Rote Liste Der Wanzen (Insecta: Heteroptera) Thüringens
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Rote Liste der Wanzen (Insecta: Heteroptera) Thüringens Phymata crassipes ist in Thüringen noch weit verbreitet, sie besiedelt vornehmlich Kalkmagerrasen und trocken warme Wald- und Gebüschsäume, Sonnenberge, Jena, 1994. (Aufn. F. JuliCh) Rote Liste der Wanzen (Insecta: Heteroptera) Thüringens 2. Fassung, Stand: 10/2010 Jürgen küssner Einleitung Im Gegensatz zu den Roten Listen Thüringens Vogelnester oder Flechtenrasen. Nur wenige von 2001 werden in der aktuellen Fassung Arten leben synanthrop, so einige Arten aus Land- und Wasserwanzen gemeinsam behan- den Familien Cimicidae (Bettwanzen) oder Re- delt. duviidae (Raubwanzen). Die Lebensweise der Wanzenarten und die Die meisten Wanzen sind phytophag und er- damit verbundenen Habitatansprüche sind nähren sich vor allem von Pflanzensäften. Oft ausgesprochen vielfältig. Nur wenige Insekten- sind sie an einzelne Pflanzenarten oder weni- gruppen weisen einen ähnlichen Formenreich- ge nah verwandte Pflanzenarten gebunden. tum auf. In Thüringen werden nahezu alle Habi- Eine enge Bindung an in Thüringen gefähr- tate von Wanzen besiedelt. Es sind die Besiedler dete Pflanzen bringt oft eine Gefährdung der extremer Standorte, wie etwa Trockenrasen, entsprechenden Wanzenarten mit sich. Einige Salzstellen oder Moore, die einer besonderen Arten ernähren sich zoophag von Insekten und Gefährdung ausgesetzt sind und die deshalb deren Larvenstadien, von Spinnen und ande- besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. ren Gliedertieren oder zoophytophag. Wenige Die meisten heimischen Wanzen sind Landbe- Arten parasitisieren an Wirbeltieren. wohner, nur etwa 10 % leben aquatisch oder Wanzen sind in Thüringen mit 296 Gattungen semiaquatisch. Einige Arten besiedeln Mikro- aus 36 Familien vertreten. Weltweit sind über habitate, zum Beispiel Ameisennester, Tierbaue, 40.000 Arten beschrieben, aus Deutschland Heidekrautheiden beherbergen ein Vielzahl von Wanzenarten, der starke Schwund alter intakter Heidebestände – oft verursacht durch Nut- zungsoffenlassung und einer damit einhergehenden Bewaldung – führt zu einem zum Teil drastischen Rückgang spezialisierter Arten, Langen- hain, Oktober 2007. (Aufn. J. Küssner) 156 derzeit ca. 890 Arten gemeldet. In Thüringen wurden 662 Arten nachgewiesen, von denen 587 aktuell belegt sind. Für 75 Arten sind Nach- weise nur aus der Zeit vor 1960 bekannt. Diese Arten werden als verschollen bzw. ausgestor- ben geführt. Für die Ermittlung der Bestandessituation und ihrer Tendenz konnte auf ca. 14.000 aktuelle Nachweise (1985-2010) zahlreicher Sammler zurückgegriffen werden. Darüber hinaus wur- den Daten aus der neueren Literatur und Re- cherchen in Museeumssammlungen berück- sichtigt. Daten aus älteren Faunistiken fanden Jalla dumosa ist eine sehr seltene Baumwanze die sich haupt- ebenfalls Berücksichtigung, wurden jedoch, sächlich am Boden und in der unteren Krautschicht aufhält. Sie sofern ihre Angaben nicht belegt waren, als kri- bevorzugt trockene und warme Sand- und Kalkmagerrasen, Trup- tisch angesehen. penübungsplatz Ohrdruf, 12.10.2007. (Aufn. J. Küssner) Die Einschätzung der Bestandestendenz allein auf Basis der Daten erwies sich als schwierig, da die einzelnen wanzenfaunistischen Erhe- bungen kaum vergleichbar waren und der geringe Datenumfang eine genaue Bewer- tung mitunter nicht zuließ. Es wurde deshalb neben dem vorliegenden Datenmaterial auch die Entwicklung der besiedelten Habitattypen und Pflanzengesellschaften berücksichtigt. So wurde bei einigen seltenen Arten, welche stark an gefährdete Biotoptypen gebunden sind, wie etwa die Besiedler von Mooren, Seggenrieden, Nasswiesen, Zwergstrauchheiden, Sandmager- Galeatus spinifrons – diese extrem seltene Netzwanze (Tingidae) rasen, Uferbereichen von Fließgewässern und ist in Thüringen nur auf wenigen Kalkmagerrasen an der Berg-Aster naturnahen Wäldern, regelmäßig eine negative zu finden, Kühndorf, 14.06.2010. (Aufn. J. Küssner) Bestandestendenz angenommen. Nach dem Erscheinen der 1. Fassung der Roten eine exaktere Situationseinschätzung getrof- Liste der Landwanzen Thüringens lichter & san- fen werden. Der (2001) und der 2. Fassung der Roten Liste Zurzeit gelten in Thüringen 75 Wanzenarten der Wasser- und Uferwanzen (aquatische und (11,3 %) als ausgestorben bzw. verschollen, 48 semiaquatische Heteroptera) Thüringens Bells- Arten (7,3 %) wurden in Kategorie 1, 68 Arten teDt (2001) konnten 44 Arten neu für Thüringen (10,3 %) in Kategorie 2 und 66 Arten (10 %) in nachgewiesen werden, 29 dieser Arten muss- die Kategorie 3 gestellt. 38 Arten (5,7 %) wur- ten auch in die aktuelle Rote Liste aufgenom- den als extrem selten (Kategorie R) eingestuft. men werden. Von den 67 in der 1. Fassung der In die Kategorie G wurden 15 Arten (2,3 %) ge- Roten Liste in der Kategorie 0 geführten Arten stellt, bei diesen ist eine Gefährdung zu vermu- konnten 29 aufgrund gezielter Nachsuche wie- ten. Insbesondere diese Arten bedürfen noch der für Thüringen bestätigt werden. einer genaueren Untersuchung. Damit sind Wurden bei den Recherchen zur 1. Fassung der derzeit 310 Arten in der Roten Liste vertreten, Roten Liste der Landwanzen Thüringens ein dies sind 63 Arten weniger als in der 1. Fassung. Hauptaugenmerk auf die Halbtrockenrasen- Insgesamt wurden 301 Arten umgestuft, 187 und Trockenrasenbesiedler gelegt, konnten Arten wurden herabgestuft und 114 Arten he- nun auch für die Wald- und Gehölzbesiedler, raufgestuft. 105 Arten wurden aus der Roten aufgrund stark gestiegener Sammelaktivitäten, Liste gelöscht. 157 Henestaris halophilus ist in Deutschland eine typische Besiedlerin Lygaeus simulans (Larve) ist in Thüringen nur aus dem Kyffhäu- von Binnensalzstellen, auch in Thüringen findet sich die Art auf ser bekannt, hier besiedelt sie zusammen mit Lygaeus equestris schütter bewachsenen Salzwiesen, Artern, 22.09.2007. Schwalbenwurzbestände auf wärmebegünstigten Standorten, Bad (Aufn. J. Küssner) Frankenhausen, September 2007. (Aufn. J. Küssner) Deraeocoris cordiger ist aus Thüringen von nur einem Fundort bekannt. Die Art besiedelt wärmebegünstigte Besenginsterbestände. Sie erreicht in Thüringen ihre westliche Verbreitungsgrenze, Abteroda, 26.06.2008. (Aufn. J. Küssner) 158 Wanzen: Familien, Artenzahlen, Einstufungen Rote Liste Thüringens Familie Deutscher Name Abkürzung Arten 0 1 2 3 R G RL-gesamt Acanthosomatidae Bauchkielwanzen Aca 7 1 1 Alydidae Krummfühler- Aly 1 0 wanzen Anthocoridae Blumenwanzen Ant 37 6 1 2 3 5 4 21 Aphelocheiridae Grundwanzen Aph 1 1 1 Aradidae Rindenwanzen Ara 10 1 1 3 5 Berytidae Stelzenwanzen Ber 9 1 1 1 1 4 Ceratocombidae Cer 1 1 1 Cimicidae Bettwanzen Cim 5 3 1 4 Coreidae Randwanzen Cor 13 4 1 2 7 Corixidae Ruderwanzen Cri 26 3 5 2 2 12 Cydnidae Erdwanzen Cyd 13 1 1 2 3 1 8 Dipsocoridae Dip 2 1 1 2 Gerridae Wasserläufer Ger 9 1 1 1 3 Hebridae Zwergwasserläufer Heb 2 1 1 Hydrometridae Teichläufer Hyd 2 1 1 Leptopodidae Lep 1 1 1 Lygaeidae Bodenwanzen Lyg 103 11 13 12 16 6 58 Mesoveliidae Zwergteichläufer Mes 1 0 Microphysidae Mic 5 1 1 2 Miridae Weichwanzen Mir 251 25 17 17 17 10 5 91 Nabidae Sichelwanzen Nab 14 1 2 1 1 5 Naucoridae Schwimmwanzen Nau 1 0 Nepidae Skorpionswanzen Nep 2 1 1 Notonectidae Rückenschwimmer Not 4 1 1 Pentatomidae Baumwanzen Pen 39 4 2 4 4 1 15 Piesmatidae Meldenwanzen Pie 4 1 1 2 Plataspidae Kugelwanzen Pla 1 0 Pleidae Zwergrücken- Ple 1 0 schwimmer Pyrrhocoridae Feuerwanzen Pyr 2 1 1 Reduviidae Raubwanzen Red 11 2 1 4 2 1 10 Rhopalidae Glasflügelwanzen Rho 15 1 4 12 8 Saldidae Uferwanzen Sal 15 2 4 1 3 1 11 Scutelleridae Schildwanzen Scu 5 1 1 1 3 Stenocephalidae Wolfsmilchwanzen Ste 3 1 1 2 Tingidae Netzwanzen Tin 43 8 3 5 6 5 1 28 Vellidae Bachläufer Vel 3 0 Summe 662 75 48 68 66 38 15 310 159 Diese sehr umfangreichen Umstufungen be- zu finden sind. So ist die Nachweisdichte von ruhen im Wesentlichen auf einem erheblichen Acalypta nigrina (Fallén, 1807), Ischnocoris an- Kenntniszuwachs in den letzten 10 Jahren. Bei gustulus (BoheMan, 1852), Peritrechus angusticol- einer Reihe von Arten war jedoch auch ein er- lis (r. F. sahlBerg, 1848) und Coranus woodroffei heblicher Bestandesschwund zu verzeichnen. P. v. Puthshkov, 1982 in den letzten Jahren stark Bei einigen einst recht häufigen Arten wie etwa gesunken, eine Nutzungsoffenlassung bzw. Eurygaster austriaca (schrank, 1776), Neides tipu- falsche Bewirtschaftung und die damit einher- larius (linnaeus, 1758), Prostemma guttula (FaBri- gehende Abnahme offener Heidekrautstruktu- cius, 1787), Leptopus marmoratus (goeze, 1778) ren, nasser wie trockener Ausprägung, ist hier oder Rubiconia intermedia (WolFF, 1811) konn- die Hauptursache. Von besonderer Bedeutung ten trotz intensiver Nachsuche nur noch sehr sind in Thüringen die Kalkmagerrasenbesied- vereinzelte Nachweise erbracht werden, ohne ler, die hier im Unterschied zu einigen benach- das hierfür eine Ursache erkennbar ist. Bei an- barten Bundesländern, oft noch recht umfang- deren Arten wie Salda muelleri (gMelin, 1790), reiche, stabile Populationen bilden. Für deren Pachybrachius luridus hahn, 1826 oder Ligyroco- Erhaltung trägt Thüringen eine besondere Ver- ris sylvestris (linnaeus, 1758) lässt sich die nega- antwortung. tive Bestandestendenz auf den Verlust geeig- neter Lebensräume, hier der von nassen Moor- biotopen, zurückführen. Ebenfalls einen deutli- Für die kritische Durchsicht der Roten Liste und chen Bestandesrückgang zeigen Arten, die in für zahlreiche, wertvolle Hinweise sei an dieser Thüringen vornehmlich auf Heidekrautheiden Stelle Herrn Michael Münch (Chemnitz) gedankt. Gonocerus juniperi besiedelt in Thüringen Wacholderheiden auf sonnenexponierten Standorten, in den