„Erbarme dich Mensch, der Kreatur“

Tiertransporte aus der Sicht einer theologischen Ethik

Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer

Magistra theologiae

eingereicht von

Monika Semmernegg

bei

Univ.-Prof. Dr. Kurt Remele

Institut für Ethik und Gesellschaftslehre an der Kath.-Theol. Fakultät

der Karl Franzens-Universität Graz

Graz, 2019

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Ort, Datum Unterschrift

I

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort ...... - 1 - 2. Tiertransport – eine Einführung ...... - 5 - 2.1 Ablauf eines Tiertransportes...... - 6 - 2.2 Zuchtrinderexport ...... - 9 - 2.3 Kälbertransport nach Italien ...... - 11 - 3. Der Tiertransport aus der Sicht der Tierschützer ...... - 14 - 3.1 Animal Angels ...... - 16 - 3.2 Christa Blanke – eine Theologie für den Tierschutz ...... - 17 - 3.3 Verein gegen Tierfabriken ...... - 20 - 3.4 Fleischverbrauch in Österreich ...... - 22 - 3.5 Aktuelle Diskussion in Politik und Tierschutz ...... - 25 - 4. Gesetzliche Lage ...... - 28 - 4.1 Definitionen ...... - 28 - 4.2 Allgemeine Bedingungen ...... - 29 - 4.3 Der Treibvorgang ...... - 32 - 4.4 Transportfähigkeit ...... - 33 - 4.5 Durchführung des Transportes (Transportpraxis) ...... - 34 - 4.6 Versorgungsrichtlinien ...... - 35 - 5. Haben Tiere eine Würde? ...... - 40 - 5.1 Schizophrenie beim Umgang mit Tieren ...... - 40 - 5.2 Kategorien von Tieren ...... - 41 - 5.3 Würde der Kreatur? ...... - 43 - 5.4 Ethische Sprache ...... - 47 - 6. Der Blick in die Geschichte – und wo das Mitgeschöpf seinen Wert verlor ...... - 50 - 6.1 Rene Descartes ...... - 51 - 6.2 Immanuel Kant ...... - 52 - 7. Die Entdeckung „Tierschutz“ ...... - 54 - 7.1 Jeremy Bentham ...... - 54 - 7.2 Arthur Schopenhauer ...... - 56 - 7.3 Albert Schweitzer ...... - 58 - 7.4 Johannes Ude ...... - 60 - 8. Zeitgenössische Tierethik und ihre Vertreter ...... - 62 - 8.1 Peter Singer ...... - 63 - 8.2 Tom Regan ...... - 67 - II

8.3 Ursula Wolf ...... - 70 - 8.4 Andrew Linzey ...... - 73 - 8.5 Heike Baranzke ...... - 76 - 8.6 Rainer Hagencord ...... - 78 - 9. Die Theologie und das liebe Vieh ...... - 82 - 9.1 Das Tier in der Bibel ...... - 82 - 9.2 Was sagt das Lehramt und die Kirchenleitung? ...... - 89 - 9.3 Laudato Si – die Hoffnung ...... - 96 - 9.4 Das eierlegende Wollmilchschwein? ...... - 98 - 10. Neue Wege sind gefunden ...... - 102 - 10.1 Labonca und Co ...... - 103 - 10.2 Essenz ...... - 107 - 10.3 Resümee ...... - 108 - Literaturverzeichnis ...... - 111 -

III

1. Vorwort

Anstoß meines intensiven Interesses für die Tierethik war ein Lied von Reinhard Mey, „Erbarme dich Mensch, der Kreatur“. In diesem Lied geht es um den Pferdetransport von Litauern nach Sardinien, wohin Schlachtpferde, nach einem geschundenen Leben als Arbeitstier, verfrachtet werden. Als ich dieses Lied zum ersten Mal hörte, war mein erster Gedanke, „Wenn nicht einmal vor derart edlen Tieren wie den Pferden Rücksicht genommen wird, sie genauso als Schlachtvieh geschunden und gequält werden, wie wird es dann wohl den Rindern und Schweinen ergehen, die vielleicht nicht als ebenso edle Tiere gelten.“

Die nachfolgende Recherche zur Thematik „Fleischproduktion“1, also beginnend mit Massentierhaltung, Transport zum Schlachthof, Langstreckentransport, das Schlachten und die Verarbeitung, glichen einem Horrorszenario, welches nicht vor unseren Staatsgrenzen in Österreich, stopp macht. Sondern bei uns ebenso fast zelebriert wird, wie in den Ländern, über die gerne mokiert wird, dass sie keinen Tierschutz kennen. Die Erkenntnis, dass gläubige Christen, zwar an der Schöpfung Gottes festhalten und sich als Menschen, zur Krone der Schöpfung deklarieren, aber ihrer Verantwortung für die Schöpfung nicht im vollem Ausmaß gerecht werden können, war für mich Grund genug, meine wissenschaftliche Arbeit dieser Thematik zu widmen. Es geht nicht um ein Anprangern und um das Finden von Schuldigen, es geht um ein Wachrütteln, ein Aufmerksam machen und um die Sensibilität zu schärfen, dass wir Menschen primär Verantwortung tragen. Verantwortung gegenüber der Schöpfung, die uns geschenkt wurde und weiterhin wird. Verantwortung gegenüber allen Lebewesen in dieser Schöpfung. Genauso aber auch, Verantwortung nach dem ständigen wachsenden Wissen zu handeln.

Ich sehe meine religiöse Heimat nicht als den Garanten für Tierethik oder gar Tierwürde und diesen Vorwurf müssen wir uns gefallen lassen. Über die Jahrhunderte hinweg hat auch die Katholische Kirche hier Missstände walten lassen. Unter den Stichwörtern „Sonntagsbraten“ oder „Martinigansl“ haben sich sogenannte christliche Traditionen etabliert.

1 „Fleischerzeugung“ ist der Nutzen, den sich der Mensch zuschreibt. Doch der Zweck des Tieres ist nicht allein der Nutzen für den Menschen. Daher werden derartige „Fachausdrücke“ die der Mensch in Bezug auf Tiere verwendet unter Apostroph gesetzt. - 1 -

Der sogenannte „Sonntagsbraten“ resultiert wohl aus längst vergangenen Tagen, wo der Sonntag noch eine stärkere Bedeutung hatte und der Fleischkonsum sich auf diesen einen Tag konzentrierte. Unter der Woche gab es Stärkendes und das was der Boden, der Landwirtschaft, hergab, oftmals gerade so viel, dass man seine Arbeit gut erledigen konnte, aber sicher nicht einer Völlerei gleichend. Doch am Sonntag, da freute man sich auf ein Stück Fleisch, zuerst war der Kirchgang, danach ein festlicher Braten, um dem Tag des Herrn zu loben, so die Erzählungen meiner Großmutter.

Das „Martinigansl“ geht auf den Heiligen Martin von Tours zurück, der nach einer Legende durch das Geschnatter der Gänse quasi verraten wurden, als er sich vor der Bischofswahl verstecken wollte. Der Grund, warum die Gans und Martin noch immer so stark in Verbindung gebracht werden, ist aber wahrscheinlich kein primär religiöser, sondern eher historischer Natur. Im letzten Jahrhundert war der Martinstag bekannt als Zahltag, an diesem Tag bekamen die Feldarbeiter und Gehilfen am Bauernhof ihren Lohn für die Saison. Reiche Bauern, die es sich leisten konnten, schlachteten ein paar Tiere, vorwiegend Gänse und Enten, für ein letztes gemeinsames Mahl vor der Winterruhe.2 Doch heute ist von diesen historischen oder legendenhaften Vorstellungen kaum etwas über, bis auf die Sache mit dem „Gansl“. Um den Tag der Heiligenverehrung am 11. November wird traditionell ein „Gansl mit Knödel und Rotkraut“ in diversen Restaurants und Gasthäusern angeboten, aber nicht um den Heiligen zu ehren, von dem kaum einer noch etwas weiß, sondern um dem Gaumen Rechnung zu tragen. Wie sehr diese Schlachtgänse für die Tradition gequält werden, durch intensives Mästen, zu hohe Besatzdichte in den Mastbetrieben, sowie unsachgemäßer Umgang mit den eigentlich sehr sensiblen Tieren, möchte ich nur kurz erwähnen, aber nicht weiter ausführen. Es soll nur als Beispiel gesehen werden, dass hinter vermeintlichen Traditionen eine gewisse Tier Qual versteckt ist, ob wir sie nun wahrnehmen können oder wollen, sei dahingestellt.

„Es ist primär nichts Verwerfliches dran, Fleisch zu konsumieren, denn schließlich ist dies Teil unserer Tradition“, wird oft argumentiert, wenn man die Missstände in der Fleischproduktion anspricht. Doch das Verwerfliche liegt darin begraben, dass wir uns nicht mehr mit dem Lebensmittel Fleisch beschäftigen. Müssen wir auch nicht. Wer heute Fleisch essen will, geht einfach in den nächsten Supermarkt und holt was er oder sie zum Essen gerne hätte. Schön verpackt in den Kühlregalen liegen allerhand Fleischteile von den verschiedensten Tieren. Wurst, Schinken und Käse sind ebenfalls in Hülle und Fülle vorhanden, man kann sich gar nicht satt sehen. Doch kaum jemand denkt einen Schritt zurück. Bevor dieses Stück Fleisch im

2 Vgl. Becker-Huberti, M. (2004). Der Heilige Martin. Leben, Legenden und Bräuche, Köln: Greven2. S. 44-47. - 2 -

Supermarkt landet, war es einmal ein Tier, ein Lebewesen, ein fühlendes und denkendes Mitgeschöpf. Dieses Tier musste ziemliche Strapazen auf sich nehmen, um für uns irgendwann im Supermarkt, zu Teilen verpackt, zu liegen. Allein die Massenzucht bringt immense Qualen und Einschränkungen mit sich. Und entgegen vieler Meinungen, ein Kilo Fleisch um vielleicht Zehn Euro zeugt nicht von naturgemäßer Haltung und schonender Schlachtung. Dazu der Transport in einen Schlachthof, der nicht immer der nächstgelegene ist. Und dann der letzte Gang. Der Gang in die Schlachtung selbst, welchen die Tiere sehr wohl „spüren“. Doch daran denken wir bei unseren Einkäufen nicht. Müssen wir auch nicht – wie ich im Resümee noch näher erläutern werde.

Meine Arbeit wird sich in drei große Bereiche teilen, Hauptthema wird der Tiertransport sein, Fakten rund um den Transport der Tiere, sprich der Ablauf, die Mängel, sowie die gesetzliche Lage und die ethischen Konsequenzen, bilden den ersten Teil der Arbeit.

Eine Frage, die sich hier stellt, ist: Warum gibt es überhaupt Tiertransporte? Es gibt sie, weil die große Nachfrage der Konsumenten gestillt werden muss und weil das Hofschlachten immer weniger bis gar nicht mehr stattfindet. Mittlerweile leben wir mit sogenannten großen Schlachtzentren, die sich in den größeren Städten und Ballungszentren angesiedelt haben, dort werden tagtäglich tausende Tiere im Akkord geschlachtet, damit die große Nachfrage für den Handel gedeckt werden kann. Kleine Schlachtbetriebe oder eben das erwähnte Hofschlachten sind weitestgehende Minderheit geworden, weil sie den großen Bedarf gar nicht abdecken könnten. Dieser große Bedarf an „Fleisch und -produkten“ hat eine eigenständige Fleischindustrie hervorgebracht, wo nur mehr die Produktion im Mittelpunkt steht und nicht mehr vorrangig das Handwerk „Schlachten“, sodass Missstände fast an der Tagesordnung stehen.

In den ersten Teil „Tiertransport“ fließen ebenso die Gesetzestexte, wie die Tierrechtsorganisationen, der Verein gegen Tierfabriken und die Animal Angels mit ein.

Im zweiten Teil meiner Arbeit spielt die Ethik eine wesentliche Rolle, um anhand derer erklären zu können, warum wir von Tierwürde sprechen müssen. Hier werden historische Vertreter wie Jeremy Bentham oder Arthur Schopenhauer, sowie zeitgenössische Tierethiker und Wegbereiter, unter anderen Peter Singer und Tom Regan, Gehör finden. Nicht zu vergessen die Arbeit der Theologen, darunter Andrew Linzey, Heike Baranzke und Rainer Hagencord, die versuchen, dem Tier einen würdigen Stellenwert zu geben und somit eine gute Überleitung in den dritten Teil bieten.

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Dieser dritte Teil wird das Lehramt betreffen und die Frage, warum wir es heute noch immer nicht schaffen, Tiere als Mitgeschöpfe zu betrachten. Aber auch der Hoffnungsschimmer am Firmament, Papst Franziskus, der seinem Namensvetter alle Ehre macht, wird nun zur Sprache kommen, genauso wie biblischen Grundlagen, die gar nicht so tierfremd oder tierpessimistisch sind, wie es manchmal artikuliert wird. Das letzte Unterkapitel des dritten Teiles handelt von der Suche nach dem „eierlegenden Wolfmilchschwein“? Die Verbindung von Theologie, Tierethik und Tierschutz, die schon längst vorhanden wäre, wenn sich der Mensch nicht selbst im Wege stehen würde. Die Gewohnheiten, die vermeintlichen Traditionen der Menschheit und der blinde Gang durch unsere Welt, als ob es kein Morgen gäbe, hinterlassen ihre tiefen Gräben. Mit einer wissenschaftlichen Arbeit wird die Transportqual der sogenannten „Nutztiere“ nicht beendet werden, aber es ist ein unermüdlicher Versuch, die Schöpfung Gottes, als das anzunehmen, was sie ist – ein Geschenk.

Neben der Essenz und dem Resümee zur Arbeit, sollen im letzten Kapitel, verschiedene Alternativen einfließen. Der vereinzelte Versuch, den Tiertransport obsolet zu machen, durch Bauerninitiativen in der Steiermark, sowie dem Vorzeigebetrieb Labonca, mit dem Weideschlachthaus, deren Hauptaugenmerk es ist, dass es ihren Tieren besser ergeht, als den vielen anderen in der Massentierhaltung.

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2. Tiertransport – eine Einführung

Die Supermarktketten konkurrieren täglich mit ihren Dumpingpreisen, wer ist der Billigere, wer kann mehr verkaufen, aber natürlich muss die Marge stimmen und die wird stimmen, den Fleisch ist en vogue. Ob als opulente Mahlzeiten zu den diversen christlichen Feiertagen, in der Grillsaison oder einfach jeden Tag zu den Haupt- und Nebenmahlzeiten. Fleisch hat immer Saison. Doch wie kommt eigentlich das Fleisch in den Supermarkt? Es mag eine eher komische Frage sein, denn jeder weiß, dass das Fleisch von den Tieren kommt und jeder weiß, dass diese Tiere vorher geschlachtet werden müssen, damit sie auf Styroportassen mit Folie umwickelt, im Regal des Supermarktes ausgestellt werden können.

Das interessante daran ist, dass mit dieser simplen Antwort, viele Menschen kein Problem haben. Fleisch und Fleischprodukte zu essen gehört zur Normalität, zu der die meisten in Österreich erzogen werden. Doch wenn man mit Bildern zur Massentierhaltung, sowie des Massentransportes und des Schlachtvorganges, die Antwort untermalt, ist die Zustimmung und das -kein Problem damit haben- nicht mehr so einstimmig. Diese Fakten zu sehen, darüber näher informiert zu werden, wollen viele nicht sehen und erfahren. Die meisten Menschen lehnen derartige Missstände wahrscheinlich ab, aber den Kauf von Billigprodukten, boykottieren letztendlich noch immer viel zu wenige.

Es ist längst kein Kavaliersdelikt mehr oder ein Ausnahmefall, wenn offenkundig wird, wie das Fleisch, letztendlich, als Tier einmal behandelt worden ist. Die Industrie der „Fleischerzeugung“ geht nicht sehr sanft, oder gar dem Tierwohl Rechnung tragend, mit dem künftigen Produkt Fleisch um.

Es hängen drei große Faktoren zusammen, damit es zu einer „Fleischerzeugung“ kommen kann. Der erste Faktor ist die Aufzucht und die damit zusammenhängende konventionelle Massentierhaltung. Der zweite große Punkt bezieht sich auf den Transport und das dritte Faktum ist die Schlachtung. Für alle drei Bereiche gibt es das sogenannte Tierschutzgesetz und die Transport-, sowie die Schlachtverordnung, gültig für die gesamte Europäische Union. „Da es sich um eine EU-Verordnung handelt muss auch die EU-Transportverordnung nicht erst in nationales Recht umgesetzt werden, da sie automatisch in jedem Mitgliedsstaat gilt und direkt

- 5 - anwendbares Recht darstellt.“3 Daraus könnte resultieren, dass alles rund um die Erzeugung des Lebensmittel Fleisch, gesetzlich vorgeschrieben und demnach auch eingehalten werden würde. Doch dagegen sprechen die Dokumentationen der Tierschutzorganisationen, das Veterinäramt und die Exekutive, wie im weiteren Verlauf des Kapitels noch ersichtlich sein wird.

2.1 Ablauf eines Tiertransportes

Beginnen wir ganz am Anfang, jedes „Nutztier“4 wird mindestens einmal in seinem Leben transportiert, spätestens zum Schlachthof. Der Transport beginnt beim Mastbetrieb, Biohof oder bei Sammelstellen. Prinzipiell gibt es keinen Unterschied, ob ein konventioneller Betrieb die „schlachtreifen“ Tiere in den Schlachthof transportieren lässt oder ein Biohof. Der Weg ist für beide Haltungsformen derselbe. Das klingt erstmal nicht so dramatisch, denn Schlachthöfe gibt es mindestens in jeder größeren Stadt in Österreich und somit sollte dieser Transport auch nicht so lange dauern. Doch so einfach ist es leider nicht. Es gibt kein Gesetz dafür, dass jedes „Nutztier“, in den am nächsten gelegenen Schlachthof gebracht werden muss und somit werden die Tiere oft quer durch Österreich gefahren, bis sie irgendwann am Bestimmungsort eintreffen.

Vor dem Beginn des Transportes allerdings, werden die Tiere in den Transporter geladen. Nicht jedes Tier geht einfach so in einen Lastwagen oder Hänger hinein, weil sie eine natürliche Scheu, vor allem Fremden, in sich hegen. Hausschafe zum Beispiel sind von Natur aus ängstlich und folgen einem Leittier, sie besitzen einen Herdentrieb. Hausschweine und -rinder haben ebenso ihre Eigenheiten und lassen sich nicht einfach in den Transporter bewegen, deswegen werden bei solchen Vorgängen oftmals „Treibmittel“ benützt, um die Tiere, zum einen Verladen zu können, zum anderen die Dauer des Beladens zu beschleunigen. Diese Treibmittel können ein Treibstock, Treibpaddel, sowie gegebenenfalls, ein Elektroschocker sein, aber auch Schaufeln und Mistgabel werden immer wieder eingesetzt. Der Elektroschocker darf allerdings nur, bei ausgewachsenen Rindern und Schweinen im Hinterviertel5, einmalig angewendet

3 Ländliches Fortbildungs Institut LFI (September 2013). Informationsbroschüre „Lebende Tiere – Tiertransportvorschriften in Österreich“, https://www.lko.at, Zugriff 07. März.2019. 4 Da die Bezeichnung „Nutztier“, eine menschliche Kategorie und nicht eine biologische Einteilung meint, wird auch hier ein Apostroph eingesetzt. 5 Mit Hinterviertel wird der „Oberschenkel“ bei Rindern und Schweinen benannt. Dort herrscht viel Fettansatz, sodass der Elektroschocker nicht so schmerzhaft sein soll. Die Praxis ist dennoch eine wesentlich andere. - 6 - werden.6 Durch unsachgemäßes Verhalten von Treibern, sprich Tierhalter/Tierhalterin, sowie Fahrer/Fahrerin und/oder Betreuer/Betreuerin, wird bei diesem Vorgang, immer wieder rohe Gewalt angewendet, welche unter anderem von Tierschutzorganisationen dokumentiert und fortlaufend zur Anzeige gebracht wird. Hier spricht der Gesetzgeber, beziehungsweise die EU- Verordnung, eine klare, aber keine eindeutige Sprache. Es darf schlichtweg keine Gewalt gegen Tiere angewendet werden, die nur geboren wurden, um für die menschliche Ernährung zu sterben.

Wenn alle Tiere an Bord des Transporters sind, geht die Fahrt los. Unter einem Kurzstreckentransport versteht man einen Transport bis zu acht Stunden, alles darüber hinaus, wird als Langstreckentransport bezeichnet. Obwohl im Kurzstreckentransport ebenfalls Mängel vorhanden sind, keine Frage, liegt mein Hauptaugenmerk im Langstreckentransport, denn dieser bringt teils unermessliche Qualen für die Tiere mit sich.

Tiere, die in Österreich vielleicht sogar ein schönes Leben hatten,7 mit einer grünen saftigen Weide, genügend Freilauf, keine Anbindehaltung und artgerechte Haltungsbedingungen, verlieren diese Idylle, zumeist mit dem Verkauf in andere Betriebe oder an einen Tierhändler. Damit beginnt ein Teufelskreis, aus dem es für die Tiere kein Entrinnen gibt. Wenn einem österreichischen Tier der Export droht, ist von vorne herein klar, dass dieses Tier einen Langstreckentransport vor sich haben wird, wo der einstige Tierbesitzer, mit der saftigen Weide, oftmals keine Ahnung hat, was sein Tier einmal erleiden wird. Im Film „Geheimsache Tiertransporte“, von 37-Grad-Autor Manfred Karrermann/ZDF, wurde versucht, ein deutsches Kalb nach dem Verkauf vom Heimatbetrieb bis zu seinem Lebensende nachzuverfolgen.

Nacherzählung aus dem Film:

„Geboren 2015 in einem idyllischen Milchbetrieb in Mengen, Deutschland, wo man noch alle Tiere mit Namen kennt, wird das männliche Kalb an einen Mastbetrieb in Westdeutschland verkauft. Mehrmals im Laufe seines kurzen Lebens, wechselt das Tier die Mastbetriebe, bis es weiterverkauft wird nach Ungarn, wo sich schließlich seine Spur verliert. Im April 2016 wird

6 Vgl. ProLibris Verlagsgesellschaft (2016). Tiertransportgesetz 20073. S.43-86. EU-Verordnung (EG) Nr. 1/2005, Kapitel III, 1.9., Transportpraxis. Umgang mit Tieren. 7 Ca. 10% aller Milchkühe und 16% aller Kühe in Österreich verbringen ihr Leben auf der Alm oder in Freilaufhaltung. Siehe – Analyse der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Österreich (April 2018). PDF. Zentrum für globalen Wandel und Nachhaltigkeit GW/N, Universität für Bodenkultur Wien, https://wien.gv.at, Zugriff 15. Juni 2019. - 7 - das Kalb in Ägypten wiedergefunden, er ist nun ein ausgewachsenes Rind und die letzten Bilder seines Lebens, werden von der Tierschutzorganisation „“ gedreht. Praxis in Ägypten, wie in vielen islamischen Ländern, ist das halal Fleisch, das bedeutet, dass Tiere ohne Betäubung, durch einen Kehlschnitt ausbluten müssen. Bevor es allerdings dazu kommt, werden den Tieren die Beinsehnen durchtrennt und die Augen ausgestochen, danach erfolgt der Kehlschnitt und ein minutenlanger Todeskampf.“8

Als der einstige Tierbesitzer in Mengen, diese letzten Bilder seines Rindes zu sehen bekommt, war er fassungslos. Damit hätte er nicht gerechnet und davon wusste er auch nichts. Angesichts solcher Bilder, wo die Tier Qual eigentlich eindeutig erkennbar ist, würde es sich möglicherweise ein Züchter dreimal überlegen, ob er wirklich seine Tiere an andere Betriebe verkauft, ohne die Garantie zu haben, dass das Tier zumindest in der Heimat geschlachtet wird, und nicht in Länder, die noch kein Tierschutzbewusstsein besitzen.

Genauso und ähnlich geschieht es mit unseren Exporttieren aus Österreich. Dazu bringe ich zwei Beispiele, die vom „Verein gegen Tierfabriken“ dokumentiert worden sind.

8 Karrermann, M. (2018). Doku 37 Grad. Geheimsache Tiertransporte, https://www.zdf.de/dokumentation/37- grad-geheimsache-tiertransporte-100.html, Zugriff 15. März 2019. - 8 -

2.2 Zuchtrinderexport

Der Zuchtrinderexport in die Türkei ist, prozentual gesehen, der Größte, über 40% der Exportrinder landen für die Fleischproduktion in diesen Drittstaat.

Quelle: https://vgt.at/presse/news/2016/news20161027sl.php [Zugriff 3. März 2019].

Der Verein gegen Tierfabriken berichtet über gravierende Mängel beim Transport. Mängel wie zum Beispiel, überfüllte Transporter, Tiere haben oft keinen Zugang zum Bewässerungssystem, der Boden ist voll mit ihren Exkrementen, die Tiere haben Husten und tränende Augen, verletzte Tiere werden nicht tierärztlich versorgt, tagelanger Transport ohne Pause, ohne Futter und Wasser.9 Über 2000 Kilometer werden sie transportiert und schlecht bis gar nicht versorgt Wohlgemerkt, nicht von allen Transporteuren, aber dennoch zu viele, praktizieren ihre Transporte so oder ähnlich. Die EU Außengrenze in Bulgarien, mit dem Grenzübergang zur Türkei, Kapitan Andreewo, ist der Beginn fehlenden Tierschutzes. Spätestens ab hier interessiert sich niemand mehr für die einstigen Rinder „von der Alm“10, für die männlichen Milchkälber, für die Hausschweine und -schafe. Der Weg bis hierhin, war schon ewig lange, qualvoll und anstrengend, so manche Tiere überleben diesen Transport nicht, sodass am Grenzübergang immer wieder tote Tiere, einfach im Straßengraben, liegen. Doch ab hier

9 Vgl. VGT (27.10.2016). Zuchtrinder-Exporte Österreich, https://vgt.at/presse/news/2016/news20161027sl.php, Zugriff 07.März 2019. 10 VGT (28.11.2018). Von der Alm in die Türkei: Österreichische Rinder auf grausamen Tiertransporten, https://vgt.at/presse/news/2018/news20181128mn_2.php, Zugriff 13. Juni 2019. - 9 - beginnt der zweite Todeskampf, ohne Schutz, ohne Gesetze und das Schlachten ohne Betäubung. Sie werden manches Mal direkt in einen Schlachthof gebracht, sowie von kleinen Händlern aus der Türkei übernommen und verteilen sich so im ganzen Land. Das Martyrium des Schlachtens werden alle in ähnlicher Form erleiden. In der Türkei sehr üblich ist das Aufhängen an einem Bein, dann Halsschnitt bei vollem Bewusstsein oder im Libanon und in Ägypten, durchtrennen der Beinsehnen, damit sich die Tiere quasi robbend und schmerzerfüllt zum Schlachtort schleppen müssen, danach Halsschnitt und minutenlanger Todeskampf.

Es sollen hier keine religiösen Gebräuche und Traditionen, der absichtlichen Tierquälerei beschuldigt werden, denn halal ist ein alter religiöser Ritus. Ein Ritus, der eigentlich zuerst mit Gebeten und Gebräuchen verbunden ist, wo dem Tier und Allah gedankt werden soll, für den bevorstehenden Tod. Im Koran steht nirgends, dass die Tiere qualvoll sterben müssen, ganz im Gegenteil, sie sollen einen schnellen, schmerzfreien Tod erleiden. Dies geht jedoch nur, durch einen effizienten Halsschnitt, mit einer langen Klinge, die quer über den gesamten Hals geführt werden kann, sodass das Tier binnen Sekunden tot ist. Die Praxis ist in vielen muslimischen Ländern, allerdings eine ganz andere und meist wohl eher kulturell und gesellschaftlich geprägt, „so wie es die Väter taten, tun es die Kinder weiter“. In beiden Fällen, ob rituell nach Vorschrift oder gesellschaftlich etabliertes Schlachten, die Tiere müssen für den menschlichen Verzehr sterben. Und ob Gebete dem Tier helfen, einen „leichteren Tod“ zu erleben, sei dahingestellt. Der alte Ritus bekundet wenigstens, eine gewisse Wertschätzung dem Tier gegenüber, während gesellschaftlich etabliertes Schlachten für das halal Fleisch quälerische Formen angenommen hat.

Wenn selbst praktizierende Muslime und Korankenner meinen, dass einer Betäubung eigentlich nichts im Wege stehen würde, dann stellt sich die berechtigte Frage, warum in islamischen Ländern immer noch, ohne Betäubung, geschlachtet wird. Auf der Internetseite islamfatwa.de11 wird bestätigt, dass das „Schlachtfleisch“ von betäubten Tieren immer noch halal bezeichnet werden darf. Dazu wird klar erklärt, „Wenn das Tier trotz Betäubung noch lebt und die Schlachtung entsprechend der Schari’ah erfolgt, dann ist es erlaubt, von seinem Fleisch zu

11 Islamfatwa.de ist ein Internetportal für islamische Rechtsfragen, die vom „ständigen Komitee für islamische Forschung und Rechtsfragen“ beantwortet werden. Keine „Fatwa“ wird vom ständigen Komitee veröffentlicht, ohne dass die Mehrheit der Gelehrten in absoluter Übereinstimmung (ljma) über sie sind. Vgl. https://islamfatwa.de/biografien/89-das-staendige-komitee-fuer-rechtsfragen . Unter „Fatwā (Pl. Fatāwā) → Islamisches Rechtsgutachten; zu dessen Erteilung ein „Mufti“ berechtigt ist. In https://islamfatwa.de/glossar/260.fatwa, Zugriff 7. März 2019. - 10 - essen. Wenn das Tier unter der Narkose stirbt, ist es rechtswidrig, von seinem Fleisch zu essen; die Schlachtung nach dem Tod wäre nutzlos.“12

2.3 Kälbertransport nach Italien

Das zweite Beispiel bezieht sich auf den Kälbertransport:

Quelle: https://vgt.at/presse/news/2016/news20161128hb.php [Zugriff 3. März 2019].

Über 90 Stunden sind die, oft erst 14 Tage alten, Kälber am Stück unterwegs, viel zu wenig Pausen, geschweige denn Schutz. Bergheim, in Salzburg ist eine der großen Sammelstellen für den Kälbertransport nach Spanien, eine weitere große Sammelstelle befindet sich in Farrach, in der Nähe von Zeltweg, Steiermark. „Von dort aus starten LKW und Sattelschlepper alle zwei Wochen ihre fixen Routen. […].“13 Dieser Transport ist Richtung Italien unterwegs.

12 Soziale Angelegenheiten. Fleisch von Tieren, die unter Betäubung geschlachtet werden halal? https://islamfatwa.de/soziale-angelegenheiten/177-essen-und-trinken/essen/983-fleisch-von-tieren-die-unter- betaeubung-geschlachtet-werden-halal, Zugriff 7. März 2019. 13 Vgt (28.11.2016). Tierschutz-Ministerium toleriert illegale Tiertransporte, https://vgt.at/presse/news/2016/news20161128mk.php, Zugriff 08. März 2019. - 11 -

Allein beim Beladen des Transporters, passieren ständig unsachgemäße Handhabungen, wenn die jungen Kälber nicht schnell genug auf den Transporter laufen. „Diverse Anzeigen wegen des Ziehens der Tiere mittels um den Hals gebundenen oder an einem Halfter befestigten Stricken, stellenweise so brutal, dass die Tiere dabei zu Fall gebracht werden… diverse Anzeigen wegen des Verdrehens bzw. Quetschens der Schwänze der Tiere… Mehrere Anzeigen wegen des Schlagens und/oder Tretens der Tiere, in einem Falle mittels der spitzen Kante einer Schaufel, oft direkt ins Gesicht. Zwei Anzeigen wegen des Rammens einer Schiebetür in die Körper der Tiere, wobei sie einmal mehrmals in den Teil einer Kuh gerammt und einmal einer Kuh der Hals mittels der Schiebetür eingeklemmt wurde.“14 Dies ist die Dokumentation des Vereins gegen Tierfabriken, der diese Anzeigen, gemäß der EU- Verordnung EG 1/2005, zur Exekutive weitergeleitet hatte. Weitere Anzeigen, waren wegen des Anbindens der Kälber, welches per Gesetz eigentlich bis zum sechsten Monat verboten ist15, weil die Tiere, noch nicht daran gewöhnt sind. „Eine Anzeige gegen das „Nutztierviehzentrum Farrach“ wegen unhygienischen Haltungsbedingungen. Die Tiere müssen dort zum Teil in ihrem eigenen Urin und Kot stehen.“16 Auch die Transportfähigkeit der Kälber ist ein Thema, welche eigentlich auch per Gesetz geregelt wäre, sowie natürlich die Versorgung der Tiere, da die meisten noch nicht abgesetzt17 sind, das bedeutet sie sind noch von einer Milchersatznahrung abhängig. Dazu die lange Fahrtzeit, beziehungsweise durch das Zusammensammeln der Tiere, die Wartezeit, sodass sich der Transport in die Länge zieht.

In Farrach losgefahren, ist der erste Stopp des Transporters in Bozen, 350 Kilometer entfernt, mit einer Fahrtzeit von gut fünf Stunden, doch bevor die Kälber ihre Nahrung bekommen, werden noch weitere Stunden vergehen, weil der Fahrer seine Pausen einhalten muss, sowie die Nachtruhe.18 Viele Kälber sind bereits seit mehr als zwölf Stunden unterwegs, dabei kann man gar nicht oft genug erwähnen, dass viele Tiere erst knapp zwei Wochen alt sind.

14 Ebd., Vgt, Tierschutz-Ministerium toleriert illegale Tiertransporte. 15 Tierhaltungsverordnung, BGBI. II Nr. 485/2004. Besondere Haltungsvorschriften Kälber, Kapitel 3.2.1. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20003820, Zugriff 15. Juli 2019. 16 Ebd., Vgt, Tierschutz-Ministerium toleriert illegale Tiertransporte. 17 „abgesetzt“ bedeutet, die Kälber sind von der Milch entwöhnt. In natürlicher Umgebung würde ein Kalb bis zu einem Jahr bei seiner Mutter säugen. Im Mastbetrieb wird meist ca. 14 Tage nach der Geburt die Ernährung mittels Milchaustauscher (Mischung aus Milchnebenerzeugnissen und Milchpulver) gewährleistet, das junge Kalb darf eigentlich nie bei seiner Mutter säugen, um die Mutter-Kind Bindung nicht zu fördern, damit die Trennung leichter ist. Die Dauer der Milchersatznahrung hängt von der Zukunft des Kalbes ab und dauert meist bis zur Kalbfleischgewinnung, ca. 3-5 Monate. Vgl. https://alber-schweitzer- stiftung.de/massentierhaltung/mastkaelber, Zugriff 27. März 2019. 18 Vgl., Vgt. (10.12.2014). Kälbertransporte – Der Kälber-Transport und seine Hintergründe, https://vgt.at/actionalert/tiertransporte/reise.php, Zugriff 15. März 2019. - 12 -

Ab hier geht es weiter nach Italien, vorwiegend Sardinien, manche Kälber müssen sogar bis Spanien durchhalten. Einige Kälber überleben diese Transporte nicht, weil sie die Strapazen nicht überstehen. Die verstorbenen Kälber landen wie Müll in Containern.

Der Grund, warum sehr viele Kälber ins Ausland exportiert werden, liegt zum einen an der Milchwirtschaft, zum anderen an der Nachfrage nach dem weißen Kalbfleisch in Italien und Spanien, das dort als Delikatesse gilt.

In der Milchwirtschaft ist das männliche Kalb ein „Abfallprodukt“. Das liegt daran, dass jede Milchkuh mindestens einmal im Jahr ein Kalb gebären muss, damit sie weiter laktieren19 kann, um genug Milch für die Milchproduktion abzuliefern. Rasch, nach der Geburt erfolgt die Trennung von der Mutter, was für beide sehr schmerzvoll sein muss, angesichts der Reaktionen von Mutterkuh und Kalb, ein gegenseitiges „Rufen“ ist Zeugnis für diesen Trennungsschmerz. Die männlichen Kälber können im Milchbetrieb nicht gebraucht werden, da sie keine Milch liefern und daher werden sie verkauft. Den weiblichen Kälbern ergeht es nicht wesentlich besser, wenn der Milchbetrieb sie gebrauchen kann, enden sie genauso wie ihre Mutter, als Milchkuh, ansonsten werden auch sie verkauft.

Das große Dilemma ist, dass Rinder in zwei spezielle Richtungen gezüchtet wurden, die eine Rasse hocheffizient in der Milchproduktion, die andere Rinderrasse zeichnet sich durch schnelles Muskelwachstum aus.

Das Problem nun, die Kälber der Milchwirtschaft, sind für die „Fleischproduktion“ ebenfalls unbrauchbar, weil sie nicht auf schnelles Fleischwachstum gezüchtet wurden. Daher werden die meisten Milchkälber in die Länder exportiert, wo ein „Bedarf“ für sie besteht. Und ebendiese Transportwege, sind meist viel zu lange und inadäquat für derart junge Tiere.

19 Laktieren bedeutet, der durchgehende Milchfluss bei weiblichen Rindern, damit eine regelmäßige Entnahme für den Verkauf vorhanden ist. - 13 -

3. Der Tiertransport aus der Sicht der Tierschützer

Die Animal Angels, eine deutsche Tierschutzorganisation, welche international tätig ist, stehen Rede und Antwort und dokumentieren gesetzeswidriges Verhalten bei den Transporten, um sie zur Anzeige bringen zu können. Es gibt klare Antworten, dass der Tiertransport in der Praxis gegen das Tiertransportgesetz verstößt.

Warum gibt es Tiertransporte?20

Die Gründe sind vielschichtiger Natur, den Schuldigen gibt es nicht. Es ist ein Zusammenspiel aus Wirtschaftlichkeit der Agrarindustrie und Subventionen. „Die Arbeitsschritte werden getrennt und dorthin verlagert, wo der Gewinn am größten ist.“21 „Viele EU-Staaten decken die nationale Nachfrage nach ‚Schlacht’tieren nicht aus eigener ‚Produktion‘ und importieren deshalb Tiere aus anderen EU-Staaten. Diese wiederum suchen nach Abnehmern für ihre ‚Überproduktion‘.“22

Bemängelt wird, dass jeder Mitgliedstaat für die Festsetzung der Sanktionen selbst verantwortlich ist und das führt zu schweren Problemen bei der Umsetzung. Die Strafen sind oft viel zu niedrig, und in vielen Ländern gibt es so gut wie gar keine Tiertransport-Kontrollen.

Beispiele für tagtägliche Tiertransporte in der EU bis über die europäischen Grenzen hinaus:

• Kälber von Österreich nach Spanien – Dauer 90 Stunden • Färsen [Hausrinder] von Österreich in die Türkei – Dauer: 7 Tage23

20 Animal Angels, Tiertransporte in der EU, https://www.animal.angels.de/projekte/tiertransporte/europaeische- union.html, Zugriff 1. Juli 2019. 21 Ebd. 22 Ebd. 23 Vgt (28.11.2018). Von der Alm in die Türkei: Österreichische Rinder auf grausamen Tiertransporten, https://vgt.at/presse/news/2018/news20181128mn_2.php, Zugriff 13. Juni 2019. - 14 -

Trotz Gesetze gibt es keinen Schutz für die Tiere. „In erster Linie, weil es keine zeitliche Begrenzung für Tiertransporte gibt. Die Tiere können im Prinzip endlos transportiert werden.“24

„Tiertransporte über lange Strecken bedeuten zwangsläufig Leid für die Tiere“25

Missachtungen stehen am Programm, „Überladung [der Lastwägen], unzureichende Deckenhöhe, fehlende Versorgung mit Wasser und Überschreitung der Transportzeit entdecken und dokumentieren Animals‘ Angels immer wieder.“26 Der Transport ist eine Qual für die Tiere, sie sind jedem Wetter ausgesetzt, befinden sich unter fremden Tieren mit fremden Menschen und fremder Umgebung. Moderne „Nutztiere“ sind oft lebenslang ohne jegliche Bewegung in einer Box eingesperrt. Die Flieh- und Schubkräfte auf der Fahrt auszugleichen sind für sie extrem anstrengend. „Erschöpfung und Tod: Zu viele Tiere verkraften den Stress und die Anstrengung eines Langstrecken-Transports nicht und sterben nach vielen Stunden oder Tagen des Leidens.“27

Aktuell gibt es auf der Homepage der Animal Angels einen neuen Einsatzbericht, 27. März 2019 - über 500 Rinder in Spanien, die im Hafen von Algeciras28 festsitzen. Diese Rinder waren auf dem Weg nach Marokko und sollten verschifft werden, doch die Wetterlage hat sich verändert, sodass keine Schiffe auslaufen dürfen. Die Tiere sind bereits über 20 Stunden unterwegs.29 Problem im Hafen ist, dass es dort keine Versorgungsstationen für Transporttiere gibt und damit kein Abladen der Tiere möglich ist. „Der nächstgelegene Entladestall ist 641 km entfernt“30, jedoch gibt es dort nur Platz für vier der acht Laster31. Der Notplan ist, „ein Teil der Transporter [muss] zu ihrem Ausgangsort zurückkehren. Die anderen erreichen nach über acht Stunden Fahrt […] den „Notentladestall“ und können endlich mit Wasser und Futter versorgt werden.“32

24 Ebd., Animal Angels, Tiertransporte EU. 25 Ebd. 26 Ebd. 27 Ebd. 28 500 Rinder sitzen im Hafen von Algericas in Spanien fest. Versorgung unmöglich. (März 2019), https://animal.angels.de/neuigkeiten/beitrag/eu-exporte-500-rinder-sitzen-im-hafen-von-algericas-in-spanien- fest-versorgung-unmoeglich.html, Zugriff 01. Juli 2019. 29 Vgl. ebd., Animal Angels, 500 Rinder in Algericas. 30 Ebd. 31 Vgl., ebd. 32 Ebd. - 15 -

Die Forderung der Animal Angels lautet klar und deutlich, „die verantwortlichen Veterinärämter in der EU – und insbesondere in Deutschland, Spanien, Frankreich, Portugal und den Niederlanden – [werden] dazu auf[gefordert], keine Tiertransporte mehr über den Hafen von Algeciras abzufertigen.“33

In diesem Hafengebiet gibt es keine Versorgungsstationen und/oder Ablademöglichkeit für die Transporttiere, wenn bei der Verschiffung also ein Problem auftaucht, wie dieses Mal, müssen die Tiere Elends lange auf den Transporter ausharren, ohne Futter, ohne Wasser. Auf engstem Raum, stickig, heiß und in ihren eigenen Exkrementen.

3.1 Animal Angels

Die Tierschutzorganisation „Animal Angels“ wurde 1998 von Christa Blanke gegründet, Hauptaugenmerk der Tierschützer ist der Tiertransport. Ihr Anliegen: „Wir fordern unter anderem die Abschaffung von Langstrecken-Tiertransporten. Auf dem Weg dorthin wolle wir erreichen, dass Tiertransporte zumindest geltendem Recht entsprechen.“34

Was einst im kleinen Bereich angefangen hat, das gesamte Engagement erfolgte rein von Ehrenamtlichen Menschen, ist mittlerweile zu einer professionellen und weltweit aktiven Organisation herangewachsen, die sich nur mittels Spenden finanziert. Das Ziel ist nach wie vor dasselbe, „Solidarität mit den Tieren zu zeigen und so weit wie möglich an Ort und Stelle zu helfen“35. Es geht um das „bei den Tieren sein“36, solange es möglich ist. „Über diesen Zielen steht unsere Vision einer neuen Mensch-Tier-Beziehung, die die Würde der Tiere und Recht auf Leben respektiert.“37 Hauptaufgaben des Vereins sind, die Begleitung von Massentiertransporter, aber auch Tiermärkte sind immer wieder ein Projekt, mit dem Erfolg, dass sich über die Jahre hinweg doch einiges auch verbessert hat. Die Schritte, die getan werden, sind zwar oftmals nur sehr klein, aber schon das Aufmerksam machen und das informieren über

33 Ebd., Animal Angels, 500 Rinder in Algericas. 34 Animal Angels. Unsere Organisation, https://animal-angels.de/ueber-uns/organisation.html, Zugriff 01. Juli 2019. 35 Ebd. 36 Blanke, Christa (2012). Christa Blanke – Vorstellung, https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/vorstellung- christa-blanke, Zugriff 27. Mai 2019. 37 Ebd., Animal Angels, Unsere Organisation. - 16 - die Problematiken bei der Tiertransportpraxis, helfen immense weiter, sodass sich vielleicht auch gesellschaftlich einiges bewegen lässt.

Eine große Kampagne war die Aktion „8Hours“, die Europaweit 2012 stattgefunden hat und die auch von Animal Angels unterstützt wurde. Über eine Million Unterschriften wurden gesammelt, um die Langstreckentransporte gesetzlich auf maximal acht Stunden zu limitieren. Demonstrationen vor dem Europäischen Parlament in Brüssel, das aktive Ansprechen der Politiker und Verantwortlichen, sollte zu einem raschen Handeln führen. Bis dato hat sich zumindest gesetzlich nichts bewegt, um das Leid der Tiere zu mindern.

3.2 Christa Blanke – eine Theologie für den Tierschutz

Christa Blanke, war ordinierte und ist evangelische Theologin. Sie gründete den gemeinnützigen Verein „Animal Angels“, der es sich zum Ziel gemacht hat, Tiertransporter, mit dem Motto »Wir sind bei den Tieren«38 zu begleiten. „Ich folgte zusammen mit ehrenamtlichen Teams den Transportern – im Heck der Autos Schilder mit der Aufschrift »TierTodesTransporter – Europa erbarme Dich!«39, erzählt Christa Blanke von der Anfangszeit ihres Vereins.

Es geht um die Forderung, dass zumindest, das vorhandene Tierschutzgesetz umgesetzt wird und nicht umgangen. Es geht um das Engagement für die, die keine menschliche Sprache besitzen, aber dennoch eine hohe Empfindungs- und Leidensfähigkeit. Christa Blanke nennt das Begleiten der Tiertransporter »Sterbebegleitung«40, denn so wie wir darauf achten, dass die Würde des Menschen in seinem Sterben gewahrt bleibt, so sollte eigentlich auch auf die Würde der Tiere Rücksicht genommen werden und nicht nur die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund stehen.

In ihrer Streitschrift, „Da krähte der Hahn“ von 1995 startete die damals noch ordinierte Theologin, den Versuch, ihre evangelische Landeskirche ein wenig wachzurütteln. Aufzuzeigen wo Probleme offenkundig sind, zu sensibilisieren, dass Tier und Mensch gemeinsam zur göttlichen Schöpfung gehören. Im Jahr 2000 trat sie aus der evangelischen

38 Blanke, Christa (2012). Christa Blanke – Vorstellung, https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/vorstellung- christa-blanke, Zugriff 27. Mai 2019. 39 Ebd., Christa Blanke. 40 Ebd., Christa Blanke. - 17 -

Kirche aus, doch mit dem Verlust von Versorgungsansprüchen aus ihrem Dienst, verlor sie nicht ihr unentwegtes Engagement, für die Schwächsten in der Gesellschaft. In ihrer Streitschrift ging sie soweit, dass sie die Deportation von Juden, im Nazideutschland, gleichsetzte mit dem Massentiertransport. Aber keineswegs, um die Juden mit Tieren gleichzusetzen, wie es vielleicht damals tatsächlich der Fall war, um ihre „Minderwertigkeit“ im Nationalsozialismus herauszustellen, sondern auf emotionaler Ebene. So wie es bei den Deportationen „niemanden“ interessierte, dass Menschen in Güterwagons, eingepfercht wie Vieh, „transportiert“ wurden, so interessierte es heute immer noch zu wenige, dass Säugetiere, wie der Mensch es ebenfalls ist, transportiert werden als ob sie nicht leiden könnten. Als ob ihnen in der prallen Sonne, ohne ausreichend Wasser, nicht dürsten würde. Als ob Tierbabys nicht nach ihrer „Mama“ weinen würden, weil sie Angst haben.

Christa Blanke zieht auch unseren Sprachgebrauch ins Rampenlicht; „Sprache ist verräterisch“41 In unserem Alltagsgebrauch finden unzählige Tiere den Weg in unsere Sprache, zum Beispiel „ein Affentheater“ oder auch trivialer „Du dumme Sau“. „Gerade die Schweine sind die größten Opfer einer überheblichen und gewalttätigen menschlichen Wortwahl.“42 Auch in Bezug auf Frauen fand und findet immer wieder eine sprachliche Erniedrigung statt. „Und auch hier ist Abwertung erst komplett, wenn Frauen mit Tieren verglichen werden: […] »Flotter Käfer, wilde Hummel, alte Schnepfe« […]43. Die tierische Abwertung geht Hand in Hand mit der Weiblichen. Als ob Affen immer ein Theater machen würden oder jeder Käfer flott unterwegs wäre. „Tiernamen als Beschimpfung – wer denkt sich schon etwas dabei?“44 Hier bringt Christa Blanke Jesus ins Spiel, wie so oft in ihrem Buch, denn die Heilige Schrift ist moderner als man oft zu glauben vermag.

»Ihr habt gehört, daß den Alten geboten ist: Du sollst nicht morden; wer aber mordet, der sei dem Gericht verfallen. Ich aber sage euch: Schon jeder, der seinem Bruder zürnt, sei dem Gericht verfallen. Und wer seinem Bruder sagt: Du Schuft, der soll dem Hohen Rat verfallen. Und wer sagt: Raka (du Null, du Nichts), der sei zur Feuerhölle verdammt« (Matthäus 5, 21- 22).

Jesus zeigt, wo die Wurzel des Übels liegt.“45

41 Blanke, C. (1995). Da krähte der Hahn. Kirche für Tiere? Eine Streitschrift. Verlag am Eschbach GmbH: Eschbach. S.141. 42 Blanke, S. 140. 43 Blanke, S. 140-141. 44 Blanke, S. 143. 45 Blanke, S. 142. - 18 -

„Die sprachliche Vernichtung geht dem Töten voraus.“46 Das Schwein, das Rind und das Schaf sind schon zum Tode geweiht, bevor sie ihren Schlachter sehen, sie werden nur zum Töten geboren. „Als aus dem » Haustier« das »Nutztier« wurde, begann die gnadenlose industrielle Ausbeutung von Rind und Schwein.“47 Es hat sich eine eigene Sprache entwickelt, wenn es um die „Fleischproduktion“ geht. Die Tiere werden nicht mit Namen benannt, sondern lediglich mit Nummern versehen, um sie in Listen eintragen zu können, und um damit Computerprogramme zu füllen. Unsere Sprache in Bezug auf Tiere ist sehr sachlich, abwertend und fast ideologisch geworden. „Da wird ein »Restbestand« vergast […] »Viehdichte« und »Tierbesatz«“48. Schon allein die Aussage vom „Nutztier“ ist eine Abwertung schlechthin. Für Christa Blanke wird eine tierfeindliche Wortwahl49 verwendet, von der wir uns verabschieden sollten. Denn so nebensächlich wie die Abwertung in den Mund genommen wird, so vorrangig äußert sie sich in unserem Umgang mit den Tieren.

„Die protestantischen Kirchen tun sich allerhand zugute auf ihren verantwortungsvollen Umgang mit dem Wort Gottes. Luthers Satz von der »sola scriptura« […] ist nicht vergessen. Nur mit den Tieren hat dieser Satz des Reformators nach Meinung der allermeisten Theologen nichts zu tun.“50 Den auch in lehramtlichen Texten der protestantischen Kirche haben „all die abwertenden Bezeichnungen für Tiere, die Handel und Forschung auch verwenden [Einzug gefunden]: »Nutztierhaltung«, »Fleischproduktion«, »Versuchstiere«, »Nutzung des Wildtierbestandes« […].“51 Selbst die Kirche hat noch keine angemessene Sprache gefunden, um mit den Mitgeschöpfen würdevoller umzugehen. Sogar „die Rede von der »stummen und unmündigen Kreatur« hat es zumindest 1995 noch gegeben. Dazu kann Christa Blanke nur sagen, „Eine Kirche, die so redet, verläßt nicht nur ihre biblische Grundlage, sondern verleugnet auch die eigene Tradition.“52 Christa Blanke ist zu Recht enttäuscht, von einer derartigen Wortwahl, von einer eindeutigen Abwertung den Tieren gegenüber. Wenn die Kirche, ob nun protestantisch oder katholisch, von der einen Schöpfung Gottes spricht, so kann es nicht sein, dass der Mensch entscheidet, welches Leben wertvoll und würdig erscheint und welches nicht. „Wir brauchen in der Kirche eine neue Sprache. Eine Sprache, die den Tieren gerecht wird. Eine Sprache, die geprägt ist von der Freude an Gottes Geschöpfen.“53 Denn für Christa Blanke

46 Ebd., Blanke, S. 142. 47 Ebd., S. 142. 48 Ebd., S. 143. 49 Ebd., S. 144. 50 Ebd., S. 146. 51 Ebd. 52 Ebd. 53 Ebd., S.148. - 19 - ist eines ganz klar, „Jedes Lebewesen ist eine geliebte Kreatur Gottes.“54 Niemand hat das Recht darüber zu entscheiden, wer leben darf und wer eben nicht. Das sagt schon das fünfte Gebot, „Du sollst nicht morden“ (Ex 20,13). Auch die Kirche darf hier nicht die Entscheidung treffen, die nur dem Schöpfer gebührt, ob sprachlich oder schweigend.

„Vor 130 Jahren hat die Kirche geschwiegen, wie es nur Schwarze waren. Vor 50 Jahren hat die Kirche geschwiegen, weil es nur Juden waren. Heute schweigt die Kirche, weil es nur Tiere sind.“55 Der Kampf gegen Christa Blankes Landeskirche ist bereits beendet, es ging auch nie um ein Kämpfen, sondern um ein Wachrütteln; ein Aufzeigen, wo die Kirche fehlt, wo der Mensch in die Irre läuft. Bei den Farbigen und den Juden hat sich zumindest der Gedanke etabliert, dass alle Menschen gleich sind, egal welche Hautfarbe oder welche Religion. Vielleicht wird sich dahingehend, auch in naher Zukunft, der Stellenwert der Tiere positiv verändern.

Christa Blanke vertritt eine klare Sprache und wird sich ihr Leben lang für die Tiere einsetzen, weil sie die Hoffnung nicht aufgibt. Die Hoffnung, dass der Mensch wieder eins mit der Natur wird und die Tiere ihren verdienten Stellenwert erhalten werden. Doch sie kritisiert, dass sich „die Kirche […] dagegen wehrt, den Kreislauf des Lebens, den unauflöslichen Zusammenhang aller Geschöpfe mit dem Schöpfer anzuerkennen.“56

3.3 Verein gegen Tierfabriken

Der Verein gegen Tierfabriken wurde 1992 durch den „Gründungsvater […] Hans Palmers [gegründet], damals Mitbesitzer der gleichnamigen Unterwäschekette, [er war] für 10 Jahre [deren] Obmann. Die erste Zeit wurde von ihm finanziert,“57. Grundziel des Vereins „ist der Schutz des Lebens und Wohlbefindens ausnahmslos aller Tiere, egal ob Haustiere, sogenannte Nutztiere oder Wildtiere in Freiheit oder Gefangenschaft. Jedes Lebewesen mit Bewusstsein ist leidensfähig und hat einen eigenen Willen sich sein Leben zu gestalten… Der Verein verfolgt die Vision eines gerechten, ökologisch und ethisch verantwortungsbewussten Zusammenlebens aller auf dieser Welt.“58 Forderungen des Vereins sind unter anderen, „ein Ende der

54 Blanke, S. 76. 55 Ebd., S. 49. 56 Ebd., S. 76. 57 Balluch, M. (2017). 25 Jahre VGT, www.martinballuch.com, Zugriff 11. März 2019. 58 Ziele des VGT, https://vgt.at/verein/ziele.php, Zugriff 11.März 2019. - 20 - tierquälerischen Nutztierhaltung, ein Ende der Exporterstattungen für Lebendtiertransporte, den Vollzug des Tierschutz-, des Tiertransport- und des Tierversuchsgesetzes“59. Im Leitbild des Vereins stehen noch einige Motivationen, „Wir wollen den Tieren eine Stimme geben, die von der Öffentlichkeit gehört wird. Wir wollen auf die Anliegen der Tiere aufmerksam machen, die Menschen für die Sache der Tiere sensibilisieren.“60

Dieses Aufmerksam machen ist ein großes Anliegen des Vereins, mittels diverser Informations- und Protestveranstaltungen will der Verein auf das große Leid der Tiere hinweisen. Ein zweiter großer Aktionspunkt ist die Dokumentation von Tierleid und -qual, so wird in Haltungsbetrieben, vorrangig Massentierhaltungsbetriebe, Schlachthäuser, Sammelstellen für Transporteure und dergleichen recherchiert und observiert, nicht immer zur Freude der Betreiber, aber wohl doch immer im Interesse der sprachlosen Tiere. Auch das Begleiten von Tiertransportern ist Teil ihrer Arbeit, um dokumentierte Verstöße auch zur Anzeige bringen zu können. Der VGT hat unter anderem auch den Schlachthofskandal in Österreich 2015 aufgedeckt und zur Anzeige gebracht. Harald Balluch ist derzeitiger Geschäftsführer. Der VGT ist einer der größten österreichischen Tierschutzorganisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Verstöße gegen das Tierwohl aufzudecken und darüber zu informieren, dass der Tierschutz auch in Österreich noch lange nicht tierwürdige Standards erreicht hat.

Martin Balluch ist der Obmann des VGT und als Tierethiker in Namen der Tiere unterwegs zu den Menschen, zur Gesellschaft, zu den Konsumenten, um Aufklärungsarbeit zu leisten. Er hat eine klare Meinung zu den Tiertransporten und meint die Gründe sind eben vielschichtiger Natur, warum es überhaupt noch solche Transporte gibt.61 Er nennt es definitiv, „Freie Bahn für den freien Markt!“62 Tiere werden als Produktionsgegenstände, als „Waren“63 deklariert, daher „freien Warenverkehr nennt man so etwas“64. Dass den Tieren auf gesetzlicher Ebene noch immer zu wenig Stellenwert zu kommt, ist ein großes Manko in dieser Thematik. Das zweite Dilemma ist die Tatsache, dass die Transportkosten viel zu niedrig sind, sodass der Export von Lebendtieren nach wie vor lukrativ zu sein scheint. Das ist für Martin Balluch ein wesentliches Moment, denn die Subventionen werden immer stärker gekürzt, beziehungsweise gestrichen. „Ende 2005 wurden die Stützungszahlungen für Schlachtrinderexporte abgeschafft.

59 Ebd., Ziele des VGT. 60 Vgt Leitbild. Unsere Aufgabe. https://vgt.at/verein/leitbild.php, Zugriff 11. März 2019. 61 Vgl. Balluch, M (2014). Die Irrationalität von Tiertransporten. http://www.martinballuch.com/die- irrationalitaet-von-tiertransporten/, Zugriff 4. Juni 2019. 62 Ebd. 63 Ebd. 64 Ebd. - 21 -

Also widmete man alle Rinder zu Zuchttieren um. […] 2012 wurde auch dieses lukrative Schlupfloch geschlossen.“65

Es ist die Frage aller Fragen, warum es immer noch Tiertransporte gibt, wenn es bereits Kühlwägen geben würde, sodass „nur“ mehr geschlachtete Tiere exportiert werden könnten. Die Antwort wiederum ist eine wirtschaftliche, zum einen wäre das Umrüsten der Transporteure auf diese Kühlwägen eine sehr große Investition, die sich keiner leisten möchte. Zum anderen, wollen islamische Länder Lebendtiere, um das Schlachten nach dem eigenen Ritus durchführen zu können. Und drittens, ist der Transport mit Lebendtieren einfach der Günstigste. „Das Tierleid beim Transport ist dabei kein relevantes Kriterium.“66

Die nächste Frage, die sich im Zusammenhang mit den Transporten ergibt, ist, warum müssen derart viele Tiere überhaupt transportiert werden? Zum einen wurde diese Frage mit den wirtschaftlichen Interessen der Agrarindustrie beantwortet. Ein zweiter, sehr wesentlicher Punkt allerdings ist die hohe Nachfrage. Der Fleischkonsum der Konsumenten.

3.4 Fleischverbrauch in Österreich

Der Fleischkonsum hat in den letzten fünfzig Jahren einen massiven Wandel durchlebt. Zum einen ist er immense gestiegen, zum anderen wird nicht mehr das gesamte Tier „benötigt“. Am liebsten werden edle Fleischteile erster Qualität verspeist.

Die Masse ist ein großes Problem. Hat in den 1960er Jahren ein Mensch in Österreich knapp 20 Kilo Fleisch pro Jahr gegessen, so sind es heute bereits 65 Kilo pro Person und Jahr.67 Hier muss zwischen Fleischverbrauch und Fleischverzehr unterschieden werden. „Fleischverzehr, also der Menge an Fleisch, die wir tatsächlich essen und Fleischverbrauch, dazu zählen auch die Teile, die sich nicht zum Verzehr eignen.“68 Hier ist schon gut erkennbar, dass mehr „Tier“ benötigt wird, als der Mensch eigentlich essen würde, denn neben den „Abfallprodukten“, wie Haut, Knochen, Hörner, ist es eben auch die Präferenz des Konsumenten, die für die Anzahl der Tötungen verantwortlich ist.

65 Ebd., Balluch, Irrationalität von Tiertransporten. 66 Ebd. 67 Vgl. Fleischkonsum in Österreich, https://www.global2000.at/fleischkonsum-%C3%B6sterreich. Zugriff 01. Juli 2019. 68 Ebd. - 22 -

Als Beispiel, wenn 70% der Menschen am liebsten nur das Karree vom Schwein verspeisen, muss dennoch ein ganzes Schwein geschlachtet werden, um das Karree zu erhalten, der Rest des Tieres wird dabei obsolet. Wenn 70% der Konsumenten am liebsten Hühnerbrust essen, dann muss dennoch das ganze Huhn geschlachtet werden.

Natürlich gibt es für viele „Abfallprodukte“ bei der „Fleischproduktion“ Abnehmer, wie zum Beispiel China, welche Kopf und Füße der Schweine importieren oder auch die Tierfutterherstellung für Katzen und Hunde, sowie die Landwirtschaft, die aus Hörner das sogenannte Hornmehl oder Hornspäne erzeugen. Doch bei noch so guter „Verwertung“, es fällt viel „Schlachtabfall“ an, der sinnlos in den Müll wandert. Dazu kommt die Verschwendung der Konsumenten. Pro Jahr werden in Europa rund 280-300 t Lebensmittel69, die noch genießbar wären, einfach weggeworfen, darunter natürlich auch Fleisch und Fleischprodukte.

In Punkto Fleischverbrauch liegen wir in Österreich bei 97 Kilogramm, „- dafür werden pro Jahr ca. 99 Millionen Tiere getötet.70 Viele dieser „Schlachttiere“ werden extra zum Töten importiert, um die hohe Nachfrage abdecken zu können. Der Trend ist klar erkennbar, der Fleischkonsum wird mit der wachsenden Bevölkerungszahl weiter ansteigen, wenn kein gravierendes Umdenken stattfinden wird. Der tatsächliche pro Kopf Verbrauch wird wahrscheinlich um einiges höher sein, weil in diese Statistiken auch Vegetarier und Veganer miteingerechnet sind, genauso wie Babys und Kleinkinder. Während die ersten beiden kein Fleisch konsumieren, essen Babys und Kleinkinder wesentlich weniger als Erwachsene. Weiteres fehlen bei den Statistiken auch Fleischnebenerzeugnisse, wie Wurst, Schinken und so weiter.

Fleisch ist ein Zeichen von Wohlstand, je höher der Wohlstand, desto mehr kann man sich leisten. Der Linzer Historiker Ernst Langthaler sagt: Fleisch war und ist „vor allem für die Mittelschicht ein Statussymbol“71. Wir leben in einer Zeit, wo der Fleischkonsum nichts Besonderes mehr ist und unterstützt durch die Dumping-Preise der Supermarktketten, kann sich nahezu jeder genug „Fleisch und -produkte“ leisten.

69 FAO Studie. Food and Agriculture Organization of the united states. Study conducted for the International Congress „Save Food!“ (2011). Düsseldorf. mb060e00.pdf. https://www.wien.gv.at/umweltschutz/abfall/lebensmittel/fakten.html, Zugriff 2. Juli 2019. 70 Ebd., Global 2000, Fleischkonsum. 71 Wie viel Fleisch die Österreicher essen – und warum es zu viel ist, https://www.addendum.org/fleisch/fleischkonsum-in-oesterreich/, Zugriff 2. Juli 2019. - 23 -

Die große Irrationalität in diesem Zusammenhang ist allerdings, dass Österreich zum Beispiel genauso viele Rinder exportiert, wie schlussendlich wieder importiert werden.72 Als nicht Statistiker oder Wirtschaftsexperte könnte man meinen, es wäre doch irrational, wenn Import und Export Deckungsgleich sind. Wirtschaftlich betrachtet, scheint dem nicht so, denn ansonsten würde es nicht ähnlich hohe Exporte wie Importe geben. Möchte man meinen. Es ist sehr schwierig den Dschungel an Statistiken zu durchblicken.

In Zahlen ausgedrückt werden jährlich73, 120.000 Rinder, 30.000 Schweine, 10.000 Hühner, 10.000 Puten, 15.000 Schafe und Ziegen, sowie 2000 Pferde, laut dem VGT exportiert. Importzahlen liegen hier nicht vor.

Der VCÖ74 präsentiert auf seinem Internetportal die Zahlen von 2016. „Demnach wurden 16,44 Millionen Tiere als Zucht-, Schlacht- oder Masttiere nach Österreich importiert und 8,27 Millionen Tiere exportiert, berichtet der VCÖ. 97 Prozent der Tiere sind Geflügel. Zudem werden mehr als eine halbe Million Schweine importiert, rund 57.000 exportiert. Bei Rindern werden mit 104.000 fast so viele exportiert wie importiert (117.000).“75

Allein in Punkto Rindertransport, könnte die Sinnhaftigkeit von Export und Import angezweifelt werden. Jedoch bei genauerer Betrachtung, muss dabei erkannt werden, dass bei den exportierten Rindern keine Differenz von ausgewachsenen Tieren und Kälbern gemacht wird. Laut VGT werden um die 25.000 – 40.000 Rinder und 80.000 Kälber exportiert. Bei den Importen liegen keine exakten Differenzierungen vor, doch aus der Logik heraus, werden fast ausschließlich ausgewachsene Rinder importiert. Zum einen, weil durch die Milchwirtschaft in Österreich genug Kälber vorhanden sind, zum anderen, weil die Nachfrage nach „Kalbfleisch“ sehr gering ist und auch die Mastbetriebe für Kälber eine schwindente Minderheit darstellen.

Mit diesem Punkt von Statistiken, Zahlen und Wirtschaftssystemen ist eine große Entfernung zu Ethik, Theologie und Tierschutz gegeben. Dennoch soll dieses Unterkapitel zeigen, wo das wirtschaftliche Problem bei den Tiertransporten gegeben ist. Der Konsument bestimmt die

72 Vgl. VCÖ: In Österreich werden jährlich rund 25 Millionen Tiere importiert und exportiert (28. Mai 2018), https://www.vcoe.at/presse/presseaussendung/detail/tiertransporte, Zugriff 4. Juli 2019. 73 Vgl. Vgt Hintergrundwissen Tiertransporte. Zahlen und Fakten, https://vgt.at/projekte/tiertransporte/fakten.php, Zugriff 2. Juni 2019. 74 Der VCÖ ist auch bekannt als Verkehrsclub Österreich. Sie spezialisieren sich auf Mobilität und Transport und stehen ebenfalls kritisch den steigenden Tiertransporten gegenüber. 75 Vgl. VCÖ: In Österreich werden jährlich rund 25 Millionen Tiere importiert und exportiert (28. Mai 2018), https://www.vcoe.at/presse/presseaussendung/detail/tiertransporte, Zugriff 4. Juli 2019. - 24 -

Produktion. Wenn die Nachfrage steigt, so muss mehr Fleisch produziert werden. Wenn die Zuchtbetriebe in Österreich die Nachfrage nicht decken können, müssen mehr Tiere importiert werden. Es ist ein Teufelskreis, in dem wiederum die Tiere die Leidtragenden sind. Die Wirtschaftstreibenden werden so lange es möglich ist, dort Fleisch produzieren, wo es am billigsten ist und die Marge stimmt. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, es braucht dort stärkere Sanktionen, wo auf Kosten der Tiere Gewinne erwirtschaftet werden. Im Resümee wird genau dieser Punkt ein sehr wichtiger werden, wo es um die Verantwortlichkeiten geht.

3.5 Aktuelle Diskussion in Politik und Tierschutz

Der Freistaat Bayern versuchte in den vergangenen Monaten einen Vorstoß in Richtung Tierschutz zu erzielen. „Bayern will Tiertransporte stoppen: „Das muss ein Ende haben““76, heißt es auf der Homepage von Nordbayern.de. „Es ist unerträglich“, sagt Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. „Unerträglich“, und „moralisch nicht hinnehmbar, wenn Tiere unter teils dramatisch schlechten Bedingungen quer durch Europa gekarrt werden.“77

Im Februar 2019 gab es ein Statement: „Grundsätzlich werde man keine Exporte von Zuchtrindern genehmigen, die aus der Union in Länder gebracht werden, in denen deutsche Tierschutzstandards regelmäßig nicht eingehalten werden. Das erklärte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber […].“78 Er legte alsbald „eine Negativliste mit 17 Staaten in Zentralasien, Nordafrika und dem Nahen Osten vor“79

Im Mai 2019 kam es zu einem gerichtlichen Urteil durch das Verwaltungsgericht in München. Ein Rinderzuchtverband hat gegen den Exportstopp geklagt. Die Entscheidung des Gerichts: „Die Amtsveterinäre haben für die Vorzeugnisse ausschließlich die Gesundheit der Tiere zu bewerten, nicht die Tierschutzbedingungen während des Transportes oder am Zielort.“80

76Bayern will Tiertransporte stoppen: „Das muss ein Ende haben“ (21.02.2019), http://www.nordbayern.de/region/bayern-will -tiertransporte-stoppen-das-muss-ein-ende-haben-1.8628706, Zugriff 18. März 2019. 77 Ebd. 78 Ebd. 79Mayer, C. (10.05.2019). Tiertransporte. Bayern: Gericht erzwingt Tiertransporte in Drittstaaten, https://www.topagrar.com/suedplus/news/bayern-gericht-erzwingt-tiertransporte-in-drittstaaten-11537574.html, Zugriff 10. Juni 2019. 80 Ebd. - 25 -

Dennoch soll es ein Schlupfloch für den Tierschutz geben, dazu der Chef des Verbands der beamteten Tierärzte in Bayern. „[Tierärzte] müssen in den Vorzeugnissen ausschließlich Angaben gemäß EU-Recht machen. Viele Drittstaaten fordern für das „Geschäft“ aber weitergehende Infos – zu denen man die hiesigen Veterinäre aber nicht verpflichten kann. „Damit werden die Exporte deutlich erschwert.“81 Man kann wohl sagen, dass dieses Thema auch mit einem Gerichtsurteil noch nicht abgeschlossen ist. Es bleibt spannend, wie schlussendlich entschieden werden wird.

Die Ironie hier ist, da versuchen Veterinäre zum Wohl der Tiere zu agieren und strapaziöse Transporte nicht mehr zu genehmigen, weil einfach unklar ist, wie die Tiere versorgt werden sollen und mittlerweile offenkundig, dass Tierschutzstandards am Zielort nicht eingehalten werden und ein Gericht entscheidet dagegen. Mehr zum Wohl des Rinderzuchtverbandes und der Wirtschaft, als dem Wohl der Tiere Rechnung tragend.

Interessant in diesem Zusammenhang wird aber das EU GH Urteil C-424/13 vom April 2015. Eine Amtstierärztin in Kempten lehnte einen Tiertransport von Kempten nach Usbekistan (über 7000 Kilometer) ab, weil sich ihr der Transport nicht schlüssig erklärte und unklar war, wie die Tiere auf einer derart langen Strecke ordnungsgemäß versorgt werden sollen. Der Transporteur klagte ebenfalls und der Rechtsstreit ging bis zum europäischen Gerichtshof, der schlussendlich entschied, dass das europäische Tierschutzgesetz bis zum Zielort Gültigkeit besitzt. Das bedeutet, auf der gesamten Fahrt, muss das Tiertransportgesetz der Europäischen Union eingehalten werden, auch wenn die Strecke über Drittstaaten geführt wird.82 Theoretisch betrachtet, ist ein Urteil beim europäischen Gerichtshof für den jeweiligen Rechtsstreit entscheidend, dennoch ist der europäische Gerichtshof die höchste juridische Instanz innerhalb der Union und somit für alle Staaten verbindlich. Bedeutet nun, dass dieses Urteil von 2015 sehr wohl Relevanz besitzen kann, für die Exportdiskussion in Bayern. Wenn zumindest Kritikpunkte von Abfahrtsort bis zum Bestimmungsort gegeben sind, könnten Veterinäre einen geplanten Transport ablehnen. Wie gesagt, es bleibt noch offen, wie dahingehend der letzte Entscheid aussehen wird.

81 Ebd., Topagrar.de. 82 Vgl. Urteil des Gerichtshofs, 23. April 2015. C-424/13 – Zuchtvieh-Export, Abschnitt 21. http://curia- europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&num=C-424/13, Zugriff 15. Juni 2019. - 26 -

Nun begibt sich diese Arbeit bereits auf die juridische Spur des Tierschutzes. Anhand des Gesetzestextes der Tiertransportverordnung, (EG) Nr. 1/2005, soll nun die Gesetzeslage näher erläutert und mit den Kritikpunkten der Tierschutzorganisationen verglichen werden. Die Frage, die sich hier stellt, ist das Tiertransportgesetz zum Wohle der Tiere ausgerichtet und inwieweit wird die Durchführung kontrolliert. Doch zuvor noch ein Zitat, welches passend für diesen Zusammenhang ist und eine gute Überleitung darstellt.

Es handelt sich um ein Zitat, welches von Christian Morgenstern stammen soll, „Weh dem Menschen, wenn nur ein einziges Tier im Weltgericht sitzt“83

✓ Wehe allen Menschen, die Fleisch konsumieren, ohne darüber nachzudenken, woher das Produkt stammt und was vielleicht hinter dem vermeintlichen Billigprodukt steckt. ✓ Wehe den Menschen, die ihr Geld mit der „Fleischproduktion“ verdienen und keine Rücksicht auf die Gesetzgebung, auf die Tiere oder ihre Empfindungs- sowie Leidensfähigkeit nehmen. ✓ Wehe den Menschen, die die Tiere transportieren und ihnen keine Aufmerksamkeit für ihre Bedürfnisse schenken, sie hungern und dürsten lassen, ihnen mit roher Gewalt begegnen, ohne nur einmal daran zu denken, dass die Tiere das wertvollste für den Menschen geben, dass sie besitzen – ihr Leben.

83 Kaplan, H. (1998). Tiere haben Rechte: Argumente und Zitate von A-Z. Erlangen: Fischer. S. 78. - 27 -

4. Gesetzliche Lage

Das Gesetz der Union gilt an und für sich in jedem Mitgliedsstaat und ist für alle verbindlich, die Sanktionen für Missachtung, sowie die Kontrolle der Einhaltung obliegt allerdings jedem Staat für sich. So kommt es mitunter vor, dass in Staaten, wo der Tierschutz noch keinen allzu großen Stellenwert besitzt, die Einhaltung nicht rigoros überprüft wird, sowie die Sanktionen nicht im entsprechenden Maße durchgeführt werden. Jedoch allein die Angst vor einer Sanktion wäre ein inadäquates Moment, um dem Tierschutz mehr Anerkennung zu verschaffen. In erster Linie braucht es die Erkenntnis des Menschen, wieso und warum es gewisse Gesetze gibt, damit sie ein besseres Verständnis dafür bekommen und ein Gesetz nicht primär als Belehrung betrachten. Wenn es ein Wissen darum gibt, warum Tiere nicht so lange transportiert werden sollen, wie sie es noch dürfen, dann ist der Weg zur Erkenntnis offen. Wenn nachvollzogen werden kann, dass Tiere empfindungsfähig sind, dann würde vielleicht schonender mit ihnen umgegangen werden.

Ein Blick in die EU-Verordnung soll anschaulich machen, wo es noch hakt, beziehungsweise, wo die Schwachstellen im Gesetz liegen und wo Ethik und Wissenschaft noch stärker aufzeigen müssten, dass Tiere keine Waren sind, sondern Lebewesen mit Gefühlen, Instinkten und Leidensfähigkeit.

4.1 Definitionen

In diesem Punkt fasst der Gesetzgeber Begrifflichkeiten zusammen, die für den Tiertransport verwendet werden und definiert sie näher. Die Sprache ist eher abstrakter Natur und spiegelt in keiner Form meine persönlichen Definitionen wider.

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EU-Verordnung (EG) Nr. 1/200584

Artikel 2 – Definitionen

a) „Tiere“: lebende Wirbeltiere85; b) „Sammelstellen“ – Orte wie Haltungsbetriebe, Sammelstellen und Märkte, an denen Hausequiden, Hausrinder, Hausschafe, Hausziegen oder Hausschweine aus unterschiedlichen Haltungsbetrieben zur Bildung von Tiersendungen zusammengeführt werden; c) „Betreuer“: eine für das Wohlbefinden der Tiere unmittelbar zuständige Person, die während der Beförderung anwesend ist;

[Artikel 6, Transportunternehmer (6) b) der Fahrer die Aufgabe des Betreuers übernimmt]

j) „Beförderung“: der gesamte Transportvorgang vom Versand- zum Bestimmungsort, einschließlich des Entladens, Unterbringens und Verladens an Zwischenstationen;

m) „lange Beförderung“: eine Beförderung, die ab dem Zeitpunkt der Bewegung des ersten Tieres der Sendung 8 Stunden überschreitet;

4.2 Allgemeine Bedingungen

Hierbei geht es um eine möglichst leidfreie Transportpraxis, wo den Bedürfnissen der Tiere Rechnung getragen werden soll. Der Umgang muss eigentlich tiergerecht stattfinden und ihr Platzbedarf eingerechnet.

84 ProLibris Verlagsgesellschaft (2016). Tiertransportgesetz 20073. S.43-86. 85 Unter dem Begriff Wirbeltier, versteht man Tiere, die eine Wirbelsäule haben, auch Chordatiere genannt. Es gibt fünf Großgruppen: Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere. Für den Gesetzestext relevant sind Säugetiere; sie besitzen neben einer Wirbelsäule auch zwei Paar Gliedmaßen, sowie die Gliederung des Körpers in Kopf und Rumpf. - 29 -

Artikel 3 – Allgemeine Bedingungen für den Transport von Tieren

Niemand darf eine Tierbeförderung durchführen oder veranlassen, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werden könnten.

a) […] die Beförderungsdauer [ist] so kurz wie möglich zu halten und den Bedürfnissen der Tiere während der Beförderung Rechnung zu tragen. b) Die Tiere sind transportfähig c) Die Transportmittel sind so konstruiert, […] dass den Tieren Verletzungen und Leiden erspart werden und ihre Sicherheit gewährleistet ist. d) Die Ver- und Entladevorrichtungen sind so konstruiert, […], dass den Tieren Verletzungen und Leiden erspart werden […]. e) Die mit den Tieren umgehenden Personen sind hierfür in angemessener Weise geschult oder qualifiziert und wenden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit weder Gewalt noch sonstige Methoden an, die die Tiere unnötig verängstigen oder ihnen unnötige Verletzungen oder Leiden zufügen könnten. f) Der Transport zum Bestimmungsort erfolgt ohne Verzögerungen, […] g) Die Tiere verfügen […] über ausreichend Bodenfläche und Standhöhe h) Die Tiere werden in angemessenen Zeitabständen mit Wasser und Futter, das qualitativ und quantitativ ihrer Art und Größe angemessen ist, versorgt und können ruhen.

Allein im Artikel 3 der Verordnung stehen bereits eine Anzahl von Vorschriften, die von den Tierschutzorganisationen, als nicht eingehalten, dokumentiert werden. Die Transportfähigkeit wird bei den Kälbertransporten angezweifelt, weil das Mindestalter bei 14 Tagen liegt und sich nicht alle Kälber zeitgleich entwickeln, sodass auch unterentwickelte, aber 14 Tage alte Kälber auf die Transporter geladen werden.

Der Gesetzgeber formuliert hier „Niemand darf Tiere befördern, wenn diese dabei verletzt oder unnötige Leiden zugefügt werden“, diese Formulierung ist sehr schwammig. Denn was heißt „unnötige Leiden“ nun genau? Für den einen ist es in Ordnung, Tiere zu treten oder ihren Schwanz zu verdrehen, während ein anderer Transporteur sogar den Einsatz von Elektroschockern im Gesicht der Tiere befürwortet, weil das Aufladen der Tiere zu lange dauert. Diese schwammige Formulierung „unnötige Leiden“, wird vor allem aus ethischer Sicht immer wieder kritisiert, weil diese einfach viel zu vage ist und keinerlei Ansatz für den Tierschutz bietet. - 30 -

Die Beförderungsdauer soll „so kurz wie möglich“ sein. Dabei wird die Zollabwicklung nicht miteingerechnet, vor allem bei der Einfuhr in Drittstaaten. Dass massenweise Transporter an den Grenzübergängen, wie Kapitan Andreewo, ausharren müssen bis die Einreise der Tiere genehmigt wird, scheint nicht mitbedacht. Damit ein Export stattfindet, braucht jeder Transporteur die Genehmigung des zuständigen Veterinäramtes. Gibt es berechtigte Zweifel im geplanten Export kann dieser auch abgelehnt werden. So zum Beispiel in dem bereits oben erwähnten Exportantrag in Kempten, Deutschland, samt Europäischen Gerichtsurteil, EUGH C-424/13, darin wurde festgehalten, dass der Schutz von Tieren beim Transport bis zum Bestimmungsort gewährleistet sein muss, auch und vor allem, wenn dieser Zielort außerhalb der Europäischen Union liegt, sprich in sogenannte Drittländer.86 Es kann aber nicht mehr von Tierschutz gesprochen werden, wenn Tiere auf dem Lastwagen tagelang ausharren müssen bis sie weitertransportiert werden können, ohne dabei richtig versorgt zu werden.

„Bodenfläche“ und „Standhöhe“ ist ebenso ein kritischer Moment für die Tierschutzorganisationen. In vielen Lastwägen ist weder das eine noch das andere gegeben. Es werden zu viele Tiere aufgeladen, um Platz zu sparen und die Deckenhöhe ist zu niedrig, sodass die Tiere regelrecht eingepfercht werden. Die Exekutive stoppt immer wieder Laster, die zu viele Tiere aufgeladen haben, wie zuletzt ein Transporter, der in Frankreich startet und fast 4.500 Hühner geladen hatte.87 Das Ziel war ein Schlachtbetrieb in Polen, doch mehrere Hundert Hühner haben diese Fahrt, die in Deutschland beendet wurde, nicht überlebt. Die einzige Kühlung, welche die Hühner hatten, war der Fahrtwind. Eingepfercht auf engstem Raum, ohne Versorgung, sprich Wasser oder Futter.88 Das ist reinste Tierquälerei, wer so ein „Hühnchen“ auf dem Teller haben möchte, macht sich zwangsläufig mitschuldig.

86 Vgl. Urteil des Gerichtshofs, 23. April 2015. C-424/13 – Zuchtvieh-Export, Abschnitt 21. http://curia- europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&num=C-424/13, Zugriff 19. Juni 2019. 87 Vgl. Hunderte Hühner verenden in Tiertransporter auf der A5 (25. Juli 2019). Original-Content von: Polizeipräsidium Mittelhessen – Pressestelle Gießen, übermittelt durch news aktuell, https://www.gelnhaeuser- tageblatt.de/lokales/blaulicht/hunderte-huhner-verenden-in-tiertransporter-auf-der-a5_20305153#, Zugriff 28. Juli 2019. 88 Vgl. Ebd. - 31 -

4.3 Der Treibvorgang

Das Tier muss auf einen Transporter geladen werden, die meisten Tiere jedoch haben einen Fluchtreflex, sprich in unbekannten, fremden Situationen laufen sie davon und reagieren mit Angst, als das zu tun, was von ihnen gerade verlangt wird. Hier wäre es notwendig geschultes Personal einzusetzen, die artgerecht und tierfreundlich mit den Tieren umgehen können, um Gewaltanwendungen obsolet werden zu lassen.

Artikel 35 – Änderung der Richtlinie 93/119/EG

„3. Die Tiere sind behutsam zu treiben. Treibgänge müssen so gebaut und angelegt sein, dass Verletzungsrisiken auf ein Mindestmaß beschränkt werden und der Herdentrieb der Tiere ausgenutzt wird. Treibhilfen dürfen nur zum Leiten der Tiere und nur für kurze Zeit verwendet werden. Die Verwendung von Elektroschockgeräten ist möglichst zu vermeiden. Sie dürfen allenfalls bei ausgewachsenen Rindern und bei ausgewachsenen Schweinen eingesetzt werden, die jede Fortbewegung verweigern, und nur unter der Voraussetzung, dass die Tiere genügend Freiraum zur Vorwärtsbewegung haben. Es dürfen nur Stromstöße von maximal einer Sekunde in angemessenen Abständen und nur an den Muskelpartien der Hinterviertel verabreicht werden. Sie dürfen nicht wiederholt werden, wenn das Tier nicht reagiert.“

Durch den Zeitmangel beim Verladen der Tiere, durch Unwissenheit und/oder kaum Sachkenntnisse kommt es immer wieder zu gesetzeswidrigen Verhalten. Diese werden fortlaufend von den Tierschutzorganisationen dokumentiert und zur Anzeige gebracht. Faktum ist allerdings, dass nicht immer Tierschützer vor Ort sind, um rigoros alle Verladesituationen beobachten zu können. Daher braucht es mehr Sensibilisierung, dass man nicht mit einer Ware konfrontiert ist, sondern mit Lebewesen, die in der Verladesituation einfach nur Angst haben und nicht verstehen können, was gerade passiert.

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4.4 Transportfähigkeit

Kranke oder verletzte Tier zu transportieren ist verboten. Der Gesetzgeber deklariert hier, welche Tiere transportfähig sind und welche nicht. Bei einem 14 Tage alten Kalb, welches noch recht mager und vielleicht auch etwas kränklich erscheint, sollte bereits der Hausverstand sagen, dass es noch nicht zum Transport geeignet ist. Zumal die Tränksysteme auf den Transportern nicht für Kälber gebaut wurden und somit keine Versorgung während des Transportes gewährleistet werden kann. Ein weiterer heikler Moment ist der Transport von trächtigen Rindern. Dies ist gängige Praxis, das Kalb soll bestenfalls kurz nach der Ankunft am Bestimmungsort zur Welt kommen, damit die Mutterkühe sofort als Milchkühe einsatzbereit sind. Kälber, die während des Transportes zur Welt kommen, werden „entsorgt“ wie Abfall.

Anhang 1 – Technische Vorschriften

Kapitel 1 – Transportfähigkeit

1. Tiere dürfen nur transportiert werden, wenn sie […] transportfähig sind und […] ihnen unnötige Verletzungen und Leiden erspart bleiben. 2. Verletzte Tiere und Tiere mit physiologischen Schwächen oder pathologischen Zuständen gelten als nicht transportfähig. […] a) Die Tiere können sich nicht schmerzfrei oder ohne Hilfe bewegen b) Sie haben offene Wunden oder schwere Organvorfälle c) Es handelt sich um trächtige Tiere im fortgeschrittenen Gestationsstadium (90% oder mehr) oder um Tiere, die vor weniger als sieben Tagen niedergekommen sind. d) […] weniger als drei Wochen alte Ferkel, weniger als eine Woche alte Lämmer und weniger als zehn Tage alte Kälber, es sei denn die Tiere werden über eine Strecke von weniger als 100 km befördert.

4. Für den Fall, dass Tiere während des Transports erkranken oder sich verletzen, werden sie von den anderen Tieren abgesondert und erhalten so schnell wie möglich Erste Hilfe. Sie werden von einem Tierarzt untersucht und behandelt und unter Vermeidung unnötiger Leiden erforderlichenfalls notgeschlachtet oder getötet.

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6. Laktierende Kühe, Schafe und Ziegen, deren Nachkommen nicht mittransportiert werden, werden in Abständen von maximal zwölf Stunden gemolken.

In den Dokumentationen der Tierschutzorganisationen wird Kapitel 1 der Verordnung immer wieder kritisiert. An den Kontrollpunkten sind fortlaufend kranke, schwache und verletzte Tiere auf den Transportern vorzufinden. Nach langen Transportwegen fallen Tiere einfach zu Boden, weil sie die Strapazen nicht mehr stehend bewältigen können, und werden so von den anderen Tieren getreten und verletzt. Ein großer Kritikpunkt ist ebenfalls, dass auch trächtige Tiere in die Schlachtung kommen, oftmals kurz vor der Niederkunft, das bedeutet für das Ungeborene einen zwangsläufigen Erstickungstod. Das Melken von Muttertieren ist ebenso ein heikles Thema, welches vor allem auf sehr langen Transportstrecken schwierig zu bewerkstelligen ist. Jede menschliche Mutter, die ihr Kind stillt, wird bestätigen können, dass zu lange Trinkpausen des Babys unweigerlich zu einem Spannungsgefühl und auch Schmerzen in der Brust führen können. Warum soll es einem Muttertier dabei anders gehen?

4.5 Durchführung des Transportes (Transportpraxis)

In diesem Kontext stehen einige Richtlinien zum richtigen Umgang mit den Tieren. Hier muss mitbedacht werden, dass es sich um Tiere handelt, die von fremden Menschen befördert werden sollen. Tiere haben eine Empfindungsfähigkeit, nicht nur in Bezug auf Schmerzen, sondern auch auf veränderte Situationen und fremde Personen. Es liegt in ihrer Natur, dass sie darauf reagieren.

Kapitel III – Transportpraxis

Umgang mit Tieren

1.8 Es ist verboten a) Tiere zu schlagen oder zu treten;

- 34 - b) auf besonders empfindliche Körperteile Druck auszuüben, der für die Tiere unnötige Schmerzen oder Leiden verursacht; c) Tiere mit mechanischen Mitteln, die am Körper befestigt sind, hoch zu winden; d) Tiere an Kopf, Ohren, Hörnern, Beinen, Schwanz oder Fell hoch zu zerren oder zu ziehen oder so zu behandeln, dass ihnen unnötige Schmerzen oder Leiden zugefügt werden; e) Treibhilfen oder andere Geräte mit spitzen Enden zu verwenden;

Wie bereits vorher schon aufgezeigt, die Gewalt gegen Tiere steht mancherorts an der Tagesordnung. Dennoch formuliert der Gesetzgeber das Wort „unnötig“ wie bereits im Artikel 3 der Verordnung, „unnötige Leiden“ formuliert wurde. Hier muss exakter beschrieben werden, was genau verboten ist und die Erklärung, warum es verboten ist.

4.6 Versorgungsrichtlinien

Tiere empfinden Hunger und Durst, vor allem in den Sommermonaten ist das eine belastende Situation. Tiere werden müde und brauchen Pausen, Nahrung und Wasser. Der Gesetzgeber versuchte hier einen Katalog aufzustellen, wie eine gute Versorgung auszusehen hätte. Die Praxis auf einer Weide, wo die Tiere den ganzen Tag fressen können und auch Frischwasser bereitsteht, kann im Transport nicht bewerkstelligt werden. Doch ein Mindestmaß an Versorgung sollte möglich sein, um wenigstens die Grundbedürfnisse zu stillen. Aber wenn an diversen Grenzstationen, zu den langen Wartezeiten, auch noch fehlende Wasserversorgung hinzukommt, sodass ein Fahrer nicht einmal Frischwasser nachfüllen kann, selbst wenn er es wollte, dann ist hier auch der Gesetzgeber gefragt, dementsprechend zu handeln. In etwa, dass nur mehr die Strecken befahren werden dürfen, wo eine ausreichende Versorgung ermöglicht werden kann. Des Weiteren muss ausreichend Futter für die entsprechenden Tiere mitgeführt werden, jedoch ist dies auch nicht immer der Fall, wie Tierschutzorganisationen berichten. Die Transporteure sparen den Platz für das Futter ein, um noch mehr Tier aufladen zu können. Hier kann ganz klar die Irrationalität der Transporte erkannt werden. Die künftigen „Schlachttiere“ sind nicht einmal das mindeste Wert.

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Hier fließt auch das Reglements der Transportdauer mit ein. Kritik wird vor allem daran geübt, dass es im Prinzip keine Höchstgrenze der Beförderungsdauer gibt. An sich können Tiere endlos lange transportiert werden, Pausen sollten zwar eingehalten, aber danach kann weiter transportiert werden. Dieser Punkt ist sehr wesentlich für den Export der Tiere über mehrere Landesgrenzen hinweg. Zum Beispiel, der Kälbertransport von Österreich nach Spanien/Italien mit einer Dauer von 90 Stunden. Seit Jahren und spätestens mit der Kampagne „8Hours“ im Jahr 2012 wird eine Höchstbeförderungsdauer von acht Stunden gefordert, bis heute kann sich die Politik nicht dazu durchringen, diese Forderung in den Gesetzestext mitaufzunehmen. Und zwar geht es eben nicht nur darum, dass 8 Stunden am Stück transportiert werden kann, eine Pause und gleich wieder 8 Stunden Transport. Sondern konsequent beschlossen: ein Tier darf nur mehr insgesamt maximal 8 Stunden transportiert werden. Der Zielort darf nicht weiter als 8 Stunden entfernt sein. Das wäre die Konsequenz, die der Tierschutz sich wünschen würde. Damit wären nicht alle Probleme im Tierschutz gelöst, aber ein großer Teil des Leides und der Qual würde wesentlich schonender ablaufen.

Kapitel V – Zeitabstände für das Füttern und Tränken sowie Beförderungsdauer und Ruhezeiten

1. Hausequiden, Hausrinder, Hausschafe, Hausziegen und Hausschweine 1.2 Für Tiere der […] genannten Arten darf die Beförderungsdauer nicht mehr als acht Stunden betragen. 1.3 Die […] genannte Beförderungsdauer kann verlängert werden, sofern die zusätzlichen Anforderungen des Kapitels VI erfüllt sind. 1.4 Die Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie Beförderungsdauer und Ruhezeiten […] a) Kälber, Lämmer, Zickel und Fohlen, die noch nicht abgesetzt sind und mit Milche ernährt werden, sowie noch nicht abgesetzte Ferkel müssen nach einer Beförderungsdauer von 9 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können. Nach dieser Ruhepause kann die Beförderung für weitere 9 Stunden fortgesetzt werden. b) Schweine können eine maximale Dauer von 24 Stunden befördert werden. Dabei müssen die Tiere alle 8 Stunden getränkt und nötigenfalls gefüttert werden.

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d) alle anderen [Hausrinder, Hausschafe, Hausziegen] genannten Tiere müssen nach einer Beförderungsdauer von 14 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können. Nach dieser Ruhepause kann die Beförderung für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden.

1.5 Nach der festgesetzten Beförderungsdauer müssen die Tiere entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten.

Ein stark fragliches Kapitel in der Verordnung, denn hier finden sich neben der Gewalt, die meisten Verstöße. Die Dauer des Transportes wird vor allem beim Export wesentlich überschritten. „Das Papier ist geduldig“, meint der VGT, wenn es um den Transportplan mit geplanter Dauer des Exportes geht. Der Schwindel ist gängige Praxis beim Transport, es werden Pausen notiert, wo keine stattgefunden haben. Schweine dürfen zum Beispiel mit einer Höchstdauer von 24 Stunden transportiert werden, danach müsste eine 24 Stunden lange Ruhezeit folgen, um anschließend wieder 24 Stunden lang weiterfahren zu können. Darin liegt die Kritik vom VGT und den Animal Angels, „es darf endlos transportiert werden“. Der Gesetzgeber limitiert die Transportdauer nicht und schränkt somit auch keinen Export ein.

Kapitel VI – Zusätzliche Bedingungen für lange Beförderungen von Hausequiden, Hausrindern, Hausschafen, Hausziegen und Hausschweinen

1. Lange Beförderungen im Allgemeinen 1.2 Die Laderäume sind mit geeigneter Einstreu […] auszulegen. Abhängigkeit von […] Art […] Zahl, der Beförderungsdauer und den Witterungsbedingungen. Bequemlichkeit ist zu sichern. Exkremente müssen ausreichend absorbiert werden können.

Futter

1.3 Im Transportmittel sind Futtermittel in einer Menge mitzuführen, die den Fütterungsbedürfnissen der betreffenden Tiere […] gerecht werden.

Mindestanforderungen für bestimmte Arten

1.9 […], wenn […] nicht von ihren Muttertieren begleitet […],

- Hausequiden, […], müssen über vier Monate alt sein. - 37 -

- Kälber müssen mehr als 14 Tage alt sein.

- Hausschweine müssen ein Gewicht von mehr als 10kg haben.

2. Wasserversorgung bei Beförderung […]

2.1 Transportmittel […] müssen mit einem Wasserversorgungssystem ausgestattet sein, das es dem Betreuer ermöglicht, während der Beförderung jederzeit sofort Wasser nachzufüllen, […] [, dass] jedes Tier ständig Frischwasser zur Verfügung hat.

2.2 Die Tränkevorrichtungen müssen stets voll funktionsfähig sein […], dass sie für alle […] zu tränkenden Kategorien von Tieren zugänglich sind.

3. Belüftung […]

3.1 […] Temperaturen in einem Bereich zwischen 5°C und 30°C, mit einer Toleranz von ± 5°C, […].

3.3 Straßentransportmittel müssen mit einem Temperaturüberwachungssystem […] ausgestattet sein. […]

3.4 Straßentransportmittel müssen mit einem Warnsystem ausgestattet sein, das den Fahrer alarmiert, wenn die Temperatur, […], ihren zulässigen Höchst- bzw. Mindestwert erreicht.

Die Tiere stehen regelmäßig in ihren Exkrementen, weil die Ladefläche bei langen Transporten nicht fortlaufend gereinigt wird und werden kann. Futter und Wasser für die Tiere ist ein schwieriges Thema, denn nicht jeder Transporteur, stattet seine Lastwägen mit genug Futter aus, sodass eine Verzögerung, bei der Einreise in einen anderen Staat, unmittelbar auch Hunger für die Tiere bedeutet. Die Wasserversorgung ist zumal nicht immer gewährleistet, weil nicht überall Wasser nachgefüllt werden kann, beziehungsweise, die Kontrollen des Wässerungssystems ausständig sind. Tierschutzorganisationen kritisieren zumal besonders die Versorgung von Kälbern, weil das Tränksystem nur eine Wasserversorgung vorsieht und keine Milchtränke. Das bedeutet schlichtweg, dass Kälber während der Fahrt nicht versorgt werden,

- 38 - sondern erst in den entsprechenden Pausen Nahrung erhalten. Weiteres Großthema ist die Belüftung, selbst die stärkste Klimaanlage lässt nach einiger Zeit Inbetriebnahme nach, wenn man in der Mittagshitze auf den Grenzübergängen stehen muss, sodass kaum Lüftung oder Frischluftzufuhr ermöglicht wird. Die Transporttiere befinden sich in Ausnahmezustand ohne, dass ihnen geholfen wird.

Es gibt sehr viel Kritik, wenn man die Gesetzeslage betrachtet und mit den Dokumentationen der Tierschutzorganisationen vergleicht. Natürlich versucht der Gesetzgeber nicht jeden Schritt juristischer Personen zu überwachen, sondern auch ein wenig Freiheit in der Handhabe zu ermöglichen, aber diese Freiheit kommt nicht dem Wohl der Tiere zugute. Tiere sind keine Sache mehr im Rechtssystem und die Schweizer Bundesverfassung geht sogar noch einen Schritt weiter mit der Deklaration von der „Würde der Kreatur“89. Der Kern dieser Deklaration ist schlichtweg, jede Kreatur, ob menschlich, nicht menschlich oder pflanzlich trägt eine Würde in sich und braucht daher Schutz vor äußeren Angriffen und Eingriffen.

89 Vgl. Artikel 120, Gentechnologie im Ausserhumanbereich, Schweizer Bundesverfassung, https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995395/index.html#a120, Zugriff 01.April 2019. - 39 -

5. Haben Tiere eine Würde?

In diesem Kapitel soll es um den spezifisch menschlichen Umgang mit den Tieren gehen, aber hervorstechend natürlich das Faktum, ob Tiere eine Würde besitzen und wie wir sie erkennen können und müssen. Aus einem laienhaften, christlichen Blick auf die gesamte Schöpfung kann festgestellt werden, dass alles Lebendige eine Würde besitzt. Doch nachdem die bloße persönliche Feststellung nicht ausreichend für eine Begründung ist, braucht es eine fundamentierte Argumentation.

5.1 Schizophrenie beim Umgang mit Tieren

Die Schizophrenie oder besser „moralische Schizophrenie“90 wie sie Francione betitelt, meint, dass die Tötung eines Tieres zwangsläufig in Kauf genommen wird, jedoch eine Schwierigkeit, vielleicht sogar Ablehnung in der Haltung und Aufzucht der Tiere besteht. Der „Zeitgeist“91 wie ihn Günter Hager in seinem Buch erwähnt meint, dass „die Tötung von Tieren zum Zweck der Fleischgewinnung zulässig“92 sei. „Genau jener Zeitgeist, der die Tötung für zulässig hält, lehnt jedoch die Verfahren der Massentierhaltung und Massentiertötung ab.“93Wir wollen Fleisch essen haben aber ein Problem mit der Fleischherstellung, zu der von der Geburt des Tieres bis hin zur Schlachtung und Verarbeitung alles dazu gehört. Wie schon öfters erwähnt, der Tiertransport lässt sich nicht durchwegs von den restlichen Komponenten der Fleischherstellung herausfiltern. Das eine bedient das andere, ohne Massentierhaltung braucht es keine Massentransporte, ohne Transport, gibt es keine Schlachtung, ohne Schlachtung keine „Fleischprodukte“.

Vor einigen Jahren wurden die „Schockbilder“ auf den Zigarettenpackungen eingeführt, mit dem gedanklichen Hintergrund, dass mehr Menschen zum Aufhören oder zum nicht anfangen motiviert werden würden. Der psychologische Befund nach einigen Jahren ist jedoch

90 Francione, G. (2014). Empfindungsfähigkeit, ernst genommen. In Schmitz, F. (Hrsg.). Tierethik (S. 159). Berlin: Suhrkamp. 91 Hager, G. (2015). Das Tier in Ethik und Recht. Tübingen: Mohr Siebeck. S. 100. 92 Ebd. 93 Ebd. - 40 - ernüchternd, denn, anstatt ein Nachdenken anzuregen, hat die Psyche des Menschen seine Fähigkeit gezeigt. Die Bilder sind zwar nicht schön anzusehen, aber der Mensch gewöhnt sich daran und die Psyche blendet die möglichen Folgen des Rauchens einfach aus, so wie die Schockbilder. In diesem Zusammenhang wurde viel Kritik geäußert und es kam der Gedanke auf, bei „Fleischprodukten“ ebenfalls „Schockbilder“ abzubilden, damit der Konsument sieht was Massentierproduktion bedeutet. Wahrscheinlich würde es denselben Effekt auslösen und das „Gewöhnen“ an die Leidbilder ist mit Sicherheit nicht förderlich für den Tierschutz und für das Tierwohl.

Die Schizophrenie des Menschen geht aber noch einen Schritt weiter, wir klassifizieren die Tiere noch einmal mehr, als es die Natur schon tut. Es gibt „Heimtiere“ und „Nutztiere“, es gibt Wildtiere und „Jagdtiere“.

5.2 Kategorien von Tieren

Bei der Fleischherstellung wird im Allgemeinen im größten Teil Europas das „Nutztier“ verwendet. Dazu gehören: Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Esel und Pferd. Der Gesetzgeber spricht hier von sogenannten Wirbeltieren, eine der Großgruppe Säugetier. Nicht in meiner Arbeit vorkommend, aber natürlich auch für die „Fleischgewinnung“ verwendet, sind Geflügelsorten, wie Hühner, Truthähne, Enten, Gänse und Puten.

Als „Heimtier“ wird im Allgemeinen eine bevorzugte Gattung bezeichnet, die der Mensch sich heute gerne näher hält, als das „Nutztier“. Darunter fallen in unseren Breiten vorwiegend Hunde und Katzen, sowie Nagetiere. Die Exoten werden hier ebenfalls ausgeblendet.

Allein in dieser kategorischen Unterscheidung von „Nutztier“ und „Heimtier“ liegt schon ein gewisser Charakter zugrunde. Die einen Tiere dürfen nahe beim Menschen leben und werden mitunter sogar vermenschlicht. Die anderen Tiere werden zumeist aus wirtschaftlichen Gründen gehalten und landen auf unseren Tellern. Auch das ist eine Art Schizophrenie. Denn wer ein Schwein und sein Verhalten einmal näher studiert wird erkennen dürfen, dass es dem Sozialverhalten eines Hundes, zum Beispiel, um nichts nachsteht. Schweine sind, entgegen vieler Meinungen, sehr reinliche Tiere mit ausgeprägtem Sozialsinn und Zugehörigkeitsgefühl.

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Woher kommt aber diese Differenzierung von „Heimtier“ und „Nutztier“?

Die Katze war im Mittelalter auch nicht sehr beliebt, wenn an die Verbindung zum Hexenkult gedacht wird. „Ab dem 12. Jahrhundert hatte der Glaube an Hexen stark zugenommen. Die Katze, die bisher schon als „Ketzertier“ gegolten hatte, wurde nun auch zum „Hexentier“: In den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Vorstellung von Hexen identifizierte man diese mit Katzen und glaubte, Hexen können Katzengestalt annehmen.“94 Anders war es wohl in der Pharaonenzeit in Ägypten, da galt die Katze als heilig und hatte einen Sonderstatus.

Das Tier war seit jeher Begleiter des Menschen, ob als Schutz, als Arbeitstier oder eben als „Heimtier“. Der domestizierte Wolf soll bereits über 35.000 Jahre Begleiter des Menschen sein und die domestizierte Katze immerhin auch schon 9500 Jahre. Arbeitstiere waren vor der maschinellen Revolution notwendig für die Landwirtschaft, für den Transport von Gütern, für die Wirtschaft, aber auch den Kriegseinsatz nicht zu vergessen. Zu dieser Zeit hatten auch Hunde und Katzen ihre spezifischen Rollen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb. Der Hund war für eine gewisse Sicherheit zuständig, es gab sogenannte Herdenhunde, die zum Beispiel Schafherden vor den Wildtieren schützen sollten. Die Katzen waren als Mäusejäger geduldet. Sie hielten die Ställe sauber vor Schädlingen und schützten so vor den totbringenden Seuchen.

Das „Heimtier“ war eher Realität für den Adel und für das Bürgertum. Das Haustier für jedermann entwickelte sich mit der industriellen Revolution. Technologien, welche die Arbeit erleichterten und die Möglichkeit schafften, Tiere gegen Maschinen auszutauschen. So begannen die Tiere nun als Freizeit- und Sozialpartner zu fungieren. In dieser Entwicklung ersichtlich ist jedenfalls, dass mit oder ohne Klassifizierung des Tieres, eigentlich immer ein Zweck mitgedacht werden kann. Immanuel Kant, sagte in Bezug auf den Menschen, „Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchtest.“95 Dem Menschen, dem eine Würde zugeschrieben wird, liegt also nicht nur ein Mittel zum Zweck zugrunde, sondern er oder sie erfüllt auch einen Zweck. So gesehen hat der Mensch nicht nur eine Daseinsberechtigung, sondern auch einen Würdestatus. Wenn wir nun also den Tieren, und zwar allen Tieren und nicht nur den Präferenzen, eine ebensolche Würde zuschreiben, dann hat auch das Tier per se das Privileg des Seins ohne Verzwecklichung.

94 Remele, K. (2016). Die Würde des Tieres ist unantastbar. Eine neue christliche Tierethik. Kevelaer: Butzon&Bercker. S. 99. 95 Kant, I. (1785). Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. In Horn, Ch. (Hrsg.). Grundlegung zur Metaphysik der Sitten samt Kommentar von Horn Christoph, 2007. (S. 31-32). Stuttgart: Suhrkamp. - 42 -

5.3 Würde der Kreatur?

Nachdem nun der Begriff der Würde in Bezug auf das Tier bereits Einzug gehalten hat, blicken wir konkreter in die Thematik. Die Würde des Tieres oder besser vielleicht „Die Würde der Kreatur“96, wie es die Schweizer Bundesverfassung ausdrückt, ist kein neumodischer Gedankengang von militanten Tierschützern, sondern hat bereits vor langer Zeit erste Wurzeln in der Geschichte der Philosophie geschlagen. Eigentlich gab es quer durch die Geschichte der letzten 2000 Jahre immer wieder Menschen, Heilige und Philosophen, die sich mit den Tieren als Mitgeschöpfe beschäftigt hatten. Ich denke da nur an Franz von Assisi, der in den Tieren Brüder und Schwestern erkannt hat oder auch Philip Neri, die beiden Vertreter, die auch im Katholischen Erwachsenenkatechismus erwähnt werden.97

Doch bleiben wir noch einen Moment lang bei dem Wort WÜRDE stehen und stellen uns die Frage, ob das Tier per se wirklich Würde besitzen kann.

Andreas Steiger präsentierte einen Katalog zum Thema „Kriterien zur Würde des Tieres“98:

✓ Elementare Tierschutzaspekte ✓ Schutz des Individuums ✓ Ermöglichung von Selbstaufbau, Selbsterhaltung, Selbstreproduktion des Tieres ✓ Keine erheblichen Eingriffe ins Erscheinungsbild des Tieres (äußere Erscheinung, Fähigkeit des Tieres) ✓ Keine Erniedrigung des Tieres (Respekt vor dem Eigenwert des Tieres, besonders erzieherischer Aspekt) ✓ Keine übermäßige Instrumentalisierung des Tieres ✓ Achtung des Eigenwerts des Tieres, Achtung und Schonung des Lebens des Tieres um seiner selbst willen ✓ Nicht unnötiges Töten von Tieren ✓ Artenschutz, Populationschutz

96 Vgl. Artikel 120, Gentechnologie im Ausserhumanbereich, Schweizer Bundesverfassung, https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995395/index.html#a120, abgerufen am 01.April 2019. 97 Vgl Katechismus der Katholischen Kirche (1993). Achtung der Unversehrtheit der Schöpfung. Artikel 7, Kapitel II, Nr. 2416. Linz: Veritas ua. S. 609. 98 Steiger, A. (2002). Die Würde des Nutztieres. In Liechti, M. (Hrsg.). Die Würde des Tieres (S. 229). Erlangen: Fischer. - 43 -

✓ Spezielle Beurteilung von Menschenaffen, Primaten ✓ Keine übermäßigen Formenzüchtungen bei Tieren (traditionelle Zucht und Gentechnik) ✓ Güterabwägung erforderlich

Ein breit aufgestelltes Programm, welches ohne Zögern, Zustimmung erhalten könnte. Andreas Steiger spricht sich für den elementaren Schutz von „Nutztieren“ aus und spricht ihnen eine Würde zu. Es kann klar festgestellt werden, dass die konventionelle Haltungsform, sowie der Endzweck mit allen Konsequenzen von Transport bis hin zur Tötung, gegen wesentliche Aspekte des Katalogs verstößt.

Schutz des Individuums ist nicht haltbar, denn sogar die Jungtiere werden für den Fleischkonsum ihres Lebens beraubt. Oder auch die Missachtungen beim Verladen der Tiere auf den Transporter, die Schlachthofszenarien, wo mit roher Gewalt der Wille des Menschen aufgezwungen wird, anstatt die Bedürfnisse des Tieres zu beachten.

Die Selbstreproduktion wird durch die effektivere Methode der künstlichen Befruchtung von Muttertieren ausgetauscht. Kaum eine Kuh in Österreich erkennt auf natürlichem Weg den Stier und viele Tierschützer sprechen in diesem Zusammenhang auch von einer Art „Vergewaltigung des Tieres“. Ein auf Menschen bezogenes Wort, wird hier für tierisches verwendet. Doch es entspricht den Tatsachen.

Erniedrigung des Tieres ist immer wieder ein heikles Thema unter den Tierrechtlern. Jeder einzelne Skandal, in Bezug auf Tierhaltung, Tiertransport, Schlachthofszenario, der zu Tage tritt, hat mit der Erniedrigung des Tieres zu tun. Respekt vor unseren „Nutztieren“ scheint in vielen Großbetrieben ein Fremdwort zu sein. Doch auch Kleinbetriebe landen oft in den Schlagzeilen, wenn bereits verweste Tiere in ihren Ställen gefunden werden. Von Würde kann in diesem Zusammenhang selten gesprochen werden.

Instrumentalisierung der Tiere ist meines Erachtens das Schlagwort in der „Fleischproduktion“. Natürlich instrumentalisieren wir die Tiere, in dem wir sie auf unserem Speiseplan inkludieren. Wir geben ihnen den vermeintlichen Sinn und Zweck ihres Daseins. „Das ist der Zweck des Nutztieres“. Entgegen so mancher Meinung, schenken wir den Tieren nicht das Leben, weil wir sie für unseren Fleischkonsum züchten. Es stimmt natürlich, dass ohne diesen Zweck ein solches „Schlachttier“ niemals auf die Welt gekommen wäre, jedoch klingt es schon sehr blasphemisch zu sagen, dass wir ihnen ein Leben schenken würden. Durch

- 44 - die Instrumentalisierung für unseren Genuss berauben wir sie des natürlichen Lebens, des natürlichen Triebes und der natürlichen Lebenssteuerung.

Ein Rind könnte gut zwanzig Jahre alt werden. Wird es im Kalbes-Alter von vier bis sechs Monaten getötet, berauben wir dieses Kalb um mehr als neunzig Prozent seines Lebens.

Es könnte zu jedem Punkt in Steigers Kriterienkatalog ein Beispiel genannt werden, um damit aufzuzeigen, dass wir absolut nicht würdevoll mit unseren Mitgeschöpfen umgehen.

„Den Schutz des Individuums rechnen wir wie selbstverständlich zu den Konkretionen von Würde, zumindest, wenn es um menschliche Individuen geht; wie aber sollen wir uns dies für Tiere vorstellen?“99

Mit laienhafter Brille wäre eine Antwort ein leichtes Unterfangen, prinzipiell jedes Tier muss geschützt werden und darf weder sinnlos gequält, seiner Freiheit beraubt, erniedrigt oder gar ermordet werden. Jedoch mit laienhaften Antworten kann keine Allgemeinheit überzeugt und mit Herzenswünschen kein normativer Grundsatz vorgestellt werden. Es ist allerdings schwierig einen Begriff, der eher in der Moraltheologie verhaftet ist, als in der Judikatur, wissenschaftlich so zu untermauern, damit er ein ethischer oder besser ein moralischer und gleichsam juridischer Grundsatz werde. Die Würde.

„Die Würde des Tieres ist unantastbar“ heißt ein Buch von Kurt Remele. Dort schreibt Remele über den Grundsatz „Der konsistenten Ethik des Lebens“100, welcher dem amerikanischen Kardinal Joseph Bernardin101 zugesprochen wird. In dieser konsistenten Ethik geht es um das Gesamtkonzept des Lebens, gemeint ist damit nicht nur ein wesentlicher Teil, sondern vom Beginn des Lebens bis hin zu seinem Ende. Bernardin hat diese Kreation rein auf den Menschen ausgelegt, „Bernardins konsistente Ethik des Lebens ist eine konsistente Ethik des menschlichen Lebens, nicht des Lebens aller Geschöpfe Gottes.“102 Das ist die Schwäche dieses Grundsatzes, aber der Begriff ist in Bezug auf die Abtreibungsdebatte in Amerika erschaffen worden.

99 Kunzmann, P. (2007). Die Würde des Tieres – zwischen Leerformel und Prinzip. Freiburg: Verlag Karl Albert7. S. 29. 100 Remele, Würde des Tieres ist unantastbar, S. 163. 101 Bernardin, J. (1998). A Moral Visions for America. In Langan, John (Hrsg.). Washington: Georgetown University. 102 Remele, Würde des Tieres ist unantastbar, S. 165. - 45 -

Faktum ist, „sozialethische Themen sind stärker in das Zentrum kirchlichen Engagements gerückt“103 und daher auch die Thematik „Tiere als Mitgeschöpfe“. In einer Zeit lebend, wo mehr und mehr Tierarten von der Erdoberfläche verschwinden, weil ihnen die Lebensräume genommen werden, der Mensch sich immer weiter ausbreitet, Nahrungsquellen erschöpft sind und der menschliche Geist die tierischen Bedingungen außer Acht lässt, ist der Schrei nach Nachhaltigkeit groß geworden. Wir Menschen, können auf diesem, unseren Planeten nicht mehr so weiter tun, wie bisher. Irgendwann sind die essenziellen Ressourcen erschöpft und die Lebensgrundlage des Menschen derart desolat, dass auch unser Leben aussterben könnte. Nachhaltigkeit, Verantwortung und Mitgeschöpflichkeit sind Schlagwörter unserer Tage geworden, die wir ernster nehmen müssen, als es vielerorts bewusst ist.

Wer dem Begriff der konsistenten Ethik einen realen Stellenwert beimisst, muss zwangsläufig auch das Tier mithinein denken, wenn man glaubwürdig an der einen Schöpfung Gottes festhalten möchte. Es ist nicht das menschliche Recht, Tiere für unsere Zwecke zu missbrauchen, sondern, die menschliche Pflicht auch die Ansprüche und Bedürfnisse des Tieres in unsere Handlungen miteinzubeziehen.

Das Wort Würde ist also ein schwieriger Komplex, der sich jedoch nicht auflöst, nur weil es sich um Tiere handelt, sondern der sich gerade darin entfaltet. Der Würde des Menschen entspricht es nicht Tiere außer Acht zu lassen und der Würde des Tieres entspricht es nicht sich als Zweck des Menschen unterordnen zu lassen.

Unter den Philosophen und Kirchenvätern gab es beide Vertreter, die, die sich für die Tiere einsetzten und die, die den anthropozentrischen Grundsatz folgten und dem Tier keinerlei Würdigung zusprachen. Der Blick in die Geschichte ist meines Erachtens deshalb notwendig, weil dort die Wurzel des sogenannten Tierpessimismus erkannt werden.

Zunächst braucht es aber eine gewisse begriffliche Einführung und Differenzierung, die unumgänglich für den wissenschaftlichen Diskurs ist. Sowie auch eine erste Unterscheidung von ethischen Strömungen die wesentlich mit der tierethischen Debatte zusammenhängen.

103 Remele, Würde des Tieres ist unantastbar, S. 164. - 46 -

5.4 Ethische Sprache

Alles was moralisch ist, ist vielleicht nicht immer ethisch und alles was ethisch wäre, kann nicht immer moralisch sein. Ethik und Moral sind weder dasselbe noch das Gleiche. Es gibt eine Differenzierung zwischen den beiden wichtigen Wörtern in sozialer Interaktion. Im Sprachgebrauch ist dies oftmals nicht eindeutig erkennbar und ihre Grenzen vermischen sich gerne, aber „In der akademischen Ethik bezieht sich der Begriff Moral allerdings im Allgemeinen auf die in einer Gesellschaft vorherrschenden Moralvorstellungen und sittlichen Regeln, der Begriff Ethik dagegen auf die theoretisch-wissenschaftliche Reflexion über eben diese Moralvorstellungen und Regeln, […].“104

Das bedeutet, das Sozialverhalten der Menschen untereinander wird als Moral bezeichnet und hier entscheidet sich, ob eine Handlung falsch oder richtig war. Im Gegensatz zur Ethik, sie beschäftigt sich mit den Sozialnormen, untersucht und forscht an ihnen, um sie bestenfalls zu verbessern.

Zwei wesentliche Hauptströmungen

Im Anthropozentrismus steht der Mensch im Mittelpunkt. Hier wird gerne damit argumentiert, dass der Mensch aufgrund seiner Vernunftfähigkeit einen Sonderstatus in der Natur einnimmt. Das Wort anthropos, άνθρωπος kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet übersetzt Mensch, Mann. Grundessenz ist, welche „moralischen Kriterien und Prinzipien nur auf den Menschen Anwendung [finden]“105.

Wenn in der Tierethik mit einem anthropozentrischen Grundsatz argumentiert wird, dann eher in die Richtung, dass Tiere nicht misshandelt werden dürfen, wenn damit ein Mensch zu Schaden kommt. Die große Schwäche in dieser Diskussion ist allerdings das Vernunftargument. Auch wenn gewisse Tiergruppen dadurch einen moralischen Wert erhalten würden, da man ihnen eine gewisse Vernunftfähigkeit zusprechen kann, so fallen gleichzeitig gewisse Menschengruppen aus der Schutzwürdigkeit heraus. „Säuglinge, Menschen mit Demenz und

104 Remele, Die Würde des Tieres ist unantastbar, S. 29. 105 Heiner, M. Standpunkt: Die pathozentrische Position in der Tierethik, https://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/bioethik/268725/standpunkt-die-pathozenrische-position-in-der- tierethik, Zugriff 09. April 2019. - 47 -

Menschen mit schwerster geistiger Behinderung. Möchte man auch sie in die Moral miteinschließen, muss man die anthropozentrische Position ergänzen.“106

Faktum allerdings ist, dass im Anthropozentrismus der Mensch und sein Wohl im Vordergrund stehen und daher ist diese Position für die Würde der Tiere, respektive für die Würde der Kreatur nicht fruchtbringend. Anders als im folgenden Pathozentrismus.

Der Pathozentrismus bezieht sich nicht auf eine Spezies oder Kategorie von Lebendigen, sondern auf die etymologische Bedeutung des Wortes pathos, griech. πάθος und bedeutet so viel wie, Schmerz, Leiden(schaft). Es bezieht sich also in erster Linie auf die Leidens- und Empfindungsfähigkeit eines Lebewesens. In Bezug auf den Menschen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass seine Leidens- und Empfindungsfähigkeit wahrgenommen und darauf Rücksicht genommen wird. Doch bezogen auf die Tiere könnten Differenzierungen vorgenommen werden. „Auch viele Tiere sind empfindungsfähig und dementsprechend moralisch zu berücksichtigen.“107 Dadurch wird schon einmal klar, nicht allen Tieren wird eine Leidens- und Empfindungsfähigkeit zugesprochen. Für diese Fähigkeit braucht es ein Nervensystem, um auf äußere Reize reagieren, aber vor allem, um auch Erfahrungen daraus sammeln zu können. Im vorliegenden Bereich der Tiertransporte ist zumindest ganz klar, dass es sich hier um durchwegs leidens- und empfindungsfähige Tiere handelt.

„Empfindungsfähige Tiere nur deshalb von moralischer Rücksicht auszunehmen, weil sie Tiere sind und nicht der Spezies Mensch angehören, wäre unbegründet und speziesistisch.“108 Es gibt Versuche die Tiere trotz ihrer Leidens- und Empfindungsfähigkeit aus dem pathozentrischen Denken heraus zu nehmen, weil sie eben Tiere und keine Menschen sind. Dieser Versuch würde unter Umständen nur dann funktionieren, wenn es gravierende Gründe dagegen gäbe. „Ein mögliches Argument wäre, dass reflektierter Schmerz gravierender sei.“,109 Dass der Mensch die Möglichkeit der Reflexion hat wissen wir, aber ob die Tiere reflektieren können oder nicht, kann aufgrund der Sprachbarriere, nicht exakt festgestellt werden. Verhaltensforscher untersuchen diese Möglichkeit und bei bestimmten Affen oder auch den Delphinen wird eine

106 Ebd., bpb.de. 107 Vgl. Singer, P. (1997). Alle Tiere sind gleich. Kap. 17. In Krebs, A. (Hrsg.). Naturethik – Grundtexte der gegenwärtigen tier- und ökoethischen Debatte (S.21). : Suhrkamp. 108 Vgl. Ebd. 109 www.bpb.de, Standpunkt – Pathozentrismus. - 48 -

Reflexionsmöglichkeit nicht ausgeschlossen, aber das ist jetzt nicht das primäre Thema, sondern im Zweifelsfall, sollte immer für, als gegen das Tier entschieden werden.

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6. Der Blick in die Geschichte – und wo das Mitgeschöpf seinen Wert verlor

Es war keine Entscheidung von jetzt auf gleich, dass den Tieren nicht eine ebensolche Würde zugesprochen wird, wie sie der Mensch für sich beansprucht. Diese mangelnde Tierwürde hängt wesentlich mit historischen Bedingungen zusammen, die nun in aller Kürze dargelegt werden sollen, um danach in die aktuellen Tierethischen Positionen überleiten zu können.

Bereits Aristoteles (384-322 v.Chr.) differenzierte in der sogenannten Beseelung. Nicht alles Lebendige hatte dieselbe Seele, sondern je nach Eigenschaft des Lebendigen kam die Beseelung. Die Pflanze erhielt ihre Seele durch die anima vegetativa, die Tiere durch die anima sensitiva und der Mensch durch die anima intellectiva. Je höher entwickelt eine Lebensform gedacht wurde, desto besser war sie im griechischen Denken gestellt. „Nach Aristoteles ist in die Natur eine Ordnung hineingelegt, wonach die niedrigeren Lebensformen der jeweils höheren dienen.“110

Das Seelen Denken war also ein erstes Faktum für eine Differenzierung von Mensch und Tier. Dazu gesellte sich der Dualismus. „In der Tradition des platonisch geprägten Dualismus wurde die Wirklichkeit in eine materielle bzw. irdisch-vergängliche und in eine geistige bzw. ewig unsterbliche unterteilt. Allein der Mensch war kraft seiner Geistseele der geistigen Welt teilhaftig, das Tier hingegen konnte nur dem Bereich des Materiellen zugeordnet werden.“111 Da nur der Mensch Anteil am Geistigen haben konnte und die Seele des Menschen als Unsterblich, sprich ewiglich gegolten hat, kam es zu einer Differenz mit den Tieren. Sie waren in diesem Fall mangelhaft, da sie nur Anteil am Materiellen Dasein hatten und somit auch ihre Seele vergänglich gedacht wurde.

Die Unsterblichkeit der Seele hat auch eine religiöse Dimension. Wir Christen glauben daran, dass der Leib zwar stirbt und zu Staub wird, doch die Seele kehrt heim zu Gott. Hätte man den Tieren nun eine ebensolche Seele zugesprochen, dann auch einen intrinsischen Wert und sie bräuchten ebenso Anteil an der Eschatologie.

110 Lintner, M. (2017). Der Mensch und das liebe Vieh. Ethische Fragen im Umgang mit Tieren. Innsbruck: Tyrolia. S. 96. 111 Lintner, Der Mensch und das liebe Vieh, S. 68. - 50 -

Für Thomas von Aquin, dem berühmten Kirchvater und Lehrer aus dem 13. Jahrhundert, war die Vernunftfähigkeit des Menschen ein wesentliches Moment der Unterscheidung von Menschen und Tier. Er schrieb in seiner berühmten Sammlung „summa theologica“, dass den Tieren eigentlich kein moralischer Status zukommen würde, da sie nicht vernunftfähig handeln können und dass der Mensch sich ihrer Bedienen darf. Der Mitleidsaspekt gegenüber Tieren wird zwar bereits bei Thomas eingebracht, jedoch wohl eher nicht um die Tiere zu schützen, sondern, weil er an die moralische Rolle des Menschen appellierte. Ein Mensch der gut mit allem Lebendigen umgehen kann, geht auch gut mit seinen Mitmenschen um. Denn wenn das niedere Lebewesen schon einen moralischen Wert hat, muss es der vernunftbegabte Mensch umso mehr haben.112

Dieser kurze geschichtliche Abriss zeigt bereits auf wie stark das griechische Denken in der christlichen Tradition eingeflochten war. Wesentlich davon beeinflusst nahm der Mensch eine Art Sonderrolle ein, die sich nicht so bald ändern sollte. Neben der Seelenvorstellung und dem Dualismus, spielte natürlich auch die These der Gottebenbildlichkeit des Menschen eine wesentliche Rolle. Doch der biblische Befund wird im Kapitel „die Theologie und das Tier“ näher behandelt werden.

Weitere große Denker und Philosophen waren Rene Decartes und Immanuel Kant. Doch ihre Sichtweise ist anthropologisch ausgerichtet und nicht primär wertschätzend allen Geschöpfen gegenüber. Dennoch spielen sie eine gewisse Rolle in Bezug auf den später aufkommenden Tierschutz, denn mit ihren philosophischen Ergüssen haben sie die Menschheit wesentlich geprägt und so dem Tierpessimismus weiter Vorschub geleistet.

6.1 Rene Descartes

Decartes (1556 – 1650) war ein Philosoph dessen Aussage - cogito ergo sum, ich denke, also bin ich - ihn weltberühmt machen sollte. Er ist ebenfalls bekannt dafür, dass er Tiere als Maschinen betrachtete. „Allein der Mensch habe die Fähigkeit zu denken und frei zu handeln, sodass sein Verhalten und Handeln nicht restlos durch kausale Faktoren determiniert ist bzw.

112 Vgl. Thomas von Aquin: Summa theologica I-II, q.102, a.6, ad 8. - 51 - erklärt werden kann. Alle anderen Lebewesen hingegen können als bloß materielle und unbeseelte Dinge angesehen werden, die mechanistisch zu betrachten seien.“113

Die Zeit in der Descartes lebte war eigentlich eine recht dunkle Zeit in der Medizingeschichte. Es gab Vivisektionen, wo lebendige Tiere aufgeschnitten wurden, um an ihnen die Anatomie zu erforschen. Es war die Zeit, wo das Tier bereits öffentlich geschunden und gemartert wurde, und wo Tiere keinen anderen Wert besaßen, als dem Menschen auf jegliche Art und Weise zu dienen. Sogar Tierprozesse soll es bis ins 20. Jahrhundert gegeben haben, meint Peter Dinzelbacher114 Denn obwohl man den Tieren keine Vernunft zusprach waren sie für ihr Verhalten verantwortlich und konnten gerichtlich verurteilt werden.

Durch die Verstädterung in weiterer Folge kam es zur ersten Massentierhaltung, um genügend Fleisch in den Ballungszentren für die Ernährung der Menschen herstellen zu können.115 Das Wissen um eine humane Schlachtung war ebenso wenig gegeben, wie ein artgerechter Umgang mit dem Tier per se. Dass Decartes also die Tiere als Maschinen titulierte bestätigte die Allgemeinheit in der These, dass Tiere nicht empfindungsfähige Lebewesen seien, die genützt und benützt werden können.

6.2 Immanuel Kant

Kant (1724- 1804) war ebenso kein deklarierter Tierschützer, aber ein anerkannter Philosoph, der sich mit dem menschlichen Denken und Handeln beschäftigte. Von ihm stammt das sogenannte „Verrohungsargument“.

Darunter versteht man, dass der Mensch die Tiere gut behandeln soll, um der sogenannten Verrohung zu entgehen. Denn aus der Misshandlung eines Tieres könnte resultieren, dass zwangsläufig auch Mitmenschen schlecht behandelt werden. Es geht dabei also nicht wirklich um die Tiere selbst, sondern um die Gefahr, dass der Mensch die Schwelle der Misshandlungen auch in Bezug auf den Menschen durchschreiten könnte. Dazu schreibt Kant in seiner Metaphysik über die Sitten, „In Ansehung des lebenden, obgleich vernunftlosen Teils der Geschöpfe ist die Pflicht der Enthaltung von gewaltsamer und zugleich grausamer Behandlung der Tiere der Pflicht des Menschen gegen sich selbst weit inniglicher entgegengesetzt, weil

113 Lintner, Mensch und Vieh, S.71. 114 Dinzelbacher, P. (2006). Das fremde Mittelalter. Gottesurteil und Tierprozess. Essen, Magnus. 115 Vgl. Lintner, Mensch und Vieh, S.76. - 52 - dadurch das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abgestumpft und dadurch eine der Moralität im Verhältnisse zu anderen Menschen sehr diensame natürliche Anlage geschwächt und nach und nach ausgetilgt wird.“116

Mit einer derartigen Sichtweise, die rein auf den Menschen ausgelegt verstanden werden kann und durch die Geschichte verstanden worden ist, ist der Vorwurf mangelnder Tierwürde nicht weiter verwunderlich. Einzig der Mensch, als vernunftbegabtes Wesen, wird in Kants Darstellung herangezogen. Rücksichtnahme aufgrund eines Selbstwertes des Tieres ist hier nicht erkennbar. Der Mensch soll vernunftmäßig handeln, weil er dies auch seiner Würde schuldet und es dem Menschen per se nicht entspräche moralisch schlecht zu agieren.

116 Kant, I. (1785). Metaphysik der Sitten. Tugendlehre § 17. In Horn Ch. (Hrsg.), 2007. (S. 255-256). Frankfurt: Suhrkamp. - 53 -

7. Die Entdeckung „Tierschutz“

Der Tierschutz ist keine neumodische Errungenschaft oder eine Leistung der Zivilisation, wie wir sie heute kennen. Bereits im 18. Jahrhundert kamen erste Formen auf. Wesentliche Vordenker waren hierbei Jeremy Bentham und Arthur Schoppenhauer.

7.1 Jeremy Bentham

Bentham (1748-1832) war einer der wichtigsten Philosophen für die Tierwürde und den beginnenden Tierschutz. Er ist der Vater des klassischen, hedonistischen Utilitarismus. „[Bentham] begreift Lust (griech.: hedone) und Schmerz als anthropologische Konstanten der menschlichen Natur, die bei der Bestimmung des Glücks eine entscheidende Rolle spielen.117 Bentham geht es um Nutzenmaximierung, das bedeutet eine Handlung ist dann moralisch richtig, wenn die größtmögliche Anzahl an Lebewesen davon profitieren kann. „Grob gesagt vertritt der Utilitarismus eine ethische Auffassung, nach der es das ausschließliche Kriterium moralischer Richtigkeit oder Falschheit von Handlungen ist, wie viel Glück diese Handlung für alle von ihr Betroffenen erzeugt.“118 Die Schwachstelle in dieser Argumentation ist die Nähe des Hedonismus zum Egoismus, zumindest auf psychologischer Basis, jedoch sieht Bentham hier keine allzu große Diskrepanz, dass das Eigeninteresse über das Gruppeninteresse gestellt werden könne, da es dafür einfach ein wirkungsvolles Systems braucht.119

In Bezug auf die Tierethik interessierte ihn nicht primär der Unterschied von Menschen und Tier oder gar die triumphierende Vernunftfähigkeit des Menschen über dem Tier, sondern eher die Verbindung der Beiden. Hervorstechend war seine Formulierung, „Die Frage ist nicht, ob Tiere denken oder sprechen können, sondern: Können sie leiden?“120 Damit machte Bentham einen großen Schritt in Richtung Leidens- und Empfindungsfähigkeit des Tieres. Tiere

117 Bentham, J. (2009). Eine Einführung in die Prinzipien der Moral und der Gesetzgebung. In Ceikates, R. und Gosepaht, St. (Hrsg.). Philosophie der Moral. Texte von der Antike bis zur Gegenwart (S. 223). Frankfurt: Suhrkamp. 118 Ebd., Bentham, Philosophie der Moral, 223. 119 Vgl., ebd. 120 Bentham, J. (2007). An indroduction to the principles of morals and legislation. In Reproduktion der Ausgabe Oxford 1907 (S. 311). Mineloa NY: Dover. „The question is not, can they reason?, nor can they talk? But, Can they suffer?“. - 54 - empfinden sowohl Leid und Schmerzen wie auch Glück oder Wohlbefinden. Kein Tier wird freiwillig Schmerzen empfinden wollen, im Gegenteil. „Entsprechend dem utilitaristischen Prinzip, dass dasjenige als sittlich gut gilt, was dem größeren Glück der je größeren Zahl einer Gruppe dienlich ist, müssen die Tiere in dieses Kalkül einbezogen werden.“121

Damit war die Tür für den Tierschutz und den damit zusammenhängenden Tierrechten geöffnet. Dem Tier per se wurde eine Leidens- und Empfindungsfähigkeit zugesprochen, die bereits Hegel (1770-1831) in seinen Ausführungen über die Naturphilosophie122 festgestellt hat. „Hilfreich erweist sich die Beobachtung, dass das Tier Stimme hat., schreibt Günter Hager.“123

Durch seine Laute zeigt das Tier, dass es empfinden und leiden kann. Wenn es der Katze gut geht und sie sich wohl fühlt dann beginnt sie zu schnurren, wie Hegel schon erkennen durfte. Wenn ein Kalb im Spieltrieb ist dann versucht es mit seinen Möglichkeiten diesen Trieb auch auszuleben. Es schleckt den Menschen mit seiner Zunge ab, um zum Mitspielen zu animieren, sogar eine Art „Abfangen Spiel“ kann teilweise bei den Kälbern untereinander beobachtet werden. Diverse Laute sind dabei zu hören, die im Spielen eine Art Freude auszudrücken scheinen. Die Wiedersehensfreude eines Hundes, der sein Herrchen oder Frauchen eine Weile nicht gesehen hat, ist definitiv erkennbar und beweist Glücksgefühle. Doch auch das Leiden ist gut erkennbar und hörbar. Wenn sich ein Tier verletzt oder Angst verspürt, gibt es Laute von sich. Die Rufe des Kalbes, wenn es von seiner Mutter getrennt wird. Die Laute, die in den Schlachthöfen zu hören sind und für jeden Tierfreund wohl ein Zeichen der Angst vor dem nahen Tod bedeuten. Es ist rein nur durch die Beobachtung von Tieren klar erkennbar, dass Tiere Empfindungs- und Leidensfähig sind.

Nun aber weiter zu Benthams Denkweise und dem entstehenden Tierschutz. „Die wachsende Sensibilität für Tiere trat zunächst in der Aufklärung und dann insbesondere in der Romantik stark hervor. Die Ursachen dafür sind komplex: […] der Zuwachs an Städtebewohnern und damit verbundene Zuwachs an Haustieren; […].“124 Die Gesellschaft erhielt mit der Aufklärung nicht nur ein Wissen um sich selbst, sondern eben auch in Bezug auf unsere Mitgeschöpfe. England nahm eine große Vorreiterrolle ein, wobei Bentham hier einen wesentlichen Beitrag

121 Lintner, Mensch und Vieh, 75. 122 Vgl. Hegel, G. (1996). Die Naturphilosophie: mit den mündlichen Zusätzen (S. 433). In Moldenhauer, E. (Hrsg.). Neu ed. Ausgabe d. Werke v. 1832 – 1845. Enzyklopädie d. philos. Wiss. im Grundrisse 1830. T. 2. Frankfurt: Suhrkamp9. 123 Hager, G., Tier in Ethik und Recht, 9. 124 Grimm, H. und Wild M. (2016). Tierethik zur Einführung. : Junius. S. 39. - 55 - leistete. „Es waren zunächst Privatpersonen, die seit den 1780er – Jahren immer wieder Gesetzesanträge gegen die mutwillige Misshandlung von Tieren im britischen Parlament einbrachten.“125 Im Jahre 1822 sollte es soweit sein, dass das erste Tierschutzgesetz promulgiert wurde, es trug den Namen „Act for the Prevention of Cruel an Improper Treatment of Cattle“126. „So wurde 1824 die Royal Society for the Prevention of (RSPCA) gegründet, [...] [die] als „Mutter aller Tierschutzbewegungen“ gilt.“127

Die Gesellschaft war also der anprangernde Faktor, dass den Tieren endlich Gehör geschenkt wurde. Sie waren zwar fortan auch nicht primär Träger von Rechten, sondern größtenteils immer noch von Pflichten, aber der Tierschutz in den Kinderschuhen war ein notwendiger Schritt, um die Zivilisation und die Empathie zu entfalten.

Den Grundsatz des Utilitarismus werde ich näher bei seinem zeitgenössischen und für uns heute essenziellen Vertreter, Peter Singer, beleuchten. Er hat das Erbe von Bentham erfolgreich angetreten.

7.2 Arthur Schopenhauer

Schopenhauer (1788 – 1860) war wohl ein weiterer großer Lichtblick. Im Zeitalter der Aufklärung plädierte er ebenso für eine Tierwürde. In seiner sogenannten Mitleidsethik schreibt er dazu, „Die vermeinte Rechtlosigkeit der Thiere, der Wahn, daß unser Handeln gegen sie ohne moralische Bedeutung sei, oder, wie es in der Sprache jener Moral heißt, dass es gegen Tiere keine Pflichten gebe, ist geradezu eine empörende Rohheit und Barbarei des Occidents […]“128.

Kritikwürdig an der Sichtweise Schopenhauers ist, dass er den Tierpessimismus im Abendland aus dem Judentum ableitet und so antisemitische Tendenzen aufzeigt, die in keiner Weise weitertradiert werden müssen. Eine religiöse Weltanschauung ist nicht das einzige Maß, mit dem die Welt betrachtet und nach dem unser Verhalten gestaltet werden soll. Daher werden derartige Passagen bei Schopenhauer ausgeblendet.

125 Lintner, Mensch und Vieh, 76. 126 Lintner, Mensch und Vieh, 76. 127 Lintner, Mensch und Vieh, 76. 128 Schopenhauer A. (1916): Die beiden Grundprobleme der Moral. § 19 Grundlage der Moral. Leipzig: Brockhaus2. S. 238. - 56 -

In Bezug auf die Tiere und seiner Mitleidsethik geht Schopenhauer in einem Dreierschritt vor:

(1) Mensch und Tier haben einen gemeinsamen Ursprung. Daher sollen Menschen mit Tieren solidarisch umgehen. (2) Eine Ethik des Mitleids, die dem Egoismus kritisch gegenübersteht, impliziert die Achtung aller Lebewesen. (3) Eine tierfeindliche Ethik weist auf eine Menschenfeindlichkeit hin129

Schopenhauer impliziert in seinen Gedankengängen, dass Mensch und Tier desselben Ursprungs sind. Daher besteht eine naturgegebene Verpflichtung des Menschen mit allen Lebewesen achtsam umzugehen. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und schließt von der Tierfeindlichkeit auf die Misanthropie. Ähnlich wie Kant definiert es auch Schoppenhauer, wer nicht einmal den Tieren einen Wert zumisst, kann das beim Menschen auch nicht. Die Weltsicht Schopenhauers war vom Buddhismus und Brahmanismus geprägt. So verwundert es nicht, dass er „die Vorstellung einer solidarischen Schicksalsgemeinschaft aller Lebewesen [davon] ab[leitet]“130 und so auch seine Ethik entfaltet.

Nachdem Schoppenhauer wesentlich an der Vernunft des Menschen interessiert war, knüpft er hier an der Differenz zwischen dem Menschen und dem Tier an, bestätigt aber dennoch, dass Tiere auf ihre Art Möglichkeiten haben. „Die Vernunft befähigt den Menschen zur Abstraktion.“131 Das bedeutet, der Mensch kann seine Handlungen differenzieren und selbst Entscheidungen treffen. „Das Tier lebt allein in der Welt der Anschauung. Nur konkrete Erscheinungen bestimmen deshalb das Verhalten des Tieres.“132 Dem Tier wird eine Triebhaftigkeit zugesprochen, dieser natürliche Antrieb ist aber nicht allein der Entscheidungsträger für das Verhalten des Tieres. Dazu meint Schopenhauer, „Freilich ist das Reich der Freiheit nur klein gegenüber dem Reich der Notwendigkeit.“133 Was so viel bedeutet wie, der Mensch ist durch seine ausgeprägte Vernunftfähigkeit, um vieles Freier, als das Tier. Doch auch dem Menschen sind Grenzen gesetzt, die er nicht durchbrechen kann und somit grenzenlose Freiheit besitzen würde. Der Handlungsspielraum des Tieres ist im Gegensatz wesentlich kleiner, aber dennoch vorhanden und da ihnen die menschliche Sprache fehlt,

129 Vgl. Ialenti, A. (2008). Arthur Schopenhauers Ansatz einer Tierethik des Mitgefühls. e-journal Philosophie der Psychologie. http://jp-philo.at/texte/IalentiA1.pdf, Zugriff 5. Mai 2019. 130 Lintner, Mensch und Vieh, 75. 131 Vgl. Schopenhauer A, (1916). Die Welt als Wille und Vorstellung, § 18. Leipzig: Brockhaus2. S. 120. 132 Hager, Recht und Ethik Tier, 10. 133 Vgl. Schopenhauer, Welt als Wille und Vorstellung, § 16 Welt als Vorstellung. Leipzig: Brockhaus1. S. 100. - 57 - können sie auch nicht fortlaufend mitteilen, welche Entscheidungen sie eigenständig treffen und welche ihnen gerade vorgegeben ist. Ernährung und Fortpflanzung sind vorgegebene Normen der Natur, aber wie der Tag vom Tier gestaltet wird, hängt sehr wohl auch von seinen Launen und seinem Befinden ab.

7.3 Albert Schweitzer

Schweitzer (1875-1965) war Arzt, Theologe und Philosoph. Prägnant bei ihm war unter anderem der Satz, „Ich bin das Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“134. Indem er als „Nächsten“ alle Wesen und nicht nur den Menschen begreift, entwickelt Schweitzer ein universelles Konzept von Nächstenliebe, welches auch das Tier erreicht.“135 Schweitzer meint, „wahrhaft ethisch ist der Mensch“ [nur, wenn] „Das Leben als solches […] ihm heilig [ist].136 Und weiter, „Ethik ist die grenzenlos erweiterte Verantwortung gegen alles, was lebt.“137

Schweitzer war seit klein auf den Tieren stark verbunden und dies lässt er in seinen literarischen Werken dadurch erkennen, dass er immer wieder biographische Passagen miteinfließen lässt, in denen Tiere eine Rolle spielen. Für Schweitzer braucht es eine Ethik, die auf alles Lebendige anzuwenden ist.

„Als gut lässt sie [Die Lehre von der Ehrfurcht vor dem Leben] nur Erhaltung und Förderung von Leben gelten. Alles Vernichten und Schädigen von Leben, unter welchen Umständen es auch erfolgen mag, bezeichnet sie als böse. […] Sie tut die Konflikte nicht für ihn [dem Menschen] ab, sondern zwingt ihn, sich in jedem Falle selber zu entscheiden, inwieweit er ethisch bleiben kann und inwieweit er sich der Notwendigkeit von Vernichtung und Schädigung vom Leben unterwerfen und damit Schuld auf sich nehmen muß.“138

Eine große Gefahr die Schweitzer hier erkennt ist, die Wertunterscheidung des Lebendigen.139 Die Präferenz des Einzelnen macht es im Prinzip unmöglich einen allgemeinen Schutzkonsens

134 Schweitzer A. (1972). Kultur und Ethik. XXVI. Die Ehrfurcht vor dem Leben. München: Beck. S.330. 135 Wustmans, C. (2015). Tierethik als Ethik des Artenschutzes. Chancen und Grenzen. Stuttgart: Kohlhammer. S. 25. 136 Schweitzer, 351. 137 Schweitzer, 352. 138 Schweitzer, Kultur und Ethik. Ethik und Gedankenlosigkeit. 339-340. 139 Vgl. Wustmans, Tierethik, 28. - 58 - für alles Lebendige herzustellen. Was für den einen Schutzbedürftig ist, ist es für einen anderen nicht. Die Judikatur kann gewisse Vorgaben leisten, aber nicht alles kontrollieren und die Einhaltung festsetzen. Daher bedarf es einer Ethik und einer Moral, die primär für den Schutz von allem Lebendigen eintritt, ohne Präferenzen gelten zu lassen. Das schwierige bei Albert Schweitzer ist jedoch, dass die Messlatte seiner Erwartung sehr hoch ist und schon das Zertreten eines Insekts quasi dagegen verstößt. Dennoch zeigt er keine Praxis auf, wie dieser Schutz von allem Lebendigen auszusehen hat. Schon das erwähnte zertretene Insekt, welches in aller Zufälligkeit seines Lebens beraubt wurde, wie der geknickte Ast beim Waldspaziergang, verstoßen bereits gegen das Heiligkeitsprinzip von Schweitzer. „Letztlich überlässt Schweitzer seine Rezipienten hilflos seinem Dilemma: Er fordert Einzelfallentscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen ein, eine Abwägung muss getroffen werden, ohne dass grundsätzliche Wertunterschiede gelten dürfen.“140

Dazu meint Norbert Hoerster, „In Wahrheit gibt es auf der Basis von Schweitzers «absoluter Ethik» einer unterschiedslos «gleichen Ehrfurcht» vor allem Leben keine überzeugende Lösung für auch nur einen einzigen moralischen Konflikt.“141

Es steht auch die Frage im Raum, „[ …] ob Schweitzer mit seinem Ansatz der Ehrfurcht vor dem Leben überhaupt nach einer normativen Ethik suchte, oder ob bereits das Postulat dieser Gesinnung als das Ziel seiner Ausführungen angesehen werden kann.“142

Welche exakten Intentionen hinter Schweitzers Ehrfurcht vor dem Leben gestanden haben, können wir heute nicht mehr zur Gänze klären. Was jedoch aus den Schriften von Schweitzer mitgenommen werden kann ist die Tatsache, dass das Leben per se schutzbedürftig ist und nicht als achtloses Produkt betrachtet werden darf. Hierfür hat er einen wesentlichen Beitrag geleistet. Alles Lebendigen hat einen intrinsischen Wert, schon allein aufgrund dessen, dass es lebendig ist.

Die Rezeption Schweitzers Ethik war eigentlich gering „von zeitgenössischen Philosophen und Theologen“143. Erst in den 1970er Jahren war sein Absolutheitsanspruch auf alles Lebendige von der Tierschutzbewegung aufgegriffen und für ihr Anliegen weitertradiert worden.144

140 Ebd. Wustmans, Tierethik, 28. 141 Hoerster, N. (2004). Haben Tiere eine Würde? Grundfragen der Tierethik. München, C.H. Beck. S. 25. 142 Ebd. Wustmans, Tierethik, 28. 143 Wustmans, Tierethik, 29. 144 Vgl. Wustmans, Tierethik, 29. - 59 -

7.4 Johannes Ude

Ude (1874 – 1965) war Theologe, Priester, Philosoph, Naturwissenschaftler und Wirtschaftswissenschaftler. Der vierfach-Doktor und redegewandte Johannes Ude, war aber auch aktiver Gegner des NS-Regimes, Pazifist und Vegetarier. Er war gegen Tierversuche und lebte den Vegetarismus in einer Zeit, wo er noch nicht allzu bekannt, geschweige denn vielerorts bereits gelebt wurde. „Nach Ude gehören Tiere weder auf den Teller noch in Labors: Mit dieser Auffassung ist Ude ein Vorläufer der neueren akademischen Tierethik“145 In seinem Buch „Du sollst nicht töten“146 vertritt er sehr stark die vegetarische Lebensweise, als ein zu erreichendes Ideal, um Einklang mit der Natur zu finden.

„Das Mitleid mit dem Tier und der damit verbundene Tierschutz ist […] keine bloße Gefühlsduselei, sondern ein Zeichen eines edlen Herzens, das an der wahren Liebe ausgerichtet ist, an jener ewigen Vaterliebe, die Gott zu den Tieren hat, die nur für das Wohl des Tieres besorgt ist. […]

Wer also aus Mitleid mit dem Tier und aus Ehrfurcht vor dem Leben, also aus sittlichen Gründen auf den Fleischgenuss verzichtet, bekundet, entschieden eine höhere Auffassung vom Werte des Tierlebens.“147

Zum einen ist für Johannes Ude die Liebe Gottes zu den Tieren klar erkenn- und begreifbar, zum anderen ist sein höchstes Ideal der Vegetarismus, weil dabei vordergründig kein Tier für die Ernährung sterben muss. Spätere Entwicklungen, wie die Kälberüberproduktion in der Milchwirtschaft, waren zur Zeit Udes noch kein Thema. Heute müssen beim Ovo-Lacto- Vegetarier zwangsläufig Tiere sterben, obwohl „nur“ Eier und Milch konsumiert wird. Nichtsdestotrotz hat Ude bemerkenswerter Weise schon sehr früh148 auf die ökologischen Folgen des Fleischkonsums hingewiesen, wo noch keine Rede war von „Nachhaltigkeit“ oder „Ressourcenschonung“.

145 Remele, K. (2019). Der Vierfach-Doktor und liebe Vieh: Johannes Ude als Anwalt und Wegbereiter einer vegetarischen und veganen Lebensweise. In Sohn Kronthaler, M. und Neuhold, L. (Hrsg.). DDDDr. Johannes Ude. Pazifist- Lebensreformer – Priesterpolitiker. Anstoß damals wie heute? (S. 94-100). Graz: Leykam. 146 Ude, J (1948). Du sollst nicht töten. Dornbirn: Mayer. 147 Ude, Du sollst nicht töten, 388; 390f. 148 Das Buch erschien 1948, in den Nachkriegsjahren, wo Umweltschutz und Erdausbeutung noch keinen allzu großen Stellenwert besaßen. - 60 -

Sein Grundsatz war christlich geprägt, „Ich bin Vegetarier, weil ich Christ bin“149. Er verstand seinen Weg von Gott her und es war für ihn selbstverständlich, dass der christliche Gott auch der Gott der Tiere ist. Mit Alber Schweitzer verband ihn eine Freundschaft und er wurde auch für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, erhielt ihn jedoch nie.

Historisch befinden wir uns nun kurz vor den 1970er Jahren. In diesem Jahrzehnt war sozusagen die Geburtsstunde der Tier-Anerkennung unserer Tage. Anerkennung als Mitgeschöpf, als Lebewesen und als Teil der Schöpfung, der sogenannte Animal Turn. Es war der Beginn den Tieren einen Eigenwert, eine Empfindungs- und Leidensfähigkeit, zuzusprechen. Auch wenn diese Elemente noch immer nicht allgemeingültig und von der gesamten Menschheitsfamilie anerkannt sind, so gibt es zumindest Diskussionen und Aufklärung.

149 Ude, Natur, 35. - 61 -

8. Zeitgenössische Tierethik und ihre Vertreter

„Ein entscheidendes Augenmerk gilt es nun auf pathozentrische Positionen zu legen, die in der zeitgenössischen tierethischen Diskussion seit den 1970er Jahren Grundlage für den Schwerpunkt der Argumentation bilden und zweifelsohne größten Einfluss haben.“150 Prägnantes Schlagwort aus dieser Zeit ist der sogenannte „Animal Turn“151. Es ist der Beginn des Umdenkens, der Neuorientierung rund um das Tier. Das Tier per se ist keine Sache mehr, es ist ein Wer und es ist ein Lebewesen mit Rechten, ein Mitgeschöpf mit Fähigkeiten, die dem Menschen nicht so unähnlich sind.

Mit der Industrialisierung der Fleischproduktion um die Jahrhundertwende des 19. auf das 20. Jahrhundert entstanden die ersten industriellen Schlachthöfe in Amerika. Der Mensch hat es geschafft in kurzer Zeit viele Tiere schlachten zu können. Mit dem Ausbau der Eisenbahn konnte der Transport gewährleistet werden.152 Die weitere Entwicklung folgte recht rasant, trotz der Kriegsjahre. Nach dem Wiederaufbau in den 1960er Jahren schossen Schlachthöfe aus dem Erdboden. en Menschen ging es wieder gut und die Sehnsucht nach dem Fleisch sollte gestillt werden. Um diese Sehnsucht stillen zu können bedurfte es einer Tiertransportlobby, die es möglich machte, die Schlachthöfe so schnell und effizient als möglich beliefern zu können. Die Nachfrage bestimmte den Markt und der Markt bediente die Nachfrage. Die Industrialisierung der Fleischproduktion forderte ihren Tribut. Natürliche Prozesse wurden durchbrochen, „Effizienz“ hieß nun das Zauberwort. Es war der Beginn der Massenqualzucht, wo Tiere auf bestimmte Zwecke hin gezüchtet wurden. Das Rind soll viel Fleisch oder Milch in kurzer Zeit „produzieren“ und das Huhn hochleistungstechnisch viele Eier legen. Anderen „Fleischtierarten“ erging es nicht viel besser. Rasant kamen wir Menschen in einer Zeit an, wo nur mehr die Produktion eine Rolle spielte und keine Frage nach dem Ergehen des Tieres.

„Um eines kleinen Bissen Fleisches willen berauben wir eine Seele des Lichts und der Spanne von Zeit, in die sie hineingeboren wurde, sich daran zu erfreuen (Plutarch).“153

150 Wustmans, Tierethik, 32. 151 Murken, Ch. (2015). Animal Turn. Auf der Suche nach einem neuen Umgang mit Tieren. Neustadt a.d. Aisch: Verlagsdruckerei Schmidt. S. 126. 152 Vgl. Der Siegeszug der Fleischfabrik. https://www.welt-sichten.org/artikel/19625/der-siegeszug-der- fleischfabrik?page=all, Zugriff 26. März 2019. 153 Murken, Animal Turn, 127. - 62 -

Der Philosoph Plutarch (45-125) hatte schon sehr recht und lebte in einer Zeit, wo von Massenqualzucht noch gar keine Rede war. Er erkannte, dass wir Menschen für einen kleinen Genuss sehr viel in Kauf nehmen und andere Lebewesen spüren lassen.

8.1 Peter Singer

Der Philosoph und Tierethiker Peter Singer (geb. 1946) beschäftigt sich schon seit den 1970er Jahren mit der Thematik „Diskriminierung von Tieren“154 und formulierte den Begriff des Speziesismus aus. „»Speziesismus« bezieht sich auf ein Vorurteil oder eine Voreingenommenheit gegenüber Wesen aufgrund ihrer Andersheit. Der Begriff soll auf eine Parallele mit anderen »Ismen« wie Rassismus und Sexismus hindeuten.“155 Was Peter Singer hier versuchte war aufzuzeigen, dass der Rassismus, das Ausgrenzen von Menschen aufgrund einer Andersartigkeit, wie Hautfarbe, Sprache, Religion, und so weiter, gleichsam wie der Sexismus, das Bevorzugen des eigenen Geschlechts und die Diskriminierung des jeweils anderen, prinzipiell gleichgestellt ist, wie die Diskriminierung von Tieren. Wir Menschen gehören wie einige Tierarten zur Kategorie der Säugetiere. Dieser Speziesbegriff „Säugetier“ hängt mit der Tatsache zusammen, dass wir Menschen unsere Nachkommen säugen, ebenso wie gewisse Tierarten. Daher gibt es eine Parallele zwischen Menschen und Tier und es wird wissenschaftlich derselbe Begriff für zwei verschiedene Arten von Lebewesen verwendet und verbindet diese beiden somit. Wenn wir Menschen also ein anderes Säugetier abwertend und quälerisch behandeln, weil es eben nur ein Tier ist, dann handeln wir speziesistisch.

„Manchmal ist es für Mitglieder einer dominanten Gruppe schwierig, ihre eigene Ideologie zu durchblicken und zu erkennen, dass es sich in Wirklichkeit um ein eigennütziges Vorurteil handelt und nicht um eine vernünftige, moralisch begründbare Auffassung. Das gilt heute für den Speziesismus genauso wie früher für den Rassismus und Sexismus.“156 Was Peter Singer hier aufzeigen möchte ist die Tatsache, dass die fleischessende Mehrheit der Bevölkerung nicht Fleisch konsumiert, weil damit ihr Überleben gesichert wird, sondern weil es für sie eine Selbstverständlichkeit darstellt, ja sogar schon als Tradition betitelt wird. Dazu meint Günter

154 Murken, Animal Turn, 126. 155 Singer, P. (2014). Ethik und Tiere. Eine Ausweitung der Ethik über unsere eigene Spezies hinaus. In Schmitz Friedericke (Hrsg.). Tierethik. Grundlagentexte (S. 81). Berlin, Suhrkamp. 156 Singer, in: Schmitz, Tierethik, S. 81. - 63 -

Hager, „dass das Ernährungsinteresse die massenhafte Tötung von Tieren, wie sie alltägliche Praxis ist, nicht zu rechtfertigen vermag“157.

Die „Fleischproduktion“ ist wohl der größte Sektor auf dem Gebiet der Tiernutzung und Fleisch zu konsumieren ist für viele Menschen selbstverständlich. Es wird nicht in Frage gestellt. Der wesentliche Unterschied beim Fleischkonsum ist jedoch wohl der, dass es Menschengruppen gibt, die Fleisch essen müssen, weil es sonst kaum andere Alternativen zur Nahrungsbeschaffung gibt und sie somit ihr Überleben sichern. Im Gegensatz zu Menschen in Industriestaaten, wo reichlich unterschiedliche Nahrungsquellen vorhanden sind, sodass sie nicht primär auf den Fleischkonsum angewiesen wären, um ihr Überleben zu sichern.158 Die gravierende Differenz ist hier das Interesse von Menschengruppen und ihre Gewichtung. Während die einen Fleisch essen müssen, um ihr Überleben zu sichern, tun es andere Menschengruppen, weil es für sie Selbstverständlich ist, aber keine Notwendigkeit. Mit dem Fleischkonsum rauben wir den Tieren ihr Leben und alle „Schlachttiere“ hätten eine wesentlich höhere Lebenserwartung, als wir ihnen zugestehen. In der essenziellen Frage, was mehr Wertigkeit hat, das Leben des Menschen oder das Leben des Tieres, ist die Beantwortung wiederum differenziert zu geben. Für Menschen, die Fleisch zum Überleben brauchen, ist das Leben des Menschen deshalb höher gewertet, als das des Tieres, weil es sich um ein Essenzielles Interesse des Menschen handelt. Während der Fleischkonsum als reines Genussmittel keinen höheren Stellenwert darstellt und hier das Leben des Tieres mehr Gewichtung besitzen müsste.

Peter Singers Schwäche in seinem Speziesismus Vorwurf liegt ganz klar auf anthropischer Seite. „Der Tod eines Wesens ohne das Selbstbewusstsein, das für Zukunftspläne nötig ist, kann als weniger tragisch angesehen werden.“159 Sprich, Menschen mit massiver geistiger Beeinträchtigung, komatöse Personen oder auch Neugeborene würden somit aus der Schutzwürdigkeit herausfallen. Sie haben entweder kein oder noch kein Selbstbewusstsein mehr, um sich sie mitteilen oder artikulieren zu können. Während hochentwickelte Schimpansen diese Selbsterkenntnis sehr wohl besitzen und damit einen höheren Stellenwert einnehmen könnten. Singer sagt ganz klar, „Es ist wichtig, zwischen Speziesismus, der sich auf die Spezieszugehörigkeit selbst bezieht, und nicht-speziesistischen Überzeugungen zu

157 Hager, Tier in Ethik und Recht, S. 97. 158 Vgl. Singer, Tierethik, S. 83. 159 Singer, in: Schmitz, Tierethik, S. 82. - 64 - unterscheiden, die man über die ethische Bedeutsamkeit von verschiedenen Eigenschaften oder Fähigkeiten haben kann, die für bestimmte Spezies typisch sind, aber nicht für andere.“160

Das bedeutet, das Selbstbewusstsein des Menschen ist nicht für alle Tiere typisch, auch wenn sie zum Beispiel der Gruppe der Säugetiere angehören. Doch dies als Kriterium für eine Ausgrenzung oder Abwertung zu verwenden ist für Singer speziesistisch. Des Weiteren spielt hier der Personenbegriff Singers eine wesentliche Rolle, denn erst wenn man diesen miteinbezieht, kann der Speziesismusvorwurf rational durchdacht werden. „Um als Person anerkannt zu werden, muss ein Lebewesen – ob Mensch oder Tier – nach Singer bestimmte Kriterien erfüllen, zu denen Selbstbewusstsein, Rationalität, Vernunft, Reflexion und Selbstreflexion gehören […].“161

„Die Vorstellung, dass die Einheit von „Menschsein“ und „Personsein“ aufgehoben wird, ist das radikal Neue am Konzept Singers.“162 Es war nicht nur das Neue, es war auch der Aufreger schlechthin, doch damit konnte der Speziesismusvorwurf fundamentiert werden. Wenn nämlich eine Differenz von Menschen und Person gegeben ist, fallen damit gewisse Menschengruppen aus dem moralischen Status heraus, weil sie nicht mehr oder noch nicht alle Kriterien für das Personenrecht mitbringen. Jedoch würde kein gesunder und rational denkender Mensch auf die Idee kommen, geistig Beeinträchtigte oder Neugeborene ihres Lebens zu berauben, weil sie nicht der Definition „Person“ unterliegen, auch Peter Singer nicht. Von daher leitet sich aber eben auch die Frage ab, warum wir unsere Mitgeschöpfe, die Tiere, insbesondere die Säugetiere ihres Lebens berauben?

„Als wichtigstes Element in der Ethik Singers gilt es jedoch zu beachten, dass nicht jedes Lebewesen, das über Präferenzen verfügt, automatisch zur Person wird; der Personenstatus wird zwar über die Gattungsgrenze des Homo Sapiens hinaus erweitert, umschließt damit jedoch nicht automatisch die Tiere. […] wie sein Postulat „Alle Tiere sind gleich“ zunächst vermuten lassen könnte, sondern errichtet eine neue Hierarchie von Lebewesen.“163 An oberster Stelle stehen die Personen, worunter auch Tiere sein können, weil sie Kriterien des Personenstatus mitbringen, wie zum Beispiel Menschenaffen und Delphine. Danach kommen für Singer Lebewesen des „bewussten Lebens“164, hier würden die geistig Beeinträchtigten Menschen hineinfallen, aber auch Fische könnten hier angesiedelt sein. Als dritte Gruppe gäbe

160 Singer, in: Tierethik, S. 82. 161 Singer, P. (1994). Praktische Ethik, rev. und erw. Auflage. Stuttgart, Reclam2. S. 120. 162 Wustmans, Tierethik, S. 35. 163 Wustmans, Tierethik, S. 36. 164 Singer, Praktische Ethik, S. 136-137. - 65 - es das „unbewusste Leben“165, das wäre zum Beispiel Plankton, lebendig, aber nicht bewusst. Diese Kategorisierung Singers wurde als sehr problematisch betrachtet, weil die Auflösung der Grenzen von Menschsein und Personsein, gewisse menschliche Gruppen ausschließt. Ganz klar muss an dieser Stelle gesagt werden, dass für Singer kein einziges Lebewesen seines Lebens beraubt werden darf. Jedoch mit seiner Definition von „Person-Sein“ kam der Aspekt auf, dass gewisse Menschengruppen, die nicht dem Personenbegriff entsprechen, entbehrlich wären, weil ihnen zum Beispiel die geistigen Fähigkeiten dazu fehlen. Dies jedoch hier zu bearbeiten passt nicht ganz in die Thematik der Arbeit, denn es betrifft eher Fragen der Anthropologie und der Moraltheologie. Wesentliches und im Bereich der Tiertransporte ausschlaggebendes Faktum ist, dass Singer versucht die Schutzwürdigkeit der Tiere allgemein hervorzuheben, sowie die Rechtlosigkeit des Menschen, Tiere ihres Lebens zu berauben, nur weil sie Tiere sind.

Singer wird auch als Utilitarist betitelt und wie schon bei Bentham ersichtlich war, ist das Ziel des klassischen Utilitarismus, der Lustgewinn der größten Menge an Lebewesen. Singer geht es jedoch nicht nur um einen Lustgewinn und Unlustverminderung, bei ihm spielen auch die Interessen der jeweiligen Lebewesen eine Rolle. „Die utilitaristische Position ist eine minimale, eine erste Grundlage, zu der wir gelangen, indem wir den vom Eigeninteresse geleiteten Entscheidungsprozeß universalisieren wollen.166 Nach Jeremy Bentham, sowie John Stuart Mill (1806-1873), ist das Nützlichkeitsprinzip ein wesentliches Moment des Utilitarismus. „In diesem Ansatz zeigt sich eine gewisse Nähe des Utilitarismus zur Empirie, da die moralisch richtigste Handlung im Sinne des Utilitarismus eben die „nützlichste“ ist, also eben die Handlung, die in größtmöglichem Maße Glückserfahrung, Lust („pleasure“) und Interessenbefriedigung ermöglicht.167

„Eine Sonderform des Utilitarismus, die als Grundlage für die Positionierung Peter Singers dient, ist der sog. Präferenzutilitarismus. […] Unter dem Begriff der Präferenz versteht Singer die generellen rationalen und emotionalen Interessen eines Wesens; dieser beschränkt sich nicht auf die aktuellen und kontextuellen Interessen zum Zeitpunkt der Handlung.“168 Auf die Thematik dieser Arbeit bezogen spielen im Präferenzutilitarismus die Interessen der „Nutztiere“ eine Rolle. Dies könnte zum Beispiel bedeuten, dass das Interesse des Schweines

165 Singer, Praktische Ethik, S. 159. 166 Singer, P. (2008). Rassismus und Speziesismus. In Wolf Ursula (Hrsg.). Texte zur Tierethik (S. 27). Stuttgart: Reclam. 167 Wustmans, Tierethik als Ethik des Artenschutzes, S. 33. 168 Wustmans, Tierethik, 34. - 66 - und des Rindes in Abwägung zum menschlichen Interesse des Fleischkonsums eine Rolle spielen müsste. Wie schon oben versucht wurde zu zeigen, es ist different zu betrachten, ob das menschliche Überleben vom Töten eines Tieres abhängig gemacht werden kann oder ob Fleisch als Massenprodukt allein für erweiterte Ernährungszwecke verwendet werden soll.

8.2 Tom Regan

Ein zweiter großer Tierethiker war Tom Regan (1938-2017). Sein Ansatz in der Tierschutzdebatte ist der Rechtsansatz. In seiner Abhandlung „Von Menschenrechten zu Tierrechten“169, geht Regan einen sehr spannenden Weg. Zuerst ausgehend und erklärend, wie Menschenrechte argumentiert werden können, um schlussendlich in den Tierrechten zu münden. Für Tom Regan genügt zum Beispiel nicht die Formulierung, „Menschen haben Rechte, weil sie Menschen sind“170. Hier stellt er die Frage, ob es genügen würde zu sagen, „Steine haben Rechte, weil sie Steine sind?“171. Steine haben nicht automatisch Rechte, weil sie Steine sind, das wäre keine angemessene Argumentation, die einfach so übernommen werden würde. Ebenso verhält es sich mit dem Menschen, meint Regan, hier verkürzt zu antworten, „Menschen haben Rechte, weil sie Menschen sind“, wäre eine Antwort, aber keine Argumentation.172 Diese unbefriedigende Suche nach dem Menschenrecht, stellte Regan vor die Herausforderung eine Argumentation zu finden, die vollkommen erklärt warum der Mensch einen Wert in sich trägt, um Menschenrechte zu beanspruchen. Für Regan reichen die Argumente von Sprache, Personsein, Selbstbewusstsein oder moralische Gemeinschaft nicht aus.173 Er fand für sich den Ausdruck „»Subjekt-eines-Lebens«174. In diesem Begriff sollen alle Eigenschaften, die sonst für Menschenrechte angewendet werden und die Menschheit zu einer großen Familie vereint, einheitlich und vereinfacht dargestellt werden. „Die Familie von Eigenschaften, die er in sich birgt, macht uns alle zu Gleichen in seiner solchen Weise, dass dadurch unsere moralische Gleichheit verständlich ist.“175

169 Regan, T. (2014). Von Menschenrechten zu Tierrechten. In Schmitz, F. (Hrsg.). Tierethik (S. 88f). Berlin, Suhrkamp. 170 Ebd. Regan, 96. 171 Ebd. Regan, 96-97. 172 Vgl. ebd., Regan, 97. 173 Vgl. ebd., Regan, 96. 174 Ebd., Regan, 101. 175 Ebd., Regan, 102. - 67 -

Bezogen auf die Tierrechte hat Regan eine klare Antwort: „», Dass wir alle [Menschen] die gleichen Rechte haben, basiert auf der Tatsache, dass wir alle Subjekte-eines-Lebens sind. Aber andere Tiere, die genau wie wir Menschen Subjekte-eines-Lebens sind – nun, die haben keine Rechte!“«176 Hier fragt Regan nun weiter, „Gibt es unter den Milliarden nicht-menschlichen Tieren solche, die der Welt gewahr sind und die merken, was mit ihnen geschieht? Und wenn ja: Ist das, was mit ihnen geschieht, für sie von Bedeutung, unabhängig davon, ob sich außer ihnen noch jemand dafür interessiert?“177. Dies bedeutet, dass die Tiere, welche Anteil an dieser Welt nehmen, mit vollem Bewusstsein diese Welt erfahren gleichsam auch Träger von Rechten sein müssen, auch sie sind »Subjekte-eines-Lebens«. Kaum jemand wird abstreiten können, dass es ein Unterschied ist, ob wir von einer Kuh sprechen oder von einem Stein. Das eine ist lebendig, dass andere eben nicht.

Nach dieser wichtigen Erkenntnis argumentiert Regan weiter, bei noch so vielen Unterschieden zwischen Menschen und Tier, gibt es eine große Anzahl an Ähnlichkeiten.

Mensch und Tier sprechen die gleiche Sprache, klingt erstmal komisch, kann aber plausibel gemacht werden. Heimtierbesitzer kennen ihre vierbeinigen Gefährten und wissen das Verhalten ihrer Tiere zu deuten. Ein Hund, der den ganzen Tag eingesperrt ist, der bellt und jault, gibt ein klares Zeichen, dass ihm das gerade nicht gefällt. Er wäre lieber frei und möchte beschäftigt werden. Kaum jemand, der davon Notiz nimmt, wird dem widersprechen.178

Menschen und Tiere haben gleiches Verhalten. Wir Menschen wollen ebenso wenig den gesamten Tag über in einem Käfig eingesperrt sein, wie es ein Hund sein möchte. Von einem Stein im Käfig würden wir so nicht sprechen, dieser gibt keine Zeichen und verhält sich nicht gleich wie wir Menschen, aber Tiere verhalten sich gleich wie wir.179

Menschen und Tiere haben gleiche Körper. Wir sehen different aus, aber wir sind uns in wesentlichen Teilen ähnlich bis gleich. Wir haben dieselben Sinne, dieselben Organe und ein zentrales Nervensystem wie viele andere Tiere.180

Ebenso findet Regan die Gemeinsamkeiten von Menschen und Tieren im gleichen System181. Die Schmerzinformation geht beim Menschen ins Gehirn, gleich wie bei den Tieren. Ebenso

176 Ebd., Regan,102. 177 Regan, Menschenrechten zu Tierrechte, 103. 178 Vgl. Regan, 105. 179 Vgl. Regan, 105-106. 180 Vgl. Regan, 106-107. 181 Vgl. Regan, 107. - 68 - wie der gleiche Ursprung, den wir seit Charles Darwin, wissenschaftlich überdenken durften. Darwin ging von den Säugetieren, den sogenannten niederen Tieren, aus, um die Ähnlichkeit, beziehungsweise die Gemeinsamkeiten herauszustellen. „Diese Tiere und wir haben eine gemeinsame Abstammung. Spuren davon finden sich in unseren anatomischen und systemischen Ähnlichkeiten sowie in unseren geistigen Fähigkeiten.182Der Geist dieser Tiere unterscheidet sich von unserem, laut Darwin »nur dem Grade und nicht der Art nach«.183

„Diese Tatsachen sprechen für die Überlegung, Tieren, die Subjekte des Lebens sind, grundlegende moralische Rechte – wie das Recht, mit Respekt behandelt zu werden – zuzusprechen. Tiere sind ähnlich wie debile oder komatöse Menschen moral patients (moralisch zu behandeln), auch wenn sie nicht moral agents (moralisch handelnd) sind.“184 Regan geht einen sehr klaren und strukturierten Weg, um die Rechte für die Tiere plausibel zu machen. Denn so wie ein komatöser Patient nicht mehr moralisch handeln kann, aber dennoch seinen moralischen Status dadurch nicht verliert, müssen eben auch Tiere in diese Überlegungen miteinbezogen werden.

In seinem Buch „The Case for animal rights“ versucht Regan den Weg der moralischen und vor allem der rechtlichen Begründung für die Tierrechte zu bestreiten. Es gibt viele Menschen, die meinen, dass Tieren eben nicht dieselben Rechte zustehen würden, wie den Menschen. Die logische Argumentation hier ist definitiv, dass auch nicht alle Menschen gleich zu bewerten sind, weder in ihrer Intelligenz noch in ihrem moralischen Handlungsfeld, dennoch werden diese Menschen nicht ausgegrenzt. Den Tieren die Rechte abzusprechen, die wir ihnen seit Jahrhunderten schuldig sind, wäre so, als ob wir nun auch in der Menschheitsfamilie selektieren würden. Für Regan ist „die Tierrechtsbewegung ein Teil der Menschenrechtsbewegung und nicht ihr Gegenstück“185

In Bezug auf „Labortiere“, wie auch in der „Nutztierhaltung“ hat Regan ein klares Statement, welches er in seinem Rechtsansatz begründet sieht, „Das Beste, was wir tun können, wenn es um die Verwendung von Tieren […] geht, ist – sie nicht zu verwenden.“186 Angelegt auf die Verwendung des Tieres in der „Fleischproduktion“ ist die Schlussfolgerung nicht primär, dass

182 Regan, Menschenrechte zu Tierrechte, 108. 183 Vgl. Charles, D. (1871). Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. Übers. Victor Carus. Stuttgart: Schweizerbart. 184 Lintner, 82. 185 Regan, T. (1997). Wie man Rechte für Tiere begründet. übers. von Prüß, T. In Krebs, A. (Hrsg.). Naturethik. Grundtexte der gegenwärtigen tier- und ökoethischen Diskussion (S. 44). Frankfurt: Suhrkamp. 186 Ebd. Regan, 45. - 69 - die Qual per se das große Problem ist, respektive „es ist nicht das Grundübel“187 folgert Regan. „Es ist vielmehr Symptom und Effekt eines tieferliegenden, systematischen Unrechts, das es gestattet, diese Tiere als ohne unabhängigen Wert, als Ressourcen, sogar als erneuerbare Ressourcen für uns zu betrachten und zu behandeln.“188

Tom Regan durchschritt in seinem Leben eine persönliche Wandlung, vom Fleisch Konsumierer und Jäger hin zum Veganer, der sich vehement für Tierrechte und deren Begründung einsetzte. Leider verstarb er bereits 2017. Er war ein großer Wegbereiter für die Tierrechte.

8.3 Ursula Wolf

Ist eine deutsche Philosophin (geb. 1951), die sich unter anderem, der Frage nach dem Tier in der Moral gestellt hat. In ihrem Buch die Ethik der Mensch-Tier Beziehung versucht sie an die moralische Pflicht des Menschen zu appellieren, die nicht vor der eigenen Spezies halt machen darf.

Einer ihrer Gedankenwege ist die Skizzierung der verschiedenen Formen von Mensch-Tier Beziehungen. Zum einen differenziert sie, das Tier in der menschlichen Gemeinschaft, zum anderen das freilebende Tier. Das Tier nahe beim Menschen unterteilt sie ebenfalls, in a) Tiergefährten, sowie b) Nutztiere. Die beiden letztgenannten Beziehungen werden hier nun vorgestellt. Die Beziehung zum freilebenden Tier muss aus mangelnder Partizipation zur Thematik ausgespart werden.

Der vielleicht beste Fall für das Tier nahe beim Menschen ist wahrscheinlich das „Heimtier“ oder der Tiergefährte. Das sind im Speziellen Tiere, die der Mensch sich persönlich aussucht, um sie bei sich im Wohnbereich leben zu lassen. Diesem Schritt vorausgegangen ist natürlich die Domestizierung des jeweiligen Tieres, das bedeutet die Unterwerfung, aber auch das Abhängig machen.

Diesem ausgewählten Tier gegenüber gibt es Verpflichtungen, welche verschieden zu betrachten sind. Ursula Wolf differenziert hier zwischen allgemeinen Verpflichtungen, wie die Vermeidung von Leid oder auch die Einschränkung der Freiheit anderen gegenüber, sowie

187 Ebd. Regan, 45. 188 Ebd. Regan, 45-46. - 70 - spezielle Verpflichtungen, welche an ein spezielles Wesen gebunden sind.189 Die Verpflichtung für das eigene „Heimtier“ ist nicht gleichzusetzen mit der möglichen Verpflichtung zu einem fremden Tier gleicher Rasse. Im Moment des Beziehungsgeschehens zwischen Tiergefährte und Mensch entsteht im Regelfall eine besondere Bindung. Daher konstatiert Ursula Wolf in dieser besonderen Beziehung folgende zusammenfassende Merkmale: „erstens die Normen, die verbieten, das Wohl zu verletzten […]; zweitens die Fürsorgepflichten gegen abhängige Wesen […]; drittens die speziellen Verpflichtungen, deren konkreter Inhalt sich aus dem Verhalten ergibt, mit dem wir Erwartungen erzeugt haben […].“190

Erwähnenswert ist folglich, „Tiergefährten sind, wenn nicht Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft im engeren Sinn, so doch eine Art »Ehrenmitglieder« der moralischen Gemeinschaft,191 gegen die wir spezielle Verpflichtungen haben, auch wenn sie selbst keine Pflichten im engeren Sinn haben können.“192 Diese Differenzierung spiegelt sich in Aussagen wie, „Mein Hund ist Teil meiner Familie“ oder gegensätzlich, „Die Katzen gehören nicht in das Haus“, wider. Jeder Mensch hat eine persönliche Herangehensweise, wie er oder sie mit einem Tiergefährten umgehen will, beziehungsweise, wo die Grenzen zwischen Menschen und Tieren angelegt sind.

In Punkto „Nutztiere“, insbesondere für diese Arbeit interessant das „Schlachttier“, sind die Verpflichtungen, Rechte und Pflichten jeweils anders gelagert. Die Versorgungspflicht ist auch in diesem Falle klar gegeben, jedoch die speziellen Verpflichtungen können mitunter variieren, beziehungsweise zur Gänze entfallen. Denn das künftige „Schlachttier“ geht eine Art Vertragsbasis mit seinem Halter ein. Der Grund hierfür ist der Nutzenfaktor des Tieres für den Menschen, zum Beispiel als „Fleischlieferant“. Diese Ansicht vertrat Ursula Wolf noch 2001, jedoch ein paar Jahre später änderte sich die Sichtweise.193

„Tiere können zwar [als Tiergefährten] ein implizites Verhältnis einer konkreten wechselseitigen Beziehung, aber nicht ein Verständnis einer formalen Vertragsbeziehung entwickeln.“194 Soll heißen, das künftige „Schlachttier“ kann zwar unweigerlich den Vertrag mit seinem Halter eingehen, jedoch hat es keine Ahnung davon, dass sein Leben relativ kurz und zum Nutzen des Halters beendet werden wird. Somit könnte fast von einem Missbrauch

189 Vgl. Wolf, U. (2012). Ethik der Mensch-Tier-Beziehungen. Frankfurt: Klostermann49. S. 177. 190 Ebd., S.178. 191 Diese Formulierung verwendet Scruton, R. (2000). Animal Rights and Wrongs. London: Continuum International Publishment3. S. 83. 192 Wolf, S. 177. 193 Vgl. Wolf, S. 179. 194 Ebd. - 71 - gesprochen werden, denn auch ein künftiges „Schlachttier“ tritt in Beziehung zu den Menschen. Sei es in Form von Wohlbehagen auf der Weide oder bei unsachgemäßer Behandlung im Transport.

Ursula Wolf versucht weiter die Moral zu erklären und meint, „Der Grundbereich der Moral besteht nach üblicher Sicht in negativen Pflichten, in den Normen, die verbieten, das Wohl anderer zu verhindern oder zu verringern (durch Zufügung von Schmerzen, Angst, Stress, Freiheitsentzug, Beraubung sozialer Kontakte, und bei moralischen Akteuren auch Missachtung) und zusätzlich in Normen, die Hilfe im akuten Notfall und in der eigenen Umgebung, verlangen.“195 Für Wolf ist ganz klar, dass diese negativen Pflichten von allen und vor allem für alle verbindlich sind, sprich für Menschen und für die Tiere. Die sogenannten „positiven Pflichten“196 können nicht verbindlicher Teil der Moral sein, weil es dafür eine Art Minimalbedingung geben müsste. Dies würde auf den Menschen bezogen bedeuten, dass jedem zum Beispiel ein Mindestmaß an Wohlstand zustehen müsste. Doch diese „Grundausstattung“ an Wohlstand, wäre auch ein Eingriff in die Grundrechte des Menschen, vor allem im Bereich der Selbstbestimmung. Nicht jeder Mensch möchte vielleicht ein Mindestmaß an Wohlstand.

Ursula Wolf sieht noch weitere negative Folgen, wie „die Individuen [würden] überfordert, […] [und] ohne Kenntnis der Interessen das Wohl der anderen nur unter Verletzung von deren Wollen fördern können.“197 Dies bedeutet konkret: die negativen Pflichten der Moral sind einzuhalten vor allem bei Individuen, die Leidens- und Empfindungsfähig sind.

Die speziellen Verpflichtungen, darunter auch die Fürsorgepflicht, besteht allerdings nicht nur für Menschen, die nicht mehr oder noch nicht selbstständig handelnd sind, und daher diese Verpflichtung gegen sie nicht mehr oder noch nicht kognitiv wahrnehmen können, sondern eben auch für die Tiere. Sobald ein Beziehungsgeschehen vorhanden ist, wird ein Vertrag zwischen zwei Individuen geschlossen, ob Mensch oder Tier, ob bewusst oder unbewusst.

Die drei bisherigen Vertreter für die Tierethik beziehen sich jeweils auf unterschiedliche Positionen. Peter Singer vertritt den pathozentrischen Utilitarismus, Tom Regan postulierte

195 Ebd., S.184. 196 Wolf, S.184. 197 Ebd., S.186. - 72 -

Tierrechte und Ursula Wolf geht den Weg der Moral, dort wo ein Beziehungsgeschehen stattfindet, dort gibt es auch Verpflichtungen. Nun beginnt der Bereich der Theologie mit ihren Vertreterinnen und Vertretern.

8.4 Andrew Linzey

Linzey (1952) ist ein anglikanischer Priester und Theologe, sowie „der weltweit erste Inhaber eines Lehrstuhls für Christliche Theologie und Tierschutz (animal welfare), [er] hat den Tieren – weit über seine akademische Arbeit hinaus – einen Gutteil seines Lebens gewidmet: als Tierrechtsaktivist und streitbarer Geistlicher der Kirche von England.“198 Er ist Begründer des „Oxford Center for Animal Ethics“ und war neben Peter Singer und Tom Regan, einer der ersten Wegbereiter der zeitgenössischen Tierethik.

Linzeys Weg ist durch die Ratio geprägt und er vertritt die Meinung, dass die tierethische Diskussion am besten bedient wird durch rationale Argumentationen. Er hat durch die Jahre hindurch einen persönlichen Wandel durchlebt, vom Tierrechtsaktivisten, der auf der Straße demonstrierte bis hin zum rationalen Theologen und Priester „dessen tiefste Überzeugung es ist, dass ein anderer Umgang mit den Tieren kongruent mit dem überlieferten Glauben zu sein hat und – dass christliche Ethik nicht abgeschnitten werden kann von einer theologischen Sichtweise.“199 Heute kritisiert er „zwei Entwicklungen in der Tierrechtsszene […]. Das ist zum einen die Gewaltbereitschaft unter manchen Aktivisten, und zum anderen sind es jene argumentativen Zuspitzungen von Moralphilosophen, die Linzey als „Selbstgerechtigkeit“ und „Moralismus“ bezeichnet.“200 Andrew Linzey ist der festen Überzeugung, dass Theologie und Christentum das Handwerkszeug besitzen, um eine bessere Herangehensweise im Umgang mit dem „Mitgeschöpf Tier“ zu erarbeiten, aber auch, dass es unsere Pflicht ist, würdevoller mit der gesamten Schöpfung umzugehen.

198 Kimmel, W. (2011). Dissertation. „Gott der Tiere“. Theologisch-ethische Grundlagen im Dialog mit Andrew Linzey. Universität, Wien. S.89. 199 Linzey, A. (2000). Animal Gospel. Christian Faith as if Animals Mattered. „Ethics cannot be divorced from theological vision.“. Louisville (KY), Westminster John Knox Press. S. 16. 200 Kimmel, 91. - 73 -

Wolfgang Kimmel hat in seiner Dissertation, die bereits zitiert wurde, einen Thesenkatalog Linzeys aufgestellt, welcher nun nicht in vollem Umfang übernommen wird. Aber zumindest zwei Thesen sollen hier kurz vorgestellt werden.

„These 4: Die Bibel muss kontextuell gelesen, also im Kontext einer tierfreundlichen Schöpfungstheologie interpretiert werden. Das erfordert die Abkehr von einer anthropozentristischen Bibelauslegung hin zu einem Textverständnis unter dem Aspekt des liebenden Schöpfergottes, der einen besonderen Bund mit Menschen und Tieren geschlossen hat.“201

Andrew Linzey betrachtet die Heilige Schrift nicht als außerordentlich tierfreundlich. Die Autoren der Heiligen Schrift, meint Linzey, hatten das Beziehungsgeschehen zwischen Gott und den Menschen im Blick, dennoch finden sich sehr wohl, vor allem im Alten Testament, Belege für den Umgang mit dem Tier, sowie dem Bündnis des Menschen auch zu den Tieren. „ Eines sagt die Bibel […] unmissverständlich: Tiere (wie Menschen) sind Gottes Geschöpfe und nicht bloß zur grenzenlosen Nutzung durch den Menschen da: Gottes Bund nach der Sintflut ist ausdrücklich mit allen Lebewesen geschlossen (Gen 9, 9-11) und in der Sabbatruhe besteht das Ziel der gesamten Schöpfung (Gen 2, 1-3).“202

„These 10: Wenn dem zur Sünde fähigen Menschen von Gott her die Erlösung zugesagt ist, dann gilt diese Zusage auch für die tierlichen Geschöpfe, die nicht zur Sünde fähig sind.“203

Eine sehr heikle Aussage unter den Theologen ist die Frage nach der Eschatologie. Sie ist allerdings wesentlich und im praktischen Leben vielleicht stärker vorhanden, als es angenommen wird. Zum Beispiel, wenn das geliebte Haustier stirbt und Kinder danach fragen, wohin dieses Haustier nun gehen wird. Gibt es für die Tiere eine Erlösung, wie sie vom christlichen Blickwinkel aus für die Menschen vorgesehen ist? Andrew Linzey argumentiert hier auch mittels der Bibelwissenschaft und zieht unter anderen den Johannesprolog heran.

201 Kimmel, 95. 202 Ebd. 98. 203 Ebd. 96. - 74 -

„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“ (Joh 1,14)

Der Inkarnierte, der fleischgewordene Logos, Jesus Christus wurde Mensch. Die Christen glauben an die Fleischwerdung des Logos, an die Menschwerdung Jesu Christi. Doch explizit wird hier vom „Fleisch werden“ gesprochen und eben nicht rein nur Menschwerdung artikuliert. „Mit dieser Begrifflichkeit wird hier die Betonung auf das tierliche Leben aus Fleisch und Blut gelegt.“204 „Die ousia, die (von Christus, Anm.) in der Inkarnation angenommen wurde, ist nicht nur spezifisch menschlich, sie ist auch kreatürlich.“205 Würde sie nur anthropologisch gedacht werden, dann entspricht dies einer Diskriminierung, die noch weitere nach sich ziehen könnte. „Jesus war auch nur Mann und beschnittener Jude […]“206 praktisch könnte hier folgen, dass auch Frauen und unbeschnittene Nicht-Juden aus dem eschatologischen Denken herausgenommen werden müssen. Gott hat explizit „Ja“ zu seiner Schöpfung gesagt und zwar zur gesamten Schöpfung und nicht nur zu dem „menschlichen Teil“.207 Inkarnation, in all seiner Tragweite verstanden bedeutet, dass alles Leben aus Fleisch und Blut miteingeschlossen wird in das universalistische Konzept Gottes.

Andrew Linzey ist wohl einer der bedeutendsten Theologen unserer Tage, wenn es um tierethische Fragen in der Theologie geht. Er hat wesentlich am Verständnis für die Tiere als Mitgeschöpfe beigetragen. Seine rationale Herangehensweise, sein Versuch an die Vernunft des Menschen zu appellieren, ist genau der Schritt in die richtige Richtung. Nicht militanter Tierschutz oder abwertende Diskussionen zwischen unterschiedlichen Ernährungsweisen, werden den Tieren zu ihren Rechten verhelfen, sondern Rationalität. Wer den Grund des Problems versteht wird leichter umdenken können, als der, der nur die Argumente kennt, aber nicht das Problem. Andrew Linzeys Hoffnung ist das Umdenken der Menschheit. Ein tiergerechter Umgang und die Wertschätzung der gesamten Schöpfung. „Ähnlich wie bei der Sklavenhaltung, die jahrhundertelang mit Berufung auf die christliche Tradition legitimiert worden war, mit Berufung auf dieselbe Tradition aber dann abgeschafft

204 Tierrechte im Rahmen der christlichen Theologie. http://archiv.veggie- planet.at/warumvegan/tierrechte/tierrechte_im_rahmen_der_christlichen_theologie.html, Zugriff 15. Juli 2019. 205 Linzey, A. (1994). Animal Theology. „the ousia assumed in the incarnation is not only specifically human, it is also creaturely. “– S. 69. London, SCM Press Ltd. 206 Ebd. Tierrechte im Rahmen der christlichen Theologie. 207 Vgl. Linzey, Animal Theology, „The Yes of God the Creator extends to all living, especially fleshly “, S. 69. - 75 - wurde, hegt Linzey die Hoffnung, dass auch im Fall der Tiere der christliche Glaube und die Kirchen das Potenzial zu einer Befreiung der Tiere besitzen.“208

8.5 Heike Baranzke

Baranzke (1961) ist katholische Theologin, die sich im Bereich der Theologischen Ethik beschäftigt und zurzeit an einem Projekt für Demenz-Kranke, an der Philosophisch- Theologischen Hochschule Vallendar, forscht. Der Begriff der „Würde“ und genauer die Formulierung „Würde der Kreatur“ waren ihre ersten Herausforderungen, worunter auch die Tierethik eine stärkere Rolle spielte. Sie umschließt ihre Gedankengänge mit der Schweizer Bundesverfassung und der dort zu findenden Formulierung „Würde der Kreatur“, wie bereits im Kapitel „Haben Tiere eine Würde“ erwähnt.

Für Heike Baranzke ist diese Formulierung keine zeitgenössische Errungenschaft, sondern die „Würde der Tiere“209 tummelt sich schon seit 200 Jahren in der deutschen Tierrechtsliteratur210. Für Baranzke mündet die Definition von Würde in zwei Traditionen, die im abendländischen Denken wesentlich früher Einzug gehalten hatten. Die Bonitas- und die Dignitas-Traditionen, die nun in aller Kürze präsentiert werden.

Die Bonitas-Traditionen

„Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“ (Gen 1,1), dies ist der Anfang unserer Heiligen Schrift. In den folgenden Versen, bis Gen 2,3 im Alten Testament, wird der Anfang allen Lebens, der Anfang der Schöpfung und der Anfang der Ordnung beschrieben und dargestellt. Gott der Schöpfer sah am sechsten Tag auf sein geschaffenes Werk, „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut.“ (Gen 1,31). Von dieser Stelle aus nahm „die Rede von der »Güte der Schöpfung« oder der geschöpflichen Würde alles Seienden“211 seinen Ursprung. Aus dem griechischen Kontext heraus kam die „Überzeugung von der Güte des

208 Linzey, Animal Gospel, S. 23. „Christian churches have then been the agents of oppression – that is commonplace – but they can also be agents of liberation “. 209 Baranzke, H. (2002). Was ist die »Würde der Tiere«? In Liechti, M. (Hrsg.). Die Würde des Tieres (S. 26). Erlangen: Fischer. 210 Vgl. Ebd., S. 26. 211 Baranzke, S. 27. - 76 -

Seienden im Kosmos, aufgrund deren die Seinsordnung zugleich immer eine Wertordnung ist, eine der Wurzeln der Bonitas-Tradition.“212 Die biblischen Aussagen differenzieren hier nicht in eine rein menschliche und eine nicht-menschliche Welt und stellen etwa die Menschliche über alles andere, sondern die Gesamtkomposition Schöpfung wird von Gott als das Gute betrachtet. „In hellenistischer Zeit amalgierten diese beiden Grundstränge (Güte der Schöpfung und griechisches Denken) und fanden, sich oft gegenseitig interpretierend, Eingang in unser abendländisch-christliches Denken.“213

Die Dignitas-Traditionen

„Die Gottebenbildlichkeit (Gen 1,26-28) ist das biblische Anthropinum schlechthin und unterscheidet die Menschen von den Tieren und von allen anderen Schöpfungen Gottes.“214 In diesen drei Versen kommt auch der Herrschaftsauftrag vor, der über die Jahrhunderte hinweg, die Argumentation für die Vorrangstellung des Menschen vor allen anderen Schöpfungen postulierte. „Die Gottebenbildlichkeit des Menschen hebt seine Kreatürlichkeit, […], nicht auf, weil die Gottebenbildlichkeit nicht einfach nur als eine besondere ontologische Ausstattung, sondern vor allem als ein besonderer normativer Anspruch Gottes an die Menschen verstanden wurde. Das bedeutet, der Mensch wird nicht göttlich verstanden, weil er Attribute des Göttlichen in sich trägt, sondern mit dieser Auszeichnung ist auch eine Verpflichtung verbunden. Mit dieser Dignitas-Qualität hat „der Mensch die Pflicht, sich gottebenbildlich zu verhalten“215. Ebenso ist der Herrschaftsauftrag zu verstehen. Mit dem Geschenk der Schöpfung geht die Verpflichtung einher auch sorgsam damit umzugehen. An dieser Stelle soll noch nicht zu weit vorgegriffen werden in die Bibelwissenschaft, die ohnehin im folgenden Kapitel einen eigenen Platz bekommen wird.

Daher wandern wir weiter zu Baranzkes Gedankengängen. In der griechisch-römischen Tradition finden wir die früheste Entsprechung zu dieser Dignitas-Auszeichnung des Menschen vor den Tieren in Verbindung mit einem daraus resultierenden besonderen moralischen Anspruch des Menschen in der Pflichtenlehre des Cicero.

212 Ebd., Baranzke, S. 27. 213 Ebd. 214 Ebd. 215 Ebd. - 77 -

„Der Sinn des Menschen jedoch nährt sich vom Lernen und Denken, immer sucht und betreibt er etwas und wird von der Freude am Sehen und Hören geleitet. […], wenn wir bedenken, welche Vorrangstellung und welche Würde unserer Natur eignet, dann verstehen wir, wie schimpflich es ist, im Wohlleben zu versinken.“ (Cicero, De off. 1, 105f.)

Cicero macht hier die Differenz von den Menschen zu den Tieren sehr deutlich und stellt den Menschen in die Vorrangposition. Dies ist der wesentliche Unterschied zwischen der biblischen und römischen Dignitas-Tradition. Die „biblische Dignitas-Tradition, die den Menschen trotz Gottebenbildlichkeit ganz und gar mit den Tieren und der übrigen Schöpfung »Kreatur« sein läßt.“216 Daher ist auch die biblische Dignitar-Tradition der Strang, der für eine Tierethik gute Argumente liefern kann.

Als Fazit kann hier gesagt werden, die Würde des Tieres oder besser die Würde der Kreatur mündet im Verständnis über die Schöpfung und dem Schöpfer. „So ist in der Frage nach der Dignitas der Mensch auf sich zurückgeworfen, und die Frage nach der Würde der Tiere oder dem Wert allen Bonitas-Lebens entscheidet sich an der anthropologischen Dignitas-Frage, was der Mensch sein soll.217

8.6 Rainer Hagencord

Rainer Hagencord (geb. 1961) ist Theologe, Biologe und Priester. Sein Fachgebiet ist nicht primär die Ethik, sondern eher die Verhaltensforschung. Gemeinsam mit dem Schweizer Kapuzinerpater und Theologen Anton Rotzetter gründete er 2009 das Institut für Theologische Zoologie in Münster. Es ist die erste deutschsprachige Bildungsstätte, die einen Brückenschlag von Naturwissenschaft und Theologie versucht. „Die Theologische Zoologie vertieft und reflektiert die Grundlagen der Mensch-Tier-Interaktion, die in den pädagogischen und therapeutischen Arbeitsfeldern der Tiergestützten Intervention fruchtbar gemacht werden.“218

„In seiner Summa contra gentiles schreibt Thomas von Aquin: „Ein Irrtum über die Geschöpfe mündet in ein falsches Wissen über Gott und führt den Geist des Menschen von Gott fort.“ (II, c3). Wenn der Kirchenlehrer recht hat, ist eine exakte Beschäftigung mit den Mitgeschöpfen

216 Baranzke, S. 29. 217 Ebd. S. 44. 218 Schwerpunkte, Geschichte und Situation des ITZ. Das Institut für Theologische Zoologie, https://www.theologische-zoologie.de, Zugriff 02. Juni 2019. - 78 - des Menschen kein luxuriöses Unterfangen; die Ausblendung der Tiere aus der Theologie und die damit verbundene Attestierung ihrer Irrelevanz führt vielmehr in ein falsches Gottesbild und verfälscht den Schöpfungsbericht.“219 So beginnt die Einleitung des Buches „Gott und die Tiere. Ein Perspektivenwechsel“ von Rainer Hagencord. Nachdem sich dieses Zitat auch auf der Homepage des Zoologischen Institutes wiederfindet, scheint es eine gewisse Relevanz für Denken und Sein von Rainer Hagencord zu besitzen. Wenn die Tiere also aus der Theologie herausgenommen werden, dann kann der Mensch den wahrhaftigen Gott eigentlich nicht finden. Für den Theologen ist es wichtig, dass Tiere als Mitgeschöpfe und nicht als seelenlose Automaten oder als besserer Mensch betrachtet werden.220 „Seine Überzeugung: Wenn wir unser Christsein wirklich ernst nehmen, können wir gar nicht anders, als den Tieren, der Natur insgesamt ihre Würde zurückzugeben – mit allen Konsequenzen, die das für uns hätte.“221

In seinem Buch „Gott und die Tiere“ versucht Hagencord wesentlich die naturwissenschaftliche Komponente ins Spiel zu bringen, um die Leidens- und Empfindungsfähigkeit der Tiere besser fundamentieren zu können. Vor allem aber, die breit gestreuten Fähigkeiten der Tiere, die den Menschlichen im Kognitiven oder im Emotionalen Bereich gar nicht so unähnlich sind.

Die sogenannte kognitive Wende222 hatte bereits „in den 60er Jahren in der Human- Psychologie begonnen“223 und wurde ab der 1970er Jahre auch auf Tiere angewandt. Es ging nun darum, „dass Tiere denken […] [und] Auch Tiere verfügen über Einsicht in das, was sie tun “224. Dies bedeutet, auf dem naturwissenschaftlichen Terrain ist die Erkenntnis bereits vorhanden, dass Tiere nicht nur triebgesteuerte Wesen sind und davon angetrieben werden sondern, dass sie sehr wohl ein Eigenleben besitzen, lernfähig sind und so manche Tierarten auch reflexiv sein können. „Die Biologie hat sich nach langer Zeit von einer Sicht auf die Tiere verabschiedet, wonach sie lediglich Reiz-Reaktionsautomaten sind, deren Innenleben irrelevant ist.“225 Das Tier und die Vernunft sind heute keine Widersprüchlichkeit mehr, sondern ein Faktum. Wobei die Vernunftfähigkeit natürlich in vielen Abstufungen bei den Tieren vorzufinden ist, bei

219 Hagencord, R. (2008). Gott und die Tiere. Ein Perspektivenwechsel. Kevelaer: Verlagsgemeinschaft Topos Plus. S. 8. 220 Vgl. Regeniter H. Theologe, Tierfreund, Tierrechtler. Rainer Hagencord, https://mk-online.de, Zugriff 9. Juni 2019. 221 Ebd. 222 Hagencord, Gott und die Tiere, 59. 223 Hagencord, Gott und die Tiere, 59. 224 Ebd. 59-60. 225 Hagencord, R., Kretzschmar, H. (Hrsg.). (2017). Jahrbuch Theologische Zoologie. Das Tier in Religion, Kultur und Ethik. Neue Wahrnehmung des Tieres in Theologie und Spiritualität. Münster: LIT2. S. 11. - 79 -

Säugetieren vielleicht wesentlich stärker ausgeprägt, als bei Insekten. Was den inhärenten Wert des einzelnen Tieres jedoch nicht schmälern oder kategorisieren sollte.

„Die theologische Würdigung der Tiere braucht zwei Säulen: Die eine Säule ist die naturwissenschaftliche, das heißt es geht darum, verhaltensbiologische, evolutionsbiologisch- ökologische Erkenntnisse zu sammeln […], um deutlich zu machen, welche Bedeutung [Tiere] für uns haben. Die zweite Säule ist die theologische – und hier gilt es zunächst […] biblische Sichtweisen zu sammeln und neu zu entdecken226. Für Hagencord ist diese wissenschaftliche Allianz von Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft ein Schlüssel zum Erfolg. Wodurch die Erkenntnis und das Wissen über Menschen und Tiere in die gesellschaftliche Anerkennung geführt werden können. Auch wenn er kein Illusionist ist, der darauf hofft, dass Tierfabriken zeitnah Geschichte sein werden. Dennoch hält er es für wichtig, darauf hin zu arbeiten, um in ferner Zukunft, den Tieren ihren naturgegebenen Stellenwert zurück geben zu können: „Dass uns kein Graben von den anderen Geschöpfen trennt, wir mit allen verwandt sind und nicht vom Himmel gefallen, dass wussten (auch) die Autoren der Bibel.“227 Es gilt nun, diese eigentlich alte Erkenntnis wiederzubeleben. Hagencord begrüßt die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus und hält sie für ein notwendiges Unterfangen, nachdem jahrhundertelang theologisch oder auch innerkirchlich über die Tiere geschwiegen wurde. Es „[…] beginnt sich nun bemerkenswerterweise an höchster Stelle ein Umdenken abzuzeichnen: In der Geschichte kirchlicher Verlautbarungen ist es wahrscheinlich das erste Mal, dass sich darin auch Pilze, Algen, Würmer […] tummeln.“228 Dies kann als ein Lichtblick gewertet werden, dass die Tiere nun auch auf dem Weg zur kirchlichen, sowie theologischen Anerkennung sind.

„Tatsächlich mutet es angesichts der Tatsache, dass sich das Leben auf diesem Planeten ca. drei Milliarden Jahre ohne den Menschen entwickelt hat und es keinen Platz auf der Erde gibt, an dem die Tiere nicht vor uns da waren, nicht nur grotesk an, daran zu glauben, es sei ausschließlich der Mensch, an dem Gott Gefallen gefunden habe; einen Schöpfergott anzunehmen, für den alle Mitgeschöpfe des Homo sapiens lediglich für Statistenrollen vorgesehen waren und das Gesamt des Ökosystems Erde die relativ bedeutungslose Kulisse für den Auftritt des „eigentlichen“ göttlichen Partners, gerät in einen berechtigten Häresieverdacht.“229

226 Wir dürfen uns an der Schöpfung bedienen – Theologe Dr. Rainer Hagencord im Gespräch über die theologische Würdigung der Tiere, https://christen-fuer-tiere.de, Zugriff 9. Juni 2019. 227 Hagencord, Kretzschmar, H., S.9. 228 Ebd. 229 Hagencord, Kretschmar, S.12. - 80 -

Dieser Gedankengang führt nun in die Richtung der Bibelwissenschaft. An den Ort, wo sich auf Tausendfünfhundert Seiten der Einheitsübersetzung, jede Menge Tiere tummeln, die Heilige Schrift, das Fundament des christlichen Glaubens. Sei es in tierischen Geschichten (Vgl. Gen 7,13-16; Buch Jona), sei es in tierischen Gottesmetaphern (Vgl. Ex 32, 1-6, das Gottesbild in Form des goldenen Kalbes; Dtn 32,11, Gott als Adler) , sei es im Bild Jagd- und Futtertiere zusammen wohnen zu lassen (Jes, 11,6, da wohnt der Wolf beim Lamm). Othmar Keel hat dieses Bild, der vielen Tiere in der Heiligen Schrift, bereits verwendet, um die Brisanz zu untermauern, dass es eigentlich ein Irrsinn sei, Tiere aus der Theologie herauszunehmen, wenn sie biblisch fundamentiert sind.

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9. Die Theologie und das liebe Vieh

Dieses Kapitel steht nun ganz im Zeichen der christlichen Theologie und versucht die Spuren der Mitgeschöpflichkeit des Tieres mit dem Menschen offenzulegen. Andrew Linzey vertritt die Meinung, dass der christliche Glaube das Potenzial in sich trägt, um dem intrinsischen Wert des Tieres gerecht zu werden und die Basis für einen tiergerechten Umgang zu schaffen. Wahrhaftiges und vollkommenes Gott Suchen und Finden beginnt beim Frieden zwischen Menschen und Tier.

9.1 Das Tier in der Bibel

Die Heilige Schrift ist gut 3000 Jahre alt und will weder als Historienbuch noch als Geschichten-Buch verstanden werden. Wir betrachten die Schrift als ein Werk, indem das Gotteswort im Menschenwort gesucht werden soll. Aufgrund der Vernunftfähigkeit des Menschen, „durch die er von Gott befähigt wird, seinen Ratschluss zu erkennen und ihm entsprechend zu handeln.“230

Im Folgenden werden ausgewählte Verse der Heiligen Schrift behandelt, die sich mit Menschen und Tieren beschäftigen. Allen voran der erste Schöpfungsbericht in der Genesis231, der über die Jahrhunderte hinweg immer wieder Anlass für eine anthropozentrische Denkweise war.

Der erste bezeichnende Hinweis für eine Symbiose von Tier und Mensch ist wohl die Tatsache, dass die Landtiere, Vieh und Kriechtiere, am selben Tag von Gott geschaffen wurde, wie der Mensch. Nachdem Gottes Werk vollendet war, „sah [er] alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag.“ (Gen 1,31)

Doch beginnen wir ein paar Verse weiter vorne:

230 Lintner (2017), S. 37. 231 Die folgenden zitierten Bibelverse stammen aus der Einheitsübersetzung. - 82 -

„Gott machte alle Arten von Vieh und alle Arten von Kriechtieren auf dem Erdboden. Gott sah, dass es gut war.“ (Gen 1,25)

„Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land.“ (Gen 1,26)

„Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ (Gen 1,27)

Dieses „Abbild Gottes“ sein, ist der wesentliche Moment, der die Vorrangstellung des Menschen in der Rezeption legitimierte. Die traditionelle Bibelexegese fußte in der Vorstellung hier explizite Merkmale erkennen zu können, dass der Mensch „Die Krone der Schöpfung“ sei. Die Gottebenbildlichkeit war derart aussagekräftig, dass die Erschaffung am selben Tag keine Rolle mehr spielte. „Eine über die Tradition der Jahrhunderte herausgebildete (christlich europäische) Anthropozentrik begreift hiervon ausgehend den Menschen zunächst als „Spitzengeschöpf“, das mit dem Gestaltungs- und Herrschaftsauftrag ausgestattet ist.“232 Michael Rosenberger stellt hier die Frage, „Wenn der Mensch als Abbild geschaffen wird, dann fragt sich unmittelbar: Für wen denn?“233 Und die Antwort kommt ganz unverblümt, „Es sind die übrigen Geschöpfe, die dieses Bild Gottes brauchen.“234 Dabei stellt sich natürlich auch die Frage, ob die übrige Schöpfung wirklich ein Abbild Gottes braucht, im Sinne von -ohne das geht es nicht-, doch diese Frage ist wohl eher sehr anthropozentrisch gedacht. Denn die Natur oder die übrige Schöpfung braucht den Menschen sicher nicht für sein Überleben. Rosenberger orientiert sich daher auch anderweitig und argumentiert mit den Möglichkeiten, die sich aus der Analyse altorientalischer Texte ergab.235

- Als Abbild Gottes bezeichnete man die in Stein oder Holz gehauenen Götterstatuen. Sie waren in den damaligen Religionen das, was in der christlichen Kirche die Sakramente

232 Irrgang, B. (1998). Am Ende der Anthropozentrik? Wie lassen sich unsere Verpflichtungen gegenüber der Natur begründen. In Fuchs, G./Knörzer, G. (Hrsg.). Tier, Gott, Mensch. Beschädigte Beziehungen (S. 13-32). Frankfurt: Lang GmbH. 233 Rosenberger, M. (2009). Mensch und Tier in einem Boot – Eckpunkte einer modernen theologischen Tierethik. 3.2 Die Sonderstellung des Menschen: Haushalter. In Otterstedt, C./ Rosenberger, M. Gefährten ˑ Konkurrenten ˑ Verwandte. Die Mensch-Tier-Beziehung im wissenschaftlichen Diskurs (S. 368-387). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 234 Ebd. 235 Vgl. Ebd. S. 372. - 83 -

sind: Zeichen, die Heil vermitteln […]. Wenn also nach Gen 1 der Mensch Abbild Gottes für die Geschöpfe ist, dann soll er ihnen Heil vermitteln. - Als Abbild Gottes galten in Israels Nachbarländern auch die Könige. […] Wie ein Hirte sollten sie für die ihnen anvertrauten Menschen und Tiere da sein. Wenn also nach Gen 1 der Mensch Abbild Gottes für die Geschöpfe ist, dann soll er ihnen ein guter König, ein fürsorglicher Hirte sein.236

Der Mensch kann also als Heils-Vermittler, aber auch als fürsorgender Hirte betrachtet werden. Ähnlich wie bereits Heike Baranzke festgestellt hat. Das „Abbild“ sein ist nicht nur Privileg des Menschen, sondern bringt auch eine Verpflichtung mit sich. Die göttlichen Attribute wie Güte und Barmherzigkeit gehören also ebenfalls zum Menschen, wie die Sprach- und Vernunftfähigkeit, welche jedoch graduell abweichend ebenfalls in der nichtmenschlichen Schöpfung zu finden ist.

„Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“ (Gen 1,28)

Das ist der berühmte Schöpfungsauftrag, welcher ebenfalls jahrhundertelang anthropozentrisch ausgelegt wurde. Rosenberger sieht hier einen Übersetzungsfehler und meint „Viele Bibelübersetzungen geben das hebräische Original leider falsch wieder.“237 Im hebräischen Urtext steht; „Unterwerft die Erde!“ und eben nicht „Unterwerft EUCH die Erde!“; was natürlich für die Auslegung eine Verschiebung mit sich bringen kann. „Wörtlich bedeutet das seinen Fuß auf etwas setzen – hier auf die Erde.“238 Der :[ככש] »hebräische Wort »kabasch Schöpfer machte uns die Erde zum Geschenk, wir dürfen sie verwalten und wir dürfen sie formen. Jedoch nach dem Ende unserer irdischen Zeit, können wir kein Stück davon in die Ewigkeit mitnehmen. Das Geschenk der Erde bleibt für die nächsten Generationen, ähnlich einem Lehensnehmer. Im alten Orient gab es eine Symbolik für die Landnahme, „unter Zeugen

236 Rosenberger, Mensch und Tier, S. 372-373. 237 Ebd., S.373. 238 Ebd., S.373. - 84 - wird ein Fuß auf das neue Land gesetzt“239 Dieses In-Besitz-nehmen der Schöpfung bringt Verantwortung mit sich, ähnlich wie beim Abbild Gottes. Nachdem die Schöpfung ein Geschenk mit menschlichem Ablaufdatum ist, hat der Mensch nicht nur die Verantwortung, die Schöpfung für die nachfolgenden Generationen zu bewahren, sondern eben auch sorgsam und achtsam mit dem gesamten Schöpfungswerk umzugehen.

„Es gilt also zu erkennen, daß Tiere und Menschen in Union zu betrachten sind, insofern sie mit Lebensatem beseelt und insofern sie gesegnet sind, womit sie von den übrigen Schöpfungswerken unterschieden sind, zugleich aber innerhalb dieser Union eine Verschiedenheit vorliegt, der gemäß der Mensch, inwiefern er Abbild Gottes ist, eine Sonderstellung erhält.“240 Das bedeutet, der Mensch hat zwar ein gewisses Privileg seines Seins, jedoch nicht um andere Geschöpfe zu unterwerfen, sondern in Gemeinschaft mit ihnen auf dem Planeten Erde zu leben und zu wirken.

„Dann sprach Gott: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.“ (Gen 1,29)

„Die Ernährungsweise im Paradies ist ganz offensichtlich eine vegetarische, noch präziser eine vegane.“,241 Dass dieser Zustand nicht allzu lange andauerte, weil alsbald die Sintflut (Gen 7,17) über die Welt hereinbrach, wissen wir ebenfalls aus der Heiligen Schrift. Genauso wie wir wissen, dass die Geschichte der Menschheit kaum eine Zeit ohne Krieg ausgehalten hat. Der Mensch ist fehlerhaft, der Mensch ist nicht zur Vollkommenheit fähig. Das musste auch Gott erkennen und so kam nach der Sintflut, der Neubeginn und die Versöhnung mit den Geschöpfen Gottes. Ab dann war es dem Menschen erlaubt auch Fleisch zu essen, „Alles Lebendige, das sich regt, soll euch zur Nahrung dienen“ (Gen 9,3), denn Gott wusste es nun wohl besser, die Vollkommenheit kann vom Menschen nicht erreicht werden. Daher wurde der paradiesische Urzustand in die Ewigkeit verlagert, erst dann wird es Gerechtigkeit geben und das Paradies wiederhergestellt sein.

239 Ebd., Rosenberger, Mensch und Tier, S.373. 240 Senz, W. (2004). Der inhärente moralische Wert nichtmenschlicher Lebewesen. Grundlagen einer Tierethik und Ökologischen Ethik. Frankfurt, Lang GmbH. S.106. 241 Remele, Würde, S.63. - 85 -

Diese biblisch fundamentierte „Entscheidung Gottes“ wird nun wesentlich auf dem Rücken der Tiere ausgetragen. Dabei wird vollends darauf vergessen, dass der Ablauf der Ewigkeit primär davon abhängig ist, wie das irdische Leben gestaltet wurde.

„Es geht darum, schon jetzt so zu leben und solche Lebensbedingungen für Tiere zu schaffen, die den eschatologischen Idealen eines messianischen Schöpfungs- und Tierfriedens zumindest ein Stück weit zu entsprechen.“242

„Dann sprach Gott zu Noah und seinen Söhnen, die bei ihm waren: Hiermit schließe ich meinen Bund mit euch und mit euren Nachkommen und mit allen Lebewesen bei euch, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Tieren des Feldes, mit allen Tieren der Erde, die mit euch aus der Arche gekommen sind. Ich habe meinen Bund mit euch geschlossen: Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben.“ (Gen 9, 8-11)

Gott schließt nach der Flut den Bund mit der Menschheit und allem Lebendigen auf der Erde, und er verspricht nie wieder Verdammnis über sie zu bringen. Explizit werden hier auch die Tiere aufgezählt und mit in den Bundesschluss aufgenommen. Daraus kann ohne weiteres geschlossen werden, dass die Heilszusage Gottes auch für die Tiere Gültigkeit besitzt. Gott schließt alles Lebendige mit ein, die Menschheit und die Nichtmenschlichen Lebewesen. „Die Tiere von der Heilsgeschichte auszuschließen und sie damit gleichsam aus dem Heilsplan Gottes herausfallen zu lassen, widerspricht der biblischen Sicht von Schöpfung und dem biblischen Blick auf die Tiere.“243

„Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, dass Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange.“ (Jes 11,6-8)

242 Remele, Würde, S.65. 243 Lintner, Mensch, S.51. - 86 -

Eine bekannte Perikope aus dem Jesajabuch, die den Tierfrieden voraussagt. Dass dies in der Realität so nicht ganz geschehen wird, ist aus biologischer Sicht klar. Ein Löwe kann sich nicht nur von Stroh ernähren und ein freilebender Panther wird spätestens, wenn er Hunger hat das Böcklein essen. Die Natur ist derart eingerichtet, es gibt Fleischfresser und Pflanzenfresser. Die Großen fressen die Kleinen und die Schwachen sind die ersten Opfer. Doch die Natur ist auch so eingerichtet, dass sie ohne menschliches Zutun im Gleichgewicht bleiben könnte und das „Fressen und gefressen werden“ eine Sinnhaftigkeit ergibt. Es geht in dieser Perikope aber nicht um Realismus, sondern um die dahinterstehende Symbolik.

„Eine Möglichkeit ist, dass mit der aufgezeigten Überwindung als selbstverständlich erlebter Naturgegebenheiten. Wölfe reißen Lämmer, Kinder sind durch Giftschlangen gefährdet – die Radikalität der Überwindung von Gewalt im Reich Gottes.“244 Einzig Gottes Allmacht kann es vollbringen, die in der Welt immanente Gewalt zu beenden, natürlich eschatologisch betrachtet. Jesaja spricht hier von einer Utopie im irdischen Leben. Doch jenseitig bei Gott, in seinem Hause, wird um vieles mehr möglich sein. Was natürlich nicht bedeuten kann, dass der paradiesische Urzustand einzig und allein von Gott geschaffen wird und der Mensch dafür keine Verantwortung trägt.

Ein weiterer Aspekt dieser Perikope könnte auch eine Anfrage an die Menschheit sein. Anthropozentrisch gedacht - das nicht vernunftbegabte Tier wird durch Gottes Gnade einen Tierfrieden im Jenseits erleben. Doch bereits im Diesseits besteht eine friedvolle Ordnung in der nichtmenschlichen Natur. Nicht das Suchen nach Macht oder die Maßlosigkeit spielen eine Rolle, sondern einzig die natürlichen Abläufe. Im Gegensatz dazu müsste der Mensch, der sich als Krone der Schöpfung tituliert und mit Vernunft, sowie der Gottebenbildlichkeit ausgestattet ist, einen diesseitigen Friedenszustand herstellen und erhalten können. Das wiederum realistisch gedacht muss wohl oder übel verneint werden. Denn das einzige Säugetier, welches sich selbst ausrotten würde, ist eben nur der Mensch. Die Natur der nichtmenschlichen Lebewesen hätte somit eigentlich die Vorreiterrolle inne, denn kein Tier würde den Versuch starten seine Art selbst auszulöschen.

244 Bartelmus, R. (1993). Die Tierwelt in der Bibel II. Tiersymbolik im Alten Testament am exemplarisch dargestellten Beispiel von Dan 7, Ez 1/10 und Jes 11,6-8. In Jankowski, B. (Hrsg.). Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel (S.304). Neukirchen: Vluyn. - 87 -

Für die Tierethik und die Frage nach der Eschatologie der Tiere ist Jesaja jedenfalls relevant, denn hier wird exakt darüber gesprochen. Tiere werden in der Ewigkeit bei Gott leben und dort paradiesische Zustände vorfinden können.

So manche Autoren für Tierrechte und Tierethik erkennen in der Bibel eigentlich nur eine aussagekräftige Stelle für die Rechte der Tiere – Spr 12,10:

„Der Gerecht weiß, was sein Vieh braucht, doch das Herz der Frevler ist hart.“

Der Gerechte, der an Gott wahrhaftig und mit reinem Herzen glaubt, der wird sein Vieh gut behandeln denn er weiß, dass alles andere nicht gottgefällig ist. Dabei muss erwähnt werden, dass das Buch der Sprichwörter zu einer Zeit abgefasst (500-200 vor Christus) wurde, wo der Mensch noch eine wesentlich essenziellere Beziehung zu den Tieren hatte als heute. „Für domestizierte Haus- bzw. Nutztiere muss festgehalten werden, dass sie nicht nur häufig deutlich enger mit dem Menschen zusammenlebten, sondern auch viel existenzieller für dessen physisches Überleben von Bedeutung waren; […].“245

Aus diesen wenigen Auszügen kann der Schluss gezogen werden, dass die Beziehung zwischen Menschen und Tieren in der biblischen Redaktion nie die große Frage war. Der Mensch in der damaligen Zeit war sich sehr wohl über die Konsequenzen bewusst, falls sein Tier verstirbt oder es zu schwach für notwendigen Arbeiten ist. Daher war ein adäquater Umgang mit seinem Vieh die Bedingung für ein wirtschaftlich leichteres Leben. Anders als es heute der Fall ist. Zum einen haben die wenigsten Landwirte noch wirklich eine Beziehung zu ihren Tieren, zum anderen wird beim Tiertransport immer ein Verlust an Tieren miteingerechnet – so wenig ist heute noch ein Tierleben wert.

Dazu passend die Kritik von Eugen Drewermann, der sich, wie Schoppenhauer, an der Anthropozentrik der Bibel stößt „Die Bibel enthält außer einer kümmerlichen Stelle, [Spr 12,10], und dem Gebot, dem dreschenden Ochsen nicht das Maul zu verbinden [Dtn 25,4], nicht

245 Ebach, J. (1989). Schöpfung in der hebräischen Bibel. In Altner, G. (Hrsg.). Ökologische Theologie. Perspektiven zur Orientierung (S.98-129). Stuttgart: Kreuz Verlag. - 88 - einen einzigen Satz, wo von einem Recht der Tiere auf Schutz vor Rohheit und Gier des Menschen oder gar auf Mitleid und Schonung in Not die Rede wäre.“246

Ganz so prekär ist die biblische Situation nicht einzuschätzen, wie schon im ersten Schöpfungsbericht dargelegt, das prekäre ist eher die anthropozentrische Bibelexegese. Zum einen die Übersetzungsfehler, die den einen oder anderen Vers vielleicht in einen differenzierten Kontext stellen, als er eigentlich wäre, am Beispiel von Gen 1,28 erkennbar. Zum anderen, die einseitige Sicht von Kirchenlehrern, die im Anthropozentrismus die einzige Möglichkeit sahen, das Gotteswort zu erklären. Einen großen Einfluss hatte ebenso die griechische Philosophie, wie bereits dargelegt wurde.

Wie eingangs schon erwähnt, die „Geschichte“ der Heiligen Schrift ist die Erzählung vom Beziehungsgeschehen des Menschen mit Gott. Das Hauptaugenmerk liegt darin den göttlichen Willen erkennbar zu machen und eine Sammlung an Texten zu erstellen, die den nachfolgenden Generationen die Allmacht und Liebe Gottes zu den Menschen, respektive zur gesamten Schöpfung erkenntlich macht. Gott hat diese Welt als ein Gegenüber für sich geschaffen, um in einen Dialog mit seiner Schöpfung treten zu können. Am Ende seines Schaffens, sah er auf sein Werk und „es war sehr gut“ (Gen 1,31b). Von diesen Aspekten her betrachtet, ist die Heilige Schrift nicht erster Ansprechpartner für eine Tierethik. Die Menschen zur biblischen Abfassungszeit (ca. 1000 vor Christus bis ungefähr 135 nach Christus) lebten wesentlich direkter und einvernehmlicher mit der Natur, als es in den nachfolgenden Jahrhunderten der Fall war.

9.2 Was sagt das Lehramt und die Kirchenleitung?

Das Lehramt der katholischen Kirchen und die Kirchenleitung der protestantischen Kirchen sind leider keine große Fundgrube an Wertschätzung für die nichtmenschliche Schöpfung, auch wenn sich dies mit Papst Franziskus ein wenig verändert hat. Doch zu Papst Franziskus

246 Drewermann, E. (2007). Die Rechtlosigkeit der Kreatur im christlichen Abendland oder: von einer wichtigen Ausnahme. In Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft Tierethik Heidelberg. Tierrechte. Eine interdisziplinäre Herausforderung (S.277). Bd. 13. Erlangen: Harald Fischer Verlag. - 89 - genaueres im nächsten Kapitel. Nun gehen wir der Frage nach, was das Lehramt und die Kirchenleitung über die restliche Schöpfung formuliert hat. Dies soll eine kritische Nachschau werden, wo pathozentrisch oder doch eher anthropozentrisch Aussagen getroffen wurden. Der Blick richtet sich nun nicht direkt auf Aussagen, betreffend Massentierhaltung oder Tiertransport, sondern eher allgemein „dem Schutz des Tieres“ gegenüber.

Papst Johannes Paul II.

„Es muss hervorgehoben werden, dass neue Techniken, wie die Züchtung von Zellen und Geweben, eine beachtliche Entwicklung angenommen haben, die einen sehr bedeutsamen Fortschritt in den biologischen Wissenschaften erlaubt. Und diese Techniken ergänzen auch das Tierexperiment. Natürlich stehen Tiere im Dienst des Menschen und können daher Gegenstand von Experimenten sein. Dennoch müssen sie als Geschöpfe Gottes behandelt werden, die dazu bestimmt sind, dem Wohl des Menschen zu dienen, aber nicht von ihm misshandelt zu werden. Darum entspricht die Verringerung der Tierversuche, die nach und nach immer entbehrlicher wurden, dem Plan und Wohl der ganzen Schöpfung.“247

(In: Der apostolische Stuhl, 1982, 1392-1396)

Eine sehr ambivalente Passage. Dass Johannes Paul als ein sehr konservativer Papst in die Geschichte einging, was lebenspraktische Fragen wie Verhütung und Stellung der Frau anbelangte, ist ein Faktum. Jedoch das Leben als Ganzes war wohl ein Herzensanliegen von ihm und er machte sich stark für die Würde des Lebens.

In dem vorgestellten Schreiben würdigt er die Forschung und dass diese ein notwendiges Unterfangen sei, um dem Menschen medizinisch besser helfen zu können. Dennoch finden sich hier sehr tierpessimistische Aussagen, wie -Das Tier habe dem Menschen zu dienen-. Auch wenn er sie als Geschöpfe Gottes tituliert macht es den Umstand nicht besser, dass die Verzwecklichung des Tieres zum Nutzen des Menschen, als selbstverständlich angesehen wird. Und Tierexperimente ohne Misshandlung wären wohl ein Novum, selbst heute, über dreißig Jahre später noch. Zu guter Letzt kommt dann aber der Hinweis, dass die Versuche an Tieren doch teilweise obsolet geworden seien und dies entspreche auch dem Wohl der ganzen

247 Gottwald, F.T. (2004). Geschöpfe wie wir. Zur Verantwortung des Menschen für die Nutztiere – Kirchliche Positionen. (S.29). Allianz für die Tiere in der Landwirtschaft (Hrsg.). München: Oekom. - 90 -

Schöpfung. Das weist darauf hin, dass Tierversuche nicht dem Plan der Schöpfung entsprechen und somit sollte sich der wissenschaftliche Fortschritt auch darauf ausweiten, andere Wege wie die Verzwecklichung und Ermordung von Tieren zu finden.

Den Schritt zur gänzlichen Beendigung von Tierversuchen hat der Mensch dennoch bis heute nicht geschafft, auch wenn zumindest in der Europäischen Union Gesetze248 erlassen wurden, um die Tierversuche zu beenden. Im medizinischen Bereich wird trotzdem weiterhin legal an Tieren geforscht249, obwohl längst klar ist, dass diese Versuche nicht eins zu eins auf den Menschen angewendet werden können und umstritten ist, dass sie dem Menschen wirklich dienen.

Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und Deutsche Bischofskonferenz

„Ehrfurcht vor dem Leben bezieht sich nicht nur auf menschliches, tierisches und pflanzliches Leben, sondern im weiteren Sinn auf die »unbelebte« Natur mit ihren Lebenselementen (Wasser, Boden, Luft) und ihren funktionalen Kreisläufen als Lebensraum. Sie sind nicht als tote Gebrauchsgegenstände zu verstehen, sondern als Teil der Lebensbedingungen des Menschen und seiner Mitkreatur. Wir Menschen müssen uns, um mit Sokrates zu sprechen, auf die Kunst des Hirten verstehen, dem am Wohl der Schafe gelegen ist, dürfen sie also nicht bloß unter dem Blickwinkel des Metzgers betrachten.“250

(Aus: »Verantwortung wahrnehme für die Schöpfung«, gemeinsame Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz, 2. Aufl. 1985)

Eigentlich eine eindeutige Sprache, ausgelegt auf die gesamte Schöpfung. Der Mensch soll die restliche Schöpfung nicht wie einen toten Gebrauchsgegenstand verwenden und der Blick des Metzgers ist nicht das primäre Verständnis, sondern Wertschätzung wäre hier das Schlagwort. Diese Erklärung wurde bereits 1985 von der evangelischen Kirchenleitung und dem katholischen Lehramt abgegeben, dennoch hat Christa Blanke seit jeher Kritik an ihrer

248 EU-Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel, https://eur-lex.europa.eu/legal- content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A32009R1223&qid=1475764333604&from=EN, Zugriff 01. September 2019. 249 Bundesgesetz über Versuche an lebenden Tieren. Tierversuchsgesetz 2012 – TVG 2012, https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20008142, Zugriff 01. September 2019. 250 Gottwald, kirchliche Positionen, S. 36. - 91 -

Landeskirche geäußert. Vielleicht weil diesen eindeutigen Worten, keine entsprechenden Taten gefolgt sind. Eine Erklärung abzugeben, einen Standpunkt zu formulieren, ist ein notwendiges Unterfangen, um einen Ansatzpunkt zu haben. Doch braucht es nicht nur eindeutige Worte, sondern eben auch Taten.

Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland

Bereits 1991 hat der Evangelische Rat Deutschlands gewisse Aspekte im Bereich Mensch-Tier- Beziehung aufgegriffen und eine Erklärung darüber abgegeben. Unter diese Aspekte fallen die Schlachtung, Nutztierhaltung, Züchtung, sowie Pelzgewinnung und die Aufgaben für Politik und Kirche. Die Aussagen über die Schlachtung betreffen das Hauptthema dieser Arbeit – den Tiertransport. Neben dem Anzeichen der Verbrauchssteigerung von Fleischprodukten wird auch erwähnt, dass der Verzehr von Fleisch aus dem wissenschaftlichen Blickpunkt heutzutage nicht mehr notwendig sei, zumindest aber eine Reduzierung von Fleischprodukten wünschenswert wäre.

„Hinzu kommen die problematischen Umstände bei der Haltung, dem Tiertransport und der Schlachtung, die sich als Folgeerscheinungen des hohen Fleischkonsums einstellen. Es ist etwas anderes, ob eine Familie – wie es früher nicht selten geschah – einige Tiere zur eigenen Versorgung hält und schlachtet oder ob der übermäßige Fleischkonsum einer Bevölkerung von 80 Millionen [Deutschland] Menschen durch eine entsprechende industrielle Produktion befriedigt wird.“251

Zum Transport selbst wird noch erwähnt, „beschämende Zustände beim Transport lebender Tiere oft über mehrere Tage. Die Versuchung, beim Transport möglichst viele Tiere pro Raumeinheit unterzubringen und an den Betreuungskosten zu sparen, ist immer noch groß, denn die Kontrolle ist wenig effektiv, und bei »Verlusten« springt die Versicherung ein. All dies geschieht nicht etwa aus Not, sondern weil es wesentlich billiger ist, »lebende Ware« zu verschicken, als das Fleisch in Gefriercontainern zu liefern. Nichts hält Fleisch länger und billiger frisch als ein schlagendes Herz.“252

251 Gottwald, kirchliche Positionen, S. 42 252 Ebd., S.42-43. - 92 -

(In: »Zur Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf«, EKD-Texte 41, ein Diskussionsbeitrag des Wissenschaftlichen Beirats des Beauftragten für Umweltfragen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, 1991).

Dies könnte ein Tierethiker geschrieben haben und sagt in deutlichen Worten, wo die Missstände liegen. Dennoch sind es eben nur Worte. Aus der Recherche heraus ist zumindest bekannt, dass auch in den evangelischen Kirchen Deutschlands nicht durchgängig rein nur regionales Bio-Fleisch für kirchliche Einrichtungen, Veranstaltungen und der dergleichen bezogen wird.

Katechismus der Katholischen Kirche

§ 2418: „Es widerspricht der Würde des Menschen, Tiere nutzlos leiden zu lassen und zu töten. Auch ist es unwürdig, für sie Geld auszugeben, das in erster Linie menschliche Not lindern soll. Man darf Tiere gern haben, soll ihnen aber nicht die Liebe zuwenden, die einzig Menschen gebührt.“253

Eine etwas Eigentümliche Formulierung. Der Aspekt des Nicht-leiden-lassens, sowie das Verbot der Tötung sind recht eindeutig, doch die nachfolgende Formulierung ist befremdlich. Es ist unwürdig, für sie Geld auszugeben, das in erster Linie menschliche Not lindern soll – um welches Geld es hier genau handelt, ist nicht ersichtlich. Dass Spendengelder nicht zweckentfremdet werden sollen, versteht sich von selbst. Oder geht es hier darum, dass zuerst die Not der Menschen gelindert werden muss und erst danach darf die Not der Tiere gelindert werden? Ganz erschließt sich dieser Text nicht.

Der letzte Satz mit der Liebe geht ganz klar in die Richtung Vermenschlichung. Es ist weder gut noch allgemein normativ, dass Tiere anstelle des Menschen treten sollen. Tiere sollen Tiere sein dürfen, so wie der Mensch nach seinen Bedürfnissen leben soll. Übermäßige Liebe zu einem Tier empfinden, könnte auch den Bereich der Zoophilie betreffen, wo Tiere als Geschlechtspartner ausgebeutet und misshandelt werden. Jedoch sind alles nur Mutmaßungen, weil keine Erläuterung darüber zu finden war. Fakt ist aber, dass kaum ein Wort über die

253 KKK, 1993, S.609. - 93 -

Wertschätzung und den intrinsischen Wert des Tieres verloren wurde. Aber über Geld und übermäßiger Liebe einen Absatz zu verfassen zeugt ebenso nicht von einer großen Empathie.

Im Paragraf 2417 steht:

„Gott hat die Tiere unter die Herrschaft des Menschen gestellt, den er nach seinem Bild geschaffen hat. Somit darf man sich der Tiere zur Ernährung und zur Herstellung von Kleidern bedienen. Man darf sie zähmen, um sie dem Menschen bei der Arbeit und in der Freizeit dienstbar zu machen. Medizinische und wissenschaftliche Tierversuche sind in vernünftigen Grenzen sittlich und zulässig, weil sie dazu beitragen, menschliches Leben zu heilen und zu retten.“

Eine sehr anthropozentrisch ausgerichtete Passage, die leider kein Relikt vergangener Tage ist, sondern nach wie vor im Katechismus steht, auch wenn der entnommene Paragraf aus dem KKK 1993 stammt. Bis heute war es also nicht notwendig diese Stelle tierwürdig abzuändern. Der Argumentationsstrang ist eindeutig auf den Schöpfungsauftrag ausgerichtet, sprich die Herrschschaftssymbolik und die Gottebenbildlichkeit. Kein Wort über die Verantwortung, die mit diesem Herrschaftsauftrag verbunden wäre. Kein Wort über die Symbolik des guten Hirten, der auf seine Herde achtet.

„Der Mensch darf sich der Tiere bedienen“ könnte fast wie ein Auftrag zur Misshandlung von Tieren verstanden werden, denn so wurde es über die Jahrhunderte hindurch gehandhabt, nicht rein kirchlich versteht sich. Doch genau diese Haltung hat den Menschen dazu geführt Tiere als selbstverständliche Mittel des Menschen zu betrachten. Die Befürwortung von Tierversuchen; obgleich sie wissenschaftlich eigentlich bereits obsolet wären, weil sie nicht den entsprechenden Erfolg liefern; welche mit der einzigen Normierung, dass sie in vernünftigen Grenzen als sittlich erachtet werden können, öffnen der reinen Verzwecklichung von Tieren, alle Tore. Der erste Bundesschluss (Gen 9,9-10) fand zwischen Gott und allen Kreaturen statt, dies kann heute nicht mehr ignoriert werden. Deswegen muss hier dafür plädiert werden, dass der Paragraf 2417, wie auch 2418 im Katechismus der katholischen Kirche, angepasst werden müsste.

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Es geht auch anders in der katholischen Kirche:

In der Erklärung der Österreichischen Bischofskonferenz, Herbstvollversammlung 1996

„Die artgerechte Tierhaltung muss für Produzenten, Handel und Konsumenten zu einem wichtigen Qualitätsmerkmal werden. Christen, die ihre Schöpfungsverantwortung ernst nehmen, kann Tierleid nicht gleichgültig sein.“254

Hier wird genau der Aspekt der Schöpfungsverantwortung hervorgehoben, der auch mit dem Schöpfungsauftrag aus dem ersten Schöpfungsbericht (Gen 1,1-2,4a) mitgedacht werden muss. Die Recherche ergab jedoch, dass es seitdem keine weitere Stellungnahme der Österreichischen Bischofskonferenz zum Tiermissbrauch gegeben hat. Selbst 2015, dem Jahr wo Papst Franziskus seine Enzyklika „Laudato Si“ veröffentlichte, gab es kein tierwürdiges Statement einzig „Die Sorge um das gemeinsame Haus“ wurde anthropozentrisch aufgegriffen, mit drei Projekten für alle österreichischen Diözesen. Nachhaltige Leitlinien, vorrangig „Ökologische Umkehr“, die Energiewende, und zu guter Letzt „öko-soziale Beschaffungsordnung“, regionaler Einkauf, damit „die Wirtschaft öko-sozial beeinflusst“255, sollten ausgearbeitet werden.

Im Gegenzug gab es in Deutschland 2001 durch Kardinal Lehmann wieder eine eindeutige Aussage:

„Die Verzweckung von Tieren, die Mitgeschöpfe des Menschen sind, hat ein Ausmaß erreicht, das nicht mehr hingenommen werden kann.“256

(In: Presseerklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, im Anschluss an die Frühjahrs-Vollversammlung in Augsburg, März 2001)

254 Schöpfungsverantwortung und artgerechte Tierhaltung (1996), https://www.bischofskonferenz.at/19912000/presseerklaerungen-der-herbstvollversammlung-1996, Zugriff 25. Juli 2019. 255 Ebd. www.bischofskonferenz.at , Presseerklärung 2015 zu „Laudato Si“. [Zugriff 25. Juli 2019]. 256 Gottwald, kirchliche Positionen, S. 57. - 95 -

Getroffen wurde diese Aussage nach der BSE Krise, sowie als „Forderung nach Umweltverträglichkeit und Qualitätsorientierung, [wozu] auch das artgerechte Halten der Tiere [gehört].“257

Dieser kleine Auszug aus dem Lehramt und der Kirchenleitung soll nicht als ein Wettbewerb zwischen Katholischer und Protestantischer Kirche verstanden werden, sondern als Hinweis, dass noch mehr möglich wäre, als bis jetzt getan wurde. Diese Ermahnung geht ganz klar in die Richtung der Katholischen Kirche. Katholisch etymologisch verstanden bedeutet allgemein, universal vom griechischen kathólū – καθόλου. In diesem Sinne wäre es wünschenswert, wenn die christlichen Kirchen gemeinsam die gesamte Schöpfung stärker in den Blick nehmen, sowie den Tieren ihren gottgewollten Stellenwert zurückgeben würden.

Papst Franziskus hat 2015 bereits wesentlich dazu beigetragen und eine Sozialenzyklika verfasst, die Seinesgleichen sucht.

9.3 Laudato Si – die Hoffnung

Papst Franziskus veröffentlichte am 18. Juni 2015 seine Enzyklika „Laudato Siʼ, miʼ Signore“ – „Gelobt seist du, mein Herr“. „[…] Noch kein Papst hat so deutlich, sowohl den Eigenwert jedes einzelnen Geschöpfes als auch die Verbundenheit aller Geschöpfe miteinander betont wie dieser […].“258 Ein paar Auszüge der Enzyklika259 sollen nun vorgestellt werden. Sie sprechen für sich und brauchen keine tierethische Übersetzung, sondern zeigen wie sehr unser Papst seinem Namenspatron, dem Heiligen Franziskus, alle Ehre bereitet.

➢ „Ich glaube, dass Franziskus das Beispiel schlechthin für die Achtsamkeit gegenüber dem Schwachen und für eine froh und authentisch gelebte ganzheitliche Ökologie ist. Er ist der Patron all derer, die im Bereich der Ökologie forschen und arbeiten, und wird auch von vielen Nichtchristen geliebt.“ (LS Nr. 10)

257 Ebd. 258 Remele, Würde, S. 116. 259 Laudato Si, http://m.vatican.va/content/francescomobile/de/encyclicals/documents/papa- francesco_20150524_enciclica-laudato-sie.html, Zugriff 30. Juni 2019. - 96 -

➢ „Doch es genügt nicht, an die verschiedenen Arten nur als eventuelle „Ressourcen“ zu denken und zu vergessen, dass sie einen Eigenwert besitzen. Jedes Jahr verschwinden Tausende Pflanzen- und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, […] Dazu haben wir kein Recht.“ (LS Nr. 33)

➢ „Die Schöpfungsberichte im Buch Genesis […zeigen an], dass sich das menschliche Dasein auf drei fundamentale, eng miteinander verbundene Beziehungen gründet: die Beziehung zu Gott, zum Nächsten und zur Erde. Der Bibel zufolge, sind [sie…] zerbrochen […]. Dieser Bruch ist die Sünde. Die Harmonie zwischen dem Schöpfer, der Menschheit und der gesamten Schöpfung wurde zerstört durch unsere Anmaßung, den Platz Gottes einzunehmen […]. Diese Tatsache verfälschte auch den Auftrag, uns die Erde zu „unterwerfen“ (vgl. Gen 1,28) und sie zu „bebauen“ und zu „hüten“ (vgl. Gen 2,15).“ (LS Nr. 66)

➢ „Auf diese Weise bemerken wir, dass die Bibel keinen Anlass gibt für einen despotischen Anthropozentrismus, der sich nicht um die anderen Geschöpfe kümmert.“ (LS Nr. 68)

➢ „Ich möchte daran erinnern, dass „Gott uns so eng mit der Welt, die uns umgibt, verbunden [hat], dass die Desertifikation des Bodens so etwas wie eine Krankheit für jeden Einzelnen ist, und wir […] das Aussterben einer Art beklagen [können], als wäre es eine Verstümmelung.“260 (LS Nr. 89)

➢ „Das Herz ist nur eines, und die gleiche Erbärmlichkeit, die dazu führt, ein Tier zu misshandeln, zeigt sich unverzüglich auch in der Beziehung zu anderen Menschen. Jegliche Grausamkeiten gegenüber irgendeinem Geschöpf, „widerspricht der Würde des Menschen“261 Wir können uns nicht als große Liebende betrachten, wenn wir irgendeinen Teil der Wirklichkeit aus unseren Interessen ausschließen. […] Alles ist aufeinander bezogen, und alle Menschen sind als Brüder und Schwestern gemeinsam auf einer wunderbaren Pilgerschaft, miteinander verflochten durch die Liebe, die Gott für jedes

260 Teile aus dem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium (24. November 2013), 215: AAS 105 (2013), S.1109. 261 Katechismus der Katholischen Kirche, 2418. - 97 -

seiner Geschöpfe hegt und die uns auch in zärtlicher Liebe mit „Bruder Sonne“, „Schwester Mond“, Bruder Fluss und Mutter Erde vereint.“ (LS Nr. 92)

Diese Passagen brauchen nicht viele Worte der Erklärung. Papst Franziskus würdigt alles Lebendige, stellt die Verantwortung des Menschen unter den Aspekt des Schöpfungsauftrages. Nichts und niemand hat das Recht sich dieser Welt zu bevollmächtigen, alle Menschen sind gemeinsam verantwortlich für das göttliche Geschenk. Die Bibel wollte nie das Fundament für eine anthropozentrische Sichtweise sein. Und wer ein Tier quält, misshandelt nicht nur seine Würde gleich mit, sondern wird auch der menschlichen Spezies ähnlich begegnen. Nach diesen aussagekräftigen Worten müssen eindeutige Taten folgen. Daher beginnt nun die Suche nach dem „Eierlegenden Wollmilchschwein“.

9.4 Das eierlegende Wollmilchschwein?

Diese Formulierung meint die Suche nach einem Non-Plus-Ultra, nach etwas, das es in Perfektion so gar nicht gibt. Dieses Unterkapitel versucht nun eine erste Zusammenfassung der Arbeit, um mit dem wichtigsten ausgestattet in das letzte Kapitel „Neue Wege sind gefunden“ einzutauchen.

Diese Arbeit suchte die Verbindung von Tierethik, Theologie, Lehramt und Tierschutz, wie Tierwürde. War es bis hierher nun eine Suche nach dem Unmöglichen?

Das ausgehende Faktum war, dass der Tiertransport, als Teil der „Fleischproduktion“, tierquälerische Tendenzen besitzt, welche offenkundig kritisiert werden. Der Gesetzgeber versuchte mit einer Ansammlung an Vorschriften, viel von der Tier Qual zu verhindern, jedoch sind die Texte oft so schwammig oder oberflächlich formuliert, dass nach wie vor Schlupflöcher gefunden werden. Die Exekutive hat den Auftrag Kontrollen durchzuführen, um illegale Transporte und Missstände aufzuhalten. Doch die Transporte sind den Kontrollen zahlenmäßig überlegen. Die erste Frage, die sich hier ergibt: „Haben Tiere eine Würde?“. Oder warum müssen wir unser Augenmerk darauflegen, dass Tiere nicht gequält werden.

Die Frage nach der Würde kann eindeutig mit Ja beantwortet werden. Zahlreiche zeitgenössische Wissenschaftler, Philosophen, Theologen, aber auch aus dem Bereich der

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Naturwissenschaften versuchen seit mehr als vier Jahrzehnten wissenschaftlich darzulegen, dass es genug Gründe für eine Schutzwürdigkeit der Tiere gibt.

Die Naturwissenschaften beweisen durch die anatomischen Ähnlichkeiten der Tiere mit dem Menschen, dass Tiere ebenfalls schmerzempfindlich, wie leidensfähig sind. Tiere reagieren, ähnlich dem Menschen, auf Stress und neue Situationen, genauso wie auf Gewalt. Das erstaunliche ist, würden Rinder wissen wie stark sie in Wahrheit sind, kein Mensch würde sich in ihre Nähe trauen. Doch von Natur aus sind Rinder sanftmütige Tiere, die zwar ihre Nachkommen vor jeder Bedrohung schützen, aber nicht mutwillig den Menschen verletzen. Diese Sanftmütigkeit schamlos für die menschliche Zweckdienlichkeit auszunutzen ist barbarisch. Kognitiv sind Tiere nur dem Grade nach verschieden zum Menschen. Und ein Schimpanse ist wesentlich intelligenter, als ein geistig stark beeinträchtigter Mensch. Dennoch würde niemand auf die Idee kommen, dem geistig beeinträchtigten Menschen seine Würde abzusprechen. Im Gegensatz dazu werden aber immer noch quälerische Forschungen an den intelligenten Schimpansen vollzogen. Wenn Tiere also auch Würde besitzen, wieso behandelt der Mensch sie nicht dementsprechend?

Der historische Rückblick hat gezeigt, dass das Problem sehr tiefe, weitreichende Wurzeln hat. Sei es Thomas von Aquin oder die griechische Philosophie. Der Dualismus und das Seelenproblem waren erste Schnittpunkte, wo sich der Mensch über das Tier gestellt hat. Immanuel Kant plädierte zwar an die Würde des Menschen, die es nicht erlauben würde, dass Tiere gequält werden, aber dieser Gedankengang wurde sehr anthropozentrisch verstanden. Rene Decartes bezeichnete Tiere als „seelenlose Maschinen“, die dem Menschen zu dienen haben.

Mit der Industrialisierung entstanden Städte, die Arbeitskraft der Tiere konnte schrittweise von Maschinen ersetzt werden. Allerdings verlangte die Verstädterung auch eine ausreichende Nahrungsproduktion, sodass die ersten Großschlachtbetriebe entstanden.

Jeremy Bentham und Arthur Schopenhauer waren die großen Lichtblicke für die Tiere im Zeitalter der Aufklärung. Es ging nicht mehr darum was Tiere, im Gegensatz zum Menschen, nicht können, sondern einzig die Frage, ob sie leidensfähig sind stand im Mittelpunkt. In England protestierten die Menschen im 19. Jahrhundert gegen die Tierquälerei, sodass erste Tierschutz Lobbys entstanden. Weitere große Tierfreunde waren dann Albert Schweitzer und Johannes Ude. Sie sprachen den Tieren schon Würde zu, lange bevor die zeitgenössische

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Tierethik aktiv wurde. Einzig, weil sie die Tiere als ihre Mitgeschöpfe betrachteten und nicht als ihre Nahrungsquelle oder gar einer Sache ähnlich.

Die christlichen Religionen, insbesondere die Theologie, hatte kein großes Interesse an den Tieren, obgleich es durch die Jahrhunderte hindurch immer religiöse Menschen gab, die sich den Tieren stark verbunden fühlten, wie zum Beispiel der Heilige Franziskus und zeitgenössisch, der bereits erwähnte Johannes Ude, als katholischer Priester. Doch die anthropozentrische Auslegung des Herrschaftsauftrages, sowie der Gottebenbildlichkeit aus dem ersten Schöpfungsbericht in der Genesis waren ausschlaggebend dafür, dass nur der Mensch Adressat Gottes sein kann.

Erst seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gibt es die unermüdlichen Versuche die Tiere wieder dort anzusiedeln, wo sie gottgewollt hingehören; neben dem Menschen und nicht hierarchisch unter ihm. Diese Bemühungen sind, allen voran, wesentlich von der Oxford Gruppe initiiert worden. Deren Mitglieder, Peter Singer, Tom Regan und Andrew Linzey haben versucht den Tieren eine Stimme zu geben und wissenschaftlich untermauert prägnante Grundsätze zu schaffen, die kognitiv verständlich sind. Tiere sind kein Mittel zum Zweck. Tiere sind intelligente, leidensfähige und interessenfähige Individuen. Tiere haben Rechte, nicht nur weil sie Tiere sind, sondern weil sie „Subjekt-eines-Lebens“ sind. Tiere gehören seit jeher zum Menschen dazu, als Begleiter, als Partner und Leidensgenossen.

Selbst die Heilige Schrift spricht von diesem Bund zwischen Gott, den Menschen und den Tieren. Nicht allein der Mensch ist Adressat Gottes, sondern die gesamte Schöpfung ist das Gegenüber von Gott. Papst Franziskus, sowie auch immer wieder Bischöfe der christlichen Kirchen prangern die Maßlosigkeit des Menschen an. Es entspricht nicht der Würde des Menschen Tiere zu quälen und für die eigenen Interessen zu nutzen. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob mit einem Hund ein Spaziergang gemacht wird, er als Freizeitpartner „fungiert“, aber gut für ihn gesorgt und er tiergerecht gehalten wird. Oder ob ein Hund nur für meine Interessen genutzt wird, sein Wohlergehen nebensächlich und seine Bedürfnisse ignoriert werden. Dass Tiere zu unserem Leben dazu gehören, sollte eine Selbstverständlichkeit sein, doch wesentlich ist hier, dass -wie- sie dazu gehören.

Ein Beitrag zu einem besseren Miteinander wäre eine, die Tiere nicht abwertende, Sprache wie es Christa Blanke erklärt. Die sprachliche Abwertung sagt viel über den Status einer Kreatur aus. Tiernamen für menschliche Kraftausdrücke zu verwenden kann als Ansatzpunkt für eine tierische Abwertung verstanden werden. Die in der „Fleischproduktion“ verwendeten

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Fachbegriffe, welche den Anschein machen, als ob über eine Sache und nicht über ein Lebewesen gesprochen wird, zeichnet die Empathielosigkeit dieser Branche aus. Wenn es nur mehr um Gewinne und Umsatz geht hat das Tier keine Chance auf Mitgefühl oder Tierwürde.

Es gehört quasi zur Würde der Kreatur, wie es die Schweizer Bundesverfassung nennt, dass ein respektvoller Umgang herrscht. Tiere sind nicht die besseren Menschen, sollen keinen Sonderstatus einnehmen und entgegen ihrer Art vermenschlicht werden, aber sie sollen eine würdevolle Behandlung erfahren und nicht die Schreckenshand des Menschen.

Niemand hat das Recht über Leben und Tod zu entscheiden, auch und schon gar nicht, in Bezug auf Tiere. Ihre Sanftmütigkeit auszunützen widerspricht der Menschlichkeit. Das „eierlegende Wollmilchschwein“ ist keine Utopie und kein Vorausblick in den paradiesischen Urzustand bei Gott. Dieses „Wollmilchschwein“ ist keine Suche nach der Perfektion, sondern nachdem schon immer vorhanden gewesenen. Eine Trennung von Menschen und Tier hat Gott nie gewollt.

Nach diesem kurzen Rückblick folgt das letzte Kapitel dieser Arbeit. Darin geht es um neue Wege die im Bereich der „Fleischproduktion“ bereits gefunden wurden. Es sind Alternativen zur konventionellen Massentierhaltung, sowie zum Tiertransport. Des Weiteren finden in diesem Kapitel auch die Essenz und das Resümee Platz, um einen runden Abschluss dieser Arbeit zu bilden.

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10. Neue Wege sind gefunden

Während es auf wissenschaftlicher Ebene seit Jahrzehnten zu einer regen und breiten Diskussion in punkto Tierethik gekommen ist, ist die gesellschaftliche Akzeptanz derselbigen noch ausstehend. Das Übel und Leid der Massentierhaltung wollen die Wenigsten, jedoch wirklich aktiv dagegen anzugehen und Prozesse der Tier Qual zu beenden, haben wir trotzdem noch nicht geschafft. Blicken wir zuerst in die Kritikpunkte der „Fleischproduktion“, um anhand derer Erkenntlich zu machen, warum es überhaupt neue Wege braucht.

Der Marktanteil an Biofleisch im Handel ist sehr gering, gerade einmal 2% decken sie ab. Es gibt zwar allerlei Alternativprodukte, um auf konventionelle Fleischprodukte verzichten zu können, jedoch ist die Nachfrage nicht so groß, wie die Hoffnung wäre. Woran liegt das?

Ist das wieder die „Schizophrenie“ des Menschen? Wir wollen keine gequälten Tiere, aber mehr Geld für weniger Fleisch wollen wir auch nicht bezahlen? Eine Illusion muss hier gleich einmal geraubt werden. Das „Bio-Fleisch“ hat nur einen kleinen Unterschied zur herkömmlichen „Fleischprodukten“, - den Tieren werden bessere Haltungsbedingungen zugestanden. Das bedeutet, mehr Platz, Gentechnik freies Futter und Auslauf, sprich Weide- oder Graszugang. Dennoch werden Bio-Fleisch-Tiere ebenfalls nur für den menschlichen Nutzen geboren, ob als Milch- oder Fleischlieferanten. In Transport und Schlachtung gibt es ebenfalls keinen Unterschied zur konventionellen Massentierhaltung, dieselben Lastwägen, dieselben Fahrer, derselbe Schlachter.

Es beruhigt allerdings das Gewissen bis zu einem Grad, wenn es sich um „Bio-Fleischprodukte“ handelt. Der Marktanteil an biologisch gehaltenen Tieren ist pro Rasse sehr ambivalent. Rund 21% der Rinder, sowie gerade einmal 2% der Schweine leben in Österreich in sogenannten Bio- Betrieben.262 Und abgesehen von besseren Haltungsbedingung ändert sich für diese Tiere nichts, sie erleiden dasselbe Schicksal. Dies ist eines der markantesten Gründe, warum es neue Wege, neue Initiativen braucht, um die „Fleischproduktion“ ethisch vertretbarer zu gestalten.

262 Vgl. Statistik Bio Bauern, https://www.bio-austria.at/bio-bauern/statisktik/, Zugriff 30. Juli 2019. - 102 -

Der andere wesentliche Punkt ist natürliche die konventionelle Massentierhaltung und die weiteren Praktiken, wie Transport und Schlachtung, die lauter den je nach Alternativen verlangen.

10.1 Labonca und Co

Der Biobetrieb Labonca aus Burgau, in der Steiermark, ist wohl eines der besten Beispiele, wie es besser zu machen sei. Ein Faktum bleibt auch hier klar gegeben die Tiere werden geboren, um irgendwann am Teller des Menschen landen. Aber der Weg dahin ist ein wesentlich tierfreundlicher, nachhaltiger und ethisch vertretbarer, als alle anderen.

Gegründet wurde Labonca von Norbert und Ulrike Hackl. Mit 2003 begann die Umstellung des traditionellen Bauernhofs der Familie auf Bio – samt Start des Projekts „Sonnenschweine“ – ganzjährig im Freien.263 Norbert Hackl möchte eins mit der Natur leben und den Tieren ein würdiges Leben ermöglichen. „Wir gehen auf unserem Bauernhof einen einfachen, aber kompromisslosen Weg.“264 Auf dem Betrieb leben die bereits erwähnten Sonnenschweine, Weidehühner und Bergscheckenrinder; diese Rinderrasse ist die älteste und seltenste Rasse Österreichs.265

Nicht nur, dass alle Tiere ganzjährig auf der Weide sind und somit all ihre Bedürfnisse befriedigt werden können, wie Wühlen, Laufen, Suhlen und Nestbauen, es werden auch tiefgreifendere Standards gewährleistet, welche in vielen anderen Bio-Betrieben nicht eingehalten werden (können) und so auch nicht primär im Tierschutzgesetz stehen. Dazu gehören zum Beispiel: keine Enthornung der Rinder, auch bei Muttertieren nicht; keine Ferkelkastration ohne Betäubung und auch wesentlich später als herkömmlich266; sowie alle Kälber erhalten mindestens sechs monatelang Muttermilch von der Mutter- oder Ammenkuh. Die Schlachtung erfolgt „erst“ im Alter von 24-30 Monaten.267

263 Vgl. Die Menschen auf Labonca, Norbert Hackl, https://www.labonca.at/labonca/die_menschen_auf_labonca/norbert_hackl/, Zugriff 30. Juli 2019. 264 Ebd. 265 Vgl. Ebd., Labonca-Rinder. 266 Normalerweise werden Ferkel im Alter von ca. 7 Tagen betäubungslos kastriert, einzig schmerzhemmendes Mittel wird in der Bio-Linie verabreicht. Labonca kastriert nur mit Betäubung, sowie erst mit 8 Wochen. Vgl. https://www.labonca.at -Schweineprogramm Vergleich mit anderen Bio-Gütesiegeln. [Zugriff 30. Juli 2019]. 267 Labonca Rinder. www.labonca.at [Zugriff 30. Juli 2019]. - 103 -

„Die Sonnenschweine dürfen auf Labonca mit ca. 9-14 Monaten ein um bis zu 200 Tage längeres Leben als bei derselben Fütterung im Stall genießen.“268 Das ist ebenso ein wesentliches Moment für diesen Betrieb, die Tiere dürfen „erwachsen werden“ und es wird versucht, dass die Tiere zumindest „ein gewisses Maß an „Glück“ erleben dürfen“269.

Warum nun genau dieser Betrieb sehr stark mit dieser Diplomarbeit zu tun hat wird mit dem Weideschlachthaus270 erklärt. 2015 wurde es eröffnet und stellt eine echte Alternative für die Massenschlachtung im herkömmlichen Sinne dar. Der Transport fällt gänzlich weg, denn es wird vor Ort geschlachtet. Dieses Weideschlachthaus befindet sich auf einem Areal mit einer Fläche von 8000m2. „Auf dieser Weide steht neben den Futterplätzen, Tränken und Schlafunterständen ein 250m2 großes Haus mit integriertem Verarbeitungsgebäude – das Weideschlachthaus.“271

Die Tiere kommen bereits einige Wochen vor der Schlachtung in diesen Bereich und können so, völlig frei und ohne Angst die neue Weide erkunden. Sie leben fortan dort. Wenn der Tag der Schlachtung gekommen ist findet die Betäubung am Futterplatz statt. Denn Norbert Hackl meint, dass der Moment der Betäubung ein sehr wesentlicher ist. „Das Tier nimmt die Eindrücke vor der Betäubung aktiv auf, entwickelt Emotionen wie Angst und Neugier. Daher legen wir Wert darauf, dass die Betäubung zu einem Zeitpunkt passiert, indem sich das Tier frei und sicher fühlt. Dies ist durch unser Betäubungssystem im Fressbereich gut möglich.“272 Die weiteren Schritte der „Fleischproduktion“ fallen tierschutzwürdig und schonungsvoll ab. Norbert Hackl garantiert, dass kein Tier seine eigene Schlachtung miterleben muss.

Das Weideschlachthaus steht auch anderen Betrieben zur Verfügung, jedoch ist die Nachfrage noch nicht allzu groß. Doch genau das würde jeglichen strapaziösen Tiertransport obsolet machen. Die andere Seite der Medaille ist der Gesetzgeber. Es gibt sehr viele Auflagen, welche eingehalten werden müssen, um eine Hof- beziehungsweise Weideschlachtung durchführen zu können. Dies ist vielen Landwirten ein Dorn im Auge und würde auch übermäßige Investitionen, vor allem für Kleinbetriebe, verlangen. Als Zukunftsmodell ist es aber eine mögliche Variante, um tierwürdiger mit den sogenannten „Nutztieren“ umzugehen. Ein tiergerechtes Leben auf der Weide, mit der Möglichkeit die natürlichen Bedürfnisse ausleben

268 Ebd., Sonnenschweine. 269 Ebd., 270 Ebd., www.labonca.at, Weideschlachthaus. 271 Ebd. 272 Ebd. - 104 - zu können und danach eine tierschutzkonforme, stressfreie Schlachtung vor Ort oder zumindest relativ in der Nähe.

Ähnlich gestaltet es ein persönlich bekannter Biohof in meiner Nachbarschaft. Es leben Bio- Hühner für den Eierverkauf, sowie Milchkühe dort. Der Schlachtort der Rinder ist ungefähr zehn Minuten entfernt. Eine Hofschlachtung bräuchte zu viele Umbauarbeiten, die sich für den kleinen Betrieb nicht rechnen würden. Es werden gewisse Reglements eingehalten, die das Tierleben in Biohaltung ein wenig besser gestalten. Ganzjährige Weidehaltung, Muttermilch für die Kälber mindestens vier Monate; danach werden die männlichen Kälber allerdings geschlachtet, für den ab Hof Verkauf; die Milchkühe dürfen bis zu ihrem natürlichen Lebensende am Hof verbleiben. Bemängelt wird von dieser Seite, dass die Schlächter, die das Handwerk noch erlernt haben, immer mehr aussterben und Nachfolger gibt es kaum. Ebenfalls ein wesentliches Moment in der „Fleischproduktion“, eine verhältnismäßig kurze Schulung kann die Lehre in einem Beruf nicht gänzlich ersetzen. Das sagt auch der Biolandwirt, jemand der das Schlachten noch richtig gelernt hat wird wesentlich weniger Fehler machen, als wie jemand der nur eine kurze Einschulung bekommen hat.

Ein weiteres Projekt soll hier kurz vorgestellt werden und zwar die „Initiative für eine stressfreie Hofschlachtung“. Dies ist ein Projekt von 11 steirischen Bauern in der Koralm Region. Es handelt sich um Bio-Betriebe deren bisheriger Transportweg zum Schlachthof zwar nur zwanzig Minuten betrug, jedoch selbst das ist schon zu lang meinen die Landwirte. Denn zu dem Transportweg gehört noch einiges mehr, wie schon im Kapitel „über den Transport“ aufgezeigt worden ist. Allein das Verladen setzt schon Adrenalin bei den Tieren frei, weil es etwas vollkommen ungewohntes ist; die Tiere der Initiativen-Landwirte leben die meiste Zeit des Jahres auf der Weide und kennen kein Anbinden, geschweige denn einen Transporter; dazu kommen die fremden Personen, die den Transport schlussendlich durchführen. Dann das Treiben in einer fremden Umgebung im Schlachthof. Der Geruch, die anderen fremden Tiere, der Lärm, dies alles bedeutet für jedes Tier unermesslichen Stress, wie Angst.

Die Zielsetzung ist, dass die Tiere am Hof geschlachtet werden dürfen damit der Stress des Transportes wegfällt. „Bei der stressfreien Schlachtung wird das Tier in gewohntem Umfeld

- 105 - betäubt, anstatt auf einen Anhänger getrieben zu werden.“273 Neben dem fehlenden Transport bleiben die Tiere im gewohnten Umfeld, mit den gewohnten Menschen. „Bei der stressfreien Schlachtung […] wird das Tier in gewohntem Umfeld mittels Bolzenschuss betäubt. Anschließend wird das Tier in einer mobilen Schlachtbox entblutet und innerhalb von 30 Minuten zum Schlachtraum befördert.“274

Die Initiative formuliert klar, „Wir möchten unseren Tieren den Respekt, mit dem wir ihnen Tag für Tag begegnen, auch bis zu deren Ende entgegenbringen können und möchten daher eine klare gesetzliche Regelung für die stressfreie Hofschlachtung erreichen.“275 Die Hofschlachtung ist ein gewisser Graubereich im Gesetz, einzig für die Notschlachtung gibt es Ausnahmegenehmigungen. Ansonsten sagt der Gesetzgeber, dass ein „Schlachttier“ lebend in den Schlachtraum gebracht werden muss. Daher kämpft die Initiative für eine Anerkennung ihrer Methode. Extra dafür wurde ein mobiler Schlachtraum gebaut, um dem Gesetz soweit entsprechen zu können. Des Weiteren können erste Erfolge verbucht werden: Sechs der Elf Landwirte haben für sechs Monate eine Sonderbewilligung erhalten, und können ihre Schlachtungen vor Ort durchführen.276 Die anderen Mitglieder hoffen auf einen ebensolchen positiven Bescheid.

Es gäbe noch weitere Projekte und Initiativen, wo Landwirte versuchen bessere Bedingungen für ihre Tiere zu schaffen. Wie Martin Balluch bereits erwähnt hat, „Den Schuldigen bei der Fleischproduktion“ gibt es nicht. Daher, nicht jeder Landwirt hat keine Beziehung zu seinen Tieren, genauso wenig wie jeder Transporteur ein Tierquäler ist oder jeder Schlächter nur seine eigenen Fantasien ausleben möchte. Alle in einen Topf zu werfen ist sehr einfach, doch das was wirklich Veränderung bringt ist das Gespräch auf Augenhöhe, um Alternativen für Massenaufzucht, Massentierhaltung, Massentransport und Akkordschlachtung zu schaffen. Ein tierwürdiger und tiergerechter Umgang ist der einzige Weg, aus dieser ökologischen, wie ethischen Krise.

273 Was ist die stressfreie Hofschlachtung? https://www.stressfrei.st/, Zugriff 30. Juli 2019. 274 Ebd., Projektdetails. 275 Ebd., www.stressfrei.st 276 Vgl. Ebd. - 106 -

10.2 Essenz

Die Essenz dieser Arbeit soll nun kurz und bündig formuliert werden. Es gibt aus den verschiedensten Bereichen der Wissenschaften keinen einzigen Grund, der es kognitiv oder ethisch rechtfertigen würde, dass der Mensch Tiere missbraucht. Tiere sind weder hüllenlose Maschinen noch gefühllose Fleischteillager. Doch aus der Bequemlichkeit heraus, aus der Tradition des Fleischkonsums, sowie natürlich aus den zahlreichen wirtschaftlichen Interessen ist eine tierpessimistische Kultur der Ausbeutung und Ignoranz entstanden, die es nun gilt aufzuklären. Dazu gesellen sich militante Tierschützer und Ernährungsvertreter, die dem Tierschutz weniger dienlich sind, als sie meinen. Der ständige Hinweis, dass omnivore Ernährungsformen die Natur und die Tierwelt zerstören ziehen meist nur mehr Ablehnung und taube Ohren nach sich. Es ist ein unwiderrufliches Faktum, dass die Menschheit ihre eingelebten Ernährungsformen verändern muss und dass es ein Umdenken braucht, denn so können wir nicht dauerhaft agieren. Doch für eine ebensolche Veränderung braucht es eine verständliche Sprache und Aufklärung, nicht nur Belehrung und Ermahnung. Im Gegenzug der Umkehrschluss, nicht jeder Tierschützer ist ein militanter Tierschützer. Nur weil ein Mensch Empathie für Tiere empfindet und sich mit dem Tiermissbrauch beschäftigt muss er nicht zwangsläufig der Utopie unterliegen, dass sich jeder Missstand ganz einfach lösen lässt. Empathie für Tiere bedeutet nicht Gefühlsduselei, sondern Interesse für die gesamte Schöpfung. Eine Erklärung bei Kaplan spricht mir ganz aus der Seele und argumentiert genau in diese Richtung:

»Kennen Sie die Dinge, die Sie so leidenschaftlich kritisieren – Schlachtungen, Tierversuche usw. -, eigentlich aus eigener Erfahrung?«

„Nein, aber ich habe auch noch niemanden umgebracht oder gefoltert und bin dennoch gegen Folter und Todesstrafe. Wenn wir nur verurteilen dürfen, was wir selbst schon gesehen oder gar getan haben, müsste unsere Rechtsprechung in den Händen von Verbrechern liegen.“277

Den Tieren einen intrinsischen Wert zuzusprechen hat nichts mit romantischen oder gar paradiesischen Vorstellungen zu tun, sondern mit Realismus. Wir Menschen müssen jetzt mit dem Umdenken beginnen und dazu braucht es klare Forderungen an alle. Es gibt keinen

277 Kaplan, Tiere haben Rechte, S.19. - 107 - ethischen Unterschied zwischen dem süßen Welpen und dem Schnitzel auf unseren Tellern, beides sind empfindungs- und leidensfähige Lebewesen. Wer den Wert eines Tieres erkannt hat, wird sorgsam damit umgehen.

10.3 Resümee

Eines zieht sich durch diese Arbeit wie ein roter Faden, den Schuldigen für die Missstände gibt es nicht. Das kann nur bestätigt werden. Es gibt viele Gründe, die mit der Fleischproduktion zusammenhängen und wo Verantwortlichkeiten entstehen. Diese werden nun kurz aufgearbeitet und sollen den Abschluss dieser Arbeit bilden.

In der Einleitung wurde davon gesprochen, dass der Konsument sich keine Gedanken um den Fleischgenuss machen muss, die Gründe sind einfach und schnell genannt. Die Werbung suggeriert nur allzu gern wie tierfreundlich die „Fleischproduktion“ abläuft. Bilder mit blühenden Wiesen und Rindern, sowie ein sprechendes Schwein, welches frei und unbeschwert herumlaufen darf. Dass die Realität so nicht aussieht kann jeder Konsument, jede Konsumentin selbst herausfinden, doch dazu braucht es Interesse. Der Konsument, die Konsumentin hat die Qual der Wahl, billig und fraglich einzukaufen oder informiert und nachhaltig. Sobald sich das Konsumverhalten der Masse ändern würde, müsste sich auch die „Fleischproduktion“ ändern.

Der Handel wird immer das am besten vermarkten, was sich gut verkaufen lässt. Hier die Schuld allein dem Handel zuzuschreiben und ihm allein die Verantwortung für das Billigfleischsegment zu geben, ist der falsche Ansatz. Es ist ein Zusammenspiel von Konsumenten und Handel. Der Konsument, die Konsumentin braucht dazu mehr Aufklärung und eine Wertigkeit für das Lebensmittel „Fleisch“, sowie entsprechende Gütesiegel, die garantieren, dass die Tiere artgerecht leben und stressfrei sterben durften.

Hinter den Gütesiegeln müssen Betriebe stehen, welche die Verantwortung haben alle Richtlinien für das Gütesiegel einzuhalten. Die Kontrollorgane, sei es in der Massentierhaltung oder bei den Tiertransporten, müssten strenger und öfter kontrollieren, um so wenig Missstände wie möglich zu garantieren. Die Landwirte brauchen Empathie für ihre Arbeit mit den Tieren. Aber es braucht ebenso Wertschätzung, vor allem für die Landwirte, die jetzt schon versuchen nachhaltig und tiergerecht ihre Arbeit zu verrichten.

- 108 -

Die Religionsgemeinschaften sind gefordert Zeichen zu setzen und nachhaltiger mit der gesamten Schöpfung umzugehen. Nicht nur Nachhaltigkeit auf den Menschen bezogen, wie die Energiewende, sondern auch tierschutzbezogene Themen müssen bearbeitet werden. Glaubhaft die Lehre Christi zu verkünden bedeutet nicht nur, die Zeichen der Zeit zu erkennen, sondern die Würde aller Kreaturen zu verwirklichen. Neben kirchlichen Stellungsnahmen, welche die Missstände im Umgang mit den Tieren immer wieder kritisieren, braucht es vor allem Taten. Der regionale Einkauf ist ein guter Ansatz. Doch nicht nur fairer Einkauf und keine Produkte aus Kinderarbeit, sowie Verringerung des Müllaufkommens, sollten hier die Schlagwörter sein. Auch die Verpflichtung auf Bio-Fleischprodukte, ohne Massentransport und nicht aus der Akkordschlachtung. Bei diversen Festivitäten ist es ebenfalls noch nicht flächendeckender Usus, dass rein regionaler Einkauf stattfindet und das auch vegetarische Gerichte angeboten werden. Es gibt mittlerweile zwar in jeder österreichischen Diözese eine/n Umweltbeauftragte/n in ökumenischer Kooperation mit den evangelischen Kirchen Österreichs, aber das Hauptaugenmerk ist immer noch sehr anthropozentrisch ausgerichtet. Dabei liegt ein wesentlicher Schwerpunkt dieser Thematik fast täglich auch auf den Tellern des kirchlichen Personals. Eine Initiative unter dem Motto „Kirche und Tiere“ würde meines Erachtens noch in den „Leitlinien zur Nachhaltigkeit“ in unserer, aber auch in allen anderen Diözesen fehlen.

Es braucht intensiveren Protest gegen den Tiermissbrauch, es braucht öffentlichkeitswirksame Diskussionen, welche klar und deutlich zeigen, dass die Kirche mit den Tieren leidet, dass die Kirche auf der Seite der Tiere steht. Das müsste uns die Schöpfung Gottes wert sein.

Ein wesentliches Moment hat auch die Politik inne. Es braucht ein stärkeres, bewussteres, und vor allem eindringlicheres Tierschutzgesetz. Tierquälerei und Missstände in der „Fleischproduktion“ dürfen kein Kavaliersdelikt sein und mit geringen Sanktionen abgegolten werden. Speziell auf den Tiertransport bezogen wäre die Reglementierung der Transportdauer auf ein Maximum von 8 Stunden notwendig. Damit würden viele Exporte bereits abgelehnt werden. Doch nicht nur das Ablehnen von Exporten wäre essenziell, sondern allgemein die Überproduktion. Diese darf nicht mehr subventioniert werden. Es braucht Strafzahlungen für die Überproduktionen und Subventionen für die Bio-Landwirte, die dem Tierleid aktiv entgegenwirken.

- 109 -

Es braucht einen Umkehrtrend in Richtung mehr pflanzliche Ernährung und weniger Fleischkonsum. Dies kann aber nur mit einer Bewusstseinsbildung erreicht werden. Es wäre utopisch die Forderung zu stellen, dass nur mehr vegetarische oder vegane Ernährung praktikabel wäre. Für die Tiere wäre dies ein wünschenswerter Weg, doch viele Menschen sind dazu noch nicht bereit. Es kann und es wird nur in kleineren Schritten möglich sein. Weniger Fleischkonsum ist absolut zu befürworten und ein bewussterer Konsum. Die Wertigkeit des Lebensmittels „Fleisch“ muss wiederhergestellt werden. Das Bewusstsein dahingehend geformt, dass jeder Fleischkonsument, ein Stück von einem lebendigen Tier isst, welches sich nicht freiwillig für diesen Tod entschieden hat.

Als Abschluss dieser Diplomarbeit noch ein Zitat, welches uns die Moral unseres Handelns bewusst machen kann:

„Die wahre moralische Prüfung der Menschheit, die elementarste Prüfung (die so tief in unserem Inneren verankert ist, dass sie sich unserem Blick entzieht) äußert sich in der Beziehung der Menschen zu denen, die ihnen ausgeliefert sind: zu den Tieren. Und gerade hier ist es zum grundlegenden Versagen des Menschen gekommen, zu einem so grundlegenden Versagen, daß sich alle anderen aus ihm ableiten lassen.“278

278 Kundera, M. (1984). Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. In Roth Susanna (Hrsg.). Frankfurt: Fischer- Taschenbuch-Verlag. - 110 -

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Islamfatwa.de ist ein Internetportal für islamische Rechtsfragen, die vom „ständigen Komitee für islamische Forschung und Rechtsfragen“ beantwortet werden. Keine „Fatwa“ wird vom ständigen Komitee veröffentlicht, ohne dass die Mehrheit der Gelehrten in absoluter Übereinstimmung (ljma) über sie sind. Vgl. https://islamfatwa.de/biografien/89-das- staendige-komitee-fuer-rechtsfragen . Unter „Fatwā (Pl. Fatāwā) → Islamisches Rechtsgutachten; zu dessen Erteilung ein „Mufti“ berechtigt ist, https://islamfatwa.de/glossar/260.fatwa.

Laudato Si, http://m.vatican.va/content/francescomobile/de/encyclicals/documents/papa- francesco_20150524_enciclica-laudato-sie.html.

Ländliches Fortbildungs Institut LFI (September 2013). Informationsbroschüre „Lebende Tiere – Tiertransportvorschriften in Österreich“, https://www.lko.at.

Karrermann, Manfred (2018). Doku 37 Grad. Geheimsache Tiertransporte, https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad-geheimsache-tiertransporte-100.html.

Mayer, Claus (10.05.2019). Tiertransporte. Bayern: Gericht erzwingt Tiertransporte in Drittstaaten, https://www.topagrar.com/suedplus/news/bayern-gericht-erzwingt-tiertransporte- in-drittstaaten-11537574.html.

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Was ist die stressfreie Hofschlachtung? https://www.stressfrei.st/.

Wir dürfen uns an der Schöpfung bedienen – Theologe Dr. Rainer Hagencord im Gespräch über die theologische Würdigung der Tiere, https://christen-fuer-tiere.de.

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Grafik:

• Zuchtrinder-Exporte Österreich (2016), https://vgt.at/presse/news/2016/news20161027sl.php. • Kälbertransport-Routine. Österreich-Spanien, https://vgt.at/presse/news/2016/news20161128hb.php.

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