Holzschnitt

165 Gerhard Marcks Der Überfall, 1923 Holzschnitt

166 Gerhard Marcks Wer fesselte den freien Mann?, 1923 Holzschnitt

167 Gerhard Marcks Nidurds Söhne, 1923 Holzschnitt

168 Gerhard Marcks Wieland, 1923 Holzschnitt

169 Gerhard Marcks Bödwild, 1923 Holzschnitt

170 Gerhard Marcks Lachend hob sich in die Luft Wölundr, 1923 Holzschnitt

171 Anhang Verzeichnis der 51 Mappe II Campendonk, Blindprägestempel ­ausgestellten Werke Gerhard Marcks: Die Eule, 1921. u. l.: Staatliches Bauhaus (Erstes Holzschnitt auf Japanpapier, 64 Signet). WVZ Engels/Söhn 51 283 × 238 mm (398 × 296 mm). Othon Coubine: Weibliche Halbfigur, 77 Mappe I Signatur u. r.: Gerhard Marcks um 1923. Kaltnadelradierung auf Walter Dexel: Abstrakte Kom­ 1921, Blindprägestempel u. l.: Kupferdruckkarton, 269 × 220 mm position (Sternenbrücke), 1919. 44 Staatliches Bauhaus (Erstes Signet). (401 × 301 mm). Bemerkungen: mit Holzschnitt auf Bütten, Lyonel Feininger: Villa am Strand, WVZ Lammek H 28 Kopierstift u. r.: für Müller & Co, 265 × 200 mm (375 × 315 mm). 1920. Holzschnitt auf Japanpapier, 52 Potsdam / Musterdruck »Coubine« Bez. Druckform u. l.: D 19, Signatur 265 × 342 mm (325 × 393 mm). Georg Muche: Tierkopf, 1921. 65 u. r.: Walter Dexel, Blindpräge­- Signatur u. l.: Lyonel Feininger. Ätzradierung auf Japanpapier Louis Marcoussis: Weiblicher Kopf stempel u. l.: Staatliches Bauhaus WVZ Prasse W 226 143 × 95 mm (305 × 202 mm). (La Belle Martiniquaise), 1912. (Erstes Signet). WVZ Vitt 10 45 Signatur u. l.: G Muche, Blindpräge- Kaltnadelradierung auf Kupfer- 78 Lyonel Feininger: Spaziergänger, stempel u. l.: Staatliches Bauhaus druckkarton, 287 × 220 mm Oskar Fischer: Reitendes Paar, 1918. Holzschnitt auf Japanpapier, (Erstes Signet). WVZ Schiller 12 (400 × 299 mm). Bez. Druckform um 1921. Pinsel- und Federlithografie 371 × 295 mm (418 × 350 mm). 53 o. l.: 19 LM 12. Signatur u. r.: auf Bütten, 250 × 220 mm Signatur u. l.: Lyonel Feininger, Georg Muche: Hand-Herz, 1921. Marcoussis, num. u. l.: 120 / 140. (488 × 390 mm). Bez. Druckform Blindprägestempel u. l.: Staatliches Ätzradierung auf Japanpapier, WVZ Lafranchis G 29 u. l.: reitendes Paar, Bez. Druckform Bauhaus (Erstes Signet). WVZ 144 × 130 mm (301 × 200 mm). 66 M. r.: OF, Signatur u. r.: Oskar Prasse W 113 Signatur u. l.: G Muche, Blindpräge- Léopold Survage: Komposition Fischer, Blindprägestempel u. l.: 46 stempel u. l.: Staatliches Bauhaus aus Baum- und Häuserformen, Staatliches Bauhaus (Erstes Signet) Johannes Itten: Spruch, 1921. Pinsel- (Erstes Signet). WVZ Schiller 13 um 1923. Farbholzschnitt auf Bütten, 79 und Federlithografie in fünf Farben, 54 303 × 234 mm (383 × 277 mm). Jacoba van Heemskerck: Kom­- Spritztechnik, schabloniert auf Oskar Schlemmer: Figur H 2, 1921. Bez. Druckform u. l.: LS, Signatur po­sition, um 1921. Linolschnitt einseitig geglättetem weißen Karton, Federlithografie auf rosafarbenem u. r.: Survage auf Bütten, 299 × 402 mm 296 × 230 mm (350 × 250 mm). Japanpapier, 359 × 236 mm 67 (375 × 534 mm). Signatur u. l.: Signatur u. r.: Itten. WVZ Rotzler/ (470 × 318 mm). Signatur u. r.: Fernand Léger: Le déjeuner, 1921. Jacoba van Heemskerck, Blind- Itten 223 Osk Schlemmer. WVZ GL 7 Lithografie auf Bütten, präge­stempel u. l.: Staatliches 47 55 212 × 283 mm (278 × 383 mm). Bauhaus (Erstes Signet) Johannes Itten: Haus des Oskar Schlemmer: Figurenplan K 1, Bez. Druckform u. r.: F. Leger 21. 80 weißen Mannes, 1920 / 22. Pinsel- 1921. Lithografie auf gelbem Japan- WVZ Saphire 10 Bernhard Hoetger: Figürliche und Kreide­­lithografie, gekratzt papier 400 × 195 mm (450 × 345 mm). Komposition, 1921. Kreidelithografie auf glattem Papier, 252 × 242 mm Signatur u. r.: Osk Schlemmer, auf Bütten, 375 × 305 mm (350 × 281 mm). Signatur Blindprägestempel u. l.: Staatliches Mappe III (495 × 385 mm). Bez. Druckform u. r.: Itten. WVZ Rotzler/Itten 222 Bauhaus (Erstes Signet). WVZ GL 8 u. r.: B Hoetger, Signatur u. l.: 48 56 74 B Hoetger 21, Blindprägestempel Paul Klee: Die Heilige vom innern Lothar Schreyer: Farbform 6 (Mutter) Rudolf Bauer: Bantama, um 1921. u. l.: Staatliches Bauhaus Licht, 1921. Lithografie in drei aus Bühnenwerk »Kindsterben«, Kreide-, Pinsel- und Federlitho-­ (Erstes Signet) Farben, Ölpause, Spritztechnik, 1921. Pinsel- und Federlithografie, grafie, Spritztechnik, Materialdruck 81 schabloniert auf festem Velin, handkoloriert auf Japanpapier, auf Bütten, 398 × 315 mm August Macke: Begrüßung, 1912. 310 × 175 mm (370 × 268 mm). 225 × 169 mm (351 × 249 mm). (543 × 385 mm). Bez. Druckform Linolschnitt auf Bütten, Signatur u. M.: 1921 / 122 Klee. Signatur u. r.: Lothar Schreyer 1921, u. l.: Rudolf Bauer, Bez. Druckform 243 × 197 mm (384 × 279 mm). WVZ 2713 (1921,122) Blindprägestempel u. l.: Staatliches u. r.: Bantama, Signatur u. r.: Blindprägestempel u. l.: Staat­- 49 Bauhaus (Erstes Signet) Rudolf Bauer, Titel u. r.: Bantama, liches Bauhaus (Erstes Signet), Paul Klee: Hoffmanneske Märchen­- 57 Blindprägestempel u. l.: Staatliches Bemerkungen: Auf der Rückseite scene, 1921. Lithografie in drei Lothar Schreyer: Farbform 2 (Nacht) Bauhaus (Erstes Signet) Bestätigung und Unterschrift Farben, Ölpause, Spritztechnik, aus Bühnenwerk »Kindsterben«, 75 der Witwe des Künstlers: August schabloniert auf festem Velin, 1921. Pinsel- und Federlithografie, Willi Baumeister: Visieren Macke: Begrüßung bestätigt. 317 × 230 mm (356 × 259 mm). handkoloriert auf Japanpapier, (Sitzende Figur), 1921 / 22. Pinsel- Elisabeth Macke Signatur u. M.: 1921 / 123 Klee. 291 × 171 mm (496 × 350 mm). und Federlithografie auf Bütten, 82 WVZ 2714 (1921,123) Signatur u. r.: Lothar Schreyer 1922, 387 × 275 mm (500 × 376 mm). Franz Marc: Schöpfungsgeschichte 1, 50 Blindprägestempel u. l.: Staatliches Signatur u. l.: Baumeister, Blind­- 1914. Holzschnitt auf Japanpapier, Gerhard Marcks: Die Katzen, Bauhaus (Erstes Signet) prägestempel u. l.: Staatliches 240 × 200 mm (352 × 250 mm). 1921. Holzschnitt auf Japanpapier, Bauhaus (Erstes Signet). WVZ Bez. Druckform u. l.: M, Blindpräge-­ 238 × 388 mm (352 × 495 mm). Spielmann 75 ­stempel u. l.: Staatliches Bauhaus Signatur u. l.: Gerhard Marcks 76 (Erstes Signet). WVZ Lankheit 842 1921, Blindprägestempel u. l.: Heinrich Campendonk: Sitzender 83 Staatliches Bauhaus (Erstes Signet). weiblicher Akt in Landschaft Johannes Molzahn: Komposition, WVZ Lammek H 27 mit Bauernhaus, 1920 / 21. Holz­- 1921. Holzschnitt auf Bütten, schnitt auf Bütten, 219 × 220 mm 276 × 152 mm (381 × 278 mm). (377 × 315 mm). Signatur u. l.: Signatur u. r.: Johannes Molzahn 21,

173 Blindprägestempel u. l.: Staatliches u. r.: C. Carrà 1922, Signatur u. l.: Signatur u. r.: 26/ Enrico Prampolini, (482 × 419 mm). Bez. Druckform Bauhaus (Erstes Signet) Carlo Carrà, Titel u. l.: »I saltim­- Blindprägestempel u. l.: Staat­- u. l.: E L K, Signatur (mit grauem 84 banchi«, Blindprägestempel liches Bauhaus (Erstes Signet) Signaturstempel) u. r.: E L Kirchner. Kurt Schwitters: Komposition u. l.: Staatliches Bauhaus 104 WVZ Dube H 409 II B mit Kopf im Profil, 1921. Kreide­ (Erstes Signet). WVZ Carrà 9 Gino Severini: Harlekin-Familie, 118 lithografie auf Bütten, 240 × 200 mm 97 um 1922. Federlithografie Oskar Kokoschka: Mädchenkopf, (380 × 276 mm). Bez. Druckform Marc Chagall: Der Spaziergang. II, auf elfen­beinfarbenem Papier, 1922. Kreidelithografie auf u. l.: Blindprägestempel u. l.: 1922. Kaltnadelradierung auf 303 × 204 mm (461 × 296 mm). Maschinenbütten, 305 × 270 mm Staatliches Bauhaus (Erstes Signet). Maschinenbütten, 174 × 140 mm Bez. Druckform u. M.: G. Severini, (520 × 382 mm). Signatur u. r.: WVZ Orchard/Schulz 930 (245 × 219 mm). Signatur u. r.: Signatur u. r.: Gino Severini, O Kokoschka, Blindprägestempel 85 Chagall, Blindprägestempel u. l.: Blindprägestempel u. l.: Staatliches u. l.: Staatliches Bauhaus Fritz Stuckenberg: Straße mit Staatliches Bauhaus (Erstes Signet). Bauhaus (Erstes Signet) (Erstes Signet). WVZ Welz / Häusern, um 1921. Kreidelithografie, WVZ Kornfeld 27 Wingler 152 gekratzt auf Bütten, 330 × 210 mm 98 119 (387 × 279 mm). Signatur u. r.: Giorgio de Chirico: Oreste e Pilade, Mappe V Alfred Kubin: Ritter Roland, Stuckenberg, Blindprägestempel u. l.: 1921. Federlithografie auf Bütten, 1921. Federlithografie auf Bütten, Staatliches Bauhaus (Erstes Signet) 289 × 200 mm (383 × 276 mm). 112 259 × 204 mm (387 × 283 mm). 86 Bez. Druckform u. r.: G. de Chirico, Max Beckmann: Die Ringer, 1921. Bez. Druckform u. r.: A Kubin, Arnold Topp: Abstrakte Kom­po­ Blindprägestempel u. l.: Staatliches Kaltnadelradierung auf Kupfer- Signatur u. r.: Kubin, Blindpräge- sition, 1921. Holzschnitt auf Bütten, Bauhaus (Erstes Signet). WVZ druckpapier, 202 × 142 mm stempel u. l.: Staatliches Bauhaus 278 × 215 mm (376 × 312 mm). Ciranna 140 (302 × 199 mm). Signatur u. r.: (Erstes Signet). WVZ Raabe 143 Signatur u. r.: Arnold Topp 21, 99 Beckmann, Blindprägestempel u. l.: 120 Blindprägestempel u. l.: Staatliches Natalja Gontscharowa: Weibliche Staatliches Bauhaus (Erstes Signet). Carlo Mense: Stigmatisation des Hl. Bauhaus (Erstes Signet). WVZ Halbfigur,um 1922. Kreidelithografie­ WVZ Hofmaier 201 Franziskus, 1922. Kreidelithografie Enders 20. Hs.15 in drei Farben auf Maschinen­bütten, 113 auf Bütten, 381 × 230 mm 87 364 × 251 mm (498 × 338 mm). Bez. Max Burchartz: Zwei Mädchen­ (501 × 378 mm). Bez. Druckform William Wauer: Komposition Druckform u. l.: N Gontcharowa, köpfe, 1922. Kreidelithografie auf u. r.: C. Mense., Signatur u. l.: mit Ovalen, 1921. Kreidelithografie Signatur u. l.: N. Gontcharowa, Maschinenbütten, 321 × 254 mm C. Mense, Blindprägestempel u. l.: auf Bütten, 347 × 286 mm Blindprägestempel u. l.: Staatliches (503 × 383 mm). Signatur u. r.: Staatliches Bauhaus (Erstes Signet). (544 × 387 mm). Bez. Druckform Bauhaus (Erstes Signet) M Burchartz, Blindprägestempel WVZ Drenker-Nagels 543 u. l.: William Wauer, Blindpräge- 100 u. l.: Staatliches Bauhaus 121 stempel u. l.: Staatliches Bauhaus Alexej von Jawlensky: Kopf, 1921. (Erstes Signet) Max Pechstein: Fischerkopf IX, (Erstes Signet) Kreidelithografie auf glattem Papier, 114 1922. Holzschnitt auf Bütten, 178 × 123 mm (300 × 234 mm). Otto Gleichmann: Theaterloge, 399 × 320 mm (507 × 375 mm). Bez. Druckform u. l.: A. J., Signatur 1922. Kreidelithografie auf chamois­ Bez. Druckform u. r.: HMP, Signatur Mappe IV u. r.: A Jawlensky, Blindpräge- farbenem Papier, 305 × 240 mm u. r.: H M Pechstein, Blindpräge- stempel u. l.: Staatliches Bauhaus (462 × 298 mm). Bez. Druck- stempel u. l.: Staatliches Bauhaus 94 (Erstes Signet). WVZ Rosenbach 17 form u. l.: O. Gl. 22., Signatur (Erstes Signet). WVZ Krüger H 245 Alexander Archipenko: Zwei 101 u. r.: Otto Gleichmann 1922., 122 weibliche Akte, 1921 / 22. Kreide- Wassily Kandinsky: Komposition, Blind­prägestempel u. l.: Staatliches Christian Rohlfs: Tanzendes Paar, lithografie auf Maschinenbütten, 1922. Pinsel- und Federlithografie Bauhaus (Erstes Signet) um 1913. Linolschnitt auf Bütten, 368 × 291 mm (500 × 335 mm). in vier Farben auf Maschinenbütten, 115 288 × 309 mm (374 × 383 mm). Signatur u. l.: Archipenko, 279 × 244 mm (362 × 343 mm). George Grosz: Straßenszene, Signatur in der Darstellung u. r.: Blindprägestempel u. l.: Staatliches Bez. Druckform u. l.: K, Signatur 1919 / 20. Pinsel- und Federlitho­ Chr Rohlfs, Blindprägestempel u. l.: Bauhaus (Erstes Signet). WVZ u. r.: Kandinsky. WVZ Roethel 162 grafie auf Bütten, 389 × 269 mm Staatliches Bauhaus (Erstes Signet). Karshan 25 102 (502 × 385 mm). Signatur u. r.: WVZ Vogt 70 95 Michail Larionow: Komposition, Grosz, Blindprägestempel u. l.: 123 Umberto Boccioni: Fortbewegung um 1922. Pinsel- und Feder­litho­grafie Staatliches Bauhaus (Erstes Signet). Edwin Scharff: Figürliche (Radfahrer), um 1913. Pinsel- in zwei Farben auf Maschinenbütten,­ WVZ Dückers E 60 Komposition, 1921. Kreidelitho- und Federlithografie auf chamois- 440 × 298 mm (503 × 339 mm). 116 grafie auf Bütten, 232 × 183 mm farbenem Papier, 210 × 310 mm Bez. Druckform u. l.: M. Larionow/ Erich Heckel: Der Narr, 1917. (462 × 299 mm). Bez. Druckform (296 × 385 mm). Bez. Druckform Signatur u. r.: M. Larionow/ Holzschnitt auf Maschinenbütten, u. r.: ES 1921, Signatur u. r.: ES, u. r.: Boccioni, Blindpräge- Blindprägestempel u. l.: Staatliches 359 × 271 mm (454 × 379 mm). Blindprägestempel u. l.: Staatliches stempel u. l.: Staatliches Bauhaus Bauhaus (Erstes Signet) Signatur u. r.: Erich Heckel, Bauhaus (Erstes Signet) (Erstes Signet), chamoifarbenes 103 Blindprägestempel u. l.: Staatliches 124 Papier. WVZ Calvesi /Coen 885 Enrico Prampolini: Figürliches Bauhaus (Erstes Signet). WVZ Dube Karl Schmidt-Rottluff: Weiblicher 96 Motiv, 1923. Kreidelithografie 309 II B Kopf, 1915. Holzschnitt auf Carlo Carrà: I saltimbanchi, 1922. auf elfenbeinfarbenem Papier, 117 satiniertem Papier, 248 × 179 mm Federlithografie auf Maschinen­ 244 × 125 mm (461 × 299 mm). Ernst Ludwig Kirchner: David (350 × 276 mm). Signatur u. r.: bütten, 300 × 215 mm Bez. Druckform u. M.: E. Müller, 1919. Holzschnitt auf S Rottluff. WVZ Schapire 180 (384 × 278 mm). Bez. Druckform PRAMPOLINI ROMA – 1923, bräunlichem Papier, 340 × 293 mm

174 Zwölf Holzschnitte 144 × 115 mm (203 × 160 mm). 154 167 Signatur u. l.: Lyonel Feininger. Georg Muche: Ypsilon 5 Gerhard Marcks: Wer fesselte 132 WVZ Prasse W 220 / II Er wird es nie begreifen, 1920. den freien Mann?, 1923. Holz- Lyonel Feininger: Regentag 142 Ätzradierung auf Bütten, schnitt auf Bütten, 200 × 149 mm am Strande, 1918. Holzschnitt Lyonel Feininger: Die Architektur, 140 × 90 mm (339 × 248 mm). (284 × 220 mm). Signatur u. r.: auf Japanpapier, 135 × 213 mm 1920. Holzschnitt auf Japanpapier, Signatur u. l.: G Muche A VII. Bauhaus-Signum von Gerhard (242 × 305 mm). Signatur u. l.: 153 × 226 mm (240 × 304 mm). WVZ Schiller 5 Marcks 1923, Blattfolge u. r.: Lyonel Feininger. WVZ Prasse Signatur u. l.: Lyonel Feininger. 155 VI. WVZ Lammek H 77.6 W 39 / I WVZ Prasse W 232 Georg Muche: Ypsilon 2, 168 133 143 1920. Ätzradierung auf Bütten, Gerhard Marcks: Nidurds Söhne, Lyonel Feininger: Vulkan, 1918. Lyonel Feininger: Tahiti, 1920. 142 × 92 mm (341 × 249 mm). 1923. Holzschnitt auf Bütten, Holzschnitt auf Japanpapier, Holzschnitt auf Japanpapier, Signatur u. l.: G Muche A IIX. 146 × 201 mm (223 × 280 mm). 108 × 128 mm (203 × 242 mm). 164 × 187 mm (242 × 302 mm). WVZ Schiller 2 Signatur u. r.: Bauhaus-Signum von Signatur u. l.: Lyonel Feininger. Signatur u. l.: Lyonel Feininger. 156 Gerhard Marcks 1923, Blattfolge WVZ Prasse W 65 WVZ Prasse W 235 Georg Muche: Ypsilon 6, u. r.: VII. WVZ Lammek H 77.7 134 1920. Ätzradierung auf Bütten, 169 Lyonel Feininger: Zug auf der Brücke, 164 × 112 mm (337 × 247 mm). Gerhard Marcks: Wieland, 1923. 1918. Holzschnitt auf Japanpapier, Ypsilon Signatur u. l.: G Muche A IX. Holzschnitt auf Bütten, 201 × 146 mm 92 × 115 mm (161 × 200 mm). WVZ Schiller 6 / II (284 × 220 mm). Signatur u. r.: Signatur u. l.: Lyonel Feininger. 148 Bauhaus-Signum von Gerhard WVZ Prasse W 81 / II Georg Muche: Ypsilon 4, 1920. Marcks 1923, Blattfolge u. r.: VIII. 135 Ätzradierung auf Bütten, Das Wielandslied WVZ Lammek H 77.8 Lyonel Feininger: Stadt mit Kirche 144 × 92 mm (340 × 247 mm). 170 in der Sonne, 1918. Holzschnitt Signatur u. l.: G Muche A I. WVZ 162 Gerhard Marcks: Bödwild, 1923. auf Japanpapier, 164 × 248 mm Schiller 4 Gerhard Marcks: Die drei Holzschnitt auf Bütten, 198 × 146 mm (241 × 300 mm). Signatur u. l.: 149 Walküren 1, 1923. Holzschnitt (283 × 215 mm). Signatur u. r.: Lyonel Feininger. WVZ Prasse W 87 Georg Muche: Ypsilon 9, 1921. auf Bütten, 196 × 145 mm Bauhaus-Signum von Gerhard 136 Ätzradierung auf Bütten, (280 × 219 mm). Signatur u. r.: Marcks 1923, Blattfolge u. r.: IX. Lyonel Feininger: Gelmeroda 94 × 75 mm (337 × 249 mm). Bauhaus-Signum von Gerhard WVZ Lammek H 77. 9 (mit Tanne), 1918. Holzschnitt Signatur u. l.: G Muche A II. WVZ Marcks 1923, Blattfolge u. r.: 171 auf Japanpapier, 218 × 172 mm Schiller 9 I. WVZ Lammek H 77.1 Gerhard Marcks: Lachend hob sich (303 × 240 mm). Signatur u. l.: 150 163 in die Luft Wölundr, 1923. Holz- Lyonel Feininger. WVZ Prasse 89/ II Georg Muche: Ypsilon 3, 1920. Gerhard Marcks: Die drei Brüder, schnitt auf Bütten, 197 × 146 mm 137 Ätzradierung auf Bütten, 1923. Holzschnitt auf Bütten, (277 × 220 mm). Signatur u. r.: Lyonel Feininger: Hafen, 1918. 162 × 111 mm (338 × 247 mm). 196 × 144 mm (283 × 219 mm). Bauhaus-Signum von Gerhard Holzschnitt auf Japanpapier, Signatur u. l.: G Muche A III. Signatur u. r.: Bauhaus-Signum Marcks 1923, Blattfolge u. r.: X. 163 × 220 mm (241 × 302 mm). WVZ Schiller 3 von Gerhard Marcks 1923, Blatt­- WVZ Lammek H 77.10 Signatur u. l.: Lyonel Feininger. 151 folge u. r.: II. WVZ Lammek H 77.2 WVZ Prasse W 110 Georg Muche: Ypsilon 8 164 138 Das Märchen von der ersten Gerhard Marcks: Wieland, 1923. Lyonel Feininger: Zur Ausfahrt Bewegung ein kosmisches Stilleben, Holzschnitt auf Bütten, 198 × 142 mm bereit, 1919. Holzschnitt 1921. Ätzradierung auf Bütten, (278 × 222 mm). Signatur u. r.: auf Japanpapier, 175 × 213 mm 95 × 140 mm (338 × 248 mm). Bauhaus-Signum von Gerhard (243 × 303 mm). Signatur u. l.: Signatur u. l.: G Muche A IV. Marcks 1923, Blattfolge u. r.: III. Lyonel Feininger. WVZ WVZ Schiller 8 WVZ Lammek H 77.3 Prasse W 119 152 165 139 Georg Muche: Ypsilon 7 Gerhard Marcks: Nidurds Reiter 1, Lyonel Feininger: Kriegsflotte 1, Die Erschaffung Evas beinah 1923. Holzschnitt auf Bütten, 1919. Holzschnitt auf Japanpapier, eine lustige Geschichte, 1920 / 21. 197 × 144 mm (279 × 215 mm). 164 × 235 mm (240 × 300 mm). Ätzradierung auf Bütten, Signatur u. r.: Bauhaus-Signum Signatur u. l.: Lyonel Feininger. 143 × 140 mm (338 × 247 mm). von Gerhard Marcks 1923, Blatt- WVZ Prasse W 150 Signatur u. l.: G Muche A V. folge u. r.: IV. WVZ Lammek H 77. 4 140 WVZ Schiller 7 166 Lyonel Feininger: Angler 153 Gerhard Marcks: Der Überfall, (mit Sonne), 1919. Holzschnitt Georg Muche: Ypsilon 1, 1923. Holzschnitt auf Bütten, auf Japanpapier, 100 × 141 mm 1920. Ätzradierung auf Bütten, 199 × 146 mm (283 × 220 mm). WVZ Werkverzeichnis (165 × 206 mm). Signatur u. l.: 105 × 100 mm (339 × 247 mm). Signatur u. r.: Bauhaus-Signum Lyonel Feininger. WVZ Prasse W 191 Signatur u. l.: G Muche A IV. von Gerhard Marcks 1923, Blatt- Alle Mappen im Bestand 141 WVZ Schiller 1 folge u. r.: V. WVZ Lammek H 77.5 des Lindenau-Museums Altenburg, Lyonel Feininger: Waldkirche 2, außer Neue Europäische Graphik, 1920. Holzschnitt auf Japanpapier, Mappe II.

175 Alexander Archipenko, Rudolf Bauer, Willi Baumeister, Max Beckmann, Vincenc Beneš, Umberto Boccioni, Georges Braque, Max Burchartz, Heinrich Campendonk, Carlo Carrà, Marc Chagall, Giorgio de Chirico, Othon Coubine, Robert Delaunay, André Derain, Walter Dexel, Marthe Donas, Max Ernst, Henri Le Fauconnier, Lyonel Feininger, Emil Filla, Ernesto de Fiori, Oskar Fischer, Roger de La Fresnaye, Otto Gleichmann, Albert Gleizes, Natalja Gontscharowa, Juan Gris, George Grosz, Jacoba van Heemskerck, Erich Heckel, Bernhard Hoetger, Johannes Itten, Alexej von Jawlensky, Le Corbusier, Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, Oskar Kokoschka,

176 Alfred Kubin, Michail Larionow, Marie Laurencin, Wilhelm Lehmbruck, Fernand Léger, André Lhote, Jacques Lipchitz, August Macke, Franz Marc, Gerhard Marcks, Louis Marcoussis, Henri Matisse, Ludwig Meidner, Carlo Mense, Jean Metzinger, Johannes Molzahn, Wilhelm Morgner, Georg Muche, Otto Mueller, Edvard Munch, Amédée Ozenfant, Max Pechstein, Francis Picabia, , Enrico Prampolini, Christian Rohlfs, Edwin Scharff, Oskar Schlemmer, Karl Schmidt-Rottluff, Lothar Schreyer, Kurt Schwitters, Gino Severini, Ardengo Soffici, Léopold Survage, Fritz Stuckenberg, Arnold Topp, William Wauer

Neue Europäische Graphik: beteiligte Künstler, angefragte Künstler, Nachlass

177

Otto Dorfner, Lyonel Feininger Erste Mappe: Meister des Staatlichen Bauhauses, 1922 Kalbspergamentmappe

Otto Dorfner, Lyonel Feininger, Ludwig Hirschfeld-Mack Dritte Mappe: Deutsche Künstler, 1922 Halbpergamentmappe

Otto Dorfner, Lyonel Feininger, Ludwig Hirschfeld-Mack Vierte Mappe: Italienische und russische Künstler, 1924 Halbpergamentmappe

Josef Albers, Otto Dorfner, Lyonel Feininger Fünfte Mappe: Deutsche Künstler, 1923 Halbpergamentmappe

Otto Dorfner, Lyonel Feininger Zwölf Holzschnitte, 1921 Halbpergamentmappe

Otto Dorfner, Gerhard Marcks Das Wielandslied, 1923 Kalbspergamentmappe

179

Literatur Wendermann, Gerda: Das Landesmuseum Weimar. Ein umstrittener Ort der Avantgarde 1919 – 1933, in: Neues Museum Weimar. Geschichte Ackermann, Ute: Die Jahre am Bauhaus, in: Georg Muche. Sturm – und Ausblick, hrsg. von Rolf Bothe, München / Berlin 1997, S. 62 – 80. Bauhaus – Spätwerk, Ausst.-Kat. Bad Homburg v. d. Höhe, Tübingen Wiese, Erich: Der Graphiksammler. Mappenwerke, in: Der Cicerone, 1995, S. 17 – 22. Jg. 14/1922, Heft 4, S. 169 – 170. Beloubek-Hammer, Anita: Der Sturm – Schauplatz der euro­päischen Wiese, Erich: Bauhaus-Drucke. Neue Europäische Graphik. Fünfte Mappe. Avantgarde im zeitgenössischen Umfeld, zum 100. Jubiläum der Deutsche Künstler, in: Der Cicerone, Jg. 15/1923, Heft 13, S. 617. von Herwarth Walden gegründeten Berliner Kunstgalerie, in: Jahrbuch Wingler, Hans M.: Die Mappenwerke »Neue Europäische Graphik«, der Berliner Museen 54 (2012), S. 103 – 127. Mainz und Berlin 1965. Bernhard, Peter: Die Einflüsse der Philosophie am Weimarer Bauhaus, Winkler, Hans-Jürgen: Das Märzgefallenen-Denkmal in Weimar, in: Ausst.-Kat. Hamm / Würzburg 2006, S. 29 – 34. Weimar 2004. Drost, Julia / Kostka, Alexandre (Hrsg.): Harry Graf Kessler. Porträt eines europäischen Kulturvermittlers, Berlin 2015. Ausst.-Kat. Bad Homburg v. d. Höhe 1995: Georg Muche. Sturm – Ewig, Isabelle/Gaehtgens, Thomas W. / Noell, Matthias (Hrsg.): Bauhaus – Spätwerk, hrsg. von der Altana AG, Bad Homburg v. d. Höhe, Das Bau­haus und Frankreich. Le Bauhaus et la France 1919 – 1940, Tübingen 1995. Berlin 2002. Ausst.-Kat. Düsseldorf/Halle 1992: Konstruktivistische Inter­- Föhl, Thomas: Ein Museum der Moderne. Harry Graf Kessler nationale Schöpferische Arbeitsgemeinschaft, 1922 – 1927. Utopien und das neue Weimar, in: Manet bis van Gogh. Hugo von Tschudi und für eine europäische Kultur, hrsg. von Bernd Finkeldey, Kunstsammlung der Kampf um die Moderne, Ausst.-Kat. Berlin / München 1996 /97, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf / Staatliche Galerie Moritzburg Halle, München 1996, S. 288 – 301. Stuttgart 1992. Föhl, Thomas: Kunstpolitik und Lebensentwurf. Das Neue Weimar Ausst.-Kat. Hagen/ Nürnberg 1992/93: Henry van der Velde. im Spiegel der Beziehungen zwischen Henry van der Velde und Harry Ein europäischer Künstler seiner Zeit, hrsg. von Klaus-Jürgen Sembach Graf Kessler, in: Ausst.-Kat. Weimar 1999, S. 60 – 89. und Birgit Schulte, Karl-Ernst-Osthaus-Museum, Hagen/Germanisches Geelhaar, Christian: Paul Klee und das Bauhaus, Köln 1972. Nationalmuseum Nürnberg, Hagen 1992. Hentschel, Barbara: Kandinsky und Goethe. »Über das Geistige Ausst.-Kat. Hamm/Würzburg 2006: Das Bauhaus und die Esoterik. in der Kunst« in der Tradition Goethescher Naturwissenschaft, Johannes Itten – Wassily Kandinsky – Paul Klee, hrsg. von Christoph Wagner, Berlin 2000. Gustav-Lübcke-Museum, Hamm/Museum im Kulturspeicher Würzburg, Hüter, Karl Heinz: Das Bauhaus in Weimar. 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Zwischen Galerie, Quedlinburg, Bielefeld 2013. Inven­tion und Reproduktion, Berlin / München 2015 (Diss. 2013). Ausst.-Kat. Strassburg 2006: Utopie et revolte. La gravure allemande Matuszak, Thomas: »... ruhelos und ohne des Schlafes Geschenk«. du Jugendstil au Bauhaus dans les collections publiques françaises, Katalog der zwischen 1903/04 und 1932 edierten deutschen hrsg. von Marie-Jeanne Geyer und Marie Gispert, Musee d’art moderne druck­graphischen Mappenwerke, illustrierten Bücher sowie Zeitschriften et contemporain de Strasbourg, Straßburg 2006. mit Original­graphik im Lindenau-Museum Altenburg, hrsg. vom Ausst.-Kat. Stuttgart 2014: Kandinsky, Klee, Schiele … Graphikmappen Lindenau-Museum Altenburg unter der Leitung von Thomas Matuszak, des frühen 20. Jahrhunderts, hrsg. von Susanne M. I. Kaufmann und Leipzig 2000. Corinna Höper, Staatsgalerie Stuttgart, München 2014. Neumann, Antje (Hrsg.): Harry Graf Kessler – Henry van de Velde. Ausst.-Kat. Weimar/Berlin/Bern 1994/95: Das frühe Bauhaus Der Briefwechsel, Köln/ Weimar/ Wien 2015. und Johannes Itten, hrsg. von Rolf Bothe, Kunstsammlungen zu Weimar/ Peters, Heinz: Die Bauhaus-Mappen »Neue Europäische Graphik«, Bauhaus-Archiv, Museum für Gestaltung, Berlin/Kunstmuseum Bern, Köln 1957. Ostfildern-Ruit 1994. Seemann, Hellmut (Hrsg.): Europa in Weimar. Visionen eines Kontinents Ausst.-Kat. Weimar 1999: Aufstieg und Fall der Moderne, hrsg. von (= Jahrbuch der Klassik Stiftung Weimar), Göttingen 2008. Rolf Bothe und Thomas Föhl, Kunstsammlungen zu Weimar, Seemann, Hellmut/Valk, Thorsten (Hrsg.): Klassik und Avantgarde. Ostfildern-Ruit 1999. Das Bauhaus in Weimar 1919 – 1923 (= Jahrbuch der Klassik Stiftung Ausst.-Kat. Weimar 2009: Das Bauhaus kommt aus Weimar, hrsg. von Weimar), Göttingen 2009. Ute Ackermann und Ulrike Bestgen, Klassik Stiftung Weimar, Berlin/ Siebenbrodt, Michael (Hrsg.): Bauhaus Weimar. Entwürfe für die München 2009. Zukunft, Ostfildern-Ruit 2000. Wahl, Volker (Hrsg.): Die Meisterratsprotokolle des Staatlichen Bauhauses Weimar 1919 bis 1925, Weimar 2001. Wahl, Volker: Wie Walter Gropius nach Weimar kam. Zur Gründungs­ geschichte des Staatlichen Bauhauses in Weimar 1919, in: Die große Stadt. Das kulturhistorische Archiv von Weimar-Jena, 1/3 (2008), S. 167 – 211. Weber, Klaus: Punkt, Linie, Fläche. Druckgraphik am Bauhaus, Berlin 1999.

181 Autoren

Dr. Toni Hildebrandt (geb. 1984) studierte Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Philosophie und Roma-­ nistik in Jena, Weimar, Rom und Neapel. Von 2010 bis 2013 am NFS Bildkritik »eikones«. Von 2013 bis 2017 Postdoc am Istituto Svizzero in Rom. Seit 2014 wissenschaftlicher Assistent in der Abteilung für die Kunstgeschichte der Moderne und der Gegenwart am Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern.

Dr. Roland Krischke (geb. 1967) studierte Romanistik, Slawistik, Philosophie und Germanistik in Heidel­- berg, Münster, Wien und Frankfurt a. M. Seit 1995 zahlreiche Aus- stellungen und Publikationen zur Kunst-, Literatur- und Kulturgeschichte. Von 1995 bis 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Museum Haus Cajeth, Heidelberg und von 2002 bis 2007 im Landesmuseum Mainz sowie in der Max-Slevogt-Galerie auf Schloss Villa Ludwigshöhe in Edenkoben. Von 2007 bis 2013 Direktor Kommunikation und Bildung der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha. Danach als Verleger tätig. Seit 2016 Direktor des Lindenau-Museums Altenburg.

Dr. Thomas Matuszak (geb. 1955) studierte Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Neue Deutsche Literatur an der Universität Göttingen. Von 1994 bis 2014 Leiter der Grafischen Sammlung am Lindenau-Museum Altenburg. Unter seiner Leitung ist der umfassende Bestandskatalog des Lindenau-Museums von druckgrafischen Mappenwerken, illustrierten Büchern und Zeitschriften mit Originalgrafik aus der Zeit von 1903 /04 bis 1932 erschienen.

Laura Rosengarten (geb. 1987) studierte Kunstgeschichte und Romanistik in Leipzig und Rom. Von 2015 bis 2018 tätig am Handschriftenzentrum der Universitätsbibliothek Leipzig. Seit Mai 2018 wissenschaftliche Volontärin für Grafik und Gemälde am Lindenau-Museum Altenburg.

Dr. des. Benjamin Rux (geb. 1980) studierte Kunstgeschichte, Politikwissenschaften und Interkulturelle Kommunikation in Jena und Bologna. Seit 2006 Ausstellungen zur Kunst im Öffentlichen Raum, von 2007 bis 2014 freier Mitarbeiter der Klassik Stiftung Weimar, von 2009 bis 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bibliotheca Hertziana in Rom, von 2014 bis 2016 wissenschaftlicher Museumsassistent am Kupferstichkabinett und an der Alten National- galerie, Staatliche Museen zu Berlin. Seit 2017 Kustos für Gemälde und die Grafische Sammlung am Lindenau-Museum Altenburg.

Sophie Thorak (geb. 1990) studierte Kunstgeschichte und Klassische Archäologie in Leipzig, Paris und Berlin. Von 2016 bis 2018 wissenschaftliche Volontärin am Lindenau- Museum Altenburg und derzeit freiberuflich tätig.

182 Bildnachweis

Abb. S. 6 – 7, 20, 43, 47, 73, 75, 93, 111, 121 – 122, 131, 136, 147, 161, 180 – 181 Foto Lutz Ebhardt, Gotha © Lindenau-Museum Altenburg Abb. S. 44 – 46, 48 – 57, 74, 76 – 87, 94 – 104, 112 – 120, 123 – 124, 132 – 135, 137 – 143, 148 – 156, 162 – 171 Foto Bernd Sinterhauf, Berlin © Lindenau-Museum Altenburg Abb. S. 15 © bpk / The Metropolitan Museum of Art Abb. S. 22 © bpk / Neue Galerie New York Abb. S. 32 © bpk / adhoc-photos Abb. S. 17 © bpk / Scala Abb. S. 12 © bpk / Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin Abb. S. 13 © bpk / Kunstsammlungen Chemnitz Abb. S. 23, 24, 26, 28 (Foto: Alexander Burzik), 34, 37 Klassik Stiftung Weimar Abb. S. 25 © Bauhaus-Universität Weimar Abb. S. 63 – 67 © Bauhaus-Archiv Berlin Abb. S. 16 © Scala Group Abb. S. 22 © Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

Titelabbildung © Lindenau-Museum Altenburg, Foto: Bernd Sinterhauf, Berlin

© 2019 für die abgebildeten Werke von Alexander Archipenko, Rudolf Bauer, Willi Baumeister, Max Beckmann, Max Burchartz, Heinrich Campendonk, Carlo Carrà, Marc Chagall, Giorgio de Chirico, Othon Coubine, Lyonel Feininger, Natalja Gontscharowa, George Grosz (Estate of George Grosz, Princeton, N. J.), Bernhard Hoetger, Johannes Itten, Oskar Kokoschka (Fondation Oskar Kokoschka), Alfred Kubin (Eberhard Spangenberg, München), Michail Larionow, Fernand Léger, Gerhard Marcks, Edwin Scharff, Karl Schmidt-Rottluff, Gino Severini, Léopold Survage, Arnold Topp, William Wauer bei VG Bild-Kunst, Bonn 2019, sowie bei den Künstlern oder ihren Rechtsnachfolgern

Für die Werke von Max Pechstein: © 2019 Pechstein Hamburg / Tökendorf Für die Werke von Erich Heckel: © Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen Für die Werke von Lothar Schreyer: © 2019 Schreyer

Nicht in allen Fällen war es möglich, Rechteinhaber der Abbildungen ausfindig zu machen. Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

183 Impressum

Dieser Katalog erscheint aus Anlass der Ausstellung Das Bauhaus – Grafische Meisterwerke von Klee bis Kandinsky im Lindenau-Museum Altenburg vom 24. Februar bis zum 19. Mai 2019

© 2019 Sandstein Verlag, Dresden, Lindenau-Museum Altenburg und die Autoren

Herausgeber: Roland Krischke für das Lindenau-Museum Altenburg Texte: Toni Hildebrandt, Roland Krischke, Thomas Matuszak, Laura Rosengarten, Benjamin Rux, Sophie Thorak Redaktion: Laura Rosengarten, Benjamin Rux Lektorat: Martin Fruhstorfer, Leipzig Korrektorat: Sina Volk, Sandstein Verlag Gestaltung: Lisa Wüllner, Sandstein Verlag Reprografie: Christian Werner, Sandstein Verlag Druck und Bindearbeiten: Finidr, s. r. o., Cesk´yˇ Teˇšín

Schriften: Sabon, Univers Linotype Papier des Inhalts: Munken Lynx 130 gm²

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

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www.lindenau-museum.de

www.sandstein-verlag.de ISBN 978-3-95498-460-2

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