Ein Stück Zeitkritik Sie polarisieren Kein Tag ohne Religion Kirchgemeinden Dörfer, die boomen, ster- Das Netzwerk christlicher Hermann Hesse beschäf- Wissenswertes über Ihre ben zugleich: Das «Requi- Abtreibungsgegner reicht tigte sich zeitlebens mit Kirchgemeinde lesen Sie em für B» handelt von bis in reformierte Landes- Spiritualität. War er seiner in Ihrer Gemeindebeilage diesem Paradox. REGION 2 kirchen. HINTERGRUND 3 Zeit voraus? REGION 9 im 2. Bund. AB SEITE 13 Foto: Keystone

Bern Jura Solothurn

Die evangelisch- reformierte Zeitung Nr. 9/September 2019 www.reformiert.info

sition.»­ Einig ist er mit Pfister und bieten. Auch hier begrüssen Geg- den meisten Präsidenten, dass sie an ner der Lockerung den kirchlichen Kirche soll sich in die gesellschaftlicher Bedeutung verlie- Appell. «Mutig und positiv» fand ren. Die «Erosion der Milieus» habe ihn Rytz (Grüne). Gössi (FDP) hin- die Landeskirchen vielfältiger ge- gegen sagt: «Kirchliche Würdenträ- macht. «Weil sie möglichst viele Mit- ger sollten auf tagespolitischer Ebe- Politik einbringen glieder mitnehmen wollen, fällt es ne keine Forderungen stellen.» Die ihnen zunehmend schwer, sich in Poli­tik sei «weltlichen Religionszu- Debatten klar zu positionieren.» gehörigen» zu überlassen. Wahlen Die Präsidentinnen und Präsidenten der sechs grössten Parteien Explizit zu Wort gemeldet haben In Gössis Unterscheidung zwi- sich die Kirchen zuletzt in der Bun- schen Klerus und Gläubigen zeigt schätzen mehrheitlich eine Kirche, die sich politisch äussert. Doch ihre despolitik, als die Richtlinien für sich für Politologe Widmer weniger Erwartungen sind unterschiedlich. Das zeigt die Umfrage von «reformiert.». Waffenexporte gelockert werden ihre katholische Prägung als die Tatsache, «dass die Kirchen freisin- Links und rechts sind sich für ein- Petra Gössi: «Geistliche Würdenträ- sident zähle vor allem jene Themen niger Politik oft widersprechen». mal einig: Die Kirche soll sich in der ger sollten sich auf übergeordnete auf, die auf der Agenda seiner Par- «Stellungnahmen Die FDP gewichte die Interessen der Politik zu Wort melden. Das sagt Themen wie die Wertediskussion tei stünden, kommentiert der Zür- Wirtschaft hoch, und der kirchliche SP-Präsident Christian Levrat und fokussieren.» Die gesellschaftlichen cher Politologieprofessor Thomas werden begrüsst, Protest habe sich gegen ihren Bun- verweist dabei auf die «unverkenn- Werte der Schweiz gründeten «klar Widmer. Er erkennt darin die Ten- desrat gerichtet. bare Übereinstimmung zwischen in der christlichen Tradition». denz, dass Politiker Stellungnah- solange sie ins der Botschaft des Evangeliums und men begrüssen, solange sie ihnen Bedeutungsvolle Werte den grossen Leitlinien» seiner Par- Lobby für Benachteiligte ins Konzept passen. Das gilt freilich eigene politische Gegenüber der Kirche zeigen sich tei. Das sagt auch SVP-Präsident Al- Mit Blick auf die Parlamentswahlen auch für Levrat (SP), der die Kirchen Konzept passen.» die Parteispitzen offen und eher po­- bert Rösti, ermahnt die Kirchen je- vom 20. Oktober hat «reformiert.» dafür lobt, dass «sie insbesondere sitiv eingestellt, bilanziert Widmer. doch, ihren «eigentlichen Auftrag, die Spitzen der sechs grössten Par- die Interessen von benachteiligten Auch Grossen (GLP), der das System die Verkündigung der frohen Bot- teien befragt, ausgewählt nach den Menschen vertreten, die von der mit staatlich anerkannten Kirchen schaft», nicht zu vergessen. Wahlresultaten von 2015. politischen Mehrheit zu wenig be- ablehnt, verlangt, dass kirchliche Regula Rytz, die Präsidentin der Die Politikerinnen und Politiker rücksichtigt werden». Thomas Widmer Grundwerte in einer modernen Ge- Grünen, erwartet von der Kirche schätzen Diskussionsbeiträge der CVP-Präsident Gerhard Pfister Politologe sellschaft «bedeutungsvoll bleiben». «unbedingt» ein Engagement «in der Kirchen zu ganz unterschiedlichen setzt bei kirchlichen Stellungnah- Felix Reich und Cornelia Krause harten politischen Diskussion». Die Themen. Rösti (SVP) nennt zum Bei- men «Kompetenz und Sachkennt- Kirche sei mit ihren starken Grund- spiel Familienarbeit und Kinderer- nis» voraus. Er stellt die Kirchen sollten. Der evangelische Kirchen- werten eine «wichtige Partnerin der ziehung, den Umgang mit anderen auf eine Stufe mit anderen Nichtre- bundpräsident Gottfried Locher und Alle Antworten der Politiker politischen Institutionen». Selbst Religionen, Altersbetreuung, Ster- gierungsorganisationen. Damit ig- der Präsident der Bischofskonferenz, und Politikerinnen im Wortlaut GLP-Präsident Jürg Grossen, der die bebegleitung, Föderalismus, direk- noriere Pfister, der seine Partei of- Charles Morerod, forderten den da- sowie das Interview mit dem­ Trennung von Kirche und Staat be- te Demokratie, das «Spannungsfeld fenbar vom Image der Kirchennähe maligen Bundesrat Johann Schnei- Politologen Thomas Widmer: fürwortet, hält es für richtig, wenn zwischen Eigenverantwortung und wegführen wolle, die Realität, sagt der-Ammann und später die Natio- sich die Kirche politisch äussert. Zu- staatlichen Regeln» in Steuerfragen Widmer. «Die Kirchen haben in vie- nalräte auf, Waffenlieferungen in reformiert.info/wahlen2019 rückhaltender ist FDP-Präsidentin und im Sozialsystem. Der SVP-Prä- len Kantonen eine priviliegierte Po- Konfliktregionen weiterhin zu ver-

Dossier Arm zu sein bedeutet nicht nur, kein Geld zu haben Ein Leben in Armut – das tönt nach bit- terer Not, krassem Elend und Ver- wahrlosung. Nach vergangenen Zeiten auch, als es noch keine Sozialwerke gab und jede Familie ökonomisch ganz auf sich gestellt war. Heute äussert sich Armut in der Schweiz anders. Für die Betroffenen bedeutet sie ein Leben auf dem Existenzminimum, oft- mals ohne Job, begleitet vom Sozial- amt und belastet von persönlichen, fa- miliären und sozialen Problemen.

Ein Bruch im Leben «reformiert.» berichtet über eine Emmentalerin, die in Armut lebt. Zuerst war sie Wirtin in einem Landgasthof. Dann geriet sie wegen Ehe- und Alko- holproblemen in eine Abwärtsspirale und verlor alles, was ihr bisheriges Le- ben ausmachte. Bis auf die Tochter, die eine Behinderung hat, das Mitfie- bern an Schwingfesten, das Jodeln und einen unbeugsamen Lebensmut, der sie durch schwierige Zeiten trägt.

SEITEN 5–8 Der Alltag von Mutter und Tochter ist von Einschränkung und Verzicht geprägt – aber auch von Wünschen und Träumen. Foto: Carmela Odoni 2 REGION reformiert. Nr. 9/September 2019 www.reformiert.info

Es war ein Bauern- und Handwer- Ständerat berät über kerdorf, familiär, ruhig, überschau- Gesungen, gesprochen Kovi im Herbst bar. Heute ist es das nicht mehr. Ein kritischer Denn es hatte das Glück – oder auch Im «Requiem für B» treten Figuren von Politik Diesen August hat sich die Pech – in Stadtnähe erbaut worden Bruno Arn, Musik von Dieter Schürch Rechtskommission des Ständerates zu sein. Was in den frühen 1960er- und Texte von Stef Stauffer miteinander mit der Konzernverantwortungs­ Jah­ren Investoren auf den Plan rief. in Bezug. Thematisiert wird der Zei­ initiative (Kovi) beschäftigt, und Blick auf «Spekulanten», wie kritische Einhei- tenwandel am Beispiel des Berner Dorfs der Bundesrat hat dazu einen eige- mische sagten. Die Investoren kauf- Münchenbuchsee. Die Musik orien­­- nen Gegenvorschlag präsentiert. ten den Bauern das Land ab und tiert sich an der Tradition der Blasmusik, Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der bauten Häuser für gutverdienende aber auch an der Form des kirch­ Bundesrat die Initiative ohne Ge- den Bauboom Neuzuzüger aus der Stadt. Das Ge- lichen Requiems. Die Ausführenden: genvorschlag abgelehnt. Der Stän- schäft florierte, alte Häuser wurden Karin Stübi Wolgemuth (Sopran), derat berät voraussichtlich in der abgebrochen, neue gebaut, das Dorf Barbara Erni (Alt), Katharina Kilchen­ Herbstsession über dieses Geschäft. veränderte sein Gesicht. mann (Sprecherin), Joschi Kühne Während sich der Nationalrat für Ortsgeschichte In der Kirche Münchenbuchsee (Sprecher) sowie diverse Instrumenta­ einen indirekten Gegenvorschlag steht eine besondere Uraufführung an: Das «Requi- Der zeichnende Chronist listinnen und Instrumentalisten. aussprach, hat der Ständerat im «Münchenbuchsee war geradezu Frühling einen solchen abgelehnt. em für B» thematisiert in Bild, Ton und Wort berühmt für seine Abbrüche, sogar «Requiem für B», Uraufführung: 12./13./ «reformiert.» sprach mit Gabriela den Verlust der traditionellen dörflichen Identität. der Eisenplastiker Bernhard Lugin- 14. September, 20 Uhr, Kirche München- Allemann und Markus Huppen­ bühl hat dies in einem seiner Filme buchsee. www.requiem-für-b.ch bauer über die Initiative. Als Präsi- aufgegriffen», sagt Bruno Arn. Er dentin der Evangelischen Frauen muss es wissen; der 80-Jährige ist im Schweiz unterstützt Allemann die Dorf geboren, aufgewachsen und uraufgeführt wird. Es nimmt die Initiative, der Ethiker und Theolo- noch immer wohnhaft. Hier betrieb klassische Form der musikalischen ge ist dagegen. nm er sein Architekturbüro, das unter- Totenmesse auf und ist ein Gesamt- dessen von seinem Sohn weiterge- kunstwerk aus Musik, Text, Skulp- Pro und Contra: reformiert.info/kovi führt wird. Hier befindet sich auch tur und Inszenierung. Der Kompo- sein Künstleratelier, denn nebst der nist ist der Berner Musiker Dieter Architektur hat Arn immer auch Schürch, Bruno Arn hat dazu über- die bildenden Künste gepflegt, als lebensgrosse, lustig-schaurige To- Ökumenischer Zeichner, Maler, Skulpteur. Und als tenfiguren in Dorfmusikantenuni- Filmpreis Locarno Chronist seines Dorfes, das innert form geschaffen, die Texte stammen von seiner Tochter, der Buchauto- Kultur Den Hauptpreis der Ökume- rin Stef Stauffer. nischen Jury erhielt dieses Jahr der «Münchenbuchsee Film «Maternal» – eine Geschich- Das Bild des Zorns te über Teenager-Mütter in einem war geradezu Anstoss zu diesem Projekt gab 2014 argentinischen Kloster. Seit 1973 der Abriss des «Löwen»-Saals, der verleiht die Ökumenische Jury am berühmt für seine einst so manchem Verein als Probe- Filmfestival Locarno einen mit Abbrüche.» und Aufführungslokal gedient hat- 20 000 Franken dotierten Preis an te. Mit dem Saal starb ein weiteres Filmschaffende, die ihr Publikum Stück des alten Buchsi, was Arn zu für religiöse, menschliche oder so- einem «Zornbild» inspirierte. Die- ziale Werte zu sensibilisieren ver- ses Gemälde zeigt ein Gruppenbild mögen. Das Preisgeld vergeben die mit Dorfmusikanten, deren Skelett- Evangelisch-reformierten Kirchen Bruno Arn schädel makaber grinsen wie Ge- und die Römisch-katholische Kir- Architekt und Kunstschaffender vatter Tod persönlich. Aus diesem che der Schweiz. Lesen Sie online, Bild heraus entstanden zehn Skulp- wie sich «reformiert.»-Redaktorin turen aus alten Lärchenlatten, die Rita Gianelli in Locarno auf die Su- weniger Jahrzehnte eine tiefgreifen- sich nun im «Requiem für B» zum che nach Gott machte. nm de Metamorphose vom ländlichen Totentanz versammeln. Idyll zur boomenden Agglomerati- «Wir erzählen in unserem Werk Artikel: reformiert.info/locarno onsgemeinde durchgemacht hat. keine alten Geschichten und üben Damit steht Münchenbuchsee – auch nicht bloss Kritik», stellt der oder Buchsi, wie die Einheimischen Initiant klar. «Das Requiem ist viel- sagen – als Beispiel für viele wei­ mehr eine Liebeserklärung an Buch- Kirchen geraten unter tere Schweizer Ortschaften. Bruno si.» An jenes Buchsi vor allem, wie politischen Druck Arn und weitere Kulturschaffende es früher einmal war, mit seinen mit engem Bezug zum Ort treten Ecken und Winkeln, Handwerkern Politik Eine Studie der Universität nun mit einem Abgesang auf das und Bauern, den Originalen und Freiburg hat politische Vorstösse in alte Buchsi an die Öffentlichkeit: Originellen, alten Häusern, traditi- den Kantonen zu Religionsgemein- mit dem Werk «Requiem für B», das onellen Beizen und seinem intimen schaften und Landeskirchen unter- Lustig-makabre Musikanten rüsten zum Abgesang auf ihr Dorf. Foto: zvg Mitte September in der Dorfkirche Charme. Hans Herrmann sucht. Dabei zeigt sich, dass Kir- chensteuern für Unternehmen als veraltet empfunden werden. Nicht wenige fordern, dass der Staat die finanziellen Leistungen an die Kir- hahn. Sie sagt: «Hier komme ich mit es gebe auch immer wieder heitere chen abbaut. Auch sollen die Ver- Pfarrer, die Bier Menschen ins Gespräch, die ich in Momente: Eine angehende Braut anstaltungs- und Tanzverbote an der Kirche nicht antreffe. Es ist gros- und ihre Freundinnen machten an kirchlichen Feiertagen abgeschafft sartig, knüpft das Projekt doch an ihrem Polterabend Halt an der Velo- werden, und religiöse Symbole in ausschenken die christliche Tradition an, gemein- bar. «Als sie erfuhr, dass ich Pfarrer öffentlichen Gebäuden sollen ent- sam das Leben zu feiern.» bin, bat sie um den Segen.» Spontan fernt werden dürfen. ki Seelsorge Die mobile «Unfassbar» zieht von Fest segnete Jungen die Braut. «Die Frau- Segen an der Bar en brachen in Tränen aus. Sie erleb- Artikel: reformiert.info/kirchensteuer zu Fest und bringt damit Kirche zu den Menschen. Die Pfarrer wollen mit der Bar die ten, wie Kirche emotional berühren «reformiert.» war beim Thunfest mit dabei. Kirche zu den Menschen bringen. kann.» Nicola Mohler Ihren Beruf verheimlichen sie da- «Ich spendiere eine Runde», sagt ein Tobias Rentsch und Bernhard Jun- bei nicht. Oft werde die Kirche rasch Auch das noch Mann. Zusammen mit zwei Kolle- gen («reformiert.» 8/2017). zum Thema. Tobias Rentsch betont gen steht er an der Unfassbar, einer Diesen Sommer kam der Theo- aber: «Wir sind auch für die da, die mobilen Velobar. Manuel Zimmer- logiestudent Manuel Zimmermann einfach ein Bier bestellen und wie- Mit Golfschwung gegen mann, angehender Pfarrer, schenkt dazu. Sie fahren mit ihrer Bar vom der gehen.» Da spiele es dann keine Mitgliederschwund drei Bier aus. Bernhard Jungen, pen- Züri- zum Thunfest, vom Mechiu- Rolle, ob ein Pfarrer das Bier ge- sionierter Pfarrer und Initiant der che-Märit zum Food-Festival Kuli- zapft habe. Für den Pfarrer in Aar- Church of England Die Kathedrale Unfassbar, ist mit einem der Gäste nata. Unterstützt werden sie dabei wangen sind meist die unspektaku- von Rochester in Südengland will in ein angeregtes Gespräch über von Kirchgemeinden, nicht nur fi- lären Gespräche die, die nachhallen. mit einer 9-Loch-Minigolfanlage Trauungen verwickelt. nanziell. Freiwillige packen vor Ort «Menschen stehen an der Bar, geben neue Besucher ins Gotteshaus lo- mit an. Am Thunfest steht am Frei- etwas aus ihrem Leben preis und cken; offensichtlich mit Erfolg. Die Gemeinsam das Leben feiern tagabend Margrit Schwander, Pfar- freuen sich, dass sie die Kirche an Chorherrin Rachel Philipps berich- Es ist knapp vor zehn Uhr abends. rerin der Stadtkirche Thun, am Zapf- einem Fest angetroffen haben», be- tet von der Begeisterung der Golfe- Die schmale Gasse in der Thuner richtet Tobias Rentsch. rinnen und Golfer. Greift das Bei- Altstadt wird immer voller. Vom Bernhard Jungen hat in den letz- spiel auf Bern über, können wir Mühleplatz drängen Musikklänge Im Video erfahren Sie, was ten zwei Jahren viele unfassbare vielleicht bald schon im Münster im in die Parallelstrasse. Die Menschen Besucherinnen und Be- Momente an der Bar erlebt. Zum Kletterpark herumhangeln, zwi- sind ausgelassen, flanieren in Grup- sucher des Thunfestes von Beispiel ein Gespräch über den Ver- schen den Bänken Pétanque spielen pen, halten Getränkebecher in den der Unfassbar halten. lust eines achtjährigen Enkels. «Ich oder von der Kanzel aus die Golf- Händen. Und mitten drin präsent selber habe meinen Sohn verloren. bälle ins Kirchenschiff schlagen. ist die Kirche mit der Unfassbar. Das reformiert.info/unfassbar Am Schluss umarmten wir einan- Pfarrer der Bar: Bernhard Jungen (links) Das wird ein Spass. ki Projekt startete vor zwei Jahren mit der und weinten», sagt Jungen. Aber und Tobias Rentsch. Foto: zvg reformiert. Nr. 9/September 2019 www.reformiert.info HINTERGRUND 3

die­ser Konfliktsituation braucht es eine Güterabwägung, die alleine von Wo die Konservativen ganz der schwangeren Frau vorgenom- men werden kann.» Der Pro-Life-Bewegung hält er zugute, dass sie auf die «Banalisie- vorne mitmarschieren rung der Abtreibung» hinweise. Ob- wohl die Schwangerschaftsabbrü- che in der Schweiz seit Jahren kaum Gesellschaft Am 14. September wollen christliche Abtreibungsgegner und -gegnerinnen in Zürich den ansteigen – ungefähr 10 000 sind es pro Jahr – glaubt Mathwig, dass Ab­ «Marsch fürs Läbe» durchführen. Dahinter stehen vor allem konservativ-katholische und freikirchliche treibung mehr und mehr als etwas Kreise – und «Schoggi-Baron» Jürg Läderach. Einige Exponenten wollen die Fristenlösung abschaffen. Normales betrachtet werde. «Aus der christlichen Sicht ist ein Schwan­ Die Lebensschützer sind überzeugt: gerschaftsabbruch immer ein Grenz­ Abtreibung sei «in nahezu 100 Pro- fall», betont er. Trotzdem hätten zent der Fälle ein furchtbares Un- die Lebensschützer kein Recht, einer recht». Das steht auf der Website Frau in Not den Gewissensentscheid des «Marsch fürs Läbe», der von 13 zu diktieren. christlichen Organisationen getra- gen wird und der das nächste Mal Auch Reformierte dabei am 14. September in Zürich stattfin- Trotz der liberalen Haltung des SEK den soll. Die hiesige Pro-Life-Bewe- setzen sich auch Reformierte beim gung bezeichnet sich als überkon- «Marsch fürs Läbe» ein. Dieser wird fessionell, besteht jedoch vor allem mitgetragen von der Schweizeri- aus konservativ-katholischen und schen Evangelischen Allianz, zu de- freikirchlichen Kreisen.

Traditionelles Familienbild Der Marsch beschäftigt Zur Trägerschaft des Marsches ge- die Gerichte hört die Schweizer Sektion der ka- tholischen US-Organisation «Hu- Der Zürcher Stadtrat möchte den man Life International», welcher Demonstrationsumzug vom 14. Septem­ der frühere Churer Bischof Vitus ber durch die Innenstadt verbieten Huonder und der päpstliche Nunti- und nur eine stehende Kundgebung auf us Thomas Gullickson nahestehen. dem dezentral gelegenen Turbinen­ Auf freikirchlicher Seite findet sich platz im Kreis 5 erlauben. Grund sind das charismatisch orientierte «Ge- Si­cherheitsbedenken: Es sei zu be­ bet für die Schweiz». fürchten, dass gewaltbereite Gegen­de­ Stark engagiert sich auch der Un- monstranten die Umzugsteilneh­ ternehmer Jürg Läderach gegen den menden angreifen könnten. Gegen das Schwangerschaftsabbruch, der in Verbot legte der «Marsch fürs Läbe» der Schweiz bis zur zwölften Wo- erfolgreich Beschwerde beim Zürcher che straffrei ist. Der Chocolatier, Statthalter ein, der den Umzug er­ der das Geschäft 2018 dem Sohn laubte: Die Behörden seien verpflichtet, übergeben hat, gehört zur evange­ durch ausreichenden Polizeischutz lischen Gemeinde Hof-Oberkirch dafür zu sorgen, dass öffentliche Kund­ in Kaltbrunn SG und vertritt die gebungen stattfinden könnten. Der Schweizer Sektion von «Christiani- Stadtrat zog den Fall ans Verwaltungs­ ty for today». Die Organisation ver- gericht weiter, wo er bei Redaktions­ tritt laut dem Religionsexperten schluss noch hängig war. Georg-Otto Schmid «konservativ- evangelikale Positionen» und setzt Gerichtsentscheid: reformiert.info/prolife sich für christliche Ethik in der Po- litik und der Gesellschaft ein. Ihre Ein massives Polizeiaufgebot begleitete 2013 den Demonstrationszug «Marsch fürs Läbe» in Zürich. Foto: Keystone Bulletins propagieren nebst dem ren Mitgliedern reformierte Kirch- Le­bensschutz ein traditionelles Fa- gemeinden und Personen zählen. milienbild; zudem wird für die Mei­ schützt. Und 2015 kamen in Zürich gefordert, ist laut Website jedoch 2016 trat Sabine Aschmann, re- nungsfreiheit eingestanden, die an- 3000 Personen,­ es gab Ausschrei- ein Ziel der Bewegung. «Frauen sollen formierte Pfarrerin in Schlatt TG, geblich bedroht sei. tungen der Gegendemonstranten. als Rednerin auf. «Ich wehre mich Dieses Jahr setzt sich die Kund- Abtreibung als Grenzfall über ihren Körper gegen die Verharmlosung der Ab- Viel Polizeischutz nötig gebung für das Lebensrecht von Klar für die Fristenregelung ausge- treibung», sagt sie. Ausserdem soll­ In Sachen Meinungsfreiheit dürfte Menschen mit Trisomie 21 ein. Me- sprochen hat sich 2001 der Evan­ selbst bestimmen ten psychisch-emotionale Proble- sich «Christianity for today» bestä- diensprecherin Beatrice Gall-Voll- gelische Kirchenbund SEK. «Der Kir­ dürfen.» me, unter denen viele Frauen nach tigt fühlen, denn Zürichs Stadtrat rath sagt: «Wir wollen dafür sensi- chenbund setzt sich für das Recht Abtreibungen litten, nicht länger will den Marsch verbieten (Kasten). bilisieren, dass rund 90 Prozent der der Frau ein, über ihren Körper ver­schwiegen werden. Die Forde- Seit 2010 findet die Demo fast jedes Ungeborenen­ mit Down Syndrom selbst und alleine bestimmen zu dür­ rung nach einem vollständigen Ab- Jahr statt. Letztes Jahr mobilisierte abgetrieben werden – diese Elimi- fen», sagt Ethiker Frank Math­wig. treibungsverbot unterstützt Asch­ sie in Bern 1500 Leute und wurde nierung ist für die Gesellschaft ein Aus christlicher Sicht kollidiere ei- Frank Mathwig mann aber nicht. «Das widerspricht mit gros­ser Polizeipräsenz vor Ge- grosser Schaden.» Ein Abtreibungs- ne Abtreibung zwar mit dem bib­ Ethiker beim Kirchenbund SEK meinem Verständnis eines libera- gendemos linksradikaler Kreise ge- verbot wird am Marsch selbst nicht lischen Tötungsverbot. Aber: «In len Staates.» Sabine Schüpbach

men.» Man könne sich dabei eben- eigene Verhalten, um richtig oder Amos aus dem Alten Testament: Sünde und Ablass falls freikaufen. Nicht mehr wie falsch, Schuld oder nicht Schuld.» «Propheten sind Menschen, die be- früher die ganze Seele, aber immer- Benjam Schliesser, Professor für sonders gut in die Gegenwart bli- hin sei mit einer Abgabe an eine hö- Neues Testament an der Uni Bern, cken können. Sie sind es, die aus- treiben neue Blüten here Instanz, die diesen Handel ver- begrüsst es einerseits, wenn in sä- sprechen, was alle verdrängen. Die waltet, das gute Gewissen zu retten. kularen Bereichen theologisch ge- hinschauen, wovor alle anderen die Rhetorik Beide Seiten bedienen sich in der Kli­ma­ Die Verwendung von Begriffen wie sprochen wird. «Aber was meint das Augen verschliessen.» Ablass, Sünde und Heiligkeit in der Wort heilig wirklich, wenn wir von Die Bibelwissenschaftlerin Silvia debatte gerne biblischer Begriffe. Und tragen dabei Klimadebatte zeigt der Theologin: der heiligen Greta sprechen? Was Schroer hält fest: Man solle vorsich- manchmal allzu dick auf. «Es geht bei diesem Thema um das bedeutet Sünde, wenn von Klima- tig sein mit so grossen Vergleichen, sünde die Rede ist?» Die Alltags- meist werde erst im Nachhinein er- «Endlich wissen wir, dass Greta kei- Vokabular benutzt: «Heilige Greta», sprache meine mit diesen Begriffen kennbar, ob ein Prophet auch wirk- ne Heilige ist», titeln verschiedene «Klimasünder», «Apokalypse», «Ab- «Greta Thunberg steht in erster Linie ein moralisch rich­ lich einer war. Aber auch Schroer Zeitungen Mitte August, als Greta lass» für den CO2-Austoss. in der Tradition der tiges oder verwerfliches Handeln. sieht Gretas Handeln durchaus in Thunberg auf dem Schiff Rich­tung «Ich denke, solche Begrifflich­ Theologisch schwinge im Wort Kli­ einer prophetischen Tradition. Ih- New York unterwegs ist. Ausschlag keiten­ sind nicht im engeren Sinn Propheten. Sie klagt die masünde aber auch mit, dass jeder re Anklage richte sich an die Mäch- für die Kritik an der Umweltaktivis- biblisch, nehmen aber Bezug auf Mächtigen an.» Mensch der Schöpfung Gottes Scha­ tigen und Verantwortlichen dieser tin gaben die Diskussionen, wie um- unsere christliche­­ Traditionen», sagt den zufügt, sogar Greta. Welt wie auch an jeden Einzelnen. weltfreundlich die Reise der Sech- Silvia Schroer, katholische Theolo- Sie analysiere schonungslos Ver- zehnjährigen mit dem Segelboot gin und Professorin an der Univer- Ein grosser Vergleich gangenheit und Gegenwart. «Nicht statt dem Flugzeug an den Klima- sität Bern. «Das Ablasswesen, das Die deutsche Bundestagsabgeord- das Vorhersagen von Zukunft ist ja gipfel in Übersee tatsächlich sei. ein Hauptanstoss für die Reformati- nete und Fraktionsvorsitzende der die Aufgabe der Prophetie, sondern Ob heilig oder nicht heilig: Im on war, ist mit der Klimakompensa- Silvia Schoer Grünen Katrin Göring-Eckardt ver- situationsbezogenes Aufzeigen von Zusammenhang mit der aktuellen tion tatsächlich­ in einer säkularen Theologin an der Universität Bern glich in einer ihrer Reden Greta Ursache, Wirkung und Verantwor- Umweltdebatte wird oft biblisches Form ein Stück weit zurückgekom- Thun­berg gar mit dem Propheten tung», sagt Schroer. Nicola Mohler 4 HINTERGRUND reformiert. Nr. /September  www.reformiert.info

tet sich zwar leiden- schaftlich gern. Ihr virtuoses Spiel SEK-Präsident Wenn die Kontrolle mit Sünde, Busse, Demut und Pomp verbindet sie dennoch mit der ka- sagt Ja zur tholischen Tradition. Freilich funktioniert das Spiel Ehe für alle Gottes verloren geht nur, wenn der Gegner mitspielt. Und das tut er. Auf der Tour zum Tanzal- bum «Confessions on a Dancefl oor» Politik Gottfried Locher Musik Verwandlungskünstlerin Madonna liebt Jesus und arbeitet sich am () schwebte Madonna an einem befürwortet die Ehe für Kreuz und setzte sich eine Dornen- gleichgeschlechtliche Katholizismus ab, der sie die Kunst der Inszenierung lehrte. Auf ihrer neuen krone auf. Prompt forderte ein Kar- Platte färbt die Sängerin ihren Kampf gegen Waff engewalt christlich ein. dinal ihre Exkommuni kation und Paare. Dieses Statement beklagte eine «gotteslästerliche He- erhält Unterstützung. rausforderung des Glaubens» sowie die «Entweihung des Kreuzes». In Soll die Ehe auch für homosexuelle Deutschland beobachtete auch der Paare möglich werden? Dies fragt Staatsanwalt die Auftritte, weil er die Rechtskommission des Natio- Verstösse gegen den Paragrafen be- nalrats in einer Vernehmlassung, fürchtete, der die «Beschimpfung an der sich auch die Kirchen beteili- von Bekenntnissen und Religions- gen. Noch ringt der Schweizerische gemeinschaften» verbietet. Evangelische Kirchenbund (SEK) um eine Antwort («reformiert.» / Botschaft und Provokation ). Schon jetzt aber lässt sich Madonna, die in ihrer kabbalis ti- SEK-Präsident Gottfried Locher zu schen Phase steckte und die Holly- diesem Thema vernehmen: Er be- wood-Version der jüdischen Mystik fürworte die Ehe auch für gleich- für sich entdeckt hatte, fühlte sich geschlechtliche Paare, liess er sich total missverstanden. Die insze- jüngst in einem Interview zitieren. nierte Kreuzigung wolle nicht pro- «Wenn sich der Staat zur gleichge- vozieren, sondern Menschen dazu schlechtlichen Ehe hin öff net, sehe bringen, Jesus nachzuahmen. «Sei- ich keinen Grund, warum wir ihm ne Botschaft ist, dass man seinen nicht folgen sollten.»

Die Debatte entspannen «Ich kämpfe für Ehe für alle entspreche einem ak- tuellen gesellschaftlichen Konsens, die Freiheit. Ich den die Kirche ernst nehmen solle, so Locher weiter. Und letztlich sei bin Provokateurin die Ehe kein Teil des christlichen und hoff entlich Bekenntnisses, gehöre nicht zu den Grundfragen des Glaubens. «Das ist Sie will nur spielen: Bewaffnete Madonna während eines Konzerts in Amsterdam im Juli 2012. Foto: Keystone nie, was Leute von der Schlüssel, um die Debatte zu ent- spannen.» Locher stellt im Interview mir erwarten.» auch klar: Er wolle den Delegierten Die Bänke in der Kathedrale bleiben Waff en. Der Kurzschluss von «God» ten gegen die Doppelmoral gehö- nicht vorgreifen, äussere derzeit nur leer. Im Mittelgang sind die Särge und «Gun» lässt zudem an die Ver- ren zum Pop. Und selbst Peinlich- seine eigene Meinung. aufgereiht. Der Kirchenchor singt: götterung der Waff e denken. keiten bügelt Madonna aus, indem Persönlich begrüsst Andreas Zel- «We lost God control.» Mit ihrem sie den Tabubruch ironisch bricht ler die Wortmeldung des SEK-Prä- «God Control» und insbeson- Tanz und Bekenntnis wie im gross artigen «Human Na- Madonna sidenten: «Letzten Sommer an der dere mit dem in dramatische Episo- Das Christentum trägt der Popstar ture» (). Und en passant entlarvt Popstar Abgeordnetenversammlung in Win- den zerhackten Video thematisiert nicht nur im Namen. Die Religion sie mit ihrem Mix aus Erotik und terthur habe ich gesagt, dass die Madonna die in den USA grassieren- zieht sich wie ein roter Faden durch religiöser Symbolik den Jungfrau- Diskussion geführt werden müsse», de Waff engewalt und fordert stär- ihr Werk. Ob als Mittel zur Provo- enkult als das, was er ist: eine Män- Nächsten wie sich selbst lieben soll, sagt der Synodalratspräsident der kere Kontrollen sowie schlicht eine kation oder Zufl ucht, als Korsett nerfantasie. und dass es Leute in Not gibt.» Sie reformierten Berner Landeskirche. «vernünftige Gesetzgebung». oder Sehnsuchtsort. Als sie  im Ihre neue Platte taufte die Ver- selbst wolle wie Jesus sein und wie Diese hat die Segnung von homo- Dass Madonna ihr Postulat reli- Video zu «Likea Prayer» den Ras- wandlungskünstlerin schlicht «Ma- Mahatma Gandhi, Martin Luther sexu ellen Paaren bereits in den giös unterfüttert, ist kein Zufall. In sismus im amerikanischen Justiz- dame X». Vielleicht schwingt im X King oder John Lennon. «Ausser na- er-Jahren in ihre Kirchenord- bester Popmanier öff net sie Asso- system anprangerte und sich die das Kreuz mit. Jedenfalls mündet türlich, dass ich gern noch ein biss- nung aufgenommen. Welche Aus- ziationsräume, ohne sich festzule- Stigmata Christi zufügte, wurde ihr das in die Weltmusik ausfransende chen leben möchte.» Das mit dem wirkungen eine Gesetzesänderung gen. Indem der Genitiv unmarkiert Blasphemie vorgeworfen. Madon- «Batuka» fern jeder Ironie im «Sing Älterwerden hat schon ganz gut auf die kirchlichen Trauungen ha- bleibt, schwingt im Titel die «Gun na antwortete, indem sie das Lied hallelujah, say amen», nachdem es geklappt. Einzig bis zu Ghandi, der be, müsse besprochen werden. Des- Control» mit, die Gesetzgebung zu ihrer Mutter widmete, die sie «be- mit der Bitte um Gottes Gnade be-  Jahre alt wurde, fehlen Madonna halb sei  eine Gesprächssynode Produktion, Handel und Besitz von ten gelehrt hat». Doppelbödigkei- gonnen hatte. Mit dem Vatikan strei- noch  Jahre. Felix Reich zum Thema geplant. heb, nm

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Wenn schon ein Korb Gemüse ein Wunder ist

Ursula Sterchi in ihrer Wohnung. Wegen dem Autoservice auf die Jodelstunde verzichten; shoppen, ohne einzukaufen: Wer arm ist, muss sich einschränken.­ In der Schweiz sind das offiziell rund acht Prozent der Bevölkerung oder etwa 675 000 Personen. Oft löst ein Schicksalsschlag­ eine Abwärtsspirale aus. Wie etwa bei einer Emmentalerin, die zusammen mit ihrer Tochter in kargen Verhältnissen lebt. «reformiert.» hat die beiden über einen längeren Zeitraum begleitet.

Text: Marius Schären Fotos: Carmala Odoni

Mutter und Tochter Sterchi vor ihrem Zuhause. 6 DOSSIER: Armut reformiert. Nr. 9/September 2019 www.reformiert.info 7

Auf dem Weg zur Arbeit: SCL-Tigers-Fan Sara.

Tochter Sara an ihrem Arbeitsplatz.

Schwingfestbesuche bleiben meist nur ein Traum.

Am Grab des Vaters der Tochter. reden, meist ohne ihren Namen zu la Sterchi. «Das ist unser Captain», nennen. Oft sei es «nicht einfach» erklärt die Tochter. «Du musst halt mit ihr, seien die Zeiten zu zweit immer etwas beiseite legen, dann «Immer habe ich zu viel erwartet. «streng». Dennoch bedeute «sie» hast du es bis im Herbst», rät die ihr am meisten. Und überhaupt Mutter. Die Heimspiele geht Sara je­ Aber jetzt nicht mehr. Durch all das scheine jetzt meistens die Sonne­ in weils schauen, auf zwei grossen öf­ ihrem Leben, findet Ursula Ster­ fentlichen Leinwänden gegenüber bin ich stärker geworden.» chi, bereits wieder mit einem La­ der Eishalle. Dort ist es gratis. Sie chen in den Augen. «Dafür bin ich sei manchmal mit Kollegen da, er­ sehr dankbar. Für Sara da zu sein, zählt Sara. Im Stadion ist es schwie­ Ursula Sterchi ist einfach meine Aufgabe», hält rig für sie, mit den vielen Leuten. Armutsbetroffene sie fest. Da gerät sie schnell in Panik. «Sie», Sara, ist seit der Geburt mo­ Aufs Arbeiten freut sie sich. «Im torisch beeinträchtigt. Sie kann we­ Moment machen wir Zigarettenpä­ Plötzlich habe Sara mit einem Löf­ Gastbetrieb hatte ein Säli, «wunder­ Jura, die ursprünglich im Emmen­ der schreiben noch lesen und arbei­ ckli.» «Hast du alles?», fragt ihre felchen ans Glas geschlagen, sei auf­ schön», es brauchte Aushil­fen. «Es tal gelebt hatten. «Ich wurde christ­ tet in einer geschützten Werkstatt. Mutter beim Aussteigen in Langnau gestanden und habe eine Rede ge­ lief super, die Gäste waren zufrie­ lich erzogen in der Freien Evan­ Die Zeit mit ihr muss Ursula Sterchi erneut. In Saras Stimme liegt Unge­ halten. Für alle, die da waren. Eine den.» Sie habe sich fast rund um die gelischen Gemeinde.» Ihr Vater sei immer gut planen. «Sie kann nicht duld. «Ja, ich habe alles.» Die beiden Coiffeuse erhielt Lob – das sei eine Uhr im Betrieb engagiert, dabei streng gewesen. Als Jugendliche verstehen, was kommt, wenn sie es verabschieden sich. Etwas später ganz gute, und nicht zu teuer –, auch immer aktuell dekoriert, er­ hat­te sie sehr wenig Selbstvertrau­ nicht sieht.» Deshalb machen sie je­ ruft Sara an, sie habe den Schlüssel auch ihre Chefs rühmte sie. «Über zählt Ur­sula Sterchi. en: «Ich war geprägt vom Gedanken: weils einen Wochenplan. Auf einer nicht, den von ihrem Kästchen, den Sara beim Planen der kommenden Woche. alle sagte sie etwas Gutes.» Die Gäs­ Doch dann begann sie zu trinken. Du wirst nie etwas.» Tafel mit Einteilungen für die ein- brauche sie. te freuten sich sehr darüber. Sara Anfangs mit Mass, mit der Zeit im­ Ihre Mutter starb 2005, ihr Vater zelnen Tage ordnen sie Bildchen an. war glücklich. «Und ich war sehr mer mehr. Der Alkohol wurde zum 2016. «Meine Mutter war die Einzi­ Diese zeigen Sara, wann was wich­ Die Rede zum Geburtstag überrascht», sagt Sterchi. Das Stau­ Problem. Niemand habe ihr gehol­ ge, die meine Tochter wirklich ver­ tig ist – wie zum Beispiel der Tiger, Abends kehrt Sara seit März ohne nen klingt noch einen Monat nach fen, auch ihr Mann nicht. Er ging standen hat», sagt Ursula Sterchi. Ih­ der für den Match des Langnauer Begleitung der Mutter oder ihrer «Du sollst deine Hand Mütter und andere wohltätige Einrich­ dem Fest nach. fremd. «Ich habe das geschluckt. Ich re Geschwister sieht sie auch nur Eis­hockey­clubs SCL Tigers steht. Betreuungsperson heim, eine gute willig auftun» tungen. Für den Kirchengelehrten Während sie das erzählt, scheint blieb treu. Ich war viel zu gutmü­ noch selten. Lange seien sie an Weih­ halbe Stunde mit Zug und Bus. Dass Arme Menschen und die Sorge um sie Thomas von Aquin (1224 –1274) ent­ es, als würde ihr schweres Leben für tig», sagt Ursula Sterchi. Doch nach nachten alle zusammengekommen Sparen fürs Fan-Leibchen die Heimfahrt nach längerer Ein­ sind grosse Themen im Christentum sprach es gar einem Ideal, wenn einen Moment ein Stück leichter. und nach machte ihr eine Freundin im Haus der Eltern. Nun sei damit «Hast du alles? Hast du die Schlüs­ führungszeit jetzt gut klappt, er­ allgemein und in der Bibel. «Denn es sich Reiche für ein Leben in Armut und «Manchmal weiss ich nicht mehr klar, dass dies nicht die Welt sei. Sie Schluss. «Sie sagten, sie wollten die sel?», fragt Ursula Sterchi, als Mut­ leichtert Ursula Sterchi. Und diesen wird immer Arme geben im Land», Bescheidenheit entschieden. weiter.­ Ich habe so viele Enttäu­ lernte einen Mann kennen und ging Treffen nicht mehr, weil die Eltern ter und Tochter eines Morgens im Sommer habe Sara sowieso Riesen­ heisst es etwa im Fünften Buch Mose Zur Zeit der Reformation ab etwa 1520 schungen­ erlebt, immer habe ich daraufhin selber fremd. Und dann nicht mehr da sind.» Auto sitzen. Ja, sie habe alles, sagt fortschritte gemacht. 15,1–11. Und ergänzend: «Darum verschob sich die Verantwortung: viel zu viel erwartet. Aber jetzt nicht wurde Ursula Sterchi von diesem Sara. Zu trinken, das Handy, ein Anfang Juli feierten sie ihren gebiete ich dir: Du sollst deine Hand Die politischen Gemeinden übernahmen mehr. Durch all das bin ich stärker Mann schwanger. «Ich fiel in ein Loch» Ursula Sterchi in der Jodelstunde. Znüni. Ihre Mutter fährt sie jeweils 20. Geburtstag. Fast 40 Leute kamen. willig auftun für deinen bedürftigen die soziale Fürsorge, weil Kirchen- geworden.» Tatsächlich führte Ursu­ Sie rührt in ihrer Tasse. Sie trinkt «Schlimm»: Das Wort benutzt Ur­ mit dem Auto nach Langnau. An der Es gab Kartoffelsalat und Würst­ und armen Bruder in deinem Land.» gut verstaatlicht und Klöster aufgelöst la Ster­chis Weg durch Dunkelheit nichts und erzählt weiter. Es sei ei­ sula Sterchi häufig, wenn sie ihre «Jaja, es geht.» Es gehe gut, sagt sie. sie Sozialhilfe. Die Versuche, wieder Sonnenblende baumelt ein Wim­ chen. Es sei lustig und sehr unter­ Schon die Gesetze Israels betonten die wurden. Das Evangelium als gesell­ und grossen seelischen Schmerz. ne sehr schwierige Situa­tion ge­ Geschichte erzählt. Im Jahr 2002 Tipptopp. Könnte nicht besser ge­ eine Stelle zu bekommen, misslan­ pelchen der Tigers. «Ich bin SCL- haltsam gewesen, sagt Ursula Ster­ Unterstützung der Armen und Schwa­ schaftsverändernde Kraft sollte unmit­ Darüber spricht sie lange. Einfach, wesen mit der Schwangerschaft. trat die Trennungsvereinbarung mit hen. Das sagt sie immer wieder, all gen. Zurzeit muss sie den Jodelun­ Fan», sagt Sara. «Sie will ein Pascal chi. Dabei erscheint dieses Strahlen chen, die Kranken und die Menschen, telbar wirken – zum Beispiel in orga­ offen und klar, hin und wieder nach Sie bot ihrem Ehemann an, ihn zu ihrem Mann in Kraft. Von da an die Monate hindurch. Und doch terricht aussetzen, weil sie den Ser­ Berger-Leibchen. Das ist sehr teu­ in ihrem Gesicht, wie immer, wenn die unter schwierigen Lebensum­ nisierter Armenhilfe. Worten suchend. Ihr Gipfeli zum verlassen. Aber er versicherte an­ durf­te sie nicht mehr ohne Beglei­ scheint es, als wäre damit noch nicht vice fürs Auto abzahlt, und auch er, über 200 Franken», sagt Ursu­ sie von Glücksmomenten erzählt. ständen und politischen Verhältnissen Heute nehmen die kirchlichen Angebo­ Instantkaffee lässt sie zwei Stunden fangs, er wolle sie und ihr Kind un­ tung in den «Ochsen», der ihr «ein alles gesagt. Ursula Sterchi* antwor­ das kantonale Schwingfest kann sie litten. Und die Propheten verurteilen te zwar eine nachgeordnete Rolle unberührt liegen. terstützen. Sara kam zur Welt, nach und alles» war. 2007 reichte ihr tet mit wenigen Worten auf die Fra­ nun nicht besuchen, weil sie das die Missachtung der Armen und die so­ ein. Zuerst wird der Staat aktiv. Doch vier Monaten zeigte sich ihre Be­ Mann die Scheidung ein, Sara woll­ ge nach ihrem Befinden. Im Klang versprochene Gratisticket nicht er­ «Oft ist es streng. Für mich scheint ziale Ungerechtigkeit. gibt es nach wie vor grosse Lücken. Vom Wirtshaus ins Stöckli hinderung. Bald habe es ihr Mann te er nicht unterstützen. ihrer Stimme liegt stets der Beginn halten hat. «Das hat mich sehr ent­ So spielte die Kirche bis ins 20. Jahr­ Das verdeutlichen Einrichtungen und Ihre Tochter Sara kam 1999 zur nicht mehr verkraftet. «Es ging Auch von Saras Vater kam we­ einer Geschichte. täuscht», sagt Ursula Sterchi am Tisch trotzdem meistens die Sonne. hun­dert eine grosse Rolle bei der Organisationen wie jene von Pfarrer Welt. 18 Jahre vorher war Ursula auseinander. Ich zog mit Sara ins nig Hilfe. Einen Nachmittag pro So ist es auch an diesem Morgen im kleinen Wohnzimmer. Fürsorge. In der Urgemeinde wurde Be­ Ernst Sieber oder der Heilsarmee sowie Sterchi in das Dorf gekommen. Die Stöckli, ich war allein.» Auch der Wo­che konnte sie mit ihm verbrin­ im August. Von den Tannen tropft Aber trotz allem sagt sie: «Mir Für Sara da zu sein, ist einfach meine sitz geteilt, damit niemand Not lei- die Gassenarbeiten und die sozial­ ausgebildete Floristin hatte sich Vater ihrer Toch­ter wollte nicht gen, mehr lag nicht drin. Seine eige­ es. Bis tief in die Täler hinunter hän­ geht es gut, doch doch.» Sie ist er­ Aufgabe.» den musste. Im Mittelalter gab es kirch­ diakonischen Angebote der Landeskir­ in den Wirt verliebt. «Der Ochsen* mit ihnen beiden leben. ne Familie wollte nichts mit seinem gen dunkelgraue Wolken. Über Hü­ leichtert, dass ihre Tochter Sara* liche Krankenhäuser, Schulen für chen. Die Nachfrage ist in jüngster wurde­ mein Herzblut», sagt sie. Zehn ausserehelichen Kind zu tun haben. gel, Weiden und Häuser ergiessen wieder zur Arbeit gehen kann. Denn Einwanderer, Heime für unverheiratete Zeit auch wieder gestiegen. Jahre lebten sie zu zweit: Ihr Mann Christlich erzogen Und dann kam der Unglückstag im sich in Schüben heftige Schauer. die zwei Wochen Ferien mit ihr wa­ arbeitete in der Küche, sie machte Aufgewachsen ist Ursula Sterchi im Frühling 2010: Auf der Strasse nach Hier im Emmental lebt Ursula Ster­ ren «sehr streng». Seit 20 Jahren den Rest. «Er kochte gut, mit fri­ Berner Oberland am Thunersee, zu­ Langnau verunfallte Saras Vater töd­ chi in einem kleinen Dorf. Die bald wird ihr Leben massgeblich durch Ursula Sterchi schen Zutaten. Es war oft gestossen sammen mit vier Geschwistern. Ih­ lich. Ursula Sterchi «fiel in ein Loch. 60-jährige alleinerziehende Mutter «sie» bestimmt, ihre Tochter. Schnell Armutsbetroffene voll. Wir hatten viel Militär.» Das re Eltern stammten aus Familien aus Ich hatte trotz allem noch auf seine gilt als arm. Seit 16 Jahren bezieht beginnt Sterchi jeweils von «ihr» zu Wirtepaar­ baute um und aus. Der dem Simmental und von Täufern im Unterstützung gehofft.» 8 DOSSIER: Armut reformiert. Nr. 9/September 2019 www.reformiert.info

Das Haus mit der Dreizimmerwohnung der Sterchis.

«Einmal hatte ich nur noch ein Zwanzigernötli. Plötzlich kam jemand und bot mir Gemüse an.»

Ursula Sterchi Armutsbetroffene

«Im Fall von Frau Sterchi machen Auch ein Jodelauftritt wird nicht wir eine Ausnahme, da sie ihre Toch­ stattfinden. So gern würde Ursula ter fahren muss und sie abgelegen Sterchi in einem Duett oder zu dritt wohnen.» Alles in allem erhält die vor Publikum singen. Doch Sterchi Klientin monatlich rund 680 Fran- kann sich zurzeit nicht einmal den Beim Einkauf im Dorfladen. ken ausbezahlt. Unterricht leisten. «Der letzte Auto- In verschiedener Hinsicht ist Ur- service hat über 1000 Franken ge- sula Sterchi eine typische Person in kostet. Dabei habe ich erst gerade Armut (Kasten «Armut in Zahlen»): die letzte Rate vom vorherigen Ser- Kennzeichnend sind dabei die Ab- vice bezahlt», sagt sie. In der kleinen Wohnung der bei- Zwanzigernötli. Plötzlich kam je- wärtsspirale mit dem Alkohol wie den Frauen gibt es einen Tisch und mand und bot mir Gemüse an.» auch die Tatsache, dass sie eine al- Die Kunst, den Ton zu halten Stühle, ein Sofa, einen Fernseher, leinerziehende Frau ist und eine Wie­ Das Jodeln ist für Usula Sterchi ei- ein Regal mit Büchern, eine Truhe Hilfe vom Sozialdienst deraufnahme der Arbeit bis anhin ne Herzensangelegenheit. «Zuerst dient als Tischchen für die vielen Wenn Ursula Sterchi erzählt, sagt unmöglich war. «Ihr wird es rasch kommt Sara, danach das Jodeln.» Bastelarbeiten von Sara. Ein Zim- sie nie, dass sie arm sei. Aber das zu viel, sie fühlt sich überfordert», Das sagt sie auf dem Weg zu einer mer ist für sie und eins für ihre Geld ist bei jedem Gespräch ein The- führt Sozialarbeiterin Liechti aus. der letzten Unterrichtsstunden. Wie Mutter. An der Wand ein Bild des ma. Und stets gibt es Lob für den «Und es hiess auch immer, ich sei zu es ihr gehe, fragt die Gesangslehre- Schlosses Oberhofen am Thuner- Sozialdienst. «Sie sind sehr gut.» alt», ergänzt Sterchi. Sie hätte gerne rin. «Wenn ich hier bin, geht es mir see, Medaillen von Sterchis frühe- Wichtig sei, dass sie als Klientin al- wieder gearbeitet. immer gut», antwortet Sterchi. «Im ren Pistolenschiesskünsten in einem les offenlege. Das falle ihr leicht, sie Älpli», «Es Gschänkli», «Es Ähri» Wandkästchen. Fast aus den gan- habe keine Geheimnisse. Shoppen, ohne einzukaufen heissen die Lieder. Singt Sterchi, zen 90er-Jahren finden sich glän- Jeden Monat fährt sie zu Regine Alles Administrative hält sich Ursu- dann strahlt sie. Selbst wenn sie zende Abzeichen. Ja, sie sei mal gut Liechti vom Sozialdienst in Lang- la Sterchi nun möglichst vom Hals. den Ton mal nicht ganz genau trifft. Armut in Zahlen gewesen, sagt sie, lächelt und nickt. nau. So auch jetzt, im Juni. Draus- «Das ist nicht so mein Ding», meint «Sing mehr von unten, leg weniger Das ruhige Zielen liegt ihr. sen ist es kühl und grau. «Ich bin sie. Sie ist froh, wenn sie Miete und Kraft rein», bemerkt die Lehrerin In der Schweiz gilt als arm, wer als Neben zahlreichen Fotos und Ka- dankbar, dass es das Amt gibt. Ich Krankenkasse nicht selbst überwei­ beim «Älpli». Und lobt, dass sie den Einzelperson weniger als 2259 Franken lenderbildern von Schwingern im brauche einfach Unterstützung.» Im sen muss. Sie mühe sich schon ge- Ton insgesamt sehr gut halte. oder im Haushalt mit zwei Erwach­ stiebenden Sägemehl hängt ein ge- schlichten Büro von Regine Liechti nug ab mit dem Einteilen des Geldes Doch als die Lehrerin nach Sara senen und zwei Kindern weniger als rahmtes Musikstück an einer Wand. gibt sie die Steuererklärung ab, ein für den täglichen Bedarf. Die 680 fragt, verwirft Ursula Sterchi die 3990 Franken monatlich zur Verfü- «Eine Ursula-Polka zu meinem 40. Treuhänder im Dorf hat ihr ge­hol­ Fran­ken müssen reichen für Nah- Hände.­ Männergeschichten. Die 20- gung hat. Diese Zahl nennt der im Juli von Jakob Bieri. Ich fand, das passt fen. «Super, perfekt», sagt die So­zial­ rungsmittel, Kleidung, Strom, Haus­ Jährige müsse noch viel lernen. «Sie publizierte statistische Sozialbericht besser als ein Marsch.» Das ist wie- arbeiterin. Sie bespricht mit Sterchi­­­ halt, Körperpflege, Auto, Telefon, ist ganz schnell eifersüchtig. Das Schweiz des Bundesamtes für Sta­tis­ der ein Moment, in dem Ursula Ster- das Monatsbudget und auch persön­ Medien und Freizeit. Manchmal ge- will ihre Betreuungsperson mit ihr tik, der alle vier Jahre veröffentlicht chis Augen leuchten. liche Ziele, die jeden Monat neu ver- he sie halt mit einer Freundin «läde- jetzt anschauen.» wird. «Arm» waren 2017 somit 8,2 Pro­ Nirgends sichtbar ist ihr Glaube. einbart werden. Beides hat Platz auf le», ohne einzukaufen, sagt Ursula Vielleicht kann Sara in vier, fünf zent der Schweizer Bevölkerung, das «Doch, die Kirche ist sehr wichtig einer A4-Seite. Sterchi. Für Lebensmittel geht sie Jahren selbstständig wohnen, etwa entspricht etwa 675 000 Personen. Der für mich», sagt sie. Eine Zeit lang sei Der fixe Grundbedarf von 1495 meist in den Denner oder die Mig- in einer Wohngemeinschaft. Dann grösste Anteil von Armutsbetroffe- sie zwar vom Glauben weggekom- Franken wird auf Mutter und Toch- ros, manchmal auch ins Lädeli im wäre es der Mutter endlich mög- nen ist in Einzelhaushalten zu finden, men. Aber in der schweren Zeit hal- ter hälftig verteilt. Die Krankenkas- Dorf. Grosse Wocheneinkäufe kann lich, zurück ins Oberland zu ziehen. in Einelternhaushalten mit Kindern, fen ihr die Bibel, eine Pfarrerin und senprämie und die Miete von nicht sie nicht machen: «Wegen Sara. Sie Wo es «richtige Berge» gibt. «Uh, ja, bei Personen ohne Ausbildung nach der eine freikirchliche Pastorin. Regel- ganz 1000 Franken zahlt das Sozial- isst einfach ungebremst alles, was das würde ich gerne!», sagt sie – Schulzeit und in Haushalten mit er­ mässig geht sie jeden Monat einmal amt direkt. Abgezogen werden noch wir haben.» auch wenn sie sich mit ihrer Ver- werbslosen Personen. Bei den Langzeit­ zu einem Frauenzmorge einer frei- je eine Rückzahlung von 80 Fran- Bald ist Herbst. Mindestens zwei gangenheit und auch mit ihrem Ex- arbeitslosen ist die Altersgruppe en Gemeinde. Häufig betet sie im ken für eine kleine Erbschaft und grosse Wünsche, die Ursula Sterchi Mann versöhnt hat. Manchmal hilft über 50 besonders stark betroffen. Wäh­ Stillen. «Und ich habe viele Wun- für die Parkplatzmiete. «Wir leis- für dieses Jahr hatte, scheinen sich sie dem bereits 80-Jährigen beim rend die Armutsquote zwischen 2007 der erlebt, mein Leben wurde einfa- ten grundsätzlich keine Beiträge an nicht zu erfüllen. Neben dem Kan- Einkaufen. Jetzt freut sie sich aber und 2013 von 9,3 auf 5,9 Prozent sank, cher. Einmal hatte ich nur noch ein Autos», erklärt die Sozialarbeiterin. tonalen Schwingfest im Sommer aufs «Eidgenössische». Dann will sie stieg sie bis 2017 wieder an. Beson­ konnte sie auch eines im Frühjahr bei ihrer Freundin im Berner Ober- ders schwierig für die betroffenen Per­ nicht besuchen, weil sich niemand land zwei Tage lang fernsehen. Ur- sonen ist häufig, dass sie kaum über für die Betreuung von Sara fand. sula Sterchi strahlt. finanzielle Mittel für die Teilnahme am «Ihr ist das viel zu rauh, sie mag * Die Namen sind zum Schutz der Persönlich­ sozialen Leben verfügen. Schwingen nicht.» keitsrechte geändert. reformiert. Nr. 9/September 2019 www.reformiert.info LEBEN UND GLAUBEN 9

sen Schriften, öffnete sich für deren Kindermund Spiritualität. Mit etwa 30 Jahren «Keinen Tag hat er wandte er sich dem Buddhismus zu. Als ihm der Weg zu asketisch wurde, öffnete er sich dem Taois­ mus und entdeckte an seinem Le­ ohne Religion gelebt» bensende den Zen-Buddhismus. Hat Hesse dem Christentum je gänz­ Literatur Der Theologe Karl-Josef Kuschel beschäftigt sich seit Jahren mit lich den Rücken gekehrt? Nein, das war immer latent präsent. Hermann Hesse. Der Schriftsteller fasziniert ihn immer wieder aufs Das sehen wir auch in seinen zwei Neue. Auch heute lasse sich noch von ihm lernen, sagt Kuschel im Gespräch. letzten Romanen «Narziss und Gold­ mund» und «Das Glasperlenspiel». Vor 100 Jahren zog Hermann Hesse Beide spielen in christlichen Kon­ von Bern ins Tessin. Wie ist texten. Hesse schrieb, er habe kei­ Der Wert von diese Veränderung zu verstehen? nen Tag ohne Religion gelebt –aber Karl-Josef Kuschel: Die Auflösung sei­ eben auf seine Art und Weise. Geld, der Wert ner Wohnung in Bern und der Um­ zug nach Montagnola werden oft Sie nennen ihn einen Vordenker für eines guten romantisiert. Diesem Schritt ging den interreligiösen Dialog. Wieso? ein radikaler Bruch voraus; Hesse Hesse lehnte ein Wahrheitsmono­ Buches sah sich gezwungen, im Tessin kom­ pol einer Religion streng ab. Er war plett neu anzufangen. überzeugt: Es gibt viele Wege zum Von Tim Krohn Göttlichen. Hesse hat bis zu seinem Was war geschehen? Tod neue Denkweisen und Philoso­ Wir leben in einem aussterbenden 1919 erschütterte die Selbstzerflei­ phien in sein Leben integriert. Die­ Tal. Prächtige alte Häuser und schung der sogenannten christ­ se geistige Auseinandersetzung mit Ställe stehen seit Jahrzehnten oder lichen Nationen alles an Werten anderen Religionen ist heute in Zei­ einem Jahrhundert leer. Wir ver- und Humanität in Europa. Hesse ten der globalisierten Durchdrin­ suchen, das eine oder andere zu ret­ gung der Kulturen unumgänglich. ten. Aber das kostet. Ende Mo­- Hesse betrieb interreligiösen Dia­ nat wissen Renata und ich nicht «Er war ein log bereits vor dem Ausbruch des immer, wie die ausstehenden Rech­ Vor­läufer des Ersten Weltkrieges. nungen begleichen. Was lernen wir von Hesse heute Gestern kam Bigna dazu, als wir interreligiö- sonst noch? sie stöhnend sortierten in «Ärmer sen Dialoges.» Hesse war ein Vorläufer dessen, als wir, sofort zahlen», «Reich, was heute viele Menschen prakti­ kann warten» und «Verhandeln». zieren oder Religionssoziologen als «Aber du schreibst doch an­ Patchwork-Religion bezeichnen: Sie dauernd», wunderte sie sich, «ihr machen Yoga, meditieren, pilgern, müsst doch stinkereich sein!» lesen Grundschriften anderer Reli­ «Ich bin nicht Arzt oder Rechtsan- gionen und öffnen sich für deren walt, nur Romanautor. Für Me­ Spiritualität. Sie alle suchen nach dizin oder um mit anderen zu strei­ einer­ Religion, die ihnen gemäss ist – ten, geben die Leute viel mehr durchlitt nicht nur eine Krise der wie Hesse dies auch tat. Geld aus als für Bücher.» Bignas Menschheitsgeschichte, sondern Interview: Nicola Mohler Mutter hatte gerade einen Pro­- auch eine ganz persönliche. 1919 zess führen müssen, der zum Glück brach seine Familie auseinander: für sie gut ausgegangen war. Die Ehefrau kam in die Psychiatrie, «Dafür sind sie dann gesund, oder die Söhne wurden fremdplatziert. sie gewinnen», sagte Bigna. Ich Hesse stand vor einem Scherben­ nickte. «Bücher machen aber auch haufen und erlebte die Folgen sei­ gesund. Manche jedenfalls, die ner tiefenpsychologischen Behand­ Vor 100 Jahren erschien Hermann Hesses Roman «Demian». Foto: Martin Hesse Karl-Josef Kuschel, 71 dafür umso mehr. Und wer liest, lung. Er blickte ins Chaos, wie er es hat auch Besseres zu tun, als zu selber beschrieb, in das Abgründige Der ehemalige stellvertretende Direktor streiten.» «Egal», sagte Renata, «wir der eigenen Seele. Vieles in dieser Aber neben dem frommen Eltern­ te der Kulturen und Religio­nen. Zu des Instituts für ökumenische und in- haben wenig Geld, trotzdem sind Zeit erfahren wir durch Texte wie haus erfuhr Hesse auch eine andere Hause waren auch Shiva und Bud­ terreligiöse Forschung der Universität wir reicher als die meisten. Wir le- «Demian», «Klein und Wagner» und Welt. Das Haus im Schwarzwald­ dha Gesprächsthema. Tübingen präsidiert die Internationa-­ ben am schönsten Ort der Welt «Klingsors letzter Sommer». Die städtchen Calw war voll von asiati­ le Hermann Hesse Gesellschaft. Kuschel und tun, was uns glücklich macht. letzten beiden Erzählungen wur­ schen Objekten: Kleider, Bücher, Welche Vorstellung von Religion publiziert neben Büchern zum inter­ Das ist viel mehr wert.» den 1919 innerhalb weniger Wo­ Bil­der und Schriften, die seine Gross­ hatte Hermann Hesse? religiösen Dialog auch zum Thema Theo­ chen in Montagnola geschrieben. eltern und Eltern aus ihrer Missi­ Der Schriftsteller war der Überzeu­ logie und Literatur. Bigna lachte ungläubig. «Mehr onsarbeit in Indien mit nach Hause gung, alle grossen Religionen der wert als Geld? Nichts ist mehr wert Seine Schriften sind geprägt von ei­ brachten. Hesse erlebte also gleich­ Welt hätten so etwas wie einen spi­ Karl-Josef Kuschel: Im Fluss der Dinge. als Geld!» «Sogar alles», behaup­ ner steten Auseinandersetzung zeitig zur pietistischen Glaubens­ rituellen Kern. Religionen schlies­ Hermann Hesse und Bertolt Brecht tete Renata. «Reiche Leute ohne mit den Fragen des Glaubens. Wieso? enge mit Bibelstunden, Kirchenbe­ sen sich nicht ge­genseitig aus, son­ im Dialog mit Buddha, Laotse und Zen. Fantasie sind arme Hunde. Sie ho- Hesse wuchs in einem protestan­ suchen, moralischer Zensur auch dern können sich wechselseitig Patmos-Verlag 2018, 728 Seiten. cken auf ihrem Geld, und was tisch-pietistischen Haushalt auf. eine faszinierende universale Wei­ bereichern.Hesse­ studierte­ die gros­ haben sie davon? Arme Leute mit Fantasie dagegen sind reich, denn die schönsten Dinge gesche- hen sowieso im Kopf. Deshalb Gfröits ist ein gutes Buch mehr wert als die Mein Körper hat Morbus Parkin- mittlere rief mich am Abend an: Simmental. Nach dem Ort im Sim- teuerste Reise.» «Und auch ein son. Doch zu meiner Freude gibt es: «Mueter, hesch du hüt 80 Pro- mental gefragt, sagte ich, dass kranker Mensch kann sie machen», die Bäckersfrau, die sich von zänt?». Vom jüngsten erhielt ich ich in Latterbach aufgewachsen sei. fügte ich hinzu. «Zu meiner meinem Kleingeld auf den Tresen eine Geburtstagkarte mit dem Worauf mein Gegenüber sagte, nimmt, was sie braucht – und Glückwunsch: «Gesundheit, Freu- auch er komme von dort. Auf der «Und wieso stöhnt ihr dann Freude gibt es dabei bei den kleinsten Münzen an­ de, Glück – jeden Tag ein Stück.» Rechnung las ich den Familien­ überhaupt?», fragte Bigna. «Weil fängt. Die Kundin im Coop, die Ich hatte grosse Freude. namen und bemerkte, dass ich es Spass macht», gestand ich. die jungen mir spontan den Einkauf in die Ta- Regina Gertsch, Wengen 1945 einen Klassenkameraden mit «Eigentlich gibt es nichts zu jam- sche packt, da sie meine zitter­ demselben Namen hatte. Ich er­ mern. Es tut nur manchmal Leute, die mir händigen Bemühungen sieht. Die Auf einer Wanderung im Goms lös­ innerte mich nicht an seinen Vor- gut, sich ein bisschen zu bemitlei- jungen Leute, die mir ihren ten sich die Sohlen von meinen namen, aber daran, dass er ein den.» «Ach, wenn das so ist», im Tram Platz Platz anbieten, als ich zittersicher Schuhen. Bei der nächsten Brücke ausgezeichneter Kopfrechner war. sagte sie, «werde ich später doch ins Tram steige. Die Autofahrer, erblickten wir auf der anderen Darauf sagte der Wirt, das sei sein nicht reich, sondern schreibe anbieten» die extra früh zu bremsen anfan- Seite einen Campingplatz mit­ ei- Vater. Was für ein Zufall! auch Bücher.» gen, wenn ich mich im Schlurf- nem kleinen Beizli. Wir setzten René Holzer, Muri bei Bern schritt auf den Zebrastreifen zu uns draussen hin und wurden so- bewege. Die Hilfsbereitschaft gleich vom Wirt begrüsst. Ich Haben Sie im Zug etwas Schönes erlebt, Bigna jetzt als Buch: Prinzes- so vieler Mitmenschen zu erleben, fragte ihn nach einem Gummi oder in der Nachbarschaft Nach­ahmenswer- sin auf dem Mist, Texte von zähle ich zu den gfröiten Momen- etwas zum Kleben. Er kam mit tes beobachtet, in einer misslichen­ Situa­ Tim Krohn, Zeichnungen von ten in meinem Leben. Klebeband zurück und befestigte tion spontane Hilfe bekommen? Oder Jacky Gleich, Kwasi-Verlag. Christoph Greiner, E-Mail die gelösten Sohlen. Wir bestell- einen wunderbaren Moment erlebt? ten etwas zum Trinken, und auf- Schreiben Sie uns in kurzer Form (max. Ich habe drei Söhne. An meinem grund unseres Dialektes fragte er 450 Anschläge inkl. Leerzeichen): Der in Graubünden lebende Autor Tim Krohn 80. Geburtstag dieses Jahr machte nach unserer Herkunft. Ich ant- [email protected], Betreff «Gfröits». schreibt in seiner Kolumne allmonatlich der älteste Sohn mit mir einen wortete: Meine Frau stammt aus Über Kürzung und Veröffentlichung über die Welt des Landmädchens Bigna. Ausflug auf den Brienzersee. Der dem Toggenburg, ich aus dem entschei­det die Redaktion. Illustration: Rahel Nicole Eisenring INSERATE Buch-Info: Was ist Wahrheit? - Das Leben von Jesus Christus (Band 1)

32. Die Sünderin Es fragte ihn nun aber ein Pharisäer, ob er mit ihm speisen Und er sprach zu ihr: «Dir sind deine Sünden vergeben!» Da würde. Und er ging zu ihm hinein, in das Haus des Pharisäers, fingen die an, die mit ihm zuT isch lagen, bei sich selbst zu spre- und legte sich zu Tisch. Und siehe, eine Frau war in der Stadt, chen: «Wer ist dieser, der auch Sünden vergibt?» Er aber sprach die war eine Sünderin. Als sie erfuhr, dass Jesus im Hause des zu der Frau: «Dein Glaube hat dir geholfen. Gehe hin in Frieden!» Pharisäers war, da brachte sie eine Flasche mit wohlriechenden Ölen und trat von hinten zu seinen Füssen und weinte und fing an seine Füsse mit ihren Tränen zu benetzen und sie dann mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen. Und sie küsste seine Füsse und salbte sie mit dem Öl. Als aber der Pharisäer das sah, der ihn eingeladen hatte, sprach er zu sich selbst und sagte: «Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, was das für eine Frau ist, die ihn anfasst, denn sie ist eine Sünderin.» Und Jesus antworte- te und sprach zu ihm: «Simon, ich habe dir etwas zu sagen.» Er aber sprach: «Meister, so sage es mir!» Und Jesus sprach: «Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Einer schuldete ihm fünfhundert Denare, der andere fünfzig. Da sie aber nicht bezahlen konnten, erliess der Gläubiger ihnen die Schuld und schenkte ihnen somit das Geld. Nun sage du mir: Welcher von den beiden wird ihn am meisten lieben?» Simon aber antwortete und sprach: «Ich denke, der, dem er am meisten geschenkt hat.» Er aber sprach zu ihm: «Du hast richtig entschieden.» Und er wandte sich zu der Frau und sprach zu Simon: «Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen und du hast mir kein Wasser gegeben, um Und es begab sich danach, dass er durch die Städte und Dörfer meine Füsse zu waschen. Diese aber hat meine reiste und er predigte und verkündigte das Evangelium vom Füsse mit Tränen befeuchtet und mit den Haaren ihres Hauptes Reich Gottes und die Zwölf waren mit ihm. Dabei waren viele getrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben, diese aber hat, Frauen, die er gesund gemacht hatte von unreinen Geistern und nachdem sie hereingekommen ist, nicht aufgehört, meine Füsse Krankheiten, nämlich Maria Magdalena, von welcher er sieben zu küssen. Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt, sie aber hat Dämonen ausgetrieben hatte und Johanna, die Frau des Chuza, meine Füsse mit Öl gesalbt. Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre ein Verwalter des Herodes und Susanna und viele andere, die ihn vielen Sünden vergeben. Denn sie hat viel Liebe gegeben. Wem und seine Jünger mit Mitteln aus ihrem Besitz unterstützten. aber wenig vergeben wird, der hat wenig geliebt.» 207 208

«Da sagte Pilatus zu ihm: Du bist also doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es. Ich bin ein König. Dazu bin ich geboren, und dazu bin ich in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme. Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit?» Johannes 18:37-38, Zürcher Bibel

Die Bibel ist die Basis des christlichen Glaubens – und doch fragen sich viele Christinnen und Christen, ob das denn auch alles wahr ist, was in der Bibel steht, oder ob es vielleicht doch nur eine stark ausgeschmückte Form einer eher nüchternen Wirklichkeit ist. Mich hat diese Frage interessiert und daher habe ich ein zwei-teiliges Buch verfasst mit dem Titel «Was ist Wahrheit?». Dabei überprüfe ich die Glaubwürdigkeit der Berichte der Bibel über Jesus Christus sowie der christlichen Glaubensfunda- mente, wie z.B. die Dreieinigkeit Gottes, die Auferstehung Jesu Christi, usw. Das Ergebnis ist - Band 1 - ein Werk mit 280 Seiten. Es enthält einen chronologisch geord- neten Zusammenzug der vier Berichte über Jesus, die so genannten Evangelien von der Empfängnis Johannes des Täufers bis zur Speisung der 5000. Dabei wurde auf eine wortgetreue Übersetzung des griechischen Urtextes wie auch auf eine verständliche Sprache geachtet. Aber es werden auch Fragen zu Jesus Christus und zu ver- meintlichen Widersprüchen der Bibel beantwortet. Das Ganze wird illustriert durch 32 Holzschnitte (Band 1) von Julius Schnorr von Carolsfeld, welche das Leben Jesus Christi veranschaulichen und nochmals so viele Bilder, Grafiken undT abellen, welche Sachverhalte rund ums Thema erklären.

Mit dem Kauf meines Buches unterstützen Sie den Verein Maria von Magdala finanziell. Ich habe diesen ereinV gegründet, um jungen Frauen, welche finanzielle Proble- me haben, durch kostenlose Beratung und unbürokratische finanzielle Sofortunterstützung aus der Not zu helfen. Leider führt die Not vieler junger Frauen dazu, dass sie sich entweder prostituieren, sich in Alkohol- oder Drogenmissbrauch flüchten, oder bei Schwangerschaft ihr Kind abtreiben. Rund 90% aller Abtreibungen geschehen aus finanzieller Not! Ich möchte diesen Frauen helfen - und dafür brauche ich Ihre Unterstützung! Kaufen Sie bitte mein Buch! Gott segne Sie! Buch beim Buchhändler Ihrer Wahl oder als eBook erhältlich: „Was ist Wahrheit?“ Autor: Pierre Singer, ISBN-Nr. 978-3-7347-1506-8, www.pierresinger.ch

Kurse und Weiterbildung Interreligiöse Ausbildung Beginn Meditation 2020-2021 21. Februar 2020 Im Landguet Ried Vorbereitungstagungen zum Meditationslehrer 2020-2024 Erfahrungsaustausch Altersarbeit in Niederwangen Weltgebetstag Spirituelle Begleitung 2020-2028 bei Bern Brennpunkt «Palliative Care in Liturgie aus Zimbabwe der Sozialdiakonie» Die Vorbereitungstagung wird zweimal mit glei- Dieses Treffen für Mitarbeitende mit Arbeits- chem Inhalt (inkl. Kinderliturgie) durchgeführt. schwerpunkt Alter findet zweimal im Jahr statt. Tagung 1: Samstag, 16.11.19, 09.00 – 17.00 Uhr, Nebst dem Themenschwerpunkt besteht die Haus der Kirche, Altenbergstrasse 66, Bern Inhalte Referenten Gelegenheit zum allgemeinen Erfahrungs- und Tagung 2: Montag, 18.11.19, 08.30 – 16.30 Uhr, Informationsaustausch. Haus der Kirche, Altenbergstrasse 66, Bern • Yoga und Hinduismus Ali Dashti & Kate Beck internationale Yoga-Ausbildner 16.10.2019 Anmeldeschluss. 31.10.2019 • ZEN und tibetischer Buddhismus Georg Schmid Professor der Religionswissenschaft Haus der Kirche, Altenbergstrasse 66, Bern Holangebot • Jüdische, christliche & islamische Mystik Peter Hüseyin Cunz Dipl. Ing. ETH, Sufi-Scheich Anmeldeschluss: 01.10.2019 • Theosophie und Anthroposophie Peter Wild Buchautor, Meditations- & Yogalehrer Biografisches Erzählen konkret Besuchsdienst Zusatzmodul Spiritual Care Bewährtes und Neues miteinander teilen • Grals-Mythos und Enneagramm Ramateertha Robert Doetsch Arzt & Lehrtherapeut Raus aus dem Jammertal – Mit einer kleinen Gruppe von Berufsleuten, die Psychologe, Dozent für jüdische Mystik • Essenzarbeit anhand der Sufi-Tradition Raphael Pifko Psalmen als Gebrauchstexte in der biografischen Bildungs- und Begegnungs- • Gurdjieff, OSHO, Thich Nhat Hanh Samarona Buunk Dozent für Humanistische Psychologie «Sätze, als wären sie gerade für unsere Situation arbeit mit alten Menschen oder generationen- • Weisheitslehren der Moderne Vasumati Hancock internationale Expertin Essenzarbeit aufgeschrieben. Wie finden wir sie und wie kön- übergreifend tätig sind, Erfahrungen teilen, nen wir sie in der Begleitung einbringen, ohne Methoden besprechen, neue Trends in der Bio- andere damit zu überfahren». grafiearbeit austauschen. Auch als Weiterbildung geeignet für Menschen Für Besuchende (inkl. Palliative Care) und Datum: Nach Vereinbarung Angehörige Zeit: Jeweils 3 Stunden in sozialen und therapeutischen Berufen. 08.11.2019, 13.30 – 17.00 Uhr Ort: Nach Vereinbarung Haus der Kirche, Altenbergstrasse 66, Bern Auskunft: Heidi Minder Jost, T 031 340 25 07, Anmeldeschluss: 25.10.2019 [email protected] Frühbucherpreis bis 21. Okt. 2019 Programme und Anmeldung Info & Anmeldung www.refbejuso.ch/bildungsangebote, [email protected] Margrit Meier & Erika Radermacher Schaufelweg 26, 3098 Schliern bei Köniz, Schweiz Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn T: 031 951 60 68 | E: [email protected] Altenbergstrasse 66, 3013 Bern, www.meditationschweiz.ch Telefon 031 340 24 24 reformiert. Nr. 9/September 2019 www.reformiert.info FORUM 11

Tipps Jubiläumsfest Weiterbildung

Wortinszenierung Poesie am Ort der letzten Ruhe Feiern mit der Citykirche. Foto: zvg Religion für Neugierige. Foto: zvg Der «Schrift-Steller» und Schauspie­ ler Matthias Zurbrügg inszeniert Seit 20 Jahren steht die Im Theologiekurs fragen, auf dem Berner Schosshaldenfried­ hof 28 Worte und Sätze aus Holz in offene Kirche allen offen nachdenken und lernen der Landschaft. Natur, Gartenarchi- Seit 20 Jahren bereits wird in der Der evangelische Theologiekurs tektur und Literatur verschmelzen Berner Heiliggeistkirche am Bahn­ (ETK) bietet eine fundierte Ausei­ dabei zu einem überraschenden Gan- hof interreligiöse Gastfreundschaft nandersetzung mit der Bibel und zen. Die poetisch-literarischen Spa­ gelebt. Verschiedenste Veranstal­ der Reli­gion. Die Themen sind in ziergänge mit dem Künstler regen tungen wie die Plakatausstellung Module aufgeteilt, die über drei zum Nachdenken an – über das Da­ «20 Jahre offen – eine Retrospekti­ Jahre an Abenden und Samstagen sein, das Sterben, den Tod und die ve» dokumentieren die vielfältige angeboten werden. Spezielle Vor­ Unendlichkeit. ki Berner Citykirchenarbeit. ki kenntnisse sind nicht nötig. ki

«Zeit los lassen», 21.9 – 24.11.19, Schoss- «20 Jahre offene kirche bern», Jubiläums- Theologiekurs 2019, ab 23. Oktober, Biel. haldenfriedhof Bern, Treffpunkt beim fest, 5. September, ab 18 Uhr, Heilig- www.compass-bielbienne.ch Foto: Matthias Zurbrügg Haupteingang. www.matthiaszurbruegg.ch Der Friedhof als Kunstort für inszenierte Worte. geistkirche Bern. www.offene-kirche.ch Interview zum Thema: reformiert.info/etk

Agenda Leserbriefe che Täler und mystische Wälder. Er be- ten Fall bleibt der Artikel jede seine frühere Bewunderung für sucht geschichtsträchtige Klöster und Rückzugsorte. Unterwegs zwischen Begründung schuldig, im zweiten Gaddafi in Libyen, das totalitäre Begegnung St.-Maurice und dem Grossen Sankt reformiert. 8/2019, Front wird, wie oft in fundamentalen nordkoreanische Regime und andere Bernhard trifft der Moderator Menschen, «Ein Halleluja für die Demokratie Kreisen, zwischen «Christen» und historische Fehlurteile. Die kriti­ Europäischer Tag der jüdischen Kultur die ihn inspirieren, über seinen in Hongkong» anderen Menschen unterschieden. sche Vernunft, welche ich bei einem Das 20-Jahr-Jubiläum wird in ver- persönlichen Weg nachzudenken. Kein gutes Niveau! linken Intellektuellen voraussetze, schiedenen Schweizer Städten gefeiert. 22./29. September, 10.30 Uhr Unkorrekte Schelte Thomas Geiser, Uitikon Waldegg lässt der «terrible simplificateur» aus In Bern hält Rabbiner Michael Kohn Sternstunde Religion, SRF 1 Wenn ein reformierter Pfarrer in Genf vermissen. Die ideologische ein Referat mit dem Titel «Was ist neu im Judentum?». Im Anschluss findet Hongkong die Lage der Christen Mutiger Kommentar Erstarrung und eine mangelnde intel­ eine Führung durch die Synagoge statt, Gottesdienst anlässlich der aktuellen Spannungen Meine Gratulation zu Ihrem Kom­ lektuelle Redlichkeit machen ihn und um 15.30 Uhr ist der Film «Das beschreibt und einschätzt, ist das mentar «China auf dem Weg in als lauten Anwalt der Entrechteten Lächeln der Linien» über den Berner Geschmacksparcours und Feier thematisch korrekt. Wenn aber im die digitale Diktatur». Er ist klar, dieser Welt unglaubwürdig. Künstler Oskar Weiss zu sehen. Zur Schöpfungszeit mit dem Slogan Kommentar dazu eine Schelte mutig, ehrlich. Und damit das Karl Schuler, Bern So, 1. September, ab 14 Uhr «Götterspeise und Teufelshörnchen» gegen die chinesische Politik, Wirt­ genaue Gegenteil dessen, was wir Jüdische Gemeinde Bern, Kapellen- findet auf dem Münsterplatz von 14.30 schaft und Digitalisierung veröf­ an menschlicher Erbärmlich- Ihre Meinung interessiert uns. strasse 2, Bern bis 17 Uhr ein Geschmacksparcours fentlicht wird, ist das weder korrekt, keit bei unseren Politikern erlebt [email protected] oder an für Familien statt. Im Anschluss dann sinnvoll, noch Aufgabe von «refor­ haben und erleben. «reformiert.», Gerberngasse 23, eine ökumenische Feier im Münster 3000 Bern 13 miert.». Eine Betrachtung über die Hans-Peter Rub, Steffisburg Dialogue en Route mit anschliessender Teilete. Über Auswahl und Kürzungen entscheidet Werte des grossartigen Chinesen Ab September ist das Projekt «Dialogue So, 1. September, ab 14.30 Uhr die Redaktion. Anonyme Zuschriften Konfuzius wären passender für eine werden nicht veröffentlicht. en Route» für Schulklassen, Vereine Münsterplatz Bern und Gruppen auch in Bern, Solothurn kirchliche Zeitung. reformiert. 8/2019, S. 10 und der Romandie präsent. Die Kam­ Roger E. Schärer, Feldmeilen Zweifel, die von Blindheit zeugen pagne startet in Solothurn mit dem Be- Feiern im Quartier such der Verenaschlucht. In Bern Im Gyripark findet anlässlich der Kein gutes Niveau Unsachliche Diskussion findet eine Schnitzeljagd zu diversen Schöpfungszeit ein Quartiergottes- Die Behauptungen, dass die christli­ Heute kann niemand sagen, wie sich religiösen und kulturellen Stätten dienst statt. Matjaz Placet spielt che Minderheit beim Protest in das Klima in Zukunft entwickeln «reformiert.» ist eine Kooperation von vier statt. Die Eröffnungsfeier steigt dann Akkordeon. Anschliessend Teilete. refor­mierten Mitgliederzeitungen und erscheint in Fribourg mit öffentlichen Rund- Honkong «eine herausragende Rol­ wird. Auch die Wissenschaftler sind in den Kantonen Aargau, Bern | Jura | Solothurn, So, 1. September, 11 Uhr gängen in der Kathedrale St. Niklaus le» spielt und dass der Widerstand sich nicht einig. Die Frage, wie Graubünden und Zürich. Gyripark, Burgdorf (bei Regen: Gyriträff) www.reformiert.info und der Reformierten Kirche Freiburg. «stark von Christinnen und Christen weit CO2 das Klima beeinflusst und Gesamtauflage: 706 009 Exemplare getragen wird», irritieren. Im ers­ ob andere Faktoren für den Kli- – Di, 10. September, 12–14.30 Uhr Redaktion Verenaschlucht Solothurn 50 Jahre gemeinsam unterwegs mawandel verantwortlich sind, bleibt AG Anouk Holthuizen (aho), Thomas Illi (ti) umstritten. Gegenwärtig haben al­ BE Hans Herrmann (heb), Katharina Kilchenmann – Fr, 13. September, 10–13 Uhr Die Arbeitsgemeinschaft der Kirchen (ki), Nicola Mohler (nm), Marius Schären (mar) Bern Schnitzeljagd (AKB) im Kanton Bern zelebriert ihr lerdings die «Skeptiker» einen schwe­ GR Constanze Broelemann (cb), Rita Gianelli (rig) 50-jähriges Bestehen mit Wort und Mu- ZH Christa Amstutz (ca), Delf Bucher (bu), – So, 15. September ab 10.30 Uhr ren Stand. Sie werden gemobbt, sik aus den Traditionen der AKB-Mit- Auflösung Sommer-Rätsel Sandra Hohendahl-Tesch (tes), Vera Kluser (vk), Collège St-Michel, Freiburg die Publikation ihrer Arbeiten wird Cornelia Krause (ck), Felix Reich (fmr), glieder. «Bund»-Journalist Dölf Barben behindert, und sie kommen schwer Sabine Schüpbach (sas) www.enroute.ch gibt einen Wortimpuls zum Thema Blattmacher: Hans Herrmann «Welche Kirche braucht es heute?». an Fördergelder. Aus der Klimafrage Layout: Susanne Kreuzer (Gestaltung), hat man eine Religion gemacht. Maja Davé (Produktion) E-Bike Tour von Kirche zu Kirche So, 8. September, 16 Uhr Es geht nicht mehr um richtig oder Korrektorat: Yvonne Schär Französische Kirche Bern Gestaltungskonzept: Susanne Kreuzer, Maja Davé Drei geführte Kirchenbesichtigungen, falsch, sondern um gut oder böse. in Zusammenarbeit mit Bodara GmbH verbunden mit einer E-Bike Grup- Ein Apéro findet anschliessend im Chor Sollte man mit den Vereinbarungen der Französischen Kirche statt. reformiert. Bern | Jura | Solothurn pentour durch die Landschaft des Na- von Paris ernst machen, hätte turparks Gantrisch. Auflage: 346 745 Exemplare (WEMF) das für die Wirtschaft katastrophale 30950 reformiert. Bern: Erscheint monatlich Sa, 21. September, 9.45–17.45 Uhr Theater Folgen und die Welt würde es Herausgeber: Verein reformiert. Burgistein-Station Bern | Jura | Solothurn trotzdem nicht retten, wenn denn Tschechow auf Mundart Präsident: Lorenz Wacker, Kirchberg Anmeldung bis 13. 9.: 031 808 00 20, die Klimawarner recht haben. Redaktionsleitung: Hans Herrmann Geschäftsleitung: Manfred Baumann [email protected]. Kosten: Fr. 20.–, Die einzige professionell geführte Eine Rückkehr zur sachlichen Dis­ Miete E-Bike: Fr. 40.–. Mittagessen im Mundart-Bühne der Stadt Bern feiert Redaktion und Verlag Lösungswort: kussion ist dringend nötig! Postfach 312, 3000 Bern 13 Restaurant auf eigene Kosten. ihr 10-jähriges Jubiläum mit dem Sieben ist die Zahl Eberhard Vogel, Worben Redaktion: Stück «Fünf Einakter von Tschechow». Tel. 031 398 18 20, Fax 031 398 18 23 Das Theater bringt zum ersten [email protected] Radio und TV Verlag: Mal einen Klassiker auf die Bühne. Wir gratulieren! Tel. 031 398 18 30, Fax 031 398 18 23 Aus über 1300 Einsendungen per reformiert. 8/2019, S. 2 [email protected] Lorenz Marti: Spiritualität von unten Premiere: Mi, 18. September, 20 Uhr Mattentheater Bern Post und Mail haben wir die Gewin­ Aus Hans wurde der Revolutionär Abonnemente und Adressänderungen Über Spiritualität zu schreiben, fordert nerinnen und Gewinner gezogen: Jean Merkur Druck AG, Langenthal/Burgdorf Lorenz Marti heraus. Es schwinge www.theatermatte.ch Gaswerkstrasse 56, 4900 Langenthal etwas Unsagbares mit, sagt er. Mit sei- Tel. 062 919 15 15, Fax 062 919 15 55 1. Preis: Gutschein im Wert [email protected] nem neuen Buch «Türen auf: Spiri- Fehlende Kritik Einzelabos (12 Ausgaben/Jahr): Fr. 20.– Kurs tualität für freie Geister» startet der von 250 Franken für das Hotel de Ihr Interview mit Jean Ziegler Druckvorstufe Gemeindebeilagen Autor ein Wagnis: Er bringt sich Kontemplation la Chaux d’Abel in La Ferrière. drückt eine grosse Verehrung aus. Merkur Druck AG, Langenthal/Burgdorf ganz persönlich ein. In der Sendung Anita Wymann, Oberdiessbach. Sein Verdienst um die berechtigte [email protected] Im Stillesitzen und im Wahrnehmen des Inserate «Perspektiven» spricht Marti über 2.–5. Preis: Je ein Gutschein im Kritik am Finanzplatz Schweiz und Atems zu einem wachenden und hö- Kömedia AG, St. Gallen sein Experiment. Wert von 50 Franken für die ökume- den multinationalen Konzernen Tel. 071 226 92 92, Fax 071 226 92 93 renden Gegenwärtigsein kommen. So [email protected], www.koemedia.ch So, 15. September, 8.30 Uhr das Ziel des eintägigen Angebotes. nische Buchhandlung Voirol. will ich nicht schmälern. Trotzdem SRF 2 Kultur Inserateschluss Ausgabe 10/2019 Sa, 14./16.September, 9.30–16.45 Uhr Adelheid Holzer-Koller, Muri; Dory wären einige kritische Fragen an- 4. September 2019 Haus der Religionen Bern Aellen, Ipsach; Madeleine Pauli, gebracht. Ziegler’s bedingungslose Druck: DZZ Druckzentrum Zürich AG Pilgern mit Norbert Bischofberger Vorkenntnisse sind keine nötig. Mamishaus; Barbara Wiedmer, Bern. Verteidigung der Regierung Ma­ Der Schweizer Abschnitt des alten Pil- Kosten: Fr. 40.–, inklusive einfachen Die Gewinnerinnen werden persön­ duro in Venezuela ist angesichts der gerwegs Via Francigena führt Norbert Mittagessens. Anmeldung: katharina. lich benachrichtigt. Repression und Misswirtschaft Bischofberger durch abwechslungsrei- [email protected], 031 932 00 59. Verlag und Redaktion mehr als fragwürdig. Ebenso wie 12 DIE LETZTE reformiert. Nr. 9/September 2019 www.reformiert.info

Porträt Gretchenfrage Als Johannes Wildhaber 1980 in Zürich mit der Matura vor der Stu­ dienwahl stand, war er sich sicher: Linda Geiser, Schauspielerin: «Bestimmt nie Medizin oder Jura.» Er hat den ganzen Er lacht. Das sei jugendliche Oppo­ «Mit dem Tod sition gewesen. Er habe sich damals viel mit Philosophie und Religion befasst. So begann er, indische Phi­ verlöschen Menschen im Blick losophie zu studieren und Sanskrit wir, und das zu lernen. Bis er schliesslich reali­ sierte: Er befasste sich mit einer al­ ten Kultur, mit vergangenen Prob­ ist gut so» Medizin Zuerst studierte Johannes Wildhaber indische Philosophie und Sans- lemen. «Ich merkte, ich muss was krit, heute ist er Arzt und Pionier in der Komplementärmedizin. tun und wechselte zur Medizin. Wie haben Sies mit der Religion, Danach folgte eine steile Karrie­ Frau Geiser? re in der Schulmedizin: Kinderarzt, Mein Vater stammte aus einer from­ Lungenspezialist in Davos, Austra­ men Täuferfamilie im Jura. Meine lien, acht Jahre am Kinderspital in Mutter, eine Protestantin, erzog uns Zürich und seit zwölf Jahren nun in jedoch liberal und nicht besonders religiös. Sie hat beispielsweise die Tischgebete, wie wir sie vom Gross- «Mir ging es nie ätti im Jura kannten, abgeschafft. Wir seien auch ohne Beten gute um die Karriere. Menschen, meinte sie. Ich bin ge­ tauft, und ich liess mich konfirmie­ Ich bin einfach ren. An diese Art von Zugehörigkeit in einer Berner Kirchgemeinde den­ aus Begeisterung ke ich gerne zurück. reingerutscht.» Gehen Sie ab und zu in die Kirche? Ja, früher für Hochzeiten und Tau­ fen, jetzt bei Beerdigungen. Ich tref­ fe dort Menschen, die ich lange nicht gesehen habe. Ich finde es sehr Freiburg. «Um die Karriere ging es wichtig, gemeinsam einen Über­ mir nie», sagt er. «Ich bin einfach aus gang zu begehen. Dafür bietet die Begeisterung reingerutscht.» Vor Kirche passende Rituale. drei Jahren hat er institutionalisiert, was ihn zeitlebens beschäftigte: die Sie leben seit 1961 in den USA. Verbindung von Natur- und Geis­ Welche Rolle spielt dort die Religion? teswissenschaften. Mit dem Zent­ Vor 48 Jahren ging ich mit meinem rum für integrative Pädiatrie bietet damaligen Freund, einem Juden, das Freiburger Spital nun als erstes nach Amerika. In seiner Familie ha­ schweizweit die Kombination von be ich viel Schönes erlebt. Seither schul- und komplementärmedizi­ lebe ich in New York und sehe da nischen Therapien an und forscht die orthodoxen Juden, die sich ab­ auch auf diesem Gebiet. kapseln. Das ist mir unbegreiflich. Im Übrigen finde ich es schrecklich, Manches bleibt unerklärlich dass Religion auch heute noch im­ «Eine Studie zeigt klar: Bei den Pa­ mer wieder zu Glaubenskriegen auf tienten herrscht grosser Bedarf an dieser Welt führt und Menschen im komplementären Methoden», sagt Namen einer Religion sterben. Wildhaber. Anthroposophisch-me­ Als Arzt setzt Johannes Wildhaber stark auf die menschlichen Selbstheilungskräfte. Foto: Annette Boutellier dizinische Behandlungen – die etwa Denken Sie mit 84 Jahren manch- auch Wickel umfassen – kämen sehr mal über das Sterben nach? gut an. «Solche Behandlungen stär­ Ja, aber ich habe keine Vorstellung, Johannes Wildhaber steigt gemäch­ abstrakte Bilder und auch ein Bild manchmal mehr in den Träumen. ken die Selbstheilungskräfte. Auch wohin ich gehen werde und ob es lich die lange Treppe zum Guintzet mit einem schlafenden Mädchen Ebenso umfassend solle die Medizin bei Globuli ist das möglich, selbst ein Ich überhaupt noch geben wird. hoch, dem Hügel über dem Bahn­ auf ­einem grossen Ast. den Menschen betrachten: mit sei­ wenn sie nicht über den Placebo-Ef­ Meine Eltern litten beide an einer hof Freiburg mit phantastischer nem Denken, Körper, seiner Seele, fekt hinaus wirken sollten.» schweren Demenz. Ich hatte den Rundsicht. Die Spätsommersonne In Gedanken und Träumen der Sprache. Dass es Wirkungen gibt, die Men­ Eindruck, dass sie schon vor dem wärmt. «Ich nehme immer diesen «50-50» sei er im Spital und an der schen nicht erklären können, ist für Tod verlöschten – sicher aber da­ Weg ins Spital, wenn das Wetter gut Universität, sagt der Chefarzt. Er ar­ den Veganer und Wissenschaftler nach. Ich glaube, wir werden alle ist», sagt der Kinderarzt. Er wischt beite nicht zu viel. Auch wenn er Johannes Wildhaber-Brooks, 56 klar. Aus der katholischen Kirche verlöschen, und das ist gut so. Aber sich ein paar Schweissperlen aus zurzeit kein Hobby pflege wie frü­ ist er zwar ausgetreten. Aber Men­ die Erinnerung bleibt. So denke ich dem Gesicht. Sein Outfit mit Turn­ her etwa Langlauf oder Vogelzucht: Der aus Zürich stammende Mediziner schen wie der Reformator Huldrych gerne an meinen Grossätti im Jura schuhen, Rucksack und Karohemd Ihm bleibe Zeit fürs Imkern, den leitet seit 2007 die Pädiatrie-Abteilung Zwingli oder der gewaltfreie Wider­ zurück, wie er abends am Stuben­ lässt auf einen geerdeten Menschen Garten, die Familie. Umgehend rela­ (Kindermedizin) des Kantonsspitals standskämpfer Mahatma Gandhi tisch sass und uns vor dem Schla­ schliessen. Auch sein Büro wirkt al­ tiviert er: «Eigentlich arbeitet man Freiburg und ist Professor an der dorti- sind für ihn «integra­tive Religions- fengehen aus der Bibel vorgelesen les andere als klassisch akademisch: mit meinem Job immer, rund um die gen Universität. Sein Hauptanliegen figuren». Seinen eigenen Weg sieht hat. Mit seiner Stimme im Ohr bin Hier stehen ein grosser, prunkvol­ Uhr. Was man tut, beschäftigt ei­ ist es, die Patienten ganzheitlich zu be- er auch als Auftrag von etwas Gött­ ich jeweils selig eingeschlafen. ler Sekretär, zudem ein paar funk­ nen.» Es wirke ausserhalb der Ar­ handeln. Er lebt mit seiner Frau und lichem. «Ich bin sehr dankbar, dass Interview: Katharina Kilchenmann tionale Möbel. An den Wänden hän­ beitszeiten nach, bewusst oder un­ drei Kindern bei Freiburg. ich ihn gehen kann und muss», sagt gen verschiedene comicartige und bewusst, manchmal in Gedanken, Wildhaber. Marius Schären

Christoph Biedermann Tipp und Fitness für die Sinne. Ab 20 Uhr Wochenendveranstaltung stehen unter dem Motto «Am An­ fang war der Durst» eine musikali­ Buntes Treiben im sche Darbietung mit den «Wybret­ «Buechibärg» ten» und eine Blue-Cocktail-Bar auf dem Programm. Der Sonntag be­ Während zweier Tage bieten die ginnt mit einem Festgottesdienst reformierten Kirchgemeinden des mit betreutem Kinderprogramm. Bucheggbergs SO ein abwechslungs­ Die Besucherinnen und Besucher reiches Programm für Alt und Jung: sind im Anschluss zum gemeinsa­ Der Samstagmorgen beginnt mit ei­ men Mittagessen eingeladen. Der ner Wanderung und Schatzsuche Bezirkskirchentag will einen Ort durchs Mülitäli. Am Ziel in Lüter­ der Begegnung schaffen, wo ein le­ kofen wartet in der Mehrzweckhal­ bendiges Gemeinschaftsgefühl in le ein Risotto auf die eintreffende einem grösseren Rahmen zu erle­ Wandergruppe. ben sei, so umschreiben die Veran­ Am Nachmittag kann in einer stalter ihre Absicht. nm Vielzahl von Workshops verschie­ denes ausprobiert werden: Volks­ Bezirkskirchentag: 21./22.September, Linda Geiser ist bekannt aus Filmen tanz, Fussmassage, Bierbrauen, ­Ei- ab 9.30 Uhr, Mehrzweckhalle Lüterkofen wie «Die 6 Kummerbuben» oder dem sen schmieden, Meditation, Singen www.bezirkskirchentag.ch TV-Hit «Lüthi und Blanc». Foto: Wohlfarth