Die Governance der Energietransformation von Deutschland und Österreich im Vergleich

Niclas Wenz, M.A., geboren in Viernheim Darmstadt, den 13.02.2020

Am Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften der Technischen Universi- tät Darmstadt zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors rerum politicarum (Dr. rer. pol.) genehmigte Dissertation.

Erstgutachterin: Prof. Dr. Michèle Knodt

Zweitgutachter: Apl. Prof. Dr. Björn Egner

Wenz, Niclas: Die Governance der Energietransformation von Deutschland und Österreich im Vergleich Darmstadt, Technische Universität Darmstadt, Jahr der Veröffentlichung der Dissertation auf TUprints: 2021 Tag der mündlichen Prüfung: 13.02.2020

Veröffentlicht unter CC BY 4.0 International https://creativecommons.org/licenses/

Inhaltsverzeichnis

I Abbildungsverzeichnis iii

II Abkürzungsverzeichnisverzeichnis v

1...... Einleitung 1 1.1. Forschungsstand und Forschungsfrage 3 1.2. Vorgehensweise 7

2...... Governance 9 2.1. Governance-Mechanismen 13 2.2. Governance-Formen 15 2.2.1. Hierarchie 15 2.2.2. Wettbewerb 16 2.2.3. Verhandlungen 20 2.2.4. Netzwerke 22 2.3. Governance-Systeme 25 2.4. Governance-Strategien 28 2.5. Governance-Analyse und Hypothesen 36

3...... Methodik 40 3.1. Forschungsdesign 40 3.2. Länderauswahl 43 3.3. Datenerhebung 47 3.4. Datenanalyse 49

4...... Die Performanz der Energietransformation 52 4.1. Die Energietransformation im internationalen und europäischen Kontext 52 4.2. Deutschlands Energiemix und die langfristige Planung der Energiepolitik 56 4.3. Österreichs Energiemix und die langfristige Planung der Energiepolitik 63 4.4. Die Performanz der Energietransformation im Vergleich 67

5...... Die Governance der deutschen Energietransformation 72 5.1. Das spezifische Politikerbe der Energiepolitik in Deutschland 72 5.2. Handlungsfelder der Energietransformation 82 5.2.1. Energiebereitstellung 83 5.2.2. Energieverteilung 92

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5.2.3. Energienutzung 102

6...... Die Governance der österreichischen Energietransformation 111 6.1. Das spezifische Politikerbe der Energiepolitik in Österreich 111 6.2. Handlungsfelder der Energietransformation 117 6.2.1. Energiebereitstellung 118 6.2.2. Energieverteilung 126 6.2.3. Energienutzung 132

7...... Die Governance der Energietransformation im Vergleich 140 7.1. Energiebereitstellung 141 7.2. Energieverteilung 144 7.3. Energienutzung 148 7.4. Die konfigurativen Unterschiede der Governance-Systeme 150

8...... Schlussfolgerungen und Ausblick 156

9...... Literatur 160

Anhang: Liste der Interviewpartner 181

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I Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ausprägungen des Wettbewerbs ...... 20

Abbildung 2: Verhandlungsarten und Entscheidungskosten ...... 22

Abbildung 3: Netzwerktypen ...... 24

Abbildung 4: Überblick der Governance-Formen ...... 25

Abbildung 5: Wohlfahrtseffekte im Rahmen von Governance-Strategien ...... 30

Abbildung 6: Innovationsfähigkeit von Governance-Strategien ...... 35

Abbildung 7: Modell der Governance-Analyse ...... 37

Abbildung 8: Der konzeptionelle Analyserahmen ...... 39

Abbildung 9: Forschungsdesigns zwischen Fällen und Variablenanzahl ...... 41

Abbildung 10: Forschungsdesign im Rahmen des MSSD ...... 42

Abbildung 11: Die Performanz der EU-15-Staaten im Vergleich ...... 45

Abbildung 12: Systematisierung der Interviewpartner ...... 48

Abbildung 13: Weltweiter CO2 Ausstoß und Energieverbrauch in mil. t ...... 53

Abbildung 14: Deutschlands Energiemix in Mtoe ...... 60

Abbildung 15: Deutschlands Elektrizitätsbereitstellung 2016 ...... 61

Abbildung 16: Österreich im Energiemix in Mtoe ...... 64

Abbildung 17: Österreichs Elektrizitätsbereitstellung 2016 ...... 65

Abbildung 18: Organisationsstruktur der Energiestrategie Österreich 2020 ...... 66

Abbildung 19: Energiestrategische Ziele von Deutschland und Österreich ...... 68

Abbildung 20: Die Performanz der Energietransformation im Vergleich ...... 69

Abbildung 21: Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland in GWh ...... 85

Abbildung 22: Einspeisetarife zur Förderung Erneuerbarer Energien ...... 87

Abbildung 23: Erneuerbare Energien 2016 ...... 91

Abbildung 24: Stromimporte und Exporte in Terrawattstunden ...... 100

Abbildung 25: Sektoraler Energie-Endverbrauch in Petajoule ...... 105

Abbildung 26: Nettovergütung des Ökostroms durch die OeMAG in Euro ...... 122

Abbildung 27: Einspeisetarife zur Förderung erneuerbarer Energien in Euro ...... 124

Seite iii

Abbildung 28: Elektrizitätsimporte und Exporte in GWh ...... 131

Abbildung 29: Sektorale Verteilung des Energieverbrauchs ...... 133

Abbildung 30: Governance-Performanz von Transformationen ...... 152

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II Abkürzungsverzeichnisverzeichnis

ACER Agency for Cooperation of Energy Regulators

ACK Amtschefkonferenz

AEA Österreichische Energieagentur

AGEE-Stat Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik

AK Arbeiterkammer

AKW Atomkraftwerk

APG Austrian Power Grid

BDI Bundesverband der deutschen Industrie

BGBl Bundesgesetzblatt

BINE Bürgerinformationsdienst Neue Energietechniken

BIP Bruttoinlandsprodukt

BJ Basisjahr

BMLFUW Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

BMNT Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus

BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

BMVIT Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

BMwA Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten

BMWFJ Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend

BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

BMWV Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr

BNetzA Bundesnetzagentur

BP British Petroleum

BSI Bundesverband Solarindustrie

BWE Bundesverband Windenergie

CDU Christlich Demokratische Union

Seite v

ČEPS Česká energetická přenosová soustava

CO2 Kohlenstoffdioxid

CSU Christlich-Soziale Union

Dena Deutsche Energieagentur

DGS Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie

E-Control Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft

EE Erneuerbare Energien

EEffG Energieeffizienzgesetz

EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz

EEÖ Erneuerbare Energien Österreich

EEWärmeG Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz

EG Europäische Gemeinschaft

EGKS Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl

ELES Sistemski operater prenosnega elektroenergetskega omrežja

ELG Energieliberalisierungsgesetzes

ElWOG Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetzes

EnEG Energieeinsparungsgesetz

EnEV Energieeinsparungsverordnung

EnLAG Energieleitungsausbaugesetzes

ENTSO-E European Network of Transmission System Operators for Electricity

EnVHV Energieverbrauchshöchstwerteverordnung

EnVKV Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung

EnWG Energiewirtschaftsgesetz

ETS European Union Emissions Trading System

EU Europäischen Union

EVPG Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetzes

FDP Freie Demokratische Partei

Seite vi

GEG Gebäudeenergiegesetz

GROWIAN Große Windenergie Anlage

GWh Gigawattstunden

HeizAnlVO Heizungsanlagenverordnung

IEA Internationalen Energieagentur

IEKP Integrierten Energie- und Klimaprogramms

IEU Leipzig Institut für Energetik und Umwelt Leipzig

IGBE IG Bergbau und Energie

IV Industriellenvereinigung

Iwo Institut für Wärme und Öltechnik

KMU kleine und mittelständische Unternehmen

KOM EU-Kommission

KSG Klimaschutzgesetzes

LEEN Lernende Energieeffizienz-Netzwerke

LK Landwirtschaftskammer

MAVIR Magyar Villamosenergia-ipari Átviteli Rendszerirányító Zártkörűen

Működő Részvénytársaság

MDSD Most-Different-System-Designs

MSSD Most-Similar-System-Designs

Mtoe Millionen Tonnen Öleinheit

MW Megawatt

NABeG Netzausbaubeschleunigungsgesetzes

NAPE Nationale Aktionsplan Energieeffizienz

NEP Netzentwicklungsplan nTPA Negotiated Third Party Access

OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

OeMAG Ökostromabwicklungsstelle

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ÖGB Österreichischer Gewerkschaftsbund

OIB Österreichisches Institut für Bautechnik

OPEC Organisation erdölexportierender Länder

ÖSG Ökostromgesetz

ÖVP Österreichische Volkspartei

PCI Projects of common interest

PJ Petajoule

RegTP Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post rTPA Regulated Third Party Access

SPD Sozialdemokratische Partei Deutschland

SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs

SRU Sachverständigenrat für Umweltfragen

StrEG Stromeinspeisungsgesetz

TERNA Trasmissione Elettricità Rete Nazionale

TRANSNET-BW Übertragungsnetz in Baden-Württemberg

TYNDP Ten-Year Network Development Plan

UVP Umweltverträglichkeitsprüfung

UVS Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft

VDEW Vereinigung der Elektrizitätswerke

VIK Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft

VKU Verband kommunaler Unternehmen

WKO Wirtschaftskammer

WSVO Wärmeschutzverordnung

WWF World Wildlife Fund

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1. Einleitung

Aufgrund des fortschreitenden Klimawandels, schwindender fossiler Energieressourcen und zunehmender geopolitischer Abhängigkeiten steht die Energiepolitik vor der Aufgabe, die Energiebereitstellung auf erneuerbare Energien umzustellen. Damit einher geht die Notwen- digkeit, die bestehende Infrastruktur der Energieübertagung anzupassen, indem neue Trassen gebaut, bestehende Netze nachverstärkt und Speicher errichtet werden. Zunehmende Ener- giekosten und der kontinuierliche Anstieg des weltweiten Energiekonsums erfordern, die Ef- fizienz im Wohnungswesen, der Industrie sowie im Verkehr zu heben. Dies bedingt eine Mo- dernisierung, Flexibilisierung und Digitalisierung der Energienutzung, sodass Energieangebot und Nachfrage zukünftig besser aufeinander abgestimmt werden können. Um diese Herausforderungen adäquat zu bearbeiten, ist eine Energiepolitik erforderlich, die zu einer Transformation des bestehenden Energiesystems beiträgt. Dabei erfasst die Energie- politik im weitesten Sinne „politische Entscheidungen über die Exploration, Produktion, Dis- tribution und Konsumtion von Energie“ (Pollak et al. 2010: 9). Die Transformation des Ener- giesystems adressiert im Wesentlichen „die Gesamtheit aller Maßnahmen, die unter ökono- mischen, ökologischen und gesellschaftspolitischen Aspekten auf die Intervention, Regulie- rung und Strukturierung des wirtschaftlichen Teilsystems zielen, das für die Gewinnung, Be- reitstellung und Distribution von Energie für eine Volkswirtschaft zuständig ist“ (Illing 2012: 29). Die Europäische Union fördert die Transformation des Energiesystems ihrer Mitgliedsstaaten und strebt eine weitgehende Dekarbonisierung der europäischen Energieversorgung bis 2050 an (Ringel/Knodt 2018: 214). Gleichwohl ist ihr Gestaltungsspielraum aufgrund fehlender Rechtskompetenzen in der Energiepolitik sowie unterschiedlicher geografischer Gegebenhei- ten und Interessen ihrer Mitgliedsstaaten stark begrenzt (Knodt 2019: 176; Ringel/Knodt 2017). Folglich bestehen in den Mitgliedstaaten der EU ganz unterschiedliche Konzepte über die zukünftige Ausgestaltung der nationalen Energiepolitik (vgl. Knodt/Kemmerzell 2021). Während beispielsweise in Frankreich die Atomkraft dominiert, ist der Energiemix in Polen von Kohlekraftwerken geprägt. Die hier vergleichend zu analysierenden Föderalstaaten Deutschland und Österreich hingegen haben sich dazu entschieden, sowohl aus der Atom- energie sowie mittlerweile auch aus der Kohleverstromung auszusteigen. Entsprechend ha- ben beide Staaten ähnlich ambitionierte Energiekonzepte erarbeitet, in welchen Ziele und

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Maßnahmen bis zum Jahr 2020 benannt sind, um die Transformation des Energiesystems lang- fristig zu planen. Der Blick auf die bisherige Umsetzung zeigt, dass Österreich seine selbstge- steckten Ziele in der Energiepolitik bis 2020 weitestgehend erreichen wird. Deutschland hin- gegen hinkt seinen Ambitionen hinterher und wird voraussichtlich einen Großteil seiner Ziele verfehlen. Diese abweichende Performanz in der Transformation des Energiesystems zwi- schen Deutschland und Österreich ist höchst erklärungsbedürftig, weil beide Staaten für ge- wöhnlich in der vergleichenden Politikwissenschaft einer gemeinsamen Kategorie zugeordnet werden (Schmidt 2012: 332f.; Lijphart 1984: 216), wobei eine ähnlich hohe Problemlösungs- fähigkeit unterstellt wird (Lijphart 2012: 263). Dies führt unweigerlich zur Frage, warum sich die Performanz der Energietransformation in Österreich und Deutschland unterscheidet und welche Faktoren die Performanz der Energietransformation begünstigen? Wie diese Arbeit zeigen wird, vermögen die auf Makrovariablen basierenden Typologien nati- onaler Regierungssysteme die unterschiedlich ausgestalteten Strukturen und Prozesse in der Energiepolitik nicht hinreichend zu erfassen, da diese Forschungsansätze weniger an der Kom- plexität einzelner Politikfelder als vielmehr an der Klassifikation ganzer Staaten interessiert sind. Die Governance-Forschung rückt hingegen die Analyse von Strukturen und Prozessen des Regierens in komplexen Regelsystemen an die zentrale Stelle (Benz 2009; Benz et al. 2007). Damit ermöglicht Governance-Forschung eine detaillierte Perspektive auf die unterschiedlich ausgestaltete Regierungspraxis in der Energiepolitik von Deutschland und Österreich. Es wird herausgearbeitet, dass Österreich aufgrund eines verbundenen Governance-Systems und einer verstärkt innovativen Strategiewahl eine bessere Performanz der Energietransfor- mation aufweist. Damit stellt diese Arbeit die vorherrschende Auffassung in der Governance- Forschung in Frage, dass verbundene Governance-Systeme insbesondere durch Entschei- dungsblockaden gekennzeichnet seien (Dose 2016: 165). Vielmehr zeigen die Ergebnisse die- ser Analyse, dass gerade verbundene Governance-Systeme in Kombination mit innovativen Governance-Strategien Faktoren sind, die die Performanz der langfristig angelegten Energie- transformation begünstigen. Der Ruf nach mehr Zentralisierung und einem stärkeren „lead“ in der Deutsch- lands (Gawel et al. 2014: 6; Ohlhorst et al. 2013: 50; Ohlhorst/Tews 2013: 33f.) mag kurzfris- tige politische Entscheidungen begünstigen und Politikblockaden reduzieren, der langfristigen Zielerreichung und Performanz der Energietransformation wird er jedoch nicht gerecht. Der Vergleich zu Österreich macht vielmehr deutlich, dass die Energiepolitik in Deutschland nicht

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an der Komplexität föderaler Verhandlungsstrukturen und informeller Netzwerke versagt, sondern dass es ihr daran im erheblichen Maß fehlt.

1.1. Forschungsstand und Forschungsfrage Im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Literatur wurden bisher zahlreiche Zugänge und Er- klärungen geliefert, die die unterschiedlichen Transformationsverläufe von einem fossil ge- prägten Energiesystem in Richtung eines weitestgehend dekarbonisierten Energiesystems be- gründen und erklären. Obgleich dabei zumeist Analyserahmen verwendet werden, die meh- rere theoretische Zugänge verbinden, soll nachfolgend der Forschungsstand entlang von drei Begründungsmustern strukturiert werden. Diese drei Begründungsmuster sind jeweils durch unterschiedliche Akzente gekennzeichnet. Dabei soll nachfolgend zwischen interessenbasier- ten Ansätzen, diskursiven Erklärungsmustern sowie institutionentheoretischen Erklärungen unterschieden werden, um die enorme Anzahl an Publikationen zum Thema der Energietrans- formation greifbar zu machen. Gleichzeitig erlaubt dieses Vorgehen die vielfach rein deskrip- tiven Arbeiten an dieser Stelle auszuklammern und dabei gleichzeitig den Blick für theoretisch begründete Erklärungsfaktoren von Energietransformationen zu schärfen, die es bezüglich der anschließenden Fallauswahl zu berücksichtigen gilt (Sieberer 2007: 254). Eine erste Gruppe erklärt Transformationsprozesse unter Rückgriff auf Interessensgruppen. Arbeiten in diesem Feld betonen den Erfolg einer Lobby pro-erneuerbarer Energien für Trans- formationsprozesse. Im Rahmen dieser Ansätze wird beispielsweise die Boomphase der Ener- giewende in Deutschland nach der Jahrtausendwende durch die Lobby der erneuerbaren Energien erklärt, welche begünstigt durch den Atomausstieg die etablierten Interessen zu- rückdrängen konnte (Mautz 2012; Mez/Piening 2002). Andere Arbeiten im Bereich der Inte- ressenvermittlung greifen auf den Ansatz des Advocacy-Koalitionsmodells zurück und erklären Reformprozesse beim Ausbau der erneuerbaren Energien durch den wechselnden Einfluss der ökologischen und ökonomischen Koalition auf die inhaltliche Ausgestaltung der Energiepolitik in Deutschland (Dagger 2009; Hirschl 2008). Daran schließt sich eine zweite Gruppe an, die verstärkt im Rahmen von Diskursen, Frames und Paradigmen den Verlauf von Transformationsprozessen erfasst. Hier können Ansätze un- terschieden werden, welche sich auf den Einfluss von Frames und Paradigmen hinsichtlich der staatlichen Problemdefinitionen fokussieren (Kern et al. 2014; Lauber/Jacobsson 2016), und

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solche, die vornehmlich die historische Entwicklung nationaler Energiediskurse sowie Narra- tive in den Vordergrund stellen und diese vorzugsweise im Rahmen von Netzwerkanalysen untersuchen (Schmidt et al. 2019; Haunss et al. 2013). Neben diesen zumeist auf die Bereit- stellung erneuerbarer Energien ausgerichteten Forschungsarbeiten existieren vereinzelt Ar- gumentationsanalysen, die sich mit Konflikten des Netzausbaus in Deutschland befassen (Kühne/Weber 2017; Neukirch 2016). Interessenbasierte und diskursive Erklärungen sind gut darin gesellschaftspolitische Konflikte der Energietransformation aufzuzeigen und mittels diskurs- oder interessensbasierten Koali- tionen zu begründen, wie die energiepolitische Agenda ausgestaltet war (Dagger 2009), wie die Mediendebatten Diskurskoalitionen formen (Haunss et al. 2013; Schwedes et al. 2013) oder wie sich die energiepolitischen Normen im Rahmen von Parlamentsdebatten zwischen den Parteien verschoben haben (Schmidt et al. 2019). An Erklärungsfaktoren jedoch, welche die konfliktiven Koalitionen und Standpunkte überwinden, sind diese Arbeiten nicht interes- siert. Weil es ihnen um den Wandel von Policies im Rahmen der Energietransformation geht, verlieren sie schnell den Blick für die historisch gewachsenen Strukturen und Prozesse des Regierungssystems, in welchem die vordergründigen Konflikte und Probleme letztlich bear- beitet werden. Diese Strukturen und Prozesse werden vor allem von institutionellen Erklärungsansätzen adressiert, die eine weitere Gruppe darstellen. Hierbei sind insbesondere Ansätze zu diskutie- ren, die die historische Entwicklung von Institutionen in den Vordergrund stellen und die auf der Theorie der Pfadabhängigkeit aufbauen (vgl. Pierson 2000). Energietransformationen wer- den in diesem Rahmen durch ihre eigene Vorgeschichte erklärt (Gross/Hanna 2019; Pearson 2016; Stefes 2014; Suck 2008). Die Ausgestaltung der Energietransformation wird durch posi- tive Feedbacks verstärkt, bis diese schließlich eingefahren und kaum mehr wandelbar erschei- nen (lock-in). Weil jedoch pfadabhängige Erklärungen tendenziell besser geeignet sind, die Stabilität des Energiesystems und weniger dessen Wandel im Verlauf von Transformations- prozessen zu erfassen, wurden Ansätze der Pfadabhängigkeit in der jüngeren Vergangenheit mit diskursiven Zugängen verknüpft. Dabei hat sich eine hybride Erklärungsgruppe ausgebil- det, in der historisch-institutionelle und diskursive Ansätze verbunden werden (Busch- mann/Oels 2019; Hake et al. 2015). Transformationsprozesse werden hier durch einen „dis- kursiven Lock-in“ erklärt, der sich über die Zeit verstärken kann und eine neue Pfadabhängig- keit der erneuerbaren Energien hervorbringt. „We believe that the story of the German energy

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transition should be told as one of increasing lock-in of renewables. […] We think that the German energy transition is a clear case of the (discursive) institutionalization (Busch- mann/Oels 2019: 10f.). Gleichwohl bleiben auch diese Ansätze, wie die interessenbasierten und diskursiven Zugänge, bei der Erklärung von Transformationsprozessen dem Dualismus aus Befürwortern und Gegner eines erneuerbaren Energiesystems verhaftet, auch wenn sich der Dualismus in diesen hybriden Ansätzen weniger zwischen Akteurs- und Diskurskoalitionen, sondern vielmehr im Rahmen von Lock-ins zwischen Pfaden der erneuerbaren und fossilen Energiepolitik zeigt. „However, this has happened alongside a continuing carbon lock-in that has not yet been successfully overcome” (Buschmann/Oels 2019: 11). Versuche, diesen Dualismus produktiv zu nutzen, gingen bisher insbesondere vom Ansatz der sozio-technischen Regime aus, da hier die Beziehungen zwischen den etablierten Akteuren des Energiesystems und jenen, die diese herausfordern, an zentrale Stelle rücken. Der Ansatz sozio-technischer Regime erklärt Transformationspfade durch das situative Zusammenspiel der vorherrschenden Produktionsverhältnisse dominanter Regime, den aufkeimenden Inno- vationsnetzwerken in Nischen sowie Umweltbedingungen (Geels/Schot 2007). Auch hier las- sen sich mittlerweile hybride Erklärungsansätze finden, in welchen – neben der Analyse der unterschiedlichen sozio-technischen Ebenen – Narrative hinsichtlich der Deutung der Umwelt- bedingungen in empirische Analysen integriert werden (Leipprand/Flachsland 2018; Herm- wille 2016). Allerdings vernachlässigen sozio-technische Ansätze mit ihrem Fokus auf techni- sche Innovationen zumeist den Einfluss politischer Prozesse und mächtiger Interessenkoaliti- onen (Hess 2014: 282) und ignorieren die energiepolitischen Restriktionen des Institutionen- gefüges im Hinblick auf Fragen zur Ausgestaltung der Governance (Patterson et al. 2017). So wird zwar im Rahmen eines Vergleichs zwischen Deutschland und Großbritannien auf die zent- rale Bedeutung unterschiedlicher Regierungssysteme aufmerksam gemacht, die Auswirkun- gen auf die Prozesse der Konfliktverarbeitung und Politikgestaltung werden jedoch nicht wei- ter diskutiert. Lediglich wird darauf hingewiesen, dass das Westminstermodell in Großbritan- nien den Zugang für Stakeholder und neue Akteure erschwert, was in Großbritannien im Ver- gleich zu Deutschland die Transformation des Energiesystems einschränkt (Geels et al. 2016: 910). Positiv hervorzuheben ist, dass der Ansatz der sozio-technischen Regime nicht nur im Rahmen der Bereitstellung erneuerbarer Energien nutzbar gemacht wurde, sondern auch mit Blick auf die Elektromobilität angewandt wurde (Truffer et al. 2017; Mazur et al. 2015; Strunz 2014; Steinhilber et al. 2013).

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Ebenfalls aus einer institutionalistischen Perspektive haben vergleichende Arbeiten – insbe- sondere aus der Politikwissenschaft – verstärkt auf die Bedeutung vorherrschender Regelsys- teme sowie prozessualer Gegebenheiten verwiesen, die Transformationsprozesse beschleu- nigen, aber auch hemmen können (Laird/Stefes 2009: 2628). Bereits Mitte der 1980er-Jahre verwies John Ikenberry im Rahmen einer vergleichenden Analyse auf den Zusammenhang von Energiepolitik und struktureller Ausgestaltung innerstaatlicher Beziehungsmuster, welche die Leistungsfähigkeit und das staatliche Instrumentarium (institutional capacity) zur strategi- schen Energieplanung bedingen (Ikenberry 1986). Ähnlich argumentierte im selben Jahr Mi- chael Hatch, der am Gegenstand der Atomenergie die Bedeutung des politischen Systems und dessen Prozesse für die strategische Ausrichtung nationaler Energiepolitiken hervorhob. „In conclusion, energy policy is not simply a matter of economic choice, ecological nessessity, or geological fortuna. Politics is central to the analysis of energy policy” (Hatch 1986: 192). Diese Zentralität von Strukturen und Prozessen des Regierungssystems für die Analyse der Energiepolitik und damit verbundene Erklärungsansätze sind in der Forschungsliteratur im Rahmen der Energietransformation kaum vorhanden. Während es mit Blick auf Deutschland noch einzelne Arbeiten gibt, die explizit die Governance des Regierungssystems bei der Erklä- rung von Energietransformationen hervorheben (Kemmerzell 2021; Canzler 2018; Chemnitz 2018; Ohlhorst et al. 2013; Mautz 2012; Hirschl 2008), sind vergleichbare Ansätze bezüglich Österreich veraltet (Kok 1991) oder auf vereinzelte Überblicksartikel in Sammelbänden be- schränkt (Winkler-Rieder 2006; Stickinger 2004; Lauber 2002). Der Überblick der bisherigen Forschungsliteratur verdeutlicht einerseits, dass die Analyse von Energietransformationen auf der Grundlage unterschiedlicher theoretischer und methodi- scher Zugänge aufbaut. Während mittlerweile neben zahlreichen Einzelfallstudien auch ver- gleichende Arbeiten vorzugsweise im Rahmen des Ansatzes sozio-technischer Regime vorlie- gen (Gross/Hanna 2019; Geels et al. 2016; Hermwille 2016; Steinhilber et al. 2013), sind ver- gleichende Governance-Analysen bisher nicht im Rahmen der Energietransformation geleistet worden. Andererseits wird deutlich, dass bisherige Analysen der Energietransformation auf die Bereitstellung erneuerbarer Energien fokussiert sind. Die zentrale Frage ist zumeist, wie fossile Energieträger durch den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien zurückgedrängt werden können. Fragestellungen, die sich vorwiegend den Strukturen und Prozessen der Ener- gietransformation widmen, finden sich hingegen kaum. Darüber hinaus fehlt es vor allem an ganzheitlichen Perspektiven, welche die Infrastruktur der Übertragungsnetze sowie das

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Thema der Energieeffizienz in die Analyse von Transformationen des Energiesystems integrie- ren (Guidati/Soothill 2017: 7550). Summa summarum wird deutlich, dass die aktuelle Forschung zur Energietransformation zum einen nicht nur an einer fehlenden Thematisierung vorherrschender Strukturen und Prozesse, sondern, zweitens, auch an einer fragmentierten Analyseperspektive auf das Energiesystem leidet. Folglich werden die zentralen Herausforderungen der Energietransformation unbe- rücksichtigt voneinander diskutiert und bearbeitet. Im Ergebnis führt dies zu einseitigen Be- wertungen von Energietransformationen, indem mal die positive Performanz im Hinblick auf die Bereitstellung erneuerbarer Energien betont wird, während andere Analysen lediglich die mangelnde Performanz beim Netzausbau und einen zunehmenden Energieverbrauch adres- sieren. Mit einer verstärkt übergreifenden Perspektive auf die zentralen Handlungsfelder der Energietransformation möchte die vorliegende Arbeit die Performanz der Energietransforma- tion entlang der Wertschöpfungskette aus Energiebereitstellung, Energieverteilung und effi- zienter Energienutzung analysieren, um die übergeordnete Fragestellung zu beantworten: Welche Faktoren bedingen die Performanz von Energietransformation aus der Perspektive der Governance-Forschung? Damit soll einerseits ein integrativer Beitrag hinsichtlich der zuneh- menden Ausdifferenzierung der aktuellen Forschung zur Energietransformation geleistet wer- den. Andererseits ist diese Arbeit bestrebt, die Forschungslücke im Hinblick auf vergleichende Governance-Analysen im Themenfeld der Energiepolitik zu verkleinern, um neben empiri- schen Befunden auch theoriegeleitete Schlussfolgerungen anzubieten.

1.2. Vorgehensweise Das anschließende Kapitel zur Governance-Forschung wendet sich dem theoretisch-konzepti- onellen Rahmen dieser Arbeit zu. Beginnend mit einem kurzen Überblick der Governance- be- ziehungsweise Steuerungsdebatte wird die Forschungsperspektive der Governance-Analyse theoretisch ausgearbeitet. Dabei wird insbesondere auf die vergleichende Perspektive der Governance-Analyse eingegangen, die im Rahmen jüngster Forschungsarbeiten zu ersten An- nahmen in Richtung einer Policytheorie führte. Das Ziel dieser Forschungsströmung ist die Leistungsfähigkeit politischer Entscheidungen sowie die Performanz politischer Systeme durch das Zusammenwirken von Governance-Formen einerseits und Governance-Strategien andererseits besser zu verstehen, um letztlich Defizite wie auch Politikblockaden zu erklären (Benz 2009; Benz/Dose 2010; Benz 2016, Dose 2016).

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Das dritte Kapitel führt in die zugrundeliegende Methodik des Vergleichs ein und begründet das gewählte Forschungsdesign sowie die Fallauswahl von Deutschland und Österreich. Da- rauf aufbauend diskutiert das vierte Kapitel den bisherigen Transformationspfad beider Staa- ten, um die abhängige Variable in Form der Performanz der Energietransformation zwischen beiden Länderfällen zu bewerten und gegenüberzustellen. Kapitel fünf und sechs analysieren dann im Rahmen einer vergleichend angelegten detaillierten Fallstudie, welche erklärenden Faktoren die abweichende Performanz der Energietransformation von Deutschland und Ös- terreich begründen. Dabei sind die empirischen Kapitel der beiden Fallstudien von Deutsch- land und Österreich identisch strukturiert: Zu Beginn werden die jeweiligen historischen Vor- prägungen der Energiepolitik ausgearbeitet. Daran anschließend werden die Strukturen und Prozesse der zentralen Handlungsfelder der Energietransformation von der Bereitstellung er- neuerbarer Energien, ihrer überregionalen Verteilung bis hin zur abschließenden effizienten Nutzung sowohl in Deutschland als auch in Österreich analysiert. Ziel dieser Kapitel ist es, die Konfiguration der Governance-Systeme in den fokussierten Handlungsfeldern zu identifizie- ren. Das siebte Kapitel schließlich zielt auf den Vergleich der jeweiligen Governance-Systeme von Deutschland und Österreich entlang der drei Handlungsfelder der Energiebereitstellung, der Übertragungsnetze sowie der Energienutzung, um die unterschiedlichen Faktoren in der Kon- figuration der Governance-Systeme zu erfassen, die die Performanz von Energietransforma- tion erklären. Das abschließende, achte Kapitel reflektiert die empirischen Ergebnisse vor dem Hintergrund des gewählten Forschungsdesigns und des theoretisch-konzeptionellen Rahmens und schluss- folgert gewonnene Erkenntnisse für die weitere Governance-Forschung.

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2. Governance

Das folgende Kapitel führt in die zentralen Begriffe der Governance-Forschung ein und mün- det schließlich in ein theoretisch-konzeptionelles Analysemodell. Damit konkretisieren die nachfolgenden Unterkapitel die Forschungsperspektive und legen jenen Ausschnitt der Reali- tät fest, welcher aus Sicht der Governance-Forschung als notwendig betrachtet wird, um die abweichende Performanz der Energietransformation zwischen Deutschland und Österreich zu erklären. Der Governance-Begriff findet sich heute sowohl im alltäglichen Sprachgebrauch als auch in wissenschaftlichen Fachdiskursen wieder. Dabei adressiert der Begriff neue Formen gesell- schaftlicher, ökonomischer und politischer Koordination. Er hebt damit Prozesse und Struktu- ren hervor, an welchen staatliche Akteure verstärkt mit privaten wie gesellschaftlichen Akteu- ren zusammenwirken und interagieren. Doch mit dem Governance-Begriff wird nicht nur eine zunehmende Öffnung des Staatswesens gegenüber privaten wie gesellschaftlichen Akteuren verbunden, sondern auch eine zunehmende Mehrebenenverflechtung zwischen lokaler, regi- onaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene hervorgehoben (Knodt/Große Hüttmann 2005: 187). Gleichwohl stellt der Governance-Begriff weder eine abgeschlossene Theorie noch einen einheitlichen Forschungsansatz dar, sondern ist vielmehr eine interdiszip- linäre Perspektive und Sichtweise auf die Realität des heutigen Regierens in komplexen Regel- systemen (vgl. Benz et al.: 2007). Die Politikwissenschaft akzentuiert mit dem Begriff Governance die Abkehr von der Vorstel- lung des Staates als rein hierarchisches Koordinationsmodell (Benz 2004a: 17). Entsprechend steht der Governance-Begriff heute für einen Oberbegriff und einen „Brückenbegriff“ (Schup- pert 2008: 18), welcher die vielfältigen Muster der Interdependenzbewältigung zwischen Akt- euren in den Vordergrund seiner Analyse stellt (Lang/Schimank 2004: 19; Mayntz 2004). Die Phänomenologie des Governance-Begriffs wird zumeist in einem Dreischritt von „Pla- nung“ über „Steuerung“ bis zur „Governance“ beschrieben (Benz et al. 2007: 12). Den Beginn des Siegeszugs des Governance-Begriffs markiert die Staatskritik Ende der 1960er-Jahre. Un- ter dem Schlagwort des „Staatsversagens“ wurden den westlichen Demokratien eine prinzipi- elle Unregierbarkeit sowie ein allgemeines Steuerungsversagen attestiert. Gründe der Unre- gierbarkeit wurden im Parteiensystem durch eine mangelnde Willens- und Konsensbildung und im Regierungssystem aufgrund von Entscheidungsblockaden und einem zunehmenden

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Vertrauensverlust in der Bevölkerung ausgemacht. Gründe für das Steuerungsversagen wur- den im Hinblick auf Implementations- und Vollzugsdefizite traditioneller Interventionsinstru- mente des Staates geäußert (Mayntz 1987: 89f.). Mit der aufkeimenden Kritik ging eine Ab- kehr der restriktiven Planungstheorie einher, die in eine empirische Analyse der Politikent- wicklung sowie Mitte der neunziger Jahre zu einer Fokussierung der Implementationsfor- schung führte (Mayntz 2004). Maßgeblich trug dabei die Policy-Analyse zu der Erkenntnis bei, dass neben der Betrachtung des „Steuerungssubjekts“ auch die Besonderheiten des adres- sierten „Steuerungsobjekts“ in den Blick zu nehmen seien – eine empirisch-analytische Ein- sicht, die sich in der Regierungslehre im Modell der „kooperativen Verwaltung“ (vgl. Benz 1994) sowie des „kooperativen Staates“ (vgl. Voigt 1995) prominent wiederfindet. Doch ob- gleich beide Perspektiven Mitte der neunziger Jahre das kooperative Staatshandeln hervorhe- ben, verbleiben sie im Kern der Steuerungstheorie verhaftet. Denn es ist nach wie vor das politisch-administrative System, das rational begründete und gesellschaftlich legitimierte Leis- tungen verfolgt. Entsprechend wird die Unterscheidung und Differenzierung der Steuerungs- theorie in Form eines regulierenden Steuerungssubjekts und eines zu regulierenden Steue- rungsobjekts beibehalten, auch wenn sich die Art und Weise des Regulierungsprozesses ko- operativ und nicht hierarchisch vollzieht. In der Folge fungierte der Governance-Begriff als Bindeglied zwischen den idealtypischen Ordnungsmodellen Hierarchie einerseits und Markt andererseits. Dabei bilden die Idealtypen Hierarchie und Markt Extremformen ab, in deren Mitte unter dem Begriff Governance zumeist Verhandlungen in Netzwerkarrangements em- pirisch analysiert werden (Brandes/Schneider 2009: 48f.). Die Überwindung der steuerungstheoretischen Prämisse gelingt jedoch erst, wenn nicht ein- zelne Formen gesellschaftspolitischer Regulierung, sondern ihr komplexes Zusammenwirken im Fokus der Analyse stehen (Grande 2012: 578). Dies bedingt den von Renate Mayntz gefor- derten Perspektivwechsel im Rahmen der Governance-Analyse, indem sich die analytische Aufmerksamkeit vom Akteur auf die Institution verschiebt. „Nicht die Intervention, das Steu- erungshandeln von Akteuren, sondern die wie auch immer zustande gekommene Regelungs- struktur und ihre Wirkung auf das Handeln der ihr unterworfenen Akteure steht nun im Vor- dergrund. Die Governance-Perspektive geht damit nahtlos in eine institutionalistische Denk- weise über“ (Mayntz 2004).

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Auf der Grundlage der Arbeiten im Rahmen des Kölner Max-Plank-Instituts (vgl. Ma- yntz/Scharpf: 1995) sowie der sich anschließenden Fortentwicklung an der Fernuniversität Ha- gen (vgl. Lange/Schimank 2004; Benz et al. 2007) wurden im Anschluss hybride Formen kol- lektiver Handlungskoordination ausgearbeitet. Dabei wurden insbesondere die Grundtypen Hierarchie, Verhandlungen, Netzwerke und Wettbewerb als basale Governance-Formen klas- sifiziert sowie deren komplexes Zusammenwirken in realen Situationen und Mehrebenenver- flechtungen erfasst (vgl. Benz/Dose 2010). Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten hat sich der Governance-Begriff zu einem analytischen Konzept fortentwickelt, mit dessen Hilfe die Handlungskoordination in komplexen Regelsys- temen erfasst werden kann. Dabei ist die Governance-Analyse in ein weites Begriffsverständ- nis eingebettet. Während unter einem engen Begriffsverständnis von Governance lediglich eine Differenzierung zwischen Governance und Government ermöglicht wird, fokussiert ein weites Begriffsverständnis kollektives Handeln von Akteuren mit dem Ziel der Interdepen- denzbewältigung (Schimank 2007: 32; Benz/Dose 2010: 251). Um die Strukturen und Prozesse von Akteuren im Rahmen der Interdependenzbewältigung zu erfassen, differenziert die Governance-Analyse zwischen den drei Analysedimensionen Governance-Mechanismen, Governance-Formen und Governance-Systemen. Es wird, erstens, auf der untersten Ebene, den Governance-Mechanismen, zwischen Beobach- tung, Beeinflussung und Verhandeln unterschieden, wobei allen drei Mechanismen eine rela- tionale Perspektive zwischen Akteuren zugrunde liegt. Zweitens wird auf der mittleren Ebene, den Governance-Formen, zwischen den basalen Ordnungsmodellen Wettbewerb, Verhand- lungen, Netzwerke und Hierarchie differenziert. Dabei bilden die Governance-Formen das the- oretische Herzstück der Analyse. Allerdings wird nicht unterstellt, dass Governance-Formen deterministisch auf das Handeln der Akteure wirken. Vielmehr geht es um die endogenen Dy- namiken in der Wechselwirkung von Strukturen der Interaktion und dem strategischen Han- deln der Akteure (Benz/Dose 2010: 256). Unter Rückgriff auf Verbindungen zwischen Gover- nance-Formen können Aussagen über den Verlauf wie auch das Ergebnis von komplexen Struktur-Prozess-Konfigurationen abgeschätzt werden. Gleichwohl ist die empirische Analyse der Governance-Forschung in der Realität zumeist nicht mit idealtypischen Governance-For- men konfrontiert, sondern mit kontextspezifischen Mischformen. Diese Mischformen sowie ihr spezifisches Zusammenwirken werden, drittens, auf der obersten Analyseeinheit, den

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Governance-Systemen, empirisch erfasst. Entsprechend stellen Governance-Systeme kom- plexe Kombinationen aus Governance-Formen dar, in welchen individuelle oder korporative Akteure von der lokalen über die regionale, nationale und europäische Ebene bis zu Regimen auf internationaler Ebene in unterschiedlichen Kontexten zusammenwirken (Benz/Dose 2010: 264). Theoretische Tiefenschärfe gewinnt die Governance-Analyse jedoch erst, indem zwischen ein- gebetteten und verbundenen Governance-Systemen unterschieden wird, um die Leistungsfä- higkeit eines Governance-Systems in realen Situationen zu erklären. Dies ermöglicht, Hemm- nisse wie Triebkräfte von politikfeldspezifischen Governance-Systemen auszuarbeiten. Die Unterscheidung in eingebettete und verbundene Kombinationen von Governance-Formen geht auf Beobachtungen im Rahmen von Verwaltungsreformen zurück (Benz 2006: 35). Wäh- rend anfänglich in zahlreichen Arbeiten einzelne Governance-Formen zur Erklärung der Effek- tivität und Leistungsfähigkeit administrativer Verwaltungssysteme ausgearbeitet wurden, konnten spätere Studien zeigen, dass Governance-Formen nicht singulär auffindbar sind, son- dern zumeist einer Kombination und Konfiguration unterliegen (Dose 2016). Während eingebettete Kombinationen von Governance-Formen durch eine Rangordnung ge- kennzeichnet sind, in der eine Governance-Form die anderen dominiert, sind verbundene Governance-Formen durch das Fehlen einer Über- oder Unterordnung gekennzeichnet. Dabei wurde in wegweisenden Arbeiten der Governance-Forschung dargelegt, dass eingebettete Konstellationen weniger anfällig für Blockaden sind, während verbundene Governance-For- men kollektives Handeln durch divergierende Mechanismen erschweren können (vgl. Scharpf 1976; vgl. Lehmbruch 2000; vgl. Benz et al. 2016). Doch bevor näher auf die konkreten Konfi- gurationen von Governance-Formen und deren Leistungsfähigkeit eingegangen wird, soll nachfolgend in die grundlegenden Analysedimensionen der Governance-Forschung einge- führt werden. Aus diesem Grund wird anschließend die Bedeutung von elementaren Gover- nance-Mechanismen erläutert und darauf aufbauend die basalen Governance-Formen detail- liert dargestellt. Erst dann wird auf das Zusammenwirken von Governance-Formen im Rahmen von Governance-Systemen vertiefend eingegangen. Schließlich wird die Innovationsfähigkeit unterschiedlicher Governance-Strategien diskutiert, die sowohl in eingebetteten als auch ver- bundenen Governance-Systemen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit haben. Schließlich wer- den Hypothesen aus den theoretischen Grundlagen abgeleitet, welche die abweichende Per- formanz der Energietransformation mit Blick auf die Konfiguration der Governance erklären.

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Das abschließende Unterkapitel bündelt die theoretisch-konzeptionellen Erkenntnisse im Rah- men eines Analysemodells, welches den empirischen Forschungsprozess strukturiert und die Forschungshypothese operationalisiert.

2.1. Governance-Mechanismen Governance-Mechanismen adressieren Verfahren der Handlungsabstimmung zur Interdepen- denzbewältigung im Rahmen einer sozialen Ordnung und konstituieren diese Ordnung zu- gleich. Weil die Interdependenzbewältigung durch eine Handlungsabstimmung die Interaktion von mindestens zwei Akteuren voraussetzt, kann sie als das Merkmal von Sozialität bezeichnet werden. „Abstimmung liegt […] dann vor, wenn ein Akteur bei der Wahl seines Handelns das schon gesehene oder für die Zukunft antizipierte Handeln anderer in Rechnung stellt“ (Schi- mank 2007: 30). Dabei muss die Abstimmung keinesfalls bewusst zwischen den Akteuren er- folgen, sondern kann auch unbewusst sozusagen hinter dem Rücken der Akteure erfolgen. Weil dies jedoch nicht jeder Akteur für sich vollbringt, sondern sein Gegenüber eben in glei- cher Art und Weise sein Handeln wählt, ist die Abstimmung zwischen Akteuren mit dem Sach- verhalt der „doppelten Kontingenz“ konfrontiert – mit einer Situation also, in der Ego das Han- deln von Alter berücksichtigt und Alter das Handeln von Ego. Dieser scheinbar unauflösbare Zirkel wird von sozialen Akteuren in kollektiven Situationen praktisch täglich bewältigt (Schi- mank 2007: 31). Wie Akteure ihre Handlungen abstimmen und koordinieren und welche Governance-Mecha- nismen eine gemeinsame Handlungskoordination ermöglichen, kann grundsätzlich auf der Ba- sis von Beobachtung, Beeinflussung und Verhandeln erfolgen. Während durch Beobachtung eine Nachahmung der Handlung erfolgen kann, ermöglicht die Beeinflussung eine Anpassung des Handelns. Durch Verhandeln kann letztlich eine Vereinbarung über das Handeln zwischen Akteuren generiert werden (Lange/Schimank 2004: 19f.). Damit geht die vereinfachte Annahme einher, dass Akteure im Rahmen der Interdependenz- bewältigung ihr Handeln danach bewerten, welche Folgen das kollektive Handeln bezüglich der Verwirklichung der eigenen Interessen hat (Benz/Dose 2010: 251). Dabei ist davon auszu- gehen, dass kein Akteur sein Interesse uneingeschränkt zu realisieren vermag – wohl aber, dass jeder versucht ist, „das Beste aus der Situation zu machen“, auch wenn damit Konzessi- onen und Enttäuschungen verbunden sind und gelegentlich nur die schlechteste Option abge- wendet werden kann (Schimank 2007: 31).

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Wenngleich in der Realität diverse Mechanismen ausfindig gemacht werden können sowie einzelne Mechanismen für spezifische Governance-Formen prägend sind, begrenzt sich die Ausführung im Nachfolgenden auf die grundlegenden Mechanismen der Governance-For- schung, die auf der höchsten Abstraktionsebene angesiedelt sind und dadurch eine Gültigkeit für sich beanspruchen können, die weit über den Einzelfall hinausgeht. Uwe Schimank veror- tet die elementaren Governance-Mechanismen entlang einer Guttmanskala, indem nur die Beobachtung singulär auftreten kann, während die Beeinflussung die Beobachtung voraus- setzt sowie das Verhandeln, die Beobachtung und die Beeinflussung bedingt (Schimank 2007: 35; Lang/Schimank 2004: 20). Wenn die Interdependenz zwischen zwei oder mehreren Akteuren auf der Grundlage von Nachahmung erfolgt, liegt den Akteuren das Interesse zugrunde, entweder gleich oder besser zu sein als der Gegenstand der Beobachtung. Wenn die Interdependenz auf der Grundlage von Anpassung erfolgt, besitzen die Akteure das Interesse, aktiv auf der Basis asymmetrisch verteilter Einflussnahme mittels Macht, Geld, Wissen, Liebe, Sympathie oder Autorität auf die beobachtete, kollektive Handlungskoordination einzuwirken. Weil Situationen unwahrschein- lich sind, in welchen die Verteilung von Einflusspotenzial gänzlich auf einer Seite zu verorten ist, vollzieht sich die Interdependenzbewältigung auf der Grundlage von Anpassung als „Ab- gleich von Einflusspotenzial“ (Schimank 2007: 38). Der Mechanismus des Verhandelns zielt auf Vereinbarungen zur Handlungskoordination, die in direkter Auseinandersetzung zwischen Akteuren geschlossen werden. Dabei beobachten Akteure sich nicht nur, sondern beeinflussen sich auch gegenseitig in Kommunikationsprozes- sen (Benz/Dose 2010: 255). Ist der Governance-Mechanismus des Verhandelns durch formale Regeln wie Gesetze oder Abstimmungsverfahren organisiert und wird im Rahmen einer Ana- lyse erfasst, geht die Microperspektive auf Governance-Mechanismen in eine Mesobetrach- tung der Governance-Formen über. Weil es insbesondere diese organisierten Formen der In- terdependenzbewältigung sind, welche mit der Governance-Analyse adressiert werden, wen- den sich die nachfolgenden Abschnitte ausführlich der Darlegung und Funktion von Gover- nance-Formen zu.

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2.2. Governance-Formen

Während die sehr abstrakten elementaren Mechanismen Auskunft über die Art und Weise der Interdependenzbewältigung geben, adressieren Governance-Formen die dabei erwachse- nen Strukturen der Interaktion. Entsprechend hilft der Blick auf Governance-Formen, die „Handlungskoordination aus der Wechselwirkung von Strukturen und Interaktionen zu erklä- ren“ (Benz/Dose 2010: 256). Im Rahmen der Governance-Forschung wurden bisher vier Ideal- typen beziehungsweise basale Governance-Formen ausgearbeitet: Hierarchie, Wettbewerb, Verhandlungen und Netzwerke. Sie stellen komplexe Struktur-Prozess-Konfigurationen dar, in welchen die Interdependenzbewältigung in unterschiedlichen Prozessen bearbeitet wird und die durch unterschiedliche Strukturen Koordination ermöglichen. Dabei können die Gover- nance-Formen Hierarchie und Netzwerke als komplementäre Koordinationsformen aufgefasst werden, weil ihr Auftreten in realen Governance-Systemen sich zumeist mit Verhandlungen und Wettbewerb überlappt (Benz 2009: 86). Weil für die sich anschließenden detaillierten Fallstudien von Deutschland und Österreich ins- besondere die Governance-Formen Hierarchie, Wettbewerb, Verhandlungen und Netzwerke von besonderer Bedeutung sind, sollen diese nachfolgend näher erläutert werden, auch wenn darüber hinaus weitere Governance-Formen, wie beispielsweise Gemeinschaften, in der Governance-Literatur umfassend diskutiert wurden (vgl. Gläser 2007).

2.2.1. Hierarchie Die Governance-Form Hierarchie bildet eine Struktur, in der die Interaktion zwischen den Akt- euren auf asymmetrische Machtverteilung und Weisung beruht. Bekannte Beispiele der Hie- rarchie finden sich einerseits im Staat und der Organisationsstruktur von Verwaltungen sowie andererseits im Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern. Doch nicht nur im öffentlichen Sek- tor lässt sich die Governance-Form der Hierarchie beobachten. Hierarchie findet sich auch als dominantes Strukturmuster in privatwirtschaftlichen Unternehmen oder gesellschaftspoliti- schen Vereinen und Organisationen wieder. Blickt man auf den altgriechischen Bedeutungs- hintergrund, bezeichnet Hierarchie eine „heilige Ordnung“, in der die katholische Kirche die Über- und Unterordnung der Elemente des christlichen Glaubens sowie die Begründung der Allmacht des päpstlichen Primats rechtfertigt. Gemäß dem Soziologen Max Weber geht die

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Assoziierung der Hierarchie von einer heiligen Ordnung in eine legale Ordnung über. Hierar- chie wird zum Ordnungsprinzip einer rationalen Herrschaft, die Willkür zugunsten verbindli- cher Regeln und Bürokratie verdrängt (Döhler 2007: 46f.). In der Governance-Forschung wird Hierarchie zumeist als Über- und Unterordnungsverhältnis verstanden, welches die Handlungsautonomie nachgelagerter Organisationseinheiten und Ak- teure beseitigt oder zumindest einschränkt. Die Governance-Form der Hierarchie wird als ein- seitige Beeinflussung klassifiziert, die es ermöglicht, dass Akteure gegen ihre Präferenzen und Interessen handeln (Börzel 2008: 120). Tatsächlich vernachlässigt eine solche Perspektive die funktionale Differenzierung intraorganisatorischer Gegebenheiten der Hierarchie. Denn wäh- rend Vorgesetzte das Handeln nachgeordneter Akteure durch Anweisungen und Sanktions- drohungen beeinflussen können, können nachgelagerte Organisationseinheiten und Akteure übergeordneten Einheiten Informationen vorenthalten, manipulieren oder schlicht nichts tun. Hierarchien sind folglich keine trivialen Governance-Formen, die sich auf einseitige Beeinflus- sung und Entscheidungskompetenzen reduzieren lassen, sondern implizieren eine wechsel- seitige Interaktion und Wege der Beeinflussung (Benz/Dose 2010: 261).

2.2.2. Wettbewerb Der Wettbewerb bildet eine Struktur, in der die Interaktion zwischen Akteuren auf Konkurrenz beruht, weil nicht alle Akteure zugleich das angestrebte Ziel erreichen können. Bekanntes Bei- spiel ist der sportliche Wettkampf, in dem Athleten um die schnellste Zeit konkurrieren oder Fußballvereine im saisonalen Ligabetrieb um Tore und Punkte. Auf Märkten zeigt sich der Wettbewerb zwischen Produzenten von knappen Gütern und Dienstleistungen sowie in der Politik mit Blick auf die Konkurrenz um Ämter, Macht oder die Qualität des Leistungsangebots umfasst. Diese letztgenannten Ausprägungen des Wettbewerbs werden auch unter dem Be- griff des politischen Wettbewerbs subsumiert, auf den nachfolgend näher eingegangen wird (Benz 2007a: 54). Die Interaktionsstruktur des Wettbewerbs zur Interdependenzbewältigung wird zumeist als innovativ und dynamisch aufgefasst. Dabei lässt sich die Governance-Form des Wettbewerbs allgemein als „geregeltes Verfahren der Konkurrenz“ bezeichnen (Benz/Dose 2010: 258). Der Wettbewerb wird als geregelt aufgefasst, weil unabhängig von der konkreten Ausprägung der Wettbewerbsform eine minimale Institutionalisierung gegeben sein muss, in der anerkannte Regeln des Vergleichs und der Bewertung zwischen den Konkurrenten festgelegt sind. So legt

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etwa der Deutsche Fußball-Bund (DFB) jährlich die Fußball-Regeln in Deutschland fest, in de- nen beispielsweise das Spielfeld, die Spieldauer, aber auch Bestimmungen über den Spielaus- gangs definiert werden. Im Marktwettbewerb bildet hingegen der Preis jenen Vergleichsmaß- stab, der eine Bewertung ermöglicht. Im politischen Wettbewerb werden die Regeln und Bewertungsverfahren durch politische Prozesse zwischen Konkurrenten definiert und zumeist von einer legitimen Bewertungs- instanz kontrolliert. So regelt etwa die Definition des Wahlsystems die Art und Weise der Stim- menzählung der Wählerschaft, die über den Wahlsieger zwischen Parteien entscheidet, wäh- rend der Wahlausschuss beziehungsweise in letzter Konsequenz das Bundesverfassungsge- richt (BVerfG) als legitimierte Bewertungsinstanz die Wahlen in Deutschland kontrolliert. Neben dem Parteienwettbewerb sind insbesondere der Steuerwettbewerb, der Anbieter- wettbewerb sowie der Leistungs- und Systemwettbewerb detailliert im Rahmen von Wettbe- werbsformen ausgearbeitet worden. Obgleich es sich bei all diesen Unterarten im Kern um einen politischen Wettbewerb handelt, unterscheiden sie sich im Hinblick auf den Gegenstand der Konkurrenz, involvierter Akteure sowie der Interessenkonstellation (Benz 2007a: 57). Der Parteienwettbewerb ist für repräsentative Demokratien prägend. Während er im Staat auf die Besetzung der Legislative sowie die damit einhergehende Regierungsbildung durch or- ganisierte Parteien fokussiert ist, lenkt er im innerparteilichen Ämterwettbewerb die Auf- merksamkeit auf individuelle Politiker. Weil sowohl die Anzahl an Parlamentssitzen im Parla- ment, Ministerposten im Kabinett als auch innerparteiliche Führungsämter prinzipiell be- grenzt sind, lässt sich der Parteienwettbewerb als Nullsummenspiel zwischen den Konkurren- ten konzipieren. Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts machten Joseph A. Schumpeter und Anthony Downs auf die Konkurrenz zwischen Parteien in demokratischen Systemen aufmerk- sam (vgl. Schumpeter 1993; vgl. Downs 1968). Schumpeter klassifiziert Parteien in der Logik politischer Unternehmer, die sich in Konkurrenz um Wählerstimmen zur Maximierung ihrer Regierungsmacht befinden. Regierungsmacht er- langt in der Konzeption Schumpeters jenes Politikangebot, das sich in der Konkurrenz um Wählerstimmen mit einer Mehrheit durchsetzt. „Der Wähler entscheidet keine Streitfragen. In allen normalen Fällen liegt die Initiative beim Kandidaten, der sich um das Amt als Parla- mentsmitglied […] bewirbt. Die Wähler beschränken sich darauf, sein Angebot entweder an- deren vorzuziehen und es anzunehmen oder es abzulehnen“ (Schumpeter 1993: 449).

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Anthony Downs hingegen geht nicht wie Schumpeter von einem begrenzten Rationalismus des Wählers aus, sondern spricht dem Wähler ein rationales Wahlverhalten zu. In der Folge ist für Downs nicht nur das Politikangebot wie bei Schumpeter, sondern auch die Nachfra- geseite des Wählers im Rahmen von Modellen des Parteienwettbewerbs zu berücksichtigen. „Dieses Axiom schließt die Annahme ein, daß jeder Bürger seine Stimme der Partei gibt, die ihm seiner Überzeugung nach mehr Vorteile bringen wird als jede andere“ (Downs 1968: 35). Mit der Übertragung des Marktwettbewerbs auf die Politik haben beide Autoren viel Kritik auf sich gezogen. Gleichwohl haben beide Autoren erfolgreich darauf hingewiesen, dass Konkur- renz auch jenseits des Marktes auffindbar ist und einen fundamentalen Bestandteil demokra- tischer Systeme darstellt. Der Steuerwettbewerb stellt eine weitere Wettbewerbsform dar. Gleich dem Parteienwett- bewerb ist der Steuerwettbewerb ein politischer Wettbewerb, weil Gebietskörperschaften oder Staaten bei der Bemessung der Steuerlast im Rahmen von Gesetzen agieren, die den Umfang der Steuererhebung begrenzen. Im Gegensatz zum Parteienwettbewerb, in welchem der Fokus insbesondere auf der Angebotsseite liegt, ist der Steuerwettbewerb in Richtung der Nachfrageseite ausgerichtet – den Steuerzahlern. Angenommen wird, dass der Steuerzahler in der Wahl seines Wohn- oder Produktionsortes frei entscheiden kann und aufgrund dieser Mobilität jene Örtlichkeit wählt, welche ihm die geringsten Kosten abverlangt und gleichzeitig die maximale Attraktivität bietet. Durch die Mobilität des Steuerzahlers wird ein Wettbewerb zwischen Gebietskörperschaften generiert, in dem Regierungen bestrebt sind, Anreize für mo- mentane wie zukünftige Steuerzahler anzubieten. Obgleich von Ökonomen seit Mitte der fünf- ziger Jahre die positiven Effekte des Steuerwettbewerbs hinsichtlich Steuerentlastungen und Leistungssteigerung in der Konkurrenz um Steuerzahler betont werden (Tiebout 1956), weisen Politologen darauf hin, dass die Annahme der prinzipiellen Mobilität von Steuerzahlern vor- zugsweise seitens des Kapitals und weniger auf Seiten der Arbeit gegeben ist (Benz 2007a: 60). Unabhängig vom Für und Wider weist der Steuerwettbewerb auf eine Wettbewerbsform hin, in der nicht der Preis die zentrale Handlungsorientierung gibt, sondern die Interessen von Bür- gern und Unternehmen als Steuerzahler. Der Anbieterwettbewerb ist in seiner ursprünglichen Konzeption eng mit dem Steuerwettbe- werb verbunden, weil er einerseits die Bereitstellung von Kollektivgütern im Auftrag von Lo- kalverwaltungen adressiert und andererseits Lokalverwaltungen im Wettbewerb bei der Be- reitstellung eben dieser Kollektivgüter betrachtet (vgl. Ostrom et al. 1961). Gleichwohl ist für

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die spezifische Governance-Form des Anbieterwettbewerbs weniger die Konkurrenz zwischen Gebietskörperschaften entscheidend, sondern vielmehr der Wettbewerb zwischen zumeist privatwirtschaftlichen Unternehmen (Wegner 2002). Im Anbieterwettbewerb konkurrieren Unternehmen um den Zuschlag beziehungsweise die Leistungserstellung eines politisch-administrativ definierten öffentlichen Bedarfs. Dabei un- terscheidet sich der Anbieterwettbewerb von den bisherigen Wettbewerbsformen, da sich die Handlungsorientierung der Konkurrenten nicht an individuellen Akteuren wie Wählern oder Steuerzahlern orientiert, sondern an einer politischen Entscheidungsinstanz. Diese Instanz ist für gewöhnlich sowohl an der Definition des öffentlichen Bedarfs als auch bei der Auswahl eingegangener Angebote im Rahmen des Anbieterwettbewerbs beteiligt. Allerdings ist die Konkurrenz zwischen den Anbietern nur von kurzer Dauer. Während im Rahmen des Markt- wettbewerbs Unternehmen in einer anhaltenden Konkurrenzsituation verweilen, existiert im Rahmen des Anbieterwettbewerbs die Konkurrenz nur während des Bieterverfahrens. Auch wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund der teils regional erheblich abweichenden Spezifika hinsichtlich des öffentlichen Leistungsbedarfs die Auswahl adäquater Unternehmen sehr be- grenzt ist. In der Folge ist der Anbieterwettbewerb zumeist in oligopolistischen bis hin zu mo- nopolistischen Akteurskonstellationen eingebettet (Benz 2004b: 122). Während der Parteienwettbewerb sowie der Anbieterwettbewerb Leistungen auf der Grund- lage zukünftig zu erwartender Ergebnisse vergleicht, setzt der Vergleich im Rahmen des Leis- tungs- und Systemwettbewerbs bereits realisierte Leistungen voraus. 1 Im Leistungswettbe- werb wird die Qualität des politischen Outputs durch Bürger oder repräsentative Organisati- onen mit dem Ziel bewertet, die Qualität erbrachter Leistungen zukünftig zu verbessern. Dabei ist der Leistungswettbewerb auf Qualitätsindikatoren angewiesen, welche ein Benchmarking zwischen den Leistungen ermöglichen. Während die Indikatoren zumeist das Resultat eines politischen Prozesses darstellen, übernehmen Experten und externe Instanzen die Evaluation. Dies macht den Leistungswettbewerb zu einer stark organisierten Form des politischen Wett- bewerbs. Gleichwohl ist der Leistungswettbewerb im Gegensatz zu den bisher diskutierten Formen des politischen Wettbewerbs kein Nullsummenspiel, sondern ein Positivsummen-

1 Auch wenn der Leistungswettbewerb häufig gemeinsam mit dem Systemwettbewerb diskutiert wird, soll im Folgenden nur auf den Leis- tungswettbewerb Bezug genommen werden, da die Relevanz des Systemwettbewerbs vorzugsweise im Rahmen der internationalen Beziehungen Verwendung findet.

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spiel. Während der Parteienwettbewerb, der Steuerwettbewerb und auch der Anbieterwett- bewerb dadurch gekennzeichnet sind, dass mit dem Gewinn von Macht und Ressourcenzu- wächse einseitige Gewinne verbunden sind, generiert der Leistungswettbewerb Vorbilder und Best-Practice-Beispiele. Herrscht im Rahmen des Leistungswettbewerbs eine allgemeine Zu- stimmung gegenüber den Kriterien des Vergleichs, ist davon auszugehen, dass generierte Vor- bilder Diffusions- und Innovationsprozesse auslösen. Dabei motiviert der Leistungswettbe- werb die beteiligten Akteure zur kontinuierlichen Optimierung ihrer Leistungen, indem sie von anderen lernen und bewährte Verfahren für sich testen und ausprobieren können. In der Folge ermöglicht der Leistungswettbewerb eine kontinuierliche Suche nach besten Lösungen (Benz 2007a: 64).

Abbildung 1: Ausprägungen des Wettbewerbs

Parteienwettbe- Steuerwett-be- Anbieterwettbe- Leistungswett-

werb werb werb bewerb

Gegen- Stimmen Finanzen Aufträge Standards stand

Gebietskörper- Anbieter Parteien Unternehmen Region schaften

Nachfra- Bewertungsgre- Wählerschaft Steuerzahler Behörden ger mium

(Quelle: In Anlehnung an Benz 2004b: 120; Benz 2007a: 57)

2.2.3. Verhandlungen Verhandlungen bilden eine Struktur, in der formal gleichberechtigte Akteure durch verhan- deln miteinander interagieren. Verhandlungen tragen zur Handlungskoordination bei, indem Akteure in direktem Austausch ihre Interessen durch Forderungen, Angebote und Argumente kommunizieren sowie das Ziel verfolgen, sich auf eine gemeinsame kollektiv verbindliche Ent- scheidung zu einigen (Benz/Dose 2010: 262f.). Dabei kann der Verhandlungsstil zwischen Zu- geständnissen und Begründungen variieren. Zielt Verhandeln auf Zugeständnisse, interagie- ren die Akteure im interessenbasierten Modus. Zielt Verhandeln hingegen auf Begründungen, interagieren die Akteure in einem argumentativen Modus. Im ersten Fall wird eine Einigung durch die Annäherung von Positionen oder durch gegenseitige Zugeständnisse erzielt. Im

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zweiten Fall wird eine Einigung durch Überzeugung und den Austausch von Begründungen generiert. Gleichwohl sind in Verhandlungen zumeist beide Ausprägungen präsent. Sie variie- ren jedoch in Abhängigkeit beteiligter Akteure sowie der Phase des Verhandlungsprozesses (Benz 1994: 118ff). Dabei soll keinesfalls unterstellt werden, dass im Rahmen der Governance-Form von Verhand- lungen zwischen den Akteuren Gleichheit herrscht. Sie sind insofern gleichberechtigt, als dass sie über die gleichen Kommunikations- und Entscheidungsrechte verfügen. Dies schließt ein, dass in Verhandlungen kein Akteur seinen Verhandlungspartner zur Einigung zwingen kann, wie es im Rahmen der Hierarchie durchaus möglich ist. Andererseits müssen Akteure in Ver- handlungen die kompetitiv angelegte Konkurrenz des Wettbewerbs überwinden, weil jeder Akteur eine Einigung verhindern kann, wenn seine Interessen nur ungenügend Berücksichti- gung finden. Die beidseitig vorliegende Exit-Option, jederzeit die Verhandlungen zu beenden, garantiert den Akteuren eine formale Gleichverteilung der Vetomacht. Unterschiede hingegen existieren zwischen den verhandelnden Akteuren hinsichtlich ihres Einflusspotenzials in Form von Ressourcenausstattung, Tauschpotenzialen und Grad der Informationsverteilung. Des- halb variieren die faktischen Konsequenzen, die mit dem Abbruch von Verhandlungsprozes- sen einhergehen, zwischen den Akteuren teilweise erheblich. Verhandlungspartner, die beim Abbruch der Verhandlungen keine Nachteile erleiden, weil ihre Situation auch ohne eine Eini- gung gleich oder sogar besser ist als der Kompromissvorschlag, verfügen im Rahmen von Ver- handlungen über einen höheren Drohpunkt beziehungsweise über eine größere Verhand- lungsmacht (Benz 2007b: 110f.). In der Politikwissenschaft haben insbesondere die Arbeiten zur Gesetzgebung in der Europäi- schen Union dazu beigetragen, Zwangsverhandlungen, wie sie im Rahmen der Politikverflech- tung von Fritz Scharpf am deutschen Bundesstaat ausgearbeitet wurden (vgl. Scharpf 1976), von freiwilligen Verhandlungen zu unterscheiden (Benz 2009: 124ff.). Charakteristisch für Zwangsverhandlung sind geteilte Kompetenzen, die dazu beitragen, dass Entscheidungen nicht einseitig getroffen und durchgesetzt werden können. In der Folge verfügen alle zu be- teiligenden Akteure über individuelle Vetomacht, weil ohne ihre Zustimmung der Status quo nicht verändert werden kann. In freiwilligen Verhandlungen sind hingegen die Kompetenzen getrennt. Dies trägt dazu bei, dass im Rahmen von freiwilligen Verhandlungen Entscheidungen getroffen werden können, obgleich einzelne Akteure nicht Teil der Einigung sind (opt-out).

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Abbildung 2: Verhandlungsarten und Entscheidungskosten

Freiwillige Verhandlungen Zwangsverhandlung

Kein Opt-out, Opt-out, keine individuelle Veto- Mehrheitsentscheidung keine individuelle Vetomacht macht (1) (3)

Opt-out, Kein Opt-out,

Einstimmigkeit individuelle Vetomacht individuelle Vetomacht

(2) (4)

Entscheidungskosten: Fall 1 < Fall 2 < Fall 3 < Fall 4 (Quelle: Benz 2009: 88)

Die Möglichkeit des Opt-outs in freiwilligen Verhandlungen generiert nicht nur geringere Ent- scheidungskosten, sondern maximiert auch die Autonomie der Akteure im Verhandlungspro- zess. Benz (2009: 87f.) kombiniert die Unterscheidung von freiwilligen und Zwangsverhand- lungen mit den Entscheidungsregeln der Einstimmigkeit beziehungsweise Mehrheitsentschei- dung zu einer vier Felder Matrix, um die Kosten von Verhandlungen unter den Bedingungen von Opt-out und Vetomacht zu verdeutlichen. Aus Abbildung 2 wird ersichtlich, dass Zwangsverhandlungen, die der Einstimmigkeit unterlie- gen, die höchsten Kosten aufweisen, während in freiwilligen Verhandlungen mit Mehrheits- entscheidung die Kosten am geringsten sind. Die Möglichkeit für beteiligte Akteure, in freiwil- ligen Verhandlungen eine Entscheidung gemeinsam oder autonom zu treffen, erleichtert das Verhandeln, weil der Status quo auch im Dissens verändert werden kann. Dies führt zumeist zu „zweitbesten Lösungen“, reduziert Entscheidungsblockaden und kann schlechte Kompro- misse vermeiden (Benz/Dose 2010: 263).

2.2.4. Netzwerke Der Netzwerkbegriff hat in den vergangenen Jahren eine rasante Konjunktur erfahren und wurde im Rahmen der verschiedensten Disziplinen ganz unterschiedlich interpretiert und an- gewandt. Die nachfolgende Verortung des Netzwerkbegriffs im Rahmen der Governance-For- schung folgt einer institutionentheoretischen Tradition (vgl. Williamson 2000; vgl.

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Powell/DiMaggio 1991). „Für die Institutionenökonomik und für den sozialogischen Instituti- onalismus sind Netzwerke spezifische Formen der Handlungskoordination oder Governance- formen, die gegen andere Formen, zum Beispiel den Markt oder die Hierarchie […] abgegrenzt werden“ (Jansen 2002: 89). Netzwerke bilden in diesem Verständnis eine Struktur, in der die Interaktion zwischen Akteuren auf Kommunikation und Vertrauen beruht (Benz 1995: 194; Benz 2007b: 116). Die Interaktion in Netzwerken wird von informellen Regeln und reziproken Beziehungen bestimmt (Scharpf 1993b: 72), was die Governance-Form Netzwerke im Wesent- lichen von Verhandlungen abgrenzt, die vergleichsweise stärker durch formale Regeln organi- siert sind. In Netzwerken koordinieren sich die Akteure – wie in Verhandlungen – durch wechselseitigen Einfluss. Dies geschieht jedoch – in Abgrenzung zu Verhandlungen – nicht im Rahmen formaler Regeln, sondern auf der Grundlage von vertrauensvollen Kommunikations- und Tauschbezie- hungen. Dabei kann der Grad der Formalisierung ihrer Beziehungen von kurzzeitigen jährli- chen Zusammentreffen der Landesminister oder Regionalfachplanung über gemeinsame Werte und Selbstverpflichtungen in Städtenetzwerken sowie Codizes in Unternehmensnetz- werken bis hin zu dauerhaft etablierten Routinen und Traditionen in Clans reichen – woran sich der fließende Übergang von Netzwerken zur Governance-Form Gemeinschaften zeigt, die jedoch durch weit stärkere und kulturell gefestigtere Traditionen gekennzeichnet sind (vgl. Gläser 2007). Im Gegensatz zur methodischen Auslegung von Netzwerken im Rahmen der sozialen Netz- werkanalyse (SNA) (vgl. Wassermann/Faust 1994; vgl. Jansen 1999) ist die Governance-Form Netzwerk als „relativ dauerhafte, nicht formal organisierte, durch wechselseitige Abhängig- keiten, gemeinsame Verhaltenserwartungen und Orientierungen sowie Vertrauensbeziehun- gen stabilisierte Kommunikationsstrukturen zwischen Individuen oder Organisationen, die dem Informationsaustausch, der kooperativen Produktion eines kollektiv Gutes oder der ge- meinsamen Interessensform Regulierung dienen“ (Benz 1995: 194), enger definiert. Ein wesentliches Motiv der Akteure, sich im Rahmen von Netzwerken zu engagieren und damit Zeit sowie Ressourcen zur Pflege und Aufrechterhaltung des Netzwerks bereitzustellen, wird in der Reduzierung von Unsicherheit beziehungsweise Kontingenz gesehen. Aus diesem Grund sind Netzwerke zwar einerseits frei von formalen Beteiligungsschranken, andererseits sind Zeit und Ressourcen aber auch begrenzt, sodass Akteure sich nicht unbegrenzt in Netzwerken engagieren können (Scharpf 1993a: 155). Dabei müssen Akteure umso mehr Engagement in

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den Aufbau sowie Erhalt des Netzwerks investieren, je geringer die Gemeinsamkeiten zwi- schen ihnen sind. Einer klassischen Terminologie von Netzwerken folgend, können Gemein- samkeiten einerseits in fachlicher und technokratischer Hinsicht in Netzwerken gegeben sein oder andererseits durch eine Spezialisierung territorialer oder politischer Interessen (Rhodes 1990: 304). Wird zusätzlich zwischen rein politisch-administrativen Netzwerken des öffentli- chen Sektors und Beziehungen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren unterschieden, kann eine Klassifizierung in vier Netzwerktypen vorgenommen werden, die durch unterschied- liche Akteurskonstellationen gekennzeichnet sind (Abbildung 3).

Abbildung 3: Netzwerktypen Generalisten Spezialisten

Netzwerke innerhalb Parlamentarier und Fachbeamte des öffentlichen Sektors Parteimitgliedern

Netzwerke zwischen Regierungen und Fachbeamte und öffentlichen und privaten Verbandfunktionäre Fachvertreter Organisationen

(Quelle: Benz 1995: 197)

Netzwerke, die auf den öffentlichen Sektor begrenzt sind, entstehen zwischen politischen Re- präsentanten, den Generalisten, zumeist aufgrund parteipolitischer Nähe. Dabei profitieren insbesondere Parlamentarier und Parteimitglieder von Netzwerken, weil ihnen im Gegensatz zu Regierungsmitgliedern keine formalen Alternativen der Kommunikation und des Austau- sches zur Verfügung stehen. Rein öffentliche Netzwerke zwischen Spezialisten sind aufgrund ihrer gemeinsamen Professionalisierung und Zuständigkeit für ähnliche Problemstellungen zu- meist stabiler als parteipolitische Netzwerke zwischen Generalisten. Auch sind Netzwerke zwi- schen Spezialisten weniger anfällig für politische Konflikte und öffentliche Stimmungen sei- tens der Medien und Bürger, da ihre Aktivitäten in aller Regel für Außenstehende nicht sicht- bar sind und durch Routinen geprägt werden (Behnke 2019). Netzwerke zwischen öffentlichen und privaten Akteuren wurden insbesondere im Rahmen von Regional-Governance als Mischformen kooperativer Steuerungsarrangements diskutiert (Fürst 1987; Fürst 1994; Fürst 2001; Kropp 2017). Sie finden sich jedoch nicht nur in der Regi- onal- und Kommunalpolitik, sondern auch auf nationaler Ebene bei der Ausgestaltung politi-

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scher Programme (Kenis/Schneider 1991) und im Rahmen der internationalen Ebene als trans- nationale Netzwerke bei der Bearbeitung globaler Gesellschaftsprobleme (Nölke 2000; Bets- ill/Bulkeley 2004: 474). Kennzeichnend für privat-öffentliche Netzwerke ist ihre sozioökono- mische Verbindung bei der Bearbeitung gemeinsamer Problemzusammenhänge. Sowohl zwi- schen Regierungsvertretern und Verbandsfunktionären als auch zwischen spezialisierten Be- amten und Fachvertretern der Verbände werden in öffentlich-privaten Netzwerken konkrete Problemlösungen oder abstrakte Leitbilder ausgearbeitet. Diese können wesentlich zur Ent- lastung sequenziell nachgelagerter Verhandlungen beitragen (kritisch Straßheim 2011).

2.3. Governance-Systeme Die unterschiedlichen Governance-Formen, wie bereits dargelegt, können als „einfache“ Ko- ordinationsformen mit unterschiedlichen Mechanismen und Strukturen klassifiziert werden, wie sie auch zur Analyse öffentlicher oder privater Verwaltungssysteme diskutiert wurden (Benz 2006: 35).

Abbildung 4: Überblick der Governance-Formen

Hierarchie Wettbewerb Verhandlung Netzwerke

Interaktion Weisung Konkurrenz Verhandeln Vertrauen

Mechanismus Anpassung Anpassung Einfluss Einfluss

(Quelle: Eigene Darstellung)

Die bisher beschriebenen Governance-Formen Hierarchie, Wettbewerb, Verhandlungen und Netzwerke sind Idealformen von Strukturen der Interaktion. In der Realität treten Gover- nance-Formen jedoch nicht in ihrer Reinform auf, sondern als spezifische Mischformen (Benz/Dose 2010: 264). Diese Mischformen werden mit dem Begriff System erfasst, in wel- chem sich Governance-Formen als Elemente wiederfinden. Ein Governance-System beinhaltet unterschiedliche Kombinationen an Governance-Formen (Mann 2017: 18). Allein die Begren- zung auf die hier zugrundeliegenden maximal vier Governance-Formen sowie die Unterschei- dung ihrer Rangordnung in ein eingebettetes oder verbundenes Governance-System würde eine potenzielle Anzahl von 64 möglichen Konfigurationen eröffnen. Dabei ist die Unterscheidung in eine eingebettete oder verbundene Konfiguration aus Gover- nance-Formen von zentraler Bedeutung, um die Leistungsfähigkeit des Governance-Systems

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sowie dessen Eigendynamik abzuschätzen (Benz 2006: 35). In einem eingebetteten Gover- nance-System dominiert eine Governance-Form die Handlungskoordination des Governance- Systems. In einer verbundenen Konfiguration hingegen dominiert keine Governance-Form über eine andere. Die Governance-Formen liegen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Die Interaktion und Handlungskoordination sind in einem verbundenen Governance-System mit den Wechselwirkungen mehrerer Governance-Formen konfrontiert, wodurch Konflikte erwachsen können, die das Governance-System blockieren (Dose 2016: 165). Im Rahmen der Governance-Forschung wurden in den vergangenen Jahren unterschiedliche Kombinationen von Governance-Formen beschrieben. Das mittlerweile bekannteste einge- bettete Governance-System stellt eine Kombination aus Verhandlungen und Hierarchie dar – eine Kombination, die metaphorisch von Fritz Scharpf und Renate Mayntz als „Verhandlungen im Schatten der Hierarchie“ in den neunziger Jahren gut beschrieben wurde: „Verhandlungen im Schatten der Hierarchie [sind ...] Konstellationen, in denen die staatliche Instanz notfalls auch einseitig entscheiden könnte, aber aus politischer Rücksicht oder aus Informationsman- gel an einvernehmlichen Lösungen interessiert sein muß. Dennoch bleibt der formell mögliche und im Konfliktfall nicht auszuschließende Oktroi“ (Scharpf 1991: 629). Bei Verhandlungen im Schatten der Hierarchie wird die Governance-Form Hierarchie in Verhandlungen eingebettet, die die Handlungskoordination des Governance-Systems dominiert. Der Grund für die Domi- nanz des Verhandelns ist die gemeinsame Motivation der Akteure, auf Zwang zu verzichten. Entsprechend erscheinen Verhandlungen im Gegensatz zur Hierarchie als „das kleinere Übel“ und motivieren dazu, „die Dinge selbst in die Hand zu nehmen“ (Mayntz/Scharpf 1995: 29). In der Realität variiert jedoch die Fähigkeit, auf hierarchischen Zwang zurückzugreifen, wodurch auch die Motivation der verhandelnden Akteure zur Einigung abnimmt beziehungs- weise zunimmt (Börzel 2008: 124f.; Töller 2008: 289f.). Dies verweist auf die Dynamik des Governance-Systems, in der das Verhältnis zwischen den Governance-Formen Hierarchie und Verhandlungen keinesfalls konstant ist. Während mit dem Schatten der Hierarchie explizit eine Einbettung der Hierarchie in Verhandlungen einhergeht, sind auch Konstellationen dis- kutiert worden, in welchen die Hierarchie von Verhandlungen einseitig zurückgedrängt wird. „Wenn staatliche Akteure über nicht ausreichend qualifiziertes Personal mit entsprechend wissenschaftlicher und technischer Expertise verfügen, um mit privaten Akteuren auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln“, besteht die Gefahr der Nichteinigung in Verhandlungen auch wei- terhin und kann bis zur Vereinnahmung hierarchischer Regelungskompetenz reichen (agency

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capture) (Börzel 2008: 127). Entsprechend ist festzuhalten, dass die Leistungsfähigkeit der Handlungskoordination im Rahmen von „Verhandlungen im Schatten der Hierarchie abhängig von der jeweils gegebenen Struktur von Autoritätsbeziehungen (oder asymmetrischen Macht- beziehungen) [ist]“ (Scharpf 1993b: 79). Ein weiteres gut beleuchtetes eingebettetes Governance-System ist die Kombination der Governance-Formen Verhandlungen und Netzwerke. Dabei werden die Interaktionsstruktu- ren von Verhandlungen durch Netzwerke dominiert, sodass nicht Verhandeln, sondern Ver- trauen die Interaktion des Governance-Systems bestimmt. Die Dominanz von Netzwerken steigert die Reziprozität in Verhandlungen und fördert die Einigungsbereitschaft der Akteure. Damit reduzieren Netzwerke opportunistisches Verhalten der Akteure sowie die Gefahr der Ausbeutung im Verhandlungsverlauf, weil Kompromisse oder Tauschgeschäfte auf der Grund- lage von Vertrauensvorschuss generiert werden können, ohne dass zugleich eine direkte Ge- genleistung erbracht werden muss. Vielmehr ermöglicht die Interaktionsstruktur von Netz- werken den verhandelnden Akteuren, eingegangene Konzessionen zu einem späteren Zeit- punkt einzufordern beziehungsweise zu begleichen (Scharpf 1993b: 72f.). Andere Konstellationen zwischen Governance-Formen hingegen entlasten das Governance- System weniger und können zu Blockaden führen, die die Leistungsfähigkeit des Systems re- duzieren. Gerhard Lehmbruch (2000) zeigte am Beispiel des deutschen Föderalstaats, dass die Kombination aus Parteienwettbewerb und Verhandlungen zwischen Bund und Ländern kol- lektive Entscheidungen beeinträchtigen kann. Blockaden werden wahrscheinlich, wenn unter- schiedliche politische Mehrheiten im Bundesrat und Bundestag existieren, weil sich dann der Parteienwettbewerb im Rahmen von Zustimmungsgesetzen mit den Bund-Länder-Verhand- lungen verbindet. Weil beide Governance-Formen in einer verbundenen „Inkongruenz“ zuei- nander stehen, in welcher keine Form die andere dominiert, sind Blockaden aufgrund der kon- fliktiven Verbindung der Mechanismen des Parteienwettbewerbs (Konkurrenz) und von Ver- handlungen (Verhandeln) sehr wahrscheinlich (Lehmbruch 2000: 184). Die Blockadegefahr durch den Strukturbruch des auf Kooperation beruhenden föderalen deutschen Bundesstaats kann geschmälert werden, wenn der Parteienwettbewerb im Bun- desrat in Strukturen des Leistungswettbewerbs eingebettet ist. Wenn im Bundesrat der Wett- bewerb zwischen den Parteien von den ländereigenen Interessen dominiert wird, prägen nicht etwa polarisierte Parteilager gemeinsame Verhandlungen, sondern die territorialen Eigen- schaften und Leistung der Bundesländer. Aus diesem Grund plädierte Wilhelm Hennis nach

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der Wiedervereinigung Deutschlands für Allparteienregierungen oder Große Koalitionen auf Länderebene nach dem Vorbild der Schweizer Kantone. Um die „launische“ Dominanz von Parteiinteressen gegenüber Länderinteressen im Bundesrat einzuschränken, riet er in diesem Sinne den neuen Bundesländern, als gemeinsamer Block im Bundesrat aufzutreten (Hennis 1998: 105). Hierin wird ersichtlich, dass Verhandlungen und Wettbewerb nicht a priori inkon- gruent sind und die Leistungsfähigkeit schmälern, sondern dass es vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung der Wettbewerbsstruktur ankommt. Wie hier dargelegt, sind verbundene Konstellationen von Governance-Formen weit störungs- anfälliger als eingebettete Governance-Systeme, weil Akteure mit unterschiedlichen und teils divergierenden Anforderungen konfrontiert sind. Wichtig ist jedoch, dass Akteure strategisch auf konfliktive Anforderungen reagieren können. Folglich erschweren verbundene Gover- nance-Systeme kollektives Handeln, aber sie machen dieses nicht unmöglich, „da gerade ver- bundene Formen endogene Flexibilitäten aufweisen, die von den Akteuren strategisch genutzt werden können“ (Benz/Dose 2010: 266). Im anschließenden Abschnitt stehen aus diesem Grund Governance-Strategien im Vordergrund, die Akteuren auch im Rahmen konfliktiver Governance-Systeme kollektive Handlungsfähigkeit eröffnet.

2.4. Governance-Strategien Obgleich mit der Governance-Analyse der Fokus auf der Konfiguration von Governance-For- men und ihrem Zusammenwirken in Governance-Systemen liegt, wirken Governance-Formen nicht streng deterministisch. Eine solch deterministische Wirkung von Strukturen der Interak- tion, wie sie mit dem Begriff der Governance-Formen erfasst wird, ist für vergleichende Arbei- ten mit vielen Fällen vorteilhaft, um die reale Komplexität des heutigen Regierens zu reduzie- ren und für eine komparative Analyse zugänglich zu machen. Mindestens ebenso wichtig sind Governance-Strategien, die von den Akteuren ergriffen werden, um auch in konfliktiven Governance-Systemen handlungsfähig zu bleiben. Aus theoretischen Überlegungen und em- pirischen Untersuchungen der Governance-Forschung sind bisher die Strategien Paketlösun- gen, Sequenzialisierung, Spezialisierung, negative Koordination, Level-Shifting und Arenen- wechsel sowie Parallelinstitutionen gut beschrieben worden (Scharpf 1972; Scharpf 1976; Benz 2003).

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Dabei stehen diese Governance-Strategien in einer Wechselwirkung zum Governance-System, welches einerseits die Handlungsfähigkeit eingrenzt, aber andererseits auch strategische Op- tionen eröffnet. Entsprechend ermöglichen und restringieren die Interaktionsstrukturen des Governance-Systems strategisches Handeln, ohne jedoch dieses zu determinieren (Ma- yntz/Scharpf 1995: 45). Das Wechselspiel zwischen Governance-System und -Strategie be- stimmt letztlich über die Performanz politischer Programme, Konzepte und Ziele. Die bisher bekannten Governance-Strategien sollen nachfolgend erläutert werden, um sie anschließend in der Analyse zur Transformation des Energiesystems in Deutschland und Österreich erfassen zu können. Zur Unterteilung von Governance-Strategien ist es hilfreich, diese entlang der Dimensionen des politischen Entscheidens (Policy, Politics und Polity) zu verorten (Benz 2009: 172ff.). Stra- tegien, die die Policy-Dimension betreffen, zielen auf eine Definition der Politikinhalte, die so ausformuliert ist, dass sich alle Akteure als Gewinner und keiner als Verlierer wahrnimmt. Diese Governance-Strategie wurde bereits von Fritz Scharpf im Rahmen der Theorie zur Poli- tikverflechtung im deutschen Bundesstaat entwickelt und unter „konfliktminimierende Ent- scheidungsregeln“ diskutiert. So zeigte Scharpf am Beispiel von Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern, dass Regeln der „Gleichbehandlung“, der „Besitzstandswahrung“ oder des „Eingriffsverzichts“ als politische Programme so definiert werden können, dass letztlich alle beteiligten Akteure zustimmen. Während die Gleichbehandlung zumeist auf Verteilungs- normen proportionaler Indikatoren wie beispielsweise auf der Bevölkerungsanzahl basieren, profitieren im Rahmen der Besitzstandswahrung alle Beteiligten gleichermaßen, während beim Eingriffsverzicht die Autonomie der Beteiligten bewahrt bleibt (Scharpf 1976: 62ff.). Weil mit dieser Governance-Strategie re-distributive Entscheidungen umgangen werden, reduziert sich zwar einerseits das Konfliktniveau, andererseits sinkt aber auch die Innovationsfähigkeit der gemeinsamen Problembearbeitung erheblich ab. Wenn politische Inhalte im Interesse al- ler definiert werden, können zwar auch in konfliktiven Governance-Systemen gemeinsame Entscheidungen generiert werden. Eine adäquate Bearbeitung gesellschaftspolitischer Prob- leme ist jedoch kaum möglich, weil sich im Ergebnis nur eine pareto-optimale Änderung des Status quo eröffnet, in welcher kein Akteur schlechter gestellt wird (Scharpf 1976: 64). Vergleichsweise geringer fallen die Wohlfahrtseinbußen von Governance-Systemen aus, wenn Politikinhalte nicht umdefiniert, sondern im Rahmen von Paketlösungen oder Koppelgeschäf- ten zusammengefasst werden. Kennzeichnend für diese Governance-Strategie ist, dass der

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aggregierte Nutzen sowie die Kosten der beteiligten Akteure in der Gesamtbilanz positiv sind. Diese Governance-Strategie wurde insbesondere im Rahmen von Gipfeltreffen des europäi- schen Rates beobachtet und ist zur gängigen Praxis der EU-Politik herangewachsen, weil hier Akteure interagierten, die autorisiert waren, Entscheidungen aus mehreren Politikfeldern in- haltlich zu verknüpfen (Scharpf 2000: 2019f.; Benz 2009: 172f.).

Abbildung 5: Wohlfahrtseffekte im Rahmen von Governance-Strategien

positiv

3 2 1 Nutzen von A positiv 5 4

Nutzen von B

(Quelle: Willke 2014: 15 in Anlehnung an Scharpf 1992: 58)

Im Ergebnis kann die Governance-Strategie, gesellschaftspolitische Inhalte zu Paketlösungen zusammenfassen, die eine adäquate Bearbeitung gemeinsamer Probleme gewährleisten und eine innovative Änderung des Status quo ermöglicht (Scharpf 2000: 218). Abbildung 5 verdeutlicht die unterschiedlichen Wohlfahrtseffekte. Der farblich unterlegte Raum rechts der diagonal verlaufenden Wohlfahrtsgrenze bildet dabei jene Politikinhalte ab, welche den gesellschaftlichen Gesamtnutzen erhöhen. Die Governance-Strategie mit dem Ziel, politische Inhalte im Interesse aller zu definieren, eröffnet einen pareto-optimalen Raum im nordöstlichen Quadranten des Koordinatensystems, in welchem weder Akteur A noch Ak- teur B Nutzeneinbußen erleiden (rot unterlegt). Auch die Governance-Strategie, Politikinhalte zu Paketen zusammenzufassen, ermöglicht pareto-optimale Lösungen, weil sich ein gemein- sames Parket in der Mitte der Strecke zwischen den Punkten drei und vier verwirklichen lassen wird, wie der Punkt eins im nordöstlichen Quadranten des Schaubildes verdeutlicht (Scharpf 2000: 219). Wie noch gezeigt wird, sind kaldor-effiziente Governance-Strategien, die mit zu- sätzlichen Gewinnen oberhalb der Wohlfahrtsgrenze im Nordwesten sowie Südosten des Ko-

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ordinatensystems verbunden sind (blau unterlegt), hingegen äußerst schwierig zu verwirkli- chen – obgleich ihr gesellschaftlicher Mehrwert erheblich und wünschenswert sein würde (vgl. Scharpf 1972; Scharpf 1992). Strategien, die die Politics-Dimension adressieren, zielen auf eine Modifizierung des Entschei- dungsprozesses in zeitlicher oder sachlicher Hinsicht sowie auf die soziale Ausgestaltung kon- kreter Verfahrensabläufe. In zeitlicher Hinsicht können Verfahren in Teilschritte sequenziali- siert werden, sodass beginnend Probleme bearbeitet werden, welche weniger konfliktbehaf- tet sind als jene, die später zur Debatte stehen oder vertagt werden müssen. Eine solche Auf- teilung von konfliktiven Politikinhalten in weniger und stark konfliktträchtige Bestandteile ist auch aus sachlichen Gründen im Rahmen der Segmentierung des politischen Prozesses be- schrieben worden. Dabei werden in umgekehrter Reihenfolge zur Sequenzialisierung zuerst die wenig konflikthaften Probleme bearbeitet und als gegeben anerkannt, bevor die stark kon- fliktiven Segmente zur Entscheidung stehen (Benz 2003: 220). Damit ist die Governance-Strategie der Sequenzialisierung sowie der Segmentierung in gewis- ser Weise das Gegenstück zu Paketlösungen. Während mittels Paketlösungen typischerweise Politikinhalte zusammengefasst werden, um diese im Rahmen einer Entscheidung zu verab- schieden, zielen die Sequenzialisierung und die Segmentierung auf die Aufteilung politischer Inhalte. Die politischen Inhalte sollen in mehreren Entscheidungen „klein gearbeitet“ oder „zerlegt“ werden, bis mehrere Entscheidungen möglich sind. „Durch das Verfahren des Seg- mentierens und sequenziellen Entscheidens kann also für jeden einzelnen Schritt die Entschei- dungskomplexität so gering gehalten werden, daß das Verflechtungssystem trotz seiner be- schränkten Konsensbildungsfähigkeit auch komplexere Problemzusammenhänge verarbeiten kann“ (Scharpf 1976: 61). Eine weitere prozessuale Strategie, um in Governance-Systemen entscheidungsfähig zu blei- ben und gesellschaftspolitische Probleme bearbeiten zu können, ist die „negative Koordina- tion“. Im Vergleich zur idealtypischen aber wenig realisierbaren „positiven Koordination“ wird die „negative Koordination“ von Fritz Scharpf auch als ‚Business as usual‘ verstanden (vgl. Scharpf 1972: 173ff.). „Programme werden typischerweise in den Basisorganisationen in den spezialisierten Referaten und Abteilungen im Hinblick auf Probleme innerhalb der eigenen be- grenzten Zuständigkeit konzipiert und anschließend in Prozessen der nachträglichen Koordi- nation mit anderen ‚Beteiligten‘ abgestimmt. Bei dieser Abstimmung geht es im Wesentlichen

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darum, negative Auswirkungen des Programmvorschlags für den Verantwortungsbereich an- derer Einheiten zu beseitigen“ (Mayntz/Scharpf 1975: 136). Damit wird ein Strategiemuster beschrieben, in dem die Problembearbeitung auf der Grundlage einer federführenden Orga- nisationseinheit und deren Kompetenzen ausgearbeitet wird, ohne dass weitere Organisati- onseinheiten an der Bearbeitung beteiligt werden. Erst in einem zweiten Prozessschritt erhal- ten weitere Organisationseinheiten, wie beispielsweise Regierungsressorts im Rahmen der negativen Koordination, die Möglichkeit zur Mitzeichnung. Diese weiteren Abteilungen wer- den jedoch nur der Mitzeichnung nachkommen, wenn ihre Interessen nicht negativ von dem Entwurf des federführenden Ressorts betroffen sind. Das Ergebnis der negativen Koordination sind Politikprogramme, die aufgrund der nachträglichen Mitzeichnung unterschiedlicher Res- sortinteressen und Vetopositionen herunterkoordiniert werden, bis sie von allen Abteilungen mitgetragen werden können und keinem mehr „wehtun“. „Dieser Abstimmungsprozess führt deshalb in der Regel zu einer Reduktion der ursprünglichen Programmziele der initiierenden Einheit (‚negativer Koordination‘)“ (Mayntz/Scharpf 1975: 136). Zumeist bildet der kleinste gemeinsame Nenner zwischen den beteiligten Einheiten und ihren jeweiligen Interessen die abschließende Einigung ab, ohne dass alternative Einigungsoptionen gemeinsam diskutiert wurden. Vielmehr antizipiert das federführende Ressort bereits in der Entwurfsphase mögli- che Konflikte mit weiteren Verwaltungseinheiten und versucht diese frühzeitig auszuräumen. Entsprechend werden bei Governance-Strategien der negativen Koordination weder Vertei- lungsprobleme wirksam bearbeitet, noch Alternativen und „neue Lösungen“ ermöglicht. „Ihr Ziel ist die Vermeidung der Störungen, welche die ausschließlich an den eigenen Zielen orien- tierten Programminitiativen einer spezialisierten Einheit in den Zuständigkeitsbereichen an- derer Einheiten auslösen könnten“ (Scharpf 1993b: 69). Damit ermöglichen die bisher disku- tieren prozessualen Governance-Strategien zwar allesamt politische Entscheidungen auch im Rahmen von konfliktiven Governance-Systemen, sie verbleiben jedoch bei einer pareto-effi- zienten Problembearbeitung im nordöstlichen Quartanten des Koordinatensystems verhaftet (Abbildung 5). Die bereits angesprochene „positive Koordination“ ist hingegen sowohl organisatorisch als auch politisch weit aufwendiger. Diese Governance-Strategie ist für die Akteure mit den höchsten Transaktionskosten verbunden. Dabei ermöglicht sie jedoch im Gegensatz zu allen anderen bisher diskutierten Strategien kaldor-optimale Wohlfahrtsgewinne (vgl. Scharpf

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1992). Die positive Koordination wurde von Scharpf und Mayntz in gemeinsamen Forschungs- arbeiten zur Bonner Ministerialbürokratie nur in Ausnahmefällen empirisch beobachtet (Ma- yntz/Scharpf 1975). Scharpf geht davon aus, dass die Realisierbarkeit der positiven Koordina- tion äußerst selten ist und nur bezüglich der Beteiligung sehr weniger Organisationsbereiche umsetzbar erscheint (Scharpf 1972: 177). Organisatorisch zeichnet sich die positive Koordina- tion durch eine übergreifende Projektarbeit aus, in welcher Organisationseinheiten an einer gemeinsamen Strategie arbeiteten, die die gemeinsamen Handlungsoptionen nutzt, um Ent- scheidungen zu treffen, die über die Kompetenzen einer Organisationseinheit hinausreichen. Demgemäß wird die „positive Koordination“ ausführlich beschrieben „als die Ausnutzung der Handlungsräume mehrerer organisatorisch getrennter Entscheidungsbereiche zur Entwick- lung von aufeinander abgestimmten Programmen, bei welchen nicht nur wechselseitige Stö- rungen vermieden werden, sondern die sich in Hinblick auf die Verarbeitung eines übergrei- fenden Problemzusammenhangs wechselseitig ergänzen und verstärken sollen. Im Prinzip sol- len also die verfügbaren Handlungsalternativen in den durch den Problemzusammenhang ver- bundenen Entscheidungsbereichen gleichzeitig zu Disposition stehen“ (Mayntz/Scharpf 1975: 136f.). Dadurch steigert die Governance-Strategien der positiven Koordination Handlungsop- tionen, die gerecht, effizient und effektiv sind. „Dies bedeutet faktisch, dass jeder Akteur jede seiner Handlungsoptionen mit den Handlungsalterativen seiner Verhandlungspartner verglei- chen muss“ (Schneider/Janning 2006: 149). Weil die Strategie der „positiven Koordination“ jedoch zu einem exponentiellen Wachstum sozialer Relationen führt, die schnell die Informa- tionsverarbeitungskapazitäten beteiligter Organisationsbereiche überlasten würde, erscheint die positive Koordination zwar wünschenswert, jedoch für den Alltag des politischen Entschei- dens kaum praktikabel und vielmehr mit Frustration, Immobilismus und Dilemmata verbun- den zu sein (Scharpf 1972: 177; Scharpf 2000: 226). Letztlich können Strategien auf die politische Dimension der Polity gerichtet sein. Während Scharpf noch Governance-Strategien, die politisches Entscheiden durch einen Wandel der Po- lity-Dimension begünstigen, ausschloss, erkennt Benz in Strategien, die die Entscheidungs- strukturen verändern, eine besondere Relevanz und Innovationsfähigkeit für politische Ent- scheidungen. „Anders als dies in der Politikverflechtungstheorie unterstellt wird, halte ich diese Strategien für besonders relevant für die Politik“ (Benz 2003: 221). Scharpf geht im Rah- men der Politikverflechtungstheorie davon aus, dass institutionelle Reformen, die eine verän- derte Machtverteilung adressieren, an dem Veto des jeweiligen Akteurs scheitern werden,

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welcher dauerhaft an Macht verliert. In der Folge sieht Scharpf Governance-Strategien, die die Polity des politischen Entscheidens verändern wollen, in einer „Falle“, da die vorherrschenden strukturellen Bedingungen zur Unfähigkeit institutioneller Reformen führen (Scharpf 1976: 54). Weil aber nicht jede Governance-Strategie, die die Polity-Dimension adressiert, eine dau- erhafte Neuverteilung der Macht zur Folge hat, gilt die Aufmerksamkeit von Benz (2009) jenen strukturellen Strategien, die die Interaktionsregeln in kurzzeitigen Entscheidungssituationen anpassen. „Neue Regeln können dabei entweder für eine konkrete Entscheidungssituation ge- nutzt werden oder zu dauerhaften, aber schrittweisen Veränderungen führen“ (Benz 2009: 175). Solche strukturellen Governance-Strategien zielen auf einen Arenenwechsel bezie- hungsweise einen Ebenenwechsel (level-shifting), auf Parallelinstitutionen oder auf die Infor- malisierung politischer Entscheidungen in Expertengremien (Benz 2003: 224). Mit dem Arenenwechsel in ein allgemeines Gremium zwischen Ministern oder Staats- und Re- gierungsvertretern sowie der Verschiebung in ein spezialisiertes Gremium ändert sich der in- stitutionelle Kontext ebenso wie im Rahmen eines Ebenenwechsels in die Zuständigkeit über- geordneter Verwaltungseinheiten, weil einerseits neue Akteure hinzutreten und anderseits die Definition des zu bearbeitenden Problemgegenstands modifiziert werden kann. Parallelin- stitutionen haben eine ähnlich entlastende Funktion, wie sie durch einen Ebenenwechsel aus- gelöst werden. Wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass keine neue Definition des politi- schen Problems im Rahmen veränderter, institutioneller Bedingungen angestrebt wird. Die konfliktbehaftete Policy wird vielmehr von bereits etablierten institutionellen Arrangements versachlicht. Auch die Strategie, Konflikte durch informelle Expertengremien zu bearbeiten, ist in der Politik gängige Praxis und trägt zur Versachlichung gesellschaftspolitischer Probleme bei. Im Unterschied zu den bisher diskutierten strukturellen Governance-Strategien jedoch verschiebt sich dabei der politische Konflikt nicht in formale Strukturen des politisch-administ- rativen Systems, sondern wird an informelle Gremien der Expertise verlagert (Benz 2003: 221ff.; Benz 2009: 176ff.). In Abbildung 6 sind die bisher diskutierten und erläuterten Governance-Strategien zusammen- fassend aufgelistet. Dabei sind die Strategien in Abhängigkeit von ihrer Innovationsfähigkeit aufsteigend sortiert. Daraus wird ersichtlich, dass die Performanz von Energietransformatio- nen insbesondere im Rahmen der Governance-Strategien – Paketlösungen, Segmentierung, Arenenwechsel, Parallelinstitutionen – sowie durch Expertengremien verstärkt werden kann,

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während mit der ‚alltäglichen‘ Strategie der negativen Koordination die Performanz kaum ge- steigert werden dürfte.

Abbildung 6: Innovationsfähigkeit von Governance-Strategien

Strategie Dimension Innovation

Gleichbehandlung Policy Gering Besitzstandswahrung Policy Gering Sequenzialisierung Politics Gering Negative Koordination Politics Mittel Paketlösungen Policy Groß Segmentierung Politics Groß Arenenwechsel Polity Groß Parallelinstitutionen Polity Groß Expertengremien Polity Groß Positive Koordination Politics Sehr groß

(Quelle: In Anlehnung an Benz 2009: 178)

Die Strategien Gleichbehandlung, Besitzstandswahrung sowie Sequenzialisierung gehen ten- denziell mit einer hemmenden Wirkung einher. Eine Ausnahme stellt hingegen die positive Koordination dar, die aufgrund ihrer überaus großen Fähigkeit zur Innovation politischer Ent- scheidungen die Performanz von Energietransformationen extrem beschleunigen kann. Das nachfolgende Kapitel verdichtet die theoretischen Erkenntnisse zu forschungsleitenden Arbeitshypothesen und arbeitet ein Analysemodell für die anschließende empirische For- schung zur Energietransformation von Deutschland und Österreich aus. Darauf aufbauend wird die Operationalisierung der zentralen Variablen beschrieben, die die Fallanalyse der em- pirischen Kapitel anleiten und abschließend eine Überprüfung der deduktiv aufgestellten Hy- pothesen gewähren.

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2.5. Governance-Analyse Wie die bisherigen Kapitel zur Governance-Forschung aufgezeigt haben, ist die Performanz der Energietransformation maßgeblich durch die Konfiguration des Governance-Systems ge- prägt. Aus den bisher vorwiegend theoretischen Ausführungen lassen sich die folgenden for- schungsleitenden Hypothesen aufstellen: (H1): Je verbundener ein Governance-System ist, desto mehr wird die Performanz der Energietransformation eingeschränkt. (H2): Je eingebetteter ein Governance-System ist, desto mehr wird die Performanz der Energietransformation begünstigt. Mit dem Blick auf Strukturen und Prozessen von Governance-Systemen steht die Analyse der Energiepolitik in der Tradition des „Akteurszentrierten Institutionalismus“ (AzI) (vgl. Ma- yntz/Scharpf 1995) sowie dem „Institutional analysis and development framework“ (IAD- Framework) (Ostrom et al.: 1994: 23ff.). Beide Analysekonzepte sind bezüglich der Konzeption sowie des Ziels der Forschung identisch, indem sie einen analytischen Rahmen anbieten, der es ermöglicht, institutionelle Arrangements auf der Grundlage ihrer Performanz zu bewerten. Ohne ein solch klares Analysemodell sieht Elinor Ostrom die Gefahr, dass abschließende Re- formvorschläge schnell auf naiven Vorstellungen beruhen, welche die Eigenschaften einer Governance allgemein als „gut“ und andere als „schlecht“ klassifizieren. „Some policy analysts tend to recommend private property as a way of solving any and all problems involving over- use of a resource. While private property works effectively in some environments, it is naive to presume it will work well in all. One needs a common framework and family of theories in order to address questions of reforms and transitions” (Ostrom 2005: 29). Das nachstehende Analysemodell (Abbildung 7) ist auf die zentralen Variablen dieser Arbeit reduziert und steht in der Tradition der Forschungsheuristik des AzI und IAD-Modells, um den Forschungsprozess zu strukturieren. Dabei stellt die Performanz die abhängige Variable (AV) dar, während die Konfiguration des Governance-Systems und ihre Unterscheidung in eingebettete und verbundene Systeme die unabhängige Variable (UV) der Analyse darstellen. Diese zentralen Variablen der Governance- Analyse werden von den nicht-institutionellen biophysikalischen Gegebenheiten sowie einem historischen Politikerbe ergänzt.

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Abbildung 7: Modell der Governance-Analyse

Biophysikalische Gegebenheiten & spezifisches Politikerbe

Konfiguration des Politikgegenstand Governance-Systems Performanz

(Quelle: Eigene Darstellung)

Während in die biophysikalischen Gegebenheiten beispielsweise die topografischen Bedin- gungen sowie die Rohstoffvorkommen einbezogen werden (Ostrom 2005: 26ff.), werden im Rahmen des Politikerbes beispielsweise industriepolitische Entscheidungen aus der Vergan- genheit berücksichtigt (Zohlnhöfer 2008: 163). Beide Faktoren haben einen Einfluss darauf, wie der Politikgegenstand wahrgenommen wird und welche Policies in Form von politischen Maßnahmen, Programmen und langfristigen Plänen zur Problembearbeitung des Handlungs- feldes als möglich und adäquat erscheinen (Mayntz/Scharpf 1995: 65). Mit Blick auf die Ope- rationalisierung des Modells der Governance-Analyse am Gegenstand der Energietransforma- tion ist dabei insbesondere der Energiemix zu benennen, der maßgeblich die langfristige Pla- nung von nationalen Energiekonzepte bedingt. Der Politikgegenstand ist hier die Energietransformation, wobei sich diese in die drei zentralen Handlungsfelder Energiebereitstellung, Energieverteilung sowie die Energienutzung aufteilt. Bei der Energietransformation wird unter dem Handlungsbereich der Energiebereitstellung insbesondere der Ausbau der erneuerbaren Energien verstanden. Im Rahmen der Energiever- teilung ist hingegen vor allem der Netzausbau, bezugnehmend auf den Ausbau der Übertra- gungsnetze zu adressieren. Letztlich integriert das Handlungsfeld der Energienutzung das Thema der Energieeffizienz in die Analyse der Energietransformation. Gleichwohl sind die ein- zelnen Handlungsfelder entlang der Wertschöpfungskette im Energiewesen fließend und wer- den nur aufgrund der analytischen Stringenz getrennt voneinander erfasst. Der fließende Übergang zwischen den einzelnen Handlungsfeldern zeigt sich insbesondere in Anbetracht der Energietransformation, in welcher der gesellschaftspolitische Querschnittscharakter des Poli- tikfeldes zwischen Wirtschafts-, Umwelt-, Verkehrs- und Sozialpolitik vielfach die administra-

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tiven Ressortgrenzen überschreitet. Aber auch bei der technischen Beschaffenheit des Politik- feldes wird der Querschnittscharakter des Energiesystems zunehmend deutlicher, weil An- wendungen der Sektorkopplung einzelne Handlungsfelder durch Speicherlösungen, IoT-Sys- teme oder Umwandlungstechnologien im Rahmen des Transformationsprozesses verknüpft werden (vgl. ESYS 2017). Die Performanz wird schließlich operationalisiert, indem die bisherige Zielerreichung der lang- fristigen Energiestrategien und -konzepte ausgewertet wird, wobei sich auch hier die Hand- lungsfelder der Energietransformation wiederfinden. Denn während die langfristigen Planun- gen einerseits quantifizierbare Zielgrößen für die übergeordnete Reduktion des CO2-Aussto- ßes beinhalten, wurden andererseits auch handlungsfeldspezifische Zielgrößen ausformuliert. Folglich enthalten die Energiekonzepte auch Zielgrößen zur Verringerung des Energiever- brauchs oder über das Ausbauniveau erneuerbarer Energien, sodass neben einer Gesamtper- spektive auf die Performanz der Energietransformation in Deutschland und Österreich auch eine Bewertung der Performanz einzelner Handlungsfelder ermöglicht wird. Ausgehend von dieser forschungspragmatischen Unterteilung der Energietransformation in ihre drei Handlungsfelder ist die empirische Analyse der Fallbeispiele Deutschland und Öster- reich untergliedert. Dabei richtet sich die Forschungsperspektive auf die jeweilige Konfigura- tion des Governance-Systems politischer Entscheidungen und resultierender Politikinstru- mente zur Bearbeitung der drei Handlungsfelder im Rahmen der Energietransformation. Dies- bezüglich verdeutlicht der konzeptionelle Analyserahmen das Forschungsvorgehen, um die einführend beschriebenen Hypothesen zu untersuchen und zu testen (Abbildung 8). Weil die Ausgestaltung des heutigen Governance-Systems auf eine langjährige Entwicklung aufbaut, welche mit der Elektrifizierung der Städte begann und allmählich zu einem der wich- tigsten staatsnahen Infrastruktursysteme heranwuchs, wird der Analyse der konkreten Gover- nance-Systeme ihr spezifisches Politikerbe vorangestellt und erläutert. Die Operationalisie- rung der Governance-Systeme selbst beinhaltet schließlich einerseits die Analyse der forma- len Kompetenzverteilung zwischen den politisch-administrativen Ressortzuständigkeiten und territorialen Ebenen sowie andererseits die Beschreibung der realen politischen Prozesse und Strukturen der Entscheidungsfindung. Während die Kompetenzverteilung und Ressortzustän- digkeiten auf der Grundlage rechtswissenschaftlicher Literatur und Gesetzestexten erfasst werden konnte, waren die realen politischen Prozesse und Strukturen zentraler Bestandteil geführter Interviews.

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Damit ist es möglich, die Ausgestaltung der Governance-Systeme im Energiesystem sowohl in Deutschland als auch in Österreich zu erfassen und unterschiedliche Konfigurationen von ein- gebetteten und verbundenen Governance-Systemen zwischen den Fällen aufzuzeigen und ab- schließend empirisch identifizierte Faktoren zu benennen, die die unterschiedliche Perfor- manz der Energietransformation erklärt. Doch bevor sich diese Arbeit den zugrunde liegenden abhängigen und unabhängigen Variab- len der Governance-Analyse zuwendet, soll zunächst in die gewählte Methodik eingeführt werden.

Abbildung 8: Der konzeptionelle Analyserahmen

Konfiguration des Gover- UV: nance-Systems

verbundenes Governance- eingebettetes Governance- System System

Innovation der Governance-Strategien

- +

Performanz des Gover- AV: nance-Systems

(Quelle: Eigene Darstellung)

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3. Methodik

Mittlerweile liegen zahlreiche Forschungsarbeiten vor, die auf eine Transformation nationaler Energiesysteme aufmerksam machen. Obgleich sich hierfür insbesondere die vergleichende Methode zur Analyse nationaler Energietransformation anbietet, finden sich bisher nur we- nige Arbeiten, die sich im Rahmen der Transformationsforschung eines explizit vergleichen- den Designs zur Analyse von Energiesystemen bedienen. Gleichwohl sind vergleichende Ar- beiten unabdingbar, um die unterschiedliche Performanz von Transformationen des Energie- systems besser zu verstehen und Erklärungsfaktoren zu benennen. Dabei sollten verglei- chende Analysen der Energietransformation nicht ausschließlich aus ökonomischer, technolo- gischer oder historischer Perspektive erfasst werden, sondern auch von Seiten der Sozialwis- senschaften (Cherp et al. 2017: 612). Um diesem Anspruch gerecht zu werden, führt das an- schließende Unterkapitel in die vergleichende Forschungsmethode ein und begründet die hier getroffene Fallauswahl von Deutschland und Österreich. Abschließend werden die hierfür not- wendigen Daten erläutert und deren Erhebung dargestellt.

3.1. Forschungsdesign Diese Arbeit nimmt eine vergleichende policy-analytische Perspektive im Rahmen der Gover- nance-Forschung ein, die ihre Wurzeln, ähnlich der Governance-Analyse, in der Policy- und Implementationsforschung hat. Während die Policyforschung danach fragt, „was politische Akteure tun, warum sie dies tun, und was sie letztlich damit bewirken?“ (Dye 1972: 1; Schnei- der/Janning 2006: 11; Schubert/Bandelow 2009: 4), ist die vergleichende Politikwissenschaft insbesondere methodologisch geprägt. Die vergleichende Politikwissenschaft setzt mindes- tens zwei Gegenstände in Bezug auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Beziehung, mit dem Ziel, „Verallgemeinerungen über Zusammenhänge, Unregelmäßigkeiten oder Gesetzmä- ßigkeiten zwischen verschiedenen Variablen abzuleiten“ (Pickel 2016: 26). Entsprechend lenkt eine komparative policy-analytische Forschungsperspektive den Fokus auf einen systemati- schen Vergleich von Politik, um die Arbeitsweise politischer Entscheidungen besser zu verste- hen und Ergebnisse zu erklären. Das übergeordnete Forschungsinteresse an Erklärungsfaktoren für die Performanz von Ener- gietransformation soll durch einen theoretisch fundierten und kriteriengeleiteten Vergleich zwischen Länderfällen ausgearbeitet werden. Dabei ist das Vergleichsdesign stets eine Abwä-

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gung zwischen den zwei Extremen large-N einerseits und Einzelfallanalysen andererseits so- wie den daraus resultierenden Vor- und Nachteilen für die abschließende Erklärung der For- schungsfrage (Schneider/Janning 2006: 103). Beide Forschungsstrategien verfolgen unterschiedlich Ziele und arbeiten zumeist mit unter- schiedlichen Methoden. Während large-N Designs in aller Regel quantitative Methoden der Statistik anwenden und variablenorientiert sind, arbeiten Einzelfallstudien zumeist mit quali- tativen Methoden und sind fallorientiert. Ein fallorientiertes Design ermöglicht, Fälle als Gan- zes zu untersuchen, und löst diese nicht in Variablen auf. Kausalität und Signifikanzen sind beim fallorientierten Vorgehen eng mit dem Kontext verbunden und damit mit weiteren Merkmalen verzahnt, die es zu berücksichtigen gilt. Folglich betont eine fallorientierte For- schungsstrategie Komplexität, wodurch der Grad an Verallgemeinerbarkeit abnimmt und ge- neralisierte Aussagen nur auf einem eng begrenzen Raum möglich werden (Ragin et al. 1996). Um einerseits der Komplexität des Transformationsprozesses im Energiesystem gerecht zu werden, aber andererseits nicht gänzlich auf generalisierte Aussagen zu verzichten, hat sich ein Mittelweg in Form der „vergleichenden Methode“ bewährt (vgl. Lijphart 1971).

Abbildung 9: Forschungsdesigns zwischen Fällen und Variablenanzahl

(Quelle: Lauth et al. 2014: 47)

Im Rahmen der vergleichenden Methode werden mindestens zwei Fälle in die Analyse aufge- nommen und mehr als eine Variable in die Beobachtung integriert. Die unterschiedlichen For- schungsdesigns können entlang der Anzahl einbezogener Fälle auf der X-Achse und integrier- ter Variablen auf der Y-Achse verortet werden, um zu verdeutlichen, warum Lijphart die ver- gleichende Methode im Rahmen des Most-Similar-System-Designs (MSSD) beziehungsweise Most-Different-System-Designs (MDSS) als eigentlichen Ort der vergleichenden Forschung be- wertet (Lauth et al. 2014: 47; Pickel 2016: 36).

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Weil im weiteren Verlauf dieser Arbeit insbesondere das MSSD die methodologische Grund- lage der Arbeit bildet und für die anschließende Fallauswahl von zentraler Bedeutung ist, soll diese hier kurz erläutert werden. Die vergleichende Methode mit mehr als einen Fall im Rahmen des MSSD muss auf der Grund- lage einer systematischen Fallauswahl aufbauen, welche die Kontextvariablen und Rahmen- bedingungen für die Analyse und Erklärung des Outcomes stabil hält. Vereinfacht ist dies in nachfolgender Abbildung 10 aufgeführt. Sie zeigt drei Fälle, die durch gleiche Rahmenbedin- gungen (A, B und C) gekennzeichnet sind. Allerdings findet sich die erklärende Variable (X) nur in den ersten zwei Fällen und tritt im Fall drei nicht auf. Auch der Outcome (Y) ist im dritten Fall nicht gegeben, weshalb hier angenommen werden kann, dass X das Aufkommen von Y bedingt beziehungsweise erklärt.

Abbildung 10: Forschungsdesign im Rahmen des MSSD Fall 1 Fall 2 Fall 3

A A A

Rahmenbedingungen B B B

C C C

Erklärende Variable X X nicht X

Outcome Y Y nicht Y

(Quelle: in Anlehnung an Pickel 2016: 37)

Dabei folgt das MSSD im Wesentlichen der Differenzmethode. Susanne Pickel bringt dies am Beispiel von zwei Fällen im Paarvergleich auf den Punkt: „Wenn ein Phänomen in einem Paar- vergleich einmal auftritt und einmal nicht auftritt (abhängige Variable a) und die Bedingungen, unter denen dies geschieht, jeweils die gleichen (unabhängige Variablen) sind, bis auf eine Variable (A), die sich in beiden Fällen unterscheidet, so ist die unabhängige Variable (A), die mit der abhängigen Variable (a) variiert, die Ursache oder ein unerlässlicher Teil der Ursache der abhängigen Variable“ (Pickel 2016: 38). Damit bietet sich das MSSD beziehungsweise die Differenzmethode an, um bei ähnlichen Fäl- len verallgemeinerbare Ergebnisse mittlerer Reichweite erzielen zu können, ohne eine fallori- entierte Perspektive des Vergleichs aufgeben zu müssen. “It is important to note, however,

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that such procedures, like all qualitative comparative methods, should never be applied in a purely mechanical way. They direct the attention of the researcher to specific variables which then must be interpreted in the light of relevant theoretical propositions and, depending on the problem analyzed, specific historical knowledge” (Ragin et al. 1996: 755). Zu beachten ist jedoch, dass das Forschungsdesign, wie es hier im Rahmen des MSSD erläutert wurde, der experimentellen Forschung nachgeahmt ist. In sozialwissenschaftlichen Arbeiten wird es zumeist kaum möglich sein, alle Anforderungen des MSSD in seiner Gänze zu erfüllen (Leuffen 2007: 207f.). Es bietet aber ein idealtypisches Design wissenschaftlichen Arbeitens, an das sich die Forschungspraxis nach Möglichkeit annähern kann, und verweist auf die Be- deutung der Varianz kausaler Analysen. Wichtig erscheint im Rahmen des MSSD dabei insbe- sondere die Auswahl der Untersuchungsfälle. Diese müssen durch sehr ähnliche Rahmenbe- dingungen gekennzeichnet sein, um die erklärenden Unterschiede zu erkennen, die letztlich die Varianz der abhängigen Variable bedingen und erklären. Das nachfolgende Unterkapitel erläutert die hier getroffene Fallauswahl Deutschland und Österreich insbesondere durch ein theoriegeleitetes Vorgehen.

3.2. Länderauswahl Mit Deutschland und Österreich wurden zwei Länder gewählt, die sich mit Blick auf die zu erklärende Abhängige Variable teilweise erheblich unterscheiden. Denn wie noch ausführlich im vierten Kapitel dieser Arbeit dargelegt wird, erzielt Österreich im Vergleich zu Deutschland bisher eine bessere Performanz der Energietransformation. Gleichwohl sind beide Staaten durch sehr ähnliche politische Rahmenbedingungen gekennzeichnet, sodass die hohen Anfor- derungen des MSSD an die Fallauswahl sichergestellt werden können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund jener drei Begründungsmuster, wie sie im Unterkapitel zum Forschungs- stand diskutiert wurden und zumeist in quantitativen Forschungsansätzen im Rahmen von makrostrukturellen Merkmalen getestet werden (Zohlnhöfer 2008: 157). Aus dieser makrostrukturellen Perspektive sind beide Länder dem Typus Föderalstaat zuzu- ordnen und werden als „consociational democracy“ (Lijphart 1984: 219; 2012: 251) mit einer relativ hohen Anzahl an „Vetospielern“ (Schmidt 2012; 332f.) sowie einem mittel bis ausge- prägten „Neo-Korporatismus“ (Lehmbruch 1985: 288) hinsichtlich der Einbindung gesell- schaftspolitischer Interessen klassifiziert. Zusätzlich können sowohl das Parteiensystem von

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Deutschland als auch das von Österreich dem „moderaten Pluralismus“ zugeordnet werden (Abromeit/Stoiber 2006: 193). Hinsichtlich der diskursiven Erklärungsmuster ist zu betonen, dass sich sowohl in Österreich als auch in Deutschland ähnliche Sozial-, Umwelt- und Friedensbewegungen entwickelten, die in Österreich bereits Ende der achtziger Jahre und in Deutschland kurz nach der Jahrtausend- wende zum Verzicht der Atomenergie führten. Darüber hinaus wird beiden Fällen eine lange Tradition im Rahmen der Umweltpolitik zugesprochen, die sich auch in den gesellschaftliche Konfliktlinien wiederfindet. Entsprechend existiert in beiden Staaten kein ausgeprägter Kli- maskeptizismus im gesellschaftspolitischen Diskurs der Parteien (Ruß 2014: 362). Auch aus makroökonomischer Perspektive wird die Ähnlichkeit der Rahmenbedingungen von Österreich und Deutschland ersichtlich. Beide Länder sind klassische Industriestaaten und er- wirtschafteten in den vergangenen Jahren ein ähnlich hohes Bruttoinlandsprodukt (BIP).2 Auch gleichen sich die Staatsausgaben für Forschung und Technologie im Allgemeinen sowie im Schwerpunkt ausgewählter Zukunftsindustrien wie Klima und Umwelt im Besonderen (Czada 2016: 843f.). Der Blick auf das Wirtschaftswachstum zeigt zudem, dass sowohl Deutschland als auch Österreich langfristig durch sehr ähnliche Wachstumsraten gekennzeich- net sind.3 Dies gilt auch für die Exportquoten beider Länder, die im Vergleich zwischen den Mitgliedstaaten der EU, 2016 bei 46 Prozent im Fall Deutschlands und 52 Prozent im Fall Ös- terreichs, dicht beieinander lagen.4 Die Ähnlichkeit dieser ökonomischen Rahmenbedingun- gen findet auch im politökonomischen Erklärungsansatz des „Varieties of Capitalism“ Bestäti- gung, in welchem beide Staaten dem Modell der „coordinated market economies“ zugeordnet werden (Hall/Soskice 2001). In der statistisch geprägten Forschungsausrichtung der vergleichenden Politikwissenschaft ha- ben insbesondere die späteren Arbeiten von Tsebelis und Lijphart Indizes hervorgebracht, welche die Performanz von nationalen Regierungssystemen prognostizieren (Tsebelis 2002; Lijphart 2012). Ausgehend dieser Makrodaten wäre anzunehmen, dass die Performanz der Energietransformation in beiden Fällen ‚gleichermaßen langsam‘ verläuft, weil die politischen

2http://ec.europa.eu/eurostat/statisticsexplained/images/6/68/GDP_per_capita_at_current_market_prices%2C_2006_and_2016_%28EU- 28_%3D_100%3B_based_on_PPS_per_inhabitant%29_YB17-de.png (Aufruf 24.08.2017).

3http://www.imf.org/external/datamapper/NGDP_RPCH@WEO/DEU/AUT (Aufruf 24.08.2017).

4https://de.statista.com/statistik/daten/studie/7060/umfrage/anteil-der-exporte-von-waren-am-bip-in-den-eu-laendern/ (Aufruf 24.08.2017).

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Rahmenbedingungen der am Konsens orientierten Regierungstypen Deutschlands und Öster- reichs mit verhältnismäßig vielen Vetospielern im Vergleich zu liberalen Mehrheitsdemokra- tien eingeschränkt sein sollte. Eine einfache Korrelation der Performanz, wie sie im Rahmen des Energy Transition Index er- hoben wurde, und Arend Lijpharts Indesxdaten zur Machtverteilung von Regierungssystemen (degree of consensus) zeigen jedoch nur eine leichte Tendenz für jene EU-15-Staaten, die be- reits in den 1990er-Jahren in der frühen Phase der Energietransformation der EU angehörten. Ersichtlich werden einerseits die im Vergleich zu Deutschland bessere Performanz Österreichs sowie andererseits ein minimaler Anstieg der Leistungsfähigkeit in konsensorientierte Staa- ten. Hieraus zu schließen, dass mit zunehmender Machtverteilung die Performanz der Ener- gietransformation steigt, erscheint aufgrund fehlender Signifikanz wenig erklärungsfähig.

Abbildung 11: Die Performanz der EU-15-Staaten im Vergleich

80 Sweden DenmarkFinland 70 United KingdomFrance Austria Netherlands

Spain Portugal Belgium 60 Italy

Greece

EnergyTransition Index 50 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 Grad der Konsensorientierung

(Quelle: Eigene Darstellung der Daten von Lijphart 2012 und WEF 2018)

Darüber hinaus bleibt offen, warum sich die Performanz Österreichs über dem Durchschnitt befindet, während Deutschland unterhalb der Durchschnittsgeraden platziert ist, obwohl beide Staaten durch sehr ähnliche Indexdaten der Machtteilung gekennzeichnet sind. Die aufgeführten Gemeinsamkeiten in den Rahmenbedingungen verweisen auf die Ähnlich- keit der gewählten Staaten, die die Fälle als most-similar-cases charakterisieren. Weil zugleich die gängigen statistischen Theorieansätze die abweichende Performanz beider Staaten nicht erklären können, sind die Fälle darüber hinaus als most-likly-cases zu deuten (Hildebrandt et al. 2015: 235; Georg/Bennett 2005: 121). Die fehlende Signifikanz verdeutlicht, warum das

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Feld der Energietransformation nicht mit den allgemeinen Merkmalsträgern statistischer In- dizes zu erklären ist. Die zumeist institutionenzentrierten sowie sozioökonomischen Indizes mögen eine Tendenz geben, eine abschließende Erklärung liefern sie jedoch nicht. Insoweit muss eine Erklärung über die Performanz von Transformationen des Energiesystems über die allgemeinen Merkmalsträger statistischer Indizes hinausgehen und neben strukturellen Merk- malen von Makrodaten auch die Prozesse politischer Entscheidungen erfassen. Insbesondere in der Governance-Forschung rückt das Zusammenspiel von Strukturen und Pro- zessen an die zentrale Stelle, um Politikergebnisse auch in hochgradig komplexen Forschungs- feldern zu bearbeiten (vgl. Benz et al. 2007). Darüber hinaus rechtfertigt die Ausprägung der Länderfälle Deutschland und Österreich als most-likely- und most-similar-cases, auf die ver- gleichende Governance-Analyse im Design von detailliert vergleichenden Einzelfallstudien zu- rückzugreifen, um die abweichende Performanz zwischen den Fällen zu erklären. Selbstver- ständlich reduziert ein solch angelegtes Forschungsdesign mit zwei Länderfällen die Verallge- meinerbarkeit gewonnener Ergebnisse. In der Folge können analysierte Erkenntnisse nur be- grenzt auf weitere Staaten beziehungsweise Fälle übertragen werden, die sich hinsichtlich des fallorientierten Vorgehens in den Rahmenbedingungen mit Deutschland und Österreich äh- neln müssen. Andererseits ermöglicht die vertiefende Analyse und der Blick auf die Strukturen und Prozesse des ‚Policymakings‘, nicht nur variablenorientierte Erfolgswahrscheinlichkeiten zu prognostizieren, sondern hemmende wie fördernde Struktur-Prozess-Konfigurationen kon- textspezifisch auszuarbeiten, die die Performanz nationaler Transformationen im Energiesys- tem erklären und in weiteren Forschungsarbeiten an ähnlichen Fällen zu testen und zu falsifi- zieren sein werden. Damit bewegt sich diese Arbeit in der Methodik der Prozess-Analyse (vgl. Georg/Barnenett 2005). „Ziel von Prozess-Analyse ist es nicht so sehr, die Anzahl der Beobachtungen zu einzel- nen Variablen zu erhöhen, sondern die Verbindung zwischen den Variablen möglichst detail- liert nachzuvollziehen“ (Blatter et al. 2007: 158). Gleichwohl bedingt die forschungsstrategi- sche Ausrichtung im Rahmen der Prozess-Analyse die enge Rückbindung an theoretische Kon- zepte, um den Nutzen und Vorzug prozessorientierter Vergleiche, den „comparativ marit“, zu generieren (Sartori 1994: 23). Denn Prozess-Analysen werden entweder darauf ausgerichtet sein, eine bestehende Theorie weiterzuentwickeln oder einen theoretisch vermuteten Zusam- menhang zu prüfen, um Scheinkorrelationen auszuschließen (Hildebrand et al. 2015: 217).

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Der hier gewählte Mittelweg zwischen den extremen Idealtypen aus induktiver und dedukti- ver Forschungsausrichtung verbindet sich im Rahmen von „diszipliniert-konfigurativen“ Fall- studien. Hierbei werden theoretische Annahmen deduktiv abgeleitet und getestet sowie die gewonnenen Erkenntnisse der Analyse an die verwendete Theorie rückgebunden (Muno 2016: 81). Dieses Vorgehen ist insbesondere im Rahmen der Governance-Forschung ein adä- quater Ansatz, weil sich die Governance-Forschung selbst als Analysekonzept und Forschungs- heuristik versteht, in der lediglich bereichsspezifische Theorieaussagen über die Auswirkun- gen spezieller Struktur-Prozess-Konfigurationen möglich sind (Benz/Dose 2010: 273f.).

3.3. Datenerhebung In Anbetracht des gewählten Forschungsdesigns sowie der Fallorientierung des Vergleichs greift die Analyse auf Experteninterviews und einschlägige Dokumente und Gesetzestexte zu- rück. Neben einem Einblick in die Historie der Energiepolitik konzentriert sich der Analysezeit- raum auf den Beginn der Energietransformation mit der Jahrtausendwende bis zu den Bun- destagswahlen beziehungsweise Nationalratswahlen beider Staaten im Oktober 2017. Wäh- rend einerseits unter Zuhilfenahme der Primärquellen insbesondere ein Überblick vorliegen- der Drucksachen (Gesetzestexte, Ausschussprotokolle und Berichte über Plenarsitzungen) und Statistiken (Monitoring-Berichte, Jahresbilanzen, Studien und Evaluationen) herangezo- gen werden, um die bisherigen Inhalte (Policies) der Energietransformation zu erfassen, zielen andererseits die Experteninterviews auf ein umfassendes Verständnis der zugrundeliegenden Strukturen und Prozesse (Polity und Politics) politischer Entscheidungen im Rahmen der Ener- gietransformation. Entsprechend sind die Experteninterviews die zweite Primärquelle dieser Arbeit. Die Inter- views dienten als Informationsquelle, um Einblicke in die internen Koordinationsstrukturen und prozessualen Abläufe hinsichtlich der Ausgestaltung der Energiepolitik zu erhalten (vgl. Hildebrandt et al. 2015: 241ff.). Hierfür wurden insgesamt 18 Interviews geführt5, welche durch leitfadengestützte Fragebögen systematisiert in Deutschland und Österreich mit zent- ralen Vertretern der nationalen Energiepolitik geführt wurden. Darunter befanden sich Ver- treter der Verwaltung und Administration auf nationalstaatlicher Ebene wie auch in den Bun-

5 Siehe für einen detaillierten Überblick der einzelnen Experteninterviews die beigefügte Auflistung im Anhang.

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desländern beziehungsweise Ländern Österreichs. Auch wurde das Gespräch mit den zentra- len Interessensverbänden sowie den Sozialpartnern in Österreich geführt. Letztlich wurden Interviews mit den Regulierungsbehörden und den Netzbetreibern abgehalten. Im Vergleich zu rein standardisierten Fragebögen konnte durch die mittlere Position der Standardisierung von leitfadengestützten Interviews ein detaillierteres Verständnis der Arbeitsprozesse und Strukturen erlangt werden (Behnke 2010: 245; Blatter et al. 2007: 62).

Abbildung 12: Systematisierung der Interviewpartner

Deutschland Österreich Arbeitsgemeinschaft Energiebilan- Austrian Institute of Technology zen e.V., Mitglied der unabhängi- GmbH, Center for Innovation Sys- gen Expertenkommission der Bun- tems & Policy desregierung zum Monitoring der Experteninterviews Energiewende Stiftung Umweltenergierecht, Ab- Institut für Föderalismus, Abtei- teilung der wissenschaftlichen Lei- lung der Direktion tung der Stiftung Umweltenergie- recht Bundesministerium für Wirtschaft Bundesministerium für Nachhal- und Energie, Referat IIB1: Grund- tigkeit und Tourismus, Sektion III: satz Energieeffizienz und ratio- Energie und Bergbau, Abteilung Er- nelle Energienutzung neuerbare Energien, elektrische Energie und Fernwärme Bundesministerium für Wirtschaft Bundesministerium für Wissen- und Energie, Referat IIIC1: Natio- schaft, Forschung und Wirtschaft, nale und europäische Stromnetze Abteilung Vollziehung des Energie- und Stromnetzplanung wegerechts Ministerialverwaltung Bundesministerium für Wirtschaft Bundesministerium für Wissen- und Energie, Referat IIIA2: Koordi- schaft, Forschung und Wirtschaft, nierung, Bundesländer, Informa- Sektion III: Energie und Bergbau, tion und Dialog Abteilung Nachhaltige Wirt- schaftsentwicklung und Klimapoli- tik Bundesministerium für Umwelt, Bundesministerium für Land- und Naturschutz und nukleare Sicher- Forstwirtschaft, Umwelt und Was- heit, Referat IK II 5: EU Klima und serwirtschaft, Abteilung Klima- schutz und Luftreinhaltung

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Energiepolitik, Europäische Klima- schutzinitiative, Kohlenstoff- märkte Landesministerium für Wirtschaft, Landesregierung, Abteilung Was- Arbeit, Energie und Verkehr, Refe- ser-, Forst- und Energierecht (Ti- rat F/1: Grundsatzfragen der Ener- rol) gie- und Klimaschutzpolitik (Saar- land) Bundesnetzagentur, Abteilung: In- E-Control, Abteilung Ökoenergie Regulierungsbehörde6 ternationales und Energieeffizienz IG Windkraft, Abteilung For- schung- und Universitätskommu- Interessengruppen nikation Erneuerbare Energie Österreich, Abteilung der Geschäftsführung

Um eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Fällen zu ermöglichen, wurden organisato- risch äquivalente Interviewpartner aus Deutschland und Österreich gewählt. Zur konkreten Auswahl relevanter Interviewpartner wurden einerseits Empfehlungen im Rahmen der Exper- teninterviews herangezogen. Andererseits wurden die Interviewpartner aufgrund von Geset- zestexten und der Medienberichterstattung ausgewählt. Im Anschluss an die Interviews wur- den die Aufzeichnungen verschriftlich und transkribiert (Hildebrandt et al. 2015: 249f), wodurch eine systematische Analyse und Weiterverarbeitung mit der qualitativen Datenana- lysesoftware MAXQDA sichergestellt werden konnte.

3.4. Datenanalyse Die qualitative Analyse galt lange Zeit als unzureichend um Hypothesen zu testen. Auch Heute noch lässt sich ein implizites Vorrecht quantitativer Techniken wie der Korrelationsanalyse fin- den, während die Bedeutung insbesondere von qualitativen Inhaltsanalysen eher gering ein- geschätzt wird (Schnell et al. 2005: 413). Die Kritik an mangelnder Validität und Realität qua-

6 Da sich der Zugang zu den Regulierungsbehörden als vergleichsweise schwer herausstellte und um Mehrfachansprachen auszuschließen, wurden Forschungssynergien mit dem Projekt „Linking national and international administrations – The impact of multilevel coordination“ genutzt, das von Timo Richter und Sebastian Widmuch an der TU Darmstadt unter der Leitung von Prof. Dr. Arthur Benz bearbeitet wurde.

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litativer Datenanalysen kann jedoch begegnet werden, indem das systematische und regelge- leitete Vorgehen der Datenauswertung offengelegt wird. Hierfür bietet sich insbesondere die Technik der qualitativen Inhaltsanalyse an (vgl. Mayring 2015). Auch in dieser Arbeit wurden die erhobenen Interviews sowie die gesammelten Textdoku- mente im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse bearbeitet und ausgewertet, wie sie von Philipp Mayring entwickelt wurde. Dabei wurde die Technik der Strukturierung des Datenma- terials verfolgt, um bestimmte Aspekte unter vorab festgelegten Ordnungskriterien abzu- schätzen und auszuwerten (Mayring 2015: 67f). Die Ordnungskriterien einer strukturierten Inhaltsanalyse werden deduktiv aus der zugrundeliegenden Theorie abgeleitet, wie sie im Ka- pitel zur Governance zuvor detailliert beschrieben wurden. Entsprechend gleicht das Hauptka- tegoriensystem, den unterschiedlichen Ausprägungen der Governance-Formen und Strate- gien (Abbildung 4 und 6), wobei zusätzlich zwischen den Handlungsfeldern Energiebereitstel- lung, deren Verteilung und Nutzung differenziert wurde. Der Vorteil dieser inhaltlichen und typisierenden Strukturierung ist, dass bestimmte Themen, Inhalte und Aspekte aus dem Un- tersuchungsmaterial extrahiert werden können, welche für die Überprüfung der zugrundelie- genden Hypothesen relevant und von besonderem theoretischen Interesse sind (Mayring 2015: 103). Die eigentliche Datenauswertung wurde unter Zuhilfenahme der Computersoftware MAXQDA durchgeführt, welche zu Beginn der 90er Jahre an der FU von Udo Kuckartz entwickelt wurde und seither mehrfach erweitert wurde (vgl. Kuckartz 2005). Obgleich sich der Arbeits- ablauf bei der Durchführung einer Inhaltsanalyse mittels einer Softwarelösungen kaum verän- dert hat, unterstützten PC-Programme die Verwaltung, Kodierung und Auswertung des Da- tenmaterials. So konnten die transkribierten Interviews und Textdokumente als Datenmate- rial eingelesen und das Kategoriensystem direkt in MAXQDA erstellt werden. Ebenfalls in MAXQDA erfolgte im Anschluss die Kodierung des Datenmaterials, indem einzelne Textab- schnitte markiert und einer Kategorie zugeordnet wurden. Im Hintergrund der Benutzerober- fläche generiert MAXQDA fortlaufend eine tabellarische Darstellung, in welcher für jedes Handlungsfeld der Energietransformation einerseits die Überkategorien Governance-Form und -Strategie sowie deren spezifische Ausprägung in Unterkategorien mit den kodierten Text- stellen verknüpft abgebildet ist. Abschließend ermöglicht MAXQDA diese Ergebnistabelle bei- spielsweise in Excel auszugeben, wodurch auch eine Weiterverarbeitung mit quantitativen

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Methoden ermöglicht wird. In dieser Arbeit stand jedoch keine Auszählung der Häufigkeit ei- ner bestimmten Kategorie im Fokus der Datenanalyse. Vielmehr ging es darum zu überprüfen und zu verstehen, durch welche Governance-Formen die Handlungsfelder der Energietrans- formation geprägt sind, ob die Akteure sich zeitgleich in verbundenen Governance-Systemen befinden oder nachgelagert in eingebetteten Governance-Systemen interagieren und letztlich welche Governance-Strategie ihr Handeln dabei kennzeichnet. Entsprechend wurde die Er- gebnistabelle der strukturierten Inhaltsanalyse nicht statistisch weiterverarbeitet, sondern diente als Grundlage der vergleichenden Governance-Analyse von Deutschland und Öster- reich entlang der Handlungsfelder der Energietransformation. Die verschriftlichten Ergebnisse wurden letztlich den Interviewpartnern präsentiert, um dis- kursiv die gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen einer kommunikativen Validierung abzustim- men. Die Vorgenommene Typisierung der Inhaltsanalyse engt zwar die Analyseperspektive auf das deduktiv abgeleitete Kategoriensystem ein, maximiert jedoch die Reliabilität, weil die Sta- bilität, Reproduzierbarkeit und Exaktheit der Analyse gewahrt wird (Mayring 2015: 126f). Doch bevor die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse und damit die erklärenden Faktoren im Zentrum dieser Arbeit stehen, soll zuvor näher auf das zu Erklärende Phänomen eingegan- gen werden. Entsprechend verdeutlicht das anschließende Kapitel die abweichende Perfor- manz der Energietransformation von Deutschland und Österreich, während die Ergebnisse der Inhaltsanalyse eine Erklärung geben, warum sich die Performance der beiden Fälle aus der Perspektive der Governance-Forschung unterscheidet.

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4. Die Performanz der Energietransformation

Die Energietransformation ist kein singuläres Ereignis in einzelnen Staaten. Vielmehr findet sie ihren Ursprung im internationalen Kontext der globalen Klimadebatte sowie in einer gemein- samen europäischen Politik. Während die Bewertung der Performanz im internationalen Kon- text auf die Reduktion nationaler CO2-Emmissionen beschränkt bleibt, hat die EU im Jahr 2008 ein umfassendes Zielpaket für Klimaschutz und Energie verabschiedet. Diese Entwicklung von der globalen Klimadebatte bis hin zu einer europäischen Zielvereinbarung stehen nachfolgend im Vordergrund, weil damit erstmals eine gemeinsame Grundlage verabschiedet wurde, die einen Vergleich zwischen den europäischen Mitgliedsstaaten ermöglicht und dabei nicht auf den Indikator nationaler CO2-Emmissionen begrenzt ist. Darüber hinaus wurden die unter- schiedlichen Gegebenheiten des nationalen Energiemixes berücksichtigt und differenzierte Beiträge im Rahmen der Lastenverteilung (Burden Sharing) zwischen den Mitgliedsstaaten vereinbart. Um diese nationalen Beiträge zu erreichen, haben die Mitgliedsstaaten Energie- und Klimastrategien verabschiedet, die quantifizierbare Zielvorgaben enthalten und dadurch einen detaillierteren Vergleich über die Performanz der Energietransformation ermöglichen. Entsprechend werden vor dem abschließenden Vergleich der Performanz von Deutschland und Österreich in der Energietransformation die nationalen Gegebenheiten der beiden euro- päischen Länderfälle eingeführt, weil auf dieser Basis die jeweiligen Strategiekonzepte und quantifizierbaren Zielgrößen festgelegt wurden. Zuvor jedoch soll der internationale und eu- ropäische Kontext knapp dargestellt werden, da dieser Maßgeblich die Entwicklung der nati- onalen Energiepolitik in den vergangenen Jahren beeinflusste.

4.1. Die Energietransformation im internationalen und europäischen Kontext Der Beginn der Energietransformation hin zu einem annähernd dekarbonisierten Energiesys- tem, in dem fossile Energien weitgehend substituiert sind, setzte bereits Anfang der siebziger Jahre ein. Eine Gruppe von Wissenschaftlern des „Club of Rome“ stellte im Jahr 1972 ihren Forschungsbericht zur Zukunft der Weltwirtschaft vor und zeigte durch Szenarien die Grenzen der auf Wachstum beruhenden Gesellschaft auf (Meadows et al. 1972). Im selben Jahr grün- dete sich in Laxenburg bei Wien das „Internationale Institut für Angewandte Systemanalyse“ (IIASA), in dem Methoden globaler Umweltanalysen von Wissenschaftlern aus West wie Ost ausgearbeitet wurden. Mit der einsetzenden Diskussion über das Ozonloch verschob und kon- kretisierte sich Ende der achtziger Jahre schließlich die globale Klimadebatte. Im Jahr 1988

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folgte die Einrichtung des „Intergovernmental Panel on Climate Change” (IPCC), das als Exper- tenrat seither maßgeblich zu einem wissenschaftlichen Konsens über den globalen Treibhaus- gaseffekt beigetragen hat. In der Folge verbreitete sich nach und nach die Einsicht einer zu- nehmenden globalen Klima- und Umweltkrise, die maßgeblich auf den zunehmenden Ener- giebedarf der Nationalstaaten zurückgeführt wurde. Weil das Energiesystem für einen Groß- teil der nationalen Treibhausgase verantwortlich ist, galt die Aufmerksamkeit bald einer nach- haltigen Transformation des Energiesystems, worunter neben dem Ausbau erneuerbarer Technologien der Stromerzeugung insbesondere auch eine Reduktion des Energieverbrauchs diskutiert wurde. Zeitgleich jedoch prognostizierte der „World Energy Council“ (WEC) bereits eine Verdopplung der energiebedingten CO2-Emissionen aufgrund der Annahme, dass zukünftig nicht von einer Reduktion ausgegangen werden könne, sondern ein kontinuierlicher Anstieg des nationalen Energieverbrauchs zu erwarten sei (Weizsäcker 1994: 52ff.). Wurden diese pessimistischen Thesen und Prognosen zu Beginn noch kritisch hinterfragt, zeigt sich rückblickend, dass sich der weltweite Energieverbrauch sowie der globale Treibhausgasausstoß seit den siebziger Jah- ren annähernd verdreifacht haben (Abbildung 13).

Abbildung 13: Weltweiter CO2-Ausstoß und Energieverbrauch in mil. t

40000,0 16000,0 35000,0 14000,0 30000,0 12000,0 25000,0 10000,0 20000,0 8000,0

15000,0 6000,0 Energieverbrauch

Kohlenstoffdioxid 10000,0 4000,0 5000,0 2000,0

- -

1970 2015 1965 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010

1980 1970 1975 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 1965 (Quelle: BP 2018) (Quelle: BP 2018)

Während die weltweite Energienachfrage ungebremst fortschreitet, haben internationale Re- gime bis heute nur zaghaften Erfolg. Erst 1992 unterzeichneten 150 Staaten in Rio eine Klima- rahmenkonvention mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß ab dem Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zu reduzieren. Seither folgten jährliche „Konferenzen der Vertragsstaaten“ (COP), in denen die Rahmenkonvention konkretisiert und weiterentwickelt wird. Bedeutend war in diesem Zu- sammenhang das Zusatzprotokoll der Klimarahmenkonvention der dritten COP, das unter

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dem Namen „Kyoto-Protokoll“ aus dem Jahr 1997 erstmals verbindliche nationale CO2-Ein- sparziele enthielt. Die EU verpflichtete sich in diesem internationalen Rahmen, ihren Treib- hausgasausstoß um acht Prozent zu reduzieren. Um das gemeinsame Ziel zu erreichen, folgte 1998 eine EU-interne Lastenverteilung zwischen den damaligen EU-15-Staaten. Dabei ver- pflichtete sich Deutschland zu einer Reduktion von 21 Prozent, während Österreich sich bereit erklärte, seine Emissionen um 13 Prozent zu reduzieren (Rittberger et al. 2010: 573ff.). Um die angestrebte Reduktion der Treibhausgase zu bewältigen und weil die Idee einer CO2-Steuer zwischen den EU-Staaten nicht mehrheitsfähig war, verschob sich die Handlungsperspektive zur CO2-Reduktion in der EU auf die energiepolitischen Themen der erneuerbaren Energien sowie der Energieeffizienz (Schubert et al. 2016: 110f.). Gleichwohl sind bis heute wesentliche Teile der Energiepolitik außerhalb einer gemeinsamen europäischen Rechtszuständigkeit. Im Vertragswerk von Lissabon verbleiben explizit die zent- ralen Kompetenzen in der Energiepolitik bei den Mitgliedsstaaten. Diese bleiben sowohl für die Nutzung der Energieressourcen und die Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen als auch für die allgemeine Struktur der Energieversorgung zuständig. In der Folge kann eine ge- meinsame europäische Energiepolitik einerseits nur über den Umweg des Wettbewerbsrechts sowie den Umweltschutz reguliert werden, oder muss sich andererseits indirekt auf eine „soft Governance“ ohne Sanktionsmöglichkeiten reduzieren (Knodt 2019: 173f.). Dabei stand die Energiepolitik der 1990er-Jahre weniger im Zeichen der Klima- und Umwelt- politik, sondern vielmehr in der vorherrschenden Liberalisierungstradition der EU. Entspre- chend adressierten auch das erste (1996), zweite (2004) und das dritte (2009) Energieparket der EU eine Öffnung der nationalen Energiemärkte mit einem verstärkten Wettbewerb. Das gemeinsame Ziel zu dieser Zeit war die Schaffung und Vollendung eines Energiebinnenmark- tes, der sich durch eine pan-europäische Energieinfrastruktur und grenzüberschreitendem Handel ausgestaltet. Doch der Energiebinnenmarkt gilt als Sorgenkind der europäischen Ener- giepolitik und hinkt vielfach den Erwartungen hinterher, sodass die beschworene Vollendung mehrmals verschoben wurde und nach wie vor aussteht (Reul 2016: 299f.). Während die ersten beiden Energiepakete fast ausschließlich einen gemeinsamen liberalisier- ten Energiebinnenmarkt zwischen den Mitgliedsstaaten fokussierten (Zabukovec 2005: 13), rückte erst mit dem dritten Energiepaket parallel auch der Aspekt des Klima- und Umwelt- schutzes in den Vordergrund. Demgemäß wurde erstmals mit der Richtlinie zur Förderung von

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erneuerbaren Energien 2009 verbindliche Ziele bis 2020 über den europäischen und nationa- len Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch zwischen den Mitgliedsstaa- ten vereinbart. Gleichwohl setzten sich die Mitgliedsstaaten bereits seit dem Jahr 2001 das Ziel zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Allerdings blieben die Richtlinien bis 2009 unver- bindlich und ohne rechtlich abgesicherte Konsequenzen für den Fall der Zielverfehlung (Zabu- kovec 2005: 36). Dabei ist die Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009 in das Energie- und Klimaschutzpaket der EU eingebettet, das im Hinblick auf die bereits 2007 formulierte Energiestrategie der EU die drei europäischen Energienormen (Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Energiesicher- heit) sicherstellen soll. Hauptziel des Energie- und Klimaschutzpakets war dabei die Umset- zung der sogenannten 20-20-20-Ziele bis zum Jahr 2020. Diese drei Ziele sehen eine Reduktion der Treibhausgase um 20 Prozent bezugnehmend auf das Basisjahr 1990, die Maximierung des Anteils erneuerbarer Energien um 20 Prozent beziehungsweise 10 Prozent im Verkehrs- sektor sowie eine Steigerung der Energieeffizienz um 20 Prozent vor (Pollak et al. 2010: 130). Obgleich mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009 bindende Ziele verabschiedet wurden, variiert der Anteil zwischen den Mitgliedsstatten teilweise erheblich. Während Deutschland beispielsweise einen Anteil von 18 Prozent erneuerbare Energien bis 2020 leisten will, hat sich Österreich verpflichtet, den Bruttoendenergieverbrauch auf ein Niveau von 34 Prozent bis 2020 zu heben (Storr 2015: 33). Kontrolliert wird die Umsetzung der Mitgliedstaaten durch nationale Berichte, die in Form von Aktionsplänen an die Kommission entrichtet werden. In der Folge verabschiedeten die Mit- gliedsstaaten den „Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energie“, den „Nationalen Akti- onsplan Energieeffizienz“ sowie den „Nationalen Allokationsplan“ für die Zuteilung von Emis- sionsberechtigungen. Während Letzterer seit der dritten Handelsperiode 2013 von der Kom- mission durch eine feste Mengenbegrenzung zentralisiert wurde, werden die Maßnahmen zur Förderung der Bereitstellung erneuerbarer Energien und Instrumente zur Steigerung der Ener- gieeffizienz von den Mitgliedsstaaten erstellt und im Anschluss an die Kommission übermittelt (Ringel/Knodt 2017: 127ff.). Die Notwendigkeit über Handlungsfelder der Energietransforma- tion im Rahmen von Aktionsplänen an die Kommission zu berichten, hat in einigen Mitglieds- staaten dazu geführt, nationale Energie- und Klimastrategien auszuarbeiten, in welchen der zukünftige Pfad der Energietransformation sowie der Energiemix langfristig geplant werden.

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Mit dem Gesetzespaket „Saubere Energie für alle Europäer“, das vier Verordnungen und vier Richtlinien beinhaltet, zeigte die Europäische Kommission Ende 2016 Vorschläge bezüglich der weiteren Energiepolitik bis 2030 auf. Das aktuelle Legislativpaket wurde schließlich nach ei- nem langen Verhandlungsprozess im Sommer 2019 angenommen und formal bestätigt. Im Kern zielt es auf die Umsetzung einer gemeinsamen Energieunion sowie der Sicherstellung der zukünftigen europäischen Klima- und Energieziele bis zum Jahr 2030 (vgl. Szulecki/Claes 2019). Weil mit Ausnahme der Verordnungen die nationale Umsetzung der Richtlinien des neuen „Winterpakets“ in die Jahre 2020 und 2021 fällt, ist ihr Einfluss auf die hier fokussierte Perfor- manz der langfristigen Planungen zu vernachlässigen. Vielmehr stehen in den kommenden Abschnitten die Energiekonzepte und -strategien der nationalen Energiepolitik von Deutsch- land und Österreich bis zum Jahr 2020 im Vordergrund. Weil diese nicht nur durch den inter- nationalen und europäischen Kontext beeinflusst wurden, sondern auch auf vorhandenen na- tionalen Energieressourcen aufbauen, wird der Energiemix von Deutschland und Österreich nachfolgend ausführlich behandelt. Darauf aufbauend erfolgt eine vergleichende Bewertung beider Staaten hinsichtlich der bisherigen Performanz der Energietransformation im Allgemei- nen sowie mit Blick auf den energiepolitischen Planungserfolg selbstgewählter Ziele in der langfristigen Energiepolitik im Besonderen.

4.2. Deutschlands Energiemix und die langfristige Planung der Energiepolitik Das Energiesystem in Deutschland war seit der Nachkriegszeit auf eine enge Kooperation mit dem Staat angewiesen. Subventionen und Verträge zwischen dem Staatswesen und der Ener- giewirtschaft kennzeichneten die gemeinsame „koevolutionäre Beziehung“ und unterstrei- chen die Bedeutung des staatsnahen Sektors der Energie für das Regierungshandeln seit jeher (Mayntz/Schneider 1995: 96). Die Energieversorger hatten den Markt in Deutschland bis in die achtziger Jahre streng unter sich aufgeteilt und regelten die Bereitstellung und Verteilung des Stroms. Einige wenige Ener- gieversorger bildeten die Spitze einer Top-down-Struktur, indem sie durch großtechnische Kondensationskraftwerke den Strombedarf mittels Kohle und Kernenergie deckten. Darüber hinaus hatten die Energieversorger zu großen Teilen die Strominfrastruktur ausgebaut sowie ein Geflecht von Tochterunternehmen geschaffen (Lewald 2001: 22; Mautz et al. 2008: 48f.). Obgleich eine zukunftsweisende Energieplanung lange Zeit ausblieb und im Rahmen von Ener- gieprogrammen ab den siebziger Jahren mehr symbolisch als strategisch die Ausgestaltung

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der Energiepolitik kennzeichnete, blieben die zahlreichen Versuche eines verstärkten Wettbe- werbs im deutschen Energiesystem bis zur Jahrtausendwende größtenteils wirkungslos. Prä- gend für die Ausgestaltung der Energiepolitik in Deutschland waren vielmehr kleinteilige so- wie kurzlebige Programme und Strategien, welche sich auf einzelne Energieträger wie bei- spielsweise die Kohleverstromung oder die Nutzung der Atomenergie konzentrierten (Renz 2001: 173f.). Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Kohle die zentrale Ressource des Energiemix in Deutschland. Weitere Energieträger waren in der Bundesrepublik Deutschland zu diesem Zeitpunkt nicht verfügbar. Gleichwohl hatte die Regierung anfangs kaum Einfluss auf den Ener- gieträger Kohle sowie dessen Verwendung, die im Rahmen der Ruhrbehörde der deutschen Hoheit seitens der Alliierten entzogen war. Erst mit dem „Vertrag zur Gründung der Europäi- schen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ (EGKS) wurde die Ruhrbehörde von der Hohen Be- hörde7 im Jahr 1952 abgelöst. Die Hohe Behörde legte in der Folge die Höchstpreise auf der Grundlage von Listenpreisen der Stahl- und Kohleindustrie fest. Doch anstelle eines gewünsch- ten Wettbewerbs erfolgte die Erstellung der Listenpreise in konsensuellen Prozessen zwischen den Energieunternehmen und nationalen Organisationen. „Kurz, die Preise wurden so ge- handhabt, als ob es sich weiterhin um Kartellpreise handeln würde und ein echter Wettbe- werb konnte sich bisher nicht entwickeln, was nichts anderes bedeutet, als daß die Preislisten kein Unternehmen daran hindern konnte, bereits vorher abgesprochene Preise als Listen- preise anzumelden“ (Schaaf 1978: 42). Die Freigabe des Kohlenpreises erfolgte mit dem Ziel, die kontinuierlich ansteigenden Preise durch eine verstärkte Konkurrenz und mehr Wettbe- werb zu reduzieren. Dieser erste Versuch, durch einen größeren Wettbewerb die Kohlepreise zu reduzieren, scheiterte jedoch zunächst an den gemeinsamen Absprachen des Industrie- und Bergbausektors (Illing 2012: 67f.). Weil sich der dominierende Energieträger Kohle konsequent einem Wettbewerb entzog, sollte die Marktmacht der Kohle durch einen alternativen Energieträger eingegrenzt werden. In der Folge wurde 1952 die Mineralölsteuer abgeschafft und vier Jahre später die Importzölle für Heizöl aufgehoben. „Zwischen 1956 und 1963 vervierfachte sich die Produktion heimischer Raffinerien, der Anteil des Heizöls am Verbrauch stieg auf 40 Prozent im Jahr 1963 und die Heizöl-Importe verfünffachten sich auf 13 Mio. Tonnen“ (Illing 2012: 94).

7 Die Hohe Behörde ist ein Vorgängerorgan der späteren Kommission der Europäischen Gemeinschaft.

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Das Resultat dieser politischen Steuerung im Energiesystem war eine zunehmende Konkur- renz zwischen den Energieträgern Kohle und Öl, welche jedoch wenige Jahre später im Rah- men des kooperativ ausgehandelten „Kohle-Öl-Kartells“ zum Schutz der heimischen Kohle wieder gestoppt und reguliert werden sollte. Allerdings erzielte das Kartell nicht seine ge- wünschte Wirkung und wurde bereits ein Jahr nach dessen Initiierung 1959 wieder aufgelöst. Stattdessen wurde nach langen Bund-Länder-Verhandlungen erneut die Mineralölsteuer ver- abschiedet, an der die nicht kohlefördernden Bundesländer, insbesondere der Freistaat Bay- ern, wenig Interesse hatte und die Verhandlungen im Bundesrat blockierte (Illing 2012: 71). Um den Energieträger Kohle weiter zu stärken und wettbewerbsfähig gegenüber dem impor- tierten Energieträger Öl auszugestalten, vollzog die Bundesregierung im Rahmen der ersten Großen Koalition die Gründung der „Ruhrkohle AG“ (Kemmerzell 2021). Der Stärkung der Koh- leindustrie ging seit Januar 1967 eine „Konzertierte Aktion Kohle“ voraus. Die beteiligten Ak- teure waren vorzugsweise SPD-Minister, der IGBE und Unternehmerverbände, die in den Wor- ten Helmut Schmidts, das „innenpolitische Problem Nr. 1“ in Deutschland durch ein korpora- tistisch ausgestaltetes Krisenmanagement zu bearbeiten suchten (Drummer et al. 1990: 365f.). Grundlage der „Ruhrkohle AG“ bildete das „Gesetz zur Anpassung und Gesundung des deut- schen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete", in dessen Folge der Kohlebergbau im Anschluss an den Agrarsektor zum zweitgrößten Bezieher staatlicher Subventionen heranwachsen sollte (Czada 1990: 294). Bereits ein Jahr nach der Gründung der „Ruhrkohle AG“ gehörten über 90 Prozent der Stein- kohleproduktion dem staatlich geförderten Unternehmenszusammenschluss an. Mit dem Zu- sammenschluss sollte ein privatwirtschaftlich organisiertes Konglomerat geschaffen werden, welches der Zersplitterung des Kohlesektors entgegenwirken und Synergien erzeugen sollte. Der Bund sowie das Land Nordrhein-Westfalen traten im Rahmen der Ruhrkohle AG als Bür- gen auf, während die Industrie sowie der Bergbau langfristig auf Dividenden verzichteten. Gleichwohl verfehlte die „Ruhrkohle AG“ das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Kohle zu steigern, weil Verluste von staatlicher Seite durch die Kokskohlebeihilfe kompensiert wurden. Zusätzlich wurde die allgemeine Auffassung vertreten, dass die Kohleindustrie in Deutschland aufgrund ihrer gesellschaftlichen Bedeutung von Politik und Staat nicht im Stich gelassen werden dürfe, weshalb eine Wettbewerbsorientierung auch im Rahmen der „Ruhr- kohle AG“ ausblieb (Illing 2012: 116f.).

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Auch bezüglich der Atomenergie kann rückblickend nicht auf eine langfristige Strategie und Planung geschlossen werden. Gleichwohl verabschiedete die Bundesregierung mehrere Atomprogramme, die die Forschung zur friedlichen Nutzung der Atomenergie finanzierten. Ziel war es, einerseits zum internationalen Forschungsstand aufzuschließen, und andererseits einen weiteren Energieträger für den kontinuierlich steigenden Energiehunger im Nachkriegs- deutschland zu etablieren, der die Unabhängigkeit der Energiebereitstellung in Deutschland von der OPEC sichern sollte (Lauber 2017: 156). Gleichwohl deutete sich bereits nach dem ersten Öl-Schock Mitte der 1970er-Jahre an, dass sowohl bei der atomaren Kernenergie als auch bei der Kohleenergie mit gesellschaftlichen Konflikten zu rechnen war. Bezüglich der Atomenergie formierte sich eine Anti-Atomkraft-Bewegung, die die energetische Nutzung ato- marer Kernenergie aufgrund des damit einhergehenden Gesellschaftsrisikos sowie die bis heute ungeklärte Problematik der Endlagerung des atomaren Mülls konsequent ablehnte (vgl. Wiliarty 2013). In Deutschland bildete sich 1972 die Anti-Atomkraft-Bewegung insbesondere im Baden-Würt- tembergischen Breisach und etablierte sich schließlich im nahegelegenen im Landkreis Emmendingen. Während die anfänglichen Proteste sich gegen den AKW-Standort in Breisach richteten, wurde dieser in das benachbarte Wyhl verlegt. Doch mit der Standortverlagerung konnten die Proteste und Vorbehalte gegen das Bauvorhaben nicht gemindert werden. Viel- mehr weitete sich die Anti-Atomkraft-Bewegung auf weitere AKW-Standorte in , , Grohnde und Wackersdorf aus. In der Folge sah sich das Bundesforschungsministerium gezwungen, die Kritiker der Atomenergie im Rahmen des „Bürgerdialogs Kernenergie“ über die Atomkraftnutzung aufzuklären. Gleichwohl verlief der Dialogprozess von 1975 bis 1977 abseits des politischen Entscheidungsverfahrens und hatte keinen Einfluss auf die Politik und Energiewirtschaft. Dies wird mit Blick auf die zweite Fortschreibung des Energieprogramms deutlich, in dem die Bundesregierung zwar erneut die Stein- und Braunkohle in den Vorder- grund stellt, aber auch den weiteren Ausbau der Kernkraftnutzung als unerlässlich erklärt (Il- ling 2012: 136; Cherp et al. 2017: 618). Die Kohleenergie wurde hingegen aufgrund ihrer hohen Emissionen für die Umwelt als schäd- lich empfunden und ebenfalls abgelehnt. Zugleich war jedoch die Braunkohle jener Energie- rohstoff, der nicht importiert werden musste und damit ein unabhängiges Energiesystem er- möglichte, weshalb sowohl die Steinkohle als auch die Braunkohle in den Jahren nach der Öl- krise staatliche Zuschüsse erhielten, die den Begriff des „Kohlepfennig“ prägten (Rubner 2007:

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110f.; Laird/Stefes 2009: 2621). Hinzu kam, dass der Protest gegen den Energieträger Kohle von der Dominanz der Anti-AKW-Bewegung in Deutschland anfänglich überschattet wurde und sich erst mit dem Aufkommen der Klimadiskussion Mitte der 1980er-Jahre allmählich ein „Zwei-Fronten-Protest“ gegen die Energiebereitstellung aus Kohle sowie Atomkraftwerken zeitgleich ausbreitete (Renn/Marshall 2016: 227f.). Erneuerbare Energien hingegen wurden in Deutschland für das Jahr 2000 im Rahmen der zwei- ten Fortschreibung des Energieprogramms 1977 auf ein bis zwei Prozent prognostiziert und erst mit der dritten Fortschreibung vier Jahre später auf bis zu fünf Prozent in den Prognosen heraufgestuft (Illing 2012: 153). Insgesamt verblieb somit der politische Fokus auf der Kohle- verstromung sowie dem Ausbau und der Erforschung der Kernenergie mit den anfänglichen Protestbewegungen bestehen. Die Zielsetzung der Energiepolitik war vielmehr, die internati- onale Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren, den heimischen Standort für die Industrie attraktiv zu gestalten und Arbeitsplätze sicherzustellen. Diese Energiepolitik der 1970er- und 1980er-Jahre fasst der Historiker Ernst Peter Fischer pointiert zusammen: „Weg vom Öl, sparsamer und rationeller Einsatz von Energie, Vorrang der heimischen Kohle, begrenzter Ausbau der Kernenergie [und] die Entwicklung und Einfüh- rung erneuerbarer Energien“ (Fischer 2014: 206).

Abbildung 14: Deutschlands Energiemix in Mtoe

400,0 350,0 300,0 250,0 200,0 150,0 100,0 50,0 -

Öl Kohle Gas Atom Andere Erneuerbare Energien Wasserkraft

(Quelle BP 2018)

Gleichwohl verdeutlicht der Blick auf den Primärenergieverbrauch, dass das deutsche Ener- giesystem auch heute noch zu großen Teilen auf konventionellen Energieträgern basiert (Ab- bildung 14).

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Die Bedeutung und Dominanz des heimischen Energieträgers Kohle wird erst durch die fokus- sierte Betrachtung auf Strom ersichtlich, zu dessen Bereitstellung die Kohleverstromung nach wie vor im Umfang von etwa einem Drittel beiträgt und gemeinsam mit der Atomenergie mehr als die Hälfte der Elektrizität in Deutschland zur Verfügung stellt (Abbildung 15). Dabei muss im Rahmen des Energieträgers Kohle zwischen Braun- und Steinkohle unterschieden werden. Während die Braunkohle auch heute noch als heimisch bezeichnet werden kann und darüber hinaus zu einem geringen Anteil in den Export geht, wird die Steinkohle mittlerweile fast gänz- lich aus dem Ausland importiert. Entsprechend bezieht Deutschland mittlerweile nicht nur die Uranressourcen zur Kernener- gienutzung sowie Mineralölprodukte und Gas annähernd vollständig aus anderen Staaten, sondern auch Steinkohle, wodurch die Nettoimporte des deutschen Energiesystems nach der Wiedervereinigung von circa 55 Prozent auf 70 Prozent gestiegen sind (BMWi 2018a).

Abbildung 15: Deutschlands Elektrizitätsbereitstellung 2016

Windkraft (offshore) 6% 2% 10% Windkraft (onshore) 13% Biomasse 7% Photovoltaik 6% Wasserkraft 13% 3% Braunkohle Steinkohle Kernenergie 17% 23% Gas Sonstige

(Quelle: BMWi 2017)

Der rasante Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ist umgeben von einer lang- jährigen Historie insbesondere bezugnehmend auf die Kohle, aber auch auf die Atomenergie. Diese Tradition des Energiemix erschwert den Transformationsprozess in Deutschland im Ver- gleich zu anderen Staaten. Gleichwohl hat die Bundesregierung seit der Jahrtausendwende den Anspruch die Energiepo- litik nach den drei Normen Energiesicherheit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit auszurich- ten. Diese drei energiepolitischen Normen finden sich auch an prominenter Stelle im Titel des

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„Energiekonzept[s] für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversor- gung“ wieder, das im Jahr 2010 erstmals die strategische Ausrichtung der Energietransforma- tion darlegte (BMWi/BMU 2010; Dietsche 2013: 48f.). Ziel des Energiekonzepts war die Formulierung von Leitlinien sowie das Vorhaben, den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien aufzuzeigen. Auf der anderen Seite hatte die neue Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP bereits im Koalitionsvertrag 2009 eine Laufzeitver- längerung für bestehende Atomkraftwerke angekündigt, für die einerseits das Atomgesetz ge- ändert werden sollte und andererseits eine strategische Planung für die weitere energiepoli- tische Ausrichtung geschaffen wurde (Dietsche 2013: 47f.). Um die Normen der Energiesicherheit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit miteinander in

Einklang zu bringen, sollte die Laufzeitverlängerung der Kernenergie zur Reduzierung der CO2- Emissionen des Energiesektors beisteuern und darüber hinaus zur Finanzierung der erneuer- baren Energien beitragen (Hübner et al. 2012: 289). „Die Kernenergie ist eine Brückentechno- logie, bis sie durch EE verlässlich ersetzt werden kann. Andernfalls werden wir unsere Klima- ziele erträgliche Energiepreise und weniger Abhängigkeit vom Ausland, nicht erreichen. Dazu sind wir bereit, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen deut- schen und internationalen Sicherheitsstandards zu verlängern“ (Koalitionsvertrag 2009: 29). Während bei der Ausgestaltung der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Umweltministerium eine öffentliche Debatte über die Länge der zusätzlichen Laufzeit entfachte, stellten die weiteren Punkte der Energiestrategie im We- sentlichen eine Fortführung des „Integrierten Energie- und Klimaprogramms“ (IEKP) zur Um- setzung der europäischen Strategie 2020 aus dem Jahr 2007 dar. Auch wurde von den anfäng- lichen Planungen, weitere gesellschaftliche Akteure einzubinden, Abstand genommen, sodass letztlich nur Abgeordnete aus den Regierungsfraktionen sowie Akteure aus der Energiewirt- schaft bei den Verhandlungen vertreten waren. Das Energiekonzept geht auf die beiden zu- ständigen Ministerien zurück, wobei insbesondere die Abteilung „Energiepolitik – III“ des Wirt- schaftsministeriums sowie die Abteilung „KI“ des Umweltministeriums an der Ausarbeitung mitwirkten. Letztlich stellt das Energiekonzept 2010 einen intern verhandelten Kompromiss zwischen den Ministerien dar. Ein formalisierter Austausch mit den Bundesländern oder die Beteiligung des Bundesrats erfolgte hingegen nicht, weshalb insbesondere die rot-grün ge- führten Länder im Anschluss an die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke eine Verfas- sungs- und Normenkontrollklage einreichten (Sohre 2014: 299f.).

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Neben der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ist insbesondere die Quantifizierung von Zielvorgaben bedeutsam, an denen der Fortschritt der Energietransformation messbar ist. Im Rahmen der drei Normen Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit wur- den folgende Ziele im Einklang mit internationalen und europäischen Selbstverpflichtungen formuliert: (1) die Reduktion der Treibhausgasemissionen gegenüber dem Bezugsjahr 1990 um 40 Prozent bis 2020, (2) die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am Bruttostrom- verbrauch auf 35 Prozent und um 18 Prozent im Hinblick auf den Bruttoendenergieverbrauch bis 2020, das zugleich dem europäischen Ziel im Rahmen des EU „Target Sharing“ entspricht, (3) sowie die Erhöhung der Energieeffizienz beim Primärenergieverbrauch gegenüber dem Be- zugsjahr 2008 um 20 Prozent bis 2020 und bis 2050 um 50 Prozent (BMWi/BMU 2010; Hübner et al. 2012: 289). Mit dem Energiekonzept der Bundesregierung entspricht die energiepolitische Ausrichtung Deutschlands den gemeinsamen europäischen Vorgaben und Zielen. Wie im nachfolgenden Kapitel gezeigt wird, trifft dies auch auf die Alpenrepublik Österreich zu.

4.3. Österreichs Energiemix und die langfristige Planung der Energiepolitik Der Energiemix in Österreich basierte lange Zeit auf staatlicher Planung und strategischen Ent- scheidungen der Politik. Die starke Affinität staatlicher Planung in der Energiepolitik Öster- reichs wird bereits 1948 bezüglich des Kohleplans ersichtlich. Darüber hinaus war die öster- reichische Ausrichtung der Energiepolitik bereits im Jahr 1969 durch ein vergleichsweise frü- hes „Energiekonzept der Bundesregierung“ gekennzeichnet, das aus verschiedenen Gründen und Interessenkonflikten nie abschließend beschlossen wurde. Dennoch bildete das erste Energiekonzept die Leitlinien des Energieplans 1975, der einige Jahre später verabschiedet wurde. Mit dem Energieförderungsgesetz von 1979 wurde schließlich die Energieplanung in Österreich auch juristisch verankert. Das Energieförderungsgesetz verpflichtete die Republik Österreich zu einem jährlichen Bericht über das Energiesystem, der an das Parlament zu rich- ten ist. Bestandteil des Berichts sind Informationen über die Energiebereitstellung sowie Prog- nosen für die nächsten zehn Jahre (Frank 1982: 257 ff.). Geprägt von der ersten Ölkrise bestand die politische Strategie der Energiepolitik in der Redu- zierung des Ölverbrauchs durch eine Substitution mit Kohle, nuklearer Energie und dem Aus- bau der Wasserkraft sowie thermischen Kraftwerken. Interessanterweise sahen die Planun- gen im Rahmen des ersten Energieplans vor, die nukleare Energienutzung in den kommenden

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Jahren stark auszubauen, sodass diese ein Drittel der Energienachfrage decken könne (Winkler-Rieder 2006: 24). Mit der Ablehnung der Atomkraft, steigenden Kosten für die Kohleverstromung und kontinu- ierlich ansteigenden Preisen war Österreich Mitte der achtziger Jahre gezwungen, seine ener- giepolitische Ausrichtung neu zu justieren. Diese Auswirkungen werden auch in Anbetracht des historischen Längsschnitts des österreichischen Energiemixes offensichtlich, in dem die erneuerbaren Energien sowie die Energieressource Gas nach und nach einen verhältnismäßig größeren Bestandteil einnahmen. Da die Planungen zur Kernkraftnutzung in Österreich letzt- lich nicht realisiert wurden, ist die Atomkraft nie Teil des Energiemix gewesen.

Abbildung 16: Österreich im Energiemix in Mtoe

40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0

-

1979 1987 1965 1967 1969 1971 1973 1975 1977 1981 1983 1985 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017

Öl Wasserkraft Gas Kohle Andere Erneuerbare Energien

(Quelle: BP 2018)

Mit Blick auf die Kohlekraft wird deren kontinuierliche Reduktion aus dem Energiemix offen- sichtlich, obgleich der Verzicht zur Nutzung der Kernenergie anfangs durch den Bau neuer Kohlekraftwerke ausgeglichen wurde (BMHGI 1984: 38). Kompensiert wurde die Kohlverstro- mung später insbesondere durch den Ausbau der Erneuerbaren sowie durch die Energieträger Gas und Fernwärme. Gleichwohl ist es Österreich bisher nicht gelungen, seinen Ölverbrauch zu reduzieren, dessen Nachfrage im Verkehrssektor wie auch in Teilen des Wärmesektors zu- nimmt. Dies lässt sich auch darauf zurückführen, dass das Institut für Wärme und Öltechnik (Iwo) damit begonnen hat, private Förderungen für neue Ölheizungen anzubieten, die dem Format staatlicher Anreizinstrumente nachempfunden sind (Itv-BMLFUW). Wird hingegen der Fokus auf das Elektrizitätssystem gelegt, zeigt sich, warum Österreich im europäischen Vergleich als Vorreiter der Energietransformation angesehen wird. Dabei ver- deutlicht die Darstellung der österreichischen Elektrizitätsbereitstellung die Dominanz der

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Wasserkraft für die österreichische Elektrizitätswirtschaft, die weit mehr als 50 Prozent ein- nimmt. Dabei muss zwischen Laufkraftwerken, Pumpspeicherkraftwerken und Kleinwasser- kraftwerken unterschieden werden. Während Laufkraftwerke bei geringem Pegelstand an ihre Leistungsgrenzen gelangen, ermöglichen Pumpspeicherkraftwerke eine flexible Energie- bereitstellung zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität. Schließlich werden Kleinwasserkraft- werke im Gegensatz zu Laufkraftwerken und Pumpspeicherkraftwerken über das Ökostrom- gesetz gefördert, wodurch diese in Österreich unter erneuerbare Energien subsumiert wer- den.

Abbildung 17: Elektrizitätsbereitstellung 2016

21% Laufwasserkraftwerke

Pumpspeicherkraftwerke 43% Solarkraft 7% Windkraft

8% Bioge und andere Erneuerbare

1% Wärmekraftwerke

21%

(Quelle: Statistik Österreich 2017)

Allerdings steht in Österreich nicht nur der großtechnische Betrieb der Wasserkraft aus der Perspektive des Umweltschutzes in der Kritik, sondern auch in zunehmendem Ausmaß die Kleinwasserkraftnutzung (Fruhmann et al. 2018). Der Ausbau von Wind- und Solarenergie, der ebenfalls im Rahmen des Ökostromgesetzes ge- fördert wird, schreitet in Österreich hingegen nur sehr langsam voran. Dies mag mit den to- pografischen Bedingungen des Alpenlandes zur Windkraftnutzung zu erklären sein, jedoch nicht hinsichtlich der Solarenergie, die in Österreich bisher kaum ausgebaut wurde und ledig- lich ein Prozent der Elektrizität bereitstellt (Abbildung 17). In Anbetracht dieser Ausgangsbedingungen war es kaum verwunderlich, dass die strategische Ausrichtung Österreichs Energiepolitik die Steigerung der erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne und biogenen Brennstoffen vorsah sowie die Energieeffizienz optimiert werden sollte und damit auf eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen ausgerichtet war. Darüber hin- aus war das erklärte Ziel, eine nationale Energiestrategie auszuarbeiten, die im Einklang mit

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den europäischen 20-20-20-Zielen war und von einer breiten Zustimmung relevanter Stake- holder getragen werden sollte (vgl. Bergauer-Culver 2012). Um dies zu erreichen, wurde unter der politischen Koordination von Reinhold Mitterlehner und Nikolaus Berlakovich ein Konsultationsprozess 2009 abgehalten, an dem mehr als 150 Akteure aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft sowie Österreichs Sozialpartner und Umweltverbände teilnahmen (vgl. BMLFUW/BMWFW 2010). Insgesamt wurden 370 Maßnah- menvorschläge der Stakeholder eingereicht, aus denen die spätere „Energiestrategie Öster- reich 2020“ hervorging.

Abbildung 18: Organisationsstruktur der Energiestrategie Österreich 2020

(Quelle: BMLFUW/BMWFW 2010: 15)

Obgleich die Energiestrategie bis 2020 sowohl vom Wirtschafts- als auch vom Umweltminis- terium herausgegeben wurde,8 oblag die Federführung im Verlauf der Ausarbeitung mehr- heitlich dem Wirtschaftsministerium, das die formale Zuständigkeit bei energiepolitischen Fragen abdeckte (Itv-BMLFUW). Die Länder waren allerdings nicht von Beginn an in die Arbeiten zur Energiestrategie einge- bunden und verweigerten letztlich auch ihre Zustimmung (vgl. Niedertscheider et al. 2018). Die Länder Salzburg und Wien waren dann im Verlauf des Konsultationsprozesses an zentraler Stelle in den Bereichen der politischen und strategischen Koordination involviert. Weitere Ver- treter der Bundesländer waren in den neun Arbeitsgruppen integriert, in welchen auch die

8 Die englische Kurzfassung trägt hingegen nur das Logo des Wirtschaftsministeriums.

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Interessen aus Industrie, Wissenschaft sowie der Sozialpartner und Wirtschafts- wie Umwelt- verbände konsultiert wurden. Abschließend wurde die Energiestrategie Österreich 2020 im Juli 2010 der europäischen Kommission zur beihilferechtlichen Genehmigung vorgestellt und im Anschluss bewilligt (Vones 2011). Kernbestandteile der strategischen Ausrichtung waren neben konkreten Maßnahmen und Programmen die erneute Bestätigung Österreichs Energienormen, wie sie bereits in den Ener- giekonzepten der 1980er-Jahre verabschiedet worden waren: „Die Energiestrategie folgt […] den energiepolitischen Zielen Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit, Sozialverträg- lichkeit, Wettbewerbsfähigkeit sowie Kosteneffizienz“ (BMLFUW/BMWFW 2010: 14). Des Weiteren wurden drei quantifizierbare Ziele formuliert, die im Einklang mit europäischen Verpflichtungen sind und an denen die Umsetzung der Energiestrategie evaluiert und bewer- tet werden kann: (1) die Maximierung der Energieeffizienz um 20 Prozent bis 2020, (2) sowie der Ausbau der erneuerbaren Energien auf 34 Prozent bis 2020 und (3) letztlich die Reduzie- rung des Emissionsausstoßes um 16 Prozent bis 2020 für jene Sektoren, die nicht im Rahmen des europäischen Zertifikatehandels (ETS) erfasst werden, sondern Bestandteil des Klima- schutzgesetzes (KSG) sind. Als Basisjahr aller drei Ziele wurde das Jahr 2005 festgelegt, in dem das Niveau der Energieeffizienz, aber auch des Ausbaus erneuerbarer Energien relativ gering und der Emissionsausstoß vor der Banken- und Finanzmarktkrise vergleichsweise hoch war (BMLFUW/BMWFW 2010).

4.4. Die Performanz der Energietransformation im Vergleich Auch wenn sich in Deutschland eine Überarbeitung und Neuausrichtung des energiepoliti- schen Pfades infolge der Kohlekommission sowie des Klimagesetzes abzeichnet, bildet das Energiekonzept aus dem Jahr 2010 auch heute noch die aktuelle Energiestrategie ab. In Ös- terreich hingegen wurde jüngst mit der „Mission 2030“ eine neue Vision des zukünftigen ener- giepolitischen Pfades verabschiedet. Dieser Unterschied erklärt sich vor allem aufgrund der abweichenden zeitlichen Ausrichtung von Österreichs und Deutschlands Energiestrategie. Während Österreichs nationale Energiestrategie das Zieljahr 2020 adressiert, reicht die zeitli- che Perspektive des Energiekonzepts der Bundesregierung sehr viel länger bis zum Jahr 2050. Dennoch wurden beide Strategien 2010 veröffentlicht und enthalten mittelfristige Zielwerte für das Jahr 2020, wodurch sie vergleichbar sind.

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Entsprechend zielt Deutschland mit Blick auf den Bruttoenergieverbrauch auf einen Anteil er- neuerbarer Energien im Umfang von 18 Prozent, während Österreich aufgrund frühzeitiger industriepolitischer Entscheidungen zugunsten der Wasserkraft einen Anteil von 34 Prozent bis 2020 anstrebt. Andererseits ermöglicht der stark fossil geprägte historische Kontext des deutschen Energiesystems größere CO2-Einsparpotenziale, sodass Deutschland im Rahmen des Energiekonzepts angibt, 40 Prozent der Emissionen gegenüber 1990 einzusparen. Aber auch Österreich plant im Rahmen der Energiestrategie bis 2020 eine CO2-Reduktion von 37 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2005. Im Verkehrssektor strebt die österreichische Energiestrategie das europäische Ziel an, den An- teil erneuerbarer Energien im Endenergieverbrauch des Verkehrs auf 10 Prozent zu erhöhen. Deutschland konkretisiert diesbezüglich im Energiekonzept das Ziel, 1.000.000 Elektroautos bis 2020 zulassen zu wollen. Der Fokus auf die Elektromobilität wird bereits seit dem Jahr 2007 im Rahmen des Integrierten Energie- und Klimaprogramms (IEKP) adressiert. Hier heißt es: „Elektrische Fahrzeuge bieten mittel- bis langfristig die größten Potenziale zur Reduktion der verkehrsbedingten CO2-Emissionen“ (IEKP 2007: 89). Dabei setzt die Bundesregierung nicht auf Grenzwerte, sondern auf eine „langfristige koordinierte Forschungs- und Entwicklungsför- derung“, mit dem Ziel, die „Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei dieser Zukunftstechnolo- gie zu stärken“ und die „Marktentwicklung zu beschleunigen“ (IEKP 2007: 89).

Abbildung 19: Energiestrategische Ziele von Deutschland und Österreich

Ziele bis 2020 (Österreich) Ziele bis 2020 (Deutschland)

Reduktion Primärenergieverbrauch auf 1.150 PJ Reduktion Primärenergieverbrauch auf 11.504 PJ

34 % Erneuerbare im Bruttoenergieverbrauch 18 % Erneuerbare im Bruttoendenergieverbrauch

10 % Erneuerbare im Verkehrssektor 10 % Erneuerbare im Verkehrssektor

37 % Reduktion Treibhausgasreduktion (BJ 2005) 40 % Reduktion Treibhausgasreduktion (BJ 1990)

(Quelle: BMWi/BMU 2010; BMLFUW/BMWFW 2010)

Österreich plant letztlich im Handlungsfeld der Energienutzung und der Energieeffizienz eine Stabilisierung des Endenergieverbrauchs auf dem Niveau des Jahres 2008, was im Vergleich zum Basisjahr 2005 einer Reduktion von ca. 200 PJ entspricht. Auch Deutschland zielt auf eine Reduzierung des Energieverbrauchs in Höhe von ca. 2000 PJ bis zum Jahr 2020, was in Anbetracht dessen, dass Deutschland in etwa zehnmal mehr Ein- wohner fasst, annähernd identisch zum Energieeffizienzziel Österreichs ist.

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Während den Handlungsfeldern der Erneuerbare-Energien-Bereitstellung sowie der Energie- nutzung und Effizienz quantifizierbare Ziele zugrunde liegen, fehlen im Handlungsfeld der Energieverteilung und -übertragung quantitativ vergleichbare Zielvorgaben. In der österrei- chischen Energiestrategie heißt es hinsichtlich der Energiesicherheit, dass vor dem Hinter- grund Österreichs zentraler Rolle auf dem internationalen Energiemarkt leistungsfähige Über- tragungs- und Verteilernetze gewährleistet werden sollen. Hierfür sollen Maßnahmenbündel verabschiedet werden, die den „Ausbau und die Modernisierung der österreichischen Über- tragungs- und Verteilernetze, den Fernwärme- und Fernkälteausbau, die Erweiterung von Energiespeichersystemen, sowie Smart Grids und Smart-Metering“ (BMLFUW/BMWFW 2010: 10) gewährleisten. Wie auch in der österreichischen Energiestrategie finden sich im Energiekonzept der Bundes- regierung keine eindeutigen Ziele für den Übertragungsnetzausbau. Gleichwohl wird der Netz- ausbau als Herausforderung für das Gelingen der Integration erneuerbarer Energien benannt und der Netzinfrastruktur sowie Speichertechnologien eine Schlüsselrolle zugesprochen. Des Weiteren weist das Energiekonzept darauf hin, dass der Netzausbau beschleunigt werden muss und ein „Zielnetz 2050“ entwickelt werden soll (BMWi/BMU 2010: 18). Entsprechend gleichen sich die strategischen Ziele und Pläne von Deutschland und Österreich, wie sie im Rahmen der Energiestrategie sowie des Energiekonzepts im Jahr 2010 von beiden Staaten veröffentlicht wurden. Dennoch unterscheidet sich die Performanz der nationalen Energietransformationen mit Blick auf die Strategieumsetzung teilweise erheblich. Unter Zu- hilfenahme aktueller Primärdaten wurde die bisherige Zielrichtung für Österreich und Deutschland berechnet. Das vergleichsweise bessere Abschneiden Österreichs zeigt sich mit Blick auf die Zielerreichung im Rahmen der energiepolitischen Strategien beider Staaten, weil Österreich im Vergleich zu Deutschland durchweg eine bessere Performanz aufweist. Dabei wird insbesondere deutlich, dass Deutschland nur beim Ausbau der erneuerbaren Energien seinen Zielwert bis 2020 voraussichtlich erreichen wird (Abbildung 20). Österreich hat hingegen im Verkehrssektor bereits seinen Zielwert erreicht und zeigt darüber hinaus auch bei allen anderen Zielen im Rahmen der Energiestrategie bisher eine bessere Per- formanz. Lediglich mit Blick auf die Reduktion des Primärenergieverbrauchs, der in beiden Staaten erheblich vom angestrebten Zielwert abweicht, zeigt Österreich im Vergleich zu Deutschland eine minimal schlechtere Performanz.

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Die unterschiedliche Performanz der Energietransformation zwischen beiden Staaten wird auch beim ökologischen Fußabdruck bestätigt. Während Deutschland mit 11,4 Tonnen Koh- lendioxid-Äquivalent pro Einwohner in der EU den siebthöchsten Emissionsausstoß aufweist, folgt Österreich auf Platz 12 mit einem Pro-Kopf-Ausstoß von 9,4 Tonnen.

Abbildung 20: Die Performanz der Energietransformation im Vergleich Outcome: Österreichs Energiekonzept

Ziele bis 2020 (Basisjahr in Klammern) 2017 Differenz bis 2020

Reduktion Primärenergieverbrauch auf 1.150 PJ 1.380,2 PJ 16,6 %

34 % Erneuerbare Energien (Bruttoenergieverbrauch) 33,5 % 0,5 %

10 % Erneuerbare Energien im Verkehrssektor 10,6 % ✓

21 % Treibhausgasreduktion im ETS Sektor (2005) 14,5 % 6,5 %

und 16 % im Non-ETS Sektor (2005) 8,8 % 7,2 %

(Quelle: Umweltbundesamt 2019: 14; BMNT 2018)

Outcome: Deutschlands Energiekonzept

Ziele bis 2020 (Basisjahr in Klammern) 2017 Differenz bis 2020

Reduktion Primärenergieverbrauch auf 11.504 PJ 13.595 PJ 15,4 %

18 % Erneuerbare Energien (Bruttoenergieverbrauch) 15,6 % 2,4 %

10 % Erneuerbare Energien im Verkehrssektor (2005) 5,6 % 4,4 %

40 % Treibhausgasreduktion (1990) 27,3 % 12,7 % (Quelle: Ziesing 2018: 8; BMWi 2018b: 9)

Zudem wird die bessere Performanz Österreichs im Vergleich zu Deutschland durchgehend in den einschlägigen Indizes bestätigt (Vahlenkamp et al. 2018; Garcia-Alvarez et al. 2016; Wurs- ter 2013). Garcia-Alvarez et al. (2016: 1006) zeigten die bessere Performanz Österreichs mit Blick auf die nachhaltige Entwicklung des Energiesystems durch einen quantitativen Vergleich zwischen den EU-15-Staaten zwischen Jahren 2002 und 2012. Wurster (2013: 365f.) analysierte eben- falls die Performanz der Energiepolitik im Rahmen eines quantitativen Vergleichs zwischen 21 OECD-Staaten. Im Ergebnis liegt auch hier die Performanz der deutschen Energiepolitik hinter Österreichs zurück. Der „Energy Transition Index“ (ETI) ist der jüngste Index, mit dem Ziel die Performanz nationaler Energietransformation zu messen (WEF 2018). Im Vergleich mit 114 weiteren Staaten belegt Deutschland in der Gesamtbewertung nur den 16. Platz, während

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Österreich den achten Platz einnimmt. Die unterschiedliche Performanz der Energietransfor- mation zwischen Deutschland und Österreich wird im zentralen Teilbereich der „System Per- formance“ des ETI noch deutlicher. Während Österreich hier noch den 20. Platz belegt, rutscht Deutschland auf den 43. Platz ab und liegt damit nur knapp oberhalb des Mittelfeldes (Vah- lenkamp et al. 2018). Damit werden der Vergleich bisher erreichter Ziele im Rahmen der langfristigen Energiepläne und die daraus geschlussfolgerte bessere Performanz der Energietransformation Österreichs mit Blick auf aktuelle Forschungsarbeiten aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Kontexten bestätigt. Die folgenden Kapitel werden die erklärenden Faktoren für die unterschiedliche Performanz der Energietransformation ausarbeiten. Wobei sich die Performanz von einem relativen mehr an „erfolgreicher“ Zielerreichung bis hin zu einem „Scheitern“ in der Energiepolitik aufspannt (Dose 2014: 247f.). Der Forschungshypothese folgend erklärt sich die abweichende Perfor- manz aufgrund von unterschiedlichen Konfigurationen der Governance-Systeme zwischen Deutschland und Österreich und mündet in folgende Thesen: (T1): Die Performanz der Energietransformation ist in Deutschland eingeschränkt, weil das Governance-System durch eine verbundene Konfiguration gekennzeichnet ist. (T2): Die Performanz der Energietransformation wird in Österreich begünstigt, weil das Governance-System durch eine eingebettete Konfiguration gekennzeichnet ist. Dabei stützt sich die nachfolgende vergleichend angelegte Fallbeschreibung auf das theore- tisch-konzeptionelle Modell der Governance-Analyse, wie es im Theoriekapitel dargelegt wurde, um die oben aufgeführten Thesen empirisch zu prüfen.

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5. Die Governance der deutschen Energietransformation

Das folgende Kapitel ist in zwei Abschnitte untergliedert. Zunächst werden die historischen Ereignisse des deutschen Energiesystems und dessen spezifisches Politikerbe betrachtet, die maßgeblich die Ausgestaltung der Energietransformation prägten. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Anfänge und die ursprüngliche Akteursstruktur des Energiesystems verwie- sen und deren historische Koevolution mit der Politik nachgezeichnet. Im zweiten Abschnitt wird verstärkt die Governance-Analyse des Energiesystems in Deutschland im Vordergrund stehen. Damit einher geht eine vertiefende Thematisierung der Handlungsfelder der Energie- bereitstellung, der überregionalen Verteilung sowie der Energienutzung und Energieeffizienz. Dabei steht das thematische Interesse der zugrundeliegenden Konfiguration des Governance- Systems im Vordergrund. Entsprechend wird die Wahl der zentralen Politikinstrumente und deren Koordination einer fokussierten Analyse entlang der drei Handlungsfelder der Energie- transformation unterzogen. Zuvor soll jedoch das historische Politikerbe der Energiepolitik er- läutert werden, das die Ausgestaltung des heutigen Governance-Systems prägt.

5.1. Das spezifische Politikerbe der Energiepolitik in Deutschland Der erste Strom in Deutschland floss bereits 1885 aus einem öffentlichen Kraftwerk in Berlin. Als Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge oblag es der Politik, das Gut Strom vom Wett- bewerb auszunehmen, um durch eine öffentliche Bereitstellung Versorgungssicherheit zu ge- währleisten. Bereits in der Weimarer Republik wurde der Energiebereich von der Kartellge- setzgebung ausgenommen. In der Folge teilten die Energieversorger „Preußische Elektrizität AG“ und „RWE“ ihr Versorgungsgebiet im Rahmen des Elektrofriedens von 1927 auf. Die Ver- legung der Stromleitungen über kommunales Territorium erforderte die Integration der kom- munalen Ebene in die Stromversorgung. Durch Konzessionsverträge, die die Höhe der Gebüh- ren für die Stromdurchleitung regelten, bildeten die Energieversorger mit den Kommunen und Stadtwerken strukturell und finanziell verzahnte, wettbewerbsfreie Gebietsmonopole. „De- markations- und Konzessionsverträge, gemeinsame Infrastrukturprojekte und gegenseitige Beteiligungen zwischen Privatkonzernen, Länderbesitzungen und kommunaler Infrastruktur führten zur finanziellen Verzahnung der Energiewirtschaft“ (Kleinwächter 2007: 67). Das Energiewirtschaftsgesetz von 1935 festigte die bestehenden Strukturen in Form eines Ge- setzestextes, der bis 1998 zwar modifiziert wurde, jedoch in seiner Grundausrichtung erhalten blieb (Illing 2012: 30f.).

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Der Ausschluss des Stroms vom Wettbewerb ist nicht nur politisch motiviert, sondern eine Folge natürlicher Monopole. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist es unökonomisch und kostspielig, wenn jeder Stromanbieter sein eigenes Verteilnetz errichten müsste. Die zusätzli- chen Kosten der Strombereitstellung durch eine Vielzahl an Netzen und Eigentürmern sind schlicht zu hoch, wodurch die Monopolbildung als wirtschaftlich effizient geschlussfolgert werden kann. Die Stromversorger hatten nicht nur ein natürliches Netzmonopol aufgebaut, sondern darüber hinaus Gebietsmonopole mit Regionalversorgern und Stadtwerken einge- richtet. Erst mit der europäisch eingeleiteten Strommarktliberalisierung und der anschließen- den Reform des Stromeinspeisungsgesetzes 1998 wurden die Gebietsmonopole aufgehoben (Kleinwächter 2007: 65ff.). Rückblickend setzte die Energietransformation in der Bundesrepublik Deutschland 1973 ein, als die OPEC die Ölfördermenge um fünf Prozent reduzierte, wodurch die Mehrausgaben für Erdöl im Folgejahr auf 17 Milliarden Mark anstiegen. In der Folge war die energieintensive deutsche Volkswirtschaft von Kurzarbeit und ansteigender Arbeitslosigkeit betroffen (Fischer 2014: 199f.) – ein Zustand, der durch den ersten Ölschock ausgelöst wurde und zum Gegen- steuern und langfristigen Umdenken der energiepolitischen Ausrichtung in Deutschland zwang (Wüstenhagen/Bilharz 2006: 1682). Die Energiepolitik der sozialliberalen Regierung unter Helmut Schmidt sah sich infolge der Öl- krise gezwungen, den Ölverbrauch langfristig zu reduzieren und die Energieproduktion auf an- dere Energieträger zu verschieben. Damit wurde die Strategie verfolgt, die Energieträger Gas, Kernkraft und Kohle auszubauen, um die Abhängigkeit vom Rohöl zu verringern. „Die Bundes- regierung wird weitere Maßnahmen ergreifen, um langfristig den Ölanteil an unserer Gesam- tenergieversorgung zu reduzieren und andere Energieträger, nämlich Erdgas, Kernenergie, Steinkohle, Braunkohle, stärker zu entwickeln“ (Regierungserklärung von Helmut Schmidt, 1974). Der Wunsch, sich von schwankenden Ölpreisen zu befreien, führte Ende der siebziger Jahre zum Beginn der heutigen Dynamik erneuerbarer Energien. Die Erneuerbaren sollten als Alter- native zu den bestehenden fossilen Energieträgern insbesondere Strom durch Wind, Wasser und Sonne bereitstellen – eine Phase im Rahmen der frühen Transformation des Energiesys- tems, die in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren begann und sich zu einer all- mählich konstruierenden Alternativbewegung ausbreitete (Byzio et al. 2005: 11–25). Charak- teristisch für diese neuen sozialen Bewegungen und Umweltaktivisten war die fundamentale

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Abgrenzung gegenüber den vorherrschenden Lebens- und Produktionsweisen der Gegen- wartsgesellschaft, wie sie noch in der Regierungserklärung von Helmut Schmidt zum Ausdruck gebracht wurden (vgl. Mautz et al. 2008). Das Aufkommen der Idee erneuerbarer Energien soll allerdings nicht darüber hinwegtäu- schen, dass die dominierende Energiepolitik von einem intensiven Ausbau der „heimischen Kohle“ sowie einem maßvollen Ausbau der atomaren Kernenergie geprägt war. Aus Ablehnung gegenüber der vorherrschenden Energiepolitik sprachen sich die Sozial- und Umweltbewegungen für eine „sanfte Energie“ durch alternative – teilweise noch unbekannte – Energietechnologien aus (Fischer 2014: 206). In Anlehnung an David Dickson wurde ein uto- pisches sanftes Energiesystem konstruiert, das sinnbildlich als ‚Herzstück‘ einer neuen Gesell- schaftsform angesehen wurde (Dickson 1978: 95f.; Krause et al. 1980: 197ff.). Diese neue Ge- sellschaftsform war im Kern von drei Grundprinzipien gekennzeichnet, die die entstehenden Sozial- und Umweltbewegungen charakterisierten: erstens eine Dezentralisierung des Ener- giesystems, zweitens eine antiautoritäre und basisdemokratische Bereitstellung der Energie sowie drittens ein Energiesystem, das mit der Natur und Umwelt im Einklang ist. Diese drei Grundprinzipien deuten bereits an, dass die Ziele der sich entwickelnden Bewegungen gleich- sam eine „radikale Alternative“ zum bestehenden „harten Weg“ des Energiesystems darstell- ten und damit letztlich auf eine dezentrale Selbstversorgung im Sinne des „sanften Wegs“ hin- auslaufen würden (Mautz et al. 2008: 34ff.). Vereinzelt und in quantitativer Hinsicht vernachlässigbar wurden zeitgleich erste Versuche un- ternommen, brauchbare Techniken der Strombereitstellung durch Solarenergie, Biomasse und insbesondere Windenergie zu entwickeln (Hoppe-Kilppe 2003: 74ff.). Im Bereich der Solarenergie hatte sich bereits 1975 eine Gesellschaft unter dem Namen „Deut- sche Gesellschaft für Sonnenenergie“ (DGS) gegründet. Die Windenergie hingegen hat im Ge- gensatz zur Solarenergie von vermehrten staatlichen Fördergeldern profitieren können. Be- reits im Jahr 1977 begannen die Konzeptionen für ein großtechnisch angelegtes Entwicklungs- projekt im Bereich der Windenergie. Das Pilotprojekt „Große Windenergie Anlage“ (GRO- WIAN) sollte die Windenergie in einem Innovationsschritt so weit voranbringen, dass es in das bestehende großtechnische Energiesystem hätte integriert werden können. Neben dem For- schungsministerium waren die großen Energieversorgungsunternehmen an der Gründung ei- ner eigens geschaffenen GROWIAN GmbH beteiligt. Der Betrieb von GROWIAN wurde 1982 aufgenommen, musste jedoch fünf Jahre später aufgrund technischer Probleme eingestellt

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werden und wurde schließlich 1988 geschlossen. Das GROWIAN-Projekt hatte ein Budget des Bundesforschungsministeriums im Umfang von knapp 40 Millionen Deutsche Mark. Die Er- kenntnis war jedoch, dass die etablierten Energieversorger und Industriezweige an der Wind- kraft wenig Interesse hatten und der Stand der Technik sowie der Materialien überschätzt wurde. Gleichwohl demonstrierte das GROWIAN-Projekt einen Innovationsprozess für die um- weltfreundliche Energiebereitstellung und eine Alternative zur domminierenden fossil erzeug- ten Energiegewinnung (vgl. Hauschildt/Pulczynski 1996; Hoppe-Kilppe 2003: 29f.). Mit dem Reaktorunfall im Kernkraftwerk Tschernobyl im Jahr 1986 änderte sich die energie- politische Gesamtlage in Deutschland. Der Super-GAU in der Ukraine, bei dem ein Kernreaktor explodierte, 31 Menschen sofort ihr Leben verloren und weit mehr Menschen radioaktiv ver- strahlt wurden, zeigte, dass das Wagnis atomarer Energiebereitstellung kein latentes theore- tisches Risiko ist, sondern eine real existierende Gefahr darstellt. Das gesellschaftliche wie po- litische Entsetzen über den schlimmsten anzunehmenden Unfall in einem Atomkraftwerk führte zu neuen staatlichen Anstrengungen, die Entwicklung der erneuerbaren Technologien voranzubringen. Im Anschluss an die Reaktorkatastrophe wurde das „Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit“ (BMU) gegründet und die Zuständigkeit für den Strahlenschutz im Rahmen des BMU zentralisiert (Czada 2013: 271f.). Die staatliche Förderung im Bereich der erneuerbaren Energien verlagerte sich in der Folge auf die Unterstützung von Betreibern und deren technisches Entwicklungspotenzial. Nachdem der Versuch misslungen war, erneuerbare Energien und insbesondere die Windenergienut- zung schnell durch großtechnische Anwendungen, wie das Beispiel GROWIAN veranschau- lichte, in den Stromsektor zu integrieren, folgte der zweite Ansatz einen evolutionären Bot- tom-up-Prozess, der die Technikanwendung förderte (Mautz et al. 2008: 54). Damit der gewonnene Strom auch in das bestehende Verteilnetz eingespeist werden konnte, verabschiedete der Bundestag am 7. Dezember 1990 das Gesetz über die „Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien“ in das öffentliche Netz. Das Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) verpflichtete die Energieversorger, den produzierten Strom zu einem Mindestpreis ab- zunehmen und errichtete Produktionsanlagen an das Netz anzuschließen (Suck 2008: 172). Der zu vergütende Mindestpreis errechnete sich in Abhängigkeit von der Produktionsart und dem erzielten Endkundenpreis. Solar- und Windkraft erhielten 90 Prozent des Endpreises, Wasserkraft sowie Forst- und Deponiegas 75 Prozent und Biomasse 80 Prozent des Endkun- denpreises. Während das StrEG mit Ausnahme der FDP von einer breiten politischen Mehrheit

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getragen wurde, stellten die großen Energieversorger „Preußen Elektra“, der heutige „E.On“ Konzern, sowie „RWE“ und die „Vereinigung der Elektrizitätswerke“ (VDEW) die Kontrahenten dar (Wüstenhagen/Bilharz 2006:1686). Dennoch wurden die Kosten des StrEG auf die konven- tionellen Energieunternehmen übertragen. Den Energieunternehmen wurde hingegen zuge- standen, ihre Mehrausgaben geltend zu machen und auf den Endkunden zu übertragen. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass mit keinem Anstieg der Strompreise zu rechnen sei. Für das StrEG wurden 50 Millionen Deutsche Mark veranschlagt, was für die Energieunternehmen eine minimale Mehrbelastung in Höhe von 0,1 Prozent des Jahreserlöses bedeutete. Gleich- zeitig unterstützte das StrEG 4000 Produktionsanlagen erneuerbarer Energien, die zusammen knapp 500 Megawattstunden Strom produzierten, ohne dabei die Haushalte der Länder oder des Bundes zu belasten (Illing 2012: 173–175). Im Gegensatz zu der bisherigen Förderpraxis in den vergangenen Jahren griff der Staat damit direkt in die Vergütung des Stroms ein, der nicht von den traditionellen und etablierten Ener- gieunternehmen eigenständig produziert wurde. Zuvor bildete sich die Höhe der Stromvergü- tung aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen dem VDEW, dem „Verband der In- dustriellen Energie- und Kraftwirtschaft“ (VKI), der die Interessen großer Stromkunden ver- trat, und dem „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI). Die kommunalen Unterneh- men des Energiesystems waren hingegen im „Verband kommunaler Unternehmen“ (VKU) or- ganisiert, obgleich ihr Einfluss auf die privatrechtlichen Vereinbarungen begrenzt war (Schmidt 2006: 170, 202). Entsprechend lautete das Ziel des StrEG, bestehende Hürden abzubauen und dadurch den An- teil erneuerbarer Energien im Energiesystem zu erhöhen. Darüber hinaus sollten die Techni- ken der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien zu einer wettbewerbsfähigen Technolo- gie weiterentwickelt werden. 1991 betrug der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromver- sorgung 3,5 Prozent. Um bei verstärkter Nutzung erneuerbarer Energietechnologien eventu- ellen Akzeptanzproblemen in der Bevölkerung vorzubeugen sowie die Ausbildung zentraler Berufsgruppen für die Thematik zu sensibilisieren, wurde ein „Bürgerinformationsdienst Neue Energietechniken“ (BINE) zeitgleich mit der Verabschiedung des StrEG gegründet (Illing 2012: 173ff). Mit der Verabschiedung des StrEG wurde erstmals ein formalisierter Zugang für erneuerbare Energien im Rahmen des bestehenden Energiesystems geschaffen. Daraus entwickelten sich

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in den neunziger Jahren immer dichter werdende Netzwerke innovativer Technologievorrei- ter, die über den Erfahrungs- und Wissensaustausch hinaus feste Strukturen etablierten, wel- che eine Professionalisierung und Ökonomisierung erneuerbarer Energietechniken ermöglich- ten. Gleichwohl verlief die einsetzende Professionalisierung in Abhängigkeit von der Bereit- stellungstechnik zeitlich und strukturell zwischen den erneuerbaren Energien ungleich. Im Be- reich der Windkraft erfolgte 1996 der Zusammenschluss zweier Interessenverbände, die sich bereits Ende der achtziger Jahre gebildet hatten, zum „Bundesverband Windenergie“ (BWE). Im Solarbereich hatten sich schon in den siebziger Jahren zunächst die „Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie“ und anschließend der „Bundesverband Solarindustrie“ (BSI) gegründet. 1998 erfolgte die „Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft“ (UVS). Auch im Bereich des Bi- ogases bildete sich 1992 ein mitgliedsstarker Interessensverband in Form des „Fachverbands Biogas e.V.“ heraus. Ähnliches zeigte sich im Dienstleistungssektor, der sich zunehmend des Themas erneuerbarer Energien annahm. Als Resultat der Rio-Konferenz von 1992 konnten sich Interessierte nun über die Möglichkeiten der solaren Energienutzung in manchen Gemeinden beim Agenda-21- Beauftragten oder beim Beauftragten für kommunalen Klimaschutz informieren und beraten lassen. Gegen Ende der neunziger Jahre hatte sich so ein uneinheitliches, regional spezifisches Netzwerk erneuerbarer Energien herausgebildet. Für die regionalen Schwerpunkte der jewei- ligen Techniknutzung waren die differenzierten raum-physikalischen Kontexte verantwortlich. Entsprechend war in den südlichen Bundesländern die Solarenergie vermehrt an der Strom- produktion beteiligt, wohingegen im Norden die Windkraft im Fokus stand. Biokraftwerke hat- ten ihren Schwerpunkt in Bayern und Baden-Württemberg sowie im Norden Niedersachsens. Eine ansatzweise flächendeckende Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen war dennoch in keiner Region denkbar. „Was sich am Ende der 90er Jahre herausgebildet hatte, waren insofern unterschiedliche, durch übergeordnete Leitideen lose miteinander ver- knüpfte Marktnischen“ (Mautz et al. 2008: 83). Entsprechend konnte auch das StrEG die be- stehenden Hürden für erneuerbare Energieproduzenten nicht abschließend verringern, weil die dominierenden Akteure der Energiepolitik nach wie vor von engen und gefestigten perso- nellen Beziehungen durchzogen waren und einer „ingenieuroptimistischen Überzeugung“ folgten, die an der fossilen Energiebereitstellung festhielt (Sack 2018: 91f.). Erst im Rahmen der EU-Elektrizitätsrichtlinie 96/92/EG und der damit einhergehenden Libe- ralisierung der Elektrizität wurden die bestehenden Monopole der Energieunternehmen und

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Netzinfrastruktur aufgebrochen (vgl. Renz 2001). Mit der einsetzenden Restrukturierung des Energiemarktes erodierten allmählich die traditionellen Verquickungen in der Energiewirt- schaft, die bisher die Integration und Bereitstellung der Erneuerbaren hemmten (Wüstenha- gen/Bilharz 2006: 1684). Aufgrund der Anforderungen im Rahmen der europäischen Liberalisierungsrichtlinie wurde die Regierung veranlasst, das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) gemäß den europäischen Vor- gaben zu novellieren. „Mit dem Energiewirtschaftsgesetz 1998 wurde die deutsche Gesetzes- lage an die europäischen Vorgaben angepasst. Die bisherigen kartellrechtlichen Sonderrege- lungen wurden abgeschafft, die Genehmigung zur Aufnahme einer Unternehmenstätigkeit im Energiebereich und der Netzzugang wurden deutlich erleichtert. Damit erfolgte eine markante Liberalisierung und Verwettbewerblichung des Sektors“ (Sack 2018: 93). Dabei standen den europäischen Mitgliedsstaaten zwei Modelle9 zur Auswahl: zum einen das Modell eines regulierten Netzzugangs (rTPA), in dem der Strompreis durch eine Behörde fest- gelegt wird, und zum anderen das Modell des verhandelten Netzzugangs (nTPA). In Deutsch- land wurde in der Folge der verhandelnde Netzzugang gewählt, der die Kompetenzen und Regulierungszuständigkeit beim Wirtschaftsministerium (BMWi) sowie den auf Landesebene zuständigen Wirtschaftsministerien fortführte. Anstelle einer Ex-ante-Regulierung des Netz- zugangs, wie es im Rahmen einer Regulierungsbehörde notwendig geworden wäre, wurde die wettbewerbliche Kontrolle im Energiesystem an das Bundeskartellamt sowie die Länderkar- tellämter delegiert, die Ex-post-Verzerrungen und Wettbewerbsbeschränkungen unterbinden sollten (Schmidt 2006: 202). Im Modell des verhandelten Netzzugangs werden die etablierten Energieunternehmen ge- zwungen, Drittanbietern zu gleichen Kosten das Stromnetz zur Verfügung zu stellen, wie sie es auch für ihre eigenen Stromproduzenten handhaben. Um dies zu gewähren, wurden die etablierten Stromunternehmen aufgefordert, ihre Buchführung so umzustellen, dass daraus ersichtlich werden kann, welche Kosten auf die Strombereitstellung und welche auf die Ver- teilung sowie letztlich auf den Handel entfallen. Mit der Entscheidung der Bundesregierung bei der Neuregelung des EnWG für das Modell des verhandelnden Netzzugangs fielen die ehe- maligen alleinigen Gebietsmonopole im deutschen Energiesystem ebenso weg wie die Allein- nutzungsrechte des Stromnetzes für einige wenige Unternehmen. „Das Gebietsmonopol des

9 Gelegentlich wird auch von drei Modellen gesprochen, weil Frankreich im Rahmen der europäischen Verhandlungen zur Richtlinie (96/92/EG) das Alleinkäufermodell („single buyer system“) einbrachte (vgl. Schmidt 2006: 194).

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Verbundunternehmens besteht zwar weiterhin, aber es muss dritten Stromerzeugern den Zu- gang zum Netz garantieren, wodurch der Gesetzgeber bei der Wahl des Stromanbieters eine Konkurrenzsituation schuf“ (Illing 2012: 184ff.). Im Anschluss an die Novellierung des EnWG setzte in Deutschland eine zunehmende Oligopo- lisierung im Energiesystem ein. Nach zahlreichen Fusionen entstanden aus den ehemals neun großen Energieunternehmen die heute noch zentralen vier Energiekonzerne „RWE“, „E-ON“, „Vattenfall“ und „EnBW“ (Kemmerzell 2021). Diese teilweise bedenklichen Fusionen wurden von den Kartellbehörden genehmigt, weil die Konzerne sich auf einen europäischen Strom- markt beriefen, der die Größe der neuen Konzerne relativiere (Suck 2008: 290–301). Mit der erstmaligen Beteiligung von Bündnis 90/Die Grünen an einer Bundesregierung ver- schoben sich seit 1998 die Schwerpunkte in der strategischen Energiepolitik grundlegend. Die neue Ausrichtung in der Politik folgte insbesondere dem Ziel, die erneuerbaren Energien mas- siv auszubauen und die Bereitstellung von Strom durch Kernkraftwerke langfristig zu beenden. Im Juni 2000 einigten sich die vier großen Energieunternehmen mit der Bundesregierung, aus der Kernkraftnutzung auszusteigen. Unter dem Namen „Atomkonsens“ vereinbarte die rot- grüne Regierung in gemeinsamen Verhandlungen mit den vier großen Energiekonzernen eine befristete Nutzungsdauer für die in Deutschland ansässigen Atomkraftwerke. Die Nutzungs- dauer orientierte sich an einer Reststrommenge, die flexibel zwischen den bestehenden Atomraftwerken übertragbar war. Unrentable Kraftwerke stellten daraufhin ihren Weiterbe- trieb ein, wie etwa in Stade 2003 und in Obrigheim zwei Jahre später, um die verbleibende Restsumme zu preiswerteren Durchschnittskosten pro Kilowattstunde mit rentableren Atom- kraftwerksblöken zu verrechnen (Illing 2012: 193–195). Mit dem Regierungswechsel 2009 wurde der Atomkonsens zwischen der rot-grünen Bundes- regierung und der Atomwirtschaft durch eine erneute freiwillige Vereinbarung der liberal-kon- servativen Koalition aufgehoben, indem Laufzeitverlängerungen in gemeinsamen Verhand- lungen vereinbart wurden. Doch diese erneute Vereinbarung zugunsten der Atomenergie wurde im Rahmen der Atomkatastrophe in Fukushima im März 2011 bereits wieder hinfällig. Beginnend mit einem Moratorium für die sieben ältesten Atomkraftwerke folgte im Anschluss an den Super-GAU in Japan die sofortige Abschaltung älterer Kernkraftwerke und ein gesetz- lich verankertes Austrittsdatum für die Nutzung der Kernenergie in Deutschland bis zum Jahr 2022 (Schreurs 2012: 37) – eine Entscheidung des Bundestags, die von einer Allparteienmehr-

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heit verabschiedet und getragen wurde. Dabei berief sich die Bundesregierung auf die Emp- fehlungen der Ethik-Kommission namens „Sichere Energieversorgung“, die kurz nach der Re- aktorkatastrophe einberufen wurde, um einen Konsens für einen erneuten Atomausstieg ge- sellschaftsübergreifend zu diskutieren (Hübner et al. 2012: 289; Czada 2013: 273). Seither wird die Energiewende verstärkt als „Gemeinschaftsaufgabe“ interpretiert. Interes- sant in diesem Zusammenhang ist die Deutung des Begriffs der „Gemeinschaftsaufgabe“, die ursprünglich aus der im Grundgesetz verankerten föderalen Zusammenarbeit von Bund und Ländern nach Art 91a GG bekannt ist. Das Wirtschaftsministerium verwendet den Begriff hin- gegen allgemein und verweist darauf, dass die Energietransformation nicht nur alle politi- schen Ebenen betrifft, sondern auch Stakeholder aus den Bereichen Wirtschaft und Gesell- schaft (Itv-BMWi-3). Mit der Deutung der Energietransformation als „Gemeinschaftsaufgabe“ geht ein Kurswech- sel einher, der die strategische und politische Steuerung des Transformationsprozesses von „je schneller, je besser“ zu „je planbarer und berechenbarer, desto besser“ neu justiert. „Es geht jetzt, wo die erneuerbaren Energien nach und nach das gesamte System übernehmen, darum, dass sie auch Systemverantwortung übernehmen müssen. In dem komplexen Ge- triebe der Energiewende müssen die Zahnräder endlich ineinandergreifen“ (Rede vor dem Bundestag von Sigmar Gabriel, 27.06.2014). Um erneuerbare Energien besser in die Energiepolitik zu integrieren, richtete das Wirtschafts- ministerium unter der Leitung Sigmar Gabriels fünf „Energiewende-Plattformen“ ein, in denen „Lösungen und Strategien für die zentralen Handlungsfelder der Energiewende erarbeitet“ werden sollten. Beginnend mit der Plattform Energienetze 2011 folgten im Sommer 2014 die Plattformen Strommarkt, Energieeffizienz und Gebäude. Schließlich wurde 2015 mit der Ener- giewende-Plattform für Forschung und Innovation die vorerst letzte Plattform initiiert. Dabei unterscheiden sich die Arbeiten in den einzelnen Energiewende-Plattformen teils erheblich voneinander. Während im Rahmen der Plattform Energienetze über den fachlichen Austausch anfangs auch an konkreten Gesetzesentwürfen und notwendiger Regulierung ein gemeinsa- mer Arbeitsprozess stattfand (Itv-BMWi-2), diente die Plattform Energieeffizienz insbeson- dere Beteiligungs- und Konsultationsprozessen (Itv-BMWi-1). Dabei teilt sich die Organisati- onsstruktur der Energiewende-Plattformen sowohl in ein Plenum, dessen Vorsitz dem Bun- deswirtschaftsministerium innewohnt, als auch in fachliche Arbeitsgruppen auf. Neben den zentralen Stakeholdern für die unterschiedlichen Themenbereiche der Energiewende sind

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auch die Bundesländer im Rahmen der Plattformen vertreten. Gleichwohl erfolgt die Koordi- nation zwischen dem Bund und den Ländern u.a. in den halbjährlichen Spitzentreffen der Bun- desregierung mit den Landesregierungen. Zusätzlich beraten sich die zuständigen Minister von Bund und Ländern regemäßig im Rahmen der Wirtschaftsministerkonferenz. Dieses for- male Gremium berät sich zweimal jährlich zu Themen der Energiepolitik, wobei der Bund im Vorfeld der jeweiligen Sitzungen einen Bericht zum Stand der Umsetzung der Energiewende an die Länder verschickt und anschließend erläutert. In diesem Rahmen werden die gemein- samen Schwerpunkte abgestimmt und Leitlinien der zukünftigen Energiepolitik diskutiert. Zu- dem existiert seit Mitte 2018 eine Koordinierung der Energieminister in Form von Energiemi- nistertreffen, welche jedoch im Vergleich zur Wirtschaftsministerkonferenz nicht formalisiert sind (Itv-BMWi-3). Vorbereitet wird die Ministerkonferenz von der Amtschefkonferenz (ACK), in welcher bereits vorab erste Beschlüsse gefasst werden, die zumeist aufgrund ihres technischen Charakters wenig umstritten sind und im Rahmen der ACK behandelt werden können. Zusätzlich hat sich auf der Verwaltungsebene der Abteilungsleiter der Arbeitskreis Energiepolitik bildet, in wel- chem Grundsatzfragen der Energiepolitik diskutiert werden. Im Arbeitskreis Energiepolitik treffen sich die Referatsleiter für Energiepolitik der jeweiligen Länder untereinander als auch gemeinsam mit dem Bund. Letztlich besteht ein Austausch der Energieabteilungsleiter der Länder, in welchem ebenso der Bund regelmäßig beteiligt wird (Itv-BMWi-3; Itv-MWAEV). Wie oben ausgeführt, differenzierte sich seit Gründung der Bundesrepublik eine korporatisti- sche Koordination der Energiepolitik aus, weil mit der zunehmenden Konzentration und ge- sellschaftlichen Bedeutung der Energiewirtschaft eine enge Abstimmung zwischen Politik und großtechnischer Energiebereitstellung einherging (Mayntz 1997). Mit dem „Boom“ der erneu- erbaren Energien (Hirschl 2008: 150f.) hat sich jedoch das Akteursspektrum erweitert, sodass heute neben den traditionell korporatistischen Akteuren weitere Akteure die Energiepolitik in Deutschland kennzeichnen, sodass das Energiesystem von einer dualistischen Governance und unterschiedlichen Interessenkoalitionen geprägt ist (Wüstenhagen/Bilharz 2006; Dagger 2009; Mautz 2012). Mit dem Regierungswechsel im Jahr 2013 und der Schaffung eines Wirtschafts- und Energie- ministeriums unter neuer sozialdemokratischer Leitung sowie der Gründung der fünf Energie- wende-Plattformen ist jedoch der vorherrschende Dualismus im Politikfeld der Energie- und Klimapolitik rückgängig. Schaut man auf die aktuellen Strukturen und Prozesse wird vielmehr

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eine post-korporatistische Ausrichtung des Energiesystems offensichtlich (vgl. Czada 2014), in der die Herausforderungen sowie Koordinationsanforderungen an Komplexität gewonnen ha- ben und gesellschaftliche Konflikte zunehmen (vgl. Selk et al. 2019). Inwieweit die Ausgestal- tung der bestehenden Koordinationsleistungen in Deutschland der gewachsenen Komplexität angemessen ist, um die Ziele des Energiekonzepts zu erreichen, wird die sich anschließende Analyse der Governance-Systeme entlang der unterschiedlichen Handlungsfelder der Energie- transformation herausarbeiten.

5.2. Handlungsfelder der Energietransformation Mit der Transformation des Energiesystems werden mehrere Handlungsfelder adressiert, von denen die zentralen Felder – beginnend mit der erneuerbaren Energiebereitstellung über de- ren Verteilung mittels Übertragungsnetzen bis zu der effizienten Energienutzung – im Fokus der nachfolgenden Kapitel stehen. In Abhängigkeit vom fokussierten Handlungsfeld variiert jedoch die Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern, auch wenn aus einer juristischen Perspektive die Energietransformation in Deutschland insbesondere im Zustän- digkeitsbereich des Bundes liegt (Itv-SUE). Dabei beschränken sich jedoch die Bund-Länder-Beziehungen nicht auf formale Kompetenzen über die Zuständigkeiten des politischen Entscheidens, sondern werden in zunehmendem Ausmaß durch informelle Netzwerke und gemeinsame Gremien ergänzt, um Informations- so- wie Implementationsdefizite bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Transformation vor Ort zu minimieren (Itv-BMWi-3). Bei der Integration neuer Akteure im Politikfeld der Energie hat sich die Art und Weise der Einbindung und Abstimmung im Rahmen des Transformationsverlaufs immer wieder gewan- delt, wie das vorangegangene Kapitel über das politische Erbe im Verlauf der historischen Prä- gung der deutschen Energietransformation gezeigt hat. Heute kann aufgrund der angewach- senen Komplexität im Rahmen der Energietransformation die Einbindung verschiedenster In- teressen weder als korporatistisch noch als pluralistisch klassifiziert werden, sodass eine fo- kussierte Governance-Analyse entlang der zentralen Handlungsfelder unerlässlich erscheint. Die systematische Gliederung der Governance-Analyse ermöglicht darüber hinaus eine ange- messene Differenzierung der Energietransformation sowie andererseits die Fokussierung auf die Governance zentraler politischer Entscheidungen. Die hierfür verwendeten Primärdaten

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aus Verwaltungsdokumenten, Gesetzestexten und Interviews sowie die strukturierte Aufar- beitung der Literatur zu einzelnen Teilaspekten sind auf das Interesse dieser Arbeit ausgerich- tet, die Konfiguration des Governance-Systems zu identifizieren. Zu diesem Zweck werden nachfolgend die zentralen Governance-Formen ausgearbeitet sowie ihr Zusammenwirken in den jeweiligen Handlungsfeldern der Energietransformation analytisch erfasst.

5.2.1. Energiebereitstellung Die Bereitstellung der Energie fällt in der Bundesrepublik Deutschland unter die konkurrie- rende Gesetzgebung mit Gesetzgebungsrecht des Bundes. Demnach obliegt es der Bundesre- gierung, die Strombereitstellung zu regulieren und zu koordinieren. Die Länder erhalten nur Gesetzgebungskompetenz, wenn der Bund von einer zentralen Gesetzgebung absieht. Die Länder sind jedoch nicht nur ausführende Organe, sondern können selbst durch die Raumord- nung nach Art. 72 III abweichende Regelungen von der Bundesgesetzgebung treffen (Dietsche 2013: 52). Für die Bereitstellung der erneuerbaren Energien ist das EEG „das wichtigste Gesetz“ (Reiche 2004: 186f.) und markiert gleichzeitig einen Wendepunkt in der Energiepolitik in Deutschland. Die traditionelle politische Zielsetzung folgte bis zur Jahrtausendwende dem Credo, für die Wirtschaft und den Bürger bezahlbare Energie sicher bereitzustellen. Das EEG wurde nach dem Regierungswechsel 1998 von der rot-grünen Bundesregierung als zentrales Vorhaben er- arbeitet und zwei Jahre später im Bundestag verabschiedet. Das Gesetz für den Vorrang er- neuerbarer Energien geht auf eine Initiative des Bundestags zurück, da der erste Gesetzesent- wurf des zuständigen Wirtschaftsministeriums getroffene Absprachen mit den Regierungs- fraktionen außer Acht ließ (Laird/Stefes 2009: 2624; Illing 2012: 198). Am 1. April 2001 löste schließlich das EEG das StrEG ab. Gleichwohl setzte das EEG keinen fundamental neuen Rechtsrahmen, sondern basiert in Teilen auf den Grundsätzen des StrEG von 1990, welches die konservativ-liberale Regierung bereits zehn Jahre zuvor verabschiedet hatte (Hirschl 2008: 19; vgl. Müller 2012). Eine Besonderheit im Rahmen des Gesetzgebungs- verfahrens war, dass das EEG 2000 fälschlicherweise als zustimmungspflichtiges Gesetz ver- abschiedet wurde. Entsprechend hatte der Bundesrat bei der Einführung des EEG anfangs ein absolutes Veto, während die anschließenden Novellen stets als Einspruchsgesetze verabschie- det wurden, wodurch der Bundesrat nur ein suspensives Vetorecht innehatte (Scheiner 2017:

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154f.). Entsprechend war das Governance-System nur zu Beginn des Gesetzgebungsverfah- rens durch Zwangsverhandlungen zwischen der Bundes- und Länderebene gekennzeichnet. Wie im gezeigt werden wird, verschob sich die Ausgestaltung der Governance-Form von Ver- handlungen zwischen Bund und Ländern im Rahmen der kontinuierlichen Novellen des EEG erst in Richtung freiwilliger Verhandlungen, bevor die Bund- und Länderverhandlungen all- mählich durch die weit weniger formalisierte Governance-Form der Netzwerke faktisch er- setzt wurden. Das EEG 2000 verpflichtet Netzbetreiber zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien zu festgeschriebenen Einspeisevergütungen, die für 20 Jahre garantiert sind (Lauber/Mez 2006: 110). Daraufhin überträgt der Netzbetreiber den Strom an die Übertragungsnetzbetrei- ber, die gemeinsam mit den Stromvertrieben die Aufteilung und Belieferung des Endkunden regeln. Letztlich zahlt der Endkunde die gesamte Einspeisevergütung (Illing 2012: 199f.). Das bisherige Stromeinspeisungsgesetz verpflichtete die Netzbetreiber lediglich zur Abnahme von fünf Prozent gemessen an ihrem Gesamtvolumen. Das EEG hob diese Hürde für erneuer- bare Energien auf und verpflichtet die Netzbetreiber, zusätzlich installierte Stromerzeugungs- anlagen aus erneuerbaren Energien ans Verteilnetz anzuschließen. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist die Entkopplung der Vergütungshöhe für erneuerbare Energien vom gehan- delten Strompreis. Insbesondere nach der EU-Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie sanken die Strompreise aufgrund der einsetzenden Liberalisierung des Strommarktes kurzzeitig ab. „Da- her wollte die [Regierung] weg von der Strompreiskopplung hin zu festen Vergütungssätzen, um einen kontinuierlichen Ausbau unabhängig von den Turbulenzen des – in Europa ungleich- zeitig – liberalisierten Strommarktes zu gewährleisten“ (Hirschl 2008: 141). Die Einführung des EEG markiert zugleich den Übergang in einen „neuen politischen Steue- rungsmodus“. Während das konventionelle Energiesystem vor der Strommarkliberalisierung und vor der Einführung des EEG durch eine direkte finanzielle Zuwendung der öffentlichen Hand gekennzeichnet war, beinhaltet das EEG eine indirekte finanzielle Zuwendung für inno- vative Energietechniken. Entsprechend beschreiben Mautz und andere den neuen Steue- rungsmodus des EEG als „indirekte Förderung innovativer Potenziale“, die sich jenseits des traditionellen Energiesystems entwickeln sollten (Mautz et al. 2008: 88). Damit wurde die Höhe der Vergütung für Strom aus Wasserkraft, Windkraft, solarer Strah- lungsenergie, Geothermie, Deponie-, Klär- und Grubengase sowie Biomasse erstmals gesetz-

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lich geregelt. In der Folge ermöglichten das EEG und das darin enthaltene Einspeisevergü- tungsmodell, erstens, einen Innovationsanschub, zweitens, Planungssicherheit sowie, drit- tens, eine breite Akteursvielfalt für Erneuerbare-Energien-Produzenten (Müller 2012: 147; Dagger 2009: 73f.). Das EEG 2000 folgte dem Vorhaben, die Produktion erneuerbarer Energien bis 2010 zu ver- doppeln. Diese Zielmarke wurde mit der ersten EEG-Reform 2004 noch einmal auf 12,5 Pro- zent bis 2010 angehoben.

Abbildung 21: Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland in GWh

200.000 Photovoltaik 180.000 160.000 Offshore 140.000 Windenergie 120.000 Onshore 100.000 Windenergie 80.000 Abfall 60.000 40.000 Biomasse 20.000 0

Wasserkraft

2014 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2016 1990 (Quelle: BMWi/AGEE-Stat 2017)

Darüber hinaus wurde für das Jahr 2020 ein prozentualer Anteil erneuerbarer Energien von 20 Prozent am gesamtdeutschen Energiemix als Zielmarke ausgegeben (Mautz et al. 2008: 90; Illing 2012: 201), das bereits heute erreicht ist (Abbildung 21). Federführendes Ministerium für die Bereitstellung erneuerbarer Energien war das Wirt- schaftsministerium, in dessen Zuständigkeit die gesamte Energiepolitik im Rahmen der ersten rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2002 lag. Während das StrEG im Parlament weitest- gehend im Konsens verabschiedet werden konnte, lag dem EEG eine vergleichsweise kleinere Mehrheit aus Vertretern der rot-grünen Regierungskoalition zugrunde. Auch weil sich die Zu- sammenarbeit zwischen dem Wirtschaftsministerium und der rot-grünen Regierung bereits im Rahmen der Ausarbeitung des EEG 2000 als schwierig herausstellte, verschob sich nach der Wiederwahl 2002 die Zuständigkeit für erneuerbare Energien aus dem Wirtschaftsministe- rium in das Umweltministerium (Lauber/Mez 2006: 106; Dagger 2009: 75f.; Lauber 2017: 166). War das Governance-System des EEG zu Beginn noch von Bund-Länder Verhandlungen ge-

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kennzeichnet, verschiebt sich allmählich mit der neuen ministeriellen Zuständigkeit die Gover- nance-Form Verhandlungen auf die Bundesebene in interministerielle Auseinandersetzungen zwischen dem Umweltministerium und dem Wirtschaftsministerium. Die Reform des EEG 2004 stand vor der Herausforderung, die Solarförderung aufrechtzuerhal- ten, die 2003 durch die im EEG 2000 vorgesehene Deckelung der förderfähigen Megawatt- stunden an Solarstrom kurz vor einem Förderstopp stand. Gleichzeitig sollte eine Lösung für energieintensive Wirtschaftsbereiche gefunden werden, die durch eine verstärkte Förderung erneuerbarer Energien Mehrbelastungen befürchteten und eine Härtefallregelung bean- spruchten. Die Härtefallregel galt für Schienenbahnen und produzierendes Gewerbe, die sich in Ausnahmefällen von der Mehrbelastung der EEG-Umlage auf Antrag befreien lassen konn- ten (Illing 2012: 202). Andererseits wurde schon sehr früh darauf hingewiesen, dass die Här- tefallregelung nur für wenige Begünstigte ausgelegt sei und sich dadurch ein Einfallstor für zukünftige Entlastungsansprüche öffne, die zu höheren Belastungen der Privathaushalte führe und die Akzeptanz des Förderinstruments gefährde (Hirschl 2003: 4; Hirschl 2008: 157). Den- noch wurde mit der EEG-Reform 2004 eine Härtefallregelung eingeführt und insbesondere vom Wirtschaftsministerium durchgesetzt. Im Gegenzug setzte das Umweltministerium den Aufbau einer Regulierungsbehörde für den Strommarkt durch (Reiche 2004: 153). Dies unter- streicht zum einen die zunehmende Verlagerung der Governance-Form Verhandlungen auf die interministerielle Bundesebene. Zum anderen verdeutlicht der gefundene Tausch jedoch auch, dass zwischen den Ministerien die Governance-Strategie Paketlösungen vereinzelt vor- herrschte. Weil sich allerdings die Verhandlungen zunehmend im Modus des Bargaining und weniger im Rahmen von Arguing zwischen den Ministerien etablierten, blieben vergleichbar innovative Strategien die Seltenheit. Darüber hinaus wurden die Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien mit dem EEG 2004 angepasst. Dabei sind die Erhöhungen der Vergütungssätze im Rahmen der EEG-Novelle 2004 das Resultat eines parlamentarischen Prozesses, in dem insbesondere die Energiebereit- stellung durch Solar- und Biomassetechnologien profitierte. Dabei war der politische Wettbe- werb zwischen den Fraktionen und Parlamentariern nur gering ausgeprägt. Vielmehr war die Governance-Form des politischen Wettbewerbs in die dominierende Governance-Form inter- administrativer Verhandlungen eingebettet, sodass die Fraktionen geschlossen ihre Forde- rung gegenüber den Ministerien vortrugen (Dagger 2009: 81).

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Wurde das erste EEG noch als Zustimmungsgesetz ausgelegt, war der Bundesrat im Rahmen der ersten Novellen lediglich einspruchsberechtigt. Dennoch verweigerte der Bundesrat im Mai 2004 seine Zustimmung und eröffnete das Verfahren im Vermittlungsausschuss. Gleich- wohl konnte der Bundesrat aufgrund seines suspensiven Vetos nur kleine Änderungen durch- setzen. Es gelang dem Bundesrat jedoch, unter anderem bezugnehmend auf die Förderung der Windkraft, die Novellierung zu beeinflussen. Schließlich billigte der Bundesrat bereits im Juni den erneuten Gesetzesbeschluss der Bundesregierung, auch weil die Bund-Länder-Ver- handlungen vor dem Hintergrund ansteigender Verhandlungen auf der Bundesebene im Governance-System zur Bereitstellung erneuerbarer Energien zunehmend eingebettet und verdrängt wurden (Dagger 2009: 82). Die kleine EEG-Novelle 2006 verfolgte lediglich das Ziel der seit 2005 regierenden großen Ko- alition aus SPD und CDU/CSU, die energieintensive Industrie durch eine Erweiterung der Här- tefallregel von der EEG-Umlage zu befreien (Hirschl 2008: 172). Die Novellierung des EEG 2009 erfolgte unter einer konservativ-liberalen Regierung. Unter Führung der Bundeskanzlerin Angela Merkel war die neue Regierung bestrebt, den Anteil er- neuerbarer Energien an der Stromversorgung bis 2020 nicht wie vorgesehen auf 20 Prozent, sondern auf 30 Prozent zu erhöhen (Schomerus/Maly 2018: 1120).

Abbildung 22: Einspeisetarife zur Förderung erneuerbarer Energien

0,60 € Wasserkraft

0,50 € Photovoltaik

0,40 € DKG-Gase 0,30 € Biomasse (fest, flüssig, 0,20 € gasförmig) Windkraft 0,10 € Offshore 0,00 € Geothermie

(Quelle: BDEW 2017: 35)

Der Gesetzgebungsprozess des EEG 2009 zeichnete sich durch eine entfachte Konkurrenz um die Zuständigkeit zwischen dem Umweltministerium und dem Wirtschaftsministerium aus. Obgleich dem Umweltministerium auch im Rahmen der EEG-Novelle 2009 die Federführung bezüglich erneuerbarer Energien zukam, versuchte das BMWi, durch Studien der „Prognos

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AG“ sowie des „IEU Leipzig“ Einfluss zu nehmen. Die Veröffentlichung der Studienergebnisse des BMWi im April 2007 wurde vom BMU als Missachtung der Ressortgrenzen kritisiert. Zeit- gleich liefen die Arbeiten zum „Integrierten Energie- und Klimaprogramm“, in dessen breites Gesetzespaket unter anderem auch die EEG-Novelle 2009 fiel und dessen Zuständigkeit so- wohl beim Umwelt- als auch beim Wirtschaftsministerium lag (Dagger 2009: 121f.). Mit dem anwachsenden Konflikt zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium bleibt die Strategie ge- meinsamer Paketlösungen, wie sie noch in den ersten Novellen zwischen den Ministerien ge- funden werden konnten, aus. Die Governance-Form der Verhandlungen wird von anwachsen- den Interessengegensätzen geprägt, in denen die Governance-Strategie der negativen Koor- dination den Modus des Verhandelns dominiert. Die Bundesländer versuchten die Gesetzgebung der EEG-Novelle 2009 durch Stellungnahmen zu beeinflussen, um die marginalisierten Bund-Länder-Verhandlungen für die Konfiguration des Governance-Systems durch Netzwerke zu kompensieren. Ihr Erfolg ist allerdings gering, sodass ein Großteil ihrer Anliegen auf Bundesebene abgelehnt wird. Wissend um den geringen Stellenwert der Bund-Länder-Verhandlungen im Governance-System der Energiebereitstel- lung verzichteten die Länder diesmal auf die Möglichkeit der formalisierten Einflussnahme im Rahmen des Vermittlungsausschusses, dem sie wegen des fehlenden Einspruchsrechts nur ei- nen geringen Stellenwert beimaßen (Dagger 2009: 189, 289, 306f.). Vielmehr sind die Länder dazu übergegangen, im Rahmen der Governance-Struktur Netzwerke territorial ansässige Bundestagsabgeordnete für ihre Belange zu sensibilisieren und auf informellem Weg ihre An- liegen bezüglich anstehender EEG-Reformen auf der Bundesebene einzubringen (Itv- MWAEV). Illing (2012) zufolge sollten mit dem EEG 2009 bestehende Fehlanreize beseitigt werden. Dies galt vor allem für die differenzierende Vergütung zwischen Groß- und Kleinerzeugeranlagen. Aufgrund der höheren Vergütung von kleinen Produktionsanlagen sollte die Novellierung ei- nem Anlagensplitting entgegentreten. Baugleiche und räumlich nah beieinanderstehende Produktionsanlagen werden als „zusammengefasste Anlagen“ begriffen und stellen als solche eine Großanlage dar. Die Photovoltaikförderung hingegen sollte vor einer „Überhitzung“ ge- schützt werden. Folglich wurde eine halbjährliche Reduzierung der Fördersätze verabschiedet, die das Gesamtbudget der Photovoltaikförderung von 2009 bis 2011 um 30 Prozent kürzen sollte. Im Gegensatz zur Photovoltaik wurde die Vergütungshöhe für Windenergie von 7,87 auf 9,2 Eurocent angehoben. Zu Recht kann darauf hingewiesen werden, dass sich bereits

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2009 andeutete, dass die Novellierung des EEG „stärker an Marktnotwendigkeiten“ herange- führt wurde, indem das Vergütungssystem variabel ausgestaltet wurde (Illing 2012: 229f.). Mit der EEG-Reform 2012 wurde für die Photovoltaikförderung schließlich eine „atmende De- ckelung“ eingeführt. Ziel dieser Deckelung war es, die Vergütungssätze von Photovoltaikanla- gen abermals zu senken, indem die Förderhöhe für Solaranlagen an das Marktwachstum an- gepasst wurde. Damit wurde ein weiterer Schritt in Richtung marktwirtschaftliche Förderung in die Gesetzgebung des EEG integriert. Mit der EEG-Novelle 2014 wurden diese Regelungen des EEG auch auf die Windenergie an Land sowie auf die Biomasse übertragen. Darüber hinaus wurden im Rahmen der EEG-Novelle 2014 erstmals Ausschreibungen für Pilotverfahren zur Förderung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen verabschiedet (Kemmerzell 2021). Nachdem die Pilotverfahren in den Jahren 2015 und 2016 für Photovoltaik-Freiflächenanlagen erfolg- reich getestet worden waren, verankerte das EEG 2017 schließlich das Prinzip der Ausschrei- bungen zur Förderung der erneuerbaren Energien und erweiterte deren Anwendung auf die Windkraft (Schomerus/Maly 2018: 1122). Damit verfolgte die Bundesregierung das Ziel, das bestehende Fördersystem zur Bereitstellung erneuerbarer Energien an das europäische Bei- hilferecht anzupassen und die Ausbaudynamik der Erneuerbaren planbarer zu gestalten sowie durch Marktmechanismen und Wettbewerb zwischen den Bereitstellungstechnologien die Förderkosten zu senken (Ohlhorst 2018: 110; Sack 2018: 98). Die verstärkte wettbewerbliche Ausgestaltung des EEG ging mit einem Neuzuschnitt des Wirtschaftsministeriums 2013 einher, durch den die Federführung in den interministeriellen Verhandlungen zur EEG-Reform vom Umweltministerium wieder zurück in das Wirtschaftsministerium wechselte. Da das novellierte EEG 2017 die Bereitstellung erneuerbarer Energien durch staatlich festge- legte Vergütungssätze in Richtung wettbewerbsbasierte Ausschreibungsverfahren ersetzte, gilt das Jahr 2017 auch als historischer Paradigmenwechsel in der Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland (vgl. Leiren/Reimer 2018). Einerseits, weil mit dem EEG 2017 der par- lamentarische Verhandlungsprozess über die Festlegung der jeweiligen Einspeisevergütung durch Ausbauquoten der Regierung geschwächt wurde, und andererseits, weil mit der Festle- gung von Quoten zur Förderung der erneuerbaren Energien die Preissteuerung durch eine Mengensteuerung ersetzt wurde (Kemmerzell 2021; Ohlhorst 2018: 113ff.). Auf diese Weise ging eine Aufwertung der Bundesnetzagentur einher, die seither zur Ermittlung des finanziel- len Umfangs die Ausschreibungen zur Förderung der erneuerbaren Energien im Auftrag des

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Wirtschaftsministeriums durchführt (Sack 2018: 96) und nicht zuletzt aufgrund dieser neu er- wachsenen Zuständigkeit auch als „eigentliches Energieministerium“ bezeichnet wird (Münch 2013: 44). Die Stärkung der Bundesnetzagentur für die Bereitstellung erneuerbarer Energien verweist auf die Governance-Strategie einer Parallelinstitution, in der die wenig innovative negative Koordination im Rahmen der Governance-Form interministeriellen Verhandlungen zwischen dem Wirtschafts- und Umweltministerium neu strukturiert wurde. Tatsächlich stellt jedoch die Bundesnetzagentur eine nachgelagerte Behörde des Wirtschaftsministeriums dar, sodass mit der Aufwertung der Bundesnetzagentur im Bereich der Förderung erneuerbarer Energien die Konfiguration des Governance-Systems beibehalten wurde. Ausgenommen von dem neuen wettbewerblichen Verfahren der Bundesnetzagentur und den Konkurrenzmechanismen im Rahmen der vergangenen EEG-Novellen wurden lediglich kleine Photovoltaikanlagen, welche aufgrund ihrer geringen Leistung unter eine Bagatellgrenze fie- len und auch weiterhin auf feste Vergütungssätze zurückgreifen könnten. Des Weiteren wur- den Windkraftanlagen von Bürgerenergiegesellschaften erleichterte Konditionen zugestan- den, um die Akteursvielfalt und gesellschaftliche Akzeptanz auch im Rahmen des novellierten EEG 2017 zu erhalten. Diese wird zusätzlich durch eine „Länderöffnungsklausel“ ergänzt, die den Bundesländern die Möglichkeit einräumt, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Akzeptanz vor Ort bei den Bürgern bezüglich der Bereitstellung erneuerbarer Energie durch Windenergieanlagen zu erhöhen (Maly et al. 2018: 378). Mit der Einführung des Ausschreibeverfahrens im Rahmen der EEG-Novelle 2017 sind insbe- sondere die „Volumenträger der Energiewende“ in Form von Windparks an Land wie auch Offshore-Anlagen sowie große Photovoltaikanlagen über 750 kW einem Anbieterwettbewerb ausgesetzt worden, der die Ausgestaltung der Förderpraxis erneuerbarer Energien durch die Etablierung von Wettbewerbsstrukturen grundlegend veränderte (Sack 2018: 97f.; Schome- rus/Maly 2018: 1123ff.). Seit Inkrafttreten des EEG im April 2000 ist die Bereitstellung erneuerbarer Energien rapide angestiegen. In der Folge hat das EEG den Ausbau von Windkraft, Wasserkraft, Biomasse und Photovoltaik massiv beschleunigt. Betrug der Bruttostromanteil erneuerbarer Energien im Jahr 1990 gerade einmal 3,4 Prozent, stellt er heute einen Anteil von über 35 Prozent der Elektrizität bereit. Damit stieg der Anteil erneuerbarer Energien kontinuierlich an. Festzuhalten ist gleichzeitig auch, dass die einzelnen Produktionstechniken der erneuerbaren Energien unterschiedliche Wachstumsphasen hatten. So ist der Anteil an Wasserkraft, aus der

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bis Ende der neunziger Jahre die Hälfte aller erneuerbaren Energien durch großtechnische Wasserkraftanlagen gewonnen wurde, kaum angestiegen (BMWi 2018a: 33). Im Gegensatz zur Wasserkraft sind die Produktionstechniken der Wind- und Biogasenergie erst nach der Jahrtausendwende deutlich gewachsen. Seither ist der Ausbau der Windkraft an Land konti- nuierlich fortgeschritten, sodass die Windkraft heute die dominante Technologie im Rahmen der erneuerbaren Energien darstellt. Die Trendphasen der Biogasproduktion zeigen, dass Bio- gas mit der Einführung des EEG 2000 und dessen Reform in den Jahren 2004 und 2009 deutlich angestiegen ist. Die Photovoltaik hingegen verzeichnet erst seit 2005 deutliche Zuwächse, die jedoch seit 2007 sprunghaft angestiegen sind, sodass die eher dezentrale Produktionstechnik der Photovoltaik heute die Wasserkraft als Stromquelle überholt hat.

Abbildung 23: Erneuerbare Energien 2016

3% Windkraft (onshore) 11% Windkraft (offshore) 36% Biomasse 20% Photovoltaik

Wasserkraft 6% Hausmüll 24%

(Quelle: BMWi/AGEE-Stat 2017)

Die weiteren erneuerbaren Technologien – wie die Geothermie oder die Abfallverbrennung – sind hingegen kaum ausgebaut und haben vergleichsweise nur einen sehr geringen Anteil an der Strombereitstellung (Abbildungen 21 und 23). Zusammenfassend geht der rasante Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland auf die Steuerungswirkung des EEG zurück. Das EEG ist das zentrale Instrument für die Bereitstel- lung erneuerbarer Energien, um bis 2020 den Anteil der Erneuerbaren auf 35 Prozent des Bruttostromverbrauchs und auf 18 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs zu steigern. Da- bei war das EEG bis zu seiner grundlegenden Modifikation im Rahmen der jüngsten Novelle im Jahr 2017 als preisbasiertes Anreizinstrument konzipiert. Während zu Beginn sowie im Rah- men der ersten Novellen des EEG die Höhe der Vergütung durch einen parlamentarisch domi-

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nierten Prozess und Bund-Länder-Verhandlungen geprägt worden war, verlagerte sich allmäh- lich die Ausgestaltung des EEG und der Vergütungssätze aus dem Parlament in die Administ- ration und in den Zuständigkeitsbereich des Wirtschafts- beziehungsweise Umweltministeri- ums. Hierdurch wurde auf der einen Seite der ohnehin schon geringe und auf Konsens orien- tierte Parteienwettbewerb reduziert, auf der anderen Seite wurde die Governance-Form der Verhandlungen zwischen dem Umwelt- und Wirtschaftsministerium gestärkt. In der Folge ist die Konfiguration des Governance-Systems maßgeblich von interministeriellen Verhandlun- gen geprägt, in die die Governance-Form des Parteienwettbewerbs eingebettet ist. In diesem Rahmen sind die Novellen zur Reform des EEG durch die Governance-Strategie der negativen Koordination gekennzeichnet. Die Bedeutung der Bund-Länder-Verhandlung mit Blick auf die Novellierung des EEG wurde hingegen schrittweise geschmälert. Damit einher ging eine all- mähliche Ausbreitung von kurzfristigen Netzwerken, die im Hinblick auf die Etablierung von informellen Gipfeltreffen formalisierte Bund-Länder-Verhandlungen faktisch ersetzt haben. Dennoch wurden die Netzwerke nicht institutionalisiert und gestalteten sich zu großen Teilen ad hoc, wodurch deren vertrauensbildender Mechanismus kaum zum Tragen kam. Vielmehr waren die Gipfeltreffen im Kanzleramt symbolischer Art, mit dem Ziel, die „Gemeinschaftsauf- gabe Energiewende“ öffentlichkeitswirksam zu unterstreichen und zu kommunizieren (vgl. Czada 2019). Mit der Einführung von Ausschreibungen hat sich das ökonomische Instrument zur Förderung der erneuerbaren Energien von einem preisbasierten zu einem mengenbasierten Förderan- satz gewandelt. Gleichzeitig hat sich damit die Ausgestaltung der Regulierung zu einem Anbie- terwettbewerb verändert, der maßgeblich durch die BNetzA gemanagt wird. Mit der Zustän- digkeit der BNetzA hat der politische Wettbewerb weiter an Bedeutung für das Governance- System der Bereitstellung erneuerbarer Energien verloren. Inwieweit dies innovative Gover- nance-Strategien im Rahmen der Dominanz der Governance-Form Verhandlungen für die Kon- figuration des Governance-Systems nach sich zieht, bleibt abzuwarten.

5.2.2. Energieverteilung Die Umstellung der Energiebereitstellung erfordert eine Anpassung der Netzinfrastruktur. Die enge Verzahnung von Übertragungsnetzen und Energieträgern wird im Stromsektor beson- ders deutlich. Während die Stromversorgung mit fossilen Großkraftwerken in direkter Nähe zu den Verbrauchs- und Ballungszentren gebaut und betrieben wurden, verlagert sich im Zuge

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der Transformation die räumliche Energiebereitstellung in Richtung geologisch und geogra- fisch optimaler Standorte zur Bereitstellung der erneuerbaren Energien (Ziekow 2018: 333). Die damit einhergehende anwachsende Diskrepanz zwischen der Energiebereitstellung und deren Nutzung erfordert einen Ausbau des bestehenden Stromnetzes (Fink/Koch 2016: 277f.; Kühne/Weber 2018: 6). Dabei lagen die Kompetenzen zur Regulierung und Planung der Energienetze viele Jahre im Zuständigkeitsbereich der Länder. Seit der Jahrtausendwende wurden jedoch zahlreiche Zu- ständigkeiten zentralisiert und an die Bundesnetzagentur übertragen, wodurch potenzielle Konflikte und Blockaden in der föderalen Kompetenzverteilung zwischen der Bundes- und Lan- desebene im Rahmen des überregionalen Netzausbaus reduziert wurden (Dietsche 2013: 53; Münch 2013: 40f.). Damit einher ging eine grundsätzliche Neujustierung der Konfiguration des Governance-Systems der Energieverteilung. War der überregionale Übertragungsnetzausbau lange Zeit von einer Verbindung aus Zwangsverhandlungen und politischem Wettbewerb zwi- schen der Bundes- und Landesebene gekennzeichnet, reduziert sich mit der Transformation des Energiesystems die Bedeutung der Governance-Form Verhandlungen und des politischen Wettbewerbs zugunsten von Hierarchie und neuen Netzwerken. Betrieben werden die Übertragungsnetze in Deutschland von den vier Übertragungsnetzbe- treibern: Tennet, Amprion, Transnet BW und 50Hertz. Die heutigen vier Übertragungsnetzbe- treiber sind aus zahlreichen Fusionen nach der Liberalisierung des Strommarktes erwachsen und zu großen Teilen aus den Unternehmensstrukturen der ehemaligen Verbundunterneh- men ausgegliedert. Aufgrund hoher Investitionskosten sowie des natürlichen Monopolcharak- ters der Stromübertragung bildeten sich in Deutschland sehr früh Demarkationsgebiete her- aus, in denen die Strombereitstellung und dessen Verteilung in wettbewerbsfreie Versor- gungszonen aufgeteilt waren. Dabei standen die Versorgungsunternehmen in keinem Wett- bewerb zueinander, sodass ihre Tätigkeit in den jeweiligen Gebieten konkurrenzfrei ausgestal- tet war und einer staatlichen Wirtschaftsaufsicht unterlag. Die Versorgungsgebiete und zuge- hörigen Regelzonen waren vertraglich festgelegt sowie unter territorialen Gesichtspunkten passgleich. Demzufolge entsprach das Deutsche Verbundnetz vor der Strommarktliberalisie- rung den Regelzonen von neun Verbundunternehmen, die hinsichtlich des technischen Be- triebs sowie unter finanziellen und wirtschaftlichen Aspekten eigenständig Strom bereitstell- ten und verteilten (Schwab 2017: 12ff.).

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Der Stromaustausch zwischen diesen neun ehemaligen Verbundunternehmen war hingegen eine Seltenheit. Dies änderte sich im Rahmen der Strommarktliberalisierung und der damit verbundenen Entflechtung bestehender Unternehmensstrukturen im Energiesektor, dem Wegfall vertraglich gesicherter Demarkationsgebiete und einem verstärkten grenzüberschrei- tenden Stromaustausch sowie letztlich der einsetzenden Wettbewerbsorientierung. Gleich- wohl ist auch nach der Liberalisierung des Energiemarktes die Stromübertragung an eine Netz- infrastruktur gebunden, die aus gesamtvolkswirtschaftlichen Gründen ihren Charakter eines natürlichen Monopols beibehält und einer staatlichen Regulierung bedarf (Sack 2018: 95). Diese Aufgabe kommt seit 2005 und in der Folge der ersten Binnenmarktrichtlinie der „Bun- desnetzagentur“ (BNetzA) zu, die aus der bereits im Jahr 1998 gegründeten „Regulierungsbe- hörde für Telekommunikation und Post“ (RegTP) hervorgegangen ist. Dabei ist die BNetzA eine nachgeordnete Behörde des Bundeswirtschaftsministeriums und als solche auch weisungsge- bunden. Gleichzeitig ist das Wirtschaftsministerium bestrebt, politischen Einfluss auf die Bun- desnetzagentur zu vermeiden, um die öffentliche Akzeptanz der Arbeiten im Rahmen der Re- gulierungsbehörde nicht zu gefährden und deren Autonomie zu bewahren (Itv-BMWi-2). Im Gegensatz zu allen anderen EU-Staaten verzichtete Deutschland anfangs auf die Einführung einer eigenständigen Regulierungsbehörde, die ex ante Preise und Tarifierung reguliert. Der Netzzugang wurde vielmehr ex post von den Kartellämtern der Länder sowie des Bundes kon- trolliert, und Tarife wurden im Rahmen von Verbändevereinbarungen zwischen dem „VDEW“, dem „VKU“, dem „VIK“ sowie dem „BDI“ festgelegt. Folglich wurde in Deutschland der „ver- handelnde Netzzugang“ (nTPA) als Sonderweg gewählt. „Man griff also nicht nur bei der staat- lichen Regulierung, sondern auch mit der verbandlichen Selbstregulierung auf traditionelle Muster zurück. Dieser korporatistische Weg wurde innerhalb der EU nur in Deutschland ein- geschlagen“ (Schmidt 2006: 202). Die Einrichtung einer Regulierungsbehörde wurde notwendig, weil die Kritik an den Verbän- devereinbarungen aufgrund fehlender Transparenz seitens der Marktakteure sowie aufgrund der mangelnden Rechtsbindung der Verordnungen von Seiten der Europäischen Kommission zunehmend lauter wurde. Zusätzlich sahen die Bestimmungen der EU vor, dass bereits Mitte 2004 ein unabhängiger Regulierer einzurichten sei, wodurch die Regulierungsbehörde für Te- lekommunikation und Post (RegTP) bereits vor ihrer offiziellen Zuständigkeit zur Regulierung der Energienetze und Umbenennung in die heutige Bundesnetzagentur die Aufgabe der Netz- regulierung vorläufig übernahm (Münch 2013: 41f.). Mit den anwachsenden Kompetenzen

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der BNetzA für die Energieverteilung gewinnt die Governance-Form Hierarchie zunehmend an Bedeutung im Governance-System. Der Paradigmenwechsel in der Regulierung der Strom- netze von „freiwilligen Verhandlungen im Schatten der Hierarchie des Staates“ hin zu einer zentralen Regulierungsbehörde vollzog sich nicht nur eher zögerlich aufgrund der historisch gewachsenen Tradition einer Selbstregulierung des Energiesektors, sondern auch, weil die Schaffung einer hierarchischen Regulierungsbehörde auf Bundesebene die Zustimmung der Länder im Bundesrat notwendig machte. Diese fragmentierte Kompetenzverteilung im föde- ralen System der Bundesrepublik spiegelt sich auch heute noch in der Ausgestaltung der Re- gulierungszuständigkeiten wider, in der sowohl Aufgaben bei der Bundesnetzagentur als auch bei den Landesregulierungsbehörden verortet sind (Schmidt 2006: 203f.). Die Zuständigkeit der Landesregulierungsbehörden erstreckt sich allerdings nur auf jene Netz- betreiber, die weniger als 100.000 Kunden einen Stromanschluss gewähren und deren Tätig- keit sich auf ein Bundesland beschränkt. Dabei wurde den Bundesländern die Möglichkeit ein- geräumt, auf die Gründung einer eigenen Regulierungsbehörde zu verzichten und die Aufgabe durch eine Organleihe an die Bundesnetzagentur abzugeben. Von dieser Möglichkeit haben vor allem kleine Bundesländer, die keine neuen Kompetenzen für zusätzliche Vollzugsaufga- ben der Regulierung aufbauen wollten, Gebrauch gemacht (Tschentscher 2009: 34f.). Seit der Gründung der BNetzA haben sich die klassischen Regulierungsaufgaben in Form der Sicherstellung des Netzbetriebs sowie des Wettbewerbs im Rahmen der Versorgungsinfra- struktur in Deutschland erweitert. Zu den weiteren Aufgabenbereichen zählen die Kompeten- zen eines effizienten Höchstspannungsnetzes sowie die Planung des Netzausbaus mit samt der durchzuführenden Verfahren der Konsultation und Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Netzentwicklungsplans (vgl. Ziekow 2018). Die Ausdehnung des Kompetenzbereichs der BNetzA wurde mit dem Ziel begründet, den gewachsenen Anforderungen an die Stromnetze im Rahmen der Energiewende durch die Schaffung einer verstärkt hierarchischen Gover- nance-Form in Deutschland gerecht zu werden, in der eine gesamtstaatliche Koordination der Planung und Steuerung des Übertragungsnetzes beschleunigt werden könne (Heimann 2015: 229; vgl. Steinbach 2013). Bereits im Jahr 2006 wurde im Rahmen des Infrastrukturbeschleunigungsgesetzes der Versuch unternommen, den Netzausbau anzukurbeln, indem Planungsverfahren zeitlich gestrafft wur- den. Doch aufgrund von Unsicherheiten wegen des energiewirtschaftlichen Bedarfs neuer Trassen sah sich die Regierung 2009 gezwungen, Höchstspannungsleitungen zu definieren, die

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in den kommenden Jahren zur Umsetzung der Energietransformation als notwendig angese- hen wurden. Im Rahmen des „Energieleitungsausbaugesetzes“ (EnLAG) wurden schließlich 24 Vorhaben festgelegt, die im Anschluss an die dena I-Studie zur energiewirtschaftlichen Pla- nung der Netzintegration bis 2020 als dringend eingestuft wurden. Damit schaffte das EnLAG die notwendige Planrechtfertigung für spezifische Ausbauvorhaben. Gleichwohl verblieb die Kompetenz über ausstehende Genehmigungsverfahren der Höchstspannungsnetze bei den Ländern. Die Länder sahen sich in der Folge mit Protesten und Akzeptanzproblemen der Be- wohner vor Ort sowie mit aufwendigen Genehmigungsverfahren konfrontiert. Zusätzlich stieg der Koordinationsbedarf zwischen den Ländern hinsichtlich grenzüberschreitender Trassen- verläufe sowie abweichender Anforderungen des Genehmigungsprozesses zwischen den Bun- desländern. Entsprechend wurde mit dem EnLAG 2009 zwar der Bedarf neuer Höchstspan- nungsnetze festgelegt, eine Beschleunigung des Netzausbaus blieb dennoch weitestgehend aus und eine Umsetzung der geplanten Vorhaben bis zum Planungshorizont 2015 war nicht zu verwirklichen (Heimann 2015: 223f.). Getrieben durch die Europäische Richtlinie (Richtlinie 2009/72/EG) zur Erstellung eines zehn- jährigen Netzentwicklungsplans sowie durch die Reaktorkatastrophe in Fukushima und die da- mit einhergehende Kehrtwende in der deutschen Energiepolitik sollte im Jahr 2011 der Netz- ausbau erneut beschleunigt werden. Um die bestehenden Hemmnisse im Hinblick auf die mangelnde Abstimmung und abweichende Genehmigungspraktiken der Länder im Rahmen des Ausbaus der Übertragungsnetze abzubauen, sollten länderübergreifende Netzausbauvor- haben durch eine Bundesfachplanung bei der Bundesnetzagentur zentralisiert werden (Münch 2013: 41). Die Kompetenz und Verantwortung zur effizienten Planung der Höchstspannungsnetze wur- den der Bundesnetzagentur im Sommer 2011 im Rahmen des „Netzausbaubeschleunigungs- gesetzes“ (NABeG) zugewiesen. Das NABeG wird in der Literatur teilweise als gelungenes Bei- spiel einer konsensuellen Problembearbeitung des Netzausbaus zwischen Bund und Ländern beschrieben (Dietsche 2013: 53). Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass die Län- der bis 2013 keiner Kompetenzübertragung zugestimmt hatten. Die abschließende Übertra- gung der Kompetenzen für die Raumordnung und Planfeststellung erfolgte erst bei einem „Energiegipfel“ zwischen den Ministerpräsidenten der Länder und Vertretern des Kanzler- amts. In dessen Folge akzeptierten die Länder die weitreichende Übertragung der Planungs- hoheit im Rahmen der Planfeststellungszuweisungsverordnung (Münch 2013: 41; Heimann

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2015: 229). Die Zustimmung im Bundesrat der Länder erscheint einerseits als eine freiwillige „Entmachtung“ (Flick 2013: 55). Andererseits war der Netzausbau teilweise ein eher unbelieb- ter Kompetenzbereich der Länder, auch weil damit zumeist Konflikte in den Genehmigungs- verfahren verbunden sind (Itv-BMWi-2). Zusätzlich war der Netzausbau nicht zur Profilierung von Parteien und Regierungen geeignet. In der Konsequenz wurde mit dem Inkrafttreten des NABeG ein zentralisierter, halbstaatlicher und planerisch geprägter Wirtschaftsbereich etab- liert, in dessen Folge Strukturen und Prozesse des Übertragungsnetzausbaus teilweise von ei- ner dezentralen politisch-parlamentarischen Gestaltung in eine zentrale administrativ-regula- torische Planung überführt wurden. Entsprechend verdrängt die Governance-Form Hierarchie ausgehend von der BNentzA endgültig den politischen Wettbewerb aus der Konfiguration des Governance-Systems und überlagert letztlich die Governance-Form Verhandlungen (Durner 2012: 371; Münch 2013: 42). In diesem Zusammenhang verdeutlicht der Verfahrensablauf einerseits den reduzierten poli- tischen Wettbewerb und hebt andererseits die Bedeutung der Governance-Form Hierarchie für das Governance-System der Energieverteilung hervor. Nach der Zustimmung der Länder, Kompetenzen des Netzausbaus einzelner Trassenverläufe auf eine Bundesbehörde zu verla- gern, lässt sich dieser Verfahrensablauf in drei übergeordnete Abschnitte untergliedern: (1) die Bedarfsplanung, (2) die Bundesfachplanung und (3) die Planfeststellung (Kemmerzell 2021; Heimann 2015: 231ff.; Hirschfeld/Heidrich 2013: 96). Zu Beginn des Verfahrensablaufs steht die Bedarfsplanung, in der die energiewirtschaftliche Notwendigkeit einer neuen Trasse festgestellt wird. Die Bedarfsplanung, als erster Abschnitt der Netzplanung, umfasst die Erstellung des Szenariorahmens, des Netzentwicklungsplans so- wie des Bundesbedarfsplanungsgesetzes. Die Bundesnetzagentur besitzt bereits seit 2012 die Kompetenz zur Genehmigung des Szenariorahmens der Übertragungsnetzbetreiber und er- stellt darauf aufbauend den Netzentwicklungsplan, der von den vier Übertragungsnetzbetrei- bern alle zwei Jahre anzufertigen ist. Hierfür haben die Übertragungsnetzbetreiber Arbeits- gruppen gebildet, die in einem dauerhaften Prozess zusammenarbeiten, um einen gemein- schaftlichen Netzentwicklungsplan zu erstellen. „Das ist ein rollierender Prozess […] und im Grunde sind die durchgehend mit der Netz- planung beschäftigt. Im Grunde ist das ein kontinuierliches Geschäft und dafür sind auch Mitarbeiter abgestellt, die die Netzplanung machen“ (Itv-BMWi-2).

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Aufbauend auf dem genehmigten Netzentwicklungsplan der Übertragungsnetzbetreiber wird schließlich das Bedarfsplanungsgesetz erlassen, in dem Anfangs- und Endpunkte von Netzaus- bauvorhaben gelistet werden (Heimann 2015: 235). In einem zweiten Schritt des Verfahrensablaufs gliedert sich im Anschluss an die Bedarfspla- nung die Bundesfachplanung im Fall von gekennzeichneten grenzüberschreitenden und län- derübergreifenden Netzausbauvorhaben. In allen anderen Fällen des Netzausbaus verbleibt die Zuständigkeit bei den Ländern, sodass das Raumordnungsverfahren durch die Landesbe- hörden folgt (Heimann 2015: 238). Schließlich wird in einem letzten Schritt, der Planfeststellung, der genaue Trassenverlauf fest- gelegt. Dieser wird von der BNetzA im Rahmen der Planfeststellungszuweisungsverordnung für alle bundesfachgeplanten Netzausbauten hinsichtlich des Bundesbedarfsplanungsgeset- zes durchgeführt. Für alle anderen Vorhaben, die nicht als länderübergreifend oder grenz- überschreitend gekennzeichnet sind, ist nach wie vor das Planfeststellungsverfahren der Län- der anzuwenden. Unabhängig von der Zuständigkeit endet die Planfeststellung in einem Plan- feststellungsbeschluss, in dem die konkrete Trasse festgelegt und als zulässiges Vorhaben er- lassen wird (Heimann 2015: 243). Da die Bundesnetzagentur in diesem sequenziellen Planungsprozess für die Genehmigung des Szenariorahmens der Übertragungsnetzbetreiber sowie für den Netzentwicklungsplan verant- wortlich ist und darüber hinaus Planungskompetenzen der Höchstspannungsnetze verantwor- tet, ist die BNetzA zu dem zentralen Akteur der Planung, Steuerung und Koordination des Netzausbaus in Deutschland herangewachsen (Fink/Koch 2016: 278). In der Folge ist das Governance-System maßgeblich von der Bundesnetzagentur geprägt, in der die Governance- Form Hierarchie dominiert und Verhandlungen mit den Übertragungsnetzbetreibern einge- bettet wurden (Kemmerzell 2021). Die ehemals dominante Governance-Form Verhandlungen in der Ausprägung von Zwangsver- handlungen zwischen der Bundes- und Landesebene sind hingegen in die Governance-Form informeller Netzwerke übergegangen. Denn die BNetzA ist keine isolierte Organisation, son- dern wird durch einen Beirat, einen wissenschaftlichen Arbeitskreis, einen Bundesfachpla- nungsbeirat sowie einen Länderausschuss unterstützt. Weil die Länder nicht nur Statisten des Übertragungsnetzausbaus sind (Reimer 2015: 88f.), sondern maßgeblich im Rahmen dieser

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neuen Netzwerke einbezogen werden, ist die Arbeit der Bundesnetzagentur durch eine „ad- ministrative Politikverflechtung“ (Benz 2019) unter Ausschluss der Governance-Form des po- litischen Wettbewerbs gekennzeichnet. Im Länderausschuss werden Abstimmungen zwischen den Regulierern auf Landesebene und der Bundesnetzagentur ermöglicht, in denen die Landesregulierungsbehörden Stellungnah- men einholen können und ein einheitlicher Vollzug sichergestellt wird. Der Bundesfachpla- nungsbeirat stellt hingegen einen übergreifenden Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwi- schen den Ländern sowie zwischen der Bundesnetzagentur und Ländervertretern dar und ist ein gesetzlich verankertes Gremium (Heimann 2015: 246f.). Dabei wird der Bundesfachpla- nungsbeirat sowohl von der Bundesnetzagentur als auch von den Ländern bevorzugt genutzt, um die jeweiligen Interessen vorzubringen (Itv-BMWi-2). Gegenstände des Austausches sind Beratungen zur Netzplanung und Planfeststellung im Rahmen der Übertragungsnetze. Ziel des kontinuierlichen Austausches ist eine frühzeitige Einbindung der Länder in die Bundesfachpla- nung, um anschließende Probleme der Raumordnung der Länder zu vermeiden. Im Beirat fin- det ebenfalls ein Austausch zwischen Bund und Ländern statt. Dies wird insbesondere mit Blick auf dessen 32 Mitglieder erkennbar, die zur Hälfte vom Bundesrat und zur anderen vom Bun- destag vorgeschlagen werden. Zusätzlich wird die BNetzA von einem wissenschaftlichen Ar- beitskreis beraten, der rechtliche, ökonomische und technische Aspekte der regulierungspo- litischen Bedeutung der BNetzA untersucht und in regelmäßigen Stellungnahmen veröffent- licht. Aufgrund dieser zahlreichen Gremien entlang der Aufgabenbereiche der Regulierungsbe- hörde ist die BNetzA in zahlreiche Kooperationen eingebunden, wodurch abseits der zentralen Entscheidungskompetenz Governance-Formen im „Schatten der Hierarchie“ etabliert wurden (Benz 2019). Gleichwohl sind diese neuen Netzwerkstrukturen bei der Konfiguration des Governance-Systems nicht gleichberechtigt, sondern werden von der Governance-Form Hie- rarchie überlagert und eingebettet. Darüber hinaus vertritt die Bundesnetzagentur deutsche Interessen der Netzentwicklung bei der „Agency for Cooperation of Energy Regulators“ (ACER) auf europäischer Ebene. Dabei wird die supranationale Netzplanung vorzugsweise vom Verband der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) erarbeitet. Die 43 Übertragungsnetzbetreiber aus mittlerweile 36 EU- sowie auch Drittstaaten koordinieren in diesem Rahmen den gemeinsamen Stromaustausch und erstellen

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dafür alle zwei Jahre eine Zehnjahresplanung (TYNDP), in der notwendige Projekte der Netz- verstärkung, Stromspeicher sowie anstehende Netzausbauten für die zukünftige Ausgestal- tung des Stromhandels in Europa benannt werden (Itv-BNetzA).

Abbildung 24: Stromimporte und -exporte in Terrawattstunden

80 60 40

20 Importe 0 1990 1995 2000 2005 2010 2015 -20 Exporte -40 -60 -80 -100

(Quelle: BMWi 2018a: 17; BMWi/AGEE-Stat 2017)

Der Stromaustausch mit angrenzenden Nachbarstaaten ist für Deutschland von zentraler Be- deutung, weil Deutschland nach einer mehr oder weniger ausgeglichenen Bilanz seit 2012 ver- stärkt Strom exportiert. 2016 fiel die Stromeinfuhr auf 28,3 Terrawattstunden, während im selben Jahr 78,9 Terrawattstunden in angrenzende Nachbarstaaten exportiert wurden. Das wachsende Ausmaß des in Deutschland bereitgestellten Stroms, der ins Ausland expor- tiert wurde, wurde auch deshalb notwendig, weil der rasante Ausbau der erneuerbaren Ener- gien aufgrund fehlender Netzkapazitäten nicht in die südlichen Lastgebiete übertragen wer- den konnte, wodurch Stromflüsse in Nachbarstaaten notwendig wurden, um Netzengpässe und damit verbundene Redispatchkosten zu reduzieren. Die fehlenden Netzkapazitäten wer- den im Hinblick auf die Stromhandelspartner Deutschlands zusätzlich verstärkt. Denn wäh- rend die Stromimporte neben atomarem Strom aus Frankreich insbesondere aus den nördli- chen Staaten Dänemark und den skandinavischen Ländern kommen, fließen die Exporte in die Niederlande sowie in die südlichen Staaten Luxemburg, Schweiz und Österreich. Da hierfür in der Vergangenheit insbesondere auf das polnische sowie tschechische Übertragungsnetz zu- rückgegriffen wurde, um die gehandelten Stromvolumina zu übertragen, legte Polen Be- schwerde bei der ACER ein, und auch aus Tschechien wurde zunehmender Unmut über die genutzten Übertragungsnetzkapazitäten geäußert (Graf/Irschik 2016).

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Entsprechend ist der Koordinationsbedarf auf europäischer Ebene gestiegen, sodass das Ma- nagement des Ausbaus der Übertragungsnetze in Deutschland an Bedeutung im Rahmen der Zehnjahresplanung (TYNDP) gewonnen hat, obgleich die Planungen des TYNDP rechtlich un- verbindlich sind und hinsichtlich der Konfiguration des Governance-Systems der Energiever- teilung bisher nur eine untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr werden die supranationalen Strukturen genutzt, um eigene Interessen und Erfahrungen im Rahmen der Energietransfor- mation zu vermitteln (Itv-BnetzA). Zusammenfassend hat der Übertragungsnetzausbau im Rahmen der Energietransformation in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, weil der Ausbau der volatilen erneuerba- ren Energien in zunehmendem Ausmaß die bestehende Netzinfrastruktur belastet. Um den Ausbau der Übertragungsnetze sowie die als Höchstspannungsnetze deklarierten Leitungen zu beschleunigen, wurde das auf Verhandlungen beruhende Governance-System zu großen Teilen auf Bundesebene zentralisiert und Zuständigkeiten an die BNetzA abgegeben. Entspre- chend hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates weitreichende Kompeten- zen zur Planung des Netzausbaus auf die Bundesnetzagentur und damit eine Behörde im Zu- ständigkeitsbereich des Wirtschaftsministeriums übertragen (Heimann 2015: 225ff.). Mit der Kompetenzübertragung wurde die Governance-Form Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern entflochten. An die Stelle von Bund-Länder-Verhandlungen sind neu entstandene Netzwerke getreten. Diese sind eingebettet in die Governance-Form Hierarchie und stellen lediglich den Informationsaustausch sicher. In der Folge zog dies administrativ geprägte Netz- werke zwischen unterschiedlich gelagerten Behörden nach sich, welche an die Stelle der ehe- mals prägenden Bund-Länder-Verhandlungen im Governance-System der Energieverteilung getreten sind und den Informationsaustausch auch weiterhin aufrechterhalten. Bei der Abstimmung der Bundesnetzagentur mit den Übertragungsnetzbetreibern, die letzt- lich nicht nur die Szenarioplanung im Rahmen des Netzentwicklungsplans, sondern auch den abschließenden Bau der Übertragungsnetze umsetzten, bestehen hingegen Verhandlungen im „Schatten der Hierarchie“. Gleichwohl haben auch hier Netzwerke Einzug in die Konfigura- tion des Governance-Systems zum Ausbau der Übertragungsnetze gefunden, die im Rahmen der Energiewendeplattformen etabliert wurden und im Vergleich zu den weiteren Plattfor- men im Rahmen der Energietransformation auch Vertrauen bereitstellen konnten. Auch wenn

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die Bedeutung der Plattformen mittlerweile zurückgegangen ist, konnten in der Vergangen- heit zentrale Gesetze zur Beschleunigung des Netzausbaus in der Plattform Energienetze vor- bereitet werden. Dies zeigt abschließend, dass die Konfiguration des Governance-Systems der Energievertei- lung neben der dominanten Governance-Form Hierarchie auch durch neue Netzwerke sowie Verhandlungen mit den Übertragungsnetzbetreibern gekennzeichnet ist. Zu beachten ist je- doch, dass die beiden Governance-Formen Netzwerke und Verhandlungen von der Gover- nance-Form Hierarchie überlagert und eingebettet werden.

5.2.3. Energienutzung Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs wurden bereits kurz nach der ersten Öl- krise von zahlreichen europäischen Staaten ergriffen, in deren Folge auch die „Internationale Energie Agentur“ (IEA) als autonome Organisationseinheit der „Organisation für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) in Paris gegründet wurde (vgl. Geller et al. 2006). Dabei kann prinzipiell zwischen politischen Maßnahmen und Programmen unterschieden wer- den, die auf eine Reduktion des Energiebedarfs in der Industrie und im Verkehr abzielen, so- wie jenen Instrumenten, die Bürger und private Haushalte im Gebäudesektor adressieren. Die Kompetenzen über Maßnahmen zur Reduktion des Strom- und Wärmeverbrauchs liegen in Deutschland sowohl beim Bund als auch bei den Ländern. Hierdurch ergibt sich ein vergleichs- weise stark fragmentiertes Governance-System zwischen den politisch-administrativen Ebe- nen, da bei den meisten Gesetzen im Handlungsfeld der Energieeffizienz entweder der Bund oder die Länder zuständig sind. Teilweise liegt aber auch eine gemeinsame Aufgabenwahr- nehmung zwischen dem Bundestag und dem Bundesrat vor, um Maßnahmen, Standards und Instrumente zu verabschieden, die auf eine Reduktion des Energiebedarfs zielen (Ringel 2016). Dabei unterscheidet sich allerdings die Art und Weise der kompetenzrechtlichen Beteiligung der Länder. Während die Gesetzgebungskompetenz zur Energieeffizienzpolitik zumeist im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung von der Bundesebene ausgeführt wird, sind die Länder nur dann zustimmungspflichtig im Rahmen des Bundesrats zu beteiligen, wenn infolge des Gesetzes in die Verwaltung oder Finanzen der Länder eingegriffen wird. Gleichwohl ist das Themenfeld der Energienutzung im Vergleich zu den bisher dargestellten Feldern der Energie- bereitstellung sowie dessen Übertragung insbesondere beim Gebäudesektor maßgeblich

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durch Verordnungen gekennzeichnet. Entsprechende Verordnungen konkretisieren die Ge- setzgebung zur Energieeffizienz und vereinheitlichen den Vollzug der Landesbehörden. Folg- lich kommt den Ländern bei der Konkretisierung zentraler Maßnahmen der Effizienzpolitik im Rahmen von Verordnungen eine Vetoposition zu, weil der Bundesrat zustimmungspflichtig zu beteiligen ist (Scheiner 2017: 285f.). Das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) ist eines der zentralen Gesetze zur Reduktion des Ener- gieverbrauchs im Gebäudesektor. Das EnEG hat eine lange Entwicklungsgeschichte und wurde nach der ersten Ölkrise in Deutschland 1976 verabschiedet. Ziel des EnEG war es zu diesem frühen Zeitpunkt, die Abhängigkeit von Ölimporten für den Gebäudesektor zu reduzieren, in dem weltweit etwa 50 Prozent an Treibhausgasen eingespart werden können. Dabei stellt das EnEG ein Ermächtigungsgesetz der Bundesregierung dar, auf dessen Grundlage Verordnungen zur Energieeffizienz erlassen werden können. Auch die anschließende Wärmeschutzverord- nung (WSVO), die bereits ein Jahr nach der EnEG 1977 verabschiedet wurde, sowie die Hei- zungsanlagenverordnung (HeizAnlVO) zu Beginn der 1990er-Jahre zielten auf eine Regulierung des maximalen Energiebedarfs im Wohnungsbau. Beide Verordnungen wurden schließlich im Rahmen der Energieeinsparungsverordnung (EnEV) erstmalig 2002 zusammengeführt und in regelmäßigen Abständen in den Jahren 2007, 2009 und letztmalig 2014 in gemeinsamen Ver- handlungen von Bund und Ländern novelliert (Wang et al. 2016: 29). Dabei wurden die Novellen maßgeblich von den europäischen Richtlinien zur Gesamtenergie- effizienz von Gebäuden getrieben. Das 2008 erlassene Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) wurde hingegen im Vorgriff auf die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU 2009 verabschiedet. Während mit dem EnEG in Kombination mit der EnEV die Gebäudeeffizienz gesteigert werden sollte, diente das EEWärmeG dem Einsatz erneuerbarer Energien im Ge- bäudebereich. Gemeinsam stellten beide Instrumente jene Maßnahmen dar, welche bis 2050 den Energieverbrauch im Gebäudesektor um 80 Prozent reduzieren sollten (BMWi 2014). Die Länder setzten sich bereits seit 2014 für eine verstärkte Angleichung der unterschiedlichen Instrumente und Gesetze ein, da sich die Regelungen im Rahmen des EnEG, EnEV und EEWär- meG teilweise überschneiden. Angestrebt wird seither eine Bündelung des Rechts durch ein einheitliches Gebäudeenergiegesetz (GEG). Wenngleich das Wirtschaftsministerium gemein- sam mit dem Umweltministerium über eine Vereinheitlichung verhandelte, konnte die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD in der Legislaturperiode bis 2017 kein vereinheitlichtes Gesetz

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verabschieden, sodass seit dem Jahr 2016 nur ein Referentenentwurf vorliegt. Somit schei- terte das GEG bisher weniger aufgrund von Bund-Länder-Verhandlungen, sondern vielmehr im Rahmen des politischen Wettbewerbs an der Blockadehaltung seitens der CDU/CSU-Frak- tion, die durch den angestrebten Standard für öffentliche Gebäude im Referentenentwurf des GEG unwirtschaftliche Mehrkosten befürchtete. Aus diesem Grund überreichten acht füh- rende Parlamentarier aus der CDU/CSU-Fraktion dem Bundeskanzleramt ein Bedenklichkeits- schreiben, mit der Bitte, die geplante Verabschiedung des Gesetzentwurfs im Kabinett von der Tagesordnung zu nehmen: „Grundsätzlich unterstützen wir das Vorhaben der Bundesregie- rung, die rechtlichen Anforderungen an die energetischen Eigenschaften von Gebäuden im Rahmen des geplanten Gebäudeenergie-Gesetzes (GEG) zusammenzuführen. Wir wollen aber, dass dabei das politische Ziel des bezahlbaren Bauens und Wohnens auch künftig ge- währleistet wird […]. Dem läuft der vorliegende Entwurf des GEG zuwider, den BMWi und BMUB am 15. Februar 2017 im Kabinett zu verabschieden gedenken. Wir bitten daher, von einer Kabinettsbefassung bereits in der nächsten Woche abzusehen und das Vorhaben zu- nächst zum Gegenstand von Gesprächen zwischen Bundesregierung und Fraktion zu machen“ (CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag 2017). Im Ergebnis ist das GEG bisher blockiert, weil die Verbindung der Governance-Formen des politischen Wettbewerbs einerseits und der interministeriellen Verhandlungen andererseits zum Eingriffsverzicht führten und eine inno- vative Gesetzgebung verhinderten. Auch wenn bisher kein einheitliches Gebäudeenergiegesetz in Deutschland verabschiedet werden konnte, wurde im Zeitraum von 1990 bis 2016 der Energieverbrauch um etwa zehn Prozent reduziert. Der differenzierte Blick auf den energetischen Endverbrauch der Sektoren zeigt, dass der Rückgang des Energieverbrauchs nicht im Gebäudesektor, sondern im Beson- deren im Industrie- und Dienstleistungssektor realisiert wurde (Abbildung 25). Zu beachten ist jedoch, dass die rückläufige Entwicklung des Energieverbrauchs im Industrie- sektor vor allem durch Modernisierungen von Industriebetrieben nach der deutschen Einheit in den neuen Bundesländern erreicht wurde und abermals im Rahmen der internationalen Banken- und Finanzkrise durch Produktions- und Absatzeinbußen rückläufig war. Diese histo- rischen externen Ereignisse in Form der Wiedervereinigung und der Finanzkrise in den vergan- genen Jahren sind auch in allen anderen Sektoren mehr oder weniger stark ausgeprägt vorzu- finden. Entsprechend ist der rückläufige Energieverbrauch im Industriesektor weniger auf in- tendierte politische Steuerung zurückzuführen als vielmehr auf Marktdynamiken, ausgelöst

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durch externe Schocks. Die Regulierung der Energiepreise für Industriebetriebe durch Steuern und Abgaben haben hingegen nur einen vergleichsweise geringen Einfluss auf die Implemen- tierung von Energieeffizienz europäischer Unternehmen und entfalten nur im Hinblick auf energieintensive Industriezweige eine signifikante Steuerungsfunktion (Garrone et al. 2017: 56).

Abbildung 25: Sektoraler Energie-Endverbrauch in Petajoule

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0 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016

Industrie Verkehr Private Haushalte Dienstleistungen

(Quelle: BMWi 2017)

Diese Einschätzung bestätigt sich auch mit Blick auf die Instrumente zur Steigerung der Ener- gieeffizienz in der Industrie, die mit Ausnahme der Ökodesign-/Labeling- Richtlinie und ihrer nationalen Umsetzung im Rahmen des Energieverbrauchsrelevante-Pro- dukte-Gesetzes (EVPG) sowie der Energieverbrauchshöchstwerteverordnung (EnVHV) von re- gulativer Politik Abstand nimmt (Wang et al. 2016: 43f.). Der Verzicht auf regulative Politik gegenüber Industriebetrieben hat in Deutschland eine lange Tradition (Horbach et al. 2012: 117). Dies gilt insbesondere für umweltpolitische Maßnahmen, die zumeist nicht mittels hierarchischen Zwangs, sondern in Verhandlungen zwischen Indust- rievertretern im „Schatten der Hierarchie“ vereinbart und als freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen und Industriezweigen unterzeichnet werden. Dennoch ist der Erfolg von freiwilligen Selbstverpflichtungen umstritten, da mit dem Verzicht regulativer Politik zumeist eine Verwässerung politisch intendierter Ziele einhergeht (vgl. Rennings et al. 1997). Dies trifft insbesondere für freiwillige Selbstverpflichtungen zu, in der die Governance-Form der Hierar- chie nur schwach im Rahmen der Konfiguration des Governance-Systems ausgeprägt ist.

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Verhandlungen im Schatten der Hierarchie zwischen Akteuren des Staatswesens und der In- dustrie prägen jedoch nicht nur das Querschnittsfeld der Umweltpolitik im Allgemeinen, son- dern auch das Handlungsfeld der Energieeffizienz im Besonderen. Bereits vor der Jahrtausend- wende verpflichteten sich zahlreiche Industriebetriebe, die Automobilwirtschaft sowie Ener- gieunternehmen, freiwillig ihre Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2005 zu reduzie- ren. Im Gegenzug gewährte der Staat zinsgünstige Darlehen für Energieeffizienzmaßnahmen und begrenzte die Energiesteuern für produzierende Betriebe (Geller et al. 2006: 565). Anstelle einer staatlichen Regulierung des Energieverbrauchs der Industrie auf der Grundlage von Zwang wird angenommen, dass sich der Industrie- und Wirtschaftssektor in einem öko- nomischen Wettbewerb befindet und dadurch eigenständige Effizienzmaßnahmen evoziert, um auch zukünftig konkurrenzfähig zu bleiben. Eine Annahme, die sich teilweise auch mit Blick auf Effizienzmaßnahmen für Bürger und Verbraucher zeigt, welche durch die Energiever- brauchskennzeichnungsverordnung (EnVKV) die notwendigen Informationen erhalten sollen, um beim Kauf neuer Haushaltsgeräte energiesparende Endgeräte zu präferieren (Itv-SUE). Die Selbststeuerung des Industriesektors bei der Governance-Form des ökonomischen Wett- bewerbs wird vom Bundeswirtschaftsministerium durch Anreize zum Aufbau von Unterneh- mensnetzwerken unterstützt, um Lern- und Adaptionsprozesse zwischen den Betrieben zu forcieren. Durch den vertrauensvollen Austausch in Netzwerken zwischen Unternehmen wie auch Industriebetrieben sollen die Transaktionskosten zur Implementation neuer Techniken reduziert werden (Blesl/Kessler 2013: 330). Während Großunternehmen das „LEEN-Stan- dard“-Programm zur Verfügung steht, können kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) auf das „Mari:e-Standard“ zurückgreifen. Bei der Governance-Form Netzwerke sollen einerseits Best-Practice-Beispiele verbreitet und Erfahrungen ausgetauscht werden. Anderer- seits haben die Unternehmensnetzwerke eine beratende Funktion bezugnehmend auf die seit 2015 verbindlich eingeführten Energieaudits und Energiemanagementsysteme (vgl. Dütschke et al. 2018). Neben der Industrie ist insbesondere der Verkehrssektor jener Bereich mit einem erheblichen Energieverbrauch in Deutschland (Kemmerzell/Knodt 2020: 358). Mit etwa einem Viertel des Endenergieverbrauchs belastet der Verkehrssektor erheblich die Energienachfrage und ver- antwortet darüber hinaus mit circa einem Fünftel der Emissionen in folgenschwerem Umfang den Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland. Dabei entfallen auf den Straßenverkehr zwei Drittel der Emissionen des gesamten Verkehrssektors (Gössling/Metzler 2017; Acatech 2010:

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10). Hervorzuheben ist, dass der Verkehrssektor eng mit der Automobilbranche verflochten ist, die direkt oder indirekt fünf bis sieben Millionen Arbeitsplätze in Deutschland sicherstellt. Aufgrund seines zentralen Stellenwerts und der langen Tradition der Mobilitätsbranche für die deutsche Wirtschaftspolitik sind neo-korporatistische Interessenstrukturen etabliert wor- den. Diese Netzwerke zwischen den Stakeholdern der Mobilitätsbranche und Politik prägen die Konfiguration des Governance-Systems bis heute (Truffer et al. 2017: 40). Um die verkehrsbedingten Emissionen zu reduzieren, soll die Energienutzung im Verkehrssek- tor zukünftig elektrifiziert werden. Um dieses Ziel gemeinsam mit der Automobilitätsindustrie zu verfolgen, initiierte die Bundesregierung bereits 2008 eine Konferenz, aus der ein Jahr spä- ter der „Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität“ hervorging (Mazur et al. 2015: 92). In der Folge wurden gemeinsame Gremien und Kooperationsplattformen eingerichtet, die sich der Verbreitung der Elektromobilität in Deutschland zuwendeten. Die Federführung der Elekt- romobilität ist sowohl beim Verkehrsministerium, beim Umweltministerium als auch beim Wirtschaftsministerium angesiedelt. Unter der Leitung des Verkehrs- und Wirtschaftsministe- riums wurde Anfang 2010 die Gemeinsame Geschäftsstelle Elektromobilität (GGEMO) einge- richtet. Die GGEMO hat – neben ihrer ressortübergreifenden Koordinationsaufgabe – auch Sekretariatsfunktionen hinsichtlich der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE). Die NPE wurde wenige Monate nach der Einrichtung der GGEMO gegründet. Neben öffentlich-staatli- chen Akteuren und wissenschaftlichen Akteuren sind in der NPE insbesondere Branchenak- teure aus der Wirtschaft vertreten. Organisatorisch setzt sich die NPE aus einem Lenkungs- kreis und sechs themenspezifischen Arbeitsgruppen zusammen. Ziel der Bundesregierung ist es, durch eine übergreifende Zusammenarbeit den deutschen Automobilstandort als Leit- markt für Elektromobilität aufzubauen und damit die Positionierung der Automobilwirtschaft im globalen Wettbewerb zu stärken. Zu diesem Zweck unterbreitet die NPE Vorschläge zur zukünftigen Ausgestaltung der Elektromobilität und veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Zwischenberichte zum aktuellen Stand der Elektromobilität in Deutschland (Klein 2013: 233f.). Aufgrund der Dominanz des ökonomischen Wettbewerbs für die Regulierung des Verkehrs- sektors in Deutschland wird die hierarchische Governance-Form fast vollständig zurückge- drängt beziehungsweise im Sinne des „Agency capture“ vereinnahmt. Im April 2012 startete auf Empfehlung der NPE die Einführung von Schaufensterregionen in Deutschland, um der Elektromobilität vor Ort zum Durchbruch zu verhelfen. Bereits im Som- mer 2009 starteten vergleichbare Modellregionen in Deutschland mit kleinteiligen Projekten

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zur Etablierung der Elektromobilität. Weil die insgesamt einhundertachtzig Projekte in ihrer Wirkung hinter den Erwartungen zurückblieben, sollten Schaufensterregionen die innovative Elektromobilität demonstrieren. Anstelle einer Vielzahl kleinräumiger Projekte wurden im Rahmen der Schaufensterregionen nur vier regionale Pilotvorhaben bewilligt und drei Jahre lang gefördert (Canzler/Wittowsky 2016: 148; Dudenhöffer 2013: 14). Zur weiteren Förderung der Elektromobilität ist auf Initiative des Verkehrs- und Umweltminis- teriums das Gesetz zur Bevorrechtigung der Verwendung elektrisch betriebener Fahrzeuge (EmoG) im Sommer 2015 in Kraft getreten. Das EmoG dient weniger der Forschung und Ent- wicklung, sondern setzt Anreize für Nutzer von elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Bereits zu- vor befreite die Bundesregierung Elektroautos von der Kfz-Steuer, um Verbraucher zum Kauf von elektrisch betriebenen Kraftfahrzeugen zu animieren. Das Elektromobilitätsgesetz ermög- lichte Städten und Kommunen, Privilegien im Straßenverkehr für Elektroautos einzuführen. Durch die Möglichkeit, selbstständig Änderungen in der Straßenverkehrsordnung durchzufüh- ren, können Kommunen Parkplätze für Elektroautos reservieren, kostenloses Parken für Elekt- roautos anbieten, Zufahrtsbeschränkungen für Elektroautos aufheben oder Busspuren für Elektroautos freigeben (vgl. Groer 2016). Dennoch zeigte der Monitoringbericht der Bundesregierung 2014, dass das angestrebte Ziel im Handlungsfeld der Energienutzung voraussichtlich verfehlt werden wird, weil zu diesem Zeitpunkt erst eine Reduktion von circa achteinhalb Prozent des Primärenergiebedarfs und viereinhalb Prozent des Bruttostromverbrauchs erreicht wurden (BMWi 2015: 4). Um die Re- duzierung des Energieverbrauchs verstärkt zu forcieren, wurde der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) noch im Jahr 2014 verabschiedet, welcher zahlreiche Sofortmaßnah- men zur Maximierung der Energieeffizienz enthielt (vgl. BMWi 2014: 6). Koordiniert wurden die Sofortmaßnahmen des NAPE im Rahmen der neu eingerichteten Platt- form Energieeffizienz auf Bundesebene. Diese Plattform des Bundeswirtschaftsministeriums sollte den Dialog mit Wirtschaft und Gesellschaft bezüglich energieeffizienter Maßnahmen in- tensivieren (Ringel 2016). Auf der Energiewendeplattform Energieeffizienz werden Stakehol- der gebündelt, die über die kontinuierliche Beratung geeigneter Instrumente zur Reduktion des Energieverbrauchs diskutieren sowie den Konsultationsprozess zum Grünbuch Energieef- fizienz begleiten. Dabei stellen das Grünbuch Energieeffizienz (BMWi 2017a) sowie das sich anschließende Weißbuch die Grundlage einer noch ausstehenden ersten Energieeffizienzstra- tegie für Deutschland dar:

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„Das Weißbuch Energieeffizienz, das ist jetzt praktisch der Entwurf der Effizienzstrate- gie […]. Und die Effizienzstrategie ist dann das Endprodukt, was die Dinge soweit auf den Punkt bringt, wie die Bundesregierung sagt: Das beschließen wir und das packen wir jetzt an und das sind die neuen Instrumente und Maßnahmen, die wir auf den Weg bringen […]. Die Effizienzstrategie soll das Endprodukt sein, von einem Prozess, den wir mit dem Grünbuch eingeleitet haben“ (Itv-BMWi-1). Während die Deutsche Energieagentur „dena“ die Geschäftsstelle der Plattform Energieeffizi- enz bereitstellt und die Arbeit wissenschaftlich begleitet, stammen deren Mitglieder aus Ver- bänden, Gewerkschaften, Energieagenturen sowie aus Bundes- und den 16 zuständigen Län- derministerien. Insgesamt wurden im Rahmen der Treffen auf der Plattform Energieeffizienz zwischen 60 und 70 Teilnehmer integriert. Aufgrund der breiten Beteiligung unterschiedlicher Akteure zielte der Prozess der Zusammenarbeit weniger auf eine konsensuale Entscheidungs- findung, sondern vielmehr auf einen frühzeitigen Interessenaustausch zwischen den laufen- den Arbeiten des Ministeriums sowie den Anliegen beteiligter Akteure im Hinblick auf die zu- künftige Ausgestaltung adäquater Rahmenbedingungen ab (Itv-BMWi-1). Zusammenfassend zeichnet sich das Governance-System der Energieeffizienz durch das Feh- len eines klaren politischen Programms aus. Damit wirken ergriffene Maßnahmen und verab- schiedete Instrumente fragmentiert und kaum aufeinander abgestimmt. Im Gebäudesektor allerdings sind dafür weniger Bundländerverhandlungen verantwortlich als vielmehr die Ver- bindung der Governance-Formen des politischen Wettbewerbs mit interministeriellen Ver- handlungen. Die Verbindung von Konkurrenz infolge des Parteienwettbewerbs mit notwendi- gen Verhandlungen zwischen den verantwortlichen Ministerien konnte auch nicht durch die Etablierung von Netzwerkstrukturen im Rahmen der Energiewendeplattform überbrückt wer- den. Aufgrund zahlreicher Akteure mit unterschiedlichsten Interessen war die Interaktion im Zuge der Plattformtreffen nur durch eine geringe Dichte gekennzeichnet und generierte kaum Vertrauen. Folglich fehlen bisher ein umfassendes Energieeffizienzgesetz sowie ein einheitli- ches Gebäudeenergie-Gesetz, die das bestehende Mosaik an Gesetzen und Verordnungen ins- besondere im Gebäudesektor harmonisieren. Auch hinsichtlich des Industrie- und Dienstleistungssektors hat das Fehlen einer politischen Strategie Konsequenzen, da hier zu großen Teilen auf regulative Politik verzichtet und statt- dessen auf freiwillige Selbstverpflichtungen im „Schatten der Hierarchie“ zurückgegriffen wird. Gleichwohl ist die Governance-Form der Hierarchie dabei nur schwach ausgeprägt, weil

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der ökonomische Wettbewerb die Konfiguration des Governance-Systems bestimmt und kaum politische Gestaltungsspielräume ermöglicht. Es lässt sich schlussfolgern, dass die Konfiguration des Governance-Systems der Energienut- zung von der Governance-Form des Wettbewerbs dominiert wird. Dabei unterscheidet sich jedoch die Ausgestaltung des Wettbewerbs zwischen den Sektoren der Energienutzung. Wäh- rend im Rahmen des Gebäudesektors der politische Wettbewerb dominiert und teilweise mit der Governance-Form Verhandlungen verbunden ist, werden der Industriesektor sowie der Verkehrssektor vom ökonomischen Wettbewerb überlagert und betten die weiteren schwach ausgeprägten Governance-Formen Verhandlungen und Netzwerke ein.

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6. Die Governance der österreichischen Energietransformation

Das folgende Kapitel ist vor dem Hintergrund des vergleichenden Forschungsdesigns zweier Fallanalysen in zwei Abschnitte, die sich an der deutschen Fallbeschreibung orientieren, un- tergliedert. Somit werden zu Beginn die historischen Prägungen des österreichischen Energie- systems betrachtet. Danach werden die drei zentralen Handlungsfelder der Energiebereitstel- lung, -verteilung und -effizienz hinsichtlich ihres jeweiligen Governance-Systems analysiert. Zuvor soll jedoch das für Österreich spezifische Politikerbe im Vordergrund stehen, das die Governance der Energietransformation in Österreich bis heute maßgeblich prägt.

6.1. Das spezifische Politikerbe der Energiepolitik in Österreich Das österreichische Energiesystem zeichnet eine enge Beziehung zum Staat aus. Während des 20. Jahrhunderts war das Energiesystem in Österreich hauptsächlich charakterisiert durch Er- zeugerkraftwerke, die von der österreichischen Elektrizitätswirtschafts AG, regionalen Landes- gesellschaften und Sondergesellschaften betrieben wurden. Während die österreichische Elektrizitätswirtschafts AG sowie die Sondergesellschaften im heutigen VERBUND Konzern aufgegangen sind, befinden sich die Landesgesellschaften auch heute noch in den neun Bun- desländern (Veigl 2004: 30f.; Stickinger 2004: 166f.; Winker-Rieder 2006: 678). Mit der finanziellen Unterstützung aus den Geldern des Marshallplans begann nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der Um- und Wiederaufbau des Elektrizitätswesens in Österreich. Mit dem zweiten Verstaatlichungsgesetz aus dem Jahr 1947 und zum Schutz der Energiewirt- schaft wurden Kraftwerke in Österreich mit einer Erzeugungskapazität von bis zu 200 Kilowatt in die öffentliche Hand überführt. In den Nachkriegsjahren und bis in die achtziger Jahre hinein wurde in Österreich die Wasserkraft massiv ausgebaut. Entlang der Flüsse und insbesondere der Donau wurden Laufkraftwerke errichtet und im alpinen Raum Wasserspeicherkraftwerke gebaut. Die Dominanz der Wasserkraft ist auch heute noch prägend für den Energiemix in Österreich (Wagner et al. 2015). Weil die topografischen Bedingungen zur Nutzung der Was- serkraft insbesondere im Westen und Süden Österreichs gegeben waren, musste der Energie- bedarf im Osten der Republik anderweitig durch Wärmekraftwerke sichergestellt werden. Diese topografisch bedingte Fragmentierung von Energieerzeugungsanlagen setzte sich auch mit Blick auf Technologien zur Nutzung der erneuerbaren Energien fort. Dies wird im Speziel- len bei den Windkraftwerken in Österreich ersichtlich, die vorzugsweise im Osten an der Grenze zur Slowakei, Ungarn und Slowenien errichtet wurden. Im alpinen Raum des Westens

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der Republik Österreich ist hingegen die Nutzung der Windkraft stark eingeschränkt und Prog- nosen folgend besteht kaum Potenzial zum effizienten Betrieb leistungsfähiger Windturbinen (Höltinger et al. 2016: 55). Bis 1958 zählte Österreich zu den ölexportierenden Ländern, obgleich die Verwaltung der Öl- produktion von der Sowjetunion in den Nachkriegsjahren begleitet wurde (Frank 1982: 249). Entsprechend traf die erste Ölkrise 1973 Österreich vergleichsweise hart und hatte eine stra- tegische Anpassung zur Folge, in der die Bedeutung konventioneller Energieressourcen für den nationalen Energiebedarf reduziert werden sollte (Glatz 1986: 76). Aus diesem Grund trat Österreich 1974 der Internationalen Energieagentur (IEA) bei. Wie auch andere Staaten ver- folgte Österreich damit das Ziel, die Abhängigkeit von der zentralen Ressource Öl für das Ener- giesystem zu reduzieren (vgl. Maull/Mild 1986). Nach diesem einschlägigen Ereignis für die österreichische Energiepolitik bildete sich der noch heute existierende Energiebeirat für grundsätzliche Angelegenheiten der Energiepolitik heraus. Der Energiebeirat wurde zuerst „Beirat für Fragen des Energiesparens“ und später „Beirat für sinnvolle Energieanwendungen“ genannt, bis er schließlich kurz nach der Jahrtausendwende im Rahmen des Ökostromgeset- zes im verankerten Energiebeirat aufging. Mit der Gründung des Energiebeirates wurden die österreichischen Sozialpartner zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt in formale und institutionelle Strukturen der österreichi- schen Energiepolitik integriert (Frank 1982: 260). Dabei haben die Sozialpartner Österreichs in Form der Arbeiterkammer (AK), der Wirtschaftskammer (WKO), des Gewerkschaftsbunds (ÖGB) sowie der Landwirtschaftskammer (LK) eine besondere Bedeutung im Rahmen des Ge- setzgebungsprozesses. Die vier Sozialpartner bringen im Zuge des Begutachtungsprozesses Stellungnahmen zu Gesetzesinitiativen ein, bevor der Gesetzentwurf im Parlament diskutiert und bearbeitet wird. Gleichwohl liegt die Blütezeit der sozialpartnerschaftlichen Teilhabe, wie sie insbesondere in der Wirtschafts- und Sozialpolitik gehandhabt wurde, lange Zeit zurück (Armingeon 2017: 306). Während sich in den Nachkriegsjahren die Sozialpartnerschaft in Ös- terreich bei der konzertierten Mitwirkung staatlicher Politik etablierte, erreichte diese Mitte der sechziger bis in die achtziger Jahre hinein ihre Hochphase und wurde zum Lehrbuchbei- spiel der vergleichenden Korporatismusforschung (vgl. Lehmbruch 1985). Das gemeinsame Ziel der etablierten Akteure in der Energiewirtschaft und -politik war in die- ser Zeit, die Energiebereitstellung zu diversifizieren, die Energieabhängigkeit zu reduzieren so- wie geringe Energiepreise für Haushalte und die heimische Industrie zu ermöglichen, indem

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die Angebotsseite der Energieversorgung maximiert werden sollte (Winkler-Rieder 2006: 676ff.). Weil diese strategische Ausrichtung in der Energie- und insbesondere Elektrizitätspo- litik von beiden Volksparteien SPÖ und ÖVP, den Sozialpartnern, der Industrie und Elektrizi- tätswirtschaft sowie Banken und Baufirmen weitgehend unterstützt und akzeptiert wurde, wird das Paradigma der österreichischen Energiepolitik bis in die achtziger Jahre hinein auch als „Wachstumskonsens“ bezeichnet (Kok 1991). Mit der Volksabstimmung zum Verzicht der nuklearen Energienutzung 1978 sowie der aufkei- menden antikapitalistischen Umweltbewegungen zu Beginn der achtziger Jahre wurde der vorherrschende Wachstumskonsens in der Energiepolitik jedoch langsam aufgebrochen. In Österreich vollzog sich dieser Paradigmenwechsel beginnend mit Bürgerprotesten gegen Atomenergie und weitete sich schnell auf den Bau großer Elektrizitätskraftwerke aus (Kok/Schaller 1986). Recht früh bildete sich in Österreich eine Antiatombewegung heraus, die sich direkt gegen die Inbetriebnahme des bereits errichteten Atomkraftwerks in Zwentendorf richtete. Mit dem Referendum von 1978 entschied die österreichische Bevölkerung schließlich mit knapper Mehrheit, die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf zu unterbinden (Bayer 2014). Seither setzt sich Österreich gegenüber seinen Nachbarstaaten sowie auf europäischer Ebene gegen die Nutzung der Kernenergie ein und ist einer der wenigen europäischen Staaten, in denen der Betrieb von Kernkraftwerken verfassungsrechtlich untersagt ist. Die Ablehnung der Atomenergie wurde in Österreich zuletzt im Zuge des Reaktorunglücks in Fukushima präsent. Darauffolgend wurde der Atomstromgipfel für ein atomstromfreies Österreich initiiert, in des- sen Rahmen sich die Elektrizitätswirtschaft bereit erklärte, freiwillige Herkunftsnachweise an die Verbraucher weiterzugeben (Rihs 2012: 71). Weil sich die neuen Bewegungen bestehend aus Atomkraftkritikern, Umweltaktivisten und antikapitalistischen Strömungen gegen die Nutzung der Atomenergie auf weitere Teilbereiche des Energiesystems ausdehnten, geriet zunehmend auch die großtechnische Elektrizitätsbe- reitstellung durch Wasserkraftwerke in die Kritik. Nachdem die Kernenergie in Zwentendorf verhindert werden konnte, folgte 1984 die Besetzung der Hainburger Au mit dem Ziel, die Waldrodung im Zuge des Baus eines großtechnischen Wasserkraftwerks in Niederösterreich an der Donau zu verhindern. Bereits zwei Jahre zuvor erzeugten der WWF mit der Kampagne „Rettet die Auen“ sowie das Engagement der Krone-Zeitung eine breite Berichterstattung, die den gesellschaftspolitischen Protest öffentlichkeitswirksam kommunizierte. Schließlich

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schlossen sich 20 lokale Bürgerinitiativen und Umweltschutzorganisationen zur „Aktionsge- meinschaft gegen das Kraftwerk Hainburg“ zusammen, wodurch die Planungen zum Bau des Wasserkraftwerks Hainburg zum Symbol einer verfehlten Energiepolitik in Österreich heran- wuchs. „Sowohl für Hainburg als auch für Zwentendorf gilt, dass die etablierten Akteure ihre rechtsstaatliche Handlungslogik nicht mehr durchsetzen konnten und ihr Verhalten in beiden Fällen mit einem erheblichen Legitimationsverlust bezahlen mussten“ (Kok/Schaller 1986: 67). Die Folgen dieses Legitimationsverlustes der etablierten Akteure in der Energiepolitik spiegeln sich auch im Energiekonzept von 1984 wider. Hier wurden erstmals die heute noch bestehen- den energiepolitischen Normen der „Umweltverträglichkeit“ sowie jene der „sozialen Akzep- tanz“ aufgenommen und als Zielkriterien der österreichischen Energiepolitik festgehalten (Kok/Schaller 1986: 70). Zusätzlich wurde der Wachstumskonsens der Energiepolitik durch Teilprivatisierungen staats- naher Unternehmen und Dienstleistungen 1987 zurückgedrängt, auch wenn hierbei weniger der Umweltschutz als vielmehr die Refinanzierung Österreichs Energieunternehmen im Vor- dergrund stand. Weil jedoch die staatliche Kontrolle von kritischen Infrastrukturen und staats- nahen Unternehmen nicht gänzlich privatwirtschaftlichen Interessen unterworfen werden sollte, wurde im Rahmen des Gesetzes zur Teilprivatisierung ein „50+1-Prinzip“ zwischen SPÖ und ÖVP ausgehandelt und im Teilprivatisierungsgesetz verankert. Diese mehrheitliche Betei- ligung des Staates an Unternehmen der Energie- und Elektrizitätswirtschaft hat bis heute seine Gültigkeit (Sickinger 2004: 172f.; Perschy 2012: 6). Ersichtlich wird dies mit Blick auf die Un- ternehmensbeteiligungen und Verflechtungen der öffentlichen Hand an den neun Landesge- sellschaften, der staatlichen Beteiligung am VERBUND Konzern sowie am international agie- renden Öl- und Gasunternehmen OMV (vgl. Korom 2012). Mit dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 und der damit verbundenen Marktöffnung in Bereichen der Daseinsvorsorge (Post, Telekommunikation, Bahn, Energiewirtschaft) wurde die vorherrschende Akteurskonstellation der Energiepolitik neben national agierenden Um- weltbewegungen, privatwirtschaftlichen Interessen und nun auch von europäischen Regulie- rungsvorgaben unter Druck gesetzt. Dabei fanden die Verhandlungen zum EG-Beitritt Öster- reichs bereits ab 1992 statt. In die intensiven Beitrittsverhandlungen, die vom Bundeskanzler- amt sowie vom Außenministerium geführt wurden, waren neben betroffenen Ressorts auch die Sozialpartner eingebunden. Obgleich Österreich auf die Ausgestaltung der europäischen

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Energiemarktliberalisierung und insbesondere auf die Regulierung im Rahmen der Elektrizi- tätsbinnenmarktrichtlinie 1996 keinen Einfluss hatte, muss doch davon ausgegangen werden, dass sich die zentralen Akteure der Energie- und Elektrizitätswirtschaft über den bevorstehen- den Wettbewerb im Energiesektor durch den Beitritt zur EU bewusst waren. So ist es kaum überraschend, dass Österreich im Rahmen der traditionell großen Koalition anfänglich nur die europäischen Mindestvorgaben zur Liberalisierung des Strommarktes umsetzen wollte (Si- ckinger 2004:175ff.). Erst mit dem Ausscheiden der SPÖ aus der Regierung im Zuge der ersten rechts-konservativen Regierung unter Wolfgang Schüssel ab 1999 wurde die Liberalisierung des Energie- und Elektrizitätssektors stark fokussiert, sodass Österreich heute neben Großbri- tannien zu den Vorreitern eines liberalisierten Energiebinnenmarktes gezählt werden kann (Haberfellner et al. 2002; vgl. Schmidt 2011). Zentraler Bestandteil der Liberalisierung des Energiebinnenmarktes war die Einrichtung einer Regulierungsbehörde, welche den erwünschten Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt im Hinblick auf europäische Rahmenbedingungen regulieren und überwachen sollte. In Öster- reich wurde zu diesem Zweck die E-Control im März 2001 gegründet und zehn Jahre später im Rahmen des Energie-Control-Gesetzes von der Rechtsform der GmbH in eine Anstalt des öf- fentlichen Rechts umgewandelt. Dabei betonte die Regulierungsbehörde ihre Unabhängigkeit von energiepolitischen Zuständigkeiten und verstand sich als energiewirtschaftlicher Akteur in Österreichs Energiesystem: „Wir sind ein Regulator entsprechend der europäischen Gesetzgebung und der europäi- schen Rahmenbedingungen. Wir sind also absolut unabhängig und weisungsfrei, was un- sere Entscheidungen und Verfahren betrifft“ (Itv-EC). Mit der Gründung der E-Control wurde der österreichische Energiebeirat um den Regulie- rungsbeirat ergänzt, dessen Aufgaben im Wesentlichen die Verteilung von Strom und Gas be- trifft, während sich mit der Jahrtausendwende die Arbeiten im Energiebeirat verstärkt dem Thema des Energiemix sowie der Förderung erneuerbarer Energien zuwendete (Itv-EC). Gleichwohl ist der Energiebeirat zu einem maßgeblichen Gremium in der Energiepolitik her- angewachsen, in dem zu wesentlichen Teilen die Abstimmung zwischen Bundes- und Länder- interessen formalisiert wird und der heute in konsensueller Entscheidungsfindung maßgeblich am Handlungsfeld der Bereitstellung erneuerbarer Energien mitwirkt (Itv-BMNT).

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Eine weitere Ergänzung formalisierter Beteiligung im österreichischen Energiesystem wurde mit dem Energielenkungsbeirat etabliert, der gleich dem Energiebeirat das Wirtschaftsminis- terium in energiepolitischen Angelegenheiten berät. Die Aufgaben des Energielenkungsbei- rats liegen vor allem in den Bereichen versorgungstechnischer Fragen, wie sie im Rahmen der Energiesicherheit diskutiert werden (Itv-BMNT). Während der Energielenkungsbeirat dem Wirtschaftsministerium zur Seite steht, wurde mit dem Sicherheitsrat ein vergleichbares Gre- mium geschaffen, in dem ebenfalls die Länder beteiligt sind und dessen Federführung Öster- reichs Übertragungsnetzbetreiber APG innehat (Itv-TL). Demzufolge ist das Energiesystem in Österreich heute im Wesentlichen durch drei eingeübte Netzwerke gekennzeichnet, die Einfluss auf politische Entscheidungen im Rahmen der ener- giepolitischen Handlungsfelder der Energiebereitstellung, dessen Verteilung sowie der Netz- effizienz gewähren. Dennoch verfügen diese Netzwerke nicht über die Möglichkeit, Entschei- dungen abschließend zu blockieren. Vertreten sind in allen drei Gremien die traditionellen Akteure des österreichischen Korporatismus bestehend aus den vier Sozialpartnern im Rah- men der Kammergesetzgebung. Darüber hinaus sind Ländervertreter und mittlerweile auch Verbände und Interessensvertretungen sowie NGOs außerhalb der Kammergesetzgebung in die Energiepolitik integriert worden. Interessanterweise zeigt sich im Bereich der Energiepoli- tik in Österreich jedoch, dass die für gewöhnlich diametral entgegengesetzten Interessen im Rahmen der Lohn- und Preisfindung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen in allen drei Gremien eine ähnliche Position einnehmen, indem sie versuchen, die Energiekosten mög- lichst gering zu halten: „Arbeitgeber und Arbeitnehmer gehen eigentlich Hand in Hand. Also das ist eigentlich eine interessante Konstellation, die in wenigen anderen Fällen so ist, dass Arbeiter- kammer und Wirtschaftskammer also wirklich Hand in Hand gehen und die gleiche Po- sition vertreten“ (Itv-BMWFW-1). In der Folge vertreten die Arbeiterkammer, der Gewerkschaftsbund sowie die Industriellen- vereinigung (IV) das gemeinsame Interesse geringer Energie- und Strompreise. Eine Sonder- stellung innerhalb der Sozialpartner nimmt die Landwirtschaftskammer ein, die hauptsächlich die Interessen der Biomassebetreiber sowie des energetischen Rohstoffes Holz vertritt. Wurde das sozialpartnerschaftliche Prinzip noch bis in die Mitte der 2000er-Jahre in Öster- reichs Energiesystem zurückgedrängt, kennzeichnen die vergangenen zehn Jahre eine allmäh- liche Wiederbelebung der korporatistischen Entscheidungsstrukturen in der Energie- und

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Klimapolitik Österreichs (Brand/Pawloff 2014). Die heutigen korporatistischen Entscheidungs- strukturen unterscheiden sich jedoch vom etablierten Korporatismus aus der Zeit des ehema- ligen „Wachstumskonsens“, weil neue Akteure und Interessen aus den Bereichen Umwelt- schutz sowie erneuerbare Energien hinzugetreten sind (Armingeon 2017: 307). Zu nennen sind hierbei das „Ökobüro“, das eine Allianz von 16 Umweltorganisationen darstellt, sowie der Dachverband „Erneuerbare Energien Österreich“ (EEÖ), in dem neun zentrale Interessenver- tretungen der unterschiedlichen erneuerbaren Technologien zusammengeschlossen sind. Wie auch die Industriellenvereinigung verfügen das Ökobüro und der EEÖ mittlerweile über ein Stimmrecht im Energiebeirat, obgleich ihre interne Differenziertheit eine kohärente Position erschwert (Itv-BMNT).

6.2. Handlungsfelder der Energietransformation Zur Vergleichbarkeit orientiert sich auch die Darstellung Österreichs an den drei zentralen Handlungsfeldern der Energiepolitik. Dabei wird die Energiepolitik in Österreich von zahlrei- chen Rechtskompetenzen gerahmt, in dessen Abhängigkeit die Ausgestaltung der Gover- nance-Form Verhandlungen zwischen Landes- und Bundesebene variiert. Diese kompetenz- rechtliche Zersplitterung im Elektrizitätswesen trägt aus juristischer Perspektive einerseits zu einer relativen Unübersichtlichkeit und andererseits zu häufigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern bei, um die Zuständigkeiten abschließend zu regeln (Itv-INÖ). Infolge dieser Bund-Länder-Verhandlungen sind zahlreiche Entscheidungen in der Energiepolitik Österreichs mit einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat konfrontiert, wodurch sich die Energiepolitik maßgeblich von politischen Entscheidungen in der Klimapolitik abgrenzt, in deren Rahmen Entscheidungen zumeist mit einfachen Mehrheiten verabschiedet werden können (Itv-BML- FUW). Hinsichtlich der Einbindung und Abstimmung mit weiteren Akteuren zeichnet sich Österreich durch einen traditionell ausgeprägten Korporatismus aus. Gleichwohl wurde die historisch ge- wachsene korporatistische Einbindung der österreichischen Sozialpartner, ähnlich zu Deutsch- land, im Rahmen der Transformation des Energiesystems herausgefordert und um weitere Akteure ergänzt. Entsprechend analysieren die nachfolgenden Abschnitte die Konfiguration des Governance-Systems der Energiepolitik entlang der Handlungsfelder der Erneuerbare- Energien-Bereitstellung, der Verteilung des bereitgestellten Stroms sowie dessen effiziente Nutzung.

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6.2.1. Energiebereitstellung Die Kompetenzen zur Bereitstellung elektrischer Energie sind in Österreich zwischen der Bun- des- und Landesebene geteilt. Rechtlich liegt der Elektrizitätsbereitstellung die Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung nach Artikel 12 der Bundesverfassung zugrunde, welche mit der ehemaligen Rahmengesetzgebung in Deutschland vergleichbar ist (Bußjäger 2016b: 811). Im Rahmen der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung erlässt der Bund generelle Leitlinien, die von den Ländern im Detail auszuführen und umzusetzen sind. Daneben existieren Verfas- sungsbestimmungen10, die einzelne Kompetenzen in der Energiebereitstellung in den alleini- gen Kompetenzbereich des Bundes verlagern (Itv-INÖ). Damit war die Konfiguration des Governance-Systems im Handlungsfeld der erneuerbaren Energiebereitstellung lange Zeit durch eine Kombination aus Hierarchie und Wettbewerb geprägt. Während der Bund die Län- der einerseits in einen rechtlichen Rahmen zwang, konkurrierten die Länder andererseits um die beste Art und Weise, diesen Rahmen auszufüllen. Wie nachfolgend gezeigt wird, hat sich im Verlauf der Energietransformation diese ehemalige Konfiguration des Governance-Systems zur Förderung der erneuerbaren Energien gewandelt und an Komplexität zugenommen. Eine erste Förderung der Erneuerbare-Energien-Bereitstellung folgte in Österreich 1994 und ging von der Bundesebene aus. Erstmals wurden für erneuerbare Energien Tarife verabschie- det, die den marktüblichen Verbundtarif (65 Groschen) in den ersten drei Betriebsjahren ver- doppelten. Zusätzlich wurden Investitionen in die Errichtung von Windkraftanlagen mit bis zu 30 Prozent der Kosten vom Umweltministerium gefördert. Allerdings waren die erhöhten Ta- rifregelungen für erneuerbare Energien auf Anlagen begrenzt, die bis 1996 errichtet wurden, sodass mit dem letzten Jahr der Tarifregelung ein sprunghafter Anstieg des Zubaus einherging. Während in den Jahren zuvor nur vereinzelt Windkraftanlagen, wie etwa die erste Anlage Ös- terreichs in Wagram/Donau oder das erste Bürgerwindrad 1995 in Michelbach, errichtet wor- den waren, gingen 1996 circa 30 Windkraftanalagen ans Netz, um noch von den erhöhten Einspeisetarifen zu profitieren. Nachdem die erhöhte Vergütung für erneuerbare Energien zum Jahresende 1996 ausgelaufen war und sich abgesehen von vereinzelten Initiativen weni- ger Bundesländer keine Anschlussfinanzierung abgezeichnet hatte, ging der Ausbau der Wind- kraft in den Folgejahren wieder zurück (Itv-IGW).

10 Als Synonym kann hier auch der Begriff der Kompetenzdeckungsklausel verwendet werden.

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Tiefgreifende Änderungen im Energiesystem Österreichs sowie die damit einhergehende Im- plementierung der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie sollten sich erst mit dem Regierungsbe- schluss zum Beitritt in die Europäische Gemeinschaft (EG) 1989 ergeben. Die Elektrizitätsbin- nenmarktrichtlinie wurde in Österreich 1998 im Rahmen des Elektrizitätswirtschafts- und Or- ganisationsgesetzes (ElWOG 1998) in nationales Recht umgesetzt. Mit der Neuorganisation der Energiepolitik im Allgemeinen und der Elektrizitätswirtschaft im Besonderen setzte das ElWOG erstmals einen Zielwert für erneuerbare Energien fest,11 der bis zum Jahr 2005 auf drei Prozent gesteigert werden sollte. Um den Ausbau zu gewährleisten, wurden erhöhte Einspei- setarife im Rahmen der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung festgelegt, deren Höhe nicht bundeseinheitlich geregelt war, sondern von den einzelnen Landeshauptleuten auf Lan- desebene festgelegt wurde. In der Folge differierten die Vergütungssätze zwischen den Bun- desländern teilweise erheblich. Im Rahmen des Energieliberalisierungsgesetzes (ELG 2000) wurden die Landeshauptleute angehalten, die Tarife für erneuerbare Energien an den durch- schnittlichen Kosten der Erneuerbare-Energien-Bereitstellung zu bemessen. Dennoch blieb vorerst eine bundeseinheitliche Regelung aus. Nach der Jahrtausendwende adaptierte Österreich in grundlegender Übereinstimmung das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus Deutschland zur Steuerung des weiteren Ausbaus der er- neuerbaren Energien. Weil jedoch die großskalige Wasserkraftbereitstellung nicht Teil der Förderpraxis im Rahmen des Ausbaus erneuerbarer Energien werden sollte, wurde mit dem „Ökostromgesetz“ (ÖSG) eine begriffliche Präzisierung vorgenommen, die der Norm der Um- weltverträglichkeit im Rahmen der energiestrategischen Ausrichtung Österreichs geschuldet ist. Das ÖSG basiert, ähnlich wie das EEG, auf einer preisorientierten Anreizstruktur und ist seit dem Jahr 2002 das zentrale Instrument zur Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien in Österreich. Weil die österreichischen Bundesländer seit der Jahrtausendwende eine ein- heitliche Förderpolitik der Erneuerbaren anstrebten, um die Kosteneffizienz der Förderpolitik zu maximieren und die Länder sich auch nicht einer zentralen Regulierungsbehörde verschlie- ßen wollten, hat der Bundesrat klar definierte Kompetenzen an die Bundesebene übertragen

11 Davon ausgenommen war die Strombereitstellung durch Wasserkraftwerke, die aufgrund ihrer langjährigen Nutzung und Tradition in Ös- terreich nicht Bestandteil des Zielwerts war und auch bis heute nicht im Rahmen der Förderung erneuerbarer Energien berücksichtigt wird.

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(Haberfellner et al. 2002: 22). Festgelegt wurden die Sonderregelungen zugunsten der Bun- desebene durch eine Verfassungsbestimmung nach Artikel 15a Bundesverfassung (vgl. Stöger 2015; vgl. Stöger 2017). Dem ersten Ökostromgesetz 2002 (ÖSG 2002) liegt folglich eine Kompetenzdeckungsklausel beziehungsweise Verfassungsvereinbarung zugrunde, die im Rahmen von Verhandlungen aus- gearbeitet wurde und erstmals eine bundeseinheitliche Regelung über die Förderhöhe Erneu- erbare-Energien-Anlagen ermöglichte. Dies war notwendig, weil die Bundesverfassung die Förderung von Ökostrom nicht aufführte, wodurch die Kompetenzen neuer Themenbereiche auf Länderebene entfielen. Bis zum Inkrafttreten des Ökostromgesetzes erfolgte die Einspei- sung der erneuerbaren Energien im Rahmen des Elektrizitätswirtschafts- und -organisations- gesetzes (ElWOG 1998), wobei die Länder beziehungsweise Landeshauptleute durch Verord- nung die Höhe der Tarife bestimmten. Mit der Verabschiedung des Ökostromgesetzes in Rich- tung einer bundeseinheitlichen Regelung erhielten die Betreiber in der gesamten Republik Ös- terreich garantierte Vergütungssätze über eine Laufzeit von 13 Jahren (Rihs 2012). Da die Länder nicht freiwillig auf ihre Kompetenzen in der Förderung erneuerbarer Energien verzichten wollten, bedurfte es zur Novellierung des ÖSG einer Zweidrittelmehrheit im Natio- nalrat, wie es in der Verfassungsbestimmung auf Wunsch der Länder festgeschrieben wurde. Die Notwendigkeit einer Zweidrittelmehrheit bedingt entsprechend dem österreichischen Parteiensystem zumeist die Einbindung mindestens einer Oppositionspartei (Stöger 2015: 191f.) – eine Regelung, die teils langjährige Verhandlungen zwischen den Parteien in den ver- gangenen Jahren nach sich zog. Damit verschiebt sich die Konfiguration des Governance-Sys- tems. War diese bis zum Ökostromgesetz von den verbundenen Governance-Formen Hierar- chie und Wettbewerb dominiert, werden mit der gesetzlichen Neujustierung zur Förderung der erneuerbaren Energien die Governance-Formen Verhandlungen und Parteienwettbewerb etabliert. Dennoch zeigen die Abstimmungsergebnisse im Rahmen des Parteienwettbewerbs letztlich eine parteiübergreifende Zustimmung im Nationalrat. Dies wird insbesondere im Rah- men der vergangenen Novelle 2017 deutlich, die im überparteilichen Konsens verabschiedet wurde (Stöger 2017). Allerdings ist diese parteiübergreifende Zustimmung im Rahmen der Ökostromgesetzgebung ein langer und zeitaufwendiger Einigungsprozess zwischen den konkurrierenden Parteien. Be- reits im Jahr 2004 hatte die Bundesregierung eine große Novelle des Ökostromgesetzes vor- gelegt. Aufgrund von fehlender Zustimmung seitens der Opposition im Nationalrat zog sich

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die Novellierung bis Mai 2006 hinaus (Stöger 2015: 199). Bedeutende Neuerung des ÖSG 2006 war die Einführung einer zentralen Agentur zur Steuerung des Ausbaus erneuerbarer Ener- gien, die in Form der „Ökostromabwicklungsstelle“ (OeMAG) geschaffen wurde. Unter der Aufsicht des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums und des Rechnungshofs wurde der OeMAG die Konzession zur Abwicklung förderwürdiger Erzeugeranlagen im Rahmen des ÖSG erteilt, deren Höhe das Bundeswirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Umweltmi- nisterium definierte. Unterstützt wurde das federführende Wirtschaftsministerium bei der Festsetzung der Vergütungspreise durch Empfehlungen seitens der Regulierungsbehörde E-Control. „Also es ist im Ökostromgesetz definiert, dass wir Expertise abliefern müssen bezie- hungsweise Daten sammeln und auswerten müssen. Das ist im Gesetz und das machen wir auch in Form von Berichten an das Wirtschaftsministerium. Gleichzeitig gibt es auch Gutachten, gerade was die Einspeisetarife betrifft, das ist nicht gesetzlich veran- kert, also nicht direkt verankert […], dass wir jährlich für das Wirtschaftsministerium entsprechende Gutachten erstellen und die Einspeisetarife vorschlagen. Wohl ge- merkt, wir schlagen vor. […] Da kann sich das Ministerium und die jeweiligen Regie- rungs-Koalitionsparteien daran orientieren oder auch nicht“ (Itv-EC). Formal werden die Gutachten der E-Control dem Energiebeirat zur Verfügung gestellt, auch wenn der Auftraggeber auf der Grundlage des Ökostromgesetzes das Wirtschaftsministerium ist. Im Energiebeirat erfolgt im Anschluss die Konkretisierung der jährlichen Tarife, bevor die- ser letztlich im Konsens verabschiedet wird. Dabei muss der Energiebeirat nicht zustimmen, sondern formal nur bei legislativen Regelwerken gehört werden. Dies ist beispielsweise über die Einspeisetarifverordnung hinaus die Ökostromstatistikverordnung oder das Ökostromför- derbeitragsvolumen (Itv-BMNT). Die Verwaltung des Ökostromförderbeitragsvolumens ist Aufgabe der OeMAG. Hierfür steht der OeMAG ein jährliches Budget zur Verfügung, das seit dessen Inkrafttreten durch jährliche Zuwächse bis 2018 gekennzeichnet war (Abbildung 26). Bis zur Novelle 2006 konnten Anlagenbetreiber auf ein unbegrenztes Einspeisevolumen für neu in Betrieb genommene Anlagen zurückgreifen. Dies änderte sich im Rahmen der ersten Ökostromnovelle, die das Einspeisetarifvolumen auf prognostizierte Kontingente deckelte und die entsprechende jährliche Fördersumme begrenzte.

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Abbildung 26: Nettovergütung des Ökostroms durch die OeMAG in Euro

1.200.000.000 € Andere 1.000.000.000 € Photovoltaik 800.000.000 € Biogas 600.000.000 € Biomasse fest inkl. 400.000.000 € Abfall 200.000.000 € Windkraft

0 € Kleinwasserkraft 2013 2014 2015 2016 2017 2018

(Quelle: OeMAG 2013–2018)

Auf Ersuchen der Anlagenbetreiber schließt die OeMAG im Rahmen des Einspeisetarifvolu- mens Verträge ab, die die Abnahme bereitgestellten Stroms langfristig zu festgeschriebenen Einspeisetarifen garantieren. Im Anschluss verkauft die OeMAG den bereitgestellten Ökostrom an die Stromhändler zum Verrechnungspreis, der bis 2012 vom Bundesministerium festgelegt wurde. Heute verkauft die OeMAG den Ökostrom zum Börsenpreis (Day Ahead Spotmark-Stundenpreis) direkt an die Stromhändler (Itv-EC). Eine zweite Novellierung des Ökostromgesetzes trat 2009 in Kraft und passte die Einspeiseta- rife erneut an. Die Verhandlungen zwischen den konkurrierenden Parteien wurden dabei ins- besondere aufgrund von europäischen Vorgaben, eine gemeinsame Regelung zu finden, be- schleunigt. Obgleich die Novelle bereits 2008 verabschiedet wurde, dauerte die notwendige beihilferechtliche Genehmigung mit der Europäischen Kommission so lange an, dass sie erst im Folgejahr Anwendung fand. Angetrieben wurde die erneute Novellierung des ÖSG auf- grund der Anforderungen zur Implementierung des zuvor verabschiedeten europäischen Klima- und Energiepakets, in dem sich Österreich verpflichtete, bis 2010 einen Zielwert von 78,1 Prozent erneuerbare Energien (einschließlich der Großwasserkraft) bereitzustellen. Dar- über hinaus wurde für das Jahr 2015 ein Anteil von 15 Prozent Ökoenergie festgeschrieben sowie kapazitätsbezogene Zielwerte für den Ausbau erneuerbarer Erzeugeranlagen definiert. Demzufolge sollte die Wasserkraft auf 700 MW ausgebaut werden, wovon 350 MW auf kleine und mittlere Wasserkraftwerke entfallen sollten. Die Windkraft sollte ebenfalls auf 700 MW ausgebaut werden und für die Biomasse wurde ein Zielwert von 100 MW angestrebt. Das ÖSG 2012 stellte schließlich eine grundlegende Überarbeitung des Ökostromgesetzes in Österreich dar. Es wurde im Anschluss an die bereits diskutierte „Energiestrategie Österreich

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2020“ verabschiedet und trat am 01. Juli 2012 in Kraft. Ziel war es, den Ausbau Erneuerbare- Energie-Anlagen zu beschleunigen. Zu diesem Zweck wurde das Fördervolumen von 21 Milli- onen auf 50 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Mit der Einführung der OeMAG und der da- mit einhergehenden begrenzten Kontingente für den Bau von Ökostromanlagen hatten sich jedoch lange Wartelisten von Anlagenbetreiber gebildet, die auf eine Bewilligung der Ökostromabwicklungsstelle warteten. „Es gibt für jede Technologie für jedes Jahr ein gewisses Kontingent. Wenn dieses Kon- tingent ausgeschöpft ist, und des passiert meistens innerhalb von Stunden, dann kom- men sie auf eine Warteliste für das nächste Jahr. Wenn fürs Folgejahr der potenzielle Topf für die Technologie schon ausgeschöpft ist, geht’s jetzt wieder ins Folgejahr. Das hat man dann limitiert auf drei Jahre. Dies ist jetzt auf fünf Jahre verlängert worden“ (Itv-EC). Um die Warteliste zu verkleinern und den Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen, zählte die Einführung von Sonderkontingenten zu den Maßnahmen des ÖSG 2012. Im Rahmen dieses zusätzlichen Unterstützungsvolumens konnten wartende Anlagenbetreiber einen sofortigen Zuschlag zu reduzierten Einspeisetarifen beantragen (Itv-IGW). Aufgrund der Sonderkontin- gente konnte das Ausbauniveau der Erneuerbaren in einer innovativen Weise beschleunigt werden. Gleichzeitig bewirkte dieser Mechanismus eine Dämpfung der Kostendynamik, weil neue Anlagen im Rahmen der Sonderkontingente zu reduzierten Vergütungssätzen Strom be- reitstellten, wodurch marktreife und innovative Technologien belohnt wurden (vgl. Rihs 2012). Daneben wurden die Ausbauziele für Ökostrom für die Zieljahre 2015 bis 2020 erweitert. Der Ausbau der Kleinwasserkraft wurde auf 1000 MW angehoben. Die Windkraft sollte auf 2000 MW bis 2020 und Photovoltaik auf 500 MW bis 2015 und 1200 MW bis 2020 ausgebaut wer- den. Des Weiteren verdoppelte sich das bisherige Ausbauniveau der Biomasse sowie Biogas von den bereits zuvor festgelegten 100 MW bis 2015 auf 200 MW bis 2020. Um die Kostenbe- lastung des Ausbaus erneuerbarer Energien für den Endkunden zu reduzieren, wurden die Einspeisetarife für erneuerbare Energieanlagen reduziert. Dies hatte bezüglich der Photovol- taik drastische Kürzungen zur Folge (Abbildung 27).

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Abbildung 27: Einspeisetarife zur Förderung erneuerbarer Energien in Euro

0,70 € 0,60 € Kleinwasserkraft 0,50 € Photovoltaik 0,40 € 0,30 € Windkraft 0,20 € 0,10 € Biomasse 0,00 €

Biogas

2009 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

(Quelle: E-Control 2018a: 24f.)

Unterstützt wurden die Innovationen der Ökostromnovelle 2012 einerseits durch die Arbeiten im Energiebeirat sowie andererseits durch das Energienetzwerk zur Erstellung der Energie- strategie 2020, in dessen Anschluss und Einklang die Ökostromgesetzgebung ausgearbeitet wurde. Aufgrund dieser Netzwerke hat die Konfiguration des Governance-Systems an Kom- plexität gewonnen, weil neben den verbundenen Governance-Formen Verhandlungen und Parteienwettbewerb zusätzlich Netzwerke getreten sind. Aufgrund des Vertrauen generieren- den Mechanismus der Netzwerke konnte jedoch die Governance-Strategie der negativen Ko- ordination durch die weit innovativere Strategie der positiven Koordination gewandelt wer- den, weil eine übergreifende Strategie gemeinsam erarbeitet und im Konsens verabschiedet wurde. Die Ökostromnovelle 2017 unterscheidet sich nur geringfügig von der grundlegenden Überar- beitung des Ökostromgesetzes im Jahr 2012, da an den wesentlichen Förderinstrumenten keine Änderungen vorgenommen wurden. In der Folge wird die Novelle 2017 auch inoffiziell als „kleine Ökostromnovelle“ bezeichnet und unterlag nicht dem Notifikationsprozess der Eu- ropäischen Union zur beihilferechtlichen Genehmigung (Stöger 2017: 9). Um erneut die Warteliste zu verkleinern, zählten zu den Maßnahmen des ÖSG 2017 abermals technologiespezifische Sonderkontingente, wie sie bereits mit der Ökostromnovelle 2012 ver- abschiedet wurden. Die Erhöhung der Fördermittel ist auf die Kompetenzdeckungsklausel und die damit einhergehende Notwendigkeit, im parlamentarischen Prozess über eine Zweidrit- telmehrheit zu verfügen, zurückzuführen. „Die Grünen als Zweidrittelmehrheitsbeschaffer wollten den Abbau der Warteschlange für Wind, die SPÖ Hilfen für die KWK (in Wien) und die

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ÖVP solche für Biogasbauern. Das – schließlich einstimmig erzielte – Ergebnis ist, das es deut- lich mehr Geld gibt“ (Stöger 2017: 8). Zudem wurden Förderzuschüsse für die Solarenergie in Kombination mit dezentralen Spei- chertechnologien forciert, die insbesondere die Energiewende im urbanen Raum verstärkt adressierten und der Photovoltaik- und Solarindustrie deutliche Zuwächse ermöglichen soll- ten (Itv-BMNT). Zusammenfassend geht die Energiebereitstellung in Österreich vom strategischen Ziel aus, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 auf 34 Prozent am Bruttoendenergieverbrauch auszubauen. Zentrales Instrument ist hierfür das Ökostromgesetz. Das ÖSG ist ein preisbasier- tes Anreizinstrument, das in der Vergangenheit durch zahlreiche Novellen gekennzeichnet war. Dabei ist die Novellierung des ÖSG aufgrund der Verfassungsbestimmung zwischen Bund und Ländern auf eine Zweidrittelmehrheit angewiesen, wodurch das Governance-System durch Verhandlungen sowie den Wettbewerb zwischen den Regierungsparteien und einer mehrheitsgebenden Oppositionspartei gekennzeichnet ist. Diese blockadeanfällige Konfigura- tion des Governance-Systems wird jedoch durch die Governance-Form Netzwerke teilweise versachlicht. Diese Versachlichung des parteipolitischen Wettbewerbs reduziert potenzielle Wertkonflikte im parlamentarischen Entscheidungsprozess und erleichtert die Verhandlungen zwischen den Parteien der Exekutive und Legislative. Diese Konfiguration des Governance-Systems zur Entscheidungsfindung im Rahmen der Be- reitstellung erneuerbarer Energien beschreibt Karl Stöger als „juristisches Austriacum“, aber „sachlich unklug“ (Stöger 2015: 207) – eine Einschätzung, die ohne Zweifel auf die Geschwin- digkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien zutrifft. Mit Blick auf die Gemeinschaftsaufgabe der „Energiewende“ erweist sich das „juristische Austriacum“ jedoch als durchaus praktikabel. Dabei verdeutlicht es ein typisches Phänomen der Konfliktregulierung im Regierungssystem Österreichs, das Gerhard Lehmbruch (1967) als „gütliches Einvernehmen“ bezeichnete. Damit ist die konsensorientierte Bearbeitung von Verteilungsproblemen gemeint. Aufgrund dieser komplexen Konfiguration aus den Governance-Formen des parteipolitischen Wettbewerbs, der Verhandlungen und der Netzwerke ist der Ausbau erneuerbarer Energien in Österreich heute durch eine relativ große Planbarkeit gekennzeichnet, die eine angemessene Kostenkon- trolle ermöglicht und somit auch die soziale Komponente beim Ausbau der erneuerbaren

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Energien berücksichtigt. Diese positive Performanz ist vor allem auf eingeübte Netzwerke zu- rückzuführen, deren vertrauensgenerierende Arbeitsweise die Governance-Strategie der po- sitiven Koordination ermöglicht.

6.2.2. Energieverteilung Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien sind auch die Anforderungen an die Übertra- gungsnetze gestiegen, weil die dezentrale Energiebereitstellung mit erneuerbaren Energien in Österreich zumeist abseits der urbanen Ballungsräume errichtet wurde. Damit steigt die Not- wendigkeit, den bereitgestellten Strom von topografisch geeigneten Gebieten der Strombe- reitstellung mittels der Übertragungsnetze zu den Verbrauchszentren zu überführen (Christi- ner 2017). Im Gegensatz zur Energiebereitstellung sind die Stromnetze sowie die Verteilung der Energie auch nach der Liberalisierung des Strommarktes in Österreich monopolisiert. Die Austrian Power Grid (APG) organisiert die Verteilung des Starkstroms und dessen Durchleitung mittels der Übertragungsnetze, während die regionalen Verteilnetze von den ehemaligen Landesge- sellschaften betrieben werden. Dabei liegen die Kompetenzen des Netzausbaus und Wege- rechts auf bundesstaatlicher Ebene, sobald die Planungen des Leitungsbaus mehr als ein Bun- desland durchqueren. Begrenzt sich der Netzausbau auf ein Bundesland, verbleiben auch die Kompetenzen des Netzausbaus bei den Ländern. Aus diesem Grund existieren in Österreich neun Landesgesetze zum Netzausbau sowie ein Bundesgesetz, die sich allerdings in ihrer Aus- gestaltung nur wenig unterscheiden (Itv-BMWFW-2). In diesem Sinne ist die Kompetenzver- teilung bei Aus- und Nacharbeiten des Stromnetzes seit den sechziger Jahren kaum verändert worden (Bußjäger 2016a: 538f.; Hauer 2004: 71). Dennoch wurde im Rahmen des Energie-Infrastrukturgesetzes (E-InfrastrukturG) diskutiert, Kompetenzen des Bewilligungsverfahrens aus den Landesbehörden auf die Bundesebene zu zentralisieren. Angetrieben durch die europäische Verordnung „Leitlinien für die transeuro- päische Energieinfrastruktur“, sollte der Genehmigungsprozess für Energieinfrastrukturpro- jekte effizienter gestaltet werden. Dabei standen den Mitgliedsstaaten drei Modelle zur Aus- wahl: das „integrierte Schema“, in dem die Zuständigkeit von einer zentralen Behörde wahr- genommen wird, ein Mittelweg in Form des „koordinierten Schemas“, bei dem im Rahmen einer zentralen Behörde die Koordination der Bewilligungsverfahren angesiedelt ist, die aber

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im Fall von Fristversäumnissen der zu koordinierenden Behörden selbst Entscheidungskom- petenzen übernimmt. Letztlich verankerte Österreich mit dem E-InfrastrukturG nur das „Ko- operationsschema“, in dem der neu geschaffenen Infrastrukturbehörde im Wirtschaftsminis- terium nur eine Mediations- und Kooperationsfunktion zukommt, ohne dass damit Entschei- dungskompetenzen im Bewilligungsprozess verbunden sind (Heitzmann 2016: 31). Eine Kom- petenzübertragung, wie dies von der großen Koalition angestrebt wurde, hätte einer verfas- sungsändernden Mehrheit bedurft, über die die Regierungskoalition nicht verfügte. Der Ver- such, mit der Oppositionspartei Die Grünen eine Zweidrittelmehrheit zu erzielen, scheiterte letztlich, weil es bei der Governance-Form des parteipolitischen Wettbewerbs und in Anbe- tracht der bestehenden Konkurrenz zwischen den Akteuren nicht gelungen war, ein für alle Seiten tragbares Tauschgeschäft zu verhandeln. In der Folge sind die Landesbehörden auch weiterhin im Rahmen des Bewilligungsprozesses von Netzausbauprojekten für die UVP-Prü- fung zuständig. Die Energie-Infrastrukturbehörde ist lediglich als mitwirkende Behörde einzu- binden und kann im Fall von grenzüberschreitenden Bauvorhaben zwischen den einzelnen UVP-Behörden der Länder koordinierend und moderierend wirken. Hinsichtlich der aktuellen Netzplanungen wird ersichtlich, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen im Bereich der Ener- gienetze die Regel sind, wodurch die Länderadministrationen eine bedeutende Stellung beim Netzausbau in Österreich einnehmen (Itv-BMWFW-2). Leitend für die Netzplanung ist in Österreich die Austrian Power Grid (APG), die sowohl im Bereich der Elektrizität als auch des Gassektors die langfristige Planung der Infrastruktur im Rahmen des Netzentwicklungsplan (NEP) übernimmt. Heute ist die APG der einzige Übertra- gungsnetzbetreiber, in den die zuvor bestehenden Korridore der eigenständigen Netzbetrei- ber Vorarlberg und Tirol eingegliedert wurden. Damit wurde die Grundlage geschaffen, die im Zuge des dritten Energiepakets der Europäischen Union die Aufteilung der Unternehmensbe- reiche Energiebereitstellung und Verteilung (Unbundeling) vorsah. Im März 2012 wurde die APG schließlich als unabhängiger Übertragungsnetzbetreiber von der EU offiziell anerkannt und zertifiziert. Obgleich die APG eine 100-prozentige Tochter des teilprivatisierten Verbund- konzerns darstellt (vgl. Schmidt 2011). Mit der Novelle des Elektrizitäts- und Organisationsgesetzes 2010 wurde die APG verpflichtet, große infrastrukturelle Maßnahmen der Energieinfrastruktur über einen Zeitraum von zehn Jahren abzuschätzen und in die Planungen der Netzentwicklung zu integrieren. Darüber hin-

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aus sollten im NEP bereits beschlossene Projekte der kommenden drei Jahre detailliert aufge- führt werden. Im NEP vorgeschlagene Projekte und anstehende Maßnahmen müssen im An- schluss von Österreichs Regulierungsbehörde (E-Control) genehmigt werden. Mit der E-Con- trol wurde in Österreich bereits kurz nach der Jahrtausendwende eine Organisation gegrün- det, aus der die unabhängige Regulierungsbehörde einige Jahre später hervorging. Während sich Deutschland für den verhandelnden Netzzugang (nTPA) im Rahmen der europäischen Elektrizitätsmarktliberalisierung entschloss, hat Österreich den Weg des regulierten Netzzu- gangs (rTPA) gewählt. Beim regulierten Netzzugang werden die Tarife nicht individuell ausge- handelt, sondern von der Regulierungsbehörde festgeschrieben (vgl. Haberfellner et al. 2002). Zuvor wurden die Tarife für die Netznutzung durch das Preisregelungsgesetz von 1945 und später durch das Preisgesetz von 1976 erhoben, das zuletzt 1992 novelliert wurde. Mittels Verordnung erließ das zuständige Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten (BMwA) Netztarife für Lieferungen elektrischer Energie auf der Grundlage volkswirtschaftlich gerechtfertigter Preise. Mit der Verabschiedung des ElWOG 1998 ging in Österreich ein Sys- temwechsel in der Tarifierung der Netzpreise einher. Einerseits wurde das Preisgesetz in die Ausführungen des ElWOG integriert, andererseits wurde die Lieferung elektrischer Energie nicht länger auf der Grundlage volkswirtschaftlich gerechtfertigter Preise kalkuliert, sondern die Aufwände der Netznutzung im Sinne einer Kostenorientierung zur Berechnung anfallender Tarife herangezogen (Tschentscher 2009: 37). Im Rahmen der Elektrizitätsmarktliberalisierung sowie der Gründung der Regulierungsbe- hörde wurde die Zuständigkeit, Verordnungen zur Netznutzung zu erlassen, vom Wirtschafts- ministerium in den Aufgabenbereich der neu geschaffenen E-Control überführt, in dessen Folge die Kosten der Netznutzung deutlich zurückgingen. „Die von der Regulierungsbehörde vorgenommenen Tarifanpassungen führten zwischen 2001 und 2005 zu einem scharfen Ein- schnitt bei den Netztarifen in Form einer durchschnittlichen nominellen Reduktion von rund 20 Prozent“ (Tschentscher 2009: 39). Mit der Auslagerung der Verordnungskompetenz zur Netztarifierung an die Regulierungsbe- hörde beschränkten sich die Kompetenzen des Ministeriums auf die Einflussnahme im Rah- men der Tätigkeit der E-Control. Gemeinsame Absprachen sowie Koordinationsaufgaben wer- den seither im Regulierungsbeirat der E-Control bearbeitet. Der Regulierungsbeirat bearbeitet insbesondere die Themen der Tarifierung im Bereich der Netze, Netzstrukturplanung im Be- reich des NEP sowie das Meldewesen im Hinblick auf die Energieversorger. Dabei setzt sich

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der Regulierungsbeirat der E-Control aus einem Netzwerk bestehend aus Vertretern des Bun- desministeriums, der Länder sowie den Sozialpartnern und Interessensgruppen zusammen. Zusätzlich wurde auf nationaler Ebene 2012 im Rahmen des Energielenkungsgesetzes der Energielenkungsbeirat gegründet – ein Netzwerk, dem ebenfalls mehrere Ministerien und Par- lamentarier, die Länder und Sozialpartner, die nicht im Rahmen der Kammergesetzgebung ge- führten Interessenverbände Österreichs E-Wirtschaft, die Industriellenvereinigung sowie Ver- treter der Mineralölindustrie angehören. Darüber hinaus werden die Länder im Rahmen bau- licher Maßnahmen im Netzbereich über den Sicherheitsrat informiert, den die APG plant und dessen Mitglieder sie einberuft. „In den sogenannten Netzsicherheitsbeirat werden auch die Länder informiert, wenn bauliche Maßnahmen der APG geplant werden. Also der Sicherheitsrat wird nicht von der E-Control, sondern von der APG selbst einberufen“ (Itv-LT-7). Mit dem Regulierungsbeirat seitens der E-Control und dem Netzsicherheitsbeirat der APG wurde die Konfiguration des Governance-Systems um die Governance-Form Netzwerke im Handlungsfeld der Energieverteilung etabliert, in dem Generalisten aus dem öffentlichen wie privaten Sektor interagieren. Diese Netzwerke sind im Vergleich zum Energielenkungsbeirat nicht an das zuständige Bundesministerium gebunden. Vielmehr handeln Vertreter der Mini- sterien im Netzwerk des Regulierungsbeirats und Netzsicherheitsbeirats gleichberechtigt mit weiteren Akteuren im Rahmen der Energieübertragung. Ein zentraler Grund für die weitge- hende Auslagerung der Netzplanung sowie Stromübermittlung aus den Verwaltungsprozes- sen des Wirtschaftsministeriums ergibt sich aus den fehlenden technischen und fachlichen Kompetenzen. „Wir haben natürlich grundsätzlich die Möglichkeit uns zu äußern und da mitzuma- chen. Nur die Sache ist die, das klingt jetzt vielleicht ein wenig eigenartig, aber wir ha- ben einfach nicht das Knowhow zu wissen, was beziehungsweise wie der Netzausbau notwendig ist“ (Itv-BMWFW-2). Aufgrund der stark von technischem Wissen und Ingenieurskenntnissen abhängigen Hand- lungsfelder der Stromübertragung und Netzplanung geht dem Erarbeitungsprozess des ge- setzlich verpflichtenden NEP seit 2009 eine freiwillige Langfristigkeitsplanung der APG voraus. So wurde 2009 und 2013 im Rahmen eines temporären Netzwerks in Zusammenarbeit mit den Universitäten Wien und Graz sowie weiteren Forschungseinrichtungen und zivilgesell- schaftlichen Akteuren ein APG-Masterplan erarbeitet. Dieser hat einen Zeithorizont bis 2030

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für den Netzbedarf in Österreich und simuliert unterschiedliche Szenarien der Strombereit- stellung sowie des Netzausbaubedarfs (vgl. APG 2013). Im Vergleich zu den dauerhaft etab- lierten Netzwerken des Regulierungsbeirats seitens der E-Control und des Netzsicherheitsbe- irats der APG agieren im temporären Netzwerk zur langfristigen Netzplanung Spezialisten. Der APG-Masterplan stellte eine wissenschaftlich fundierte Perspektive über fast 20 Jahre be- reit, auf dessen Grundlage die österreichischen Interessen im Rahmen der supranationalen pan-europäischen Netzplanungen eingebracht und weiter konkretisiert werden konnten. Die Netzplanung auf europäischer Ebene wird von dem europäischen Verband „European Net- work of Transmission System Operators for Electricity“ (ENTSO-E) organisiert, dessen Mitglie- der die nationalen Übertragungsnetzbetreiber sind. Der Interessensverband der Übertra- gungsnetzbetreiber ENTSO-E erstellt alle zwei Jahre einen „Ten Years Network Development Plan“ (TYNDP), in dessen Rahmen auch "Projekte von gemeinsamem Interesse" (PCI) benannt werden. Diese Planungen haben einen Zeithorizont von zehn Jahren und sind rechtlich für die nationalen Arbeiten des NEP unverbindlich. Die im TYNDP enthaltenen staatenübergreifenden PCI-Projekte sollen hingegen im Rahmen des Infrastrukturpakets der Kommission zum grenz- überschreitenden Stromaustausch besondere Priorität erhalten und langfristig ein pan-euro- päisches Stromnetz etablieren (Fischer/Rosenkranz 2012: 86f). Auch wenn der TYNDP für die Arbeiten der APG unverbindlich ist, entfaltet er eine weiche Steuerungswirkung auf die jähr- lich fortzuschreibenden Planungen notwendiger Netzverstärkung und zusätzlicher Netzaus- bauten im Rahmen des NEP. Entsprechend heißt es in dem jüngsten Konsultationsbericht des Netzentwicklungsplans: „Die Top 10-Projekte des APG-Masterplans 2030 sind identisch mit den TYNDP-Projekten und den Leitungsprojekten der APG im NEP“ (APG 2018: 43). Die Netzkoordination auf europäischer Ebene ist für die APG auch deshalb von großer Bedeu- tung, da die Regelzone der APG mit Ausnahme zur Slowakei mit all seinen Nachbarstaaten verbunden ist (Christiner 2017). In Richtung der deutschen Grenze ist dies die 380-kv- und 220-kv-Trasse bei Obermooweiler und Dellmensingen ins Übertragungsnetz der baden-würt- tembergischen TRANSNET-BW. Eine weitere 320-kv-Leitung führt über Leupolz ins Netz des deutsch-schweizerischen Unternehmens Amprion. Zudem ist die Regelzone der APG mit dem Übertragungsnetzbetreiber TenneT verbunden, wobei insbesondere bei St. Peter mehrere 220-kv-Leitungen den transnationalen Stromhandel zwischen Österreich und dem Bundesland Bayern ermöglichen. Des Weiteren ist die APG im Osten Österreichs mit den Übertragungs- netzbetreibern CEPS zur tschechischen Grenze, zur ungarischen MAVIR sowie im Süden mit

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dem slowenischen Übertragungsnetzbetreiber ELES verbunden. Letztlich besteht im Südwes- ten der österreichischen Regulierungszone Abstimmungsbedarf mit dem italienischen Über- tragungsnetzbetreiber TERNA und dem Schweizer Unternehmen Swiss Grid. Diese zentrale Position im europäischen Stromaustausch macht Österreich zu einem wichtigen Transitland in der EU sowie im kontinentaleuropäischen Verbundnetz. Wegen der österreichischen Tran- sitfunktion haben die PCI-Projekte im Rahmen des TYNDP eine besondere Bedeutung und be- stehen vorzugsweise zwischen Österreich und Deutschland sowie zwischen Österreich und der Tschechischen Republik. Dabei importiert Österreich Strommengen insbesondere von den Nachbarstaaten Deutschland und der Tschechischen Republik und exportiert den Strom zu- meist in Richtung der südlich gelegenen Staaten Schweiz, Italien, Slowenien und Ungarn, aber auch in großen Teilen wieder zurück nach Deutschland. Aufgrund des flexiblen Energiemixes in Österreich verlaufen die Stromimporte zumeist über den Tag, während in den Nachtstun- den Strom exportiert wird.

Abbildung 28: Elektrizitätsimporte und Exporte in GWh

40000

30000

20000

10000 Importe 0 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2017 Exporte -10000

-20000

-30000

(Quelle: E-Control 2018b: 21f)

Dabei hat sich Österreich schrittweise von einem Stromexporteur zu einem Nettoimporteur gewandelt und war bereits im Jahr 2011 der viertgrößte Stromimporteur der EU (APG 2012: 27). In den Folgejahren erhöhte sich das Handelsbilanzdefizit und summierte sich schließlich im Jahr 2016 auf 100 Millionen Euro auf (BMWFW 2017: 26; Abbildung 28). Zusammenfassend ist das Governance-System des Handlungsfeldes der Energieübertragung von den Governance-Formen Netzwerke, Verhandlungen und dem parteipolitischen Wettbe- werb gekennzeichnet. Während der Netzausbau in eine Konfiguration des Governance-Sys-

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tems aus Verhandlungen und Netzwerken eingegliedert ist, zeichnete sich der Entscheidungs- prozess mit Blick auf das Infrastrukturgesetz durch eine verbundene Konfiguration aus Ver- handlungen und parteipolitischem Wettbewerb aus. Dabei führte die Verbindung aus den Governance-Mechanismen Konkurrenz und Verhandeln im Rahmen des Infrastrukturgesetzes erst zur Entscheidungsblockade und anschließend zur Governance-Strategie des Eingriffsver- zichts, weil die Kompetenzverteilung zur Umweltverträglichkeitsprüfungen zwischen Bundes- und Landesebene faktisch bis heute unberührt blieb. Die Performanz zur Planung und Genehmigung des Netzausbaus ist hingegen bei der Konfigu- ration aus Verhandlungen und Netzwerken weit weniger störungsanfällig im Governance-Sys- tem der Energieverteilung.

6.2.3. Energienutzung Die Themen Energieeffizienz, Heizsysteme und Energiesparen beziehungsweise die Reduktion des Strom- und Wärmeverbrauchs liegen aus kompetenzrechtlicher Perspektive in Österreich bei den Ländern, soweit keine Kompetenzdeckungsklausel zu einzelnen Bestandteilen der Energieeffizienz besteht. Diese Zersplitterung in spezifische Einzelfälle zur gesetzlichen Rege- lung der Energieeffizienz hebt die Kasuistik der österreichischen Kompetenzverteilung im Energiewesen im Allgemeinen sowie im Handlungsfeld der Energienutzung im Besonderen hervor (Itv-INÖ). „Es ist so, dass Energieeffizienz keine Kompetenz des Bundes ist. Es gab mal ein rich- tungsweisendes Urteil, vom Höchstgericht, aus den achtziger Jahren, wo der Verfas- sungsgerichtshof geurteilt hat, das Energieeffizienz nicht in der Bundesverfassung von 1920 enthalten ist. Das wurde historisch interpretiert und der Gesetzgeber dachte da- mals in den Zwanzigern nicht an Energieeffizienz […]. Und da es keine Bundeskompe- tenz ist, ist es im Umkehrschluss Landeskompetenz. Das bedeutet jetzt, wenn in Öster- reich über Energieeffizienz rechtlich auf Bundesebene verfügt werden will, man eine Verfassungsbestimmung braucht“ (Itv- BMLFUW-6). Mit den primären Länderkompetenzen unterscheidet sich jedoch das Handlungsfeld von den bisher dargestellten Feldern der Bereitstellung erneuerbarer Energien sowie dessen Vertei- lung. Während insbesondere die Bereitstellung erneuerbarer Energien, aber auch die Netz- ausbauplanung zu großen Teilen auf der Bundesebene zentralisiert wurde, ist der Handlungs- bereich der Energieeffizienz nach wie vor zentraler Bestandteil der Ländergesetzgebung. Die

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Bundesebene kann nur durch finanzielle Instrumente in Form von Förderangeboten auf der Bundesebene eigenständig tätig werden. Maßnahmen zur Energieeffizienzpolitik reichen in Österreich lange zurück und wurden erst- mals nach der Ölkrise in den siebziger Jahren adressiert. Infolge der Ölkrise wurden im Rah- men internationaler Regime Energieeffizienzinstrumente thematisiert. Gleichwohl wurde zu diesem frühen Zeitpunkt auch ersichtlich, dass die Verfassung Österreichs keine Regelungen im Umgang mit Energieeffizienzpolitiken vorsah, wodurch das neue Thema in den Kompetenz- bereich der Länder fiel (Itv-INÖ). Eine bundeseinheitliche Regelung bedurfte demnach einer Verfassungsbestimmung. Die Not- wendigkeit, über eine Verfassungsbestimmung zu verfügen, etablierte Anfang der 1980er- Jahre die Governance-Form Verhandlungen zwischen den Ländern und dem Bund im Hand- lungsfeld der Energieeffizienz (BGBl Nr. 351/1980). Mit dem Beitritt Österreichs zur EU wurde diese Verfassungsbestimmung 15 Jahre später in erneuten Bundländerverhandlungen ange- passt und überarbeitet (BGBl Nr. 388/1995). Mit größerer Aufmerksamkeit richtete sich der politische Fokus erneut Mitte der 2000er-Jahre auf das Feld der Energieeffizienz, weil sich zwi- schen 1970 und 2006 der Energieverbrauch in Österreich annähernd verdoppelte (Abbildung 29).12

Abbildung 29: Sektorale Verteilung des Energieverbrauchs

1200

1000

800 Verkehr Industrie 600 Landwirtschaft 400 Private Haushalte 200 Dienstleistungen

0

(Quelle: Statistik Österreich 2017)

Darüber hinaus wurde auf europäischer Ebene die Richtlinie zur Endenergieeffizienz (Richtli- nie 2006/32/EG) vom Parlament und Rat verabschiedet, die in nationales Recht umzusetzen war. Im gleichen Jahr eröffnete die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren

12 Der Energieverbrauch stieg zwischen 1970 und 2006 von 567 PJ auf 1.093 PJ.

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gegen Österreich, da es den Ländern nicht gelungen war, die bestehenden Mindeststandards im Gebäudesektor umzusetzen. In der Folge beauftragte die Regierung unter Zustimmung al- ler Ministerien die Regulierungsbehörde E-Control mit der Erstellung eines ersten Grünbuchs „Energieeffizienz: Maßnahmenvorschläge zur Steigerung der Energieeffizienz“ (E-Control 2008). Ziel war es, die Handlungsbereiche zu identifizieren, in denen Effizienzmaßnahmen ge- troffen werden konnten, um den Energiebedarf bis zum Jahr 2020 auf einem konstanten Ni- veau unter der Berücksichtigung aller Sektoren zu halten. Die Länder hingegen gründeten die Koordinationsplattform OIB (Österreichisches Institut für Bautechnik), um durch länderüber- greifende Empfehlungen und Richtwerte für den Gebäudesektor Einfluss auf die Bundespolitik im Rahmen eines Netzwerkes zu nehmen (Amann/Hütter 2007: 9). Mit einer erneuten Verfas- sungsbestimmung (BGBl II Nr. 19/2006) im Rahmen der Governance-Form Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern sollten die bestehenden Defizite im Wohnungsbau re- duziert werden. Die tatsächlichen Ergebnisse der Verhandlungen blieben jedoch weit hinter den Erwartungen zurück, sodass die Grenzwerte im Gebäudesektor bereits 2009 erneut aus- verhandelt und angepasst werden mussten (BGBl II Nr. 251/2009). Weil sich zeitgleich mit den erneuten Verhandlungen über eine adäquate Verfassungsbestim- mung der Energieeffizienz auch die Verhandlungen über den Finanzausgleich erstreckten, konnten beide Politikfelder durch die Governance-Strategie der Paketlösungen zusammenge- führt und gemeinsam verabschiedet werden. Dabei machten die Länder vergleichsweise er- hebliche Zugeständnisse und der Bund entschädigte diese Zugeständnisse durch sein finanzi- elles Entgegenkommen (Steurer/Clar 2015: 338). Bereits wenige Jahre zuvor wurde im Rahmen der großen Koalition auf nationaler Ebene der Klima- und Energiefond 2007 gegründet. Die Schaffung eines Fonds zur finanziellen Förderung einer klimaschonenden Energienutzung ermöglichte der Bundesebene, abseits von Verhand- lungen mit den Ländern über ein eigenständiges ökonomisches Instrument zur Ausgestaltung des Handlungsfelds der Energienutzung zu verfügen. Aufgabe des Klima- und Energiefonds ist die Förderung von Modellregionen und Demonstrationsprojekten sowie deren wissenschaft- liche Begleitung und Kommunikation (vgl. Komendantova et al. 2018). Hierfür stand dem Fonds ein jährliches Budget zwischen fünf und sechs Millionen Euro in den vergangenen Jah- ren zur Verfügung (Niedertscheider et al. 2018: 12). Dabei wurde der Fonds seit seiner Grün- dung paritätisch von je zwei SPÖ-besetzten Ministerien sowie zwei ÖVP-besetzten Ministerien geführt. Mittlerweile hat sich das Management auf zwei Ministerien reduziert, der Proporz

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allerdings wird weiterhin durchgeführt, um den Parteienwettbewerb in die Governance-Form Verhandlungen einzubetten. Die starken Bestrebungen, den Proporz in der Führung des Ener- gie- und Klimafonds einzuhalten, führten in der letzten Amtszeit der Großen Koalition dazu, dass das für Energiepolitik fachlich zuständige Wirtschaftsministerium nicht mehr in die Aus- gestaltung des Fonds integriert war und damit keinen Einfluss auf die strategische Ausrichtung der Mittelverteilung hatte. „Wir haben keinen Einfluss auf den Klima- und Energiefonds. Das sehe ich als einen großen Mangel derzeit in Österreich. Also dass es einen Fonds gibt, wo ziemlich viel Geld in Energie und Klimaprojekte hineinläuft, aber die Energiesektion keinen Einfluss darauf hat. Das ist wirklich ein Problem, also aus Sicht des Wirtschaftsministeriums. Und ich denke gerade bei solchen Projekten, bei größeren Projekten, kann die Einbin- dung gar nicht groß genug sein“ (Itv-BMWFW-1). Dabei wurden in der Vergangenheit insbesondere städtische und regionale Vorhaben aus dem Fonds finanziell gefördert, der der Integration erneuerbarer Energien und der Steigerung der Energieeffizienz dienten, um Treibhausgase zu reduzieren (Klima- und Energiefonds 2017). Darüber hinaus hat sich Österreich zum Ziel gesetzt, seine europäische Vorreiterrolle im Be- reich der Energieeffizienz beispielsweise im Rahmen von Smart-City-Konzepten (Bach 2013: 180) weiter auszubauen sowie durch lokale Leuchtturmprojekte, wie sie in der aktuellen Klima- und Energiestrategie Österreichs bis 2030 benannt sind, voranzutreiben (vgl. BMNT/BMVIT 2018). Erneut durch eine europäische Richtlinie (Richtlinie 2012/27EU) eingeleitet, wurden Verhand- lungen zwischen dem Bund und den Ländern notwendig, um ein bundeseinheitliches Energie- effizienzgesetz zu verabschieden. Grundlage des 2014 in Österreich in Kraft getretenen Ener- gieeffizienzgesetzes (EEffG) war wiederholt eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG sowie die Notwendigkeit einer anschließenden Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Aufgrund dieser Notwendigkeit musste die Große Koalition mit der konkurrierenden Oppositionspartei Die Grünen verhandeln. Dabei setzten sich Die Grünen erfolgreich für die Anhebung des beste- henden Energieeffizienzziels um 50 Pj ein und maximierten im Rahmen der Verhandlungen über das EEffG die bestehende Zielvorgabe der Energiestrategie 2020 – ein Verhandlungser- gebnis, das die mehrheitsbeschaffende Oppositionspartei gegen die Interessen der Regie- rungsparteien und Sozialpartner durchsetzen konnte.

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„Die Grünen hatten die Möglichkeit als Mehrheitsbeschaffer noch Änderungen am Ge- setz durchzuführen, die der Wirtschaftskammer und auch der Arbeiterkammer nicht unbedingt gefallen haben“ (Itv-BMWFUW). Des Weiteren verpflichte das Energieeffizienzgesetz große Unternehmen, Energieaudits durchzuführen sowie ein Energie- und Umweltmanagementsystem einzuführen, dessen Er- gebnisse jährlich an die Monitoringstelle für Energieeffizienz der „Österreichischen Energie- agentur“ (AEA) gesendet werden müssen. Dennoch blieben die Verhandlungsergebnisse für Energieeffizienzmaßnahmen im Energie- und Industriesektor deutlich hinter den Erwartungen zurück, weil die Verbindung aus parteipolitischem Wettbewerb und Verhandlungen im Ent- scheidungsprozess die Governance-Strategie der negativen Koordination begünstigte. „Es war ein sehr, sehr langer Prozess, der ein paarmal schon wirklich abgebrochen wor- den ist und neu aufgesetzt wurde. Da haben die verschiedensten Interessen mitge- spielt. […] Mit dem Effekt, dass das zwar vom Gesetz her ganz gut ausschaut, aber mit dem Resultat, dass die Ziele sehr, sehr leicht erreicht werden. Weil Energieeffizienz- maßnahmen de facto nichts kosten und alles zur Anrechnung gebracht werden konnte“ (Itv-EC). Die Energieeffizienz-Monitoringstelle wurde im Rahmen des EEffG 2014 gegründet und in die Organisationsstrukturen der bereits 2004 eingerichteten Österreichischen Energieagentur eingegliedert. Die AEA ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Mitglieder das gesamte Akteurs- spektrum der österreichischen Energiepolitik und -wirtschaft abdecken. Die AEA hat den Zweck, wissenschaftliche Analysen zur Unterstützung der energiepolitischen Normen Kosten- effizienz und Umweltverträglichkeit durchzuführen. Die weiteren Normen Österreichs Ener- giestrategie in Form von Energiesicherheit und Sozialverträglichkeit sind hingegen weniger präsent. Dies ist nicht zuletzt auf die vereinsrechtliche starke Prägung durch das Wirtschafts- und Umweltministerium zurückzuführen. Letztlich definiert das EEffG, dass der öffentliche Sektor eine Vorbildfunktion einnehme und mithilfe geeigneter Informationskampagnen und Impulsen gegenüber der Gesellschaft und der Wirtschaft aufzutreten habe. Die AEA veröffentlicht diesbezüglich Best-Practice-Beispiele besonders innovativer, effizienter und ökologischer Vorbildprojekte. Um die Vorbildfunktion des Bundes zu verdeutlichen, hat sich die Regierung im durch das EEffG selbstverpflichtet, den Wärme- und Kälteenergiebedarf im eigenen Gebäudebestand um 48,2 GWh bis zum Jahr 2020 zu senken, was einer prognostizierten Sanierungsrate von drei Prozent entspricht.

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Mit dem EEffG setzte Österreich jene Mindestmaßnahmen um, die im Zuge der Energieeffizi- enz-Richtlinie vom EU-Ministerrat im Oktober 2012 verabschiedet wurden. Die Verbindung aus parteipolitischem Wettbewerb und Verhandlungen führte im Rahmen des Energieeffi- zienzgesetzes zu einer Verschärfung der Reduktion des Primärenergieverbrauchs um 50 PJ auf einen Gesamtverbrauch von 1050 PJ im Jahr 2020. Diese Reduktion verschärft erheblich den europäisch verankerten und in der nationalen Energiestrategie 2020 geforderten Abbau des Primärenergieverbrauchs. Schaut man auf die aktuelle Performanz der Energieeffizienz in Ös- terreich ist allerdings davon auszugehen, dass die verschärfte Reduktion des Energiever- brauchs im EEffG bis 2020 deutlich verfehlt werden wird. Eine verstärkte Berücksichtigung hat in den vergangenen Jahren der Verkehrssektor in Öster- reich erhalten. Der Verkehrssektor ist zum einen größter Treibhausgas-Emittent mit einem Anteil von 45 Prozent; zum anderen beanspruchte der Verkehr mit 34,6 Prozent den meisten energetischen Endverbrauch im Jahr 2017 (BMNT 2018: 13; Federal Environmental Agency 2017). Dabei sind der kontinuierliche Anstieg des Energieverbrauchs sowie der damit einher- gehende Treibhausgasausstoß des österreichischen Verkehrssektors seit den neunziger Jah- ren zu beobachten. Ein wesentlicher Grund der Problematik im Verkehrssektor ist die stetige Zunahme des Fahrzeugbestands in Österreich. Dieser verzeichnet ein durchschnittliches Wachstum von 2,1 Prozent im Jahr und verdoppelte sich annähernd zwischen 1990 und 2007 (Meyer/Wessely 2009: 3780). Dabei stellte der „Gesamtverkehrsplan Österreich“ aus dem Jahr 2012 die strategische Grund- lage dar, die ähnlich dem Gesamtverkehrskonzept von 1991 (BMWV 1991) die Ziele und Leit- linien der zukünftigen Verkehrs- und Mobilitätspolitik in vertrauensvollen Netzwerken zwi- schen Bund, Ländern und Gemeinden festlegt (BMVIT 2012). Im Gesamtverkehrskonzept wird die Elektromobilität als zentraler Bestandteile der Energieef- fizienzpolitik angesehen. „Die österreichische Verkehrspolitik setzt vor allem auf Elektromobi- lität als Baustein für ein modernes und effizientes Gesamtverkehrssystem“ (BMVIT 2012: 65). Diesbezüglich folgte dem Gesamtverkehrskonzept noch im gleichen Jahr ein Umsetzungsplan für die Elektromobilität, der in interministeriellen Verhandlungen zwischen dem Umwelt-, dem Verkehrs- sowie dem Wirtschaftsministerium im Konsens verabschiedet wurde (BML- FUW et al. 2012). Schließlich erarbeitete im Jahr 2016 das Verkehrs- und Umweltministerium gemeinsam mit den Ländern sowie dem österreichischen Städte- und Gemeindebund den „Nationalen Strategierahmen: Saubere Energie im Verkehr“ im Rahmen der Governance-Form

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Netzwerke aus, um darauf aufbauend die Europäische Richtlinie über alternative Kraftstoffe (Richtlinie 2014/94/EU) in Österreich umzusetzen (BMVIT et al. 2016). Entsprechend ist Österreich beim Einsatz erneuerbarer Energiequellen im Verkehrssektor im europäischen Vergleich hervorzuheben. Gemeinsam mit Schweden ist Österreich der einzige europäische Mitgliedsstaat, der bereits 2016 den Bruttoenergieverbrauch erneuerbarer Ener- gien im Verkehr auf über zehn Prozent maximieren konnte. Auch wenn die Wachstumsrate bei der Elektromobilität in den vergangenen Jahren über 50 Prozent lag, zeigt ein kurzer Blick in den Fahrzeugbestand, dass auch heute noch mehr Sportwagen der Marke Porsche als Elekt- roautos in Österreich zugelassen sind (Statistik Austria 2018). Während vor der Jahrtausendwende insbesondere Dieselfahrzeuge aufgrund ihres geringen

CO2-Ausstoßes steuerlich begünstigt wurden (Meyer/Wessely 2009: 3782), verlagert sich mitt- lerweile die Steuerung durch finanzielle Anreize in Richtung der Elektromobilität. So wurden in der jüngsten Vergangenheit erstmals finanzielle Anreize in Form von Kaufprämien für Brennstoffzellen-, Hybrid- und Elektroautos verabschiedet, die ab März 2019 den Vertrieb von Elektroautos maximieren sollen. Bereits seit 2012 wurden sieben Modellregionen für die Nut- zung der Elektromobilität über den Klima- und Energiefonds in Österreich gefördert. Dabei fokussierten die Modellregionen unterschiedliche Schwerpunktthemen im Rahmen der E-Mo- bilität (Klima- und Energiefond 2015). Wenngleich mit der verstärkten Elektrifizierung der Mobilität in Österreich die Stromnach- frage nach Angaben des Ministeriums um bis zu 14 Prozent ansteigen wird, kann die E-Mobi- lität in Österreich als nachhaltig für den Verkehrssektor betrachtet werden, da die Elektrizi- tätsbereitstellung zu großen Teilen auf der Nutzung der Wasserkraft basiert. Entsprechend ist auch die Vergabe der Kaufprämien für Elektroautos in Österreich an einen Betrieb des Fahr- zeugs durch erneuerbare Energieträger gekoppelt. Zusammengefasst wird deutlich, dass das Handlungsfeld der Energieeffizienz sowie die Regu- lierung des Energieverbrauchs im Gebäudesektor durch die Governance-Form der Bund-Län- derverhandlungen geprägt werden, in denen beide Ebenen eine Vetoposition einnehmen. Um über eine Verfassungsbestimmung zu verfügen, sind einstimmige Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern notwendig. Soll die Verfassungsbestimmung wie im Fall des EEffG bundeseinheitlich sein, gestaltet sich die Governance-Form der Bund-Länderverhandlungen als Zwangsverhandlungen ohne die Möglichkeit des Opt-outs, wodurch die Entscheidungskos- ten erheblich ansteigen.

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Zusätzlich zeichnet sich die Konfiguration des Governance-Systems durch den Parteienwett- bewerb aus. Die Governance-Form des politischen Wettbewerbs folgt aus den Bund-Länder- verhandlungen über eine Verfassungsbestimmung, in der eine Zweidrittelmehrheit für politi- sche Entscheidungen im Nationalrat festgelegt ist. Hierdurch ist das Governance-System durch die Interaktionsformen Verhandeln und Konkurrenz gekennzeichnet. Folglich ist das Hand- lungsfeld der Energienutzung im Gebäudesektor durch eine verbundene Konfiguration des Governance-Systems aus Verhandlungen einerseits und Parteienwettbewerb andererseits ge- prägt. Mit Blick auf den Verkehrssektor hingegen kennzeichnen Netzwerke innerhalb des öf- fentlichen Sektors die Konfiguration des Governance-Systems.

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7. Die Governance der Energietransformation im Vergleich

Das nachfolgende Kapitel widmet sich dem Vergleich der Energietransformation von Deutsch- land und Österreich aus einer komparativen Perspektive der Governance-Forschung. Dabei liegt dieser Arbeit die forschungsleitende These zugrunde, dass die abweichende Performanz der Energietransformation von Deutschland und Österreich durch Unterschiede in der Konfi- guration der jeweiligen Governance-Systeme zu erklären ist. Auf der Grundlage dieser deduk- tiv abgeleiteten Annahme der Governance-Forschung wurden Hypothesen aufgestellt, die da- von ausgingen, dass eingebettete Konfigurationen von Governance-Systemen die Performanz steigern, während verbundene Konfigurationen eine hemmende Wirkung auf die Performanz haben. Um diese Hypothesen zu untersuchen, zielt dieses Kapitel auf einen systematischen Vergleich der Konfigurationen bestehender Governance-Systeme, die die Handlungsfelder der Energie- transformation in Deutschland und Österreich kennzeichnen. Die Gegenüberstellung der Er- gebnisse wird allerdings zeigen, dass die Energietransformation in Österreich durch verbun- dene Governance-Systeme gekennzeichnet ist, während in Deutschland die Transformation insbesondere durch eingebettete Governance-Systeme charakterisiert ist. Damit widerlegen die Ergebnisse der empirischen Analyse die Annahmen der Forschungshypothese. Denn ob- wohl die vorwiegend eingebetteten Konfigurationen der Governance-Systeme in Deutschland kaum anfällig für Entscheidungsblockaden sind, waren sie sogleich zu wenig innovativen Governance-Strategien fähig. Die verbundenen Konfigurationen der Governance-Systeme in Österreich hingegen sind aufgrund ihrer komplexen Konfiguration unterschiedlicher Gover- nance-Formen auf innovative Governance-Strategien angewiesen. Entsprechend lässt sich eine Erklärung der Performanz der Energietransformation nicht abschließend auf die Konfigu- ration von Governance-Systemen reduzieren, sondern muss darüber hinaus die Innovations- fähigkeit praktizierter Governance-Strategien berücksichtigen. Dabei zeigte sich, dass die im Vergleich zu Deutschland bessere Performanz der Energietransformation in Österreich durch eine verbundene Konfiguration des Governance-Systems und der Praxis innovativer Gover- nance-Strategien erklärt werden kann. Die nachfolgenden Abschnitte stellen die Konfigurationen der Governance-Systeme in den Handlungsfeldern der Energiebereitstellung, der Energieverteilung sowie der Energienutzung von Deutschland und Österreich gegenüber und zeigen die jeweils angewandten Governance- Strategie auf. Abschließend werden die konfigurativen Unterschiede in der Ausgestaltung der

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jeweiligen Governance-Systeme beider Staaten hervorgehoben sowie die damit einhergehen- den Auswirkungen auf die Performanz der Energietransformation erklärt.

7.1. Energiebereitstellung Die Bereitstellung erneuerbarer Energien im Rahmen des Elektrizitätswesens ist in Österreich Bestandteil der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung von Bund und Ländern. Das zent- rale Steuerungsinstrument sowie dessen Novellen in Form des Ökostromgesetzes sind jedoch durch eine Ausführungsbestimmung nach Artikel 15a BV-G kompetenzrechtlich in die Zustän- digkeit des Bundes übergegangen. In Deutschland ist das Handlungsfeld der Bereitstellung erneuerbarer Energien durch die kon- kurrierende Gesetzgebung geregelt, in der die Rechtskompetenzen beim Bund liegen, sodass die Länder im Rahmen der EEG-Novellen keine Vetofunktion haben. Entsprechend gleichen sich Deutschland und Österreich hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen der Bundes- und Landesebene, da in beiden Staaten die Zuständigkeit über die Bereitstellung erneuerbarer Energien maßgeblich von der Bundesebene bearbeitet wird. Die entscheidenden Unterschiede allerdings finden sich in der Konfiguration der jeweiligen Governance-Systeme zur Koordination politischer Entscheidungen zum Ausbau der erneuer- baren Energien. Während in Österreich Reformen des Ökostromgesetzes durch eine Zweidrit- telmehrheit gekennzeichnet sind, zeichnet sich der Entscheidungsprozess in Deutschland durch eine einfache Mehrheitsregelung aus. Damit einher geht in Österreich die Notwendig- keit, die Legislative in Entscheidungen der Exekutive einzubinden, sofern die Regierungskoali- tion über keine verfassungsändernde Mehrheit im Parlament verfügt. Die Einbindung der par- lamentarischen Opposition in die Verhandlungen der Regierungskoalition verbindet in Öster- reich den parteipolitischen Wettbewerb mit den Verhandlungen zuständiger Regierungsres- sorts. In Deutschland wird hingegen der parteipolitische Wettbewerb von Verhandlungen zwi- schen den Ministerien eingebettet, wodurch die Ausgestaltung der EEG-Reformen durch in- terministerielle Verhandlungen dominiert wird. In der Folge überlagert die Interaktionsform des Verhandelns die Konkurrenz des Parteienwettbewerbs in den Reformprozessen der EEG- Novellen in Deutschland. Das verbundene Governance-System zur Bereitstellung erneuerbarer Energien in Österreich neigt zu Entscheidungsblockaden, weil die Akteure sowohl mit der Konkurrenz des Parteien-

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wettbewerbs als auch mit Verhandlungen konfrontiert werden. Das eingebettete Gover- nance-System in Deutschland ist im Vergleich weit weniger störungsanfällig für Entschei- dungsblockaden, weil die Verhandlungen zwischen den Fachreferaten nicht durch die Konkur- renz des Parteienwettbewerbs belastet werden. Dies ermöglicht, vergleichsweise schnelle po- litische Entscheidungen zu verabschieden. Verdeutlicht wurde das in jüngster Vergangenheit am Beispiel der Umstellung des Förderinstruments erneuerbarer Energien, die von einer staat- lich garantierten Festvergütung im Rahmen des EEG in Richtung wettbewerbsbasierter Vergü- tungspreise größtenteils umgestellt wurde. Diese schnelle politische Entscheidung zur Umset- zung des Auktionsmodells hat jedoch die Performanz des Ausbauniveaus erneuerbarer Ener- gien bisher nicht steigern können. Ein vergleichbares Auktionsmodell wird in Österreich hin- gegen noch diskutiert, weil sich bisher noch keine qualifizierte Mehrheit für die konkrete Aus- gestaltung von Ausschreibungen zur Förderung erneuerbarer Energien zusammengefunden hat. Die allgemeine Blockadegefahr in Österreich wird jedoch durch die Governance-Form Netz- werke reduziert, weil der Energiebeirat im Vorfeld von Verhandlungen und parlamentarischen Debatten Fachwissen und Expertise bereitstellt, die den negativen Effekt der Konkurrenz in Verbindung mit Verhandlungen versachlicht und abmildert. Aufgrund der institutionellen Governance-Strategie, eine bereits etablierte Parallelinstitution in Form des Energiebeirats in die Ausgestaltung der Erneuerbare-Energien-Politik zu integrieren, wurde einerseits die Kom- plexität des Governance-Systems erhöht, weil die bereits verbundenen Governance-Formen zusätzlich durch Netzwerke ergänzt wurden. Die Integration von Verwaltungs- und Energieex- perten reduzierte jedoch andererseits Wertkonflikte im Entscheidungsprozess, weil beteiligte Spezialisten des Beirats die Sachpolitik in den Vordergrund stellten und Vertrauen generier- ten. Dies hat zur Folge, dass die innovative Governance-Strategie der positiven Koordination gesteigert werden konnte und Strategien der Besitzstandswahrung abgewendet wurden. Ins- besondere durch die kontinuierliche Erweiterung des Energiebeirats in Form von Industrie- und Umweltinteressen konnte die Governance-Strategie der positiven Koordination gefestigt werden, weil der Kommunikations- und Informationsaustausch weitere Deutungsmuster und das Kennenlernen weiterer Präferenzen ermöglichte. Unterstützt wird die vertrauensbildende Arbeit im Rahmen der Netzwerkstrukturen des Energiebeirats durch eine einstimmige Ent- scheidungsregel, in dessen Folge der Interaktionsprozess weniger interessengeleitet, sondern vielmehr auf dem Austausch von Argumenten basiert (Itv-EEÖ; Itv-BMNT).

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Während der Energiebeirat in Österreich eine lange Tradition genießt, ist eine vergleichbare institutionelle Beteiligung sach- und fachkundiger Akteure in die Ausgestaltung der Energie- transformation in Deutschland erst im Rahmen der Energiewende-Plattformen ermöglicht worden und sehr viel stärker fragmentiert. Dabei ist die Arbeit im Energiebeirat auf wenige Akteure beschränkt, die als sachkundige Experten von öffentlichen und privaten Organisatio- nen ein eingeübtes Netzwerk aufspannen und Vertrauen bereitstellen. Im Vergleich hierzu sind die Energiewende-Plattformen in Deutschland von Partikularinteressen der Regierungs- akteure und Verbandfunktionäre gekennzeichnet. Entsprechend sind die Netzwerkstrukturen in Deutschland durch zahlreiche Generalisten geprägt, die Einfluss auf die zukünftige Ausge- staltung der Energietransformation nehmen, während in Österreich diese Funktion von weni- gen Spezialisten übernommen wird. Dennoch wurde bis heute kein explizites Beteiligungsforum in Deutschland eingerichtet, das sich ausschließlich mit Fragen des Ausbaus der erneuerbaren Energien befasst. Vielmehr wer- den die Herausforderungen und die aktuellen Fragen zur Ausgestaltung der Bereitstellung er- neuerbarer Energien neben den fünf inhaltlich unterschiedlich ausgestalteten Energiewende- Plattformen vorzugsweise im Rahmen der Ministerkonferenzen und auf Referentenebene in gefestigten Verhandlungsstrukturen zwischen spezialisierten Fachbeamten vorbereitet sowie in halbjährlichen Spitzentreffen zwischen Vertretern des Bundes und der Länder abschließend konkretisiert und öffentlichkeitswirksam vorgestellt. Dass diese Verhandlungen ungestört von Entscheidungsblockaden verlaufen, auch wenn gelegentlich partikulare Ressortinteressen ei- ner gemeinsamen Ausarbeitung im Weg stehen, ist nicht zuletzt auf die Richtlinienkompetenz des Kanzleramts zurückzuführen, die im Regierungssystem Österreichs nicht gegeben ist (Itv- BMWFW-1). Damit zeigt der Vergleich im Handlungsfeld der Erneuerbare-Energien-Bereitstellung, dass das österreichische Governance-System aufgrund der Verbindung von Verhandlungen und Partei- enwettbewerb eine strukturelle Anfälligkeit für Entscheidungsblockaden in sich birgt. In Deutschland wird hingegen der Parteienwettbewerb von Verhandlungen dominiert und ein- gebettet, wodurch die strukturell bedingte Anfälligkeit von Entscheidungsblockaden reduziert wird. Jedoch werden in Österreich aufgrund der Restriktionen des verbundenen Governance- Systems innovative Strategien gewählt, indem die Governance-Strategie der positiven Koor- dination die Performanz im Handlungsfeld der Energiebereitstellung steigert. Dies ist in der

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eingebetteten Konfiguration des Governance-Systems in Deutschland nicht gegeben. Im Rah- men der Dominanz von Verhandlungen sind beteiligte Akteure auf die Problembearbeitung im Interaktionsmodus des Verhandelns auf die Governance-Strategie der negativen Koordina- tion beschränkt. Im Ergebnis haben sowohl Deutschland als auch Österreich mit dem EEG und dem ÖSG feste Vergütungssätze für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen kurz nach der Jahrtausendwende verabschiedet. Gleichwohl unterscheidet sich die konkrete Ausgestal- tung der Förderinstrumente. Während das EEG ein hohes Maß langfristiger Erwartungssicher- heit auf Investorenseite gewährleistet und bis zur Novelle im Jahr 2012 keine Kontingente oder Ausbaukorridore kannte, ist die Festvergütung in Österreich auf 15 Jahre begrenzt. Zu- dem gewährte das ÖSG abgesehen von der Frühphase der Photovoltaikförderung geringere Einspeisevergütungen und etablierte bereits im Rahmen erster Novellen technologiespezifi- sche Kontingente. Zusammen mit der schleppenden Genehmigungspraxis der OeMAG führte die Ausgestaltung des ÖSG im Vergleich zu Deutschland zu einem geringeren Ausbau erneu- erbarer Energien in Österreich. Konsequenterweise verfügt die OeMAG seit 2012 mit den Son- derkontingenten für den Bau einzelner Erzeugertechnologien über ein zusätzliches finanzielles Ad-hoc-Instrument zur effektiven Nachsteuerung, das Investoren Anreize setzt, Ökostrom günstiger anzubieten, als bei den garantierten Einspeisetarifen vorgesehen. Der vergleichs- weise gehemmte Ausbau erneuerbarer Energien in Österreich hat jedoch positive Auswirkun- gen auf die Bearbeitung des Verteilungsproblems, weil mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien in Österreich geringere Kosten für den Endverbraucher verbunden sind und eine grö- ßere Planbarkeit des weiteren Ausbaus gegeben ist.

7.2. Energieverteilung Mit der Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte haben sich Deutschland und Österreich für je- weils unterschiedliche Varianten der Wettbewerbsregulierung des Netzzugangs entschieden. In Österreich wurde bereits kurz nach der Jahrtausendwende die Regulierungsbehörde E-Con- trol im Rahmen des regulierten Netzzugangs als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet. Wurde die GmbH noch als staatsnahe Gesellschaft im Zuständigkeitsbe- reich des Wirtschaftsministeriums betrieben, agiert die E-Control heute im Rahmen der Un- ternehmensform einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR), die von ministeriellen Vorgaben weisungsfrei ist. Deutschland hingegen wählte den verhandelten Netzzugang und übertrug

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erst einige Jahre später Regulierungsaufgaben im Elektrizitätswesen an eine Behörde im Zu- ständigkeitsbereich des Wirtschaftsministeriums. Vier Jahre nach der Gründung der E-Control in Österreich wurde in Deutschland die bereits bestehende Behörde zur Regulierung des Te- lekommunikations- und Postwesens um den Bereich der Energienetze erweitert und in die heutige BNetzA umbenannt. Weil die BNetzA eine nachgelagerte Behörde des Wirtschaftsmi- nisteriums ist, wurden in Deutschland Zweifel an der politischen Unabhängigkeit der Netzre- gulierung geäußert. In Österreich hingegen wurde die finanzielle Unabhängigkeit hinterfragt, weil sich die E-Control zu großen Teilen aus den Mitteln der zu regulierenden Netzbetreiber finanziert. Beide Regulierer im Energiewesen, sowohl die E-Control als auch die BNetzA, nehmen eine zentrale Funktion bei der Planung des Übertragungsnetzes im Zusammenspiel mit den Über- tragungsnetzbetreibern ein. Dies wird bei der Erstellung des NEP offensichtlich, der in Deutschland wie auch in Österreich verbindlich von den Übertragungsnetzbetreibern anzufer- tigen ist und abschließend von den Regulierungsbehörden genehmigt wird. Die Selbstorgani- sation der langfristigen Netzplanung wird jedoch im Fall Deutschlands wie auch im Fall Öster- reichs durch Netzwerke ergänzt. Dies zeigt sich, indem die vier Übertragungsnetzbetreiber im Fall Deutschlands zum Zweck der Netzentwicklung sich im dauerhaften Austausch befinden und im regelmäßigen Kontakt mit den Ländern Informationen zukünftig geplanter Energiebe- reitstellungskapazitäten einholen (Itv-MWAEV). In Österreich existiert mit der APG nur ein Übertragungsnetzbetreiber, weil die weiteren Netzbetreiber Österreichs in die Unterneh- mensstrukturen der APG inkorporiert wurden, sodass für die Erstellung des NEP keine Koope- rationsnotwendigkeit zwischen unterschiedlichen nationalen Übertragungsnetzbetreibern besteht. Dabei wird der Austausch zwischen der APG und den Ländern im Rahmen des Netz- sicherheitsbeirats gewährleistet, wodurch in Österreich – im Vergleich zu Deutschland – ein entsprechend stärker formalisiertes Netzwerk eingerichtet wurde (Itv-TL). Während die langfristige Planung der Übertragungsnetze aufgrund mangelnder fachlicher Kenntnisse der Behörden zu großen Teilen abseits politisch-administrativer Zuständigkeit im Schatten einer schwachen Hierarchie in Netzwerken mit den Übertragungsnetzbetreibern ausgearbeitet wird, sind die Kompetenzen des Neubaus im Anschluss an die Planung zwischen den administrativen Regierungsebenen aufgeteilt. Während in Österreich die Kompetenzver- teilung zwischen Bundes- und Landesebene im Hinblick auf den Neubau sowie die Nachver-

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stärkung des Übertragungsnetzes in der Vergangenheit unverändert blieb, wurden die Zustän- digkeiten in Deutschland neu justiert. Im Ergebnis ist die föderale Kompetenzverteilung heute bei beiden Staaten weitestgehend ähnlich. Während die jeweiligen Länder im Bereich ihrer territorialen Grenzen für den Netzausbau zuständig sind, verschiebt sich bei grenzüberschrei- tenden Netzausbauprojekten die Zuständigkeit auf die Bundesebene. Ein wesentlicher Unterschied beider Fälle besteht allerdings hinsichtlich anfallender Umwelt- verträglichkeitsprüfungen (UVPs) im Verlauf der Planung neuer Stromtrassen. Bei der Kompe- tenzverschiebung in Deutschland wurde auch die Zuständigkeit von UVPs auf die Bundes- ebene und in den Zuständigkeitsbereich der BNetzA verlegt, während in Österreich auch diese Aufgabe bei bundesländerübergreifenden Bauprojekten bei den Ländern angesiedelt ist. Zwar gab es auch in Österreich im Rahmen des Infrastrukturgesetzes die Bestrebung, Länderkom- petenzen des UVP-Prüfverfahrens auf Bundesebene zusammenzuführen, dieses Vorhaben scheiterte jedoch aufgrund einer fehlenden verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit der Regierungskoalition aus ÖVP und SPÖ im Parlament (Itv-BMWFW-2). Demzufolge ist nicht nur die Kompetenzverteilung im Starkstromwegerecht in Österreich fragmentiert, sondern auch dessen administrativer Genehmigungsprozess bei anstehenden Prüfverfahren zur Umweltver- träglichkeit. Die Kompetenzen zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung begrün- den, warum die Länder in Österreich auch beim überregionalen Netzausbau einzubeziehen sind. In Deutschland hingegen wurden die gesamten Kompetenzen des länderübergreifenden Netzausbaus in der zentral-regulativen Behörde der BNetzA zusammengeführt. Aber auch nach der Kompetenzübertragung an die BNetzA werden die Länder am Netzausbau im Gre- mium des Bundesfachplanungsbeirats informell beteiligt, der die Arbeit der BNetzA bei der Bundesfachplanung, bei der Aufstellung des Bundesnetzplans und bei der Planfeststellung be- rät. In Österreich erfolgt eine vergleichbare Beteiligung und Beratung im Regulierungsbeirat der E-Control, dem darüber hinaus auch die österreichischen Sozialpartner und Interessens- verbände angehören. Zwar können auch im Bundesfachplanungsbeirat der BNetzA Experten zu einzelnen Themen geladen werden, eine dauerhafte Einbindung von Verbandsvertretern wie im Fall Österreichs ist jedoch nicht im Beirat der BNetzA verankert. Damit wurde die Be- deutung der Governance-Form Verhandlungen für die Konfiguration des Governance-Systems im Handlungsfeld der Energieverteilung in Deutschland stark reduziert und durch Netzwerke ersetzt.

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Folglich wurde mit der BNetzA in Deutschland ein zentraler Planungs- und Regulierungsakteur im Verantwortungsbereich des Wirtschaftsministeriums geschaffen, an den die Länder im Be- reich der grenzüberschreitenden Höchstspannungsleitungen freiwillig ihre Kompetenzen übertrugen. Die Kompetenzübertragung wurde ermöglicht, da die Zuständigkeit in der Regio- nalplanung der Übertragungsnetze weder für den politischen Wettbewerb noch bei Bund-Län- der-Verhandlungen zur Profilierung der Länder geeignet erschien. Dabei wurde die Zentrali- sierung der Länderkompetenzen auf die Bundesebene im Rahmen des Energiegipfels unter- stützt, der die späteren Zwangsverhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern und die damit notwendige Zustimmung der Länder im Bundesrat vorbereitete. In Österreich hingegen scheiterte die Übertragung von Genehmigungskompetenzen der Län- der auf die Bundesebene, weil die Verhandlungen nicht wie in Deutschland in Netzwerkstruk- turen eingebettet wurden, sondern mit der Governance-Form des politischen Wettbewerbs verbunden waren. Folglich waren die Verhandlungen über die Zuständigkeiten des Netzaus- baus in Österreich von der Konkurrenz zwischen Regierungsvertretern und Oppositionspartei geprägt und mündeten in einer Blockade des Entscheidungsprozesses. Im Gegensatz dazu wurden die kostenintensiven Zwangsverhandlungen zwischen Bundes- und Landesebene in Deutschland durch institutionelle Governance-Strategien in Form des Energiegipfels kurzfris- tig versachlicht und langfristig in die Parallelinstitution im Zuständigkeitsbereich der bereits bestehenden BNetzA eingegliedert. Mit der Abgabe der Länderkompetenzen beim überregio- nalen Netzausbau an die BNetzA wurden die Verhandlungsstrukturen zwischen Bund und Län- dern im Rahmen der Energieverteilung entflochten und in die zentral regulative Governance- Form der Hierarchie der BNetzA eingebettet. Im Ergebnis ist das Handlungsfeld der Energie- übertragung in Deutschland durch eine Konfiguration des Governance-Systems gekennzeich- net, in der die neu etablierten Netzwerke durch die Governance-Form Hierarchie eingebettet werden. In Österreich verhinderte hingegen der hemmende parteipolitische Wettbewerb in Verbin- dung mit Verhandlungen eine Verfassungsreform der Zuständigkeiten in der Energievertei- lung. Eine Zentralisierung der Kompetenzen auf Bundesebene scheiterte an der fehlenden Praxis innovativer Governance-Strategien sowie letztlich am Veto der Oppositionspartei die Grünen. In der Folge ist die Konfiguration des Governance-Systems, ähnlich dem deutschen Fall, durch neue Netzwerke und die hierarchische Genehmigungskompetenz der Netzentwick- lung seitens der E-Control gekennzeichnet. Weil jedoch die E-Control im Gegensatz zur BNetzA

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mit Blick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung auf die Mitwirkung der Länder angewiesen ist, verbinden sich in Österreich die Governance-Formen Netzwerke und Hierarchie im Gover- nance-System des Handlungsfelds der Energieverteilung.

7.3. Energienutzung Die Analyse des Handlungsfeldes der Energienutzung und Effizienz hat in beiden Länderfällen verdeutlicht, dass sich die Konfiguration des Governance-Systems in Abhängigkeit vom Sektor teilweise unterscheidet. Dieser Erkenntnis folgend gliedert sich der nachfolgende Vergleich des Handlungsfeldes entlang der zentralen Sektoren der Energienutzung. Unterteilt wird das Handlungsfeld in private Haushalte, Industrie- und Dienstleistungen sowie in den an Bedeu- tung gewinnenden Verkehrssektor. Obgleich der Kompetenzverteilung zwischen der Bundes- und Landesebene im Handlungsfeld der effizienten Energienutzung im Wohnungswesen unterschiedliche, historische und verfas- sungsrechtliche Gegebenheiten zugrunde liegen, gleicht sich die Beziehung zwischen der Bun- des- und Landesebene im Gesetzgebungsprozess beider Staaten. In der Folge ist Energieeffi- zienzpolitik im Hinblick auf private Haushalte sowohl im Fall Deutschlands als auch im Fall Ös- terreichs Gegenstand von Bund-Länder-Verhandlungen. In Österreich ist dies der Fall, weil eine bundeseinheitliche Regulierung der Energieeffizienzpolitik an Vereinbarungen mit den Ländern rückgebunden ist, in deren Kompetenz die Themen Energieeffizienz, Heizen und Ener- giesparen fallen. In Deutschland ist dies der Fall, weil Energieeffizienzpolitik zwar im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung von der Bundesebene verabschiedet werden kann, die Konkretisierung jedoch im Rahmen von Verordnungen den Bund zwingt, die Länder zustim- mungspflichtig zu beteiligen. Im Ergebnis kommt den Ländern in Deutschland und Österreich im Handlungsfeld der Energieeffizienz im Wohnungswesen privater Haushalte eine absolute Vetoposition zu. Weil jedoch die Länder in Österreich im Rahmen von Kompetenzvereinba- rungen mit der Bundesebene auch über die Möglichkeit des Opt-outs verfügen beziehungs- weise bilaterale Verträge eingehen können, sind die Verhandlungen als freiwillige Verhand- lungen zu spezifizieren. In Deutschland hingegen verhindert die Arbeitsweise des Bundesrats bilaterale Verhandlungsergebnisse, wodurch Zwangsverhandlungen die Entscheidungsfin- dung zwischen der Bundes- und Länderebene prägen.

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Während die Länder in Österreich ihre Vetoposition in der Vergangenheit nutzten, indem sie nur weitreichenden Regulierungen zustimmten, wenn diese durch finanzielle Gegenleistun- gen des Bundes kompensiert wurden, verharren weitreichende Regulierungen in Deutschland auf der Bundesebene im Konflikt zwischen den Regierungsparteien und zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium. In der Folge sind die Verhandlungen in Deutschland vom parteipoli- tischen Wettbewerb überlagert und dominieren die Konfiguration des Governance-Systems, sodass bisher keine politischen Entscheidungen verabschiedet werden konnten. Indes ist die Governance-Form Verhandlungen in Österreich mit der Konkurrenz des Leistungswettbe- werbs zwischen den Ländern verbunden. Dennoch konnten in Österreich politische Entschei- dungen verabschiedet werden, weil die Governance-Strategie, politische Inhalte im Rahmen von Paketlösungen zusammenzufassen, Anwendung fand. In der Folge wurden Fragen des Fi- nanzausgleichs und Standards für den Energieverbrauch im privaten Wohnungsbau gemein- sam verabschiedet (Steurer/Clar 2015). Die Unterschiede in der Konfiguration der Governance-Systeme zwischen Deutschland und Österreich im Handlungsfeld der Energienutzung werden auch mit Blick auf die Verabschie- dung des Energieeffizienzgesetzes deutlich. Während in Deutschland die Dominanz der Kon- kurrenz den Gesetzgebungsprozess zur Energieeffizienz blockierte, verabschiedete Österreich 2014 das Energieeffizienzgesetz nach einem langjährigen Verhandlungsprozess. Dabei stellt das Verhandlungsergebnis in Form des Energieeffizienzgesetzes den kleinsten gemeinsamen Nenner dar, welcher durch die Governance-Strategie der negativen Koordination erzielt wer- den konnte. Gleichwohl drohten die Verhandlungen mehrmals zu scheitern, weil zahlreiche konkurrierende Interessen berücksichtigt werden mussten, sodass das Ergebnis letztlich weit hinter den erhofften Erwartungen zurückblieb (Itv-EC). Mit Blick auf den Industriesektor wird das Governance-System der Energieeffizienz sowohl in Deutschland als auch in Österreich durch den ökonomischen Wettbewerb ergänzt. Dabei ver- bindet der ökonomische Wettbewerb die bestehende Konfiguration im Handlungsfeld der Energienutzung vor dem Hintergrund, dass sich beide Staaten als Industrie- und Exportnatio- nen verstehen. In der Folge wird das Governance-System zur Regulierung des Industriesektors von unterschiedlichen Governance-Formen des Wettbewerbs sowie Verhandlungen geprägt. Die Dominanz des ökonomischen Wettbewerbs führt in beiden Länderfällen zur wenig inno- vativen Governance-Strategie der Besitzstandswahrung und zum Eingriffsverzicht. In der Folge

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wird die Adaptionsfähigkeit der Industrie und Unternehmen durch die Initiierung von Innova- tionsnetzwerken sowie die Wettbewerbsfähigkeit durch energieeffizienzfördernde Kredite und freiwillige Selbstverpflichtungen hinsichtlich einer nachhaltigen und effizienten Energie- nutzung weitestgehend der marktwirtschaftlichen Selbstregulierung überlassen. Die blockierende Konfiguration des Governance-Systems aufgrund der Dominanz des ökono- mischen Wettbewerbs im Rahmen der Steuerung des Industriesektors zeigt sich verstärkt im Verkehrssektor. Im Verkehrssektor steigert sich die Dominanz des ökonomischen Wettbe- werbs, weil insbesondere in Deutschland, aber auch in Österreich die Automobilbranche einen besonderen Stellenwert in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik einnimmt. Um diese zu- sätzliche Herausforderung zu managen, wurden in Österreich Netzwerke zwischen Akteuren des öffentlichen Sektors initiiert. In diesem Rahmen wurde ein gemeinsames Verkehrskonzept erarbeitet und interministerielle Abstimmungen vorbereitet, welche vorzugsweise den öffent- lichen Nahverkehr und lokale Modelregionen adressieren. Aufgrund der Governance-Form Netzwerke unter Ausschluss privatwirtschaftlicher Akteure ist es in Österreich gelungen, die Dominanz der Governance-Form des ökonomischen Wettbewerbs aus der Handlungsorientie- rung zur Regulierung des Verkehrssektors zu exkludieren und Teillösungen zu erarbeiten. In Deutschland hingegen endeten ähnliche Gremien wie die Nationale Plattform Elektromobi- lität sowie kurzzeitige Gipfeltreffen in Besitzstandswahrung und Entscheidungsverzicht, weil mit der Etablierung der Governance-Form Netzwerke keine Veränderung der Akteurszusam- mensetzung einherging. Während in Österreich die neuen institutionellen Strukturen der Netzwerke durch spezialisierte Fachbeamte des öffentlichen Sektors geprägt wurden, verhan- delten in Deutschland auch im Rahmen der Plattformen und Gipfeltreffen Regierungsvertreter und Verbandfunktionäre. Dabei blieb jedoch die Dominanz des Konkurrenzmechanismus aus politischem und ökonomischen Wettbewerb bestehen – mit dem Ergebnis, dass – wie bereits im Industriesektor und bei privaten Haushalten – die konservative Governance-Strategie der Besitzstandswahrung bis hin zum Eingriffsverzicht eine adäquate Problembearbeitung im Handlungsfeld der Energienutzung in Deutschland verhinderte.

7.4. Die konfigurativen Unterschiede der Governance-Systeme Die differenzierte Forschungsperspektive auf die Energiebereitstellung, die Energieverteilung sowie die Energienutzung im Rahmen der Energietransformation zeigt die unterschiedlichen

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Konfigurationen der Governance-Systeme dieser drei zentralen Handlungsfelder auf. Die Kon- figuration gibt nicht nur Auskunft über die Zusammensetzung spezifischer Governance-For- men, sondern zeigt überdies die Beziehung der einzelnen Governance-Formen zueinander auf. Diesbezüglich verdeutlicht die vergleichende Analyse, dass in Österreich die Governance- Form Netzwerke im Rahmen eines verbundenen Governance-Systems die Konfiguration der Energietransformation prägt. In Deutschland ist hingegen das Governance-System eingebet- tet und sehr viel weniger durch Netzwerke kennzeichnet. Dieser Unterschied in der Konfigu- ration der Governance-Systeme stellt das übergeordnete Ergebnis dieses Vergleichs dar. Da- mit verbunden ist jedoch die Erkenntnis, dass nicht etwa – wie in der Forschungshypothese angenommen – eingebettete Governance-Systeme die Performanz begünstigen. Darüber hinaus wird durch die Analyse ersichtlich, dass insbesondere in den verbundenen Governance-Systemen Österreichs innovative Governance-Strategien den politischen Ent- scheidungsprozess managen. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu betonen, dass ver- bundene Governance-Systeme nicht zwangsläufig eine bessere Performanz aufweisen, sodass ein kausales Verhältnis zwischen der Konfiguration des Governance-Systems und der Perfor- manz politischer Zielerreichung nicht gegeben ist. Vielmehr zeigen die Analyseergebnisse, dass neben der Konfiguration des Governance-Systems auch die praktizierten Governance- Strategien zu berücksichtigen sind, um die abweichende Performanz der Energietransforma- tion zwischen Deutschland und Österreich besser zu verstehen und zu erklären. Abbildung 30 veranschaulicht dieses Analyseergebnis in einer kategorialen Zusammenführung aus Gover- nance-System und Governance-Strategie innerhalb einer Vier-Felder-Matrix. Die Einbezie- hung von Governance-Strategien ermöglicht eine Spezifizierung in der Modell- und Theorie- bildung der Governance-Forschung, die über eine reine Analyse der Blockadeanfälligkeit poli- tischer Entscheidungen hinausgeht. Unter Einbezug von Governance-Strategien ist es nicht nur möglich, Blockaden im politischen Entscheidungsprozess zu prognostizieren, sondern dar- über hinaus auch die Performanz von Transformationen feingliedriger abzuschätzen. Die vier Felder der Matrix geben die Performanz von Transformationen an, die in Abhängigkeit von der Kombination aus Governance-System und praktizierter Governance-Strategie zu erwarten sind. Dies ermöglicht, die Leistungsfähigkeit politischer Entscheidungen nicht auf „blockiert“ oder „konstant“ zu begrenzen (vgl. Dose 2016: 165), sondern auch eine Prognose über die Performanz zu erstellen, die zusätzlich die Kategorien „fragmentiert“ und „transformativ“ ent- hält.

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Abbildung 30: Governance-Performanz von Transformationen

Governance-Strategie

regressiv innovativ

Eingebettet konstant fragmentiert

System -

Verbunden blockiert transformativ Governance (Quelle: eigene Darstellung) So wird deutlich, dass verbundene Governance-Systeme einerseits zu Entscheidungsblocka- den tendieren, wenn sich die Handlungsoptionen der Akteure auf regressive Governance-Stra- tegien begrenzen. Gleichzeitig können verbundene Governance-Systeme aber auch eine tran- sitive Performanz entfalten, wenn es gelingt, innovative Strategien zu praktizieren. In einge- betteten Governance-Systemen ist hingegen davon auszugehen, dass selbst unter der Voraus- setzung innovativer Governance-Strategien die Performanz eingeschränkt bleibt, weil politi- sche Entscheidungen von kurzfristiger Dauer und langfristig durch eine fehlende Bindewirkung gekennzeichnet sind. In dieser Arbeit wurden Entscheidungsblockaden insbesondere am Fallbeispiel von Österreich im Handlungsfeld der Energieverteilung ersichtlich, weil hier die Verbindung aus parteipoliti- schem Wettbewerb und Verhandlungen eine Verfassungsänderung im Rahmen des Infrastruk- turgesetzes verhinderte und der Status quo in der Zuständigkeit für die Umweltverträglich- keitsprüfung unverändert blieb. Im Handlungsfeld der Energienutzung konnte zwar in Öster- reich eine Blockade des Energieeffizienzgesetzes verhindert werden, auch wenn im Rahmen der mäßig innovativen Governance-Strategie der negativen Koordination nur eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner erreicht wurde. Dies bestätigte sich auch mit Blick auf die Energienutzung im privaten Gebäudesektor. Hier konnte die hemmende Wirkung des ver- bundenen Governance-Systems aus Verhandlungen und Wettbewerb nur aufgrund des zeit- gleich zu bearbeitenden Länderfinanzausgleichs überwunden werden, weil dies eine Gelegen- heit zur innovativen Governance-Strategie von Paketlösungen eröffnete. Eine vergleichsweise innovative Governance-Strategie im Handlungsfeld der Energienutzung fehlt bisher in

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Deutschland. Vielmehr zeigen die Ergebnisse, dass die Performanz aufgrund eines verbunde- nen Governance-Systems blockiert ist, wie die Analyse des Wohnungssektors verdeutlichte. Da im Besonderen die Governance-Form des Wettbewerbs die Konfiguration des Handlungs- feldes der Energienutzung in Deutschland kennzeichnet, führen die regressiven Governance- Strategien der Besitzstandswahrung und Gleichbehandlung zu einer konstant schwachen Per- formanz, die sich lediglich auf positive Anreize und freiwillige Selbstverpflichtungen begrenzt. Die Governance-Strategie der negativen Koordination findet sich in Deutschland bei der Ener- giebereitstellung. So führt die dominante Governance-Form Verhandlungen zwischen Wirt- schafts- und Umweltministerium im Handlungsfeld der Energiebereitstellung zu interministe- riellen Abstimmungen, die nicht über den kleinsten gemeinsamen Nenner hinausgehen. Dabei verschob sich in den vergangenen Jahren immer wieder die Federführung in der Abstim- mungspraxis des Umlaufverfahrens mit der ministeriellen Zuständigkeit, wobei die Perfor- manz des Ausbaus der erneuerbaren Energien konstant blieb. Wie sich die Performanz in den kommenden Jahren aufgrund der gewachsenen Bedeutung der BNetzA für das Handlungsfeld der Energiebereitstellung entwickeln wird, bleibt abzuwarten. In Anbetracht einer zunehmen- den Verbindung in der Konfiguration des Governance-Systems zwischen den bestehenden Governance-Formen Verhandlungen einerseits und einer anwachsenden Hierarchie seitens der BNetzA andererseits sind jedoch zukünftige Blockaden im Handlungsfeld der Energiebe- reitstellung zu erwarten. Andererseits konnte im Fall Österreichs aufgezeigt werden, dass die Rigiditäten verbundener Governance-Systeme im Zusammenhang mit innovativen Strategien die Performanz der Ener- gietransformation begünstigen. So wird das Ökostromgesetz zur Bereitstellung erneuerbarer Energien im Rahmen eines verbundenen Governance-Systems bearbeitet, indem die Gover- nance-Strategie der positiven Koordination alle vier energiepolitischen Normen Österreichs im Netzwerk des Energiebeirats zur Disposition stellt. Die Strategie der positiven Koordination begünstigt die Performanz der Energietransformation in Österreich, weil eine Balance zwi- schen dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Planbarkeit, Sozialverträglichkeit so- wie Kostendynamik gewährleistet wird. Damit konnten im Handlungsfeld der Energiebereit- stellung in Österreich Wohlfahrtseffekte erzielt werden, die kaldor-optimale Gewinne ermög- lichten und dadurch erheblich zur gesellschaftlichen Akzeptanz des Ausbaus erneuerbarer Energien beitrugen.

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Dieses Beispiel verdeutlicht im besonderen Ausmaß, dass Akteure auf die Restriktionen ver- bundener Governance-Systeme mit innovativen Governance-Strategien reagieren können, in- dem rigide Konfigurationen von Governance-Systemen um die Governance-Form Netzwerke ergänzt werden. Dadurch wird die institutionelle Komplexität der Konfiguration des Gover- nance-Systems erhöht, weil zu den bestehenden Governance-Formen Wettbewerb und Ver- handlungen zusätzlich auch Netzwerke treten. Mit der ansteigenden Komplexität wird die Handlungskoordination der Akteure allerdings nicht durch eine weitere Interaktionsform irri- tiert und eingeschränkt. Vielmehr überlagert die vertrauensgenerierende Interaktionsform von Netzwerken die Konkurrenz des Wettbewerbs und erleichtert gemeinwohlorientierte Ver- handlungen, wie sie mit der Strategie der positiven Koordination einhergehen. Dieser Effekt zeigte sich in besonderem Maße durch den Energiebeirat in Österreich, da durch das Hinzu- kommen der Governance-Form Netzwerke der parteipolitische Wettbewerb eingebettet wer- den konnte. Folglich war die Handlungskoordination der Akteure nicht länger durch die diver- gierenden Interaktionsformen Verhandeln und Konkurrenz geprägt, sondern von einer Ver- bindung aus Verhandeln und Vertrauen gekennzeichnet. Einen ähnlichen Effekt entfaltete das Netzwerk des Energiegipfels in Deutschland, in dessen Folge die ehemals verbundene Konfi- guration des Governance-Systems mit Blick auf den Übertragungsnetzausbau dauerhaft in die Zuständigkeit der BNetzA und damit strategisch in eine Parallelinstitution überführt wurde. Zusammenfassend zeigt die vorliegende Governance-Analyse, dass die Performanz der Ener- gietransformation in Österreich aufgrund von komplexen Konfigurationen verbundener Governance-Systeme begünstigt wird. Im Unterschied zu Österreich wird in Deutschland die Performanz durch eingebettete Konfigurationen des Governance-Systems eingeschränkt. Zu- sätzlich ist für Österreichs Governance-System kennzeichnend, dass die Governance-Form Netzwerke in zahlreichen Handlungsfeldern der Energietransformation etabliert wurde sowie innovative Governance-Strategien im Rahmen zentraler politischer Entscheidungen in der Energiepolitik. Dennoch sind Netzwerke im Rahmen von Governance-Systemen keine Garan- tie, dass Entscheidungsblockaden vermieden und innovative Strategien die Performanz politi- scher Ziele maximieren. Denn während das Beispiele des etablierten Energiebeirates in Öster- reich sowie des kurzzeitigen Energiegipfels in Deutschland gut veranschaulichen, wie Netz- werke den politischen Wettbewerb einbetten, zeigt das Beispiel der Energiewende-Plattfor- men in Deutschland, dass auch Netzwerke vom politischen Wettbewerb überlagert werden können. Ist dies gegeben, verhindern die Interaktionsformen Misstrauen und Konkurrenz,

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dass die Leistungsfähigkeit politischer Problembearbeitung durch eine Verbindung zwischen Vertrauen und Verhandeln innovative Governance-Strategien ermöglicht.

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8. Schlussfolgerungen und Ausblick

Dieser Arbeit lag folgende übergeordnete Fragestellung zugrunde: Welche Faktoren bedingen die Performanz nationaler Energietransformationen aus der Perspektive der Governance-For- schung? Um diese Frage zu beantworten, wurden mit Deutschland und Österreich zwei Län- derfälle gewählt, die in ihren Rahmenbedingungen sehr ähnliche Ausprägungen aufweisen, weshalb sie auch für gewöhnlich einer gemeinsamen Kategorie im Rahmen von vergleichen- den Arbeiten mit großen Fallzahlen zugeordnet werden. Aufgrund der Ähnlichkeiten beider Fälle galt das Forschungsinteresse der Identifizierung des erklärenden Unterschieds, um die abweichende Performanz der Energietransformation von Deutschland und Österreich besser zu verstehen. Entsprechend folgte diese Arbeit dem Most- Similar-System-Design, da die Ausprägung beider Regierungssysteme sich gleicht, aber die je- weilige Performanz der deutschen und österreichischen Energietransformation voneinander abweicht. Dabei wurde die abweichende Performanz der Energietransformation gemessen, indem die bisherige Umsetzung der nationalen Energie- und Klimakonzepte bis zum Zieljahr 2020 ausge- wertet wurde. Das Resultat zeigt eine bessere Leistungsbilanz Österreichs im Vergleich zu Deutschland, was durch die Ergebnisse ergänzend herangezogener Studien abgesichert wer- den konnte. Um diese abweichende Performanz der Energietransformation zu verstehen und letztlich zu erklären, wurde im Hauptteil dieser Arbeit die Konfiguration der Governance-Sys- teme von Deutschland und Österreich entlang der drei zentralen Handlungsfelder der Ener- gietransformation ausgearbeitet. Gestützt auf aktuelle Erkenntnisse der Governance-For- schung wurde angenommen, dass unterschiedliche Strukturen und Prozesse in der Ausgestal- tung beider Regierungssysteme die abweichende Leistungsfähigkeit erklären können. Der an- genommene Zusammenhang zwischen der Performanz der Energietransformation (AV) und der Konfiguration des Governance-Systems (UV) verdichtete sich in einer Forschungshypo- these. Die Forschungshypothese ging davon aus, dass eine verbundene Konfiguration des Governance-Systems die Performanz einschränkt, während eine eingebettete Konfiguration die Performanz begünstigt. In Anbetracht der empirischen Ergebnisse muss diese Forschungs- hypothese spezifiziert werden. Entgegen der Annahme, dass eine eingebettete Konfiguration des Governance-Systems die Performanz begünstigt, weisen die Ergebnisse dieser Arbeit da- rauf hin, dass insbesondere bei verbundenen Governance-Systemen die Performanz der Ener-

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gietransformation begünstigt wurde. Diese Erkenntnis traf vorzugsweise auf Governance-Sys- teme zu, in der die Governance-Form Netzwerke prägender Bestandteil der Konfiguration war. Am Beispiel des Energiebeirats in Österreich zeigte sich darüber hinaus, dass hauptsäch- lich im Rahmen langjährig etablierter Netzwerke von privat-öffentlichen Spezialisten die Per- formanz der Energietransformation begünstigt wird. Aber auch im Handlungsfeld der Energie- verteilung zeigten die dauerhaften Netzwerke des Energiebeirats sowie des Energielenkungs- und Sicherheitsrats zwischen spezialisierten Beamten und Verbandsvertretern eine positive Wirkung auf die Performanz und Leistungsfähigkeit des Governance-Systems in Österreich. Kurzzeitige Netzwerke von Spezialisten können hingegen die Performanz der Energietransfor- mation weit weniger begünstigen, wie das Beispiel des Energiegipfels im Handlungsfeld der Energieverteilung in Deutschland veranschaulichte. Bestenfalls sind zeitlich begrenzte Netz- werke in der Lage, die Konfiguration eines Governance-Systems zu wandeln. Inwieweit diese kurzzeitige Dynamik jedoch die Performanz begünstigt oder eher einschränkt, bleibt ungewiss. Keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit haben hingegen Netzwerke, die durch Generalisten gekennzeichnet sind, weil sich dieser Netzwerktyp nicht durch Expertise und Fachwissen aus- zeichnet, sondern in der Regel vom politischen Wettbewerb eingebettet wird. Ein gutes Bei- spiel hierfür sind die Energiewende-Plattformen im Handlungsfeld der Energienutzung in Deutschland. Gleiches wurde mit Blick auf die neuen Netzwerke im Handlungsfeld der Ener- gieverteilung in Deutschland ersichtlich, die von der Governance-Form Hierarchie überlagert und eingebettet wurden. Damit kann festgehalten werden, dass der Faktor eines über mehrere Jahre eingeübten Netz- werks in verbundenen Konfigurationen von Governance-Systemen die Performanz der Ener- gietransformation begünstigt (vgl. Bröchler 2014: 151). Wie stark die Performanz im Rahmen spezifischer Konfigurationen von Governance-Systemen begünstigt oder eingeschränkt wird, hängt jedoch auch von der praktizierten Governance-Strategie ab. In dieser Hinsicht ermög- lichte die Governance-Strategie der positiven Koordination, die Performanz der Energiebereit- stellung erheblich zu begünstigen, wie die gemeinsame auf Problemlösung fokussierte Ar- beitsweise des Österreichischen Energiebeirats aufzeigte. Im Handlungsfeld der Energienut- zung des privaten Wohnungssektors wurde die Performanz aufgrund des Länderfinanzaus- gleichs durch die Governance-Strategie Paketlösungen begünstigt. Letztlich wurde die Perfor- manz im Handlungsfeld der Energieverteilung begünstigt, weil die Planungen des österreichi- schen Netzausbaus durch die Governance-Strategie von Expertengremien gemanagt wurden.

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In Deutschland konnte die Performanz mit Blick auf die vergangenen fragmentiert verlaufen- den Dynamiken im Handlungsfeld der Energieverteilung bei der Planung und des Baus neuer Höchstspannungsleitungen aufgrund der Governance-Strategie eingesetzter Parallelinstitu- tion begünstigt werden. Gleichwohl liegt der Outcome hinter den Erwartungen zurück. Auch ist mit Blick auf die fragmentierten Verbindungen in der Konfiguration des Governance-Sys- tems der Energieübertragung mit Akzeptanzproblemen in Deutschland zu rechnen, die die Performanz des Handlungsfeldes trotz innovativer Governance-Strategie auch zukünftig ein- schränkt. Dem stehen regressive Governance-Strategien gegenüber, die wenig innovativ sind und die Performanz der Energietransformation einschränken. Beispiele hierfür finden sich insbeson- dere im Handlungsfeld der Energiebereitstellung in Deutschland sowie in der Energienutzung im österreichischen Industriesektor, welche durch die Governance-Strategie der negativen Ko- ordination geprägt sind. Noch deutlicher zeigt sich die einschränkende Wirkung von Gover- nance-Strategien im Handlungsfeld der Energienutzung in Deutschland, in dem die Besitz- standswahrung die Performanz der Energietransformation erheblich einschränkt und trans- formative Veränderungen blockiert. Mit Blick auf die Beantwortung der Forschungsfrage zeigen diese Ergebnisse abschließend, dass die Energietransformation in Österreich im Vergleich zu Deutschland eine bessere Per- formanz aufweist, weil die Restriktionen der verbundenen Governance-Systeme die Akteure veranlassen, nach innovativen Governance-Strategien zu suchen. Dass diese Suche viel Zeit und Arbeit in Anspruch nimmt, beschrieb Scharpf durchaus passend als frustrierend und zu- weilen enttäuschend (Scharpf 1972: 177). Dass diese Anstrengungen hinsichtlich langfristiger politischer Ziele aber durchaus lohnenswert sein können, bestätigt sich in der vergleichsweise besseren Performanz Österreichs. Weil kurzfristige und schnelle politische Entscheidungen in Governance-Systemen, die durch eine verbundene Konfiguration gekennzeichnet sind, einge- schränkt sind, verläuft die Energietransformation in Österreich zwischen blockiert und trans- formativ zwar langsamer aber zielgerichtet. Die eingebetteten Konfigurationen der Gover- nance-Systeme in Deutschland sind hingegen weniger rigide und vergleichsweise entschei- dungsschneller. Dies erhöhte jedoch bisher nicht die Performanz der Energietransformation, sondern mündete in regressiven Governance-Strategien. In der Folge ist die Energietransfor- mation in Deutschland von einem Zickzackkurs politischer Richtungswechsel gekennzeichnet, in der die Performanz der langfristig angelegten Energietransformation zwar kontinuierlich

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aber wenig abgestimmt und fragmentiert verläuft. Entsprechend konnte die Energietransfor- mation in Deutschland optimal initiiert und in eine neue Richtung gelenkt werden, weil die Konfiguration des Governance-Systems schnelle politische Entscheidungen begünstigt. Für eine langfristige Sicherung und Verstetigung dieser anfänglichen Neuausrichtung in der Ener- giepolitik ist das vorherrschende Governance-System aber kaum geeignet, weil die Transfor- mation in den vergangenen Jahren weniger durch innovative Governance-Strategien verdich- tet wurde, sondern vielmehr durch schnelle Entscheidungen aufgrund exogener Ereignisse ge- kennzeichnet war. Im Gegensatz zu Deutschland ist die Konfiguration des verbundenen Gover- nance-Systems in Österreich auf innovative Governance-Strategien angewiesen, um nicht in Entscheidungsblockaden zu verharren. Dies erschwert erheblich, schnelle Richtungswechsel in der Ausgestaltung des Energiesystems einzuleiten. Ist die Neuausrichtung jedoch erst ein- mal initiiert, wird die Transformation durch die Rigidität verbundener Governance-Systeme zunehmend verstärkt, was die Performanz langfristiger Ziele begünstigt. Über diese Schlussfolgerungen hinaus können die Ergebnisse dieser Arbeit zur weiteren The- oriebildung beitragen, auch wenn ihre Verallgemeinerbarkeit in Untersuchungen mit größerer Fallzahl zu verifizieren wäre. Für die Governance-Forschung ließe sich ableiten, dass eine reine Fokussierung auf die Konfiguration des Governance-Systems die Performanz auf eine binäre Analyselogik zwischen Entscheidungsblockade und politische Kontinuität trivialisiert (Dose 2016: 165), womit jedoch die Performanz von Transformationen nur ungenügend erfasst wer- den kann. In Kombination mit Governance-Strategien kann die Analyselogik dagegen adäquat geschärft werden, sodass neben Blockaden und Kontinuität auch fragmentiert verlaufende Dynamiken sowie transformative Entscheidungen erklärt werden können. Diese Spezifizie- rung ermöglicht es in zukünftigen Arbeiten der Governance-Analyse, die Performanz von Transformationen im Allgemeinen sowie von Energietransformation im Speziellen zu erfassen und Pfadverläufe zu prognostizieren.

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Anhang: Liste der Interviewpartner

Deutschland:

▪ Itv-BMWi-1: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Referat IIB1: Grundsatz Energieeffizienz und rationelle Energienutzung, 15.02.2019, (Interviewer: Jörg, Kem- merzell & Niclas, Wenz).

▪ Itv-BMU-1: Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Re- ferat IK II 5: EU Klima und Energiepolitik, Europäische Klimaschutzinitiative, Kohlen- stoffmärkte; am 15.02.2019, (Interviewer: Jörg, Kemmerzell & Niclas, Wenz).

▪ Itv-MWAEV: Ministerium des Saarlandes für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, Referat F/1: Grundsatzfragen der Energie- und Klimaschutzpolitik, am 13.12.2018, (In- terviewer: Niclas, Wenz).

▪ Itv-BMWi-2: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Referat IIIC1: Nationale und europäische Stromnetze und Stromnetzplanung, 08.11.2018, (Interviewer: Jörg, Kemmerzell & Niclas, Wenz).

▪ Itv-SUE: Stiftung Umweltenergierecht, Abteilung der wissenschaftlichen Leitung der Stiftung Umweltenergierecht, am 06.11.2018, (Interviewer: Jörg, Kemmerzell & Niclas, Wenz).

▪ Itv-AGEB: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V., Mitglied der unabhängigen Ex- pertenkommission der Bundesregierung zum Monitoring der Energiewende, am 24.10.2018, (Interviewer: Niclas, Wenz).

▪ Itv-BNetzA: Bundesnetzagentur, Abteilung: Internationales 14.11.2017, (Interviewer: Timo, Richter & Sebastian Widmuch).

▪ Itv-BMWi-3: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Referat IIIA2: Koordinie- rung, Bundesländer, Information und Dialog, am 22.11.2017, (Interviewer: Jörg, Kem- merzell).

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Österreich:

▪ Itv-EEÖ: Erneuerbare Energie Österreich, Abteilung der Geschäftsführung, am 23.11.2018, (Interviewer: Niclas, Wenz).

▪ Itv-INÖ: Institut für Föderalismus, Abteilung der Direktion, am 07.09.2018, (Intervie- wer: Niclas, Wenz).

▪ Itv-BMNT: Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, Sektion III: Energie und Bergbau, Abteilung Erneuerbare Energien, elektrische Energie und Fernwärme, am 06.02.2018, (Interviewer: Niclas, Wenz).

▪ Itv-BMLFUW: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser- wirtschaft, Abteilung Klimaschutz und Luftreinhaltung, am 06.02.2018, (Interviewer: Niclas, Wenz).

▪ Itv-TL: Tiroler Landesregierung, Abteilung Wasser-, Forst- und Energierecht, am 04.12.2017, (Interviewer: Niclas, Wenz).

▪ Itv-BMWFW-2: Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Abtei- lung Vollziehung des Energiewegerechts, am 04.12.2017, (Interviewer: Niclas, Wenz).

▪ Itv-BMWFW-1: Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Sek- tion III: Energie und Bergbau, Abteilung Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Klimapolitik, am 31.08.2017, (Interviewer: Niclas, Wenz).

▪ Itv-IGW: IG Windkraft, Abteilung Forschung- und Universitätskommunikation, am 31.08.2017, (Interviewer: Niclas, Wenz).

▪ Itv-EC: E-Control, Abteilung Ökoenergie und Energieeffizienz, am 30.08.2017, (Inter- viewer: Niclas, Wenz).

▪ Itv-AIT: Austrian Institute of Technology GmbH, Center for Innovation Systems & Pol- icy, am 13.07.2017, (Interviewer: Niclas, Wenz).

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