Neuendettelsauer Chronik
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B 5225 Neuendettelsauer Nr. 4 – Dezember 2018 Chronik Mit Spender- und Stifter-Journal Starthilfe für einzigartige Kinder Warum Eltern sich für ein Förderzentrum entscheiden Beratung auf Augenhöhe Neue Anlaufstellen für Menschen mit Behinderung und Angehörige Bänke für die Ewigkeit Wie die Werkstatt Himmelkron dem Nahverkehr auf die Beine hilft Persönliche Einblicke sind Gold wert Diakonie Neuendettelsau öffnet ihre Türen für Praktikanten VORWORT Liebe Leserinnen und Leser, wenn über Inklusion gesprochen wird, ist im entschieden haben. Obwohl sie mit Vorurteilen Grundsatz jeder dafür. Aber der Begriff droht zu kämpfen haben, sind sie mit ihrer Entschei- zum ideologischen Schlagwort zu werden. dung glücklich. Ein Beitrag zur Teilhabe von Ein Beispiel ist die Diskussion darüber, ob wir Menschen mit Behinderung sind auf jeden Fall noch Förderzentren für Kinder brauchen, die die neuen unabhängigen Beratungsstellen, die an den Regelschulen nicht zurecht kommen. wir Ihnen in dieser Ausgabe ebenfalls vorstel- Statt theoretische Debatten zu führen, soll- len. Außerdem erklären wir, was ein Praktikum ten wir Lösungen suchen, die jedem einzelnen im sozialen Bereich jungen Menschen auf der Kind einen guten Bildungsweg und berufliche Suche nach beruflicher Orientierung bringt. Chancen eröffnen. Angemessen ausgestattete Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Advents- Regelschulen, die über genug sonderpädago- zeit, ein fröhliches Weihnachtsfest und einen gisch ausgebildete Fachkräfte verfügen, kön- guten Start in das neue Jahr. nen das in vielen Fällen leisten. Oft sind diese Voraussetzungen dort aber gar nicht gegeben und manche Kinder sind zum Beispiel mit dem Lerntempo überfordert. Wir haben für diese Ausgabe der Chronik Geschichten von Eltern Ihr und Kindern zusammengetragen, die sich ganz Rektor Dr. Mathias Hartmann bewusst für ein Förderzentrum als Schule Vorstandsvorsitzender Buchtipp: Mathias Hartmann und Peter Schwarz (Hg.) Neuendettelsauer Psalter ISBN 978-3-947552-00-9 Preis 24,90 Euro (ab 10 Stück je 19,90 Euro) Mit der Herausgabe dieses neuen Psal- ters führt die Diakonie Neuendettelsau eine Arbeit fort, die ihr Gründer, Pfarrer Wilhelm Löhe, begonnen hat. Für die im Entstehen begriffene Gemeinschaft der Diakonissen suchte er nach Modellen für das gemeinsame Gebet und fand Inhalt sie in der Tradition der Tagzeitengot- tesdienste Matutin, Vesper und Kom- plet, bei denen der Psalmengesang in Form des Gregorianischen Chorals eine zentrale Stellung einnimmt. Das Wort der Heiligen Schrift soll so zum Klingen gebracht werden. Auf diesem Gebiet hat seit der Herausgabe des Vorgänger- buchs vor fast einem halben Jahrhun- dert eine bedeutsame Weiterentwick- lung stattgefunden. Mit Prof. Dr. Stefan Klöckner konnte für die Erarbeitung des Rund um die Diakonie Neuendettelsau 3-12, 17-21 neuen Psalters ein ausgewiesener Fach- mann gewonnen werden. Der Psalter Spender- und Stifterjournal 13-16 ist eine Hilfe für Gemeinschaften und Gemeinden, die die Liturgie bereichern und spirituelles Leben gestalten möch- Freundeskreis-Nachrichten 22-23 ten. Der Psalter ist im Buchhandel erhältlich, telefonisch unter der Nummer 09874 86289 oder per Mail an bibliothek@ diakonieneuendettelsau.de . RUND UM DIE DIAKONIE NEUENDETTELSAU Das Herz ist ein besserer Ratgeber als sozialer Druck Wie Eltern ihre Entscheidung für das Sonderpädagogische Förderzentrum Johann-Heinrich-Pestalozzi-Schule in Ansbach erleben Thomas Birkmeier, Bettina Ortner-Laczi, Sabine Birkmeier, Anke Ströhm und Irene Eisemann (im Bild von links) haben sich die Entscheidung für das Sonderpädagogische Förderzentrum als Schule für ihre Kinder nicht leicht gemacht. Schulleiterin Ulrike Hahn (rechts) berät sie mit ihrem Team. Schon bei der Geburt ihrer Zwillinge Für Ortner-Laczi war die Entscheidung schulisch sehr erfolgreich. Bei ihrem erfuhr Bettina Ortner-Laczi, dass für die Johann-Heinrich-Pestalozzi- Sohn Kilian aber zeigte sich in der Regel- es „Probleme geben wird“. Trotz- Schule nie ein Problem: „In den fast drei schule, dass er dem Lerntempo dort dem besuchten ihre Tochter und ihr Jahren habe ich noch nie gehört, dass nicht gewachsen war. Frust und man- Sohn einen Regelkindergarten. In Leon nicht in die Schule gehen will“. Er gelndes Selbstbewusstsein stellten sich der Schule trennten sich die Wege. macht seine Hausaufgaben und kann ein. Wenn Kinder die Standard-Erwar- Während ihre Tochter in eine nor- den Stoff bewältigen. „Rechnen finde tungen an der Regelschule nicht erfüllen male Grundschule geht, kam der ich cool – da bin ich gut“, meint Leon können, seien die Eltern oft selbst mit heute neun Jahre alte Leon auf die selbst. den Nerven am Ende, ist die Erfahrung Johann-Heinrich-Pestalozzi-Schule Sabine und Thomas Birkmeier schätzen der Birkmeiers. der Diakonie Neuendettelsau in es, dass an der Johann-Heinrich-Pes- Ansbach. talozzi-Schule keine Pauschalaufgaben Lernen mit Herz, Hirn und gestellt, sondern das Pensum individu- Hand Leon geht in die zweite Klasse, ist aber ell angepasst wird. Mit Hilfe von spie- schon im dritten Schuljahr, denn im lerischen Elementen nähern sich die Ein Test ergab, dass die Johann-Hein- Sonderpädagogischen Förderzentrum Kinder Inhalten wie dem Multiplizieren. rich-Pestalozzischule der richtige Ort haben die Kinder drei Jahre Zeit für das Höchstens 14 Schüler hat ein Lehrer in für ihn sein könnte. Um Pfingsten des Programm der beiden ersten Klassen- den Diagnose- und Förderklassen zu vergangenen Jahres herum fiel die Ent- stufen. Bettina Ortner-Laczis Tochter betreuen, ab der 3. Klasse sind es maxi- scheidung und zum neuen Schuljahr beneidet Leon sogar manchmal und fin- mal 17. folgte der Wechsel. „Er hat sich gut ent- det es schade, dass nicht jedes Kind die Fünf Kinder haben die Birkmeiers und wickelt und integriert“, finden Sabine Chance hat, so zu lernen. die meisten von ihnen waren oder sind und Thomas Birkmeier. Aus der Schule, 3 RUND UM DIE DIAKONIE NEUENDETTELSAU Marie Eisemann, Leon Laczi und Kilian Birkmeier gehen gern in die Johann-Heinrich-Pestalozzi-Schule, wo sich das Lerntempo nach ihren individuellen Fähigkeiten richtet. in der sein Selbstbewusstsein neu auf- kann“. Dafür bringen die Schüler ganz täglichen Hausaufgaben wurden zu gebaut wurde, erzählt er viel und durch unterschiedliche Stärken und Schwä- einer über drei Stunden langen Quäle- die zahlreichen Wiederholungen prägt chen mit. „Wir fangen handelnd an – wir rei. Irene Eisemann telefonierte dann mit er sich den Lernstoff in seiner eigenen tun es. Lernen mit Herz, Hirn und Hand“, Ulrike Hahn, um einen Test zu verein- Geschwindigkeit ein. lautet die Devise, denn „nur über das baren. Zum Schuljahreswechsel folgte Heute singt und tanzt er gern. „Das hätte Tun können wir verstehen“. Der enge bei ihm der Wechsel auf die Pestalozzi- er früher nie gemacht“, sagt Sabine Birk- Kontakt zwischen Lehrern und Eltern ist Schule, die nun auch von seiner kleinen meier. „Ich bin glücklich, dass wir den ihr wichtig. In langen Gesprächen ohne Schwester Marie besucht wird – aller- Schritt getan haben. Wenn bei einem Zeitdruck werden gemeinsam die Ziele dings diesmal ohne den Umweg über Kind Förderbedarf festgestellt wird, in Bereichen wie Sprache oder Selbstbe- die Grundschule. „Sie arbeitet schnell sollten die Eltern sich keine Gedanken wusstsein festgelegt, auf die dann auch und zuverlässig. Marie hat den kom- machen, ob sie etwas falsch gemacht zuhause das Augenmerk gelegt wird. pletten Grundstock, den Benjamin nicht haben. Jedes Kind ist einzigartig und „Jedes Kind hat einen individuellen För- hatte“, berichtet Irene Eisemann. „Wir manche Kinder brauchen ein bisschen derplan für sich“. sind immer manchmal brav“, beschreibt mehr Starthilfe als andere. Obwohl Marie selbst, wie es in der Diagnose- und unsere anderen Kinder ja alle den nor- Rapider Leistungsabfall Förderklasse 2.2 zugeht, die sie besucht. malen Schulweg gegangen sind, hatten Bei Benjamin, dem Sohn von Irene Eise- Stolz zeigt sie die Ampel im Klassenzim- wir doch anfangs Zweifel, ob wir bei mann, wurden schon durch die Frühför- mer, an der jedes Kind immer ablesen Kilian etwas verpasst haben. Aber dank derung Defizite festgestellt. Trotzdem kann, ob im Moment alles o.k. ist. der Beratung und Begleitung durch das besuchte er zunächst die Regelschule. Team des Förderzentrums waren unsere „An Weihnachten haben wir gemerkt, Was tut dem Kind gut? Zweifel schnell beseitigt.“ dass es nicht vorwärts geht“. Benjamin Anke Ströhm hat drei Kinder. Sie weiß, Schulleiterin Ulrike Hahn hat es schon erzählte, dass der Lehrer herumbrüllt dass das Förderzentrum berufliche Per- oft erlebt, dass Kinder frustriert von der und Strafarbeiten verteilt. Ein Gespräch spektiven öffnet, denn ihr Sohn Lukas Regelschule kommen: „Bei uns erleben mit dem Lehrer bringt keine Verbesse- (20) hat inzwischen eine Ausbildung sie sich wieder als jemand, der was kann, rung, im Gegenteil, vor Ostern gingen begonnen. Im Alter von dreieinhalb Jah- der was schafft, der anderen helfen die Leistungen rapide nach unten. Die ren hatte er begonnen, zu epileptischen 4 RUND UM DIE DIAKONIE NEUENDETTELSAU rum gemacht hat“, berichtet sie weiter. Wenn sich bei einem Kind ein Förder- Sein jüngerer Bruder Kevin wurde nach bedarf abzeichnet, rät sie dazu, sich bei der Schuleingangsuntersuchung gleich einer Besichtigung ein eigenes Bild von an der Pestalozzi-Schule eingeschult. der Johann-Heinrich-Pestalozzischule Schwester Nina startete hingegen zu machen, das Kind testen zu lassen erfolgreich an der Grundschule, ent- und ein unverbindliches Gespräch zu wickelte aber gegen Ende der 2. Klasse