Ein Stück Zeitkritik Sie polarisieren Kein Tag ohne Religion Kirchgemeinden Dörfer, die boomen, ster- Das Netzwerk christlicher Hermann Hesse beschäf- Wissenswertes über Ihre ben zugleich: Das «Requi- Abtreibungsgegner reicht tigte sich zeitlebens mit Kirchgemeinde lesen Sie em für B» handelt von bis in reformierte Landes- Spiritualität. War er seiner in Ihrer Gemeindebeilage diesem Paradox. REGION 2 kirchen. HINTERGRUND 3 Zeit voraus? REGION 9 im 2. Bund. AB SEITE 13 Foto: Keystone Bern Jura Solothurn Die evangelisch- reformierte Zeitung Nr. 9/September 2019 www.reformiert.info sition.» Einig ist er mit Pfister und bieten. Auch hier begrüssen Geg- den meisten Präsidenten, dass sie an ner der Lockerung den kirchlichen Kirche soll sich in die gesellschaftlicher Bedeutung verlie- Appell. «Mutig und positiv» fand ren. Die «Erosion der Milieus» habe ihn Rytz (Grüne). Gössi (FDP) hin- die Landeskirchen vielfältiger ge- gegen sagt: «Kirchliche Würdenträ- macht. «Weil sie möglichst viele Mit- ger sollten auf tagespolitischer Ebe- Politik einbringen glieder mitnehmen wollen, fällt es ne keine Forderungen stellen.» Die ihnen zunehmend schwer, sich in Poli tik sei «weltlichen Religionszu- Debatten klar zu positionieren.» gehörigen» zu überlassen. Wahlen Die Präsidentinnen und Präsidenten der sechs grössten Parteien Explizit zu Wort gemeldet haben In Gössis Unterscheidung zwi- sich die Kirchen zuletzt in der Bun- schen Klerus und Gläubigen zeigt schätzen mehrheitlich eine Kirche, die sich politisch äussert. Doch ihre despolitik, als die Richtlinien für sich für Politologe Widmer weniger Erwartungen sind unterschiedlich. Das zeigt die Umfrage von «reformiert.». Waffenexporte gelockert werden ihre katholische Prägung als die Tatsache, «dass die Kirchen freisin- Links und rechts sind sich für ein- Petra Gössi: «Geistliche Würdenträ- sident zähle vor allem jene Themen niger Politik oft widersprechen». mal einig: Die Kirche soll sich in der ger sollten sich auf übergeordnete auf, die auf der Agenda seiner Par- «Stellungnahmen Die FDP gewichte die Interessen der Politik zu Wort melden. Das sagt Themen wie die Wertediskussion tei stünden, kommentiert der Zür- Wirtschaft hoch, und der kirchliche SP-Präsident Christian Levrat und fokussieren.» Die gesellschaftlichen cher Politologieprofessor Thomas werden begrüsst, Protest habe sich gegen ihren Bun- verweist dabei auf die «unverkenn- Werte der Schweiz gründeten «klar Widmer. Er erkennt darin die Ten- desrat gerichtet. bare Übereinstimmung zwischen in der christlichen Tradition». denz, dass Politiker Stellungnah- solange sie ins der Botschaft des Evangeliums und men begrüssen, solange sie ihnen Bedeutungsvolle Werte den grossen Leitlinien» seiner Par- Lobby für Benachteiligte ins Konzept passen. Das gilt freilich eigene politische Gegenüber der Kirche zeigen sich tei. Das sagt auch SVP-Präsident Al- Mit Blick auf die Parlamentswahlen auch für Levrat (SP), der die Kirchen Konzept passen.» die Parteispitzen offen und eher po - bert Rösti, ermahnt die Kirchen je- vom 20. Oktober hat «reformiert.» dafür lobt, dass «sie insbesondere sitiv eingestellt, bilanziert Widmer. doch, ihren «eigentlichen Auftrag, die Spitzen der sechs grössten Par- die Interessen von benachteiligten Auch Grossen (GLP), der das System die Verkündigung der frohen Bot- teien befragt, ausgewählt nach den Menschen vertreten, die von der mit staatlich anerkannten Kirchen schaft», nicht zu vergessen. Wahlresultaten von 2015. politischen Mehrheit zu wenig be- ablehnt, verlangt, dass kirchliche Regula Rytz, die Präsidentin der Die Politikerinnen und Politiker rücksichtigt werden». Thomas Widmer Grundwerte in einer modernen Ge- Grünen, erwartet von der Kirche schätzen Diskussionsbeiträge der CVP-Präsident Gerhard Pfister Politologe sellschaft «bedeutungsvoll bleiben». «unbedingt» ein Engagement «in der Kirchen zu ganz unterschiedlichen setzt bei kirchlichen Stellungnah- Felix Reich und Cornelia Krause harten politischen Diskussion». Die Themen. Rösti (SVP) nennt zum Bei- men «Kompetenz und Sachkennt- Kirche sei mit ihren starken Grund- spiel Familienarbeit und Kinderer- nis» voraus. Er stellt die Kirchen sollten. Der evangelische Kirchen- werten eine «wichtige Partnerin der ziehung, den Umgang mit anderen auf eine Stufe mit anderen Nichtre- bundpräsident Gottfried Locher und Alle Antworten der Politiker politischen Institutionen». Selbst Religionen, Altersbetreuung, Ster- gierungsorganisationen. Damit ig- der Präsident der Bischofskonferenz, und Politikerinnen im Wortlaut GLP-Präsident Jürg Grossen, der die bebegleitung, Föderalismus, direk- noriere Pfister, der seine Partei of- Charles Morerod, forderten den da- sowie das Interview mit de m Trennung von Kirche und Staat be- te Demokratie, das «Spannungsfeld fenbar vom Image der Kirchennähe maligen Bundesrat Johann Schnei- Politologen Thomas Widmer: fürwortet, hält es für richtig, wenn zwischen Eigenverantwortung und wegführen wolle, die Realität, sagt der-Ammann und später die Natio- sich die Kirche politisch äussert. Zu- staatlichen Regeln» in Steuerfragen Widmer. «Die Kirchen haben in vie- nalräte auf, Waffenlieferungen in reformiert.info/wahlen2019 rückhaltender ist FDP-Präsidentin und im Sozialsystem. Der SVP-Prä- len Kantonen eine priviliegierte Po- Konfliktregionen weiterhin zu ver- Dossier Arm zu sein bedeutet nicht nur, kein Geld zu haben Ein Leben in Armut – das tönt nach bit- terer Not, krassem Elend und Ver- wahrlosung. Nach vergangenen Zeiten auch, als es noch keine Sozialwerke gab und jede Familie ökonomisch ganz auf sich gestellt war. Heute äussert sich Armut in der Schweiz anders. Für die Betroffenen bedeutet sie ein Leben auf dem Existenzminimum, oft- mals ohne Job, begleitet vom Sozial- amt und belastet von persönlichen, fa- miliären und sozialen Problemen. Ein Bruch im Leben «reformiert.» berichtet über eine Emmentalerin, die in Armut lebt. Zuerst war sie Wirtin in einem Landgasthof. Dann geriet sie wegen Ehe- und Alko- holproblemen in eine Abwärtsspirale und verlor alles, was ihr bisheriges Le- ben ausmachte. Bis auf die Tochter, die eine Behinderung hat, das Mitfie- bern an Schwingfesten, das Jodeln und einen unbeugsamen Lebensmut, der sie durch schwierige Zeiten trägt. SEITEN 5–8 Der Alltag von Mutter und Tochter ist von Einschränkung und Verzicht geprägt – aber auch von Wünschen und Träumen. Foto: Carmela Odoni 2 REGION reformiert. Nr. 9/September 2019 www.reformiert.info Es war ein Bauern- und Handwer- Ständerat berät über kerdorf, familiär, ruhig, überschau- Gesungen, gesprochen Kovi im Herbst bar. Heute ist es das nicht mehr. Ein kritischer Denn es hatte das Glück – oder auch Im «Requiem für B» treten Figuren von Politik Diesen August hat sich die Pech – in Stadtnähe erbaut worden Bruno Arn, Musik von Dieter Schürch Rechtskommission des Ständerates zu sein. Was in den frühen 1960er- und Texte von Stef Stauffer miteinander mit der Konzernverantwortungs- Jah ren Investoren auf den Plan rief. in Bezug. Thematisiert wird der Zei- initiative (Kovi) beschäftigt, und Blick auf «Spekulanten», wie kritische Einhei- tenwandel am Beispiel des Berner Dorfs der Bundesrat hat dazu einen eige- mische sagten. Die Investoren kauf- Münchenbuchsee. Die Musik orien­­- nen Gegenvorschlag präsentiert. ten den Bauern das Land ab und tiert sich an der Tradition der Blasmusik, Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der bauten Häuser für gutverdienende aber auch an der Form des kirch- Bundesrat die Initiative ohne Ge- den Bauboom Neuzuzüger aus der Stadt. Das Ge- lichen Requiems. Die Ausführenden: genvorschlag abgelehnt. Der Stän- schäft florierte, alte Häuser wurden Karin Stübi Wolgemuth (Sopran), derat berät voraussichtlich in der abgebrochen, neue gebaut, das Dorf Barbara Erni (Alt), Katharina Kilchen- Herbstsession über dieses Geschäft. veränderte sein Gesicht. mann (Sprecherin), Joschi Kühne Während sich der Nationalrat für Ortsgeschichte In der Kirche Münchenbuchsee (Sprecher) sowie diverse Instrumenta- einen indirekten Gegenvorschlag steht eine besondere Uraufführung an: Das «Requi- Der zeichnende Chronist listinnen und Instrumentalisten. aussprach, hat der Ständerat im «Münchenbuchsee war geradezu Frühling einen solchen abgelehnt. em für B» thematisiert in Bild, Ton und Wort berühmt für seine Abbrüche, sogar «Requiem für B», Uraufführung: 12./13./ «reformiert.» sprach mit Gabriela den Verlust der traditionellen dörflichen Identität. der Eisenplastiker Bernhard Lugin- 14. September, 20 Uhr, Kirche München- Allemann und Markus Huppen- bühl hat dies in einem seiner Filme buchsee. www.requiem-für-b.ch bauer über die Initiative. Als Präsi- aufgegriffen», sagt Bruno Arn. Er dentin der Evangelischen Frauen muss es wissen; der 80-Jährige ist im Schweiz unterstützt Allemann die Dorf geboren, aufgewachsen und uraufgeführt wird. Es nimmt die Initiative, der Ethiker und Theolo- noch immer wohnhaft. Hier betrieb klassische Form der musikalischen ge ist dagegen. nm er sein Architekturbüro, das unter- Totenmesse auf und ist ein Gesamt- dessen von seinem Sohn weiterge- kunstwerk aus Musik, Text, Skulp- Pro und Contra: reformiert.info/kovi führt wird. Hier befindet sich auch tur und Inszenierung. Der Kompo- sein Künstleratelier, denn nebst der nist ist der Berner Musiker Dieter Architektur hat Arn immer auch Schürch, Bruno Arn hat dazu über- die bildenden Künste gepflegt, als lebensgrosse, lustig-schaurige To- Ökumenischer Zeichner, Maler, Skulpteur. Und als tenfiguren in Dorfmusikantenuni- Filmpreis Locarno Chronist seines Dorfes, das innert form geschaffen, die Texte stammen von seiner Tochter,
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