DG Hart: Calvinism. a History, New Haven / London
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Zitierhinweis Christoph Strohm: Rezension von: D. G. Hart: Calvinism. A History, New Haven / London: Yale University Press 2013, in sehepunkte 14 (2014), Nr. 6 [15.06.2014], URL:http://www.sehepunkte.de/2014/06/23124.html First published: http://www.sehepunkte.de/2014/06/23124.html copyright Dieser Beitrag kann vom Nutzer zu eigenen nicht-kommerziellen Zwecken heruntergeladen und/oder ausgedruckt werden. Darüber hinaus gehende Nutzungen sind ohne weitere Genehmigung der Rechteinhaber nur im Rahmen der gesetzlichen Schrankenbestimmungen (§§ 44a-63a UrhG) zulässig. sehepunkte 14 (2014), Nr. 6 D. G. Hart: Calvinism Nach den Darstellungen Philip Benedicts (2002), Graeme Murdocks (2004) und James E. McGoldricks (2012) legt der Historiker Darryl G. Hart mit dem vorliegenden Werk eine weitere Geschichte des reformierten Protestantismus vor. Deren Anspruch ist es, auf 339 Seiten einen Überblick zu geben, der von den Anfängen bis in die Gegenwart reicht. Es gelingt dem Verfasser, durch eine weithin plausible Auswahl des Stoffes diesen Anspruch zu erfüllen. Er stellt zwar die Frage "Calvinist or Reformed?" (20) und beantwortet sie zu Recht mit dem Urteil, dass es anachronistisch sei, einen reformierten Protestanten als "Calvinisten" zu bezeichnen, bleibt aber gleichwohl ohne weitere Erklärungen beim Obertitel "Calvinism" für den gesamten reformierten Protestantismus. Die Geschichte beginnt bei der Reformation der beiden Städte Zürich und Genf (1-25: "City Lights"). Ein weiteres Kapitel ist der Ausbreitung der Reformation in Frankreich, England und einzelnen Ländern Osteuropas (Polen und Ungarn) gewidmet (26-46). Das dritte Kapitel nimmt die Entwicklungen in der Kurpfalz, wo Kurfürst Friedrich III. mit dem Heidelberger Katechismus 1563 einen der wirkungsreichsten Texte des reformierten Protestantismus erstellen ließ, sowie in Schottland und den Niederlanden in den Blick (47-71). Der Übergang Nassau-Dillenburgs und der Wetterauer Grafen zum reformierten Protestantismus in den 1580er Jahren wird kurz gestreift. Andere relevante Entwicklungen wie der Kryptocalvinismus in Sachsen oder der Übergang Anhalts und Hessen- Kassels unter Moritz zum reformierten Protestantismus werden erwähnt. Die nächsten Kapitel sind der reformierten Bekenntnisbildung (72-94) und insbesondere der Ausbreitung des reformierten Protestantismus in Amerika und Südafrika gewidmet (95-116: "Taking the Word to the World"; 117-136: "New Communities in the Land of the Free"). Mitteleuropa, Schottland und die Niederlande erscheinen im 18. Jahrhundert hingegen als "An Exhausted Europe" (137-159). Allerdings ermöglichen der Pietismus Herrnhuter Prägung und "The Dutch-English Pietist Connection" (163) Austauschprozesse zwischen Alter und Neuer Welt, von denen gerade auch die reformierten Kirchen Europas profitieren (160-181: "Reformation Reawakened"). Zwei weitere Kapitel sind der Mission im 19. Jahrhundert und insbesondere der Ausbreitung des reformierten Protestantismus in Asien und Australien (182-204) sowie der Abspaltung "freier" reformierter Kirchen (205-225) gewidmet. In einem eigenen Kapitel skizziert Hart die Entwicklungen in den Niederlanden, wo sich - neben der Pluralisierung des reformierten Protestantismus - unter Abraham Kuypers Führung ein außerordentlich wirkungsreicher "Neo-Calvinism" formierte (226-247). Vom 19. ins 20. Jahrhundert führt eine Darstellung des reformierten Protestantismus in den USA unter dem Titel "American Fundamentalists" (248-271). Die Geschichte des reformierten Protestantismus in Mitteleuropa im 20. Jahrhundert beginnt für Hart mit Karl Barths zuerst 1919 erschienenem Römerbriefkommentar (272f.). Der Rückgriff auf den Reformierten Schleiermacher dient dazu, in die für die Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts in Deutschland zentrale Bildung von Unionskirchen am Beginn des 19. Jahrhunderts einzuführen. Die Reformierten seien, wie Hart mit Verweis auf den deutsch- amerikanischen Historiker James Isaac Good feststellt, die Verlierer gewesen. Mit der Gründung der "Reformierten Kirchenzeitung" habe eine Rückbesinnung reformierter Pfarrer ab der Mitte des 19. Jahrhunderts aber erste Früchte getragen. Barths Lehrtätigkeit in Göttingen seit 1922, die Gründung der Zeitschrift "Zwischen den Zeiten" und der Beginn der Arbeiten an der "Kirchlichen Dogmatik" (280, aber nicht bereits 1924) bilden in der Darstellung die Vorgeschichte des Kirchenkampfes ab 1933. Nach dem nur teilweise erfolgreichen Pfarrernotbund hätten "free synods" die zentrale Rolle bei der Konstituierung der "Confessing Church" (so der Titel des gesamten Kapitels, 272-294) gespielt. "The culmination of the free synods was the First Confessing Synod of the Evangelical Church of the Old Prussian Union, which met on May 29, 1934 at Barmen. This assembly laid the basis for the Confessing Church as a rival organization to the national Protestant church in Germany (EDK)" (283f.). Abgesehen davon, dass die Barmer Synode vom 29.-31. Mai 1934 keine Synode der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union, sondern eine Reichsbekenntnissynode war (vgl. auch 308), führt hier Harts Abwertung des Landeskirchentums zu einer fehlerhaften Beurteilung. Die Reichsbekenntnissynode verstand sich gerade nicht als eine freie Synode, sondern als die rechtmäßige Synode der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK !), entsprechend ihrer Verfassung vom Juli 1933. Barths zu recht betonter, großer Anteil an der Entstehung der Barmer Theologischen Erklärung ist der Ausgangspunkt einiger weniger Abschnitte zum weiteren Kirchenkampf, in dem sich Barth als Lichtgestalt von einem grauen oder gar dunklen lutherischen Hintergrund abhebt. Auch die folgenden Ausblicke auf Schottland und die USA sind im Kontext des weltweiten Wirkens Barths dargestellt. Das abschließende Kapitel des Buches (295-304) beginnt mit dem Verweis auf die Aktivitäten einer Selbständigen Evangelisch- Reformierten Kirche, die im Vorfeld des 450jährigen Jubiläums des Heidelberger Katechismus in Heidelberg mit missionarischen Aktivitäten begonnen hat. Diese aus dem Ausland unterstützte, sehr kleine Gruppe, die in fundamentaler Opposition gegen die Moderne die alten Bekenntnisse zu bewahren sucht, wird als Beleg für das Ende der landeskirchlichen Verhältnisse und die Internationalität des Calvinismus bewertet. Die Aktivitäten werden dann auch noch in eine gewisse Parallelität zu den Anfängen des reformierten Protestantismus in den Städten Zürich und Genf gestellt. Die Gemeinde arbeite daran "to secure an arrangement with city authorities to allow its members to worship in the historic Church of the Holy Spirit" (295). Das bezieht sich wohl auf den Sachverhalt, dass die Evangelische Kirche in Heidelberg der selbständigen Gemeinde im Zusammenhang einer Tagung einmal ein Psalmensingen in der berühmten alten Kirche ermöglicht hat. So entstehen Mythen. Die materialreiche und doch gut lesbar gebliebene Darstellung des reformierten Protestantismus ist, wie angedeutet, durch eine kritische Sicht des Zusammenwirkens von Kirche und Staat, wie sie für den Protestantismus Mitteleuropas von Anfang charakteristisch ist, bestimmt. Darin zeigt sich die Herkunft des Autors, der früher Direktor des Institute for the Study of American Evangelicals am Wheaton College war. Die Teile über das 16. und 17. Jahrhundert sind aufs Stärkste an Philip Benedicts Darstellung "Christ's Churches Purely Reformed. A Social History of Calvinism" orientiert. Daraus stammt auch ein großer Teil der zitierten Quellen. Die herangezogene und zur weiteren Lektüre empfohlene Literatur ist ausschließlich englischsprachig. Außer einer ins Englische übersetzten Aufsatzsammlung des Historikers Heinz Schilling wird kein deutscher Autor zur Lektüre empfohlen. Das hat natürlich auch inhaltliche Folgen. Der reformierte Protestantismus Mitteleuropas kommt vergleichsweise begrenzt zur Darstellung (vgl. auch 305-308: "Timeline for the History of Calvinism"). So wird der für die weitere Geschichte des Reformiertentums in Deutschland und Europa ausgesprochen wichtige Übergang des brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund im Jahr 1613 auf weniger als einer Seite abgehandelt (68f.). Kleinere Corrigenda: Tod Francois I er 1547 nicht 32jährig, sondern 52jährig (26), C. Schwenckfeld kein "anabaptist" (46), P. Dathenus nicht Mitglied der Heidelberger Theologischen Fakultät (48), Überführung Hessen-Kassels zum reformierten Protestantismus durch Landgraf (nicht: "elector") Moritz im Jahr 1605, nicht 1604 (68), adiaphora, nicht adiaphra (75)..